Plenarprotokoll 17/225 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 225. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Absetzung der Tagesordnungspunkte 23 und 41 d Nachträgliche Ausschussüberweisungen Tagesordnungspunkt 3: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz) (Drucksachen 17/11631, 17/11874, 17/12536) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Dr. Carsten Sieling (SPD) Björn Sänger (FDP) Richard Pitterle (DIE LINKE) Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Manfred Zöllmer (SPD) Dr. Volker Wissing (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Peter Aumer (CDU/CSU) Dr. Carsten Sieling (SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 4: a) Antrag der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt (Drucksache 17/12485) b) Antrag der Fraktion der SPD: Bezahlbare Mieten in Deutschland (Drucksache 17/12486) c) Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wohnungsnot bekämpfen - Sozialen Wohnungsbau neu starten und zum Kern einer gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln (Drucksache 17/12481) d) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland (Drucksache 17/11200) e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Ingrid Hönlinger, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen - Für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht (Drucksachen 17/7983, 17/12472) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sören Bartol (SPD) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Heidrun Bluhm (DIE LINKE) Jan Mücke (FDP) Patrick Döring (FDP) Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Peter Götz (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Sebastian Körber (FDP) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) Thomas Jarzombek (CDU/CSU) Florian Pronold (SPD) Gero Storjohann (CDU/CSU) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 41: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits (Drucksache 17/12354) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2012 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits (Drucksache 17/12355) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (Intelligente Verkehrssysteme Gesetz - IVSG) (Drucksache 17/12371) Zusatztagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Meeresforschung stärken - Potentiale ausschöpfen und Innovationen fördern (Drucksache 17/9745) b) Antrag der Abgeordneten René Röspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen (Drucksache 17/12300) c) Antrag der Abgeordneten Franz Thönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umfassende Modernisierung und Respektierung der Menschenrechte in Aserbaidschan unabdingbar machen (Drucksache 17/12467) Tagesordnungspunkt 42: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR-Kostenhilfegesetz - EGMRKHG) (Drucksachen 17/11211, 17/12535) b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über konjunkturstatistische Erhebungen in bestimmten Dienstleistungsbereichen (Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz - DLKonjStatG) (Drucksachen 17/12014, 17/12510) c) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit (Drucksachen 17/12337, 17/12528) d) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vorläufigen Tabakgesetzes (Drucksachen 17/12338, 17/12530) e)-m) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 537, 538, 539, 540, 541, 542, 543, 544 und 545 zu Petitionen (Drucksachen 17/12401, 17/12402, 17/12403, 17/12404, 17/12405, 17/12406, 17/12407, 17/12408, 17/12409) Zusatztagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu der Verordnung der Bundesregierung: Einhundertzweiundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - (Drucksachen 17/12001, 17/12114 Nr. 2.1, 17/12448) Zusatztagesordnungspunkt 4: a) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) (Drucksachen 17/7746, 17/10158, 17/10768, 17/12463) b) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz) (Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395, 17/11938 17/12464) c) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Drucksachen 17/11314, 17/11717, 17/11718, 17/11940, 17/11950, 17/12465) Zusatztagesordnungspunkt 5: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Position der Bundesregierung zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns Klaus Ernst (DIE LINKE) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Anette Kramme (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Max Straubinger (CDU/CSU) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Jutta Krellmann (DIE LINKE) Maria Michalk (CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 5: a) - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/12367, 17/12520) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/12521) b) - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/12368, 17/12522) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/12523) Dr. Rainer Stinner (FDP) Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) Christine Buchholz (DIE LINKE) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Elke Hoff (FDP) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Dr. Rolf Mützenich (SPD) Ingo Gädechens (CDU/CSU) Ute Koczy (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Zusatztagesordnungspunkt 6: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes (Drucksachen 17/12033, 17/12400 Buchstabe a) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 6: Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes (Drucksache 17/12462) Wahl Ergebnis Tagesordnungspunkt 9: a) Antrag der Abgeordneten Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür (Drucksache 17/12394) b) Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Eva Bulling-Schröter, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 -Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern (Drucksache 17/12482) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Dr. Martin Schwanholz, Manfred Nink, Wolfgang Tiefensee, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Drucksache 17/12519) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Lange (CDU/CSU) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Lange (CDU/CSU) Dr. Martin Schwanholz (SPD) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) Ulla Lötzer (DIE LINKE) Manfred Nink (SPD) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 8: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II (Drucksachen 17/11822, 17/12537) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II (Drucksachen 17/12298, 17/12537) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Ute Vogt (SPD) Michael Kauch (FDP) Dorothée Menzner (DIE LINKE) Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) Dr. Matthias Miersch (SPD) Florian Bernschneider (FDP) Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung des von den Abgeordneten Raju Sharma, Jan Korte, Petra Pau, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz - StAblG) (Drucksache 17/8791) Raju Sharma (DIE LINKE) Rolf Schwanitz (SPD) Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) Dr. Stefan Ruppert (FDP) Raju Sharma (DIE LINKE) Kerstin Griese (SPD) Tagesordnungspunkt 10: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) (Drucksachen 17/12375, 17/12532) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/12533) Olav Gutting (CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Dr. Daniel Volk (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 11: a) Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter, Rolf Hempelmann, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Energiewende - Kosten für Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen (Drucksachen 17/10366, 17/12246) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie - zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wirkungsvoll ausgestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dorothée Menzner, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Energiewende braucht Energieeffizienz - zu dem Antrag der Abgeordneten Ingrid Nestle, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Energie sparen, Kosten senken, Klima schützen - Für eine ambitionierte Effizienzstrategie der deutschen und europäischen Energieversorgung (Drucksachen 17/8159, 17/8457, 17/7462, 17/10106) Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Thomas Bareiß (CDU/CSU) Ulrich Kelber (SPD) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Manfred Grund (CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD) Thomas Bareiß (CDU/CSU) Dorothée Menzner (DIE LINKE) Klaus Breil (FDP) Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Klaus Breil (FDP) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Josef Göppel (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 17/11293, 17/11873, 17/12526) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ein effizientes Tierarzneimittelgesetz schaffen und die Antibiotikagaben in der Nutztierhaltung wirkungsvoll reduzieren (Drucksachen 17/12385, 17/12526) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem -Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Syste-matischen Antibiotikamissbrauch bekämpfen - Tierhaltung umbauen (Drucksachen 17/9068, 17/10662) Peter Bleser, Parl. Staatssekretär BMELV Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 13: Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Petra Crone, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Menschenrechte älterer Menschen stärken und Erarbeitung einer UN-Konvention fördern (Drucksache 17/12399) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Frank Heinrich (CDU/CSU) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Pascal Kober (FDP) Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 14: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz - TierGesG) (Drucksachen 17/12032, 17/12478) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Notfonds für tierhaltende Betriebe einrichten (Drucksachen 17/9580, 17/10663) Alois Gerig (CDU/CSU) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Johannes Röring (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Stüber, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Neue Flusspolitik - Ein "Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften" - zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Sabine Stüber, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umfassendes -Elbekonzept erstellen (Drucksachen 17/9192, 17/9160, 17/11063) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Sabine Stüber (DIE LINKE) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ulrich Petzold (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 16: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (Drucksachen 17/11689, 17/12524) Tagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zusammenarbeit mit China intensivieren - China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen (Drucksache 17/11202) Tagesordnungspunkt 18: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten -Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksachen 17/12059, 17/12498) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes (Drucksachen 17/12353, 17/12498) Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) (Drucksachen 17/9666, 17/12525) Tagesordnungspunkt 20: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Lothar Binding (Heidelberg), Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rechte indigener Völker stärken - ILO-Konvention 169 ratifizieren (Drucksachen 17/5915, 17/11209) Tagesordnungspunkt 19: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften (Drucksachen 17/11818, 17/12527) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften (Drucksachen 17/12299, 17/12527) Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Hans-Michael Goldmann (FDP) Karin Binder (DIE LINKE) Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 22: Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Gerster, Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neue Struktur der Nationalen Anti Doping Agentur schaffen (Drucksachen 17/11320, 17/12237) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) Klaus Riegert (CDU/CSU) Dagmar Freitag (SPD) Dr. Lutz Knopek (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 21: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes und anderer Gesetze (Unterhaltsvorschuss-entbürokratisierungsgesetz) (Drucksachen 17/8802, 17/12488) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht (Drucksachen 17/2584, 17/12488) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Alleinerziehende entlasten - Unterhaltsvorschuss ausbauen (Drucksachen 17/11142, 17/12488) Dorothee Bär (CDU/CSU) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) Caren Marks (SPD) Sibylle Laurischk (FDP) Jörn Wunderlich (DIE LINKE) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 24: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sofortige humanitäre Hilfe für Syrien leisten - Diplomatische Verhandlungslösung für den Konflikt fördern (Drucksachen 17/11697, 17/12243) b) Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Syrische Flüchtlinge nicht im Stich lassen (Drucksache 17/12496) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Joachim Hörster (CDU/CSU) Günter Gloser (SPD) Marina Schuster (FDP) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 25: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 17/12046, 17/12302, 17/12529) Cajus Caesar (CDU/CSU) Petra Crone (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines -Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht (Drucksache 17/12193) Reinhard Grindel (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Serkan Tören (FDP) Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 27: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Änderung der Geheimschutzordnung (Anlage 3 der Geschäftsordnung) im Zusammenhang mit geheimhaltungsbedürftigen Belangen in parlamentarischen Anfragen (Drucksache 17/12287) Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) Sonja Steffen (SPD) Gisela Piltz (FDP) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 28: Antrag der Fraktion der SPD: UN-Menschenrechtsrat nutzen und von Sri Lanka Rechtstaatlichkeit, Einhaltung der Menschenrechte und Versöhnungsprozess fordern (Drucksache 17/12466) Jürgen Klimke (CDU/CSU) Christoph Strässer (SPD) Pascal Kober (FDP) Katrin Werner (DIE LINKE) Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 29: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren (Drucksache 17/12035) Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) Christoph Strässer (SPD) Mechthild Dyckmans (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 9: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) (Drucksache 17/12484) Tagesordnungspunkt 31: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Familienpflegezeit und zum flexibleren Eintritt in den Ruhestand für Beamtinnen und Beamte des Bundes (Drucksache 17/12356) Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU) Wolfgang Gunkel (SPD) Dr. Stefan Ruppert (FDP) Frank Tempel (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Tagesordnungspunkt 30: Antrag der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr (Drucksache 17/12437) Florian Hahn (CDU/CSU) Rainer Arnold (SPD) Rainer Erdel (FDP) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes (Drucksache 17/12370) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) Angelika Krüger-Leißner (SPD) Dr. Claudia Winterstein (FDP) Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 32: Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Energetische Quartierssanierung sozialgerecht voranbringen (Drucksache 17/11205) Daniela Ludwig (CDU/CSU) Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU) Michael Groß (SPD) Petra Müller (Aachen) (FDP) Heidrun Bluhm (DIE LINKE) Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 34: a) Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen (Drucksache 17/12451) b) Antrag der Abgeordneten Dr. Edgar Franke, Christine Lambrecht, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen (Drucksache 17/12213) Dietrich Monstadt (CDU/CSU) Dr. Edgar Franke (SPD) Heinz Lanfermann (FDP) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 35: Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gunkel, Heinz-Joachim Barchmann, Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Übermittlung von Fluggastdaten nur nach europäischen Grundrechts- und Datenschutzmaßstäben hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG zum Richtlinienvorschlag KOM(2011) 32 endg. - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten - Richtlinienvorschlag über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (KOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG (Drucksachen 17/6293, 17/5490, 17/12473) Clemens Binninger (CDU/CSU) Wolfgang Gunkel (SPD) Gisela Piltz (FDP) Jan Korte (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6) Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Meister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 4 b) Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Meister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Zusatztagesordnungspunkt 4 c) Anlage 5 Erklärung der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 a) Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der -Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Frank Schäffler (FDP) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl und Beate Müller--Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 b) Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 b) Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf -eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes (Zusatztagesordnungspunkt 6) Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rainer Erdel und Horst Meierhofer (beide FDP): - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzes-sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale -Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Stephan Thomae und Marina Schuster (alle FDP): - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzes-sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale -Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Cajus Caesar und Dr. Norbert Röttgen (alle CDU/CSU): - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzes-sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale -Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Norbert Barthle, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Veronika Bellmann, Klaus Brähmig, Helmut Brandt, Heike Brehmer, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Maria Flachsbarth, Alexander Funk, Dr. Thomas Gebhart, Peter Götz, Reinhard Grindel, Michael Grosse-Brömer, Anette Hübinger, Andreas Jung (Konstanz), Hans-Werner Kammer, Steffen Kampeter, Bernhard Kaster, Volkmar Klein, Jens Koeppen, Rüdiger Kruse, Maria Michalk, Michaela Noll, Rita Pawelski, Ulrich Petzold, Sibylle Pfeiffer, Beatrix Philipp, Anita Schäfer (Saalstadt), Nadine Schön (St. Wendel), Karl Schiewerling, Patrick Schnieder, Bernhard Schulte-Drüggelte, Carola Stauche, Erika Steinbach,Volkmar Vogel (Kleinsaara) und Sabine Weiss (Wesel I) (alle CDU(CSU) - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzes-sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale -Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Reinhard Brandl, Herbert Frankenhauser, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Michael Frieser, Florian Hahn. Gerda Hasselfeldt, Karl Holmeier, Alois Karl, Hartmut Koschyk, Ulrich Lange, Paul Lehrieder, Stephan Mayer (Altötting), Stefan Müller (Erlangen), Franz Obermeier, Eduard Oswald, Albert Rupprecht (Weiden), Dr. Andreas Scheuer, Johannes Singhammer, Stephan Stracke, Dr. Hans-Peter Uhl, Dagmar G. Wöhrl und Wolfgang Zöller (alle CDU/CSU) - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzes-sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale -Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Anlage 15 Erklärungen nach § 31 GO - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzes-sionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale -Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Gitta Connemann (CDU/CSU) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Ingbert Liebing (CDU/CSU) Daniela Ludwig (CDU/CSU) Dr. Gerd Müller (CDU/CSU) Christian Schmidt (CDU/CSU) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Anlage 16 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Michael Paul (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II (Tagesordnungspunkt 8) Anlage 17 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gisela Piltz, Christine Aschenberg-Dugnus, Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Nicole Bracht-Bendt, Ernst Burgbacher, Marco Buschmann, Bijan Djir-Sarai, Rainer Erdel, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Manuel Höferlin, Michael Kauch, Sebastian Körber, Sibylle Laurischk, Oliver Luksic, Horst Meinerhofer, Patrick Meinhardt, Petra Müller, Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Jörg von Polheim, Dr. Birgit Reinemund, Dr. Peter Röhlinger, Björn Sänger, Christoph Schnurr, Jimmy Schulz, Marina Schuster, Dr. Hermann-Otto Solms, Joachim Spatz, Manfred Todtenhausen, Serkan Tören, Johannes Vogel, Dr. Claudia Winterstein (alle FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Keine Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten - Richtlinienvorschlag über die -Verwendung von Fluggastdatensätzen (KOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundes-regierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i.V.m. § 9 Absatz 4 EUZBBG (Tagesordnungspunkt 35) Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die -Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungs-ablösegesetz - StAblG) (Tagesordnungspunkt 7) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU) Norbert Geis (CDU/CSU) Beatrix Philipp (CDU/CSU) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - Neue Flusspolitik - Ein "Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften" - Umfassendes Elbekonzept erstellen (Tagesordnungspunkt 15) Ingbert Liebing (CDU/CSU) Ulrich Petzold (CDU/CSU) Horst Meierhofer (FDP) Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 16) Lothar Riebsamen (CDU/CSU) Mechthild Rawert (SPD) Jens Ackermann (FDP) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden Beratung des Antrags: Zusammenarbeit mit China intensivieren - China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen (Tagesordnungspunkt 17) Manfred Grund (CDU/CSU) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Johannes Pflug (SPD) Dr. Rainer Stinner (FDP) Stefan Liebich (DIE LINKE) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes - Entwurf der Bundesregierung eines Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Michael Brand (CDU/CSU) Markus Grübel (CDU/CSU) Lars Klingbeil (SPD) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Harald Koch (DIE LINKE) Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Rechte indigener Völker stärken - ILO-Konvention 169 ratifizieren (Tagesordnungspunkt 20) Anette Hübinger (CDU/CSU) Karin Roth (Esslingen) (SPD) Pascal Kober (FDP) Niema Movassat (DIE LINKE) Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Verein-heitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Helmut Brandt (CDU/CSU) Kirsten Lühmann (SPD) Manuel Höferlin (FDP) Thomas Lutze (DIE LINKE) Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 9) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Martin Dörmann (SPD) Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Jimmy Schulz (FDP) Jan Korte (DIE LINKE) Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inhaltsverzeichnis 225. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 Beginn: 9.01 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich. Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich der Kollegin Gabriele Hiller-Ohm heute zu ihrem 60. Geburtstag gratulieren. Alle guten Wünsche! (Beifall - Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Das wollte ich mir nicht entgehen lassen, Herr Präsident!) - Das leuchtet unter jedem Gesichtspunkt ein. Genießen Sie diesen Tag in vollen Zügen in der dafür bestmöglichen Umgebung. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Danke schön!) Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die in der Zusatzpunkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung der Bundesregierung zur vollständigen Gleichstellung von Lebenspartnerschaft und Ehe als Konsequenz aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe 224. Sitzung) ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren Ergänzung zu TOP 41 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Meeresforschung stärken - Potentiale ausschöpfen und Innovationen fördern - Drucksache 17/9745 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten René Röspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen - Drucksache 17/12300 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Rechtsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Franz Thönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umfassende Modernisierung und Respektierung der Menschenrechte in Aserbaidschan unabdingbar machen - Drucksache 17/12467 - Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Innenausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 3 Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache Ergänzung zu TOP 42 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Einhundertzweiundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - - Drucksachen 17/12001, 17/12114 Nr. 2.1, 17/12448 - Berichterstattung: Abgeordnete Ulla Lötzer ZP 4 Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses a) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) - Drucksachen 17/7746, 17/10158, 17/10768, 17/12463 - Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen b) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz) - Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395, 17/11938 17/12464 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister c) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 - Drucksachen 17/11314, 17/11717, 17/11718, 17/11940, 17/11950, 17/12465 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister ZP 5 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE: Position der Bundesregierung zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns ZP 6 Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes - Drucksache 17/12033 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12400 Buchstabe a - Berichterstattung: Abgeordnete Cajus Caesar Petra Crone Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Cornelia Behm ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin Schwanholz, Manfred Nink, Wolfgang Tiefensee, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen - Drucksache 17/12519 - ZP 8 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) - Drucksache 17/9666 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/12525 - Berichterstattung: Abgeordnete Helmut Brandt Kirsten Lühmann Manuel Höferlin Frank Tempel Wolfgang Wieland ZP 9 Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) - Drucksache 17/12484 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Kultur und Medien (f) Rechtsausschuss Haushaltsausschuss Federführung strittig Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, soweit erforderlich, abgewichen werden. Die Tagesordnungspunkte 23 und 41 d werden abgesetzt. Darüber hinaus kommt es zu den in der Zusatzpunkteliste dargestellten weiteren Änderungen des Ablaufs. Schließlich mache ich noch auf zwei nachträgliche Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunkteliste aufmerksam: Der am 25. Oktober 2012 (201. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Erste Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes - Störerhaftung - Drucksache 17/11137 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Kultur und Medien Der am 21. Februar 2013 (222. Sitzung) überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) - Drucksache 17/12295 - Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ich frage Sie, ob Sie mit diesen Veränderungen einverstanden sind. - Das sieht so aus. Jedenfalls ist kein Widerspruch erkennbar. Dann haben wir das so beschlossen. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 3 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel (Hochfrequenzhandelsgesetz) - Drucksachen 17/11631, 17/11874 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/12536 - Berichterstattung: Abgeordnete Ralph Brinkhaus Dr. Carsten Sieling Björn Sänger Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der SPD-Fraktion vor. Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, dass diese Aussprache 90 Minuten dauern soll. - Auch dazu kann ich Einvernehmen feststellen. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesfinanzminister Harmut Koschyk. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel errichten wir heute einen weiteren wichtigen Baustein in der Brandmauer, die uns wirksamer als in der Vergangenheit vor künftigen Finanzkrisen schützen soll. Auf diesem Weg ist die Bundesregierung gemeinsam mit den sie tragenden Koalitionsfraktionen ein gutes Stück vorangekommen. Wir haben uns von Anfang an für einen wirksamen europäischen und internationalen Rahmen bei der Finanzmarktregelung eingesetzt. Wir sind auf diesem Weg auch in Europa und auf der G-20-Ebene Schrittmacher gewesen. Wir sind auf nationaler Ebene oft vorangegangen, haben Leerverkäufe verboten, Ratingagenturen reguliert, den Handel mit außerbörslich gehandelten Derivaten transparenter gemacht, und Deutschland hat massiv einen Beitrag dazu geleistet, die europäische und deutsche Aufsichtsstruktur neu zu ordnen. Bereits 2010 haben wir Banken und Versicherungen verpflichtet, angemessene, transparente und nachhaltige Vergütungssysteme einzuführen. Wir haben den Anlegerschutz verbessert, und wir haben mit unserem Restrukturierungsgesetz und unserer Bankenabgabe den Masterplan für die Regelung geschaffen, die jetzt auf europäischer Ebene ansteht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es ist einfach unverständlich, dass dieser erfolgreiche Weg von der Oppositionsseite immer wieder mit Mäkeleien und Kritteleien bedacht wird. (Joachim Poß [SPD]: Wir sollten jetzt wohl jeden Morgen eine Messe für Sie lesen und Hosianna rufen!) Hätten Sie in Ihrer Regierungszeit hier gehandelt, wäre Deutschland, Europa und der Welt viel erspart geblieben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben die Lehren aus der Finanzkrise gezogen (Joachim Poß [SPD]: Sollen wir für diese schwarz-gelbe Krachbude auch noch Hosianna rufen, oder was?) und seit Beginn dieser Legislaturperiode einen wichtigen neuen Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte geschaffen. Dabei lassen wir uns von klaren Prinzipien leiten, die ineinandergreifen, und haben einen konsistenten Ordnungsrahmen gebildet. Grundprinzip unseres Handelns dabei ist, dass Gewinnchancen und Haftung wieder eng beieinander liegen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir freuen uns, dass auf europäischer Ebene die Trilogverhandlungen über die Umsetzung von Basel III vor einem Abschluss zu stehen scheinen. Denn eines ist klar: Ein zentraler Punkt dieses Ordnungsrahmens muss die Bankenregulierung sein, und dazu ist es unerlässlich, dass das haftende Kapital der Banken schrittweise erhöht wird. Wir haben Anfang Februar einen Gesetzentwurf zum Trennbankensystem vorgelegt, in enger Absprache mit Frankreich. Dadurch wollen wir erreichen, dass Risikobereiche von Banken vom Einlagengeschäft getrennt werden. Mit diesem Gesetzentwurf gehen wir die sogenannte Too-big-to-fail-Problematik an. Aber - das hat eine Fachanhörung gestern im Finanzausschuss zum sogenannten Liikanen-Bericht ganz deutlich gemacht - es geht oftmals nicht nur um die Frage: Ist ein Institut zu groß, um es fallen zu lassen? Es geht oftmals auch um die Frage: Wie vernetzt, wie zusammenhängend sind die Institute? All diese Fragen gehen wir in diesem Gesetzentwurf an. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auf unserer Agenda steht auch eine gemeinsame Aufsicht über bedeutende Banken in Europa. Wir konnten bei den europäischen Verhandlungen hier zentrale Anliegen durchsetzen. Dies betrifft zum einen die klare Abgrenzung der Aufgaben zwischen EZB und nationalen Behörden gemäß dem Prinzip der Subsidiarität. Es war gut und richtig, dass wir uns dafür eingesetzt haben, dass nur große, systemrelevante, in grenzüberschreitendem Geschäft tätige Banken in Europa unter die europäische Aufsicht kommen, dass aber zum Beispiel unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die ein stabiler Eckpfeiler des Mittelstandsfinanzierungssystems in Deutschland sind, nach wie vor unter unseren bewährten nationalen Aufsichtsstrukturen stehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Manfred Zöllmer [SPD]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Hochfrequenzhandel!) Ganz entscheidend ist für uns bei den neu zu schaffenden europäischen Aufsichtsstrukturen die weitgehende Trennung von Bankenaufsicht und Geldpolitik gewesen, wie sie sich gerade auch im Bereich der deutschen Aufsichtsstrukturen bewährt hat. Mit dem Gesetz, das wir heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden, wollen wir den Gefahren des sehr schnellen Computerhandels begegnen und damit wieder für mehr Stabilität und Integrität der Finanzmärkte sorgen. Denn - das ist nicht zu leugnen - der zunehmende Hochfrequenzhandel hat die Geschwindigkeit und Komplexität des Handels in den letzten Jahren drastisch erhöht. Wir erinnern und alle noch an extreme Börsenszenarien, bei denen es in wenigen Minuten zu gravierenden Marktausschlägen kam, etwa beim sogenannten Flash Crash im Mai 2010. Da konnten wir erleben, wie durch den computergesteuerten Hochfrequenzhandel extreme Kursbewegungen ohne jeglichen Bezug zu realwirtschaftlichen Entwicklungen verstärkt wurden. Zu dem Gesetz, das wir heute hier verabschieden, gehören erstens Mechanismen, die bei hohen Preisschwankungen den Handel vorübergehend aussetzen. Zweitens sorgen wir dafür, dass bei einer übermäßigen Inanspruchnahme der Handelssysteme durch häufiges Einstellen, Ändern oder Löschen von Aufträgen in Zukunft besondere Kosten fällig werden. Drittens müssen Händler darauf achten, dass das Verhältnis von Orderanfragen und tatsächlichen Handelsabschlüssen nicht zu weit auseinanderklafft. Viertens wird dem Trend zu immer mehr Geschäftsabschlüssen, bei denen minimale Preisunterschiede ausgenutzt werden, durch die Einführung von Mindestpreisänderungen entgegengewirkt. Wir haben uns - auch aufgrund der Ausschussberatungen - sehr genau überlegt, ob wir in dieses Gesetz eine Mindesthaltedauer für Wertpapiere aufnehmen. Die unterschiedlichen Aussagen der Sachverständigen bei der Ausschussanhörung haben deutlich gemacht, dass sich die Folgen und vor allem der Nutzen einer Mindesthaltedauer schwer abschätzen lassen. Wir setzen daher im Gesetzentwurf auf Maßnahmen, die negative Folgen des schnellen Computerhandels wirksam einbremsen. Wir wissen, dass es über die Frage einer Mindesthaltedauer auch auf europäischer Ebene, zum Beispiel im Europäischen Parlament, unterschiedliche Auffassungen gibt. (Zuruf von der SPD und der LINKEN) Aber eines ist klar, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Einem solchen Instrument kann man, wenn überhaupt, nur nähertreten, wenn es europaweit eingeführt wird. Eine isolierte nationale Einführung würde überhaupt keinen Sinn machen. Denn wir haben auch eine Verantwortung für den Börsenstandort Deutschland. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb gehen wir hier wieder einmal voran. Wir prägen mit dem, was wir auf den Weg bringen, den europäischen Ordnungsrahmen. Ich kann an die Opposition nur appellieren: Gehen Sie endlich mit uns diesen Weg mit! (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssten wir ja rückwärts gehen!) Beschränken Sie sich nicht auf kleinliche Krittelei, sondern sehen Sie die Größe und Bedeutung dieser Aufgabe, und versagen Sie sich der Mitwirkung nicht! Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Carsten Sieling für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Carsten Sieling (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat handelt es sich bei dem sogenannten Hochfrequenzhandel um eine erst in den letzten Jahren entwickelte Form des Handels an den Börsen, der mit einer unglaublichen Geschwindigkeit vor sich geht. Es geht hierbei um Milli-sekunden, nicht um Sekunden - von Minuten oder Ähnlichem reden wir überhaupt nicht -, also um Millisekunden, in denen der Handel vollzogen werden soll. Das ist ein stark und schnell wachsendes Segment, gerade übrigens für hochliquide Anlagen von großen Unternehmen. 70 Prozent des Börsenhandels in den USA und 40 Prozent des Börsenhandels in Europa werden so abgewickelt. Es ist richtig, hier eine Regulierung anzusetzen. Es ist richtig vor dem Hintergrund der Gefahren, der Crashs, der Unfälle mit gewaltigen Wertvernichtungen, die schon passiert sind. Deshalb muss hier endlich eingegriffen werden. Aber man muss sich natürlich fragen, was für eine Regulierung hier vorgelegt wird und ob dadurch wirklich durchgegriffen wird. Ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren und Herr Staatssekretär, Ihr Gesetzentwurf, den Sie hier einbringen, wird nichts anderes bewirken, als dass einige Registrierungen erfolgen und sicherlich eine Übersicht über den Bereich geschaffen wird; aber die Geschwindigkeit und die Gefahren werden dadurch nicht beeinträchtigt. (Beifall bei der SPD) Um einmal im Bild zu bleiben: Sie fassen nicht die Computer an, sondern Sie wechseln nur die Monitore aus. - Es geht hier darum, mit Hochgeschwindigkeit umzugehen. Das kann man nicht mit einigen Etiketten und einigen wenigen Maßnahmen, die keine Überzeugungskraft haben, angehen. Das Ganze hat einen wichtigen Hintergrund. Wenn Sie in Ihr Herz hineinschauen, müssten Sie sich eingestehen, dass Sie diesen Handel gar nicht wirklich durchgreifend beschränken und regulieren wollen. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Genau!) Das hängt damit zusammen, dass Sie den Nutzen des Hochfrequenzhandels, dieses hyperschnellen Börsenhandels, deutlich überschätzen und die Risiken unterschätzen. Die Folge ist, dass Sie uns ein Regulierungsvorhaben vorlegen, wie wir es aus vielen Bereichen kennen. Bei Ihnen fehlen durchgängig Stringenz und Durchgriff. Dies bräuchten wir aber, um wirklich wieder Ordnung auf den Finanzmärkten herzustellen. (Beifall bei der SPD) Ich muss sagen, Herr Staatssekretär, dass es wohlfeil ist, sich hier hinzustellen und zu sagen: Wir sind diejenigen, die die Maßnahmen angegangen sind, und zwar seit 2009, seitdem wir regieren. - Das ist genau die Phase, nachdem die G 20 die entscheidenden Beschlüsse gefasst haben. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Das gefällt Ihnen nicht! Das ist aber so!) Das ist aus zwei Gründen wohlfeil. Der erste Grund ist, dass man schon in den Jahren vorher, als Sie gemeinsam mit uns in der Großen Koalition regiert haben, eingreifen und schneller hätte etwas machen müssen. Man hätte es auch machen können. Aber Sie haben hier blockiert. Wir hätten viel mehr machen können. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wer war denn damals Finanzminister? - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie haben doch damals den Finanzminister blockiert! Sie haben es nicht mitgemacht! - Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Quatsch! Sie haben das doch nicht mitgemacht! Wir haben doch mit Ihnen verhandelt!) Der zweite und entscheidende Grund, Herr Kollege, ist: Vorher gab es in der Tat eine Phase, in der weltweit liberalisiert wurde. Heute weiß man, dass das nicht richtig war. Aber wir haben damals in der Regierung gemeinsam mit den Grünen wenigstens dafür gesorgt, dass beispielsweise Hedgefonds keine großen Möglichkeiten in Deutschland bekommen. Wir wollten diese Heuschrecken nicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie - die FDP vorneweg, die Union hinterher - haben versucht, uns hier im Parlament zu zwingen, an dieser Stelle mehr zu machen. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Ach was! Ihr habt doch das alles erst zugelassen! - Jörg van Essen [FDP]: Wer hat die Hedgefonds denn zugelassen? Das waren doch Sie!) Früher so und heute anders zu reden, das ist nicht glaubwürdig, meine Damen und Herren; (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben hier nämlich nicht den Vertrauensvorsprung, den man braucht. Das zeigt sich leider auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, an Ihren Gesetzentwürfen. Ich will an einigen Punkten deutlich machen, wo wir die Probleme des vorliegenden Gesetzentwurfes sehen. Sie greifen beispielsweise das Thema auf, dass 90 Prozent der Orders, die getätigt werden, storniert werden und so Scheinliquidität erzeugt wird. Sie wollen dieses Problem mit der Festlegung eines sogenannten Order-Transaktions-Verhältnisses angehen; das ist gut. Aber Sie sagen in Ihrem Gesetzentwurf nicht - Sie weigern sich, da heranzugehen -, wie dieses Verhältnis aussehen soll; das ist schlecht. Sie überlassen diese Regelung nicht dem Gesetzgeber, sondern wollen, dass das hinterher über die Aufsicht und auch über die Börsen selber reguliert wird. (Joachim Poß [SPD]: Genau! Aber das macht die Regelung wieder weich!) Da sage ich: Wenn die, deren Geschäft das ist, selber regulieren, dann kann dabei nichts Ordentliches herauskommen. Von daher sind Sie inkonsequent und lassen den Honigtopf für einige wenige unberührt stehen. (Beifall bei der SPD) Es ist doch so: Es gibt den Irrglauben, ganz viele würden von diesem Computerhandel profitieren. Ich will hier eindeutig sagen - das ist auch der Grund, warum wir an dieser Stelle so energisch sind -: (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Oh ja! Das merkt man!) In Wirklichkeit ist es so, dass nur ganz wenige Händler einen wirklichen Vorteil haben. Es kommt darauf an, wie gering der Abstand - Stichwort "kurzes Kabel"; so konkret ist das - zum Börsenstandort ist. Ein kurzer Abstand zum Börsenstandort führt dazu, dass man Wettbewerbsvorteile hat. In dieser Situation sind nur wenige. Gerade an den Börsen, die eigentlich eine Wettbewerbsplattform in Reinkultur mit wirklich entwickelter Konkurrenz sind, befördern Sie dadurch Monopolisierungsentwicklungen. Das wollen wir nicht. (Beifall bei der SPD) Ich will Ihnen sagen - der Staatssekretär hat es ja angesprochen -: Das am besten geeignete Instrument, um solche Entwicklungen zu verhindern bzw. einzuschränken - und das müssen wir tun -, ist die Einführung einer sogenannten Haltefrist und Mindestverweildauer. Wir fordern nicht etwa eine Haltefrist von mehreren Wochen, Tagen, Stunden oder Minuten, sondern der Vorschlag, den wir Ihnen hier vorlegen, lautet, eine 500-Millisekunden-Haltefrist einzuführen. Da wird es dann spannend. Das ist nämlich ein Vorschlag, den wir uns nicht allein überlegt haben. Die Experten streiten zwar noch darüber; aber das Europäische Parlament hat bereits vorgeschlagen, diese Regelung auf europäischer Ebene zu treffen. (Joachim Poß [SPD]: Und wer bremst? Schäuble und Merkel! - Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wer hat es denn vorgeschlagen?) - Es war ein bayerischer Abgeordneter. Es gibt in Bayern zwar viele Abgeordnete, Gott sei Dank auch von der SPD, von den Grünen und von anderen, aber in diesem Fall ist es ein CSU-Mann gewesen, meine Damen und Herren. Aus Ihrem eigenen Stall kommt dieser Vorschlag. Aber Sie sind zu feige, ihn hier in Deutschland umzusetzen. Ich halte das für einen großen und zentralen Fehler dieses Gesetzentwurfs. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Jetzt wird immer das schöne Argument vorgebracht, da dürfe man keinen Alleingang machen, weil das zu gefährlich sei. In anderen Bereichen konnte man das zwar machen; aber hier wolle man sich das nicht trauen. Darüber könnte man ja noch diskutieren, und das muss man würdigen. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Das ist auch so! Sie wissen das! Sie sagen nur hier nicht das, was Sie wissen!) - Schön, dass Sie, Herr Kollege Wissing, so schlau dazwischenrufen. (Beifall der Abg. Dr. Birgit Reinemund [FDP]) Wenn die Bundesregierung und die Koalition aber sagen: "Eigentlich ist das ein Vorschlag, dem wir uns nähern müssen", würde ich erwarten, dass Sie sich im Ministerrat auf europäischer Ebene auch dafür einsetzen, dass diese Regelung getroffen wird. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Was ist nun die Wahrheit? Im Finanzausschuss ist gestern durch unsere Nachfragen ans Tageslicht gekommen: (Jörg van Essen [FDP]: Ui!) Diese Bundesregierung gehört im Ministerrat auf europäischer Ebene zu denen, die das nicht wollen und die das blockieren, meine Damen und Herren. (Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] - Joachim Poß [SPD]: Genau! Brüderle und Wissing bremsen, diese Strolche!) Sie versuchen, uns hier einzureden, das gehe nicht national, und dort sorgen Sie dafür, dass es auch international nicht passiert. Das ist unredlich. Das trägt an diesem wichtigen und kritischen Punkt nicht zur Regulierung bei. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das hat ja Methode, wir kennen das ja. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ja, Finanztransaktionsteuer!) Wie lange hat es gedauert, Sie dafür zu gewinnen, das wichtige Instrument der Finanztransaktionsteuer zu in-stallieren? (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das musste ja kommen! Keine Rede ohne Finanztransaktionsteuer!) - Richtig, Herr Kollege. Ich bin ja schon froh, dass die CDU/CSU-Kollegen das Wort richtig aussprechen können. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Sie haben die Kassen schon voll davon!) Auch hier war es ja so: Sie haben sich dafür eingesetzt, auf der europäischen Ebene eine Finanzaktivitätsteuer einzuführen, und haben das hier die ganze Zeit blockiert. Deshalb mussten wir Sie hier dazu bringen, indem wir gesagt haben: Fiskalpakt, europäische Rettung gibt es nur, wenn die Branche und die Verantwortlichen herangezogen werden. Erst da sind Sie umgestiegen, vorher nicht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da haben Sie es genauso gemacht wie hier beim Hochfrequenzhandel. Sie sind nichts anderes als Hasenfüße in der Regulierung auf europäischer Ebene. Und hier erzählen Sie uns, Sie seien strikt und streng. Das ist doch ein ganz wichtiger Punkt, Herr Kollege. Die Bundeskanzlerin sagt dort in jeder Rede: jeder Akteur, jeder Markt, jedes Produkt. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau, wir machen das! Das haben Sie verpennt!) - Sie sagen: "Genau, wir machen das", aber Sie reden nur darüber. - Wenn man Sie fragt, wie Sie es machen, stellt sich heraus, dass auf jedem Markt bei jedem Produkt jeder Akteur weiter so machen kann wie bisher. Die Bundeskanzlerin legt jedenfalls hier in Deutschland falsches Zeugnis gegenüber dem ab, was sie umsetzt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU) So kann es an dieser Stelle nicht weitergehen. Ich will jetzt nicht auf weitere Punkte eingehen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Weil Sie keine haben!) - Dann will ich Ihnen aber doch noch sagen: Da gab es, führend aus dem Bundesland Hessen wegen der dortigen Börse, die Klage darüber, dass diese Regulierung zu streng sei. Dem wäre man seitens der Bundesregierung fast gefolgt. (Joachim Poß [SPD]: Wegen der FDP! Brüderle!) Aber ich muss zugeben: Es gibt auch Länder mit sozialdemokratischer Beteiligung, die Börsenstandorte haben und die darüber nachgedacht haben. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ach!) Wir haben uns Gott sei Dank gemeinsam dafür entschieden, bei der Regulierung nach Kreditwesengesetz zu bleiben. Beim Sekundenhandel machen Sie aber jetzt eine kleine Tür auf, die hochgradig interessant ist. Bisher sollte das Gesetz, damit es wirken kann, nach drei Monaten in Kraft treten. Weil Sie sich aber in diesem Punkt gegenüber Ihren Leuten nachgiebig zeigen wollten, haben Sie die Dauer bis zum Inkrafttreten von drei auf sechs Monate und für Unternehmen, die aus dem Ausland kommen, sogar auf neun Monate verlängert. Ich frage mich: Wie weit verwässern Sie das Gesetz noch? Wann wollen Sie es in Kraft treten lassen? In dieser Legislaturperiode sowieso nicht mehr. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Also auch hier inkonsequentes Handeln. (Joachim Poß [SPD]: Das ist ganz schrecklich! Wie viel Parteispenden bekommen Sie dafür?) Das ist wirklich keine Regulierung, wie wir sie brauchen. (Joachim Poß [SPD]: Lobbyistenpolitik! Merkel!) Wir schlagen Ihnen deshalb vor und sagen Ihnen sehr deutlich: Seien Sie klug! Unterbrechen Sie die Beratung heute! Nehmen Sie die Maßnahmen noch einmal auf! Wir müssen weiter darüber reden; denn wir brauchen eine richtige Regulierung, die dafür sorgt - Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Dr. Carsten Sieling (SPD): - Ich komme zum Schluss, Herr Präsident -, dass das Hochfrequenzhandelsgesetz so ausgelegt wird, dass auch dieser hochgefährliche Handel verlässlich der -Finanztransaktionsteuer unterworfen werden kann. Aber auch da bin ich skeptisch, ob Sie es wirklich ernst meinen. Ich wünsche mir eine sachgerechte Regulierung in Deutschland, damit die Steuerzahler dafür nicht länger herangezogen werden. Dafür brauchen wir eine ordentliche Regierung in diesem Land. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Björn Sänger erhält nun das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Björn Sänger (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzter Kollege Sieling, bei aller persönlichen Wertschätzung, (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Na, na, na!) die ich für Sie hege, (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, nein!) war das nicht nur nichts, sondern das war sehr dreister Wahlkampfklamauk. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei der SPD - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Dann wollen wir einmal hören, was Sie argumentativ dagegen zu sagen haben!) Wir sollten dieses Gesetz einmal in Ruhe betrachten und vom Ende her denken, was wir eigentlich erreichen wollen. (Joachim Poß [SPD]: Von welchem Ende? Vom Regierungsende, oder was?) Erreichen wollen wir doch, dass der Hochfrequenzhandel, gegenüber dem die Menschen in diesem Land zu Recht Vorbehalte haben und vor dem sie Angst haben, weil er sich auch problematisch entwickeln kann, einer Regulierung unterzogen wird. Darüber wird zurzeit auf europäischer Ebene diskutiert. Wir rechnen damit, dass die europäischen Regelungen in etwa drei Jahren auch hier in Deutschland anlanden und dann auch in Kraft gesetzt werden, sodass wir eine europaweit einheitliche Regelung haben werden. Unser Vorschlag, mit dem wir diesen Regelungen vorgreifen, orientiert sich, um hier eben keine Regulierungsarbitrage zu schaffen, sehr eng an den MiFID-Vorgaben. Da stellt sich mir die Frage, geschätzter Kollege Sieling, was die Sozialdemokraten eigentlich gegen die vielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Börsen haben. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Die meisten Mitarbeiter sind doch Computer! Das wissen Sie doch auch!) Eine Mindesthaltefrist einzuführen, würde zu nichts anderem führen, als dass ganz schnell eine Verlagerung stattfände. So schnell, wie die Computer handeln, so schnell kann man nämlich auch den Handelsplatz wechseln. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Was ist dann die Konsequenz daraus?) Ein Klick im Programm, und schon findet dieser Handel nicht mehr in Deutschland, nicht mehr unter unserer Regulierung statt. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Und dann?) Im Übrigen hatten wir die Probleme, die in anderen Ländern aufgetaucht sind, in Deutschland bisher überhaupt nicht. Das liegt daran, dass die Börsenbetreiber in Deutschland verantwortungsvoll mit diesen Themen umgehen. Würde der Vorschlag der SPD zum jetzigen Zeitpunkt umgesetzt, führte das dazu, dass wir uns solche Probleme hereinholten; denn dann würden die deutschen Akteure im Ausland handeln, und das Risiko fände über die Bilanzen den Weg zurück nach Deutschland. Das ist nicht der Weg, den man gehen sollte, und deswegen gehen wir ihn auch nicht. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]) Wenn man sich die Zahlen einmal anschaut, sieht man, dass durch unsere Regelungen etwa 25 Prozent des Umsatzes an deutschen Börsen zur Disposition gestellt würden. So groß ist in etwa der Bereich, der von dieser Regulierung betroffen ist. Ich finde, 25 Prozent sind nicht wenig. Das müssen wir uns an dieser Stelle bewusst machen. Das ist uns durchaus bewusst, und das ist von uns im Übrigen auch so gewollt. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bringt sinnvolle Regelungen, die es in noch keinem anderen Land auf der Welt gibt. Die Regelungen, die Ihnen heute zur Abstimmung vorliegen, sind weltweit einmalig: Zum ersten Mal wird der Hochfrequenzhandel in dieser Art und Weise reguliert. Zum ersten Mal weltweit werden bestimmte Instrumentarien auch der Aufsicht und den Börsenbetreibern zur Verfügung gestellt, um hier zu einer Entschleunigung zu kommen. Dazu gehört die Order-to-Trade-Ratio, nämlich das Verhältnis zwischen den Transaktionen, die in das -System eingestellt werden, und denen, die davon auch ausgeführt werden. Wir haben die Zuständigkeit zur Festlegung dieses Verhältnisses im Sinne des Subsidiaritätsprinzips bewusst unten, also an den Börsen, angesiedelt, weil die Börsen am besten wissen, wie dieser Parameter am jeweiligen Handelstag aussehen sollte. Es ist ja nicht jeder Tag gleich, und die Marktsituation ändert sich. Es muss die Möglichkeit bestehen, darauf flexibel zu reagieren. Deswegen ist diese Zuständigkeit an den Börsen, wo wir sie ansiedeln wollen, richtig angesiedelt. Darüber hinaus haben wir uns mit der Frage der Mindestpreisänderungsgröße, der Minimum Tick Size, beschäftigt; dabei geht es um die Frage: Ab welcher Stelle nach dem Komma darf eine Preisänderung Order auslösen: ab der sechsten, der vierten, der dritten oder der zweiten? Darüber werden wir - davon bin ich fest überzeugt - eine Entschleunigung des Handels erreichen, weil es sich eben nicht mehr lohnt, so schnell zu handeln, wenn eine wesentlich höhere Mindestpreisänderungsgröße gilt. Ferner haben wir Übergangsregelungen vorgesehen. Ich sagte bereits: MiFID wird in etwa in drei Jahren kommen. Nun ist es so, dass die meisten Betroffenen aus dem Ausland kommen - aus EU-Ländern und aus Drittstaaten -, und mittelbar handeln, gewissermaßen über einen deutschen Dienstleister an die Börsen herantreten. Diese sind von entsprechender Regulierung - wir sind hierbei ja die Ersten - bisher überhaupt nicht betroffen, sie müssen erst einmal mitbekommen: Da ändert sich etwas für mich, ich muss mich einer Regulierung unterziehen. - Insofern begrüßen wir, dass die BaFin diese Handelsteilnehmer aktiv ansprechen will. Für den ein oder anderen gibt es unter Umständen die Möglichkeit, sich bei der BaFin freistellen zu lassen, weil in seinem Land insbesondere hinsichtlich der Solvenzfragen - das muss ja geprüft werden - eine ähnliche Regulierung existiert. Wer einmal mit Behörden zu tun hatte, weiß: Neun Monate sind ein durchaus angemessener Zeithorizont, um zu klären: "Bin ich freigestellt?", und, wenn nein, um eine Niederlassung in Deutschland einzurichten, anzumelden, eintragen zu lassen usw. usf., wenn weiter Handel in Deutschland getrieben werden soll. Wir schaffen damit im Übrigen einen weiteren Vorteil für den Finanzstandort; denn wenn MiFID kommt, ist jemand, der sich bereits in Deutschland hat registrieren lassen, über den EU-Pass automatisch in ganz Europa registriert. Das heißt, mit dieser Form der sehr guten Regulierung verschaffen wir uns einen Wettbewerbsvorteil in Europa. In diesem Sinne kann ich nur sagen: Wir haben einen ausgewogenen Ordnungsrahmen geschaffen, dem man zustimmen kann, wenn man nicht, wie Sie, ein Prinzip vertritt, das mich ein bisschen an den Wanderer in der Wüste erinnert, der Durst hat, die Oase erreicht und das Glas Wasser ablehnt, weil keine Zitrone darin ist. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Witz habe ich nicht verstanden!) Das ist kein verantwortungsvolles Handeln für dieses Land. Sie sollten das überdenken und diesem Gesetzentwurf zustimmen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erteile das Wort dem Kollegen Richard Pitterle für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Richard Pitterle (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Unter Hochfrequenzhandel, über den wir heute reden, versteht man den automatisierten An- und Verkauf von Aktien und anderen Wertpapieren durch Computerprogramme. Nicht etwa die sozialistische Tageszeitung Neues Deutschland, sondern das kapitalistische Handelsblatt (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP) hat am 16. Januar 2013 alles Erforderliche zu Ihrem Gesetzentwurf in einem Satz zusammengefasst - ich zitiere -: Das Gesetz ist gut gemeint - nur ändern wird sich dadurch kaum etwas. (Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das dürfen Sie doch gar nicht lesen!) In allen Lebensbereichen nutzen wir zunehmend die digitale Technik, um Arbeitsprozesse zu automatisieren. Auch im Börsenbereich ist diese Entwicklung nicht aufzuhalten. Nachdem die Bestellungen und Angebote per PC etabliert waren, folgte schließlich der Hochfrequenzhandel. Viele Menschen fragen sich zu Recht: Brauchen wir, braucht die Volkswirtschaft, braucht die Gesellschaft den Hochfrequenzhandel? Sollten wir ihn nicht gar verbieten, wie das etwa der ehemalige Börsenhändler Dirk Müller, bekannt als "Mister Dax", als Sachverständiger bei der Anhörung zum Gesetzentwurf gefordert hat? Stiftet der Hochfrequenzhandel mehr volkswirtschaftlichen Nutzen oder mehr Schaden? Wir meinen, dass der Schaden überwiegt. Daher braucht man eine Regulierung und muss zumindest dafür sorgen, dass der Hochfrequenzhandel ausgebremst und zurückgedrängt wird. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Gerd Bollmann [SPD]) Das leistet der vorliegende Gesetzentwurf aus unserer Sicht nicht. Hochfrequenzhändler sind Börsenhändler, die in Millisekunden Wertpapiere kaufen oder verkaufen oder, viel wichtiger, zum Kauf oder Verkauf anbieten, also in einer so kurzen Zeit, dass nicht nur Menschen, sondern auch die allermeisten Computer nicht mehr mitkommen - und auch nicht mitkommen sollen, damit die Gewinne der Hochfrequenzhändler nicht geschmälert werden. Ich frage Sie: Wo liegt der Nutzen für die Gesellschaft? Schädlich ist der Hochfrequenzhandel zunächst wegen der Gefahren, die sich aus der Verselbstständigung der Transaktionen und Loslösung von menschlichen Entscheidungen durch die eingesetzte Software ergeben. Jeder, der mit einem PC umgeht, weiß aus Erfahrung, dass sich auch die leistungsfähigsten Rechner nicht immer entsprechend der Erwartung verhalten. Fehler zu machen, ist nicht nur menschlich; Fehler zu machen, ist auch "computerisch". (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Schädlich ist der Hochfrequenzhandel auch deswegen, weil der Börsenhandel durch ihn seinen Charakter ändert und eine Abkopplung von der Realwirtschaft stattfindet. Egal was man vom Börsenhandel an sich halten mag: Irgendwie ging es immer darum, die Unternehmen, die eine Geschäftsidee hatten, mit Menschen zusammenzubringen, die nach Abwägung ihrer Chancen Geld in diese investieren wollten. Die Software der Hochleistungsrechner entscheidet nicht aufgrund einer Bewertung eines Unternehmens oder seiner Entwicklung, sondern reagiert auf Signale, zum Beispiel Kursdifferenzen, die sie zum Wohle der Turbohändler in Gewinne zu verwandeln sucht. Was allein zählt, ist die Geschwindigkeit und sind die Millionen, die da zu verdienen sind. Ich frage Sie: Wo liegt der Nutzen für die Wirtschaft? Das Ausnutzen minimaler Preisunterschiede an den unterschiedlichen Handelsplätzen funktioniert nur mit superschnellen Rechnern, die möglichst nahe an den Computern der Börse stehen, um durch kurze Leitungen möglichst wenig Zeit zu verlieren. Diese hohen Kosten können sich nur wenige Börsenhändler, nämlich die Turbohändler, leisten. Ich frage Sie: Wo bleiben die gleichen Chancen für alle Marktteilnehmer? Die Linke ist sich hingegen mit dem Europäischen Parlament darüber einig, eine Mindesthaltedauer einzuführen. Damit meine ich, dass ein Hochfrequenzhändler für eine bestimmte Zeit an sein Angebot gebunden sein soll. Es darf nicht sein, dass von Börsenhändlern Angebote unterbreitet werden, die die Kurse beeinflussen und Marktreaktionen auslösen, diese Angebote aber sofort wieder storniert werden, noch bevor ein Kunde überhaupt eine realistische Chance hat, das Angebot anzunehmen. (Beifall bei der LINKEN) Das Europäische Parlament hat sich mit Stimmen der deutschen CDU-Abgeordneten für eine halbe Sekunde Mindesthaltefrist ausgesprochen. (Manfred Zöllmer [SPD]: Hört! Hört!) Demgegenüber haben sich die Bundesregierung und Schwarz-Gelb hier im Bundestag mit der Ablehnung einer Mindesthaltedauer auf die Seite der Kommissare in Brüssel gestellt. Für uns bleibt neben der Finanztransaktionsteuer die Mindesthaltedauer der entscheidende Punkt, um den Wertpapierhandel zu entschleunigen. Dieses Ziel forderte Bundesminister Schäuble noch bei der Verabschiedung des Gesetzentwurfs im Kabinett. Was ist passiert, dass das heute nicht mehr gilt? - Richtig. Da gab es die Kritik der Märkte, von der Kollege Brinkhaus in seiner letzten Rede sprach. Die sind immer gegen alles, was ihren Profit schmälert. Also knickte die Koalition ein. Wie erbärmlich! Für uns gilt weiterhin: Wir wollen entschleunigen. Deswegen lehnen wir Ihren Gesetzentwurf ab. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gerhard Schick ist der nächste Redner für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ja wieder einmal ein komplexes Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Es geht um viele englische Fachbegriffe. Man kann aber sagen: Es geht in dieser Debatte im Kern um zwei verschiedene Fragen. Die eine Frage ist: Gibt es bei dem extrem schnellen Handel von Wertpapieren Risiken und Gefahren, die man mit Regulierung eindämmen sollte? Bei dieser Frage herrscht Konsens hier im Haus. Dann gibt es die zweite Frage: Ist der Hochfrequenzhandel, also dieser Turbohandel, insgesamt nützlich, und sollten wir versuchen, ihn in Deutschland zu halten? Bei dieser Frage gibt es Dissens. Diese verschiedenen Ebenen sollte man nicht vermischen. Denn bei der einen Frage, bei der es Einigkeit gibt, müssen wir sagen: Ja, das Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel wird seinem Titel ein Stück weit gerecht; es werden einzelne Missbrauchsmöglichkeiten korrigiert. Es ist richtig, dass es in Zukunft - von den Börsen festgelegt - eine Gebühr bei exzessiver Nutzung gibt. Es ist richtig, dass ein angemessenes Verhältnis von Kauf- und Verkaufsaufträgen vorliegen muss und dass für den Fall kurzfristiger Extrembewegungen Notmaßnahmen eingeführt werden. An dieser Stelle herrscht Konsens. Es gibt allerdings auch bei dieser Frage zwei Punkte, bei denen Sie eindeutig zu kurz greifen. Der erste Punkt ist: Es bleibt bei immensen Interessenkonflikten. Sie beauftragen die Börsen selbst, die entscheidenden Regeln festzulegen; aber die Börsen haben ja ein ökonomisches Interesse daran, möglichst viel Umsatz zu machen. Deswegen kreieren Sie mit diesem Gesetz einen massiven Interessenkonflikt. Hier die zentrale Regulierungsaufgabe bei den Börsen zu verankern, ist so ähnlich, als würden Sie den Tabaksteuersatz von der Tabakindustrie festlegen lassen. Das würde man doch auch nicht tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau falsch!) Sie haben hier zwar an einer kleinen Stelle - das möchte ich zugestehen - noch eine Korrektur mit einem Änderungsantrag vorgenommen, aber das ändert an dem Kern des Arguments nichts. Der zweite Fehler ist, dass Ihre Transparenz- und Aufsichtsanforderungen bezüglich der Algorithmen, also der konkreten Computermodelle, mit denen gehandelt wird, zu harmlos sind. Anders kann man das einfach nicht bezeichnen. Denn Sie fordern letztlich, dass die Händler selbst ihre Algorithmen testen und ihre eigenen Algorithmen im Notfall auch stoppen können. Das sind doch Selbstverständlichkeiten. Entscheidend ist - und da geht das Europäische Parlament sehr viel weiter -: Die Algorithmen müssen von den Handelsplattformen getestet werden, bevor sie scharfgeschaltet werden. Die Algorithmen müssen von den Händlern auf Eigeninitiative an die Aufsicht übermittelt werden. Das Einhalten von voreingestellten Handels- und Kreditschwellen muss sichergestellt sein. Warum greifen die Bundesregierung und die Koalition hier kürzer als das Europäische Parlament? Wir halten das für falsch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE]) Ich komme zur zweiten Frage, die in der Debatte gerade angeklungen ist: Ist es denn insgesamt sinnvoll, Hochfrequenzhandel zu haben? Wir haben auf eine Anfrage von der Bundesregierung im Juni 2011 noch die Antwort bekommen, dieser Handel habe positive Effizienzeffekte für die Märkte und beispielsweise niedrige Transaktionskosten zur Folge. Auf eine zweite Anfrage wurde schon etwas ausweichender geantwortet. Wir sehen aber an diesem Gesetzentwurf, dass Sie den Hochfrequenzhandel insgesamt für sinnvoll erachten. Herr Kollege Sänger hat gerade sehr schön argumentiert: Wir wollen den Hochfrequenzhandel halten, und deswegen wollen wir keine Regelung, die die Geschwindigkeit -herausnimmt; denn dann könnte dieser Handel aus Deutschland weggehen. Nun muss man aber wissen: Der Hochfrequenzhandel schadet mehr, als er nutzt. Das ist ziemlich eindeutig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Das liegt an Folgendem: Erstens wird Liquidität nur für wenige zentrale Wertpapiere, zum Beispiel für Aktien von Großunternehmen, geschaffen. Das mittelständische Unternehmen, das an der Börse in Stuttgart notiert ist, hat von dem ganzen Hochfrequenzhandel gar nichts. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das ist doch kein Problem!) Zweitens handelt es sich um Pseudoliquidität. Da wird sozusagen so getan, als würde man im Zweifelsfall Geld bereitstellen. Aber dann, wenn man es wirklich braucht, ist es weg. Wirkliche Liquidität wird von sogenannten Market Makers geschaffen und nicht von den Hochfrequenzhändlern. Das dritte Argument gegen den Hochfrequenzhandel ist, dass er die Kosten anderer Marktteilnehmer erhöht. Das haben wir in der Ausschussanhörung sehr gut herausarbeiten können. Das ist auch in den Stellungnahmen der Sachverständigen nachzulesen. Deswegen sind wir Grüne überzeugt: Es ist sinnvoll, den Hochfrequenzhandel auszubremsen, das Tempo zu reduzieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es geht um die zentrale Frage: Was bedeutet das nun für die Regulierungsmaßnahmen in Deutschland? Sollte man das unilateral machen oder nicht? Sie sagen: Wir sollten auf nationaler Ebene keine Bremse einführen, weil sonst der Hochfrequenzhandel aus Deutschland weggehen könnte. - Daran sieht man, dass Sie im Kern der Meinung sind: Der Hochfrequenzhandel ist eine gute Sache. Wir sagen: Man kann es auch auf nationaler Ebene einführen; denn es schadet dem Börsenstandort Deutschland, wenn einige zulasten der großen Anzahl der Marktteilnehmer Profit machen und insgesamt die Kosten der meisten langfristig orientierten Investoren steigen. Deswegen sind wir für eine nationale Regulierung, eine nationale Reduzierung der Geschwindigkeit auf dem Börsenmarkt. Das wollen Sie nicht. Das ist der entscheidende Unterschied. Hier springen Sie zu kurz. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Joachim Poß [SPD]: Schwarz-Gelb nutzt nie seine Möglichkeiten!) Kollege Sieling hat schon deutlich Ihre Argumentation, in der Sie auf Europa verweisen, zurückgewiesen. Was nicht geht, ist, hier zu sagen: "National geht nicht, wir wollen eine europäische Lösung", und dann im Europäischen Rat auf der Bremse zu stehen. Wir lassen Ihnen das nicht durchgehen. Da veräppeln Sie die Menschen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ja, man kann auch für andere Modelle sein. Statt für eine Mindesthaltefrist könnte man auch für ein Auk-tionsmodell sein; darüber haben wir gestern im Ausschuss diskutiert. Aber Sie von der Bundesregierung wollen keine der Bremsmöglichkeiten auf europäischer Ebene vorantreiben, sondern Sie sind einfach nur gegen den Vorschlag des Europäischen Parlaments. Das hat leider Tradition. Das stellen wir nicht nur bei diesem Gesetzentwurf fest. Immer wieder ist derselbe Vorgang zu beobachten: Sie tun hier so, als seien Sie die strikten Finanzmarktregulierer, (Joachim Poß [SPD]: Genau!) als seien Sie der Motor bei den Regulierungsbemühungen auf europäischer und internationaler Ebene, (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau das ist richtig!) während die Fakten leider gegen Sie sprechen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das ist völlig falsch!) Damit Ihr Puls nicht wieder sofort nach oben geht, nenne ich nicht die Finanztransaktionsteuer als Beispiel. Es gibt schließlich genug andere Beispiele. Nehmen wir als Beispiel eine verbindliche Schuldenbremse für Banken. Bei den Verhandlungen in Basel und in Brüssel zur Bankenregulierung hat sich diese Bundesregierung gegen eine Schuldenbremse für Banken ausgesprochen. Sie war für eine unverbindliche Orientierungsgröße und nicht für harte Regeln, sodass das Eigenkapital bei den Banken nicht deutlich angehoben werden muss. Das liegt in der Verantwortung dieser Bundesregierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Als es um die Einführung der drei europäischen Aufsichtsbehörden ging: Wer hat denn im Rat das Parlament aktiv unterstützt, um einen wirklichen Durchgriff auf die Banken zu haben? Das war nicht diese Bundesregierung. Erst jetzt sind Sie plötzlich für eine europäische Bankenaufsicht mit Durchgriffsrechten (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Für große Banken! Sie wollten Zugriff auf die Sparkassen haben! Das ist der Unterschied!) und korrigieren damit den Fehler, den Sie zu Beginn der Legislaturperiode selber gemacht haben. Geben Sie es zu: Sie standen bei dieser Debatte auf der falschen Seite. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir haben das in den letzten Stunden bei zwei Themen bei den Verhandlungen zur Bankenregulierung im Trilog, nämlich zwischen Kommission, Parlament und Rat, erlebt. Es ging erstens darum, ob Bonuszahlungen für Manager im Bankensektor effektiv begrenzt werden oder nicht. Die Bundesregierung ist gemeinsam mit der britischen Regierung für höhere Bonuszahlungen eingetreten, während sich das Europäische Parlament für -geringere Bonuszahlungen ausgesprochen hat. Schon wieder stand diese Bundesregierung gegen die Finanzmarktregulierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE]) So ist es auch bei einem zweiten Thema, das uns Grünen sehr wichtig ist: Große Banken können durch Steuergestaltung ihre Steuerlast massiv nach unten drücken und damit niedriger halten als die Steuerbelastung vieler realwirtschaftlicher Unternehmen. Sie zahlen übrigens im Verhältnis zu ihrem Ertrag wesentlich weniger Steuern als Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Wir Grünen wollen, gemeinsam mit vielen Akteuren der Zivilgesellschaft, dass das offengelegt wird. Wir haben an dieser Stelle die Unterstützung der Mehrheit des Europäischen Parlaments. Uns geht es darum - Stichwort: Country-by-Country Reporting -, dass die Banken offenlegen, welchen Teil ihres Gewinns sie wo versteuern, damit man endlich diesen Steuergestaltungen auf den Grund gehen und etwas dagegen unternehmen kann. Diese Bundesregierung hat diesen Vorschlag im Rat blockiert (Joachim Poß [SPD]: Hört! Hört!) und stand bei der Frage der Finanzmarktregulierung wieder auf der falschen Seite. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Deshalb brauchen wir endlich eine andere Regierung, die ein wirklicher Motor für Finanzmarktregulierung ist. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Klaus-Peter Flosbach das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetz wird erstmals (Joachim Poß [SPD]: Widerlegen Sie die Feststellung des Kollegen Schick, dass Sie eine Lobbyistenregierung haben!) der sogenannte Hochfrequenzhandel geregelt. Er wird nicht nur in Deutschland, sondern er wird überhaupt zum ersten Mal geregelt, nicht nur europaweit, sondern weltweit. Diese Koalition in Deutschland stellt den ersten Antrag auf Regulierung des Hochgeschwindigkeitshandels. Aber während wir weltweit die Ersten sind, die dieses Thema überhaupt anpacken, kritisieren Sie uns in dieser Frage als kleinkrämerisch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben Risiken im Finanzmarkt gesehen. Wir nehmen dieses Thema ernst. Wir haben unseren Bürgern versprochen, dass wir in den ersten vier Jahren unserer Koalition alle Produkte, alle Märkte und das Handeln sämtlicher Finanzakteure regulieren werden. Nichts davon wird nach diesen vier Jahren mehr unreguliert sein. Das haben wir den Bürgern versprochen, und das werden wir auch einhalten, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sie blockieren!) Der Hochgeschwindigkeitshandel ist bisher überhaupt nicht reguliert. Jetzt könnten wir uns natürlich zurückziehen - wie es manche aus der Opposition schon vorgeschlagen haben - und erst einmal abwarten, was in Europa passiert. Denn bis Ende des Jahres wird es eine europäische Regelung geben. Anschließend haben wir zwei Jahre lang Zeit, diese umzusetzen. Das heißt, wir würden die Regulierung um mindestens drei Jahre verschieben. Das wollen wir aber nicht. Wir haben Missbräuche und Gefahren erkannt, und wir werden die Regulierung mit dieser Koalition hier und heute umsetzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was ist eigentlich der Hochgeschwindigkeitshandel? Wir alle kennen noch die alten Bilder von den Börsenparketts, wo Hunderte von Personen handeln und schreien. Das ist heute nicht mehr so. Wie im sonstigen Leben auch läuft das heute vielfach über Computer. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Darum sind es auch keine Arbeitsplätze, Herr Kollege Sänger!) Wir erkennen, dass viele mathematische Programme genutzt werden - wir nennen sie Algorithmen -, mit denen in Bruchteilen von Sekunden Wertpapiere gekauft und verkauft werden. Der Handel in diesem Bereich läuft also in Millisekunden ab. Dieser Bereich macht in Deutschland etwa 40 Prozent und in den USA rund 70 Prozent des Wertpapierhandels aus. Warum wollen wir das regulieren? Seit der Finanzkrise, seit dem Jahr 2007, haben wir festgestellt, dass die größten Probleme darauf beruhen, dass viele Bereiche der Märkte intransparent, undurchsichtig, sind. Das haben wir damals bei der Krise der Industriekreditbank und der Westdeutschen Landesbank gesehen. Es wurden Papiere gehandelt, aber keiner wusste mehr genau, was überhaupt gehandelt wird. Viele haben die Risiken, die dahinterstehen, überhaupt nicht richtig eingeschätzt. Es gab auch keine Eingriffsmöglichkeiten seitens der Aufsichtsbehörden. Weil im Hochgeschwindigkeitshandel 25 Prozent der Akteure überhaupt nicht registriert sind - das heißt, es sind weder Banken noch Finanzinstitute; sie sind überhaupt nicht registriert -, haben wir gesagt: Wir gehen dieses Thema jetzt an; wir warten da nicht. Wir haben erlebt, was in den letzten Jahren passiert ist, und wir sind es unseren Bürgern schuldig, dass wir dieses Thema in den vier Jahren dieser Legislaturperiode abräumen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir wissen, dass die Geschäfte sehr komplex sind, dass es teilweise Überlastungen der Handelssysteme gibt. Eine Reihe von Manipulationen sind identifiziert worden. Den meisten ist der sogenannte Flash Crash aus dem Frühjahr 2010 bekannt, als der Dow-Jones-Index, also die amerikanische Börse, innerhalb von 20 Minuten um 9 Prozent abstürzte. Dann erholte sie sich schnell wieder. Aber was passierte in diesen 20 Minuten? Hier ging es um einen Verlust in dreistelliger Milliardenhöhe. Wir wollen so etwas in Deutschland nicht erleben. Wir können vielleicht sagen: Schon heute sind die Systeme so geregelt, dass es nicht passiert. Aber unsere Verpflichtung ist es, dafür zu sorgen, dass nicht nur all diejenigen, die an der Börse handeln, sondern auch die Bürger, die über Investmentsparen, die über fondsgebundene Lebensversicherungen vorsorgen, die überhaupt einen Teil ihrer Altersvorsorge über Pensionsfonds betreiben, nicht von einem Schaden erfasst werden, der möglicherweise an der Börse entsteht. Wir regulieren das Ganze so, dass das unseren Bürgern nicht passieren kann. Wir sind die Ersten in der gesamten Welt, die das machen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nun gut, die Opposition kritisiert, dass wir es machen und wie wir es machen. (Joachim Poß [SPD]: Dass, nicht! Wie!) Man kann sagen: Das ist ja okay. - Auch der Kollege Sänger hat es angesprochen: Sie, Rot-Grün, waren ja einmal sieben Jahre lang an der Regierung. Das gilt heute als die Zeit der sogenannten Deregulierung. Wie wir alle wissen, spricht mittlerweile die ganze Welt von der Zeit der Deregulierung. (Joachim Poß [SPD]: Da waren Sie gegen jegliche Regulierung! Das können Sie im Protokoll des Deutschen Bundestages nachlesen! So viel Verlogenheit!) Sie haben immerhin elf Jahre lang, Herr Poß, den -Finanzminister gestellt. Sie können uns nicht erzählen, dass erst seit dem Jahre 2013 Computer existieren. Auch früher gab es schon einen Hochgeschwindigkeitshandel; aber er ist nie angepackt worden. Wir packen ihn in dieser Koalition an. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie haben die Spekulanten doch erst gelockt!) - Ich verstehe Ihre Haltung ja auch: Sie können einfach nicht verknausern, dass wir in dieser Koalition in diesen drei Jahren schon fast 20 große Maßnahmen angepackt haben. Dazu gehört die gesamte Eigenkapitalerhöhung bei den Banken, Stichwort "Liquidität". Wir haben das sogenannte Restrukturierungsgesetz umgesetzt. Das heißt, wir sind heute in der Lage, Banken zu sanieren, aber auch abzuwickeln. Wir haben damals noch gemeinsam mit Ihnen die Vergütungssysteme verändert, indem wir sie auf eine langfristig stabile Basis gestellt haben. (Joachim Poß [SPD]: Jeder Schritt musste -Ihnen abgerungen werden!) Ich halte es ebenfalls für richtig, dass auf der europäischen Ebene ein weiterer Schritt gegangen worden ist. Wir reden jetzt über das AIFM-Umsetzungsgesetz, also über die Regulierung von Hedgefonds, Private Equity, Investmentfonds. Wir regulieren aber auch die geschlossenen Fonds. Wir haben die Ratingagenturen in zwei verschiedenen Stufen reguliert. Wir haben die Produkte reguliert. Wir haben die Verbriefungen verändert. Wir waren die Ersten, die spekulative Geschäfte, die sogenannten Leerverkäufe, verboten haben. Wir haben den Zahlungsverkehr in Europa reformiert. Wir haben den Verbraucherschutz gestärkt. Wir haben das Vermögensanlagegesetz umgesetzt. Wir haben die Tätigkeit der Vermittler reguliert. Wir sind jetzt dabei, die Neuregelung der Honorarberatungen umzusetzen. Wir haben in der Tat die Aufsichtssysteme verändert. Wir werden eine Aufsicht über die systemrelevanten Banken durch die Europäische Zentralbank haben, Herr Schick. Nach Ihrem Gutdünken sollte allein die EBA durchgreifen, und das nicht nur bei den systemrelevanten Banken, sondern auch vor Ort, bei den Volksbanken und den Sparkassen. Das wollten wir nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir wollen eine proportionale Aufsicht: Die Großen sollen von den Großen kontrolliert werden, und die Kleinen sollen vor Ort kontrolliert werden. Meine Damen und Herren, das Thema Hochgeschwindigkeitshandel bewegt uns; deswegen packen wir es jetzt an. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Flosbach, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krischer zu? Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Ja, gern. Bitte sehr. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Flosbach, Sie berichten über all das, was Sie machen, was Sie hätten tun wollen und was alles hätte sollen sein. (Jörg van Essen [FDP]: Gemacht haben!) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Nur über das, was wir machen. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es geht ja hier um den Hochfrequenzhandel. Ich möchte Ihnen eine ganz einfache Frage stellen: Sind Sie dafür, dass in Deutschland Hochfrequenzhandel stattfindet, ja oder nein? (Zuruf von der FDP: Hast du nicht zugehört?) Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Sie haben sehr treffend gesagt, lieber Kollege: "was Sie hätten tun ... sollen". Das haben Sie gerade von den Parteien Ihres Lagers gehört: was man hätte machen können. Ich bin dafür, dass wir in Deutschland einen Hochgeschwindigkeitshandel haben, der so kontrolliert wird, wie wir es jetzt geregelt haben. Ich will Ihnen, lieber Kollege, kurz darlegen, wie wir ihn kontrollieren wollen. Verbote auszusprechen, ist einfach. Wenn Sie wollen, dass ganze Geschäftsbereiche der Finanzmärkte aus Deutschland verschwinden, können Sie selbstverständlich Verbote aussprechen. Verbote sind das Einfachste. Wir suchen natürlich auch den Knopf, um das Problem zu lösen. Das Thema ist aber - Herr Schick, Sie haben es angesprochen - viel komplizierter, als man denkt. Wir nehmen die Risiken, die es gibt, die Missbräuche, die stattgefunden haben, aus dem System heraus, um auch für den Hochgeschwindigkeitshandel eine stabile Basis zu schaffen; denn wir können nicht die Computer verbieten, wie die Grünen es auf ihren Parteitagen in den 80er-Jahren versucht haben. In diesen Jahren war das Thema Computerverbot ein wichtiges Thema. Das wollen wir nicht. Das werden wir auch nicht tun, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wie kann also reguliert werden? Dazu noch einige Anmerkungen. Wir wollen, dass diejenigen, die nicht reguliert sind, einer Erlaubnispflicht unterliegen, und zwar wie Banken, wie Finanzinstitute, unter dem Kreditwesengesetz. Damit haben wir eine Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowohl in der Kontrolle als auch in der Solvenz. Wir wollen, dass die Algorithmen gekennzeichnet werden. Wir wollen auch bestimmte Verbote aussprechen; denn es ist identifiziert worden, dass es auch Manipulationen am Markt gibt. Gewisse Geschäfte müssen verboten werden. Andere gewisse Geschäfte müssen von vornherein begrenzt werden. Das Verhältnis von eingestellten Orders zu ausgeführten Orders muss entsprechend geregelt werden. Außerdem haben wir eine Regelung eingeführt, die in diesem Bereich sehr wichtig ist: Für die Fälle, in denen wir etwas nicht wollen oder etwas reduzieren oder verlangsamen wollen, haben wir vorgesehen, dass Gebühren gezahlt werden müssen. Das ist unser Ansatz: Für die übermäßige Nutzung des Systems müssen Gebühren gezahlt werden. Das werden wir in den nächsten Jahren erleben. Sie haben so gesprochen, als wenn wir die -Finanztransaktionsteuer schon hätten. Wir haben sie noch gar nicht. Wir diskutieren gerade auf europäischer Ebene, wie wir dahin kommen können. (Joachim Poß [SPD]: Ja, weil Sie zwei Jahre nicht zu Potte kamen!) - Sie diskutieren seit Jahren darüber. Wir handeln sofort, vor den anderen. Wir warten nicht drei Jahre, so wie Sie. Wir machen es sofort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie haben von Mindesthaltefristen gesprochen. Wir haben uns sehr intensiv überlegt, ob wir diesen Mindesthaltefristen zustimmen können. Ein Kollege von der CSU hat sich in einem Kompromissgespräch in der Tat dazu bereit erklärt, hier mitzugehen. Aber alles, was ich bisher gehört habe, auch in der Anhörung der Fachleute, bestärkt mich in der Meinung, dass es nicht richtig sein kann, wenn wir durch die Umsetzung dieses Gesetzes die deutschen Akteure benachteiligen, indem wir nur in Deutschland eine Haltefrist einführen und alle anderen, die nicht reguliert sind, das ausnutzen können. Das können wir dem deutschen Finanzmarkt doch nicht zumuten. (Beifall bei der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sie wollen doch so forsch sein! Eben waren Sie noch ganz forsch!) - Nein, das ist einfach falsch. Sie strafen damit den in Deutschland regulierten Finanzmarkt und bevorteilen die Unregulierten. Das wollen wir nicht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sie sind ja der lebende Widerspruch in Ihren Äußerungen!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine der wichtigsten Maßnahmen unserer 20 Gesetzespakete, (Joachim Poß [SPD]: Nennen Sie uns die doch einmal!) den Finanzmarkt in diesen vier Jahren zu regulieren. Wir haben auf allen Ebenen zugegriffen: bei den Produkten, bei den Märkten, bei den Verbrauchern. Wir haben die Verbraucher gestärkt. Die Aufsicht ist auch in Deutschland neu aufgestellt. Dies ist ein mutiger Schritt nach vorne. Es ist ein weiterer Baustein für einen starken und stabilen Finanzmarkt. Wir sind in Deutschland auf dem richtigen Weg; denn wir wollen für unsere Bürger Stabilität in diesem Lande haben. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Manfred Zöllmer ist der nächste Redner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Manfred Zöllmer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Börsen sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Ich erinnere mich noch gut, dass ich mit meinem Leistungskurs Volkswirtschaft früher immer nach Düsseldorf zur Börse gefahren bin, wo die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in das Börsengeschehen nehmen konnten. Sie konnten dort das Treiben auf dem Parkett beobachten: die Händler, die hin- und herliefen, die mit Zetteln wedelten, die ihre Hände in die Höhe reckten und Unverständliches geschrien haben. (Volkmar Klein [CDU/CSU]: Die gute alte Zeit!) Wenn ich heute zur Börse gehe, dann stelle ich fest: Es ist alles anders. Heute handeln dort Computer. Die Menschen sitzen vor den Bildschirmen. Der Parketthandel ist längst Geschichte. Heute bestimmen Algorithmen, was gemacht wird. Hochgeschwindigkeitszocker bestimmen das Marktgeschehen. Sie geben aberwitzige Summen aus, um ein paar Nanosekunden Vorteil zu haben. Der Börsenfachmann Dirk Müller ist heute hier schon einmal zitiert worden und kommt wieder zu Ehren, weil er etwas Kluges gesagt hat. Er hat nämlich gesagt: Hochfrequenzhandel hat keinen volkswirtschaftlichen Nutzen, er richtet nur Schaden an. Wenn man es zu Ende denkt, dann müsste man ihn komplett verbieten. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Hört! Hört!) Diese Position ist verständlich; denn die Pannen häufen sich. Herr Flosbach hat eben in seiner Rede darauf hingewiesen. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zu Zwischenfällen an den Börsen in den USA haben das mehr als deutlich gemacht. Dies wäre eine gute Gelegenheit für die Bundesregierung, endlich einmal richtig zu regulieren, endlich einmal mögliche Gefahren wirklich zu begrenzen und der Branche, die uns ja nicht nur lieb, sondern vor allen Dingen auch teuer war, die Zähne zu zeigen. (Beifall bei der SPD) Jetzt fragen wir mal: Hat die Bundesregierung diese Chance ergriffen? Ich greife nochmals auf Herrn Müller zurück. Er sagt: Das Gesetz ist gut gemeint - nur ändern wird sich dadurch kaum etwas. - Leider hat er recht. Staatssekretär Koschyk sprach von einer "Brandmauer", die hier errichtet worden sei. Es ist aber nur ein Brandmäuerchen, leider nur 10 Zentimeter hoch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Richard Pitterle [DIE LINKE]: Mäuerle!) Es gäbe einen wirklichen Hebel, um die Märkte zu entschleunigen, um Luft herauszulassen aus dem, was heißgelaufen ist: die Einführung einer Mindesthaltefrist. Wir reden hier nicht über sieben Tage. Man könnte natürlich durchaus eine solche Frist einführen, wenn man der Meinung ist: Aktien sollen der Finanzierung von Unternehmen dienen und einen realwirtschaftlichen Nutzen haben. Nein, es geht um die Einführung einer Frist von winzigen 500 Millisekunden - das ist eine halbe Sekunde -, damit das permanente Platzieren und Zurückziehen von Orders, ohne dass wirkliche Transaktionen stattfinden, deutlich reduziert wird - eine halbe Sekunde, damit man den Hochfrequenzhandel wirklich in den Griff bekommt und das ausschließlich spekulative Geschäft mit ultraschnellen Transaktionen, die keinen volkswirtschaftlichen Nutzen haben, endlich einen Teil seines Reizes verliert. Meine Fraktion beantragt dies heute, und Sie haben noch die Chance, sich dieser Position anzuschließen und wirklich zu regulieren. Aber wir haben Ihren argumentativen Eiertanz im Finanzausschuss bereits erlebt. Daher habe ich wenig Hoffnung. Die Grundfrage ist doch: Macht es wirklich Sinn, eine Aktie für eine Nanosekunde zu halten? Nur dann, wenn ich die Börse als Kasino, als reine Zockerbude begreife, macht es Sinn. Wenn ich hingegen die Börse in Beziehung zur Realwirtschaft sehe, dann macht es keinen Sinn. Schauen wir uns einmal die Position der Deutschen Börse an. Sie hat gesagt: Mindesthaltefristen führen zu einer Benachteiligung von Liquiditätsspendern und somit zu einer nachhaltigen Störung der Marktstruktur. Die Realität sieht aber anders aus: Da werden die Märkte mit Aufträgen geflutet, die sofort wieder zurückgezogen werden. Damit werden die Märkte manipuliert. Wer braucht eigentlich diese Nanosekundenliquidität? Der Kollege Schick hat eben schon Ausführungen dazu gemacht. Das ist doch nichts anderes als die Perversion von Wirtschaft; das ist doch reines Kasino. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE]) Die Position der Deutschen Börse ist nachvollziehbar: Sie verdient halt massiv am Hochfrequenzhandel. Deshalb verwundert ihre Argumentation nicht. Sie finanziert auch eine Reihe von wissenschaftlichen Gutachten, damit ihre Position untermauert wird. Aber was uns verwundert, ist das Verhalten der Bundesregierung, die diese Position mit ihrer Gesetzgebung schützt; das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE] und Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die in Europa in Abstimmung befindliche Finanzmarktrichtlinie MiFID II wird sich auch dem Thema Hochfrequenzhandel widmen. Das Europäische Parlament wird sich zum Glück für eine Mindesthaltefrist einsetzen. Wir haben schon gehört - diesmal muss ich die CSU ausdrücklich loben; das fällt mir sonst ein bisschen schwer -: Herr Ferber kämpft für die Mindesthaltepflicht. Ich kann nur sagen: Dieser Mann hat recht. (Beifall bei der SPD) Dass Sie sich auch auf europäischer Ebene nicht dafür einsetzen, haben wir eben gehört. Sie schustern hier eine nationale Regelung zusammen, die nur geringe Besserungen bringt, ihr eigentliches Regulierungsziel aber deutlich verfehlt. In einer Kolumne im letzten Stern kommt der stellvertretende Chefredakteur des Stern, Hans-Ulrich Jörges, zu einer Bewertung der Regulierungspolitik dieser Bundesregierung. Er schreibt dort: Kein Produkt, kein Akteur, kein Markt sollte unreguliert bleiben. Doch Jahre nach der Krise sind die Finanzmärkte noch immer nicht unter Kontrolle - allen Beteuerungen der Politik zum Trotz. So weit Herr Jörges zu Ihrer Regulierungspolitik. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das ist wirklich ein Experte! Das ist ein toller Experte! - Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Ein großer Experte!) Wo der Mann recht hat, hat er recht. (Beifall bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Volker Wissing für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Regierung hat in Deutschland jemals die Finanzmarktregulierung so vorangetrieben wie die christlich-liberale Bundesregierung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Keine Regierung treibt in Europa die Finanzmarktregulierung so nachhaltig und entschlossen voran wie die christlich-liberale Bundesregierung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Richard Pitterle [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht!) Deswegen haben wir in Deutschland immer genau überprüft: Was können wir im Alleingang tun, und was bedarf einer internationalen Abstimmung? Alles, was im nationalen Alleingang möglich ist - das ist unsere Prämisse -, setzen wir im nationalen Alleingang mit aller Schärfe und allem Nachdruck durch. Wir haben ein Leerverkaufsverbot im nationalen Alleingang beschlossen. Wir haben Ratingagenturen unter Aufsicht gestellt. Wir haben im nationalen Alleingang den Selbstbehalt bei Verbriefungen - das sind die Papiere, die in Amerika die Krise ausgelöst haben - in Deutschland verdoppelt. Wir haben die Haftungsregeln im nationalen Alleingang in Deutschland verschärft. Wir haben im nationalen Alleingang ein Restrukturierungsgesetz geschaffen. Wir haben im nationalen Alleingang eine Bankenabgabe eingeführt und sind in all diesen Punkten Vorreiter in Europa. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau!) Wir haben auch nicht gewartet, bis eine europäische Bankenaufsicht kommt, sondern wir haben die nationale Bankenaufsicht im Alleingang reformiert. Und heute gehen wir im nationalen Alleingang bei der Regulierung des Hochfrequenzhandels voran - als erste Koalition, als erstes Parlament in Europa. Wir sind die Nummer eins in der Regulierung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Jetzt schauen wir einmal auf die SPD, die hier so vollmundig behauptet, in Wahrheit sei die SPD eine Finanzmarktregulierungspartei. Wie können Sie eigentlich so vermessen sein, Herr Kollege Sieling, und für sich als Sozialdemokraten in Anspruch nehmen, Sie hätten irgendetwas mit der Finanzmarktregulierung in Deutschland zu tun? (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Weil es die Wahrheit ist!) Die Sozialdemokraten - neulich Peer Steinbrück - stellen sich hier hin und sagen, all das, was die christlich-liberale Koalition an Finanzmarktregulierungen auf den Weg gebracht habe, habe die SPD schon immer gewollt. Ich finde, das ist eine dreiste Behauptung. Sie haben heute gesagt, die SPD habe das alles gewollt, habe es aber wegen der CDU/CSU nicht umsetzen können. Jetzt fragt sich doch der kundige Bürger: Wenn die CDU/CSU und die FDP gemeinsam die Finanzmärkte regulieren können, an wem wird es wohl gelegen haben, als es in der Großen Koalition nicht möglich war? (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Was für eine komische Argumentation! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das ist ja der schlichteste Dreisatz, der in diesem Parlament je gesprochen wurde!) Dann sagen Sie, alles, was die christlich-liberale Koalition gemacht habe, habe die SPD bereits früher aufgeschrieben; das hat uns Herr Steinbrück hier auch gesagt. Nur haben Sie gegen jedes einzelne Regulierungsgesetz, das ich Ihnen hier eben aufgeführt habe, mit Nein gestimmt. Erklären Sie doch einmal der Öffentlichkeit, warum Sie immer gegen die Finanzmarktregulierung in Deutschland stimmen! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heute steht ein Hochfrequenzhandelsgesetz zur Abstimmung. Es wird Deutschland zum reguliertesten Hochfrequenzhandelsplatz Europas machen. In keinem Land gibt es so strenge Zulassungsregeln, wie wir sie heute im Deutschen Bundestag beschließen: strenge Zulassung, strenge Kontrolle, Solvenzaufsicht durch die reformierte Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und die Möglichkeit, den Hochfrequenzhandel im Krisenfall auf null zu stoppen - eine Vollbremsung wird möglich sein in Deutschland. Herr Kollege Zöllmer, natürlich kann man sich fragen: Wozu braucht man einen Hochfrequenzhandel, wenn man doch auch langsamer handeln könnte? Man kann sich auch fragen, wie die Grünen damals: Wozu braucht man überhaupt einen Computer, wenn man doch so schöne Schreibmaschinen hat? (Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nur ist die Frage: Ist Deutschland ein Standort, der den technologischen Anschluss verpassen möchte, oder sollen wir ein regulierter Handelsplatz sein, der den technologischen Fortschritt zum Wohlstand unseres Volkes nutzt? (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Was ist denn der Vorteil?) Sie sagen: kein Fortschritt. Wir sagen: Ja, Fortschritt nutzen, aber die Risiken einschränken durch Kontrolle und Sicherheitsmechanismen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das ist doch Blabla!) Heute sagen Sie: Wir stimmen wieder gegen die Finanzmarktregulierung, gegen den nationalen Alleingang bei der Regulierung des Hochfrequenzhandels. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wir stimmen gegen Wirkungslosigkeit!) Aber was Ihnen nicht gelungen ist: Sie haben kein einziges schlüssiges Argument vorgetragen, warum Sie wieder mit Nein stimmen. (Gabriele Hiller-Ohm [SPD]: Was? Sie haben nicht zugehört!) Sie haben gesagt, Sie werden heute mit Nein stimmen, weil Sie in dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Haltefrist auf nationaler Ebene vermissen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Es wird ja immer schlimmer mit Ihnen!) Nun kann man lange über Haltefristen diskutieren. Man kann darüber diskutieren, ob so etwas technisch möglich ist. Man kann darüber diskutieren, ob so etwas sinnvoll ist. Manche Experten sagen: Haltefristen können die Gefahren des Hochfrequenzhandels verschärfen und zu neuen Spekulationen führen, die weitaus gefährlicher und unkontrollierbarer sind. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Dann nennen Sie einmal die Namen der Experten: Börsen!) Es gibt auch technische Probleme bei den Haltefristen, weil gegen Ende der Haltefrist mit noch höherer Frequenz spekuliert werden könnte. Aber alle Experten sind sich darin einig - ich werfe Ihnen vor, dass Sie das nicht sagen; Sie wissen es eigentlich besser; Sie sind klüger, als Sie sich heute hier am Mikrofon gegeben haben, Herr Kollege Sieling -: (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!) Eine Haltefrist im nationalen Alleingang ist schlicht ein Ding der Unmöglichkeit. Damit ist Ihr einziges Argument in sich zusammengebrochen. Sie haben kein Argument, um mit Nein zu stimmen. Wenn Sie es trotzdem tun, stimmen Sie wieder gegen die Regulierung der Finanzmärkte. Das muss die Öffentlichkeit wissen. Sie setzen Ihre Verweigerung gegenüber der Regulierung der Finanzmärkte heute fort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Oder aber die SPD sagt: Man soll nichts im Alleingang machen. Man soll warten, bis das auf europäischer Ebene oder auf G-20-Ebene geregelt wird. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Man soll vorantreiben! Aktiv sein!) Das war auch die Haltung von Herrn Steinbrück, als er regiert hat. Er hat nur abgewartet und ist nicht vorgeprescht. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Aber Sie bremsen!) Wir glauben, die Lehre aus dieser Krise muss sein: Was national reguliert werden kann, muss national reguliert werden. Ihnen fällt kein einziges Argument ein, weshalb Sie den heute vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen könnten. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Tausende!) Sie entlarven sich wieder einmal. Die Sozialdemokraten betreiben eine reine Blockade, sie sind gegen die Regulierung der Finanzmärkte. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir aber werden weitermarschieren und klar regulieren. Deutschland ist und bleibt Vorreiter. Wir haben den reguliertesten Finanzmarkt Europas geschaffen, und darauf kann die christlich-liberale Regierung stolz sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Barbara Höll ist die nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Brauchen wir den Hochfrequenzhandel für die Realwirtschaft? Große Teile des Hauses sagen: Nein, er bringt überhaupt keinen Nutzen. Im Gegenteil: Er gefährdet -realwirtschaftliche Prozesse. (Norbert Schindler [CDU/CSU]: Brauchen wir die PDS?) Denn er führt dazu, dass Anleger einen unvorteilhaften Preis erzielen, weil ihre Gebote durch Hochfrequenzhändler ausgespäht werden. Dadurch werden sie ausgebeutet. Es gibt wahnsinnige Kurskapriolen und Handelsunterbrechungen. Einige wenige bedienen sich - sie spielen im Kasino -, und diejenigen, die real wirtschaften und an die Börse gehen, um Geld zu bekommen, das sie real brauchen, werden bestraft. (Beifall bei der LINKEN) Der Hochfrequenzhandel verbraucht zudem eine Menge an Ressourcen: an Technik und an Menschen, die einer eigentlich sinnlosen Tätigkeit nachgehen. Deswegen müssen wir uns die Frage stellen: Brauchen wir ihn, ja oder nein? Ich sage: Nein! (Beifall bei der LINKEN) Aber Sie halten mit aller Kraft daran fest. Wir alimentieren letztendlich den Porsche und die Rolex-Uhren einiger weniger Finanzakrobaten; der realwirtschaftlichen Entwicklung hingegen wird geschadet. Herr Flosbach, Sie haben eben gesagt: Wir sind die Einzigen, die regulieren. Ich darf daran erinnern: In den 2000er-Jahren, als Rot-Grün regiert hat, hechelten auch Sie dem neoliberalen Zeitgeist hinterher. Damals hieß es: Wir brauchen in Deutschland unbedingt Hedgefonds. Die wurden dann zwar ein bisschen reguliert, aber grundsätzlich war man der Auffassung: Wir brauchen sie unbedingt. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das waren die Grünen!) Dann kam die Finanzkrise. Es erfolgte ein Umdenken, Positionen wurden geändert. All das zeichnet Politik aus. Aber Sie haben ein System geschaffen und perfektioniert: Sie bringen Gesetze mit schönen Titeln ein, die den Eindruck erwecken, als ob sich durch deren Verabschiedung etwas verändert, aber in Wirklichkeit passiert nichts. Das ist die Realität. Nehmen wir doch einmal Ihre Bankenabgabe. Was ist denn dabei herausgekommen? Nehmen wir die Regelung der Boni. Das ist doch ein Placeboeffekt. Sie schadet nicht und tut niemandem weh. Bei Gesetzen, die letztendlich nur das aufgreifen, was sowieso schon geregelt ist, ist der Anspruch sehr gering. Die Wohlverhaltensregelung, die heute verabschiedet werden soll, gibt es an der deutschen Börse bereits. Es ist bereits gang und gäbe, dass dann, wenn ein Händler Gebote abgibt und daraus eine Transaktion bzw. ein Handel erfolgt, dies reguliert wird. Die Börsen sagen schon heute - das ist von Börse zu Börse etwas unterschiedlich -: Wenn von 2 500 Geboten nur eines realisiert wird - bei einer anderen Börse sind es vielleicht 500 -, dann wollen wir das nicht. Da sagen Sie: Das wollen wir jetzt mal gesetzlich regulieren. Sie nehmen nur das auf, was durch den Druck der Realität erzwungen wird oder was selbst für die Börse einfach unwirtschaftlich ist, und sagen: Das ist jetzt ein Gesetz. - Das ist doch aber keine Regulierung. Das ist überhaupt keine Regulierung. Wenn wir regulieren wollen, stellt sich als Erstes die Frage: Müssen wir etwas regulieren? Oder kann die Politik nicht auch sagen: Menschen sind zwar in der Lage, Computer und Computerprogramme zu entwickeln - das ist alles schön -; aber brauchen wir diesen Hoch-frequenzhandel überhaupt? Darauf kann man schlicht und ergreifend sagen: Nein, wir brauchen ihn nicht. (Beifall bei der LINKEN) Dann können wir überlegen: Wie können wir hier etwas erreichen? Wir könnten schlicht ein Verbot fordern. Das wäre eine Möglichkeit. Die politischen Mehrheitsverhältnisse in Deutschland und Europa sind nicht unbedingt so ausgeprägt, dass man damit durchkäme. Dann überlegt man: Wir schreiben eine Mindesthaltedauer von einer halben Sekunde vor; das ist schon mehrmals genannt worden. Wir hatten eine Anhörung im -Finanzausschuss. Ich fasse einmal kurz zusammen: -Experten haben gesagt, damit wäre der Hochfrequenzhandel tot. Die Lobbyisten in der Anhörung haben gesagt, dies würde überhaupt nicht wirken. Das ist die Realität: Sie hören auf die Lobbyisten. Wir werden den Antrag zur Einführung einer Mindesthaltedauer unterstützen. Wir hören auf die Experten. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir haben natürlich auch die Möglichkeit, auf dem Weg weiterzugehen, eine Finanztransaktionsteuer in Deutschland, in Europa und weltweit zu installieren. Sie haben sich damit geschmückt, Sie hätten sie auf den Weg gebracht. Entschuldigung, wir diskutieren nun wirklich seit Jahren im Ausschuss, hier im Bundestag miteinander. Von Ihnen kommen immer wieder Einwände. Der FDP nehme ich bis heute nicht ab, dass sie dafür steht; das muss ich schlicht sagen. Zu dem heutigen Gesetzentwurf, bei dem wir nicht die gesamten Finanztransaktionen betrachten, sondern nur einen Teil, hat ein CDU-Ministerpräsident im Bundesrat gesagt: Die Händler, die sich an der Börse mit diesen Hochfrequenzfinanztransaktionen beschäftigen, können wir doch aus dem Geltungsbereich des Kreditwesengesetzes herausnehmen. - In dem Moment aber, in dem ich diese ausgenommen habe und die Finanztransaktionsteuer eingeführt wird, greift sie nicht mehr; denn die sind im Ausland. Das ist doch wieder ein Torpedo gegen die Finanztransaktionsteuer. Sie handeln hier nicht ehrlich. Ich sage Ihnen: Wenn man es ernst meint mit der Regulierung, dann muss man beim Hochfrequenzhandel die Geschwindigkeit reduzieren. Aber Sie bringen mit Ihrem Gesetz zum Ausdruck: Rasen Sie ruhig weiter, machen Sie den Börsenhandel weiter kaputt! Es macht ja nichts, wenn die Realwirtschaft dadurch Schaden nimmt; das ist uns egal. Einige wenige verdienen daran. Sie haben vielleicht ein kleines Überholverbot in bestimmten Situationen aufgestellt, aber mehr nicht. Es ist keine Regulierung. Eine Mindesthaltedauer wäre das Mindeste, was wir beschließen müssten. Wir brauchen eine handfeste, konsequente Diskussion zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer in Europa mit der federführenden Rolle der Bundesrepublik Deutschland, damit deutlich wird: Wir wollen sie einführen. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Peter Aumer für die CDU/CSU. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Peter Aumer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und -Herren! Wir diskutieren heute über das Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hoch-frequenzhandel. Wir leisten weiter einen Beitrag zu dem, was wir als christlich-liberale Koalition versprochen haben - das haben die Damen und Herren der Opposition schon zitiert -, nämlich dass wir jeden Markt, jedes Produkt und jeden Akteur auf den Finanzmärkten regulieren wollen. Wir leisten, liebe Frau Höll, einen Beitrag zur Realpolitik und machen keine Satire, um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu beschädigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich habe vor einigen Tagen im Handelsblatt ein Zitat gelesen, das dem widerspricht, was Sie als Opposition die ganze Zeit zu behaupten versuchen. Dort stand: Mit der Regulierung des ultraschnellen Börsenhandels prescht die Koalition bei einem weiteren Regulierungsthema in der EU voran. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Prescht?) - "Prescht" stand da, genau. - Meine sehr geehrten -Damen und Herren der Opposition, nehmen Sie das doch bitte zur Kenntnis. So wird das, was wir als christlich--liberale Koalition machen, in der Öffentlichkeit wahrgenommen und nicht so, wie Sie das hier vorgeben. Das, was Sie nach außen transportieren, ist nicht getragen von Wahrheit und Klarheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Selbst die Bundesbank, die nicht unbedingt immer unsere Linie vertritt, bestätigt das. Die Bundesbank sagt: Das Gesetz ist in angemessener und ausgewogener Weise ein Schritt zur Regulierung, ein erster Schritt und ein guter und großer Schritt in die richtige Richtung. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ein Schritt zur Regulierung, aber nicht die Regulierung!) Das ist kein Schritt zurück, Herr Sieling. Wir sind keine "Hasenfüße", wie Sie in Ihrer Rede gesagt haben. Das sind Sie; denn Sie haben bisher - das haben wir vorhin schon gehört - gegen alle Gesetzentwürfe zur Regulierung gestimmt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Man sollte von der Opposition erwarten können, dass sie Realpolitik betreibt, dass sie auch mal mithilft, diese schwierige Aufgabe, die uns gestellt worden ist, zu -lösen. Unsere wesentliche Aufgabe ist, Realpolitik zu betreiben, aber vor allem, der Realwirtschaft zu dienen. Zur Realwirtschaft gehören natürlich auch die Finanzmärkte, die Geld zur Verfügung stellen, damit die Realwirtschaft funktioniert. Man muss den richtigen Ausgleich finden. Wir haben diesen Ausgleich gefunden. Herr Sieling, Sie haben es vorhin selbst gesagt; auch Herr Zöllmer hat in seiner Rede auf den Wandel hingewiesen. Als er während seiner Schulzeit mit seinem Leistungskurs zur Börse gefahren ist, war das alles noch anders. Man muss den aktuellen Wandel mit den richtigen politischen Entscheidungen begleiten. Wir tun das, indem wir sagen: Wir wollen den Hochfrequenzhandel nicht ganz verbieten, weil das in der heutigen Zeit nicht geht, sondern wir wollen den Ordnungsrahmen gestalten. Das ist einer Partei, die für die soziale Marktwirtschaft steht, auch angemessen. Wir wollen, dass der Ordnungsrahmen richtig funktioniert. Wir wollen, dass die Marktwirtschaft auch in diesem Bereich weiter funktionieren kann. Wir wollen einen Ordnungsrahmen, der stark ist, der trägt, der einen Beitrag zur Stärkung und Stabilität der Finanzmärkte leistet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage) - Herr Präsident, der Kollege Sieling meldet sich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Sieling möchte eine Zwischenfrage stellen, und der Kollege Aumer will sie offenkundig gerne beantworten. Peter Aumer (CDU/CSU): Gerne. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Dr. Carsten Sieling (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege, und vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Aumer, Sie sind ja Mitglied der CSU. Sie sind aus Bayern und CSU-Mann. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bayern ist CSU!) Werden Sie Ihrem Kollegen Ferber auf der europäischen Ebene folgen, oder werden Sie ihn ausbremsen? Peter Aumer (CDU/CSU): Das ist schön. Ich wollte in meiner Rede darauf zu sprechen kommen. Ich war noch gar nicht so weit, Herr Sieling. Aber so habe ich schon jetzt Gelegenheit, darauf einzugehen. Es ist nett, dass Sie meine Redezeit verlängern. Ich glaube, man muss ganz genau hinschauen. Es ist vorhin schon gesagt worden, dass man im Parlament einen Kompromiss gefunden hat. Wir müssen gemeinsam beobachten - das sollte auch die Opposition in Deutschland tun -, welche Auswirkungen der Hochfrequenzhandel hat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was denn nun? Geben Sie eine Antwort auf die Frage!) - Lassen Sie mich doch antworten. Die komplexe Frage "Wollen Sie verbieten, oder wollen Sie nicht verbieten?" kann man nicht so einfach beantworten. Wir wollen, dass das Ganze funktioniert, und wir wollen keine populistische Arbeit leisten. Eine populistische Oppositionsarbeit machen nicht Sie, Herr Dr. Schick, aber ein Großteil Ihrer Partei. Man muss genau hinschauen, was die Einführung von Mindesthaltefristen bedeutet. Mindesthaltefristen können dazu führen - das hat man auch in der Anhörung gehört -, dass die Märkte nicht mehr funktionieren. Das sagt sogar die Deutsche Bundesbank; man sollte doch auf die Experten vertrauen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sagen Sie jetzt Ja oder Nein?) - Wir tauschen uns aus. Auch wir in der CSU vertreten zum Teil gegensätzliche Positionen. Wir bilden dann Mehrheiten. - Ich zitiere jetzt Herrn Dr. Nagel, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, der zum Thema Mindesthaltefristen sagt: Eine solche Maßnahme bringt auch signifikante Nachteile. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: -Welche denn?) Wir wollen keinen Populismus, lieber Herr Dr. Sieling, sondern wir wollen eine Politik machen, die dafür sorgt, dass die Märkte in unserem Land funktionieren. Das ist unsere Aufgabe. Dafür sind wir gewählt worden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Unterstützen Sie Ferber, oder lassen Sie ihn in der Luft hängen?) - Ich habe es Ihnen doch gerade gesagt. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das war Eierei!) - Wir haben die Eiertänze heute schon hinter uns. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau, Eiertänze!) Herr Zöllmer hat schon versucht, uns Eiertänze vorzuhalten. Ich glaube, das ist in diesem Bereich nicht der Fall. Wir haben eine klare Linie: (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Genau!) Die Finanzmärkte werden dementsprechend geregelt. Passen Sie auf; Sie haben einfach keinen Angriffspunkt in diesem Bereich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wir hätten gerne klare Zielsetzungen, aber meistens kommt Seehofer!) - Ja, wir haben eine klare Linie: Wir wollen, dass der Hochfrequenzhandel reguliert wird, dass die soziale Marktwirtschaft auch in diesem Bereich Einzug hält. Wir wollen in einem doch sehr komplexen System Leitplanken setzen. Dieses System ist aber wichtig, damit unsere Märkte heute funktionieren. Ich habe gerade während der Reden der Opposition eine Nachricht von n-tv gelesen: dass die Arbeitsmärkte bei uns im Land stabil sind, trotz einer schwierigen konjunkturellen Situation. - Das ist vor allem auch darauf zurückzuführen, dass wir verlässliche Politik für die Menschen in unserem Land machen. Sie machen das nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das stand aber nicht bei n-tv!) Sie versuchen, populistische Politik zu machen, den Menschen zum Teil nicht die Wahrheit zu sagen. Wahrheit ist für uns, immer das umzusetzen, was der Mehrheit der Menschen in unserem Land dient. Das macht auch der bayerische Ministerpräsident. Deswegen steht Bayern so gut da, deswegen ist Bayern Vorreiter in Europa. Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie können mit allem Populismus dagegenhalten, Sie können einen "Drehhofer" zitieren - wie es vorhin schon geschehen ist - oder nicht: Am Ende zählt das, was herauskommt. (Zurufe von der SPD) Am Ende zählt das, was wir für die Menschen getan haben, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Es bleibt dabei: Wir arbeiten verlässlich für unser Land. Wir arbeiten verlässlich daran, die Bereiche zu regulieren, die man regeln kann. Wir schlagen nicht auf populistische Art und Weise Dinge vor, die nicht funktionieren. Die Mindesthaltefristen sind ein solcher populistischer Vorschlag. Sie lehnen jetzt das ganze Gesetz ab, nur weil eine Forderung - mein Kollege Björn Sänger hat das vorhin schon gesagt -, die Sie stellen, nicht mit aufgenommen werden kann. Wir sagen: Wir sind in Deutschland nicht alleine. Die Welt ist international aufgestellt. Wir wollen das -zumindest europaweit geregelt haben. Wir setzen uns dementsprechend auf europäischer Ebene dafür ein, dass diese Regelungen eingeführt werden. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Eine Liste von Belanglosigkeiten ist das!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir das tun, was wir den Menschen versprochen haben: die Finanzmärkte zu regulieren, eine verlässliche Politik auch in diesem Bereich einkehren zu lassen. Leisten Sie einen Beitrag dazu! Stimmen Sie diesem Gesetz zu! Dann wird unser Land noch stabiler in die Zukunft gehen können. Dann werden wir weiterhin die Arbeitsplätze für die Menschen in unserem Land sichern können. Das ist die Aufgabe, die wir sehen, und das sollte auch die Aufgabe der Opposition sein. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Lothar Binding hat nun das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute -Morgen wirklich große Worte gehört. Herr Wissing hat gesagt: Keine Regierung hat die Regulierung jemals so vorangetrieben wie diese christlich-liberale Regierung. Darauf könne sie stolz sein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Kollege Koschyk hat gesagt: Keine Mäkeleien, Kritteleien! Eine Brandmauer soll aufgebaut werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Kollege Flosbach hat gesagt: Risiken und Missbräuche nehmen wir heraus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) In der Überschrift des Gesetzentwurfes wird von "Gefahren und Missbräuchen" gesprochen. Etwas weiter unten steht: "Besonderen Risiken des algorithmischen Hochfrequenzhandels" soll "entgegengewirkt werden". Schauen wir einmal in das Gesetz: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Tun wir das einmal! Bitte! - Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Bis jetzt war die Rede ganz gut!) "Der Börsenträger" hat "für die übermäßige Nutzung der Börsensysteme ... separate Entgelte zu verlangen". Es steht weder die Höhe noch sonst etwas im Gesetz, und es gilt nur "für die übermäßige Nutzung". Was soll damit eigentlich reguliert werden? Dass man für etwas, was man benutzt, ein Entgelt zahlen muss, ist doch nichts Besonderes. Für alles, was ich benutze, was ich leihe oder kaufe, wird ein Entgelt verlangt. Geniale Regulierung! Ferner kann die Geschäftsführung - sie kann! - das Ruhen der Zulassung längstens für die Dauer ... anordnen, wenn ein Handelsteilnehmer das Order-Transaktions-Verhältnis ... nicht einhält ... Sie kann das machen. Wen bitten Sie dort eigentlich zu regulieren? Wer soll eigentlich das regulieren, was Ihnen Angst macht, wovon Sie vorhin gesagt haben, es macht den Menschen Angst? Sie bitten den, der Angst macht, das zu regulieren, was Angst macht. Das ist doch absurd! Da können Sie gleich Mövenpick fragen, wie hoch die Hotelsteuer sein soll. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das haben sie doch auch gemacht!) Die Börse - ich habe natürlich nichts gegen die Börse; aber wir -reden hier über die Börse, an der das alles passiert, was Angst macht und was Sie regulieren wollen - hat geeignete - welche eigentlich? - Vorkehrungen zu treffen, um auch bei erheblichen Preisschwankungen - was ist eigentlich eine erhebliche Preisschwankung? Das ist doch ein Gesetz und nicht ein Besinnungsaufsatz! - (Beifall bei Abgeordneten der SPD) eine ordnungsgemäße Ermittlung des Börsenpreises sicherzustellen. Geeignete Vorkehrungen im Sinne des Satzes ... sind insbesondere kurzfristige Änderungen des Marktmodells ... Was ist eigentlich die kurzfristige Änderung eines Marktmodells? Kann das einmal jemand genauer erklären? (Joachim Poß [SPD]: Herr Koschyk!) Es kommt dann. Sie meinen "kurzzeitige Volatilitäts-unterbrechungen". Es geht hierbei um den Nanosekundenbereich. Leuten, die in diesem Bereich handeln, sagen Sie jetzt, dass Sie, wenn sich kurzfristig etwas ändert, etwas machen wollen. Geht es noch kurzfristiger als im Nanosekundenbereich? Was meinen Sie eigentlich? Sie machen doch ein Gesetz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ein angemessenes Order-Transaktions-Verhältnis liegt ... dann vor, wenn dieses ... wirtschaftlich nachvollziehbar ist. (Zurufe von der SPD: Ah!) Das ist ja interessant. Wer soll Ihrer Ansicht nach eigentlich messen, was angemessen ist? Ja, sind wir denn verrückt, dass der Gesetzgeber die Frösche fragt, ob er wirklich den Sumpf trockenlegen soll? Was kann denn die Antwort darauf sein? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Börsenordnung - also nicht das Gesetz - muss nähere Bestimmungen zum angemessenen Order-Transaktions-Verhältnis für bestimmte Gattungen von Finanzinstrumenten treffen. Ja, wen beauftragen Sie denn? Was wollen Sie denn regeln? Ich dachte, dies sei die genialste Regelung, die es überhaupt jemals von einer Regierung in der Nachkriegsgeschichte gibt. Was regeln Sie? Ehrlich gesagt - bei näherem Hinsehen erkennt man es -: nichts. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Alle Produkte, alle Märkte, eine Brandmauer. Vorhin ist gesagt worden: Wir handeln sofort. (Joachim Poß [SPD]: Geschwafel!) Nein, Sie schaffen einen abstrakten Rahmen dafür, dass die Börse etwas tun darf. Das darf sie jetzt auch schon, dazu braucht sie überhaupt kein Gesetz, jedenfalls nicht Ihr Gesetz. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Börse - dies ist jetzt versuchsweise; ich habe überall nach etwas Konkretem gesucht - ist verpflichtet, - da dachte ich: jetzt geht es los - eine angemessene Größe der kleinstmöglichen Preisänderung bei den gehandelten Finanzinstrumenten festzulegen... Wissen Sie eigentlich, was die kleinstmögliche Preis-änderung bei Arbitragegewinnen ist? Wenn Sie 20 Millionen Mal handeln, dann kann sie gar nicht klein genug sein, und Sie machen trotzdem noch einen Gewinn. Scheinorder, Scheinmärkte und fiktive Transaktionen machen den Markt gefährlich. Von wegen "beste Regelung", mit diesem Gesetzentwurf regeln Sie - das erkennt man bei näherem Hinsehen - nichts. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich glaube, man muss sich die Preisfindungsmechanismen, die Sie definieren, und die von Ihnen genannten Ziele eines angemessenen Order-Transaktions-Verhältnisses im Sinne des § 26 a des Börsengesetzes, der nicht beeinträchtigt werden soll, genauer anschauen. Nähere Bestimmungen kann - jetzt dürfen Sie fünfmal raten - die Börsenordnung treffen. Wieder soll ein Dritter regeln, was er selber anrichtet. Ich glaube, wer dieses System erkennt, der weiß, warum wir da nicht zustimmen können. Sie fingieren praktisch einen Regelungsmechanismus. Würden wir dem zustimmen, würden wir den Menschen vorgaukeln, wir würden das, was gefährdet, regulieren, obwohl wir alles noch viel schlimmer machen. Denn jeder, der zur Börse geht, denkt dann natürlich: Hier ist alles geregelt, alles sicher. Nein, Sie schaffen einen Scheinmantel, von dem sogar das Schlimmste gedeckt wird. Wenn Sie da konkreter wären, würden wir auch zustimmen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ein echtes Merkel-Gesetz!) Es ist traurig, dass Sie der einzigen konkreten Zahl, die sich hier finden lässt, nämlich in unserem Antrag, nicht zustimmen. (Peter Aumer [CDU/CSU]: Weil das Quatsch ist!) Bei dieser unkonkreten Gesetzgebung dürfen Sie sich nicht wundern, dass sie auch international nicht auf fruchtbaren Boden fällt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dies ist die 60. oder 70. Debatte, die wir hier zu Finanzmarktthemen führen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und es ist noch immer nichts passiert!) Es ist eigentlich immer das Gleiche: (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Ja, das haben wir gerade gehört!) Wir machen etwas, (Lachen bei Abgeordneten der SPD) und die Opposition stellt sich hin, nölt herum und sagt: Ja, wir würden es ein bisschen kräftiger machen, wir würden da eine Formulierung ändern, wir würden hier etwas machen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ich habe euren Gesetzentwurf zitiert! Genauer kann man es nicht machen!) Es ist nicht schnell genug, es ist zu spät, es ist zu früh. - Im Grunde genommen warte ich auf das große Gesamtbild. Ich warte darauf, dass die Opposition uns zeigt, wie man Finanzmarktregulierung macht. Aber Sie beschränken sich auf Nölen und Herumkritteln und haben keine überzeugenden Vorschläge. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zu dem konkreten Gesetzentwurf, der uns vorliegt. Der Kollege Zöllmer hat ja ein schönes Bild aus der Vergangenheit gemalt: Als er mit seinem Volkswirtschaftskurs die Düsseldorfer Börse besucht hat, rannten da Männer herum - schwitzend und schreiend -, die sich in unverständlichem Kauderwelsch Kurse zuriefen. Irgendwie ist das doch unser aller schöne Kindheit. Wer würde sich nicht wünschen, dass diese unser aller schöne Kindheit bleiben würde? Aber die Realität ist leider eine andere. Die Realität ist, dass wir mittlerweile einen elektronischen Handel haben, dass der Parketthandel weitgehend überholt ist. Die Realität ist auch, dass nicht mehr Menschen mit-einander handeln, sondern Maschinen; das nennt man algorithmisch. Wenn sie das ganz besonders schnell machen, dann reden wir vom Hochfrequenzhandel. Ganz ehrlich: Wer von uns, meine Damen und Herren, ist nicht beunruhigt, wenn Maschinen untereinander handeln? Wer von uns ist nicht beunruhigt - wem macht das keine Angst? -, wenn in Millisekunden Milliardenbeträge durch die Welt geschoben werden? Deswegen ist es gut und richtig, dass wir uns diesen Bereich vornehmen und diesen Bereich regulieren. An dieser Regulierung haben Sie Kritik geübt. Ich möchte auf diese Kritikpunkte eingehen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wow!) Sie haben zunächst gesagt: Das kommt alles viel zu spät. - Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst die Vergütungen reguliert haben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst die Ratingagenturen reguliert haben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst die Finanzaufsicht reformiert haben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst dafür gesorgt haben, dass bei den Banken und Versicherungen mehr Eigenkapital und Liquidität vorhanden sein muss, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir uns zuerst mit dem Anlegerschutz beschäftigt haben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir uns zuerst mit den offenen Immobilienfonds beschäftigt haben, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir zuerst bestimmte Produkte aus dem grauen Kapitalmarkt herausgeholt haben, muss ich Ihnen sagen: Ja, das alles müssen wir gelten lassen; denn das haben wir zuerst gemacht, bevor wir uns mit dem Hochfrequenzhandel beschäftigt haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, das war auch die richtige Reihenfolge, die wir da gewählt haben. (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Ja! Stimmt!) Sie kritisieren: Ihr handelt nicht nur zu spät, sondern - wenn ich an die Rede des Kollegen Schick aus der ersten Lesung denke - auch zu früh. Es wird doch auf europäischer Ebene etwas gemacht. Warum macht ihr denn jetzt etwas in Deutschland? (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn es besser ist, kann man es schon machen! Aber nicht, wenn es schlechter ist!) Bald wird die MiFID-Reform kommen. Ihr könntet euch eure nationalen Alleingänge eigentlich sparen. - (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So habe ich nicht argumentiert! Bitte richtig zitieren!) Dazu muss man eines sagen: MiFID wird irgendwann in drei, vier Jahren in Kraft treten. Wollen wir so lange warten? Wollen wir die Märkte so lange so belassen, wie ich es beschrieben habe? Oder haben wir nicht als Bundesregierung die Aufgabe, da schneller heranzugehen? Ich glaube, wir haben die Aufgabe, da schneller heranzugehen. (Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das ist richtig!) Deswegen ist es gut und richtig, dass wir hier national vorangehen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Dann muss es auch wirkungsvoll sein!) Es wurde kritisiert: Es gibt lange Übergangsfristen. - Ja, klar gibt es Übergangsfristen. Diese Übergangsfristen sind so gewählt, dass die Marktteilnehmer die Möglichkeit haben, die erforderlichen Genehmigungen einzuholen; das ist gut, richtig und fair. Fairness gilt nämlich auch für die Finanzmärkte, meine Damen und Herren. Dann wurde ein besonders interessanter Vorschlag gemacht: Alles, was da gemacht wird, die sogenannten Algorithmen, sollten im Vorhinein genehmigt werden. - Das passt natürlich prima in die Philosophie der linken Seite dieses Hauses. Das ist eine weitere Aufgabe für das Zentralkomitee für besseres Leben, das alles genehmigen muss: (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) ob und wann wir Fleisch essen, welche Algorithmen genommen werden, wie schnell wir Auto fahren; auch alles andere sollte zentral vom Staat genehmigt werden. Das wird nur nicht funktionieren, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jetzt komme ich zu einem wichtigen Punkt, der hier immer wieder angeklungen ist: zu den Mindesthaltefristen. Sie fordern: Ziehen wir doch eine Bremse in den Hochfrequenzhandel ein! Sagen wir doch: Es muss eine halbe Sekunde gewartet werden, bevor ein neues Geschäft getätigt wird. - Das hört sich bestechend an. Fakt ist - der Kollege Wissing hat das an anderer Stelle einmal geäußert -: Dann hätten wir uns den gesamten Gesetzentwurf sparen können. Dann hätten wir nämlich sagen können: Der Hochfrequenzhandel wird verboten. Sie haben sich ja heute dazu bekannt, den Hochfrequenzhandel tatsächlich verbieten zu wollen. Gut, dieser Auffassung kann man sein. Aber Sie müssen auch anerkennen, dass die Experten - und zwar nicht nur die Experten, die von der Deutschen Börse bezahlt werden - dazu ein sehr unterschiedliches Bild gezeichnet haben. Die einen sagen, das wäre gut; die anderen sagen, das wäre schlecht. Sie als Opposition sind jetzt ungemein mutig, weil Sie genau wissen, dass Sie das nicht zu verantworten haben, und fordern: Mindesthaltefristen einbauen und Hochfrequenzhandel abschaffen! - Gut, das können Sie fordern. Aber wir sind an der Regierung. Wir tragen die Verantwortung für die Märkte und für das, was auf den Märkten passiert. Deswegen sagen wir: Wir machen an dieser Stelle keinen nationalen Alleingang. Das kann man diskreditieren, aber zum Regierungshandeln gehört, dass man auch die Verantwortung für sein Handeln übernimmt. Das ist der wesentliche Unterschied zwischen der Finanzmarktpolitik der Regierung und der der Opposition. Wir verantworten das, was wir machen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ihr macht nichts! Und das verantwortet ihr!) Sie stellen Forderungen auf, von denen Sie wissen, dass Sie sie nie verantworten müssen. Deswegen übertreiben Sie immer bei all dem, was Sie wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie sind doch der Frosch im Sumpf!) Meine Damen und Herren, es ist einfach, Opposition zu sein. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Deswegen sollen Sie da ja auch hin! Ihr sollt es einfacher haben!) Es ist nicht nur Mist, wie Herr Müntefering sagt, sondern es ist einfach; denn Oppositionshandeln im Finanzmarktbereich hat bisher nur darin bestanden, Dinge schlechtzumachen, zu fordern und dagegen zu stimmen. Ich muss Sie wirklich fragen: Welches ist denn Ihr Bild von Politik? Ist es Ihr Bild, zu sagen: Wenn ich mich nicht zu 100 Prozent durchsetze, dann blockiere ich einfach alles? - Das ist nach meiner Auffassung sehr verantwortungslos. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Sie machen doch selbst die Blockade! - Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich werde es der CDU in Baden-Württemberg ausrichten!) Wenn wir jetzt die ganze Sache zum Abschluss bringen und wieder zu dem schönen "Wimmelbild" von den schwitzenden Männern, die sich gegenseitig Kurse zuschreien, das Herr Zöllmer aufgemalt hat, kommen, müssen wir wohl festhalten, dass wir dieses Bild nie wieder erleben werden. (Zuruf des Abg. Dr. Carsten Sieling [SPD]) Ich glaube, wir müssen die Realität anerkennen. Die Realität in dieser Welt ist eine andere. Die Realität in dieser Welt heißt auch: Wenn wir in Deutschland den Hochfrequenzhandel verbieten, dann wird er in Luxemburg stattfinden. Und wenn wir den Hochfrequenzhandel innerhalb der Europäischen Union verbieten, dann wird er an anderen Plätzen stattfinden. Das heißt nicht, dass wir diesen Hochfrequenzhandel weiterlaufen lassen sollten wie bisher, sondern wir müssen versuchen, eine vernünftige Regulierung hinzukriegen. Aber die Realität einfach auszublenden, die Welt als einen großen Ponyhof darzustellen, das wird nicht funktionieren. Das, was wir hier vorlegen, beinhaltet eine verantwortungsvolle Regulierung des Hochfrequenzhandels. Man kann sicherlich an der einen oder anderen Stelle mehr machen, muss dies dann aber international organisieren. Das haben wir immer vor Augen gehabt, und deswegen handelt es sich hier um ein gutes Gesetz. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen - wir als Finanzmarktregulierer haben ja nicht ganz so oft die Gelegenheit, zu dieser Stunde zu sprechen -, um noch das eine oder andere Wort an die Branche zu richten. Die Branche hat nämlich auch ein Problem. Die Branche hat das Problem, dass sie bei allen Regulierungsvorhaben, die wir machen, immer wieder sagt: Wenn ihr das jetzt macht, dann wird alles zusammenbrechen. - Wir haben das erlebt, als wir gesagt haben: Wir wollen die Hochfrequenzhändler dem Kreditwesengesetz unterstellen. Wir wollen eine harte Aufsicht der Hochfrequenzhändler. Sie müssen sich eines vorstellen: 25, 30, 40 Prozent des Börsenumsatzes in Deutschland werden von Marktteilnehmern gemacht, die wir nicht kennen, von denen wir nicht wissen, welche Interessenlagen die haben, und von denen wir auch nicht wissen, mit welchen Werkzeugen die arbeiten. Dementsprechend sind wir an diese Problematik herangegangen und haben die Sache angepackt, und zwar gegen den Widerstand der Branche. - Dies zu Ihren Zwischenbemerkungen, Herr Poß. Schaut man sich die Branche einmal insgesamt an, stellt man fest, dass dort die Erkenntnis eingetreten ist, dass sich nach dem Jahr 2008 etwas ändern musste. Diese Erkenntnis ist aber nur sehr langsam eingetreten. Bemerkenswerte Äußerungen gab es dazu vorgestern von dem Privatkundenvorstand der Deutschen Bank, der als erster Vorstand einer großen deutschen Bank gesagt hat - ich gebe das, was in der Börsen-Zeitung gesagt worden ist, nur sinngemäß wieder -: Wenn die Banken, wenn die Finanzindustrie bei allen Regulierungsvorhaben immer nur schreien, das gehe nicht und das mache alles kaputt, dann müssen sie sich nicht wundern, dass sie das Vertrauen der Politik komplett verspielen. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Ich würde mir wünschen, dass wir viel mehr aktive Mitarbeiter in der Branche und in der Regulierung haben, dass die Branche nicht ebenso wie die Opposition immer sagt, das gehe nicht, das sei alles schlecht, das werde alles kaputtmachen, sondern dass sie mithilft, eine konstruktive Regulierung hinzubekommen. Das, was wir im Rahmen der 60 bis 70 Debatten hier diskutiert haben, ist eine konstruktive Regulierung. Deswegen bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, damit wir am Ende des Tages einmal mehr besseren und stabileren Finanzmärkten nähergekommen sein werden. Diese christlich-liberale Koalition steht dafür. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen nun zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 17/12536, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/11631 und 17/11874 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in dieser Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Wir kommen zur dritten Beratung und Schlussabstimmung. Ich darf diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, bitten, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Niemand. Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der SPD-Fraktion auf der Drucksache 17/12551. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mehrheitlich abgelehnt. Wir sind damit mit diesem Tagesordnungspunkt durch. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 e auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Groß, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt - Drucksache 17/12485 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD Bezahlbare Mieten in Deutschland - Drucksache 17/12486 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Halina Wawzyniak, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wohnungsnot bekämpfen - Sozialen Wohnungsbau neu starten und zum Kern einer gemeinnützigen Wohnungswirtschaft entwickeln - Drucksache 17/12481 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Rechtsausschuss Haushaltsausschuss d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland - Drucksache 17/11200 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Daniela Wagner, Ingrid Hönlinger, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen - Für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht - Drucksachen 17/7983, 17/12472 - Berichterstattung: Abgeordneter Sebastian Körber Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache ebenfalls 90 Minuten vorgesehen. - Dazu besteht Einvernehmen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst der Kollege Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich in die Runde schaue, stelle ich fest: Ich bin nicht der Einzige, der heute Morgen direkt von München aus hierher gekommen ist. Ich bin auch nicht der Einzige, der das politische Cabaret (Volker Kauder [CDU/CSU]: "Kabarett" heißt das, Herr Steinmeier!) eigentlich erst gestern Abend auf dem Nockherberg erwartet hat, lieber Volker Kauder. Als ich mich zu diesem Tagesordnungspunkt "Wohnen und Mieten" gemeldet habe, konnte ich nicht ahnen, dass das wahre politische Kuriositätenkabinett schon am Wochenende vor dem Nockherberg getagt hat. Man stelle sich das einmal vor: Beim Mindestlohn sagen Christdemokraten und Liberale seit fast vier Jahren: "Gott sei bei uns!" - seit drei Tagen soll das alles ganz anders sein. Bei der Homo-Ehe schien noch vor einer Woche der Untergang des Abendlandes zu drohen - seit dem Wochenende alles ganz anders. (Sebastian Körber [FDP]: Was hat das mit dem Thema zu tun?) Türkei-Beitritt: Jahrelang hat die Union getönt, dass die Türken aus der Europäischen Union draußen bleiben sollen - am Wochenende sagte die Kanzlerin: Die Verhandlungen gehen gar nicht schnell genug. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Das ist doch keine Generaldebatte hier!) Im Hinblick auf ein NPD-Verbot wurden die Ermittlungen der Innenminister der Länder wochenlang links liegen gelassen, und es wurde Skepsis gestreut - urplötzlich, ohne dass sich irgendetwas Neues ereignet hätte, soll das Kabinett jetzt doch einen Verbotsantrag beschließen. (Peter Götz [CDU/CSU]: Kennen Sie den Tagesordnungspunkt? - Sebastian Körber [FDP]: Haben Sie die falsche Rede erwischt?) - Meine Damen und Herren, bevor Sie unruhig werden, sage ich Ihnen: Glückwunsch zu so vielen neuen Einsichten! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich kann mich allerdings des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass die eine oder andere dieser neuen Einsichten durch den Wahltermin befördert wurde. Eines rate ich nur: Überholen ohne einzuholen, das funktioniert nicht, das haben schon andere versucht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Beim Wettbewerb um politisches Umfallen darf die FDP natürlich nicht abseitsstehen. Bei der doppelten Staatsangehörigkeit, einem absoluten No-Go für die Koalition - das war ein Evergreen -, überrascht uns Frau Leutheusser-Schnarrenberger am Wochenende mit dem Satz: Alles ist möglich. (Sebastian Körber [FDP]: Sagen Sie noch etwas zur Sache?) - Jetzt müssen Sie nicht mehr länger neugierig sein. Bei den Stichworten "Umfallen" und "Kehrtwende" - da haben Sie recht; insofern verstehe ich, dass Ihnen da etwas gefehlt hat - darf einer nicht fehlen, nämlich der Bauminister. (Zurufe von der SPD: Ja!) Das dreisteste Stück, das in den letzten Tagen zur Aufführung gekommen ist, stellt den Nockherberg von gestern Abend mühelos in den Schatten. Man stelle sich das einmal vor: Ausgerechnet derjenige, der den Kahlschlag im Wohnungsbau verursacht hat, ausgerechnet derjenige, der zu den Ersten gehörte, als es darum ging, die Eigenheimzulage zu streichen, ausgerechnet Herr Ramsauer dreht sich auf den Hacken um und tut seit dem Wochenende so, als sei er die Spitze der Bewegung, als sei er Vorreiter beim Thema "Wohnen und Mieten". So einfach geht das nicht! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dreistigkeit mag sich lohnen, auch in der Politik, aber das werden wir Ihnen nicht durchgehen lassen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das macht ja Ihr Kanzlerkandidat schon!) Sie sind verantwortlich dafür, dass das Bund-Länder-Programm "Die soziale Stadt" "geschlachtet" wurde. Sie sind verantwortlich dafür, dass der Heizkostenzuschuss abgeschafft wurde. (Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!) Sie haben das neue mieterfeindliche Mietrecht auf den Weg gebracht. (Sören Bartol [SPD]: So ist es!) Sie haben die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt -ignoriert und gleichzeitig eine rechtzeitige Gegenwehr verpennt. Das haben wir nicht vergessen, und wir werden dafür sorgen, dass die Menschen in Deutschland das auch nicht vergessen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich kann ja verstehen, dass Sie nach diesen etwas atemlosen Kehrtwenden vom vergangenen Wochenende nicht mehr richtig wissen, wo Ihnen der Kopf steht. In Ihren eigenen Reihen herrscht im Augenblick ein bisschen Chaos. Dazu will ich mich aber gar nicht äußern; das ist Ihre Sache. Meine einzige Bitte ist: Richten Sie bitte das Chaos, das Sie in der Energiepolitik angerichtet haben, nicht auch noch in der Wohnungspolitik an. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Wohnungspolitik braucht nämlich keine Kehrtwenden, sondern Verlässlichkeit. Wenn Sie wollen, dass Wohnungsbaugesellschaften Wohnungen bauen, dann machen Sie keine Kehrtwenden, sondern sorgen Sie für Planbarkeit und Investitionssicherheit. Familien, die vor der Entscheidung stehen, wo sie leben möchten und ob sie mieten oder bauen wollen, brauchen ebenfalls Planungssicherheit. Solche Pläne kann man eben nicht einfach mal verändern, wenn es einem in den Kram passt. Wir brauchen keinen Aktionismus und keine Chaotisierung, sondern Ernsthaftigkeit und lange Linien. Ohne das wird es nichts mit bezahlbarem Wohnraum - auch nicht bei uns. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Unser Vorwurf ist, dass es gerade an dieser Ernsthaftigkeit, von der ich rede, fehlt. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der Haushalte, die 40 Prozent und mehr von ihrem Einkommen für Miete ausgeben, verdoppelt. Studenten - das wissen Sie auch - finden in den Unistädten kaum noch Wohnungen. Der Bestand an Sozialwohnungen geht Jahr für Jahr zurück. Die wenigsten Wohnungen sind altersgerecht. Das alles ist nicht neu. Das haben Sie in Ihrem eigenen "Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland" vom letzten Oktober sogar veröffentlicht. Sie haben es zwar veröffentlicht, aber passiert ist nichts. Das ist das, was vorzuwerfen ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn das so weitergeht, dann werden wir den Prozess nicht aufhalten, dass ganz normale Familien aus ihren Vierteln, in denen sie wohnen, verdrängt werden. Dann können es sich nur noch ganz wenige leisten, tatsächlich im Zentrum der Städte zu wohnen, dann erkennen wir unsere Städte bald nicht mehr wieder, und dann kriegen wir Verhältnisse wie anderswo auf der Welt, die wir nicht wollen. Ich finde es gut, dass wir uns in diesem Hause, als die Bilder aus Frankreich, von den französischen Banlieues durch die Medien gingen, einig waren, dass wir solche Bilder in deutschen Städten nie sehen wollen. Darüber gab es Konsens. Das Problem ist nur: Dieser Konsens ist wohnungspolitisch folgenlos geblieben. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!) Er ist folgenlos geblieben und musste folgenlos bleiben, weil Sie gleichzeitig zum Beispiel die Mittel für das Bund-Länder-Programm "Die soziale Stadt" endlos zusammengekürzt haben. Hier stimmt einfach vieles nicht. Sie haben damals gesagt, das sei deshalb notwendig, um die Betonpolitik der SPD endlich zu einem Ende kommen zu lassen. Das hat mir viel über das verraten, was Sie nie verstanden haben. Ich gebe Ihnen ja recht: Die Bereitstellung von Mitteln für den Bau - dann, wenn man in Beton und Steine investiert - kann man vielleicht mal ein oder zwei Jahre schieben, wenn der Haushalt knapp ist. Das ist wahr. Beim Bund-Länder-Programm "Die soziale Stadt" geht und ging es aber nie um Beton. Das sind soziale Netzwerke, die über zwei Jahrzehnte gewachsen und in den Quartieren mühsam aufgebaut worden sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Hier kann man nicht einfach das Geld wegnehmen und darauf vertrauen, dass die sozialen Netzwerke erhalten bleiben. Nein, das produziert Enttäuschungen. Wenn Sie dann, wie jetzt, nach zwei Jahren wieder Geld dafür zur Verfügung stellen wollen, dann merken Sie, dass es diese Netzwerke, auf die Sie zurückgreifen wollen, nicht mehr gibt. Deshalb war das so verhängnisvoll. Das muss hier einmal zur Sprache kommen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Notwendig ist etwas anderes, ist ein ganzes Bündel von Maßnahmen, und das haben wir in unserem Antrag vorgeschlagen. Das sind aus unserer Sicht zuallererst Änderungen im Mietrecht, um zum Beispiel Mietsteigerungen zu begrenzen - nicht nur in bestehenden Verträgen, sondern auch bei Wiedervermietung. (Zuruf des Abg. Sebastian Körber [FDP]) - Ja, Sie können das ja gleich hier vom Pult aus gern sagen. - Sie haben nämlich gerade das Gegenteil gemacht. Sie haben die Position der Mieterinnen und Mieter einseitig geschwächt. Das ist genau der falsche Weg, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Sebastian Körber [FDP]: Das ist doch Quatsch! Sie müssen es lesen!) Unser Antrag ist ein Vorschlag. Schauen Sie sich den an! Ein paar andere Dinge können wir ganz schnell und einfach miteinander regeln. Ich meine da zum Beispiel die Übernahme der Maklerkosten durch den Vermieter, wenn er ihn denn bestellt hat. Der Grundsatz "Wer bestellt, der bezahlt auch" ist in der Marktwirtschaft ja nichts Neues. (Zurufe von der SPD: Genau!) Das gilt überall sonst, außer bei Mieten und Wohnen. Aber warum nicht auch hier? Deshalb sage ich ganz einfach: Wer bestellt, der bezahlt. Wir haben eine entsprechende Initiative auf den Weg gebracht. Ich lade Sie ein, diese Initiative zu unterstützen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es geht jedoch nicht nur um Mietrecht, auch nicht nur um Maklerkosten. Wir brauchen in diesem Land wieder Wohnungsneubau, und zwar nicht nur Luxusapartments in einigen Innenstadtlagen, sondern gute und bezahlbare Wohnungen für ganz normale Leute. Damit das klappt, brauchen wir nicht irgendeine Förderung, wir brauchen eine sehr zielgerichtete Förderung und gerade keine Förderung nach dem Gießkannenprinzip. Denn wahr ist doch genauso - das erfahren Sie in -Ihren Wahlkreisen doch auch -: Im ländlichen Raum haben wir kein Unterangebot, keinen Mangel an Wohnraum, sondern da haben wir Wohnungsleerstand. Dort ist das Problem eher, dass viele Leute viel Geld - teilweise ihr ganzes Vermögen - in ihr Haus gesteckt haben und sie es möglicherweise dann, wenn sie älter werden, nicht einmal mehr verkaufen können. Deshalb: Förderung nach dem Gießkannenprinzip kann nicht funktionieren. Wir brauchen eine zielgerichtete Förderung. Das genau müsste das Anliegen des Bundesbauministers seit dreieinhalb Jahren sein. Aber da war nichts, und da ist nichts. Das ist heute zu beklagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kommt auch nichts mehr!) Wir brauchen - das ist meine feste Überzeugung - ein ganz breites Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. Da muss der Bund vorangehen, da müssen die Länder dazu, da müssen die Kommunen dazu, die Bauwirtschaft, Gewerkschaften, Sozialverbände. Wir brauchen da einen breiten Pakt. Wir haben mit unserem Antrag konkrete Vorschläge unterbreitet, was jetzt in dieser Situation zu tun ist. Die Menschen, finde ich, haben ein Recht darauf, dass wir von der Politik Wohnen in diesem Land wieder bezahlbar machen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das, Herr Ramsauer, an Ihre Adresse: Ihre Verantwortung für den BER haben Sie abgewälzt auf Berlin und auf Brandenburg. Ihre Verantwortung für Stuttgart 21 - wir beobachten das sehr genau - wälzen Sie im Augenblick auf die Deutsche Bahn ab. Hier, bei Wohnen und Mieten, steht niemand zur Verfügung, der die Verantwortung übernimmt. Hier, Herr Ramsauer, sind Sie in der Verantwortung, und bei dieser Verantwortung werden wir Sie packen. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort hat nun der Bundesminister Peter Ramsauer. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Steinmeier, wir hatten ja heute Morgen schon einmal das Vergnügen. Aber, wissen Sie, das ist eine Generaldebatte, die Sie jetzt begonnen haben. Da Sie schon von meiner Verantwortung für den Berliner Flughafen im Rahmen einer Generaldebatte sprechen: Natürlich tragen auch der Bund und ich Verantwortung für dieses Projekt am Berliner Flughafen in dem Ausmaß, in dem es dem Bund als Gesellschafter aufgegeben ist. Wenn Sie aber schon die Formulierung gebrauchen, ich hätte Verantwortung auf Berlin und Brandenburg abgewälzt, dann muss ich hinzufügen: Leider streiten die beiden seit einigen Tagen dermaßen, dass es mir als Vertreter des Bundes fürchterlich unangenehm ist; das muss man auch sagen. Das stimmt auch wieder, Herr Steinmeier. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Aber ich mache das still und leise im Hintergrund. Wir bringen das schon wieder in Ordnung, (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) und zwar aus Gründen der Gesamtverantwortung. Was Erinnerungen betrifft: Sie haben gesagt, Herr Steinmeier, ich sei 2006/2007 auch dabei gewesen. Ich war damals Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag als Vorvorgänger der Kollegin Gerda Hasselfeldt. In der Tat hat die Große Koalition damals zwei sehr wichtige Instrumente der Wohnungsbaupolitik abgeschafft, nämlich die Eigenheimzulage und die degressive AfA. Beide Instrumente standen auf der sogenannten Koch/Steinbrück-Liste. (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Gut, dass wenigstens Herr Steinbrück heute hier ist. Der andere, der neben dem Finanzminister Verantwortung trug - - (Zuruf des Abg. Florian Pronold [SPD]) - Nicht einmal Sie bringen mich dazu, irgendetwas Negatives über meinen hochverehrten Amtsvorgänger zu sagen. Da Sie aber damit angefangen haben, Herr Steinmeier, muss ich sagen: Der andere war ein SPD-Bauminister, der zusammen mit einem SPD-Finanzminister diese beiden wertvollen Instrumente abgeschafft hat, und zwar in federführender Position, nämlich als Minister. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn Sie nicht angefangen hätten, hätte ich es auch nicht getan; denn ich mag es nicht, hinterher an bestimmte Sachverhalte immer wieder zu erinnern. Wir müssen eine nach vorne gerichtete Baupolitik und Wohnungspolitik betreiben; denn hier geht es um ein Grundbedürfnis eines jeden Menschen. (Sören Bartol [SPD]: Das sagen wir Ihnen seit drei Jahren! Seit drei Jahren!) Deswegen ist es mein Wunsch, dass wir alle hier an einem Strang ziehen und nicht eine Bevölkerungsgruppe gegen die andere aufhetzen. Das hat keinen Sinn. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Inzwischen gibt es Gott sei Dank eine Trendwende. Dramatisierungen und Pauschalisierungen nutzen nicht. Die Entwicklung auf den Wohnungsmärkten ist ausgesprochen differenziert und ist regional sehr unterschiedlich, auch was die Ursachen angeht. Deshalb habe ich zu Beginn dieser Woche das Programm zur Bekämpfung regionaler Wohnungsknappheit in Deutschland vorgestellt, das vieles neu aufgreift, was besser nicht hätte abgeschafft werden sollen. Ich darf aber zunächst einmal feststellen: Deutschlands Wohnungsmarkt ist gekennzeichnet durch einen hohen Versorgungsgrad und hohe qualitative Standards. Von einem eklatanten, flächendeckenden Wohnungsmangel kann keine Rede sein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir alle können froh darüber sein, dass eine Trendwende eingetreten ist. Ich verwende hier gerne das Bild eines schweren Tankers, der seinen Kurs nur allmählich und langsam verändert. Aber diese Trendwende, diese Kursänderung ist intensiv und nachhaltig in Gang. Ich möchte nur einige Zahlen in Bezug auf Baugenehmigungen und Baufertigstellungen nennen. Im Jahr 2009 gab es 177 000 Baugenehmigungen. Diese Zahl ist kontinuierlich auf 245 000 im vergangenen Jahr angewachsen. Den Baugenehmigungen folgten natürlich mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren die Baufertigstellungen. Analog ziehen auch die Baufertigstellungen an. Im Jahr 2009 gab es 159 000. Bereits im letzten Jahr hatten wir rund 200 000 Baufertigstellungen zu verzeichnen. Analog zu den Baugenehmigungen wird die Zahl der Baufertigstellungen in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Unser Ziel ist es, auf jährlich etwa 250 000 neue Wohnungen zu kommen, sodass wir innerhalb der nächsten fünf Jahre das Defizit abbauen. Wir haben gute Aussichten, das auch zu schaffen, wenn wir es richtig anpacken. Wir tun bereits eine ganze Menge dafür. Man kann nicht oft genug daran erinnern, dass Bund, Länder und Gemeinden für das Wohnen, für die Kosten der Unterkunft und für das Wohngeld eine Summe von etwa 17 Milliarden Euro bereitstellen und dass wir infolge der Föderalismusreform seit 2007 den Ländern jährlich 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung in die Hand geben. Ich trete sehr dafür ein, dass wir diese Summe über das Jahr 2014 hinaus verstetigen. Dabei stimmen wir mit Ihnen überein; Sie verlangen das auch. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich füge hinzu, dass wir wollen - das wollen auch Sie, wie ich gelesen habe, Herr Steinmeier -, dass die Länder mit diesen 518 Millionen Euro - meinetwegen auf Dauer nicht nur nominal - nicht nur irgendetwas im Bereich von Investitionen machen können, sondern dass damit auch wirklich der Wohnungsneubau gefördert wird. Einige Länder machen das in vorbildlicher Weise. Dazu gehört der Freistaat Bayern. Dazu gehört Nordrhein-Westfalen. Dazu gehört Hamburg. Es gibt allerdings auch einige Länder - ich nenne jetzt keine -, die keinen einzigen Euro in den Neubau von sozial gefördertem Wohnraum stecken. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Minister, gestatten Sie zwei Zwischenfragen, einmal von den Grünen, einmal von der SPD? (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst wir!) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ja. Bitte sehr. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben recht. Wir wollen keine Schlammschlacht, sondern wir wollen an einem Strang ziehen. Insofern nehme ich das gerne auf, wenn Sie die Hand reichen. Nun zu meiner Frage. Wir werden demnächst im Plenum die Änderung des Baugesetzbuchs beraten. Das Satzungsrecht könnten wir durch Bundesgesetzgebung stärken, indem wir den Kommunen die Möglichkeit geben, in bestimmten Gebieten die Mieten zu deckeln; das ist die Milieuschutzsatzung. Das könnten wir um diesen Passus erweitern. Wie sehen Sie das? Werden Sie den Kommunen an dieser Stelle helfen? An dieser Stelle haben Sie die Möglichkeit dazu. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir sind in der Tat gerade dabei, das Baurecht zu novellieren. Ich bin sehr dafür, dass wir den Ländern und Gemeinden die Möglichkeit eröffnen, selbst tätig zu werden. Wie ich eingangs bereits gesagt habe, haben wir es mit regional sehr unterschiedlichen Entwicklungen zu tun. Es gibt auch Gegenden in Deutschland, in denen in den letzten Jahren die Mieten gesunken sind, in denen wir leer stehenden Wohnraum haben, lieber Volkmar Vogel, aber nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern auch hier und dort in den alten Bundesländern. Es ist natürlich schwierig, von Bundesseite aus mit einem politischen Breitbandantibiotikum regional und passgenau zu reagieren und zu steuern. Deswegen ist es richtig, den Ländern und den Kommunen Möglichkeiten zu eröffnen, passgenau, bezogen auf ihre Verhältnisse und Probleme, zu reagieren. Eines dieser Instrumente haben wir mit der vor wenigen Monaten beschlossenen Novellierung des Mietrechts geschaffen. Damit haben wir den Ländern die Möglichkeit eröffnet, die Kappungsgrenze von 20 Prozent auf 15 Prozent innerhalb von drei Jahren zu reduzieren. - Frau Kollegin, bleiben Sie bitte stehen; ich bin noch nicht fertig mit der Beantwortung. (Caren Marks [SPD]: Wie wäre es denn mit -einer Antwort?) Ich lade die Länder ein, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Den Ländern steht ein weiteres Instrument zur Verfügung. Das betrifft vor allen Dingen die Eigentumsbildung, aber auch Grundstückskäufe für den Mietwohnungsbau. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war nicht die Frage der Kollegin!) Man kann die Höhe der Grunderwerbsteuer auf 3,5 Prozent festsetzen, wie es beispielsweise der Freistaat Bayern getan hat. Man kann die Höhe der Grunderwerbsteuer aber auch auf 5,5 Prozent festsetzen, wie es beispielsweise das Saarland getan hat. Das sind 2 Prozentpunkte Unterschied. Auch hier haben es die Länder in der Hand, zu reagieren und das Ganze zu steuern; schließlich steht ihnen das Geld zu. Also ein klares Ja, liebe Frau Kollegin, zur Möglichkeit für Städte, Gemeinden und Länder, passgenau zu reagieren. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Bartol wollte auch noch eine Frage stellen. - Bitte. Sören Bartol (SPD): Lieber Herr Bundesminister Ramsauer, bevor Sie mit dem fortfahren, womit Sie begonnen hatten, nämlich mit der Märchenstunde zur Frage "Wie geht es weiter mit den 518 Millionen Euro für den sozialen Wohnungsbau, den sogenannten Entflechtungsmitteln?" und mit ihren Ausführungen zur Zweckbindung, möchte ich Sie noch einmal darauf hinweisen - vielleicht ist Ihnen das in der Kabinettssitzung einfach entgangen -, dass Sie selber ins Kabinett einen Gesetzentwurf - er liegt uns als Drucksache 17/12296 vor - eingebracht haben, der entgegen dem, was Sie auf der Pressekonferenz und auch hier angekündigt haben, nämlich dass Sie die Mittel für den -sozialen Wohnungsbau über das Jahr 2013/2014 hinaus geben wollen, eine Verlängerung um nur ein Jahr beinhaltet. Sie haben gerade eben zur Frage der Zweckbindung ausgeführt. Genau das Gegenteil steht in diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 6. Februar 2013. (Dr. Sascha Raabe [SPD]: Hört! Hört!) Dort steht nichts von Zweckbindung. Im Gegenteil: Die Zweckbindung für diesen Aufgabenbereich entfällt. Es bleibt nur die investive Zweckbindung. Jetzt möchte ich Sie fragen: Haben Sie in der Kabinettssitzung geschlafen? Ist Ihnen das entgangen? Oder wollen Sie das jetzt verändern? Wenn Sie das verändern wollen, dann sagen Sie uns bitte, wann Sie diesen Gesetzentwurf - Ihren eigenen Gesetzentwurf - verändern! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Lieber Herr Kollege, wenn wir solche Gesetze machen, dann machen wir sie nicht gegen die Länder, sondern mit den Ländern. Das ist mein Verständnis von Bundespolitik: nicht gegen, sondern mit den Ländern. Nun haben wir bei den Ländern eine gewisse Entwicklung der Mehrheitsverhältnisse. (Zurufe von der SPD: Oh! - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Bei bestimmten Ländern!) Wenn die konstruktive Haltung Oberhand behalten hätte, hätten wir hinsichtlich der seit etwa einem Jahr laufenden Verhandlungen über die Fortführung dieser Entflechtungsmittel - sie werden auch "Kompensationsmittel" genannt - schon längst eine weiterführende Einigung; die hätte ich mir gewünscht. Diese Mittel betreffen nämlich nicht nur den Bereich des sozialen Wohnungsbaus - hierbei geht um Mittel in Höhe von 518 Millionen Euro, wie Sie wissen -, sondern sie dienen auch der Hilfe für Länder beim Nahverkehr, beim Regionalverkehr. Darauf entfallen etwa 1,35 Milliarden Euro. Was wir jetzt getan haben, damit wir keine Zeit verlieren, ist, dass wir in einer Art Nothilfe für die Länder wenigstens für das Jahr 2014 Klarheit schaffen. Mit ebensolcher Klarheit sage ich: Wir wollen, dass diese Mittel nicht nur für allgemein investive Zwecke, sondern für den Wohnungsbau eingesetzt werden. Aber um so einem Nothilfegesetz, so nenne ich es jetzt einmal, alle Angriffsflächen zu nehmen - ich sage das insbesondere mit Blick auf die Seite der SPD-Länder -, haben wir diesen Gesetzentwurf so formuliert, damit wir Sicherheit und Gewissheit im Interesse aller 16 Bundesländer haben. (Sören Bartol [SPD]: Das ist doch plump -dahingesagt!) Wenigstens für das Jahr 2014 soll Klarheit geschaffen werden, und diese Klarheit brauchen wir auch im Hinblick auf den Haushalt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ausrede, aber keine Erklärung!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seifert von der Fraktion Die Linke? Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ja. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Bitte schön. (Zuruf von der SPD, an die LINKE gewandt: Verlängert doch nicht die Redezeit! - Gegenruf des Abg. Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Ihr habt es doch auch gemacht!) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich nehme solche Zwischenfragen deswegen sehr gerne entgegen. (Sören Bartol [SPD]: Genau! Damit Ihre Märchenstunde noch ein bisschen länger geht!) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Wollen wir erst einmal warten, ob Ihnen meine Frage gefällt, Herr Minister. Aber das ist ja nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist: Sie haben jetzt schon eine ganze Weile geredet. Wenn wir über Wohnungsbau reden, dann reden wir über Bauten, die mindestens 50 Jahre funktionieren sollen. Insofern meine Frage: Warum wollen Sie nicht verbindlich vorschreiben, dass Barrierefreiheit herzustellen ist, wenn neu gebaut wird? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir sollten verhindern, dass neue Barrieren errichtet werden, die dann mühselig und sehr, sehr teuer ausgemerzt werden müssen. Jedes Mal, wenn Sie reden, vergessen Sie diesen Begriff. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Sie das insgesamt nicht für wichtig erachten. Ich finde, das gehört mitten hinein in unsere Gesellschaft, nicht nur wegen der UN-Behindertenrechtskonvention. Das ist auch im Interesse der Menschen, die älter werden, im Interesse der Menschen, die nicht so gut zu Fuß sind, und auch im Interesse von Kindern, die zum Beispiel durch einen Aufzug viel leichter nach oben kommen als über lange, steile Treppen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Lieber Herr Kollege Seifert, Sie haben mir noch nicht zu Ende zugehört. Sie können es gar nicht erwarten. Danke, dass Sie mir die Gelegenheit geben, Ausführungen zum Thema "barrierefreies Bauen" zu machen. Es gab noch nie eine Zeit in unserem Land, in der das Bundesbaurecht, die Länderbauordnungen und die kommunalen Bausatzungen so intensiv behindertenfreundlich ausgestaltet waren wie heute. Das ist eine großartige Errungenschaft bei Bund, Ländern und Gemeinden; denn Barrierefreiheit im privaten und vor allen Dingen im öffentlichen Bau ist ein wesentlicher Bestandteil einer diskriminierungsfreien Gesellschaft. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich nenne ganz bewusst den öffentlichen Bau. Das bedeutet beispielsweise bei der Bahn auch den sukzessiven Umbau zu barrierefreien Bahnhöfen. Das alles gehört dazu. Vielleicht haben noch weitere Redner die Möglichkeit, diesen Aspekt aufzugreifen. Herr Präsident, ich fahre in meiner Rede fort. - Was haben wir uns vorgenommen? Vieles von dem, was wir bereits tun, ist angesprochen worden, zum Beispiel die Verlängerung der Bereitstellung von Kompensationsmitteln für die Länder - das ist eine Hilfe für die Länder - auch über das Jahr 2014 hinaus, über das hinaus, was wir jetzt für 2014 zunächst einmal gesetzlich regeln. Wir werden des Weiteren nicht nur im Bereich des energetisch günstigen Bauens, sondern auch im Bereich des kostengünstigen Bauens neue Instrumente bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau schaffen. Hierzu laufen die Verhandlungen. Ich greife jetzt noch einmal die Themen auf, die bereits eingangs meiner Rede zur Sprache kamen: Eigenheimzulage und degressive AfA. Wenn solche Instrumente abgeschafft werden, dann sieht man die Folgen nicht im ersten oder zweiten Jahr nach der Abschaffung, sondern das hinterlässt erst im Laufe der Jahre gravierende Spuren. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Problem ist nicht die Eigenheimzulage!) Wir haben seit sechs, sieben Jahren Erfahrungen ge-sammelt. Ich bin froh darüber, dass alle immobilienwirtschaftlichen und wohnungswirtschaftlichen Verbände meinen Vorschlag, den Vorschlag der Bundesregierung unterstützen, die Möglichkeiten, die sich im Bereich der degressiven Abschreibung und im Bereich der Eigenheimzulage bieten, neu zu bewerten. Das sind Instrumente, die in die nächste Legislaturperiode hineinreichen. Es braucht seine Zeit, bis solche Entwicklungen wieder korrigiert werden. Lassen Sie mich noch einmal etwas zur Eigenheimzulage sagen. Diese ist genauso wertvoll wie der Wohn-Riester und dient auch der Eigentumsbildung. Die Eigentumsbildung im Immobilienbereich ist für mich eine der wertvollsten Arten der Altersvorsorge. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Möglichkeit der degressiven Abschreibung wird auch den Mietwohnungsbau beleben. Die entsprechenden Investoren warten nur darauf. Meine sehr geehrten Damen und Herren, kurzfristig wirksam sind die Maßnahmen im Bereich des Wohn-geldes. Wir schlagen vor, sowohl im Hinblick auf die Leistungshöhe als auch auf die Miethöchstbeträge die Entwicklungen bei den Kosten und Bestandsmieten nachzuvollziehen. Der Freistaat Bayern wird in den nächsten Tagen im Bundesrat mit einem entsprechenden Antrag aktiv werden. Zusammengefasst: Wenn wir diese Instrumente wirksam einsetzen, dann sind wir gewiss, dass wir damit Wohnraum in einer mittleren Frist von vier bis fünf Jahren ausreichend verfügbar machen, dass wir Wohnraum auch bezahlbar machen. Wohnraum muss erwerbbar sein. Die Baugrundstücke müssen bezahlbar sein. Das Bauen als solches muss bezahlbar sein. Bezahlbar müssen auch die Mieten sein. Ich lade alle dazu ein, meinen Vorschlägen für besseres und ausreichendes Wohnen in Deutschland zu folgen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Heidrun Bluhm für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich zunächst dachte, dass ich hier heute Morgen den falschen Veranstaltungstermin erwischt habe, sehe ich jetzt aber doch, dass der Wahlkampf seine Schatten vorauswirft (Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Jetzt wird's sachlich! - Peter Götz [CDU/CSU]: Jetzt wird es richtig sachlich, ja!) und an dieser Stelle deutlich wird, dass wir von der Opposition tatsächlich fit und reif sind, in den Wahlkampf einzusteigen. Denn es sind vier Anträge zu verhandeln, aber von der Regierung ist da nichts. Offensichtlich will sie nichts falsch machen; deswegen tut sie nichts. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, auch mit dem von Ihnen vorgelegten zweiten Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Deutschland zeigen Sie, dass Sie ohne eigene Initiativen bleiben. Dieser Bericht liegt seit Oktober vor, und Sie haben es bis heute nicht geschafft, in irgendeiner Weise etwas aus diesem Bericht herauszuziehen, um etwas im Bereich Wohnungspolitik zu machen, obwohl der Bericht den Zustand des Marktes weit schlechter einschätzt als der Bericht davor. Das zeugt also nicht gerade von übergroßem Eifer oder gar von politischer Kreativität. Es wird also Zeit, dass endlich neu gewählt wird. (Beifall bei der LINKEN) Herr Minister, oder war etwa das, was Sie zum Beispiel auf Ihrer vorgestrigen Pressekonferenz dargestellt haben, das Konzept der Regierung? Eben haben Sie noch einmal versucht, das Sammelsurium der Dinge, die Sie wieder aufwärmen wollen, hier vorzutragen, aber -haben bei der Wohnungspolitik die Frage der Zukunfts-fähigkeit überhaupt nicht im Auge. Worauf soll aber dieser Bericht, den Sie vorgelegt haben, eine Antwort sein? Auf die drängenden Fragen von Millionen Mieterinnen und Mietern nach bezahlbarem Wohnraum ganz bestimmt nicht! Schon der erste Bericht enthielt eine Reihe von kritischen Analysen und Empfehlungen dazu, wie die Politik auf die sich abzeichnenden Anforderungen durch den demografischen Wandel, die Klimaveränderungen und die regionalstrukturellen Veränderungen in Deutschland reagieren sollte. Aber es stand leider ganz am Anfang des Berichtes auch der Satz: "Die Wohnungsversorgung in Deutschland ist gut." Das war anscheinend der einzige Satz, den einige Fachpolitiker der CDU/CSU und der FDP zur Kenntnis genommen und vor allem auch auswendig gelernt hatten. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Nun aber steht dieser Satz im neuen Bericht von 2012 nicht mehr, und das hat einen Grund: Die Wohnungsversorgung in Deutschland ist nicht gut. Sie war es auch schon zum Zeitpunkt der Erstellung des ersten Berichtes nicht. Die Tendenzen der Verknappung und Verteuerung von Wohnraum in Ballungsgebieten, der Mangel an altersgerechten, barrierefreien und barrierearmen Wohnungen sowie an energetisch saniertem Wohnraum waren auch schon damals deutlich spürbar und als drängende Aufgabenstellung und als große Herausforderung für alle Akteure in der Politik und der Wohnungswirtschaft nicht mehr vom Tisch zu wischen. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung hat das bestenfalls achselzuckend zur Kenntnis genommen. Offenbar wird auch der jetzt vorliegende Bericht zur Immobilienwirtschaft das gleiche Schicksal erleiden und folgenlos in den Regierungsschubladen verschwinden. Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass die Regierung irgendwelche logischen Schlussfolgerungen aus ihren eigenen Berichten gezogen oder Maßnahmen ergriffen hätte, die den negativen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt entgegenwirken. Denn seit Oktober 2012 ist nichts, aber auch gar nichts passiert. Herr Steinmeier, ich kann an Ihr Zitat anschließen. Sie sagten: "Aber da war nichts, und da ist nichts." Ich sage: Da kommt auch nichts. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Was die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode auf dem Gebiet der Wohnungspolitik zuwege gebracht hat, ist das unsägliche Mietrechtsänderungsgesetz, das nach fast vierjährigen Geburtswehen doch noch rechtzeitig vor dem Verfallsdatum dieser Regierung pflichtschuldig an die Besteller ausgeliefert wurde. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Und im Bundesrat durchgewinkt wurde!) Dieses Gesetz - da stimme ich mit dem Antrag der SPD "Bezahlbare Mieten in Deutschland" überein - muss wieder vom Tisch. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das kann man nicht kosmetisch aufhübschen oder mit Korrekturen entschärfen: Das ganze Gesetz ist ebenso unnötig wie schlecht gemacht, und es muss wieder verschwinden. Aber, meine Damen und Herren von der SPD, Sie hätten vielleicht ein bisschen mehr Courage zeigen und diese Gesetzesinitiative im Bundesrat wenigstens an den Vermittlungsausschuss überweisen sollen. (Beifall bei der LINKEN) Die Miet- und Wohnkosten laufen der Einkommensentwicklung davon, und trotzdem wollen Sie von der SPD, dass die Bestandsmieten 3,75 Prozent im Jahr oder bei Wiedervermietung sogar um 10 Prozent steigen können. Das ist - anders als angekündigt - keine Mietpreisbremse, liebe SPD; das treibt die Schere zwischen Einkommen und Mieten weiter auseinander. Die möglichen Mietsteigerungen, wie Sie sie vorschlagen, liegen deutlich über der Inflationsrate und erst recht weit über der Entwicklung der Realeinkommen. Ihre Vorschläge entlasten also die Mieterhaushalte nicht, sondern sie legitimieren die Mieterhöhung ohne jede Gegenleistung. Die Wohnungen sind in vier Jahren nicht um 15 Prozent größer geworden, und sie werden allein durch Neuvermietung auch nicht um 10 Prozent besser. Wodurch sollten also diese Mieterhöhungen gerechtfertigt sein? (Beifall bei der LINKEN) Die Menschen in Deutschland, jedenfalls die, die Monat für Monat sehen müssen, wie sie finanziell über die Runden kommen - das betrifft nun einmal die allermeisten -, treibt die Sorge um, ob sie sich demnächst ihre Wohnung noch leisten können. Wohnen in Deutschland wird seit einigen Jahren immer teurer, und diese Tendenz hält weiter an. Die Ursachen sind vielfältig und regional differenziert. Steigende Bau- und Grundstückspreise spielen dabei ebenso eine Rolle wie Grund- und Grunderwerbsteuern; aber auch die unabwendbaren Erfordernisse der Barrierefreiheit oder des Klimaschutzes in Wohngebäuden führen zwangsläufig zu Kostensteigerungen. Im Kern aber liegt die Haupttriebkraft für den Anstieg der Wohnungsmieten im Auseinanderdriften von Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt; einerseits quantitativ, weil in Deutschland insgesamt in den letzten Jahren viel zu wenige Wohnungen gebaut worden sind, und andererseits auch qualitativ, weil das, was gebaut wurde, weder der finanziellen Leistungskraft der Haushalte noch den grundlegend veränderten Wohnbedürfnissen der Mieterinnen und Mieter entsprach. Herr Ramsauer, diese 250 000 Wohnungen, die Sie meinen, enthalten nicht den Begriff "sozial", den nennen Sie jedenfalls nicht. Ich fürchte, dass auch das wieder Luxuswohnungen werden sollen. Zusätzlich werden die Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt in den letzten Jahren zunehmend durch das massive Auftreten nationaler und internationaler Finanzspekulanten verschärft, die Wohnungen lediglich als renditeträchtige Anlageobjekte erwerben und verwerten wollen. Dazu sollten Sie alle einmal den vorgelegten Bericht der Enquete-Kommission aus NRW studieren. Herr Steinmeier, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, es sei keine Kehrtwende notwendig. Hier wird beschrieben, dass es tatsächlich jetzt endlich eine Kehrtwende geben muss. Vielleicht sollten Sie diesen Bericht, der erst zwei Tage alt ist, für sich erschließen. Der massenhafte Aufkauf von großen, ehemals öffentlichen oder betrieblichen Wohnungsbeständen durch Finanzinvestoren wächst sich zu einer Bedrohung für die gesamte Wohnungswirtschaft und natürlich zuerst für die betroffenen Mieterinnen und Mieter aus - und das nicht nur in NRW, sondern vor allem insgesamt in Deutschland. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Mücke von der FDP? Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Gern, ja. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt keinen Elefanten daraus machen!) Jan Mücke (FDP): Frau Kollegin Bluhm, Sie haben gerade die große Privatisierungswelle von öffentlichen Wohnungsunternehmen angesprochen. Stimmen Sie mir zu, dass Ihre Partei ganz wesentlich mit dazu beigetragen hat? Beispielsweise ist in Berlin in Ihrer Regierungszeit, als Sie gemeinsam mit der SPD diese Stadt regiert haben, die GSW veräußert worden, die größte kommunale Wohnungsbaugesellschaft, die diese Stadt hatte. Stimmen Sie mir zu, dass die Linkspartei in meiner Heimatstadt Dresden zumindest zur Hälfte bei der Privatisierung der WOBA zugestimmt hat? Sind Sie mit mir einer Meinung, dass niemand mehr Wohnungen in Deutschland privatisiert hat als Linke, SPD und Grüne zusammen? Ich will Sie daran erinnern, dass Herr Steinmeier, der hier vorhin (Thomas Oppermann [SPD]: Eine überzeugende Rede gehalten hat!) versucht hat, eine große Rede zu halten, als Chef des Kanzleramts mit dafür verantwortlich gewesen ist, dass in Deutschland 200 000 Eisenbahnerwohnungen - Wohnungen des Bundes - privatisiert worden sind. Stimmen Sie mit mir überein, dass Herr Kollege Steinbrück als Finanzminister mit dafür verantwortlich gewesen ist, dass 86 000 Wohnungen der BfA privatisiert worden sind? Stimmen Sie mit mir überein, dass die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg gerade eben 22 000 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg privatisiert hat? Es ist doch doppelbödig, wenn Sie hier sagen, die Privatisierungen von öffentlichem Wohnraum hätten zu Mietpreissteigerungen geführt. Niemand hat mehr Wohnungen in Deutschland privatisiert als Sie alle drei zusammen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Herr Mücke, auf Ihre lange Frage eine ganz kurze Antwort: Ja, die Analyse, die Sie vorgetragen haben, ist richtig. Aber die Linke hat aus diesen Fehlern gelernt. Vielleicht sollten Sie unsere Fehler nicht auch noch übernehmen. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Allein, dass die Bundesregierung, obwohl der eingangs zitierte Immobilienbericht davor warnt, dieser Entwicklung tatenlos zusieht, ist sträflich und mehr als vorsätzlich. Dass sie sich aber selbst an derlei Geschäften beteiligt und dabei kreative Geschäftsmodelle zur Vermeidung von Steuereinnahmen anwendet, ist ein Skandal erster Güte. Wenn es stimmt, worüber Monitor in der vergangenen Woche berichtet hat, dann hat das Bundesfinanzministerium durch einen Share Deal beim Verkauf der TLG Wohnen GmbH zugunsten des Erwerbers auf Steuereinnahmen in Höhe von 50 Millionen Euro verzichtet. (Zuruf von der LINKEN: Hört! Hört!) Obendrein geht das zulasten der ostdeutschen Bundesländer, denen die Grunderwerbsteuer zugestanden hätte. Wie man sieht, hat die Bundesregierung nicht nur kein Konzept zur Eindämmung der Explosion der Mietpreise, sie befördert diese Entwicklung selbst: entweder durch Nichtstun oder durch falsches Tun. Deshalb bringt die Linke heute einen Antrag ein, mit dem wir einerseits auf die aktuelle Entwicklung auf dem deutschen Wohnungsmarkt reagieren, andererseits Vorschläge zur alternativen Entwicklung in der Wohnungswirtschaft vorlegen wollen. (Beifall bei der LINKEN) Wir wollen den akuten Auswüchsen bei der Entwicklung der Miet- und Wohnkosten durch ordnungspolitische Maßnahmen schnell und wirksam begegnen. Wir wollen eine Perspektive entwickeln, mit der die Wohnungswirtschaft auf ihre eigentliche Funktion und gesellschaftliche Aufgabe zurückgeführt wird, nämlich die bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbaren, barrierearmen bzw. barrierefreien und klima-gerecht sanierten Wohnungen. Selbst das Verbändebündnis Wohnungsbau, das heute tagt, fordert, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Zunächst geht es uns darum, dass auch bei der Vermietung von Wohnraum, wie sonst überall in der Wirtschaft, das Prinzip von Leistung und Gegenleistung gelten muss. Allein der Besitz einer Wohnung ist keine Leistung, die eine regelmäßige Erhöhung von Bestandsmieten rechtfertigt. (Beifall bei der LINKEN) Auch die Neu- oder Weitervermietung stellt keine Steigerung des Gebrauchswertes der Wohnung dar. (Sebastian Körber [FDP]: Das sind ja -Vorstellungen!) Warum sollte also allein der Akt einer Neu- oder Weitervermietung eine Mietsteigerung von 10 oder 20 Prozent oder gar mehr erwirtschaften? (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Richtig!) Wir wollen, dass nicht der Mangel an Wohnungen den Preis bestimmt, sondern der Gebrauchswert der Wohnung. Was die Linke fordert, ist also kein sozialistisches Teufelszeug, sondern konsequent marktwirtschaftlich. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es gibt keinen Bereich, wo es weniger Marktwirtschaft gibt als im Wohnungsbereich!) Wir schlagen deshalb entsprechende Veränderungen im BGB vor. Ebenso verhält es sich mit dem Kompromissvorschlag zur Begrenzung der Modernisierungsumlage. Ich habe bisher weder von der Regierungskoalition noch von SPD und Grünen eine betriebswirtschaftliche Begründung für die Forderung nach einer 9- bzw. 11-prozentigen Modernisierungsumlage gehört. Bei 11 Prozent haben die Mieterinnen und Mieter dem Vermieter nach neun Jahren die Investitionskosten bezahlt, bei 9 Prozent nach elf Jahren. Der Vermieter denkt aber nicht im Traum daran, die Mietsteigerung wieder zurückzunehmen, wenn die Modernisierungskosten vollständig zurückgeflossen sind. (Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Bei einem Drittel gibt es gar keine Mietsteigerungen!) Konsequenterweise müssten wir in Zukunft dafür sorgen, dass nur dann die Umlage der Modernisierungskosten erfolgen darf, wenn die Modernisierung der Wohnung mit einer entsprechenden Gebrauchswertsteigerung für die Mieterinnen und Mieter verbunden ist, mindestens mit einer nennenswerten Einsparung bei den Nebenkosten. Das ist im Übrigen auch die Position des Deutschen Mieterbundes; das will ich nebenbei erwähnen. Der Markt kann also nicht alles alleine leisten. Selbst der Chef des GdW sagt: Gerade dieser ist momentan -eklatant überfordert. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Okay. Noch eine letzte Bemerkung zum sozialen Wohnungsbau. Es wird so getan, als ob die Regierung in Bezug auf die bis zu 250 000 fehlenden Wohnungen den sozialen Wohnungsbau im Blick hat. Das ist nicht so. Hier geht es um normale bzw. Luxuswohnungen. Wir brauchen mindestens 150 000 Wohnungen im Jahr, die explizit den Stempel des sozialen Wohnungsbaus tragen. Aber selbst das wird nicht ausreichen, um die Ziele, die Sie sich selbst gesteckt haben, zu erreichen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Der letzte Satz. Mit der Flickschusterei, die eigentlich schon Politikverweigerung ist, wird weder der Wohnungsmangel in Ballungsräumen überwunden, noch werden die Mieten gebremst. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN - Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Den hätten Sie auch noch weglassen können!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat Patrick Döring für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Patrick Döring (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist immer spannend, wenn die geschätzte Kollegin Bluhm das Wort ergreift; denn niemand kennt sich so gut mit der sozialistischen Wohnraumpolitik wie auch mit der marktwirtschaftlichen Wohnraumpolitik aus. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat so einen Bart!) Sie selbst, liebe Kollegin, haben von den anwesenden Kollegen wahrscheinlich den größten Immobilienbestand in Ihrer Heimatstadt. Ich gehe davon aus, dass Sie sich genau so verhalten, wie Sie hier vorgetragen haben, und Ihren Mietern in den nächsten Jahren keine Miet-erhöhung zumuten. Wenn Sie auf diese Weise Ihr Geschäft führen, wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In diesen Tagen spielt das Thema Klartext eine große Rolle. Deswegen hätte ich mir schon gewünscht, dass der Kollege Steinmeier auf die Verwirrungen eingeht, die entstanden sind. Da er das nicht getan hat, will ich das zumindest für die schwarz-gelbe Koalition machen. Wir wollen und wir werden keine Mehrwertsteuer auf Mieten erheben. Bei uns denkt über so etwas niemand nach, anders als bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sören Bartol [SPD]: Das ist so billig!) Wenn man die Reden von Frau Bluhm und Herrn Steinmeier hört, dann stellt man fest, dass sie übersehen, dass der Markt, über den wir sprechen, vor allen Dingen dann funktioniert, wenn er möglichst wenig verunsichert wird. (Zuruf von der FDP: Sehr richtig!) Sie tragen in den letzten Tagen und Wochen dazu bei, genau das zu tun. Eine Debatte über die Mehrwertsteuerpflicht bei Mieten ist das jüngste Beispiel. Davor haben Sie begonnen, die Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer mit dem Thema "Vermögensteuer, Vermögensabgabe" zu verwirren. Denn eines ist auch klar: Wenn Sie auf das Immobi-lienvermögen der Deutschen 1,5 Prozent Vermögensteuer unabhängig vom Ertrag erheben, dann werden diese 1,5 Prozent nicht die Hauseigentümer bezahlen, sondern die Mieterinnen und Mieter. Es ist das größte Mieterhöhungsprogramm, das dieses Haus je gesehen hat, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich bin auch irritiert, wie leichtfüßig Sie hier über die angeblichen Versäumnisse dieser Koalition sprechen. Wir haben das Mietrecht modernisiert. (Lachen des Abg. Florian Pronold [SPD]) Wir haben in diesem Haus mit großer Mehrheit festgehalten, dass die energetische Sanierung von Wohnraum sowohl den Mieterinnen und Mietern als auch -unseren Klimaschutzzielen als auch der Qualität des Wohnungsbestandes in Deutschland dienlich ist. (Sören Bartol [SPD]: Sie haben die soziale -Balance zerstört, nichts anderes!) Dass das alle so sehen wie wir, erkennen wir daran, dass alle sozialdemokratisch regierten Bundesländer, lieber Kollege Bartol, im Bundesrat unserem Gesetz zugestimmt haben. Bauen Sie hier doch nicht einen solchen Popanz auf! (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dann kommen Sie mit dem wunderbaren Thema Mietpreisdeckelung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Wohnungsmärkte in Deutschland sind differenziert. Es gibt Städte, in denen die Mieten steigen, es gibt sehr viele Gegenden in Deutschland, in denen die Mieten stagnieren. Wenn wir aber wollen, dass hochwertiger Wohnraum in den Ballungsräumen, in denen Wohnungsnot herrscht, erhalten bleibt und entsteht, werden wir das ganz sicher nicht erreichen, indem wir den Investoren sagen: Geld verdienen dürft ihr mit diesen Wohnungen aber nicht mehr. - Sie erreichen eine Verschärfung der Wohnungsnot mit Ihren steuerpolitischen Programmen statt eine Erleichterung, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zurufe von der SPD) In keinem Bundesland ist die Grunderwerbsteuer so hoch wie in denen, die von Sozialdemokraten regiert werden. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hessen 5 Prozent!) Auch diese zahlen am Ende nicht die Vermieter, sondern immer die Mieterinnen und Mieter. Sie verteuern Wohnungseigentum und Wohnungsentwicklung in diesem Land, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zuruf von der FDP: Genau so ist das!) 14,5 Millionen vermietete Wohnungen gehören Vermietern, die weniger als drei Wohnungen in ihrem Bestand haben. Sie gehören den Mittelständlern und Handwerksmeistern, die ihre Altersversorgung ein Stück weit über die Vermietung von einer, zwei oder drei Wohnungen organisieren. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie den Eindruck haben, nur noch die ganz Großen in dieser Republik könnten die Wohnungsnot bekämpfen, nur noch die großen kommunalen Wohnungsbauunternehmen oder gar der Bund, dann liegen Sie falsch. Die Abschaffung der degressiven AfA in Zeiten der Großen Koalition hat das Investitionsvolumen verringert und hat die Bereitschaft von vermögenden Privatpersonen, in diesem Bereich zu investieren, leider vermindert. (Sören Bartol [SPD]: So ein Quatsch! Das ist die Gießkanne!) Deshalb haben wir Schwierigkeiten, den Bedarf zu decken, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Apropos Hotelmehrwertsteuersatz! Denken Sie mal über die Funktion von degressiver AfA nach!) Ganz interessant ist, dass Sie in Ihrem Konzept auch die Zweckbindung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung einfordern. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja!) Da haben Sie vorhin versucht, dem Bundesminister Ramsauer den Vorwurf zu machen, er habe in den vom Bundeskabinett verabschiedeten Gesetzentwurf diese Zweckbindung nicht hineingeschrieben. Nun erlaube ich mir den Hinweis: Wenn man unser Grundgesetz ein bisschen kennt, weiß man, dass das alles schon in Art. 143 c des Grundgesetzes steht. Die sozialdemokratisch regierten Länder verstoßen gegen diese Regelung jeden Tag in Deutschland, gegen unser Grundgesetz. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sören Bartol [SPD]: Ihr habt einen schlechten Gesetzentwurf gemacht!) Soziale Wohnraumförderung ist nicht "Unser Dorf soll schöner werden", soziale Wohnraumförderung ist nicht die Tilgung von Altschulden, wie sie hier in Berlin erfolgt, und soziale Wohnraumförderung ist übrigens auch nicht die Übernahme von Personalkosten, die vorher woanders gestanden haben, wie das überall in den von Ihnen regierten Bundesländern passiert. Ihre Ministerpräsidenten verstoßen gegen Art. 143 c GG. Deshalb brauchen wir kein neues Gesetz, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist leider die Wahrheit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Nun werden immer wieder wortreich die Stadtentwicklungsprogramme angesprochen. Da wird der Eindruck erweckt, als ob durch die Stadtentwicklungs-programmpolitik dieser Koalition die Wohnungsnot in Deutschland verschärft worden wäre. Auch diesbezüglich rate ich zum Abrüsten. Das Wohnungsbauprogramm "Die soziale Stadt" und viele andere haben ihre Berechtigung und werden von uns ja auch weiter finanziert. (Sören Bartol [SPD]: Ha! Du bist doch der -Totengräber der sozialen Stadt!) Aber anders als Sie, die Sie seit dem Ende der 90er-Jahre immer nur die gleichen Programme fortführen wollen, haben wir eine Fortentwicklung unserer Stadtentwicklungsprogramme vorgenommen. Für uns spielt die energetische Sanierung, die Sie im Bundesrat leider blockiert haben, nämlich eine große Rolle. Deshalb haben wir sie zum Schwerpunkt unserer Stadtentwicklungsprogrammpolitik gemacht, ganz zu Recht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bartol? Patrick Döring (FDP): Er erhält gleich ja noch das Wort. Deshalb werde ich die letzten 30 Sekunden meiner Redezeit quasi zum Abbinden verwenden. Ich weiß ja auch, was kommt. Lieber Kollege Bartol - das gilt auch für alle anderen Kollegen -, Sie können mir nicht vorwerfen, wir hätten einen Kahlschlag bei unseren Stadtentwicklungsprogrammen vorgenommen. (Thomas Oppermann [SPD]: Doch! - Sören Bartol [SPD]: Nimm die Zwischenfrage an!) Wir haben moderat umgesteuert und eines deutlich gemacht: Klimaschutz ist ein extrem wichtiges Thema. Sie waren nicht bereit, im Bundesrat die steuerliche Absetzbarkeit von Klimaschutzinvestitionen zu ermöglichen. (Sören Bartol [SPD]: Lass die Zwischenfrage zu!) Sie sind die Blockierer in diesem Bereich, nicht wir. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Daniela Wagner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen, Herr Minister! Es ist ausgesprochen erfreulich, dass die Debatte über die Bezahlbarkeit des Wohnens in Deutschland immer mehr an Fahrt gewinnt, und zwar so sehr, dass durch die zügige Fahrt sogar unser Wohnungsminister aufgewacht ist. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Wir warnen seit mindestens drei Jahren vor den drohenden Problemen auf unseren Wohnungsmärkten. Ihre eigenen Berichte bestätigen nun schriftlich das, was jeder sieht, der mit offenen Augen durch unsere Städte geht. Ihr Wohnungs- und Immobilienwirtschaftsbericht sagt: Seit 2006 nimmt sogar die Zahl der Landkreise mit steigenden Mieten zu, also keineswegs nur die Zahl der Städte. Aktuell zeichnen sich in einer zunehmenden Zahl von Städten und Regionen lange Zeit nicht mehr bekannte Wohnungsmarktengpässe ab. So steht es in Ihrem Bericht. Die höchsten Mietpreissteigerungen im Jahr 2011 waren zu verzeichnen in Berlin - plus 7,5 Prozent -, in Bremen - plus 8,8 Prozent -, in Hamburg - plus 7,5 Prozent -, in Freiburg - plus 8,4 Prozent - und in Greifswald, wo die Mietpreissteigerung sogar 10,4 Prozent betrug. Also auch kleinere Städte weisen eine deutliche Mietpreissteigerung auf. Das gilt nicht nur für die klassischen Boomregionen. Aber nicht nur die Mieten steigen, liebe Kolleginnen und Kollegen und Herr Minister, auch die Kosten für Heizung und Warmwasser nehmen zu. Herr Minister, Sie lieben es ja, immer nur über den Strom zu reden. Das haben Sie mit vielen Medien gemeinsam. Aber hören Sie sich diese Zahlen einmal an: Ungefähr 12 Millionen Haushalte in Deutschland heizen mit Heizöl. In den letzten zehn Jahren stiegen die Preise für Heizöl um 153 Prozent. Nach einer Studie, die wir in Auftrag gegeben haben, werden sich die Kosten bei einer durchschnittlich gedämmten Wohnung von 945 Euro im Jahr 2012 auf 1 932 Euro am Ende des kommenden Jahrzehnts erhöhen. Das entspricht pro Monat einer Steigerung von 79 Euro auf 161 Euro. Das stellt die Steigerung bei den Strompreisen, von denen alle immer reden, bei weitem in den Schatten. Herr Minister, wir warnen seit Jahren vor den drohenden Konflikten. Wir haben Ihnen schon vor zwei Jahren ein gutes Konzept vorgelegt, ein Gesamtkonzept zur Sicherung der Bezahlbarkeit von energetisch und qualitativ hochwertigem Wohnraum. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Und wo geistern Sie herum? Sie kürzen den Heizkostenzuschuss beim Wohngeld, kürzen die Mittel für das KfW-Programm für die energetische Gebäudesanierung, um sie dann wieder leicht anzuheben, stellen die Finanzierung auf wackelige Beine - das war atemberaubend - und verkaufen das dann auch noch als Erfolg. Sie kürzen bei den Städtebauförderprogrammen und zerstören sie inhaltlich mutwillig. Ich sage nur: "Kopftuchmädchen" und Bibliotheken - das brauchen wir alles nicht. Das sind Ihre Worte, Herr Döring von der FDP. Sie haben dieses Programm materiell zerstört. Sie legen in dieser Engpasssituation, in der Mieter sowieso die schwächere Partei sind, dreist eine Mietrechtsnovelle vor, mit der unter dem Vorwand der Energiewende Mieterrechte ungerechtfertigt und völlig unnötig eingeschränkt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Jetzt, im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl und der Bundestagswahl, kommt Herr Ramsauer - er hat jetzt nach drei Jahren im Kabinett ausgeschlafen - und will das Wohngeld an die Mietpreise anpassen. Sogar die Eigenheimzulage will er wieder einführen. Dabei vergisst er vollkommen, dass sie in der Form, in der sie damals abgeschafft wurde, überhaupt nicht mehr zeitgemäß ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Sören Bartol [SPD]: Gießkanne!) Wir brauchen keine Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese. Wir brauchen eine Innenentwicklung in den -Städten. So muss Wohnraum geschaffen werden. Das, was Sie machen wollen, entspricht im Grunde genommen dem Gießkannenprinzip, das Sie jetzt, ganz wenige Monate vor den Wahlen, plötzlich wieder gut finden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die soziale Wohnraumförderung soll weiter durch den Bund finanziert werden. Dabei vergessen Sie - das ist hier heute schon vorgetragen worden -, dass die Zweckbindung selbstverständlich bestehen bleiben muss, dass deren Einhaltung auch kontrolliert und dass die Fördermittel gegebenenfalls zurückgezahlt werden müssen. Herr Minister, weswegen haben Sie eigentlich Ihre gesamte Amtszeit verschlafen? Was können denn Ihre potenziellen Wählerinnen und Wähler von Ihnen erwarten? (Thomas Oppermann [SPD]: Nichts!) Die haben in den letzten drei Jahren doch gelernt, dass nichts, aber auch rein gar nichts von all dem Angekündigten durchgesetzt und umgesetzt wird und dass das, was gemacht wird, auch noch in die völlig falsche Richtung läuft. Sie, Herr Minister, haben leider Gottes Ihren Job komplett verpennt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine Damen und Herren, Sie können weder uns, die Opposition, noch die Wählerinnen und Wähler für völlig blöde verkaufen. So einfach lassen wir Ihnen das nicht durchgehen, auch nicht Ihr ewiges Gerede von der steuerlichen Entlastung. Die wäre selbstverständlich richtig gewesen. Hätten Sie doch den Ländern ein passables Angebot gemacht! Dann hätten wir heute die steuerliche Entlastung bei der energetischen Gebäudesanierung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Scheinheilig!) Wir haben schon vor zwei Jahren ein umfassendes Konzept vorgelegt. Wir waren also frühzeitig dran. Wir sind froh, dass die SPD heute hier mit einem Antrag -erscheint, dessen Inhalt mit unseren Vorstellungen weitgehend übereinstimmt. Am meisten freut mich persönlich, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen in der SPD, sogar das Bestellerprinzip bei den Maklerkosten von uns übernommen haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das haben Sie noch vor zwei Jahren zu meinem großen Unverständnis abgelehnt. Diese Initiative - das möchte ich an dieser Stelle schon sagen; ein bisschen Redlichkeit muss auch so kurz vor den Wahlen sein - wurde von uns auf den Weg gebracht und von sonst gar niemandem. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ansonsten fordern Sie eine generelle Begrenzung von Mieterhöhungen bei der Wiedervermietung auf 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete, was auch der Mieterbund fordert. Wir halten das für einen interessanten Vorschlag. (Sebastian Körber [FDP]: Ein Investitions-verhinderungsvorschlag!) Wir haben allerdings - das habe ich schon im Ausschuss gesagt - noch ein bisschen mit der Verfassungsmäßigkeit zu kämpfen; wir sind uns nicht sicher, ob das wirklich geht. Wenn das tatsächlich geht, ohne dass es verfassungsrechtlich problematisch ist, dann sind wir für eine generelle Begrenzung offen. Wir hatten stattdessen -vorgeschlagen, die Länder zu ermächtigen, Mietpreis-begrenzungen dort auf zehn Jahre befristet einzuführen, wo tatsächlich ein extremer Wohnraummangel herrscht. Aber darüber lässt sich sicherlich in späteren Koalitionsgesprächen reden. Das Gleiche gilt für die Modernisierungsumlage. Die wollen Sie - wie wir - von 11 auf 9 Prozent absenken, und Sie wollen prüfen, ob man sie beschränken kann. Ich finde den Beschränkungsvorschlag gar nicht schlecht, warne allerdings vor einer Illusion: Bei einem Markt mit hoher Mieterfluktuation, also häufigen Mieterwechseln, haben nicht diejenigen Mieter, denen Sie diesen Vorteil einräumen, am Ende den Benefit von dieser neuen Regelung, sondern ganz andere Mietparteien. Unter Umständen muss man auch hier in Sachen Realitätstauglichkeit noch einmal gegen den Strich bürsten, meine Damen und Herren. Denn wir reden immerhin von Refinanzierungszeiträumen von rund zehn Jahren. Das muss auf verfassungsfeste Füße gestellt werden. Wir wollen, dass die Mieterinnen und Mieter grundsätzlich nur das dulden und bezahlen müssen, wovon sie einen tatsächlichen Nutzen haben. Wir wollen energetische Sanierungen sowie altersgerechten und barrierefreien Umbau. Darauf wollen wir die Modernisierungsumlage beschränken. Sie soll nicht mehr irgendwelchen Käse und Schnickschnack umfassen, den irgendwer vielleicht gerade gut findet. Wir wollen die Modernisierungsumlage auf die Dinge beschränken, die für qualitätsvolles, sozial ausgewogenes Wohnen, aber auch für ökologische Angemessenheit - Stichwort "energetisch guter Zustand" - notwendig sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]) Wir haben mit unseren Vorschlägen gezeigt, dass Klima- und Mieterschutz zusammen gedacht werden können und müssen. Deswegen ist unser Konzept für eine sozial gerechte Umsetzung der Energiewende - lassen Sie mich das zum Schluss noch sagen - ganz entscheidend für ihren Erfolg. Denn hier werden 40 Prozent der Endenergie verbraucht. Wir wollen zielgruppengerechte Förderinstrumente für Eigentümer und Vermieter sowie mietrechtliche und baurechtliche Änderungen, damit die energetischen Sanierungen nicht zu Verdrängungen führen. Ich denke hier an Milieuschutzsatzungen. Kollegin Herlitzius hatte vorhin nachgefragt und wiederum keine Antwort bekommen; so ist es meistens bei Ihrem Minister. (Patrick Döring [FDP]: Noch mehr Bevormundung! Damit bevormunden Sie die Leute nur weiter!) Wir wollen, dass es möglich ist, die Mieten in bestimmten Quartieren, in denen die Mieten davongaloppieren, wieder zu begrenzen, damit energetische Gebäudesanierung nicht zu Gentrifizierung führt und eine soziale und gute Mischung in den Wohnquartieren erhalten bleibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen die Klimakomponenten beim Wohngeld sowie bei den Kosten der Unterkunft wieder einführen. Das alles dient einem Zweck: einem vernünftigen Wohnungsmarkt, der die Rechte und Pflichten fair verteilt und der auch in finanzieller Hinsicht fair mit Mietern und Vermietern umgeht. Das ist unser Ziel. Ich denke, nach dem 22. September werden wir die Chance haben, unsere wohnungspolitischen Vorstellungen hier gemeinsam umzusetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Peter Götz für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Peter Götz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass wir heute über die Lage am Wohnungsmarkt debattieren. Das Thema ist zu Recht auf der politischen Agenda. In Deutschland lebt und wohnt man eigentlich gerne, und Wohnen - der Minister hat es vorhin gesagt - gehört zu den Grundbedürfnissen der Menschen. Dieses Thema ist für Polemik nicht geeignet. Es muss mit Sorgfalt behandelt werden. (Sören Bartol [SPD]: Sagt das mal der CSU!) Der Wohnungsmarkt entwickelt sich differenziert. Es gibt sowohl Wohnungsknappheit - das ist richtig - als auch nach wie vor große Leerstände in Deutschland. -Daraus leitet sich in bestimmten Ballungsräumen sachlicher Handlungsbedarf ab. Aber es gibt keinen Anlass für Notstandsmaßnahmen. Eine Atmosphäre des Angstmachens wäre nach Lage der Dinge daher unverantwortlich. Wenn wir über Wohnungsknappheit in Ballungsräumen reden, Herr Kollege Steinmeier, so muss ich sagen, dass man diese nicht mit Strafen, nicht mit Mietendeckelung bekämpfen sollte, sondern mit Wohnungsneubau. Wenn Sie die Menschen dafür bestrafen, dass sie neu bauen, dann werden sie es einfach nicht tun. Der Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft, über den wir unter anderem debattieren, unterstreicht die große volkswirtschaftliche Bedeutung der Wohnungs- und -Immobilienwirtschaft in unserem Land und in der Europäischen Union sowie ihren Anteil an der Wertschöpfung hier in Deutschland. Wir haben nach wie vor einen attraktiven Wohnungs- und Immobilienmarkt. Im Gegensatz zu der Situation in vielen anderen Ländern um uns herum gehen von der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft gerade in Zeiten der internationalen Finanzmarktkrise stabilisierende Einflüsse aus. Der Grund liegt in der soliden Finanzierung von Immobilieninvestitionen in Deutschland. Die immer wieder befürchtete Immobilienblase ist weit und breit nicht in Sicht. Allerdings stellen wir fest, dass die Schere zwischen Angebot von und Nachfrage nach Wohnraum regional sehr unterschiedlich betrachtet werden muss. Dies gilt es genau zu untersuchen. Ich danke dem Bundesminister Dr. Peter Ramsauer und seinen Mitarbeitern im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung für den vorgelegten umfangreichen Bericht. Auch aus den immobilienwirtschaftlichen Verbänden erreicht uns keine Kritik, sondern Lob für die Qualität dieses Berichts. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bericht ist richtig gut! Die Politik nicht, aber der Bericht ist gut!) Er ist eine gute regierungsamtliche Grundlage für eine sachgerechte Debatte über die Weiterentwicklung der Wohnungspolitik. Wir wollen im Ausschuss sachlich -darüber diskutieren und dazu auch die Expertise der wohnungs- und immobilienwirtschaftlichen Verbände einholen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Staat kann auf allen Ebenen - Bund, Länder und Gemeinden - positiv Einfluss auf die Entwicklungen am Wohnungsmarkt nehmen, ohne marktwirtschaftliche Prinzipien infrage zu stellen. CDU und CSU sind in ihrer Regierungszeit auf Bundesebene dieser Verantwortung stets gerecht geworden. Es gibt erfolgreiche Instrumente, die in der Vergangenheit bereits ihre Wirksamkeit unter Beweis gestellt haben. Für Menschen mit niedrigem Einkommen ist das Wohngeld ein zielgenaues und treffsicheres Instrument, um angemessen wohnen zu können. Wir sollten es, wie Bundesminister Dr. Ramsauer vorgeschlagen hat, an die Preisentwicklung anpassen. Ich bin gespannt, wie sich die Länder zu der geplanten Wohngelderhöhung positionieren werden, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) ob wir das gleiche Desaster erleben, wie wir es bei der energetischen Gebäudesanierung erlebt haben; dort gab es über eineinhalb Jahre eine Blockade. Wir brauchen in Zukunft wieder eine steuerliche Förderung des Wohnungsbaus; dazu gehört selbstverständlich gerade die degressive Abschreibung, von der vorhin gesprochen wurde. Diese Maßnahmen waren in der Vergangenheit sehr erfolgreich, und wir sollten sie wieder aufnehmen. Herr Kollege Steinmeier, Sie sagten, in der Wohnungspolitik sei nichts passiert. Ich denke, Sie sollten sich zunächst die Fakten anschauen. Mit der Föderalismusreform, die wir gemeinsam beschlossen haben, -haben die Länder die Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau übernommen. Die Länder wollten es so. Wir haben sie ihnen nicht aufs Auge gedrückt; sie wollten es so, und das ist in der Sache auch richtig. Der Bund belohnt dies mit jährlich 518 Millionen Euro. Das heißt konkret: Die Wohnungsbauförderung ist seit der Föderalismusreform im Jahr 2007 Aufgabe der Länder. Etwas ernüchternd sind jedoch die Ergebnisse. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht! Aber wie soll man sie dazu zwingen?) Wenn Sie von einem Kahlschlag im Wohnungsbau -reden, Herr Kollege Steinmeier, sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass nur drei von 16 Ländern seit der Föderalismusreform kontinuierlich Wohnraumförderung betrieben haben, wie Herr Axel Gedaschko, der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, heute Morgen um 8 Uhr - einige Kolleginnen und Kollegen waren dabei - deutlich zum Ausdruck gebracht hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zu den Ländern, die aktive Wohnungspolitik betrieben haben, gehört zweifelsohne Bayern; auch das ist gesagt worden. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: NRW!) - Langsam; darauf komme ich noch, Frau Kollegin. - Andere Länder haben mit dem Geld des Bundes lediglich landeseigene Verpflichtungen aus früheren Maßnahmen abfinanziert, aber nicht in neue Sozialwohnungen investiert. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Zum Beispiel das CDU--regierte Hessen!) Dazu gehört zum Beispiel das Land Berlin, in dem wir uns befinden. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Hessen!) Nur einige wenige Zahlen zur Wohnungsbauförderung in Nordrhein-Westfalen: 2009 und 2010 wurde dafür 1 Milliarde Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt. 2012 waren es gerade noch 550 Millionen Euro, (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 800!) also etwas mehr als die Hälfte. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, 800! Das ist nicht richtig!) Also, Herr Kollege Steinmeier: Wenn Sie irgendwo ansetzen wollen - hier haben Sie die Gelegenheit dazu. Tun Sie etwas in den Ländern, in denen Sie Regierungsverantwortung tragen. (Patrick Döring [FDP]: So ist es!) Auch Sie sind für die Wohnraumförderung zuständig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lassen Sie mich noch etwas sagen: Wenn es um die Fortsetzung der Bundeszahlungen zur Förderung sozialen Wohnraums geht - auch darüber wurde gesprochen; der Kollege Bartol hat die Diskussion über das Entflechtungsgesetz vorhin angesprochen -, dann muss auch über eine Pflicht zur detaillierten Berichterstattung gesprochen werden. Mehr Transparenz muss die Basis der künftigen Politik sein. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf, den Ländern bei der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die Förderung sozialen Wohnraums konkret auf die Finger zu klopfen. Ein Weiteres kommt hinzu: Die Beseitigung von Wohnraummangel kann nur in enger Zusammenarbeit mit den Kommunen vor Ort gelingen. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!) Vor allem die Ballungsräume sind gefordert, geeignetes Bauland auszuweisen; denn ohne Bauland gibt es auch keinen Neubau. Ich meine damit nicht Bauland auf der grünen Wiese. Es gibt nach wie vor große Brachflächen in den Städten, die einer Wiedernutzung zugeführt werden könnten. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Im Rahmen der anstehenden Novellierung des Bau- und Planungsrechts wollen wir diesem Anliegen durch eine weitere Stärkung der Innenentwicklung in den Städten zusätzlich Rechnung tragen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein weiterer Gedanke: Es lohnt sich auch, über den Erwerb oder die Verlängerung auslaufender Belegungsbindungen bei Sozialwohnungen nachzudenken, um der Bevölkerungsgruppe mit niedrigem Einkommen preiswerten Wohnraum anbieten zu können. Die Wohnungs- und Städtebaupolitik der Bundesregierung und der Koalition von CDU/CSU und FDP ist gut aufgestellt. Mit dem Ausbau der Förderung der energetischen Gebäudesanierung, Verzicht auf Zwangssanierungen und der Garantie der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots wurden gute Rahmenbedingungen für die preisverträgliche Sanierung von Wohnungsbestand geschaffen. Davon profitieren alle: Mieter und Eigenheimbesitzer. Wir verfolgen die Absicht, die Eigenheimrente zu vereinfachen, damit sich noch mehr Bürger den Traum vom eigenen Haus oder von der eigenen Wohnung verwirklichen können. Wir haben mit dem in dieser Woche von Bundesminister Ramsauer vorgestellten Vorschlagskatalog einen klaren Kompass dafür, wie auf die aktuellen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt reagiert werden soll. Länder und Kommunen sind aufgefordert, ebenfalls ihren Beitrag dazu zu leisten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Ingo Egloff für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ingo Egloff (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist jetzt das sechste Mal in den letzten Monaten, dass wir hier im Bundestag über diesen Themenkomplex diskutieren. Das ist auch gut so; denn wir Sozialdemokraten werden dieses Thema hier so lange behandeln, bis sich an der sozialen Schieflage auf dem Wohnungssektor in diesem Lande etwas geändert hat, und zwar zum Besseren. (Beifall bei der SPD) Ich finde es sehr positiv, dass der Minister heute wenigstens bei dieser Debatte anwesend war. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass er hier konkret vorgetragen hätte, zu welchen Ergebnissen er nach drei Jahren Nachdenkens in seinem Ministerium gekommen ist. (Beifall bei der SPD) Mich beschleicht nach der Rede des Ministers das Gefühl, dass ihm die 80 Ortsumgehungen in Bayern immer noch wichtiger sind als die 21 Millionen Mieter in diesem Land. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Statt die Problemlage anzugehen, dass es Familien in Deutschland gibt, die 40 Prozent und mehr ihres Einkommens für Wohnung und für das Wohnen ausgeben müssen, hat die Regierung die Lage mit dem Mietrechtsänderungsgesetz vom Dezember 2012 zulasten der Mieter noch verschlimmert. Wir haben heute Morgen bei dem Frühstück der Wohnungsbauverbände gehört, dass sich diese 40-Prozent-Grenze bis in die mittleren Einkommensschichten hinein verschiebt. Das ist eine soziale Schieflage, die wir in diesem Land nicht tolerieren dürfen. (Beifall bei der SPD) Es ist die Chance vertan worden, beim Mietrechtsänderungsgesetz über diese Frage zu diskutieren und dieses Problem in Angriff zu nehmen. Was haben Sie gemacht? Sie haben die Mietminderung für drei Monate bei der energetischen Gebäudesanierung ausgeschlossen; damit haben Sie das Äquivalenzprinzip von Leistung und Gegenleistung beim Mietrecht aufgehoben. Sie haben die fristlose Kündigung bei Zahlungsverzug bei der Mietkaution und die Räumung im einstweiligen Verfügungsverfahren eingeführt, um das vermeintliche Problem der Mietnomaden zu lösen. Das alles sind Punkte, die zulasten des Mieters gehen, aber keine Lösung für das Problem der Mieterhöhung in Ballungszentren und das -Problem, wie die Kosten der energetischen Gebäudesanierung gerecht zu verteilen sind, darstellen. (Sebastian Körber [FDP]: Sie haben das wohl nicht gelesen!) - Ich habe es gelesen und habe es verstanden. Aber Sie haben keine Ahnung, Herr Kollege; das ist das Problem. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Der Minister stellt sich hierhin und sagt: Wir haben doch bei der Kappungsgrenze etwas gemacht. - Aber das ist eine Mogelpackung, weil das nur bei den Bestandsmieten Wirkung zeigt. In dieser Frage haben Ihnen sämtliche Presseorgane dieses Landes mitgeteilt, dass sie nicht auf Sie hereinfallen. Sie lösen das Problem schlicht und ergreifend nicht, weil Sie die Frage der Neuvermietung nicht angehen. Dazu haben wir den Vorschlag mit den maximal 10 Prozent Mieterhöhung bei Wiedervermietung gemacht. Wir sind ja bereit, über diese Zahl zu diskutieren. Wenn Sie sagen, Sie wollten das Problem angehen, dann diskutieren Sie doch mit den Ländern Berlin und Hamburg. Die haben im Bundesrat eine Initiative eingebracht, bei der sie es über § 5 Wirtschaftsstrafgesetz regeln wollen. Wir können uns auch über 20 Prozent unterhalten. Aber Sie müssen endlich mal rangehen, diese Probleme zu lösen. Das tun Sie nicht, das wollen Sie nicht. (Beifall bei der SPD) Kollegin Wagner hat auf die Mietsteigerungen in Ballungszentren im letzten Jahr hingewiesen. Wenn man dabei die letzten fünf Jahre betrachtet, dann sind dies 28 Prozent in Berlin, 23 Prozent in Hamburg, 16 Prozent in München, wo das Niveau eh schon hoch ist. Was sollen eigentlich eine Krankenschwester oder ein Polizist von der Äußerung eines Bundesbauministers halten, der sagt: "Eigentlich haben wir kein Wohnungsproblem in Deutschland"? Was nutzt es dieser Krankenschwester, dass in Cottbus eine Wohnung leer steht, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) wenn sie in München zu vertretbaren Konditionen keine Wohnung mehr findet? Ich denke, dass der Bundestag dieses Problem endlich angehen muss. Diese Regierung wird nicht in der Lage sein, das zu tun; deswegen ist es gut, wenn sie abgewählt wird und die 21 Millionen Mieter nach dem 22. September mit einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung endlich eine anständige Mietenpolitik in diesem Land erleben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Sebastian Körber für die FDP-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Sebastian Körber (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es heute bereits mehrfach gehört: Wohnungsbau ist das Gebot der Stunde. Ich brauche die Analyse nicht zu wiederholen: Wir brauchen in den Ballungsgebieten und Universitätsstädten dringend neue Wohnungen. Allerdings: Zusätzliche Belastungen der Investoren und der Wohnungsbaugesellschaften bewirken das Gegenteil des Gewollten und verschärfen sogar noch den Druck auf die Mieter, die Sie unterstützen zu wollen vorgeben. Herr Kollege Egloff, Herr Kollege Steinmeier, ich glaube, wir brauchen uns nur einmal anschauen, was da, wo die SPD die Verantwortung trägt, passiert. Schauen wir einmal nach Berlin - Sie regieren dort ja auch -: Hier sind die Mittel dafür, dass neue Wohnungen gebaut werden, nicht einmal richtig aufgewandt worden. Oder schauen wir einmal nach München: Dort gibt es einen Oberbürgermeister, der hinter seinem eigenen Ziel, neue Wohnungen zu schaffen, zurückbleibt. Das Einzige, was Sie an Vorschlägen bringen, sind Mietpreisdeckelungen, neue Verordnungen, Vorschriften und Regulierungen. Wenn das der rot-grüne Vorschlag für mehr bezahlbaren Wohnraum in Deutschland sein soll, dann wird dadurch nur eines erreicht: dass bald überhaupt niemand mehr Lust hat, in Deutschland zu investieren und zu bauen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Kanzlerkandidat der SPD hat den Plenarsaal gleich wieder verlassen; so wichtig scheint ihm dieses Thema also nicht zu sein. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Bei Ihnen ist ja nicht mal der Fraktionsvorsitzende da! - Weiterer Zuruf von der SPD: Der Kanzlerin ist es auch nicht wichtig!) Das Einzige, was Rot-Grün an konkreter Politik gemacht hat: Sie haben die Abschreibungsmöglichkeiten bei der energetischen Sanierung im Bundesrat blockiert, verhindert; die Grünen ganz vorne mit dabei. Was haben Sie dadurch erreicht? Weniger Klimaschutz, weniger Investitionen und auch weniger Sanierungen. Wenn dieses Thema den Grünen so wichtig ist, dann verstehe ich nicht, warum Herr Kretschmann - er ist ja mittlerweile Ministerpräsident in Baden-Württemberg - sich da enthalten hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schwarz-Gelb bekennt sich ausdrücklich zur energetischen Sanierung und hat sofort konkret reagiert: Wir haben sofort 300 Millionen Euro mehr KfW-Mittel bereitgestellt. Aus den Ländern ist dazu selbstverständlich überhaupt nichts gekommen. (Sören Bartol [SPD]: Was macht euer EKF?) Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein paar Ausführungen zum Mietrecht. Wir hätten keine Ahnung, haben Sie gerade behauptet, Herr Kollege Egloff. Vielleicht hätten Sie den Bericht vorher einmal lesen sollen. Ich kann Ihnen gern zwei Punkte daraus benennen: Das Mietrecht ist in der Tat sozial ausgewogen, weil nämlich die mietrechtlichen Maßnahmen, die wir jetzt einsetzen, auch wirklich schneller und konkreter wirken. Sie sehen Mietnomaden als kein Problem an. Der Durchschnittsvermieter in diesem Land hat nur ein, zwei, drei Wohnungen, und die sind für ihn vielleicht ein wichtiger Beitrag zur Altersvorsorge. Mietnomaden können ihn wirtschaftlich ruinieren. Vielleicht sollten Sie sich einmal damit auseinandersetzen, was da für Kosten auflaufen können, liebe Kolleginnen und Kollegen gerade von der SPD. Wir berücksichtigen sehr wohl mehr Mieterschutz: Das unsägliche Münchener Modell wird jetzt nicht mehr so einfach möglich sein. Wir verhindern hier ganz konkret Luxussanierungen. Das ist doch ein Mieterschutz, über den sich sogar der Kollege Egloff - wenn er aufpassen würde - freuen könnte. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will Ihnen noch die eine oder andere weitere Maßnahme darlegen, die wir jetzt andenken. Wir brauchen weitere Förderungen und Anreize. Dazu gehört eine degressive AfA gerade für die angespannten Teilmärkte. Sie haben daran mitgewirkt, dass sie wieder ausgesetzt wird. Um Anreize zu setzen, müssen wir gerade dort ganz gezielt wieder eine degressive AfA einführen; das wäre außerordentlich hilfreich. Das würde etwa auch den Studenten nützen. Es ist bereits angesprochen worden, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wichtig ist natürlich auch, dass die Kommunen ausreichend Bauland zur Verfügung stellen. Schauen wir uns einmal die Städte an: München - dort regiert ja Christian Ude für die SPD - hängt den eigenen Zielen hinterher. In München wird dazu überhaupt nichts beigetragen: Die Baulücken werden nicht besonders aktiviert, und auch bei den Konversionsflächen, die zur Verfügung gestellt werden könnten, wird nichts gemacht. Auch zur Umnutzung von etwa 2,5 Millionen Quadratmetern Gewerbeflächen, die in München leer stehen, weisen Sie nicht schneller Bauland aus. Überall dort, wo SPD und Grüne in der Verantwortung sind, ducken Sie sich bei all den Themen, über die Sie hier was erzählen, nämlich ganz schnell weg. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie mal nach Darmstadt! - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder nach NRW!) Das sollten Sie den Kolleginnen und Kollegen in den Ländern und insbesondere auch in den Städten und Kommunen, die die Planungshoheit noch immer innehaben, auch einmal sagen. Wo kein Bauland ist, kann man nichts bauen. Dann machen Sie mal was! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir!) Aber der grüne Bevormundungsstaat lässt ja grüßen. Das, was wir in Berlin wieder zur Kenntnis nehmen durften, ist ja eine wahre Pracht. Ein Bezirksbürgermeister in Friedrichshain-Kreuzberg möchte jetzt noch weiter bevormunden und ins Eigentum der Menschen eingreifen. Er will dort gegen Luxus vorgehen (Zuruf von der SPD: Guter Mann!) und verbieten, dass es in den Wohnungen Einbauküchen, die dort in den 30er-Jahren eingeführt worden sind, ein zweites WC - für eine Familie mit vier Kindern ist es ja vielleicht durchaus nett, wenn man das hat - und einen Balkon über 4 Quadratmeter gibt, auf dem man gemeinsam frühstücken kann. Nein, das alles will er nicht. Das ist Luxus; das verbieten wir. Bevormunden, Verordnungen, Regelungen: Das ist das, was Sie ganz konkret vor Ort machen und umsetzen. Das ist grundfalsch. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihre Antwort? Was schlagen Sie denn vor?) Ich komme jetzt zu einem Ihrer populistischen Vorschläge, die Sie hier jetzt wieder machen: zur Deckelung bei der Neuvermietung. Bei Neuvermietungen soll die Miete um nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Sie müssen es auch wirklich so benennen, wie es ist. Herr Steinbrück hat das so vorgeschlagen. Das Einzige, was Sie damit erreichen, ist, dass dann überhaupt niemand mehr etwas baut, weil man nicht einmal mehr eine Reinvestition erzielen kann. Eine Wohnung wird nämlich nicht einfach so gebaut. Der Wert-verlust durch Abnutzung muss irgendwann wieder wettgemacht werden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal eine Lanze für die privaten Vermieter in diesem Land brechen, die Sie ja alle pauschal als Miethaie hinstellen - die Makler sowieso. Das kann ich einfach überhaupt nicht akzeptieren. Zu den Themen "Wohnungseigentum", "Wohnriester", "ländlicher Raum" sagen Sie gar nichts, nichts! Das bedeutet Ihnen anscheinend überhaupt nichts mehr. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Sebastian Körber (FDP): Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gilt, die Herausforderungen "bezahlbarer Wohnraum", "Klimawandel" und "demografischer Wandel" vor Ort anzupacken. Dort müssen alle zusammenwirken. Ich glaube, ich konnte aufzeigen, dass Sie das dort, wo Sie Verantwortung tragen, nicht tun. Der beste Mieterschutz ist ausreichend bezahlbarer Wohnraum. Lassen Sie uns doch daran arbeiten, und wenden Sie sich besser dem zu, was wir Ihnen vorschlagen! Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Jan-Marco Luczak für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Bezahlbarer Wohnraum und auch ein ausgewogenes Mietrecht sind wichtige Themen, weil sie die Menschen existenziell betreffen. Gerade weil das so wichtige Themen sind, bedauere ich - das muss ich schon sagen -, wie die SPD hier an diese Themen herangeht. Wenn man Ihren Antrag liest, dann kann man nämlich eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Sie machen hier mit diesem Antrag Wahlkampf und nichts sonst. Gucken Sie sich nur einmal die Rhetorik und die Worte an, die Sie dort wählen! Sie sprechen dort von einer "Explosion der Mieten" und einem "Angriff auf das ... Mietrecht". (Sören Bartol [SPD]: Richtig! - Iris Gleicke [SPD]: Genau das!) Wer in einem solchen Antrag eine solche Rhetorik verwendet und solche Worte wählt, dem geht es ganz offensichtlich nicht mehr um eine sachliche Debatte, sondern um Wahlkampf, und damit diskreditieren Sie sich, meine lieben Damen und Herren von der SPD. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es geht ja noch weiter. Anstatt eine sachliche Debatte zu führen, werden die Mieter in unserem Land ganz gezielt desinformiert. Sie versuchen, die Menschen zu verunsichern und Ängste zu schüren, um daraus politisches Kapital zu schlagen. (Ingo Egloff [SPD]: Das merkt man an Ihnen, Herr Kollege!) Sie behaupten in Ihrem Antrag an einer Vielzahl von Stellen einfach Dinge, die schlichtweg falsch oder bereits geltendes Recht sind. Ich finde, das, was Sie von der SPD hier machen, ist unredlich. (Beifall des Abg. Sebastian Körber [FDP]) Nehmen wir das Beispiel Kündigung. Sie sagen: Ein Vermieter soll nur dann kündigen dürfen, wenn eine Pflichtverletzung des Mieters vorliegt, wenn Eigenbedarf angemeldet wird oder wenn ein Eigentümer seine Wohnung wirtschaftlich verwerten will. - Ja, so soll es sein. Genau das ist ja in § 573 Abs. 2 BGB geregelt. Ich sage nur: Ein Blick ins Gesetz fördert manchmal die Rechtsfindung. Sie versuchen hier, den Eindruck zu erwecken, Vermieter könnten die Mieter einfach mir nichts, dir nichts auf die Straße setzen, und das ist schlichtweg falsch. (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich noch ein weiteres Beispiel nennen: In Bezug auf die Umlage der Modernisierungskosten - das ist ja schon in der Debatte zwei-, dreimal genannt worden - sagen Sie, dass die nicht rückzahlbaren Förderungen aus öffentlichen Mitteln nicht umlagefähig sein sollten. Ja, selbstverständlich. Kein Eigentümer soll Fördergelder erhalten, für Modernisierungen ausgeben und sich dann Kosten, die er selbst gar nicht getragen hat, von den Mietern zurückholen. Deswegen sagt ja auch der geltende § 559 a BGB: Drittmittel, die der Vermieter erhalten hat, müssen aus den Kosten der Modernisierung herausgerechnet werden. Hier versuchen Sie ganz offensichtlich, die Leute für dumm zu verkaufen, indem Sie Dinge fordern, die längst geltendes Recht sind. Entweder Sie machen das hier bewusst, oder Ihnen fehlt es schlicht an Sachkenntnis. Beides finde ich ziemlich peinlich, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Körber [FDP]) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Werter Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage eines Kollegen der CDU/CSU-Fraktion? Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Sehr gern. (Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Des Kollegen Jarzombek!) Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Danke, Herr Präsident. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist ja Bildungsunterricht hier!) Herr Kollege Luczak, ich habe noch eine Frage dazu. Nach dem, was der Kollege von der SPD hier vorher alles an Kritik an der Mietrechtsnovelle geübt hat: Wie kommt es eigentlich, dass der rot-grün dominierte Bundesrat dem dann so zugestimmt hat? Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Das ist eine sehr gute Frage. Denn wenn uns hier im Bundestag die Opposition vorwirft, dass wir mit dem Mietrechtsänderungsgesetz Mieterrechte schleifen würden, dann muss man einmal im Detail sagen, wo wir an vielen Stellen in diesem Gesetz Mieterrechte verbessert haben. Das gilt zum Beispiel beim Kündigungsschutz, wenn Mietwohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Das Münchener Modell ist hier ja schon angesprochen worden. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Oder ich weise auf das Wärme-Contracting hin, die gewerbliche Wärmelieferung. Dort ist es bislang möglich, dass Verträge zulasten Dritter, nämlich zulasten der Mieter, geschlossen werden, dass Vermieter auf die gewerbliche Wärmelieferung umstellen und die Kosten einfach auf die Mieter umlegen - mit erheblichen Kostensteigerungen. Das wird es zukünftig nicht mehr geben. Es wird keine Gewinne auf Kosten der Mieter geben, weil das zukünftig kostenneutral sein muss. Oder ein anderes Beispiel: die Kappungsgrenzen. Da haben wir gesagt: Wir schauen uns die Situation in unserem Land an. Natürlich, es gibt einen erheblichen Mietenanstieg in einzelnen Teilen unseres Landes, in Ballungszentren, in großen Städten, in Universitätsstädten. Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen die Mieter schützen; wir wollen, dass die Mieten dort nicht mehr so stark steigen. Deswegen haben wir gesagt: Wir reduzieren die Kappungsgrenze, also die Möglichkeit, die Miete um den entsprechenden Prozentwert der ortsüblichen Vergleichsmiete zu erhöhen, von 20 auf 15 Prozent. Aber wir sagen eben auch: Das soll zielgenau erfolgen und nicht flächendeckend eingeführt werden, weil die Situation der Wohnungsmärkte in unserem Land sehr unterschiedlich ist. Es gibt einzelne Gebiete, wo es sogar sinkende Mieten gibt. In den neuen Bundesländern, auf dem platten Land gibt es großen Wohnungsleerstand. Wenn man hier eine Einheitsregelung treffen würde, die alles über einen Kamm schert - das ist ja immer das, was SPD und Grüne wollen: immer alles gleichbehandeln, immer alles gleichmachen -, (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das schadet dort nicht!) würde man an dieser Stelle nur den Mietern schaden. Das führt uns nicht weiter. Vielen Dank noch einmal für die Frage. Das hat mir Gelegenheit gegeben, zwei, drei Punkte auszuführen. Ich will aber noch einige Punkte nicht nur dazu sagen, was Sie fordern, obwohl es bereits geltendes Recht ist. Man muss sich nämlich auch einmal anschauen, was Ihre Forderungen wirtschaftlich bedeuten. Dann wird man sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass vieles von dem, was Sie hier fordern, im Endeffekt sogar kon-traproduktiv ist, weil Sie nämlich die wirtschaftlichen Realitäten nicht anerkennen. Ich nehme einmal als Beispiel - das ist mir sehr wichtig -, dass wir bei den Ursachen ansetzen und nicht allein die Symptome bekämpfen wollen. Denn steigende Mieten sind ja letztlich nur ein Symptom dafür, dass wir in unserem Land zu wenig Wohnungsneubau haben. Da müssen wir natürlich die Frage stellen: Wie bekommen wir denn mehr Wohnungsbau? Da ist es wichtig, sich zu vergewissern: Wer baut denn in unserem Land Wohnungen? Das sind nämlich nicht die großen Gesellschaften, sondern das sind die privaten Eigentümer. 60 Prozent der Wohnungen in unserem Land sind von privaten Eigentümern gebaut worden. Das ist der Handwerksmeister, der um die 60 Jahre alt ist, der zwei, drei Wohnungen als private Altersvorsorge hat. Da müssen wir immer darauf achten: Wir müssen einen entsprechenden rechtlichen und politischen Rahmen setzen, damit sich Investitionen in den Wohnungsbau auch zukünftig noch lohnen. Denn sonst baut nämlich keiner mehr Wohnungen. Da ist es dann schon wichtig, sich einmal die durchschnittliche Rendite beim Wohnungsbau anzuschauen. Sie tun ja immer so, als würden hier 10, 20 Prozent Rendite erzielt. Die durchschnittliche Rendite beim Wohnungsbau liegt bei etwas über 2 Prozent. Jetzt kann man sich ja sehr schnell vorstellen, was passieren würde, wenn wir auch noch die Mieten bei Neuverträgen deckeln und bei der Kappungsgrenze flächendeckend he-runtergehen würden. Das würde dazu führen, dass wir in unserem Land überhaupt keinen Wohnungsbau mehr haben. Weniger Wohnungen bedeutet weniger Angebot, und weniger Angebot bedeutet steigende Preise. Meine Damen und Herren, das ist das Einmaleins der Volkswirtschaft. Das sollte man schon kennen, wenn man solche Anträge schreibt. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Körber [FDP]) Ich komme zum letzten Punkt. Sie machen nicht nur Vorschläge, die mittelfristig für die Mieter sogar kontraproduktiv sind und zu weniger Wohnungen führen, sodass sich die Wohnungsknappheit verstärkt. (Sören Bartol [SPD]: Wir wollen nicht weniger Wohnungen! Sie müssen beide Anträge lesen, Herr Kollege!) Sie wollen auch die Eigentümer schlechterstellen, Stichwort "Mietnomaden". Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen. Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): Sie wollen den momentanen unhaltbaren Zustand, dass Eigentümer bis zu zwei Jahre klagen müssen, bis sie ihre Wohnung wiederhaben, offenbar fortschreiben; denn Sie wollen das effiziente Instrumentarium, das wir mit dem Mietrechtsänderungsgesetz endlich eingeführt haben, abschaffen. Sie sollten sich genau überlegen, ob Sie mit solchen Forderungen in den Wahlkampf ziehen wollen. Den vielen Eigentümern, die wir für eine Steigerung des Wohnungsbaus brauchen, werden Sie damit sicherlich keinen Gefallen tun. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Florian Pronold für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Florian Pronold (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie haben gerade behauptet: Der Blick ins Gesetzbuch erleichtert die Rechtsfindung. - Es würde auch bei den Vorwürfen, die Sie uns gegenüber erheben, helfen, wenn Sie vorher lesen würden. Erstens, zum Thema Neubau, das Sie angesprochen haben. Die SPD fordert nicht, dass bei jeder Neuvermietung die Mieterhöhung auf maximal 10 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt wird. Das steht übrigens im wohnungspolitischen Programm der CSU, das gerade erst veröffentlicht wurde. Dahin müssen Sie sich also mit Ihrer Kritik wenden. Wir gehen von der Wiedervermietung aus. Das ist ein ganz entscheidender Unterschied. Selbstverständlich wollen wir beim Neubau nicht bremsen. Aber es geht um die Wiedervermietung und darum, dass hier nicht Extraprofite auf Kosten derjenigen gemacht werden, die dringend auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind. (Beifall bei der SPD) Eine Lüge wird auch durch Wiederholung nicht wahr. Die rot-grün geführten Länder haben nicht im Bundesrat zugestimmt. Fakt ist dagegen, dass wir bei der Mietrechtsnovelle im Bundesrat noch keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses hatten, (Iris Gleicke [SPD]: So war es!) weil die neue niedersächsische Landesregierung noch nicht im Amt war. Das ist die Wahrheit. Was Sie hier darstellen, ist eine glatte Lüge. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich finde es spannend, Herr Kollege Körber, fest-zustellen, dass jemand an unterschiedlichen Stellen unterschiedlich redet. Hier haben Sie behauptet, die vor-gelegte Mietrechtsreform sei sozial ausgewogen. Ich erinnere Sie an Ihre Aussage im zuständigen Verkehrsausschuss im Dezember letzten Jahres. Da haben Sie sich gefreut und wortwörtlich gesagt: Endlich wieder eine eigentümer- und vermieterfreundliche Mietrechtsänderung! - Was ist es denn nun? Ist es sozial ausgewogen, oder ist es - wie richtig dargestellt worden ist - ein Anschlag auf die Rechte der Mieterinnen und Mieter? Tatsächlich ist deren Rechtsposition verschlechtert worden. Nichts anderes ist hier Fakt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lesen Sie unsere Anträge! Wir müssen die Bundesregierung auffordern, wieder für soziale Ausgewogenheit zu sorgen, und zwar nicht deswegen, weil uns das eben erst eingefallen ist, sondern weil wir die Bilanz der letzten dreieinhalb Jahre Tätigkeit bzw. Untätigkeit dieses Bundesbauministers gezogen haben. Wer hat denn die Mittel für die Städtebauförderung um über 100 Millionen Euro gekürzt? Wer war denn das? Das waren doch Sie. Ich finde es spannend, dass Sie sich hier hingestellt und gesagt haben: Es tut uns leid, dass wir die Mittel für die Städtebauförderung kürzen mussten, aber das Geld ist einfach nicht da. Diese 100 Millionen Euro sind im Bundeshaushalt nicht mehr zu finden. - Aber dann kündigen Sie ein milliardenschweres Programm für die nächste Wahlperiode an, mit dem Sie den Wohnungsbau ankurbeln wollen. Wer soll Ihnen das glauben, Herr Ramsauer? (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Keiner!) In dieser Wahlperiode haben Sie noch nicht einmal 100 Millionen Euro für die Städtebauförderung, aber in der nächsten sollen dann die Milliarden vom Himmel fallen. Das, was hier stattfindet, ist doch Lug und Trug auf offener Bühne. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Martin Burkert [SPD]: Typisch CSU!) Nun zu den 518 Millionen Euro. Jawohl, die Föderalismusreform sieht vor, dass die soziale Wohnraumförderung in die Zuständigkeit der Länder fällt. In Ihrem Koalitionsvertrag ist zu lesen, dass Sie bis zur Mitte der Legislaturperiode über die Höhe und die Fortführung der Entflechtungsmittel entscheiden wollen. Bis zur Mitte dieser Legislaturperiode war noch nichts entschieden. Erst kürzlich, im Dezember, ist entschieden worden, und zwar - anders als Sie hier gesagt haben, Herr Ramsauer - eben nicht bis zum Ende des Förderzeitraums, sondern nur für das nächste Jahr. Es sind nicht die Zweckbindungen in Ihrem Gesetzentwurf enthalten, die wir alle hier in diesem Haus wollen. Das ist die Wahrheit und nichts anderes. Täuschen Sie doch nicht vorsätzlich die Öffentlichkeit! (Beifall bei der SPD) Ich finde es spannend, was alles an neuen Vorschlägen, an neuen Ideen und Förderungen kommt. Gerade ist angesprochen worden, dass man die knappen Mittel zielgenau einsetzen muss. Was bedeutet denn die Reaktivierung der Eigenheimzulage? Das ist doch eine Förderung mit der Gießkanne. Ich bin jemand, der selten Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen lobt. Ich muss aber den Kollegen Dirk Fischer, der nachher noch reden wird, ausdrücklich ausnehmen und explizit loben. Er hat eine Bewertung des Programms abgegeben, das Herr Ramsauer entgegen allem, was er bisher gemacht hat, in dieser Woche vorgelegt hat. Herr Fischer schreibt: Was der Verkehrsminister vorgelegt hat, ist ein Feuerwerk für den Wohnungsneubau. (Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wenn alle mitmachen!) Ich finde, das ist ein sehr treffender Vergleich für eine explodierende Luftnummer, lieber Kollege; denn dahinter steckt überhaupt nichts. (Beifall bei der SPD) Wer nicht 110 Millionen Euro für die Städtebauförderung hat, aber Milliarden für die nächste Wahlperiode ankündigt, der ist wirklich arm dran. Ich muss Ihnen sagen: Die Mieterinnen und Mieter in diesem Land erwarten keinen Ankündigungsminister. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pyrotechniker!) Die Mieterinnen und Mieter erwarten auch keinen Feuerwerker. Sie erwarten eine Regierung, die endlich dafür sorgt, dass Wohnen bezahlbar bleibt. Wir werden ab September dieses Jahres dafür Sorge tragen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Gero Storjohann für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gero Storjohann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man bewahre uns davor, dass eintritt, was Sie sich wünschen, dass Sie nach der nächsten Bundestagswahl die Verantwortung haben. Es wird mir schlecht, wenn ich daran denke, wie sich die Situation auf dem gesamten Wohnungsmarkt dann darstellen würde. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Supersache! - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine "Katastrophe"!) Ja, es stimmt, die Nettokaltmieten sind gestiegen, in den letzten zehn Jahren im Schnitt um 1,1 Prozent. Ja, es stimmt, die Lebenshaltungskosten sind um 1,6 Prozent gestiegen. Ja, es stimmt, dass wir unterschiedliche Wohnungsmärkte haben und dass wir in letzter Zeit hohe Mietpreissteigerungen gerade in den Großstädten, in den Metropolkernen und in den Studentenstädten zu verzeichnen hatten. Es ist aber etwas ganz Normales, dass es im Wohnungsmarkt Zyklen gibt. In der Regel haben wir über sieben bis acht Jahre hinweg einen erhöhten Wohnungsbedarf. Dann haben wir wieder einen Überschuss an Wohnungen. Auf diesem Markt muss investiert werden. Menschen, die investieren, möchten auch gern ein Reinvest haben. Sonst machen sie das nicht. Deswegen ist es wichtig, dass wir jetzt darüber reden, wie wir mit diesem Thema umgehen, damit Menschen investieren, damit es in Deutschland nie wieder zu einer Wohnungsnot kommt. Wohnungsnot hatten wir Anfang der 90er-Jahre. Das ist uns allen noch sehr schmerzhaft in Erinnerung. Wir haben das Problem, dass die Neubautätigkeit in letzter Zeit enorm zurückgegangen ist. Die SPD macht nun Vorschläge, wie man den Neubau ankurbeln könnte, aber nicht durch die Zurverfügungstellung von Bauland, durch viel Geld in den Ländern, sondern durch Vorschriften. Das ist das, was Ihnen einfällt. Was haben uns aber heute Morgen die Verbände ins Stammbuch geschrieben? Was haben sie dazu gesagt, dass wir zurzeit keinen Wohnungsbau im erforderlichen Maße haben? Sie haben gesagt: In der Vergangenheit haben sich wichtige Investoren aus dem Markt für bezahlbaren Wohnraum zurückgezogen; sie sind kaum noch aktiv. Auch die Wohnungsbaugenossenschaften haben das getan. Der technische und organisatorische Aufwand beim Bauen ist immer weiter gestiegen. Das liegt auch daran, dass wir von politischer Seite aus Maßnahmen der energetischen Sanierung in den Vordergrund stellen und das barrierefreie Bauen fördern wollen. All diese Maßnahmen lassen Investoren - - (Sören Bartol [SPD]: Was ihr aber alles wollt! -Machen, machen, machen!) - Die Investoren müssen das machen, lieber Kollege. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir setzen Rahmenbedingungen!) Die Investoren können aber auch entscheiden, es nicht zu machen. Nun stellt sich die Frage, welche Signale wir vonseiten der Politik aussenden, damit Investoren es zukünftig machen. Das Bauen wird zunehmend teurer, und es wird immer schwieriger, günstigen Wohnraum am Markt zur Verfügung zu stellen. Deswegen brauchen wir die Länder, die über ihre Wohnungsbauprogramme sehr viel Geld in die Hand nehmen, um das Problem anzugehen. Wohnungsknappheit wird nicht durch regulatorische Maßnahmen behoben - das ist meine feste Überzeugung -, sondern nur durch Angebotserweiterung. Deswegen ist es angesichts des sensiblen Marktes, in dem wir uns befinden, wichtig, dass die SPD von ihren Vorschlägen wieder abrückt. Das, was Sie vorschlagen, läuft genau in die falsche Richtung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben enorm steigende Nebenkosten. Für den Verbraucher, für den Mieter, ist natürlich die Gesamtmiete entscheidend. Sie ist in den letzten Jahren enorm gestiegen; aber die Nettokaltmiete ist in den vergangenen zehn Jahren ziemlich konstant geblieben. Das gehört, glaube ich, auch zur Wahrheit. (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch überhaupt nicht! -Völliger Unsinn! Das ist falsch! - Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kaltmieten sind gestiegen!) Wenn die Situation am Wohnungsmarkt nicht besser wird, wenn wir den hohen Nebenkosten nicht entgegenwirken, dann werden die Mieter und nicht die Investoren das spüren. Also: Ein ausreichendes Wohnungsangebot ist Voraussetzung für erschwingliche Mieten. Wir wollen die Mieter vor überzogenen steigenden Mieten schützen. Die SPD schlägt nun vor - Herr Pronold hat das noch einmal betont -, bei Wiedervermietung eine Mieterhöhung von maximal 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete vornehmen zu dürfen. Konkret: Jemand hat eine Eigentumswohnung finanziert, erhebt eine Miete von vielleicht 10 Euro pro Quadratmeter, während die ortsübliche Miete 8 Euro pro Quadratmeter beträgt. Nach einem Jahr zieht ihm aufgrund der Fluktuation der Mieter aus. Er hat eigentlich langfristig kalkuliert, darf dann aber nur noch 8,80 Euro an Miete nehmen. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht bleibt der Mieter ja länger?) Angesichts einer maximal erzielbaren Rendite von 4 Prozent ist sein Geschäftsmodell in diesem Augenblick natürlich nicht mehr viel wert. - Vor diesem -Hintergrund überlegen sich viele, ob sie da einsteigen. Deshalb: Nehmen Sie Ihren Vorschlag zurück! Er ist kontraproduktiv für den deutschen Wohnungsmarkt. Er verunsichert die Leute. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie möchten den Berechnungszeitraum bei der ortsüblichen Vergleichsmiete von vier auf zehn Jahre ausweiten. Sie möchten bei energetischen Sanierungen -sichergestellt sehen, dass nur effiziente Maßnahmen durchgeführt werden. Auch das bedeutet: Es muss kontrolliert werden; es muss reguliert werden. Das sind Dinge, die das Bauen nicht attraktiver machen. Außerdem möchten Sie die Umlage der Modernisierungs-kosten von 11 auf 9 Prozent reduzieren. Das alles sind Maßnahmen, die dem Markt nicht dienen. Mein Eindruck ist: Die SPD will die Rendite beim Wohnungsbau unter die Rendite der DB bei Stuttgart 21 drücken. Was kritisiert die SPD da nicht alles! Aber die Rendite der Eigentümer soll bei 0,02 Prozent, wenn nicht sogar im Minusbereich liegen. (Florian Pronold [SPD]: Vergleichen Sie doch nicht Äpfel mit Birnen!) Das, glaube ich, ist nicht Ihr Wille. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen. Gero Storjohann (CDU/CSU): Meine Damen und Herren, wichtiges Thema heute: Die SPD muss ihre Anträge zurücknehmen; dann geht es dem Wohnungsmarkt viel besser. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Wir danken dem Minister für seinen hervorragenden Bericht und werden ihn in seiner weiteren Politik gerne unterstützen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Florian Pronold [SPD]: Da müssen Sie ja selber lachen!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege Dirk Fischer für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte von dem hamburgischen Kollegen Egloff eigentlich erwartet, dass er jetzt in der Logik seiner Ausführungen den Mietern der 140 000 städtischen Wohnungen in Hamburg die erfreuliche Mitteilung -machen würde, dass der Bürgermeister Scholz das Einfrieren ihrer Mieten angeordnet habe. Das hat mir ein bisschen gefehlt. (Beifall des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU] - Sören Bartol [SPD]: Das ist richtig!) Wir erleben heute eine Debatte, in der die politischen Unterschiede deutlich geworden sind: Auf der einen Seite hören wir, wie Sozialdemokraten, Grüne und Linke auf der Grundlage eines sehr dramatisierten Szenarios auch Instrumente aus der sozialistischen Mottenkiste der Öffentlichkeit verkaufen wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auf der anderen Seite sehen wir die sachorientierte -Arbeit der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen von Union und FDP. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Welche -Arbeit?) Wir erkennen bestimmte Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und präsentieren marktgerechte Lösungen. Das ist für jede Bürgerin und jeden Bürger im Lande glasklar erkennbar. Bundesminister Peter Ramsauer hat im Herbst letzten Jahres in seinem Bericht über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft die Dinge sachlich dargelegt und analysiert. Er hat dann die aus seiner und unserer Sicht erforderlichen und richtigen Konsequenzen gezogen und sie nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine dieser Konsequenzen lautet: Wohnungsbau, Wohnungsbau, Wohnungsbau. Denn der beste Schutz vor steigenden Mieten in Ballungsregionen ist mehr Wohnungsbau. Nichts anderes hilft den betroffenen Menschen, jenen, die Wohnungen suchen, und jenen, die bereits Mieter sind. Die größte Bremse im Wohnungsbau wären Mietrechtsregelungen mit sozialistischen Zwangssystemen einer staatlichen Preisbildung. Das war seit langem der Traum der Linken; aber dass die SPD jetzt mitträumt, das ist ziemlich neu. Ich glaube, selbst der Ex-Chef der Neuen Heimat Albert Vietor, der SPD-Mitglied war, würde sich bei derartigen Vorstellungen im Grabe umdrehen. Ich kann nur aufrufen: Lassen Sie die Finger davon! Packen Sie das Teufelszeug wieder dahin, wo es hingehört: in das Museum für gescheiterte Ideologien! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Verwirklichung solcher Gedanken würde Wohnungsneubau verhindern. Bestehende Baufinanzierungen würden zerstört werden. (Lachen des Abg. Florian Pronold [SPD]) Gestern noch haben Sie, Herr Kollege Bartol, die niedrige Rendite der DB AG bei Stuttgart 21 beklagt. Heute fordern Sie im Grunde genommen, bei der Wohnungswirtschaft eine noch niedrigere Rendite herbeizuführen. (Sören Bartol [SPD]: Das ist ja völlig vergleichbar! Was ist das für ein Spannungs-bogen!) Das heißt also: Gestern Bestürzung, aber heute sind Sie in der Gegenrichtung unterwegs. Das passt doch nicht zusammen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der vorliegende Bericht über die Wohnungs- und -Immobilienwirtschaft zeigt, dass die Immobilienpreise und Mieten in den vergangenen drei, vier Jahren mancherorts wieder gestiegen sind, vor allem in den -Ballungsräumen. Aber Deutschland besteht nicht nur aus Ballungszentren. Die Mietpreisentwicklung verlief seit Beginn der 90er-Jahre insgesamt eher moderat bis -abnehmend. Jetzt haben wir zwar einen signifikanten Anstieg, aber wir liegen überall inflationsbereinigt noch unter dem Niveau von 1992. Das muss man sich bei dem Szenario auch einmal verinnerlichen. Wir wollen auf die Situation angemessen reagieren. Lange Zeit wurde viel zu wenig gebaut. Das hat sich zwar seit Ende 2009, seit Beginn der Koalition aus Union und FDP, gebessert; (Daniela Wagner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ah!) aber das reicht noch nicht aus. Wir brauchen mehr Wohnungen, die sich Normalverdiener leisten können. Das gilt ganz besonders für Familien mit Kindern. Wir müssen einkommensschwache Mieter stärken und daher beim Wohngeld Leistungshöhe und Miethöchstbeträge an die Entwicklung der Bestandsmieten anpassen. Minister Peter Ramsauer hat dazu die entsprechenden Vorschläge präsentiert. Sein Programm zur Bekämpfung der regionalen Wohnungsknappheit in Deutschland kann, Herr Pronold, ein regelrechtes Feuerwerk für den Wohnungsneubau werden, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wenn alle mitmachen. Ich frage Sie, Herr Pronold: -Warum wären Sie über ein solches Feuerwerk traurig? Auch der berühmte Karl Schiller hat gesagt: 50 Prozent einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik ist Psychologie, ist Optimismus. - Das heißt: Anpacken! Wenn alle mitmachen, schaffen wir es, das Ziel von 250 000 neuen Wohnungen pro Jahr, Mietwohnungen und Eigenheime, zu erreichen. (Sören Bartol [SPD]: Herr Fischer, Ihre Vorschläge sind doch unfinanzierbar! Das ist eine angekündigte Wahllüge!) Jeder verwirklichte Wunsch nach eigenen vier Wänden ist nicht nur eine gute Altersvorsorge, sondern entspannt auch die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt. Wir lassen die Länder dabei nicht aus ihrer Verantwortung. Wer sich bei der Föderalismusreform nach der Zuständigkeit für den sozialen Wohnungsbau drängte und sich diese vom Bund jährlich mit 518 Millionen Euro bezahlen lässt, muss jetzt auch dazu stehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Vorschläge unseres Bundesministers Ramsauer -geben den Ländern dazu die allerbeste Gelegenheit. -Packen wir es an! Dann werden wir das Ziel von 250 000 Wohnungen erreichen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sören Bartol [SPD]: Gut, dass Ihnen das am Ende der Legislaturperiode einfällt!) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/12485, 17/12486, 17/12481 und 17/11200 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem -Titel "Wohnraum in Deutschland zukunftsfähig machen - Für ein sozial gerechtes und klimafreundliches Mietrecht". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12472, den Antrag der Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/7983 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 41 a bis 41 c und die Zusatzpunkte 2 a bis 2 c auf: 41 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Handelsübereinkommen vom 26. Juni 2012 zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits sowie Kolumbien und Peru andererseits - Drucksache 17/12354 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union b) Erste Beratung des von der Bundesregierung -eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 29. Juni 2012 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und Zentralamerika andererseits - Drucksache 17/12355 - Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Intelligente Verkehrssysteme im Straßenverkehr und deren Schnittstellen zu anderen Verkehrsträgern (Intelligente Verkehrssysteme Gesetz - IVSG) - Drucksache 17/12371 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ZP 2 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Meeresforschung stärken - Potentiale ausschöpfen und Innovationen fördern - Drucksache 17/9745 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten René Röspel, Lars Klingbeil, Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Freier Zugang zu öffentlich finanzierten Forschungsergebnissen - Drucksache 17/12300 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f) Rechtsausschuss Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Ausschuss für Kultur und Medien c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Franz Thönnes, Dr. Rolf Mützenich, Christoph Strässer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Volker Beck (Köln), Ute Koczy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umfassende Modernisierung und Respektierung der Menschenrechte in Aserbaidschan unabdingbar machen - Drucksache 17/12467 - Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Innenausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist das so beschlossen. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 42 a bis 42 m sowie Zusatzpunkt 3. Es handelt sich um die -Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 42 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung von Kostenhilfe für Drittbetroffene in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR-Kostenhilfegesetz - EGMRKHG) - Drucksache 17/11211 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/12535 - Berichterstattung: Abgeordnete Ute Granold Christoph Strässer Marco Buschmann Raju Sharma Ingrid Hönlinger Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12535, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/11211 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Enthaltung der Linken von den anderen Fraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 42 b: Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über konjunkturstatistische Erhebungen in bestimmten Dienstleistungsbereichen (Dienstleistungskonjunkturstatistikgesetz - DLKonjStatG) - Drucksache 17/12014 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) - Drucksache 17/12510 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Martin Lindner (Berlin) Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Druck-sache 17/12510, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12014 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf so zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dann ist der Gesetzentwurf mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 42 c: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll von Nagoya/Kuala Lumpur vom 15. Oktober 2010 über Haftung und Wiedergutmachung zum Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit - Drucksache 17/12337 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12528 - Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Röring Elvira Drobinski-Weiß Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Harald Ebner Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12528, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12337 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf -zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 42 d: Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vorläufigen -Tabakgesetzes - Drucksache 17/12338 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12530 - Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Elvira Drobinski-Weiß Dr. Erik Schweickert Karin Binder Nicole Maisch Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12530, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12338 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf -zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkte 42 e bis 42 m. Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 42 e: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 537 zu Petitionen - Drucksache 17/12401 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Ent-haltungen? - Die Sammelübersicht 537 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 42 f: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 538 zu Petitionen - Drucksache 17/12402 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch die Sammelübersicht 538 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 42 g: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 539 zu Petitionen - Drucksache 17/12403 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 539 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 42 h: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 540 zu Petitionen - Drucksache 17/12404 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 540 ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 42 i: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 541 zu Petitionen - Drucksache 17/12405 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 541 ist mit den Stimmen von vier Fraktionen gegen die Stimmen der Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 42 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 542 zu Petitionen - Drucksache 17/12406 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 542 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Linken und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 42 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 543 zu Petitionen - Drucksache 17/12407 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 543 ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen und der Linken gegen die Stimmen von SPD und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 42 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 544 zu Petitionen - Drucksache 17/12408 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 544 ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 42 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 545 zu Petitionen - Drucksache 17/12409 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht 545 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Zusatzpunkt 3: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bundesregierung Einhundertzweiundsechzigste Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste - Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz - - Drucksachen 17/12001, 17/12114 Nr. 2.1, 17/12448 - Berichterstattung: Abgeordnete Ulla Lötzer Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12448, die Aufhebung der Verordnung auf Drucksache 17/12001 nicht zu verlangen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Zusatzpunkten 4 a bis 4 c, zu den Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses. Ich rufe zunächst Zusatzpunkt 4 a auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) - Drucksachen 17/7746, 17/10158, 17/10768, 17/12463 - Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Dies gilt auch für die noch folgenden Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses zu den Zusatzpunkten 4 b und 4 c. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/12463? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Fraktion der Linken angenommen. Ich rufe Zusatzpunkt 4 b auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz) - Drucksachen 17/10038, 17/10251, 17/11395, 17/11938 17/12464 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister Der Kollege Michael Meister hat darum gebeten, im Rahmen seiner Berichterstattung eine Protokollerklärung der Bundesregierung zu Protokoll zu nehmen.1 Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/12464? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Ich rufe Zusatzpunkt 4 c auf: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 - Drucksachen 17/11314, 17/11717, 17/11718, 17/11940, 17/11950, 17/12465 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister Der Kollege Michael Meister hat auch hier darum gebeten, im Rahmen seiner Berichterstattung eine Protokollerklärung der Bundesregierung zu Protokoll zu nehmen.2 Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/12465? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen der Linken vom Haus angenommen. Ich rufe nun den Zusatzpunkt 5 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion DIE LINKE Position der Bundesregierung zur Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Klaus Ernst für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Klaus Ernst (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem man den Eindruck hat, dass es in diesem Hause nur noch Befürworter eines gesetzlichen Mindestlohnes gibt, weil inzwischen alle konsequent bei uns abschreiben - leider nicht immer richtig -, (Lachen des Abg. Dr. Michael Meister [CDU/CSU]) haben wir das zum Anlass genommen, uns mit der einen oder anderen Aussage von Ihnen zu beschäftigen. Michael Grosse-Brömer, Ihr Parlamentarischer Geschäftsführer, sagte im Spiegel am 18. Februar - Zitat -: Wir werden als Union noch einmal einen Versuch unternehmen, - noch einmal einen Versuch unternehmen - die FDP für einen tariflich vereinbarten Mindestlohn zu gewinnen. Sehr löblich! - Der CDU-Fraktionsvorsitzende in NRW, Karl-Josef Laumann sagt: Wir brauchen einen robusten Mindestlohn. Der künftige Mindestlohn muss prägende Wirkung haben, sonst können wir es gleich sein lassen. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. Wir können nicht Hunderte Ausnahmen gebrauchen, sondern streben eine einheitliche und verbindliche Lohnuntergrenze an, bei der die Kommission der Tarifpartner in wenigen begründeten Fällen differenzieren kann. Selbst Brüderle kann sich jetzt vorstellen, dass sich bei den Liberalen etwas tut, und auch Philipp Rösler spricht von fairen Löhnen, was sehr löblich ist. Frau Kramp-Karrenbauer im Saarland will einer Initiative des Bundesrates zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne zustimmen. Gegenüber der Welt betont Frau Hasselfeldt, mit der FDP laufend - das finde ich bemerkenswert - über das Thema zu reden. Sie tun auch gut daran; denn laut einer Erhebung sind inzwischen 66 Prozent der -Unionsanhänger für einen gesetzlichen Mindestlohn. Sie müssen Ihren Wählern etwas hinterherlaufen, um sie noch einholen zu können. (Beifall bei der LINKEN) Die entscheidende Frage ist: Meinen Sie es mit Ihrer Forderung nach einem Mindestlohn eigentlich ernst? Denn Ihr Vorschlag, dass nur in den Bereichen eine Lohn-untergrenze festgelegt werden soll, in denen es keine Tarifverträge gibt, geht vollkommen am Thema vorbei; die sogenannte allgemein verbindliche Lohnuntergrenze ist kein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn. Im Fleischerhandwerk in Thüringen wird ein Stundenlohn von 6,19 Euro gezahlt, im Friseurhandwerk in Berlin sind es 4,65 Euro, in der Floristik in Brandenburg sind es 5,26 Euro, im Hotel- und Gaststättengewerbe - das die FDP so gerne fördert - in Mecklenburg-Vorpommern werden 6,73 Euro gezahlt, und die Garten- und Landschaftsbauern erhalten 6,25 Euro. All das sind tarifliche Löhne. Mit Ihrer Position würden diese Löhne bleiben, wie sie sind. Das ist Folge Ihrer Lohnuntergrenze. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD]) Ich sage Ihnen in aller Klarheit: Das, was Sie vorschlagen, brauchen die Menschen in unserem Land nicht. Wird Ihr Vorschlag umgesetzt, dann bleibt es dabei: 23,1 Prozent verdienen unter 9,15 Euro pro Stunde, 4 Millionen Beschäftigte verdienen weniger als 7 Euro und 1,4 Millionen sogar weniger als 5 Euro. Das ist der Zustand, den Sie ändern müssten; aber das tun Sie nicht. Deshalb sind Sie für diese Löhne mit verantwortlich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Momentan ist die Zeit der Plagiate. Deshalb noch ein Wort zu Herrn Steinbrück. Ich habe ein Zitat aus der Tagesschau vom 24. Februar zur Kenntnis genommen. Dort sagt Herr Steinbrück: Wir sind das Original mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, und die anderen werden fummelig und eifern uns nach, weil sie merken: Da passiert was. (Iris Gleicke [SPD]: Ich habe schon "Mindestlohn" gesagt, da haben Sie als Gewerkschafter noch dagegen gestänkert!) Meine Damen und Herren von der SPD, (Iris Gleicke [SPD]: Wir sind das Original!) Sie haben in der letzten Legislaturperiode dagegen gestimmt. Unsere Forderung stand da schon längst auf der Tagesordnung. (Iris Gleicke [SPD]: Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn, Herr Ernst!) - Da könnt ihr brüllen wie ihr wollt. (Iris Gleicke [SPD]: Ja, ja!) Im Spiegel vom 1. April 2006 heißt es - Zitat -: In der Öffentlichkeit hält er sich noch bedeckt. - Ihr Spitzenkandidat - Hinter den Kulissen jedoch kämpft Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit großer Energie gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Das ist die Wahrheit. Wir brauchen keinen Mindestlohn von 8,50 Euro, sondern einen Mindestlohn von mindestens 10 Euro. (Beifall bei der LINKEN - Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: 10,50 Euro!) Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Das hat einen einfachen Grund - den kennen Sie genauso gut wie wir -: Jeder Lohn von unter 10 Euro die Stunde führt dazu, dass der Mensch, der diesen Lohn sein Leben lang erhält - und nie arbeitslos wird -, als Rentner eine Rente bezieht, die unterhalb der Grundsicherung im Alter liegt. Das heißt, jeder Lohn unter 10 Euro in der Stunde führt im Ergebnis dazu, dass Sie die Menschen arm machen, wenn sie in Rente gehen. Das müssen Sie schon alleine machen; das geht nicht mit den Linken. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Karl Schiewerling für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich sehr, dass wir, als heute die Arbeitslosenzahlen vorgelegt worden sind, feststellen konnten, dass trotz eines schwierigen Winters keine weiteren Aufwüchse zu verzeichnen sind, sodass der Präsident der Bundesagentur für Arbeit festhalten konnte, dass wir hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Iris Gleicke [SPD]: Das war schon immer so!) Zu den guten Zahlen gehört, dass wir in Deutschland im europäischen Vergleich mit 6,1 Prozent immer noch die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit haben. Wir wollen, dass sich das weiter verbessert. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schiewerling, zu welchem Thema reden Sie?) Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich der Anteil der Menschen in Kurzarbeit verringert. Warum sage ich dies? Ich sage Ihnen dies, weil wir zunächst einmal feststellen dürfen, dass wir dank der guten Konjunktur, dank der erfolgreichen arbeitsmarktpolitischen Initiativen vergangener Zeiten und dieser Regierung (Iris Gleicke [SPD]: Dank Ihrer Kürzungen!) mehr als 41 Millionen Erwerbstätige haben, darunter rund 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Dank der guten Entwicklung können wir uns auch darüber freuen, dass im Wesentlichen unter Unionskanzlern in 12 Branchen Mindestlöhne eingeführt worden sind, die von Tarifpartnern gefunden wurden und die für ungefähr 4,6 Millionen Menschen Wirkung entfalten. Wir halten das für den richtigen Weg; denn verantwortlich für die Lohnsetzung, auch für Mindestlöhne, sind die Tarifpartner und nicht der Staat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir wollen nicht, dass wir sozusagen in das "Pokerverfahren" einsteigen, wer denn nun am meisten bietet. 8,50 Euro Pflichtuntergrenze der SPD, 10 Euro Mindestgrenze der Linken - ich bin gespannt, wann im nächsten Deutschen Bundestag diese Summe erhöht wird und wir in einer Art orientalischer Phase anfangen auszuhandeln, wie hoch der beste Mindestlohn liegt. Nein, meine Damen und Herren, für das Finden von Mindestlöhnen sind die Tarifpartner zuständig. Dieses System hat sich bewährt, und dabei wollen wir bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das hat etwas mit Ordnungspolitik in unserem Land zu tun, (Zuruf von der SPD: Nein!) und das hat etwas mit klaren Strukturen zu tun. Das Modell, das die Union beschlossen hat und das wir jetzt in der Koalition miteinander diskutieren und zu einer Lösung führen wollen, sieht vor, dass die Tarifpartner gezwungen werden, überall dort, wo keine Tarifverträge wirken, dafür zu sorgen, dass ein Mindestlohn eingeführt wird. Das Modell sieht übrigens auch vor, dass überall dort, wo Tarifverträge ausgelaufen sind, der Nachlauf dieser Tarifverträge gebremst wird und nicht, wie wir das in der Tat in Thüringen erlebt haben, im Friseurhandwerk ein Tarifvertrag bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag gilt, dessen Tariflöhne übrigens viel zu niedrig sind. Aber auch in diesem Bereich sind aufgrund der Praxis die Löhne mittlerweile gestiegen. Das hat etwas mit marktwirtschaftlicher Ordnung zu tun. Da befinden wir uns auf dem entsprechenden Weg. Seien Sie versichert: Wir werden dieses Thema miteinander klären und auch miteinander vereinbaren. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle eines sehr deutlich machen: Das Thema Mindestlohn steht ja symbolisch für das Thema Gerechtigkeit. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Ich kann dies nachvollziehen. (Iris Gleicke [SPD]: Ach!) Worauf wir aber achtgeben müssen, ist, dass wir nicht ständig den Eindruck vermitteln, als würden wir in Deutschland in einer blanken Verelendungswüste leben, (Iris Gleicke [SPD]: Gucken Sie sich doch mal die Löhne im Osten an!) in der die Menschen am Hungertuch nagen und in der keine Perspektiven für die Menschen vorhanden sind. Das ist nicht der Fall. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Herr Schiewerling, wir fahren mal ins Erzgebirge oder ins Vogtland!) Seit 2010 sind deutliche Lohnsteigerungen zu verzeichnen. Überall dort, wo Tarifpartnerschaft funktioniert, kommt es zu deutlichen Lohnsteigerungen und besseren Rahmenbedingungen für die Menschen. Wir haben ein Interesse daran, dass dies auch für alle anderen Menschen zum Tragen kommt. Deswegen arbeiten wir jetzt daran, gemeinsam ein System zur Findung von tariflichen Mindestlöhnen zu etablieren. Ich bin ganz sicher, dass dieses Konzept wirken wird, übrigens auch dort, wo Tarifverträge bestehen, die noch eine Lohnhöhe vorsehen, die auch wir für hochproblematisch halten. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!) Wir schreiben aber nicht vor, sondern wir setzen darauf, dass die Tarifautonomie funktioniert. Ich glaube, dass wir in der Bundesrepublik damit bisher am besten gefahren sind. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Anette Kramme für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Anette Kramme (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von FDP und CDU, Sie stellen schon eine verdammte Regierung der Gaukler. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was ist denn mit der CSU?) Sie alle wissen, was Gaukler tun. Gaukler erwecken Illusionen, Gaukler tricksen und schwindeln, und alles nur um der Show willen. Es ist natürlich klar, um welche Show es Ihnen hier geht. Es geht um die Bundestagswahl. Sie wollen hier ein gutes Bild abgeben. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Das will die Linke!) Ob Ihnen das tatsächlich gelingt? Wir werden es sehen. Meine Damen und Herren dieser Regierung, ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie in Ihren Diskussionsbeiträgen einen Begriff verwenden, der nichts mit dem eigentlichen Markenprodukt zu tun hat. Ich bin Ihnen dankbar dafür, dass Sie den Begriff der Lohnuntergrenze verwenden. Lassen Sie mich einige Dinge zu dieser Lohnuntergrenze sagen: Es hat sich in den letzten Tagen herausgestellt, dass FDP und Union einige gemeinsame Eckpunkte zu diesem Thema haben. Zunächst einmal will ich festhalten, dass Sie alle miteinander sagen: Es darf keine absolute Lohnuntergrenze qua Gesetz geben. Ich finde es in diesem Zusammenhang interessant, dass Guido Westerwelle davon spricht, dass die Grundsätze der Leistungsgerechtigkeit verletzt sind, wenn ein Stundenlohn in Höhe von lediglich 3 Euro gezahlt wird. Da stelle ich mir natürlich die Frage, was das heißt. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir auch!) Heißt das, dass wir Mindestlöhne in Höhe von 3,50 Euro bekommen sollen? Sind dann die Grundsätze der Lohngerechtigkeit erfüllt? Meine Damen und Herren der Koalition, Sie sagen auch, dass eine Lohnuntergrenze immer dann nicht -greifen soll, wenn ein Tarifvertrag vorhanden ist oder auf einen Tarifvertrag Bezug genommen wird. Herr Schiewerling von der Union hat das gerade ganz elegant formuliert. Er hat gesagt: überall da, wo Tarifverträge wirken. (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Das ist auch ein kluger und eleganter Mensch!) - Da haben Sie recht. Das ist ein angenehmer Mensch, auf der persönlichen Ebene; (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) aber es ist sicherlich auch so, dass er politisch an der einen oder anderen Stelle mächtig danebenliegt. Das gilt auch für diesen Punkt, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) bei dem es darum geht, dass die Lohnuntergrenze immer wieder durch Tarifverträge ausgehöhlt werden kann. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland Hunderte von Tarifverträgen mit einem Stundenlohn unterhalb von 6 Euro. Man muss nur in das WSI-Archiv hi-neinschauen, um das festzustellen. Diese Bezugnahme auf Tarifverträge bedeutet Folgendes: In jedem x-beliebigen Arbeitsvertrag könnte künftig der Mindestlohn - Ihre Lohnuntergrenze - dadurch umgangen werden, indem beispielsweise hineingeschrieben wird, dass der Tarifvertrag für die Floristen greift. Also ist es möglich, dass der Mitarbeiter an der Würstchenbude nach dem Tarifvertrag für die Floristen und Floristinnen bezahlt wird. (Zuruf von der CDU/CSU: Was haben Sie denn gegen Floristinnen? - Gegenruf der Abg. Caren Marks [SPD]: Die Bezahlung!) Das ist nicht nur kurios, sondern schlimm, weil die Bezahlung in diesem Bereich nicht gut ist. Meine Damen und Herren der Union, Sie sagen: Es muss so sein, dass nach Regionen und Branchen differenziert wird. Ich stelle mir einmal vor, wie das dann abläuft. Es gibt ganz viele Regionen in der Bundesrepublik, und man kann ganz viele Branchen finden, um die es in diesem Zusammenhang geht. Ich denke, wir würden in einen jahrelangen Prozess der Lohnfindung hineinkommen, um einen Mindestlohn, eine Lohnuntergrenze zu finden. Ich stelle mir vor, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dann jeweils recherchieren müssen, um zu wissen, was für sie konkret gilt. Davon abgesehen, sehe ich Sie von einem Gesetzgebungsvorhaben noch ganz weit entfernt. Das gilt für Ihre beiden Fraktionen. Ich will an dieser Stelle nur beispielsweise erwähnen, was der bildungspolitische Sprecher der FDP gesagt hat. Er hat gesagt, es gebe keine Bewegung für eine Lohnuntergrenze oder für Mindestlöhne in Deutschland. Na ja, wir werden sehen, wie Sie Mehrheiten dafür zusammenkriegen. Meine Damen und Herren, dabei brauchen wir Mindestlöhne in der Bundesrepublik hochnotdringend. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Schiewerling, Sie haben gesagt: Bei den Arbeitsmarktzahlen steht die Bundesrepublik toll da. Und Sie haben gesagt: Die Löhne steigen. - Und trotzdem stellt das IAQ fest: 23 Prozent aller Beschäftigten - im Prinzip gleichbleibend - in Haupt- und Nebentätigkeit bekommen weniger als 8,50 Euro. Nicht umsonst wird immer wieder festgestellt, dass die Bundesrepublik leider einen der größten Niedriglohnsektoren, bezogen auf die Industrieregionen dieser Welt, hat. Das alles ist ein Jammer. Es geht um Gerechtigkeit, aber auch um die Bekämpfung von Altersarmut. An dieser Stelle von einer Lebensleistungsrente zu sprechen, ist verlogen, wenn man den Niedriglohnsektor nicht konsequent bekämpfen will. In diesem Sinne: Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Anette Kramme. - Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Dr. Heinrich Kolb. Bitte schön, Kollege Dr. Kolb. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Kramme, um das Wort "verlogen" aufzunehmen (Widerspruch der Abg. Anette Kramme [SPD]) - das ist eigentlich nicht meine Sprache, aber Sie haben es eingeführt -: Verlogen finde ich eher, wenn eine Vertreterin einer Fraktion, die den Niedriglohnsektor in Deutschland überhaupt erst eingeführt hat, hier mit großen Krokodilstränen genau diesen Umstand beweint. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Es ist nun einmal so, dass Rot-Grün damals die Idee hatte, die Massenarbeitslosigkeit - über 5 Millionen Arbeitslose - dadurch zu bekämpfen, dass man einen Niedriglohnsektor an die deutsche Volkswirtschaft anflanscht. Ihr Handeln! Ihre Verantwortung! Sie sollten das heute hier nicht so beweinen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach dem Willen der Väter und Mütter des Grundgesetzes ist Lohnfindung Sache der Tarifparteien. Ich will - anders als die Vertreter der Opposition - hier zunächst einmal festhalten, dass das in Deutschland immer noch in einem hohen Maße sehr gut funktioniert. 60 Prozent der Arbeitsverhältnisse in Deutschland unterliegen einer direkten Tarifbindung, bei weiteren 20 Prozent gibt es eine Bezugnahme auf Tarifverträge. Ich kann überhaupt nicht verstehen, wenn ein ehemaliger oder noch aktiver Gewerkschaftsfunktionär wie der Kollege Klaus Ernst hier eine allgemeine Tarifschelte betreibt. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Richtig!) Das finde ich nicht akzeptabel. Da muss ich fragen, wie Sie es mit der Tarifautonomie halten, lieber Kollege Ernst. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich finde es wichtig, in der Diskussion immer auch auf aktuelle Tarifabschlüsse abzustellen. Deswegen ist es schon ein Problem - das hat der Kollege Schiewerling angesprochen -, wie man es mit ausgelaufenen Tarifverträgen halten will, die sich in der Nachwirkung befinden und Signale senden, die heute so nicht mehr akzeptabel sind. Das ist eine Frage, die wir uns stellen und die wir sicherlich in einem guten Sinne beantworten werden. Jedenfalls steht für uns fest, dass es nicht Sache des Gesetzgebers sein kann, in bestehende, aktuelle Tarifverträge einzugreifen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Zu den unverändert 60 plus 20 Prozent - also 80 Prozent - der Arbeitsverhältnisse in Deutschland, die direkt einem Tarifvertrag unterliegen oder indirekt Bezug auf ihn nehmen, kommen 3,8 Millionen Arbeitsverhältnisse hinzu - teilweise überschneidet sich das -, in denen ein Mindestlohn aufgrund der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen gilt. 2,1 Millionen Arbeitsverhältnisse sind in dieser Legislaturperiode, durch Handeln dieser schwarz-gelben Koalition, neu mit Mindestlöhnen ausgestattet worden. Das zeigt: Wir sind bei diesem Thema nicht blind. Überhaupt nicht! (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Wir sind für Mindestlöhne. Aber für uns macht es einen Unterschied, ob sie auf der Basis von Tarifverträgen eingeführt werden - also durch die Tarifpartner auf ihre Verträglichkeit überprüft wurden - oder nicht. Das ist das große Manko einer politischen Lohnfindung, wie sie hier offensichtlich der Opposition vorschwebt: Sie wollen einen Basar eröffnen - Sie haben das heute ja hier schon getan -, auf dem um den Mindest-Mindestlohn gefeilscht wird. Unter 10 Euro dürfen es nach Ihrer Vorstellung überhaupt nicht sein. Dieser Mindest-Mindestlohn von 10 Euro zeigt doch schon, wohin die Reise bei Ihnen gehen würde. (Zuruf von der LINKEN) Vor Wahlen lässt sich dann trefflich ein Überbietungswettbewerb starten. Das ist nicht unser Weg. Wir setzen konsequent bei der Tarifbindung an. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) So wollen wir die Dinge mit unserem Koalitionspartner weiter gestalten. Wir werden darüber diskutieren: Muss man den Rahmen, den wir im Arbeitnehmer-Entsendegesetz vollständig ausgeschöpft haben - es gibt jetzt für alle darin vorgesehenen Branchen Mindestlöhne -, nachjustieren? Vor allen Dingen: Wie kann man das Mindestarbeitsbedingungengesetz, wenn es denn Probleme aufwirft, noch einmal auf den Prüfstand stellen? Eines wundert mich immer bei Ihnen, Frau Kollegin Kramme - das muss ich deutlich sagen -: Sie führen die Rente mit 67 ein - Sie haben das gemacht -, und fünf Jahre später wollen Sie damit nichts mehr zu tun haben. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht die FDP?) Sie führen einen Niedriglohnsektor in Deutschland ein, und sechs Jahre später wollen Sie das nicht mehr als Ihr Handeln gelten lassen. Genauso haben Sie in der Großen Koalition das aktuelle Instrumentarium für die Einführung von Mindestlöhnen mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und mit dem Mindestarbeitsbedingungengesetz geschaffen, und hinterher, nachdem Sie modernisiert haben, machen Sie keinen Gebrauch davon. (Katja Mast [SPD]: Mehr war ja mit Ihnen nicht möglich! - Anette Kramme [SPD]: Schauen Sie einmal, wann diese Gesetze in Kraft getreten sind!) Frau Kollegin Kramme, jede rot-grüne Landesregierung und auch jede grün-rote Landesregierung kann einen Antrag auf Einführung eines Mindestlohnes nach dem Mindestarbeitsbedingungengesetz stellen. Was passiert? Nichts. Sie machen nichts. Sie vertagen sich lieber auf einen Schauplatz, von dem Sie glauben, dass Sie ihn besser beherrschen. Das finde ich unangemessen, Frau Kollegin Kramme. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Anette Kramme [SPD]: Also, wenn Sie meinen, dass Ihnen das irgendjemand in dieser Republik glaubt! - Weiterer Zuruf von der SPD) Uns geht es um faire Löhne für Arbeitgeber, die diese Löhne zahlen müssen, und um faire Löhne für Arbeitnehmer, die von diesen Löhnen leben müssen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht die FDP?) Uns geht es auch um faire Löhne aus Sicht der Arbeitslosen, denen durch Lohnfindung ein Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt nicht verwehrt und nicht verbaut werden darf. Das ist der Weg, den wir in guter Abstimmung mit unserem Koalitionspartner gehen wollen. Sie dürfen gespannt darauf sein, mit welchen Ergebnissen wir Sie hier schon sehr bald konfrontieren werden. (Anton Schaaf [SPD]: Das sind wir allerdings!) Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Kolb. - Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unsere Kollegin Frau Brigitte Pothmer. Bitte schön, Frau Kollegin. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank; Herr Präsident. - Die einzige Aussage in Ihrer Rede, die zutreffend war, war, dass wir gespannt darauf sind, was bei dieser Vereinbarung herauskommt, Herr Kolb. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Herr Kolb, Sie haben darauf hingewiesen, dass die Lohnfindung in Deutschland so hervorragend funktioniere. Deswegen will ich Ihnen noch einmal ein paar Zahlen in Erinnerung rufen. 6,6 Millionen Menschen in Deutschland arbeiten für Löhne unter 8,50 Euro die Stunde. 1,4 Millionen Menschen arbeiten für Löhne unter 5 Euro brutto die Stunde. So weit zu der Lohnfindung in Deutschland. Dass wir Löhne unter 5 Euro die Stunde haben, ist ein Alleinstellungsmerkmal. Dieses Alleinstellungsmerkmal haben wir in Deutschland deswegen, weil wir das einzige europäische Land sind, das keinen Mindestlohn hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] - Zuruf von der FDP: Das stimmt doch gar nicht, Frau Kollegin!) Es gab und es gibt in dieser Legislaturperiode unzählige Initiativen aus den Oppositionsfraktionen, um dieses Lohndumping, das zunehmend zum Geschäftsmodell von Betrieben geworden ist, einzuschränken. Sie haben alle diese Initiativen abgelehnt, ohne auch nur eine einzige eigene Initiative auf den Tisch zu legen. Insbesondere die FDP-Fraktion hat sich unter dem Deckmantel der Marktwirtschaft als Gralshüter von Schmutzlöhnen profiliert. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das müssen Sie aber zurücknehmen!) Jetzt, etwa sechs Wochen vor den Bundestagswahlen (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Monate! Monate!) - Monate! -, hat sich selbst der Sprecher für spätrömische Dekadenz, Außenminister Westerwelle, zum Gerechtigkeitsfanatiker entwickelt. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durchschaubar ist das! - Anette Kramme [SPD]: So ist das! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was sagen die Grünen in Nordrhein-Westfalen?) Plötzlich ist auch ihm klar, dass 3 Euro Stundenlohn mit Leistungsgerechtigkeit nichts zu tun haben. (Katja Mast [SPD]: Hört! Hört!) Was für eine Erleuchtung hat diesen Mann erfasst? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Anton Schaaf [SPD] - Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ihn hat wenigstens etwas erleuchtet! Sie nicht!) Auch Frau Merkel hat eine wundersame Wandlung durchgemacht. Sie will jetzt eine Lohnuntergrenze einführen, will es also nicht mehr den Tarifvertragsparteien überlassen. Sollten die Debatten der letzten Jahre vielleicht doch gefruchtet haben? Ich fürchte, die Erklärung ist viel banaler: Schwarz-Gelb hat elf Landtagswahlen in Folge verloren. Genau dieses Schicksal befürchten Sie jetzt für die Bundestagswahl. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Gemach, gemach! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ich habe da eine Wette laufen!) Jetzt wollen Sie von den Koalitionsfraktionen, dass Ihnen der Zeitgeist in die Segel bläst, aber dazu haben Sie den falschen Einfallswinkel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Diese Bundesregierung ist Getriebene, Getriebene des Bundesverfassungsgerichts und Getriebene des Gerechtigkeitsempfindens der Bevölkerung. 84 Prozent wollen einen gesetzlichen Mindestlohn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zwei Drittel der Bevölkerung sind der Auffassung, dass die Gerechtigkeitslücke in Deutschland immer größer wird. Mir könnte es eigentlich egal sein, ob Sie aus reinem Opportunismus oder aus tiefer Einsicht in die Sache Ihre Blockade gegen den Mindestlohn aufgeben. Aber Sie geben sie eben nicht wirklich auf; das ist das Problem. Ihr Modell der Lohnuntergrenze ist eine politische Scheinlösung. Bestehende Ungerechtigkeiten werden weiter beibehalten. 1 Million Beschäftigte arbeiten unter Tarifverträgen und verdienen weniger als 8,50 Euro die Stunde. Für diese Menschen ändert sich durch Ihre Scheinlösung rein gar nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Das, meine Damen und Herren, ist von der Leistungsgerechtigkeit, von der Herr Westerwelle spricht, so weit entfernt wie ein Hartz-IV-Empfänger von den Millionen auf einem Schweizer Nummernkonto. Nein, diese Armutslöhne dürfen nicht Orientierungspunkt für Mindestlöhne werden. Mein Vorwurf an Sie lautet: Ihnen geht es nicht um die Menschen. Ihnen geht es auch nicht um die Inhalte. Für Sie sind Inhalte nur Instrumente zur Machtsicherung. (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Warum wundert mich das nicht?) Ich finde, im Tagesspiegel wurde das ziemlich treffend beschrieben - ich zitiere -: Der Vorwurf gegen Angela Merkel, dass sie die Positionen, die sie nicht hat, jederzeit räumt, ist ... berechtigt. Jetzt verändert sie die Haltung der CDU zum Mindestlohn ... Aber die Menschen sehen: Das ist ein Betrugsmanöver. Damit werden Sie nicht durchkommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Menschen wollen einen Mindestlohn ohne Wenn und Aber, und sie wollen ihn für alle Beschäftigten und für alle Unternehmen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit, und das ist auch ein Gebot des fairen Wettbewerbs unter den Unternehmen. Die Leute wollen Schluss machen mit Lohndumping. Meine Damen und Herren, vor Ihnen liegt eine historische Chance: Im Bundesrat liegt derzeit eine Gesetzesinitiative von Rheinland-Pfalz zur Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro. Ich bin stolz darauf, dass letzte Woche die neue rot-grüne Landesregierung von Niedersachsen dieser Initiative beigetreten ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Frau Kramp-Karrenbauer hat bereits angekündigt, dass sie dieser Initiative für das Saarland zustimmen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Frau Kramp-Karrenbauer ist eine kluge Frau, meine Damen und Herren. Seien Sie es ein einziges Mal auch! Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE] - Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Was? Ich soll eine kluge Frau sein?) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Pothmer. - Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Max Straubinger. Bitte schön, Kollege Max Straubinger. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Max Straubinger (CDU/CSU): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren auf Antrag der Fraktion Die Linke wiederum die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Richtig!) Das ist für uns eine gute Gelegenheit - wir sind auch dankbar dafür -, die unterschiedlichen Konzepte dar-zustellen. Vorauszuschicken ist - der Kollege Karl Schiewerling und der Kollege Kolb haben das bereits gesagt -: Unter unserer Regierung wurden in zwölf Branchen gesetzliche Lohnuntergrenzen eingeführt, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das haben wir Ihnen abverlangt!) allerdings solche, die von den Tarifpartnern nach eigenen Maßstäben und unter Berücksichtigung regionaler Gesichtspunkte gefunden worden sind, also nicht flächendeckend. Das ist auch notwendig; (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Richtig!) denn Deutschland ist keine Einheit; deshalb muss der Aspekt der Regionalität auch bei der Lohnfindung zum Ausdruck kommen. Deshalb sind wir dafür, dass die Lohnfindung unter Beachtung der Tarifautonomie weiterhin zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern vorgenommen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auch wenn wir uns in unserer Fraktion auf ein bestimmtes Modell, das dem Rechnung trägt, geeinigt -haben, möchte ich noch eines ergänzen: Es kann entscheidend sein bzw. wäre besser, Tarifverträge, zumindest die unteren Lohngrenzen eines Tarifvertrages, für allgemeinverbindlich zu erklären. Wir sollten deshalb darüber nachdenken, die Allgemeinverbindlicherklärung zu erweitern bzw. zu verbessern. Wir könnten dadurch einen Beitrag dazu leisten, dass die Lohnuntergrenzen, die die Tarifpartner selbstständig im Rahmen ihrer Verhandlungen festlegen, die Politik dann für alle Arbeitgeber in der entsprechenden Branche für allgemeinverbindlich erklärt. So könnten wir für einen Wettbewerb um die Qualität der Betriebe sorgen statt für einen Wettbewerb um den geringsten Lohn. Das ist auch ein Anspruch von CDU und CSU. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bedeutsam ist auch, dass gleich nach der Beendigung der Wahl in Frankreich Vertreter der SPD unter Führung des Chef-diplomaten der SPD, Herrn Steinbrück, nach Frankreich geeilt sind. Damals hatte er noch nicht die Leier drauf, dass Clowns gewählt worden sind, wie er es jetzt in Bezug auf Italien gesagt hat, wodurch möglicherweise mehr Verstimmung hervorgerufen wird, als dass ein Beitrag zur Lösung von Problemen geleistet wird. Aber gerade von SPD-Seite aus wird doch Frankreich immer dafür gerühmt, dass es einen tollen, hohen gesetzlichen Mindestlohn habe. Man muss sich aber auch dessen Auswirkungen anschauen. Während wir in Deutschland eine Jugendarbeitslosigkeit von 6 Prozent zu verzeichnen haben, worauf wir stolz sein können, ist in Frankreich eine Jugendarbeitslosigkeit von 27 Prozent zu verzeichnen. Diese Quote wäre noch höher - davon bin ich auch überzeugt -, wenn dort noch höhere Mindestlöhne umgesetzt worden wären. (Zurufe von der SPD und der LINKEN) Aber es gibt ja den schönen Bericht der Gallois-Kommission. Darin wird dargelegt, dass in Frankreich jeder neu geschaffene Arbeitsplatz auf Mindestlohnniveau mit 70 000 Euro - wohlgemerkt: mit 70 000 Euro je Arbeitsplatz! - subventioniert wird. Da frage ich mich schon, ob dies richtig sein kann. Deshalb ist auch die französische Industrie nicht mehr wettbewerbsfähig. Mit Subventionen allein kann man keine Volkswirtschaft führen. Das zeigt sich sehr deutlich. (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD) Deshalb kann ich Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, vor staatlicher Lohnfestsetzung nur warnen. Staatliche Lohnfestsetzung (Zurufe von der SPD sowie der Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE] und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) bringt in keiner Weise Positives für eine Volkswirtschaft. Deshalb lehnen wir eine staatliche Lohnfestsetzung ab, Herr Kollege Strengmann-Kuhn. In dieser Frage ist auch Folgendes bedeutsam - darüber haben wir uns jüngst mit Juristen unterhalten -: Wenn wir hier eine staatlich verordnete Lohnuntergrenze haben, dann werden Sie feststellen, dass sich die Sittenwidrigkeit von Löhnen in Deutschland signifikant verändern wird. Derzeit wird Sittenwidrigkeit im Durchschnitt dann festgestellt, wenn Löhne von unter 60 Prozent gezahlt werden. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Bei 3 Euro also 2 Euro!) Wenn ein Architekt, der durchschnittlich einen Verdienst von 4 000 Euro im Monat hat, zu einem Gehalt in Höhe von 2 050 Euro beschäftigt wird, dann wäre das nach dem jetzigen Gesetz sittenwidrig. Wenn Sie aber einen gesetzlichen Mindestlohn einführen, dann ist das nicht mehr sittenwidrig. Das ist letztendlich ein Programm zur Lohndrückerei (Widerspruch bei der LINKEN sowie bei -Abgeordneten der SPD) insbesondere in Facharbeiterkreisen. Das möchte ich Ihnen noch ins Stammbuch schreiben. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Deshalb bin ich davon überzeugt, dass der von uns eingeschlagene Weg, Lohnuntergrenzen von den Tarifparteien festlegen zu lassen (Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir auch!) und diese dann für allgemeinverbindlich zu erklären, im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und im Sinne einer wettbewerbsfähigen Volkswirtschaft der bessere Weg ist. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Straubinger. - Nächste Rednerin ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Gabriele Lösekrug-Möller. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPD) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Straubinger, Ihre Rede bestand zu 100 Prozent aus Ideologie. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Was? - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ein bisschen Dummheit war auch dabei!) Ich finde, dafür ist das Thema nun wirklich ein bisschen zu schade. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Max Straubinger [CDU/CSU]: Ich bin doch ideologiefrei!) Ich habe hier das erste Blatt eines wunderbaren Papiers mitgebracht. Dabei handelt es sich um - einschlägig Bewanderte erkennen es an der Farbe - um eine Drucksache aus dem Bundesrat, und zwar die Drucksache 136/13. Dies ist ein Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und, liebe Kollegin Pothmer, auch Niedersachsen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dieser Gesetzesantrag ist ganz eindeutig, weil in ihm für ein klares Problem eine eindeutige Lösung vorgeschlagen wird. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Pure Ideologie! - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Pure Ideologie, genau!) Herr Straubinger, ich frage mich: Was müssen eigentlich die Gewerkschaften über diese Mehrheitsfraktionen und über diese Regierung denken, wenn sie von Ihnen als Kronzeuge gegen einen gesetzlichen Mindestlohn missbraucht werden? Ich will Ihnen sagen: Das ist eine ganz dreiste Nummer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich kenne keine Einzelgewerkschaft, die Ihre Haltung teilt. Selbst der DGB betreibt seit langem - aus guten Gründen - eine große Initiative für einen gesetzlichen Mindestlohn. Und dann stellen Sie sich hierher und sagen: "Es lebe die Sozialpartnerschaft!", (Max Straubinger [CDU/CSU]: Jawohl! Sehr gut!) und: "Die Gewerkschaften machen das richtig". (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die Gewerkschaften schließen doch permanent Tarifverträge! Was hat das denn damit zu tun?) Die Gewerkschaften machen es insofern richtig, weil sie einen gesetzlichen Mindestlohn fordern, damit sie dann mit voller Kraft, Herr Kolb, ihrer Tarifvertragshoheit nachkommen können. Genau darum geht es. Was Sie uns hier an Logik bieten, das taugt überhaupt nichts. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE]) Wie wir gerade gehört haben, sind in der Bundesrepublik Deutschland 29 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Tatsache ist: 6,1 Millionen Beschäftigte - die Zahl wurde genannt - warten auf einen gesetzlichen Mindestlohn; sie würden von einem Mindestlohn von 8,50 Euro definitiv profitieren. Diese Menschen lassen Sie im Regen stehen. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Übrigens würden die unter 25-Jährigen von diesem Mindestlohn überproportional profitieren: Jeder Zweite von ihnen würde von einem Mindestlohn von 8,50 Euro profitieren. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn sie dann noch einen Arbeitsplatz hätten!) Ich kann nur sagen: Liebe junge Leute, wartet nicht mehr auf diese Regierung! Sie wird euch im Regen stehen lassen; denn es ist eindeutig, dass sie das, was richtig wäre, nicht will. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich weiß, dass Sie - das werden in Folge auch der Kollege Vogel und andere tun - immer darauf rekurrieren, in wie vielen Branchen Sie die Einführung eines Mindestlohns erreicht haben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja!) Da sage ich: Das ist gut; aber das ist weniger als die halbe Miete, und dieser Prozess zieht sich schon über eine lange Zeit hin. Bei den Lösungsvorschlägen, die jetzt von Ihrer Seite diskutiert werden, ergibt sich auch folgendes Problem: Ist man in der falschen Branche und wohnt und arbeitet man in der falschen Region, hat man doppelt Pech gehabt; dann steht man da, und gar nichts hilft. Ich frage mich: Interessieren Sie diese Menschen nicht? - Ich bin gespannt auf Ihre Antwort. Im Zusammenhang mit der Debatte, die wir heute Morgen über die Fragen geführt haben, wie es sich eigentlich mit Wohnen in Deutschland verhält, wer sich das noch leisten kann, wer ordentliche Wohnungen bekommt und was diese Regierung eigentlich dafür getan hat - gar nichts hat sie übrigens getan -, ist mir aufgefallen, dass die Koalition jetzt folgende drei Stücke auf den Spielplan gesetzt hat: Sie versprechen Verbesserungen beim Wohngeld und auch beim sozialen Wohnungsbau. Das sind allerdings nichts als Ankündigungen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: In München müssen die Leute zahlen, weil die rot-grüne Stadtverwaltung es nicht möglich macht, Wohnraum zu schaffen!) Auf den Spielplan kommt nach meinem Eindruck auch die halbierte doppelte Staatsbürgerschaft. Das ist der Akt, den die FDP auf die Bühne bringen wird; die Proben dazu haben schon begonnen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Als Regisseurin haben Sie aber nicht viel Talent, Frau Kollegin!) Für Ihre Ansagen in puncto Lohnuntergrenze, Herr Kolb, können sich jene, die schon lange darauf warten, für ordentliche Arbeit endlich einen ordentlichen Stundenlohn zu bekommen, nichts kaufen. Das ist dreimal schlechtes Theater von dieser Regierung und diesen Fraktionen. Ich finde, das ist eine Zumutung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner für die Fraktion der FDP unser Kollege Johannes Vogel. Bitte schön, Kollege Johannes Vogel. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Schiewerling hat eben auf die Ausgangslage der Debatte hingewiesen. Die Ausgangslage ist doch, dass sich der deutsche Arbeitsmarkt in eine Richtung entwickelt, über die wir alle froh sein sollten: rekordniedrige Arbeitslosigkeit, Rekordstand bei der Beschäftigung, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei Werkverträgen zum Beispiel!) niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Auch die Qualität der Arbeit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, geht in die richtige Richtung. Der Niedriglohnsektor ist zuletzt geschrumpft, und die Einkommensungleichheit nimmt in Deutschland seit 2006 nicht mehr zu. Das ist die Ausgangslage. Deshalb ist es doch richtig, zu überlegen: Wie erhalten wir diese Ausgangslage und verbessern die Lage noch, ohne Perspektiven zu zerstören? Ich denke, darüber sollte doch Einigkeit bestehen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb sage ich ganz ehrlich: Ihre Forderung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, einen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn einzuführen, (Klaus Ernst [DIE LINKE]: So, wie ihn die Leute wollen!) überzeugt mich nicht; (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Deshalb seid ihr bei 4 Prozent!) wir konnten ja heute wieder erleben, wohin das führt. Sie alle schlagen ja auch vor, dass die Politik dann die -Untergrenze dieses einheitlichen Mindestlohns definieren soll. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Einmalig und die Steigerung durch die Kommission! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie doch einmal den Antrag des Bundesrates! Da steht das ganz anders drin!) Wohin das führt, hat der Kollege Ernst hier im Deutschen Bundestag in der Einleitung dieser Aktuellen Stunde doch wieder deutlich gemacht. Lieber Kollege Ernst, das ist ja Ihr gutes Recht; aber Sie mögen mir verzeihen, dass ich ganz ehrlich bekenne: Lohnfindung durch den Deutschen Bundestag, angetrieben durch Klaus Ernst hier im Plenum, das will ich nicht. Das zerstört die Perspektiven der Menschen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das will doch gar keiner! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht da gar nicht drin! Das will keiner! - Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Warum erstaunt mich das nicht?) Ich fand interessant, was die Kollegin Lösekrug-Möller gesagt hat. Sie hat behauptet, dass gerade junge Leute von einem gesetzlichen Mindestlohn profitieren würden, und sie hat gesagt, wir sollten das Ganze ohne Ideologie betrachten. (Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Ah ja!) Ich finde, das ist eine gute Überlegung. Deshalb sollten wir doch ernst nehmen, was uns die OECD gerade wieder einmal aufgeschrieben hat. Die OECD - nicht diese Regierung, nicht die Koalition - sagt: Die Länder, die einen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn haben, stehen gerade hinsichtlich der Jugendarbeitslosigkeit erheblich schlechter da. Das sehen Sie an dieser Grafik. (Abg. Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP] hält ein Schaubild hoch) Diese Grafik ist nicht von uns, sondern von der OECD. Sie sehen hier, dass die Schere zwischen den Ländern, die einen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn haben, und den Ländern, die ihn nicht haben, auseinandergeht, und zwar zulasten der Perspektiven der jungen Menschen. Hier sollten wir doch auf der Seite der Perspektiven für die jungen Menschen sein. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Liebe Frau Kollegin Pothmer, das gilt übrigens nicht nur für uns, sondern zum Beispiel auch für unsere Nachbarn in Österreich oder im Norden, in Skandinavien. (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben alle vergleichbare Lösungen! Da gibt es einen flächendeckenden Mindestlohn!) Sie haben auch keinen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn, sondern gehen über die Tarifpartner branchendifferenziert vor. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Flächendeckende Tarifbindung! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über die flächendeckende Tarifbindung! Die haben wir aber nicht mehr!) Das ist genau der Weg auch dieser Koalition; denn wir wollen natürlich faire Löhne. Wir wollen auch, dass das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit vorherrscht. Wir wollen alle Dumpinglöhne verhindern. Deshalb ist es auch richtig, Lohnuntergrenzen einzuziehen. Diese -Lohnuntergrenzen müssen aber Branche für Branche geschaffen werden - im Einklang mit der Tarifautonomie. Dann verbinden wir nämlich Einstiegschancen für die Menschen, soziale Ausgewogenheit und ordentliche, faire Bezahlung für alle. Diesen Weg sollten wir weitergehen. (Beifall bei der FDP) Diese Koalition hat das auch schon getan. Ich wurde ja eben von der Kollegin Lösekrug-Möller dazu auf-gefordert, noch einmal zu sagen, was diese Koalition im Bereich Mindestlöhne eigentlich getan hat. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das kann man nicht oft genug sagen!) Ich kann sagen: Für über 2 Millionen Menschen hat diese Koalition neue, branchenbezogene Mindestlöhne im Einklang mit der Tarifautonomie ermöglicht. Das führt dazu, dass mittlerweile 4 Millionen Menschen in Deutschland in Branchen arbeiten, in denen es diese Mindestlöhne gibt - aber eben branchendifferenziert und im Einklang mit der Tarifautonomie. Ich glaube, es ist richtig, diesen Weg weiterzugehen. Deshalb ist es auch richtig, wie das der Kollege Kolb schon gesagt hat, dass wir jetzt in der Koalition über weiteren politischen Anpassungsbedarf sprechen, um auf diesem Weg voranzukommen. Das ist der bessere Weg, als sich hier in Wahlkämpfen mit politischen Mindestlohnforderungen zu überbieten, (Anette Kramme [SPD]: Auch außerhalb von Wahlkämpfen!) wie Sie das tun, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Nur ein Punkt zum Abschluss, Frau Kollegin Pothmer, weil Sie uns als Koalition in dieser Debatte durchaus angegangen sind, was auch Ihr gutes Recht als Opposition ist. Sie kommen aus Niedersachsen, ich komme aus Nordrhein-Westfalen. Ich will nur sagen: Wenn Sie, wie uns alle, sehr niedrige Löhne, Dumpinglöhne, umtreiben, die wir alle nicht wollen, dann wäre es schön, wenn Sie vielleicht im ersten Schritt vor der eigenen Haustür kehren würden. Wir alle haben Berichte darüber gesehen, dass zum Beispiel Ihre Fraktionsvize Frau Bärbel Höhn in Nordrhein-Westfalen für den Wahlkampf Mitarbeiter für Stundenlöhne von 4 Euro sucht. (Sebastian Blumenthal [FDP]: 4 Euro!) Ich glaube, das ist nicht überzeugend. Vielleicht klären Sie das erst einmal intern bei den Grünen, bevor wir hier die nächste Debatte führen, in der Sie uns von der Koalition Vorwürfe machen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Diffamierung! Welche Stundenlöhne zahlen Sie denn den Praktikanten? Absolut keine!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Vogel. - Nächste Rednerin in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Jutta Krellmann. Bitte schön, Frau Kollegin Krellmann. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Straubinger, ich möchte gerne die bayerische Verfassung zitieren, und zwar ganz konkret den Art. 169 Abs. 1. Darin ist geregelt: Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne festgesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den jeweiligen kulturellen Verhältnissen entsprechende Mindestlebenshaltung für sich und seine Familie -ermöglichen. Irgendwie stehen Sie nicht auf dem Boden Ihrer Verfassung. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Also Branchenmindestlöhne! Das ist etwas anderes, als Sie wollen! Das sind branchendifferenzierte und regional differenzierte Löhne!) Mindestlöhne einzuführen, ist anscheinend hier in Deutschland superschwierig. Zum einen können wir für Rettungsschirme ganz schnell Milliarden Euro verteilen, zum anderen sind Mindestlöhne plötzlich eine Jahrhundertaufgabe. Es gibt aber Beispiele aus anderen Bereichen dafür - da bitte ich die Damen und Herren von der FDP, gut zuzuhören, Herr Kolb -, dass derartige Regelungen funktionieren, und zwar sehr gut funktionieren: (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Ja, -sagen Sie mal!) Beispiel Bundesurlaubsgesetz. Das Bundesurlaubs-gesetz - das ist im Grunde genommen nichts anderes als ein Mindesturlaubsgesetz, und es gilt für alle, also kein Unterschied zwischen Ost und West - legt 20 Arbeitstage fest. Das sind vier Wochen. Der Tarifvertrag sagt in der Regel 30 Arbeitstage. Das sind im Grunde sechs -Wochen. Ein anderes Beispiel ist die Arbeitszeit. In unseren Gesetzen stehen 48 Stunden. Der Tarifvertrag sagt 35 bis 40 Stunden. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Worauf wollen Sie denn hinaus?) - Ja, hören Sie zu! Gesetze, Herr Kolb, legen schon heute Mindest- und Höchststandards fest, und das einvernehmlich und erfolgreich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nach Tarifvertrag gibt es zusätzliches Urlaubsgeld, zusätzliches Weihnachtsgeld, nach Gesetz nicht. (Zuruf von der LINKEN: Richtig!) Das sind Beispiele dafür, meine Damen und Herren, dass die Kombination von Tarifvertrag und Gesetz wunderbar funktioniert. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nur die FDP begreift das anscheinend nicht. Gesetze sind die Basis und so etwas wie die Untergrenze, Tarifverträge sind eigentlich on top. Wenn Sie etwas machen wollen, dann tun Sie den Gewerkschaften, die Sie ja im Grunde für ihre Arbeit immer loben, doch den Gefallen und führen Mindestlöhne ein, damit es Gewerkschaften in Zukunft bei dem, was sie vorhaben, einfacher haben und nicht schwerer. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Schade, dass man keine Zwischenfrage stellen kann! Mir würde eine einfallen!) Ziel der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze war es, einen Niedriglohnbereich zu etablieren. Minijobs, -Leiharbeit, Befristungen, Hartz IV und der Zwang, jede Arbeit annehmen zu müssen, haben dazu geführt, dass mittlerweile über 20 Prozent der Vollzeitbeschäftigten im Niedriglohnsektor arbeiten. Ich persönlich hätte niemals geglaubt, dass es in Deutschland jemals so weit kommen kann. Frauen sind davon besonders betroffen. Mein Kollege Klaus Ernst hat Beispiele genannt. Ich will das noch um ein Beispiel aus dem Pflegebereich ergänzen. Es gibt zwar einen Pflege-Mindestlohn - na toll! -, aber er gilt nicht für die hauswirtschaftliche Versorgung. In der Leiharbeit haben wir einen Mindestlohn - na toll! - von 8,19 Euro. Die Leiharbeiter müssen aber trotzdem aufstocken. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Das ist doch nicht richtig so. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte gern ein Beispiel aus einer Broschüre von Verdi und NGG vorlesen, das - wie ich finde - sehr -typisch ist, und zwar von einer Verkäuferin, die in solch einer Situation arbeitet. Als Verkäuferin in einer Fleischerei muss ich meistens 10 Stunden täglich arbeiten (Brutto-Stundenlohn: 5,75 Euro). Ich lebe zur Miete mit meinem Kind. Ohne das monatliche Kindergeld und den Unterhalt für mein Kind wäre ein Überleben nicht möglich - ganz zu schweigen davon, sich auch mal was leisten zu können. Urlaub war seit 20 Jahren nicht drin. Ich bin für einen Mindestlohn, um das Leben wieder lebenswert zu machen. Das ist ein konkretes Beispiel. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Frauen, die im Grunde genommen auf Mindestlohn angewiesen sind, müssen sich fragen: Wer blockiert eigentlich die Einführung eines Mindestlohns hier in Deutschland? Warum geht das in Deutschland nicht? - Weil die FDP das nicht will? Weil die Arbeitgeberverbände das nicht wollen? Weil die CDU lieber einen -Flickenteppich über unser Land ausbreitet? - 20 von 27 europäischen Ländern haben bereits einen Mindestlohn. Die sind doch nicht alle blöd; die wissen doch, was sie da gemacht haben! (Beifall bei der LINKEN - Maria Michalk [CDU/CSU]: Wir haben ein anderes Sozialsystem!) Mindestlöhne wurden in den meisten EU-Ländern in den letzten Jahren erhöht - nicht in den südeuropäischen Ländern; da wurden sie durch den Druck des EU--Spardiktats reduziert. Deutschland ist mittlerweile das reichste Land in der EU. Diskussionen über "zu hoch" und "zu teuer" sind richtig lächerlich. Durch ständiges Wiederholen wird das auch nicht richtig. (Beifall bei der LINKEN) Wir, die Linke - mein Kollege Klaus Ernst hat das schon gesagt -, wollen einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 10 Euro, und zwar in Ost und West. Es darf keinen Unterschied zwischen Ost und West geben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ein solcher Unterschied wäre nach über 20 Jahren deutscher Einheit nicht richtig und ein völlig falsches Signal an die Menschen, die hier in Deutschland leben. Also: Packen wir es an! Setzen wir es durch! Ich würde mich unheimlich freuen. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Und was ist mit der Kommission, die Sie wollen?) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. - Nächste Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist unsere Kollegin Frau Maria Michalk. Bitte schön, Frau Kollegin Michalk. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Maria Michalk (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Damen und Herren! Noch einmal die Frage: Warum arbeiten die Menschen eigentlich? Warum arbeite ich? Diese Frage stellen sich zunehmend mehr Menschen in unserem Land. Ich will das einmal von dieser Seite beleuchten. Ist es das Vergnügen oder vielleicht das Bedürfnis, mit anderen Menschen etwas gemeinsam zu machen, sich einzubringen, sich zu verwirklichen? Oder ist es eine ganz normale Notwendigkeit unseres Menschseins, seine Brötchen selbst zu verdienen, um ein gutes persönliches Leben oder den Lebensunterhalt der Familie zu sichern? Oder arbeiten wir, weil es ganz einfach zum Leben dazugehört, Freude bereitet und damit wir nicht aus Langeweile auf dumme Gedanken kommen? (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) All diese Fragen beschäftigen immer wieder Menschen. Wir sind uns doch einig: Die Mischung aus allen drei Gesichtspunkten ist es, die unsere Arbeitswelt zusammenhält. Nehmen wir als Beispiel einen Bäcker. Er backt seine Brötchen nicht, weil er Mitleid mit Menschen hat, die Hunger haben. Vielmehr macht er es, weil er seine schmackhafte Ware verkaufen will und muss, weil er Geld verdienen muss, weil er seine Familie ernähren muss und weil er seinen Mitarbeitern Lohn zahlen muss. Wenn er am Ende des Tages Brötchen übrig hat, dann schmeißt er diese nicht weg, sondern gibt sie vielleicht einer Tafel, um sozial Bedürftigen zu helfen. Bis vor kurzem war es noch so: Obwohl er nichts eingenommen hatte, musste er auf die Abgabe an die Tafel Umsatzsteuer zahlen. Das haben wir geändert. Das ist gut so; das ist nun geklärt. Ich erwähne das nur, um deutlich zu machen, dass es viele Details in dieser Frage gibt, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, die aber den Unternehmen vor Ort zum Teil das Leben ziemlich schwer machen. Fakt ist: Der Bäcker muss seine Ware zu einem Preis verkaufen, dass unter dem Strich für seine Angestellten die Lohnzahlung möglich ist und er auch noch investieren kann. Der Lohn kommt vom Kunden. Das ist ein ewig geltender und richtiger Satz. Unser Kaufverhalten ist ein Element in dieser Diskussion; denn wir beeinflussen mit unserem Kaufverhalten, ob Waren abgegeben und -ordentliche Löhne gezahlt werden können. Ein auskömmliches Einkommen durch seiner eigenen Hände oder seines Kopfes Arbeit zu haben, ist keine Gier - darin sind wir uns sicherlich einig -, sondern eine Selbstverständlichkeit. Dass aber immer noch viele Menschen in unserem Land zu Bedingungen arbeiten, die ihnen kein gedeihliches Auskommen ermöglichen und sie zu Aufstockern werden lassen, ist wahr und vielfach nicht die Schuld der Betreffenden, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass manche Zeitgenossen in unserem Land sich auf Kosten der Mitarbeiterschaft überdimensionierte Gewinne öffentlich fördern lassen. (Beifall bei der SPD) Auch darin sind wir uns einig: Löhne sind selbst-verständlich ein Wettbewerbselement. Aber gute Mitarbeiter, wirkliche Facharbeiter, Experten in ihrem Fach sind zunehmend gefragte Leute und haben auch ihren Preis. Das haben viele Unternehmer in unserem Land erkannt und ihr Verhalten geändert. Manche Zeitgenossen haben das noch nicht getan. Diese werden einen Preis dafür zahlen. Dieses Element dürfen wir in der Debatte nicht vernachlässigen. Ich will kurz das Beispiel der Pflegedienste aufgreifen. Es ist klar: Wenn zum Beispiel ambulante Pflegedienste keine Mitarbeiter mehr bekommen, weil Mitbewerber höhere Löhne zahlen und die Menschen ganz selbstverständlich die Arbeit dort aufnehmen, wo sie besser verdienen können, dann liegt die Antwort doch auf der Hand. Wenn gerade in diesem Bereich bei gleichen Pflegeversicherungsbeiträgen immer noch unterschiedliche Tarife in Ost und West ausgehandelt werden, dann ärgert mich das. Das ist ein Appell an die Tarifpartner, an dieser Stelle zu reagieren, aber nichts vorzuschreiben. Weil der Dialog zwischen den Tarifpartnern so wichtig ist, ist der von uns gewählte Weg, von dem Sie heute schon mehrmals gehört haben und den Sie hoffentlich auch verinnerlicht haben, genau der richtige Weg, weil im Dialog der Partner die regionalen Besonderheiten, aber auch die speziellen Notwendigkeiten des Fachgebiets berücksichtigt werden können, weil eben der Bäcker kein Schneider ist. Aufgrund der Tatsache, dass 1,4 Millionen Menschen in Deutschland weniger als 5 Euro in der Stunde verdienen - das ist heute schon gesagt worden -, nehmen wir das Thema ernst und haben einen Weg vorgeschlagen, den wir weitergehen werden. Ich persönlich bin mir ziemlich sicher, dass das zwar ein kompliziertes Verfahren, aber der richtige Weg ist, den wir weitergehen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Michalk. - Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Hubertus Heil. Bitte schön, Kollege Hubertus Heil. (Beifall bei der SPD) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Debatte gibt Anlass, über das zu reden, was das Wesen unserer sozialen Marktwirtschaft einmal war und sein soll. Was macht eigentlich unsere Wirtschaftsordnung aus, die wir dem Grunde nach befürworten und die über Jahrzehnte hinweg in Deutschland eine große Akzeptanz hatte? Was macht eigentlich die heutige Zeit mit der Unterstützung dieser marktwirtschaftlichen und sozialen Ordnung? Ich glaube, dass das Element der Leistungsgerechtigkeit zur Marktwirtschaft dazugehört. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Ja!) Ich frage Sie, ob es leistungsgerecht ist, wenn 6,1 Millionen Erwerbstätige in diesem Land weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienen. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Wo ist denn da die Quelle?) Ich frage Sie, welche Auswirkungen das hat auf die Motivation der Kinder von Eltern, die hart arbeiten und sich am Ende des Tages ergänzendes Arbeitslosengeld II vom Staat abholen müssen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Was will denn die SPD?) Was ist das für ein Vorbild für junge Menschen, denen wir sagen, dass sie sich im Leben anstrengen müssen, damit aus ihnen etwas wird und sie einen gerechten Anteil am Wohlstand haben? Welche Auswirkungen hat das auf Ihre Argumentation, die nicht falsch ist, dass wir einen Abstand zwischen sozialen Transfers und Einkommen brauchen? Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass man das Existenzminimum bei der Berechnung des Regelsatzes nicht künstlich herunterrechnen darf, wie Sie es immer wieder versucht haben. Wenn Sie tatsächlich einen Lohnabstand haben wollen, geht das nur über einen Mindestlohn - ich füge hinzu: über einen gesetzlichen Mindestlohn. Neben Leistungsgerechtigkeit geht es in dieser Debatte auch um die Frage des sozialen Ausgleichs und der Teilhabe am Wohlstand in diesem Land. Auch das ist immer ein Kennzeichen der sozialen Marktwirtschaft gewesen. An dieser Stelle sollten Sie sich an das Credo von Ludwig Erhard "Wohlstand für alle" - und nicht für wenige - erinnern. Was das angeht, ist in diesem Land etwas aus den Fugen geraten. (Beifall bei der SPD) Schauen wir uns einmal den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung an, (Anton Schaaf [SPD]: Der ist doch gefälscht! Den gucke ich mir nicht mehr an!) der aufzeigt, wie Einkommen und Vermögen in diesem Land auseinandergehen. Im Übrigen versuchen Sie auf Intervention von Herrn Rösler, diesen Tatbestand aus dem Bericht zu tilgen und damit der Öffentlichkeit die Wahrheit vorzuenthalten. (Zuruf von der FDP: Du hast ihn gar nicht ge-lesen!) Deshalb müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir in diesem Land eine gerechtere Teilhabe und Leistungsgerechtigkeit organisieren. Dabei geht es um Fragen der Steuer- und Abgabenpolitik und darum, wie man diese gerecht, vernünftig und wirtschaftlich gestaltet. Die primäre Verteilung des Wohlstands erfolgt in diesem Land aber über die Lohnentwicklung. Über Jahre und Jahrzehnte hinweg haben die Sozialpartner im Rahmen der Tarifautonomie das Richtige gemacht. Wir müssen aber feststellen, dass das in vielen Bereichen heute nicht mehr funktioniert, weil Tarifbindungen nachgelassen haben, weil in einzelnen Branchen immer weniger Menschen in Gewerkschaften organisiert sind und weil zum Teil Arbeitgeber aus Arbeitgeberverbänden ausgetreten sind. Das ist der Grund, warum wir in Deutschland eine Debatte über die neue Ordnung am Arbeitsmarkt brauchen. Die Tarifautonomie ist richtig und wichtig. Die Tarifautonomie und die Sozialpartnerschaft müssen gestärkt werden, aber nicht in Sonntagsreden, sondern in einem vernünftigen Ordnungsrahmen, den wir für Lohnfindungsprozesse in diesem Land brauchen. (Beifall bei der SPD) Deshalb sage ich: Es ist gut und richtig, dass tarifvertragliche Lösungen Vorrang haben. Herr Kolb, wenn Sie sich rühmen, dass Sie in einigen Branchen Mindestlöhne eingeführt hätten, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Stimmt!) dann kann ich Ihnen sagen, dass ich mich noch gut daran erinnern kann, wie wir Ihnen in zähen Verhandlungen jeden einzelnen abringen mussten. So viel zu dem Thema, wie Sie politisch manipulierend mit Tarifverträgen in diesem Land umgegangen sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, neben Leistungsgerechtigkeit, sozialem Ausgleich und Motivation in einer sozialen Marktwirtschaft geht es nicht zuletzt um fairen Wettbewerb in der Wirtschaft. Ich kenne sehr viele anständige Unternehmer in diesem Land, die ihren Betrieb ordentlich führen - oft sind es familiengeführte mittelständische Unternehmen -, die sich bemühen, die persönliche Risiken eingehen und die motivierte Kolleginnen und Kollegen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben wollen, die die Menschen anständig behandeln und bezahlen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber es sind gerade diese Unternehmer, die anständigen Unternehmer - das ist die große Mehrheit -, die von Dumpingkonkurrenz bedroht werden, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) die von Dumpingkonkurrenz unterboten werden. Im Interesse eines fairen Wettbewerbs, auch im Interesse fairer Unternehmensführung, im Interesse anständiger Kaufleute in diesem Land brauchen wir einen Ordnungsrahmen, der fairen Wettbewerb ermöglicht und nicht eine Abwärtsspirale auslöst, wie wir sie leider haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb sage ich Ihnen: Aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit, aus Gründen der finanzpolitischen Verantwortung - weil unser Staat im Übrigen durch die -Entwicklung, die Sie zugelassen haben, immer mehr an ergänzendem Arbeitslosengeld II für aufstockende Leistung zahlen muss - (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das Aufstocken hat doch die SPD mit Generalsekretär Heil eingeführt!) und aus Gründen eines fairen Wettbewerbs in der Marktwirtschaft brauchen wir auch den gesetzlichen Mindestlohn in diesem Land. Lassen Sie mich abschließend sagen: Die ordnungspolitische Vorstellung, die hinter Ihrer Vorstellung steckt, Herr Kolb, mit Staatsgeld Lohnbewirtschaftung über aufstockende Leistungen zu gewähren, hat mit marktwirtschaftlichem Verständnis nichts zu tun und mit liberaler Politik schon gar nichts. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das lassen Sie sich einmal sagen. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die SPD hat's gemacht!) Das ist eine Form von Subventionsmodell, die Sie eingeführt haben. Die anständigen Menschen in diesem Land, die ordentlich Steuern zahlen, müssen nach Ihrem Modell Niedriglöhne durch Steuerzahlungen aufstocken. Das ist finanzpolitisch unsinnig, das ist ordnungspolitisch fragwürdig, und das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie wollen das französische Modell!) Ich sage meinen Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU - die Hoffnung auf die FDP habe ich an dieser Stelle nicht -: Ich habe mit Interesse verfolgt, was Sie auf Ihrem Parteitag diskutiert haben. Ich habe die Hoffnung gehabt, dass man zu Ihnen mit Schiller - Wallenstein, erster Aufzug, erster Akt - sagen kann: Spät kommt Ihr - doch Ihr kommt! - Ich habe mir dann allerdings anschauen müssen, was Sie tatsächlich entwickelt haben. Dazu kann ich Ihnen sagen: Mit Mindestlohn hat das, was Sie vorschlagen, wirklich nichts zu tun. (Maria Michalk [CDU/CSU]: Doch!) Das ist weiße Salbe, die Sie hier vor der Wahl verteilen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Offensichtlich müssen Sie erst Wahlen verlieren, um dazuzulernen. Morgen wird der Bundesrat über eine Initiative von Rheinland-Pfalz mit Unterstützung der großen Mehrheit der Länder Ihnen die Gelegenheit geben, sich zu bekennen: Wollen Sie einen gesetzlichen Mindestlohn, ja oder nein? Alles andere ist Spiegelfechterei. Ich bitte Sie: Geben Sie sich einen Ruck! Sie haben sich auch in anderen Positionen an sozialdemokratische Politik angepasst. Auch in diesem Punkt besteht dazu Gelegenheit. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Hubertus Heil. - Nächster Redner für die Fraktion von CDU und CSU ist unser Kollege Dr. Matthias Zimmer. Bitte schön, Kollege Dr. Zimmer. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, vorab muss man erst einmal sagen, lieber Kollege Heil: Wenn Sie aus dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung, den es ja so noch nicht gibt, zitieren, (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Dann auch vollständig! - Anton Schaaf [SPD]: Herr Rösler ist ja noch am Streichen!) dann sollten Sie auch sagen, dass sich die Einkommensschere unter unserer Regierung wieder geschlossen hat. Das ist einer der wesentlichen Erfolge unserer Regierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Gibt es den Bericht, oder gibt es ihn nicht? - Anton Schaaf [SPD]: Herr Rösler malt ja noch darin herum! Deshalb gibt es ihn nicht! - Gegenruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU]: Passt nicht in Ihr Weltbild!) Ich habe die Rede von Klaus Ernst mit großer Faszination verfolgt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir auch!) Verfolgt habe ich auch die Freiluftübungen, die er hier macht, nachdem der Sauerstoff hier vorne etwas knapp geworden ist. Lieber Herr Ernst, eines kann ich Ihnen so nicht durchgehen lassen: Sie wollen einen Mindest-Mindestlohn nicht unter 10 Euro. Heute lese ich im Wirtschaftsdienst iwd, dass Ihr Kollege Bartsch gesagt hat: Wir -wären auch mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro zufrieden. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das hat er nicht gesagt!) - Hat er wohl gesagt. So ist das im iwd zitiert. (Zuruf des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Lieber Herr Ernst, das ist doch genau der Punkt, mit dem wir immer argumentieren: dass bei Ihnen Mindestlohnhöhen von politischen Opportunitäten geprägt sind und nicht von dem, was in der Wirtschaft los ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der Kollege Ernst hat es erklärt! - Max Straubinger [CDU/CSU]: Je nachdem, wo sie gerade sind!) Meine Damen und Herren, wir haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Branchenmindestlöhnen durchgesetzt. Insgesamt haben wir im Moment zwölf Branchenmindestlöhne in der Bundesrepublik Deutschland. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Schlechte!) Ich habe einmal nachgeschaut, wie viele von diesen Branchenmindestlöhnen unter Rot-Grün beschlossen worden sind: (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal die Höhe!) null; kein einziger. Der Kollege Kolb hat darauf hingewiesen: Es ist Rot-Grün gewesen, das den Niedriglohnsektor eingeführt hat. Es ist Rot-Grün gewesen, das die Arbeitsmarktreformen in den Jahren seiner Regierung nach vorne gebracht hat. Dann kann ich mich nur fragen: Haben Sie die möglichen Verwerfungen am Arbeitsmarkt, haben Sie die Folgen, die das haben kann, nicht gesehen, oder wollten Sie sie nicht sehen? (Anton Schaaf [SPD]: Die Zumutbarkeitsregeln hat der Bundesrat verschärft! Es ist unredlich, so zu reden!) Ich habe manchmal den Eindruck: Wahrscheinlich haben Sie es nicht gesehen. Wahrscheinlich können Sie es nicht. Wahrscheinlich sind Sie auch gar nicht regierungsfähig. Das zeigt sich im Grunde genommen auch bei der Bemerkung, die Peer Steinbrück gestern gemacht hat. Ich war schon versucht, Peer Steinbrück ein Duplo zu schenken, damit er wenigstens die hohe Kunst der "Duplomatie" lernt. Mit der Diplomatie ist es bei ihm wahrscheinlich zu spät. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der ist gut! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sind Sie ein Berlusconi-Freund?) Aber wir mussten auch eine ganze Reihe von Trümmern beseitigen, um Ihre Arbeitsmarktreformen erheblich zu verbessern. Sie haben sich in der Zwischenzeit, lieber Herr Heil, was diese Arbeitsmarktreformen angeht, aus dem Staub gemacht. Manchmal hat man den Eindruck, die besonderen Erkenntnischancen hat Rot-Grün nur, wenn es in der Opposition ist. Wir wollen dafür sorgen, dass Ihnen diese besonderen Erkenntnischancen noch lange gewahrt bleiben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Meine Damen und Herren, es könnte aber auch sein, dass Sie die nichtintendierten Folgen Ihres Tuns zwar gesehen haben, aber beschlossen haben, sie einfach zu ignorieren, dass Sie zynisch gesagt haben: Nach mir die Sintflut; es ist mir egal, was passiert. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Reden Sie auch mal zur Sache?) Sich dann aber, lieber Herr Heil, als Ritter der sozialen Gerechtigkeit aufzuführen, halte ich für unredlich. Ich habe mir einmal angeschaut, wer die Innenausstattung der sozialen Marktwirtschaft in der Bundesre-publik Deutschland gemacht hat: Kündigungsschutzgesetz, Bundesurlaubsgesetz, Arbeitszeitgesetz, dynamische Rente, Alterssicherung für Landwirte, Pflegeversicherung, Bundessozialhilfegesetz, Kindergeldgesetz, Erziehungsgeld- und Erziehungsurlaubsgesetz, Vermögensbildungsgesetz, (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die FDP war dabei!) all das hat die Union gemacht. Mit Ihnen geht Hartz IV nach Hause. Von Ihnen lassen wir uns über soziale Gerechtigkeit nicht belehren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Anton Schaaf [SPD]: Auweia!) Ein Letztes, meine Damen und Herren: Ich habe diese Bereiche deshalb aufgeführt, weil das alles Gesetzesvorhaben sind, die die Union nicht allein gemacht hat, sondern die wir in Zusammenarbeit mit den Liberalen gemacht haben. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es, lieber Hubertus Heil!) Ich bin mir ziemlich sicher: Wenn sich die Liberalen auf ihrem Parteitag entschieden haben, dann werden wir mit ihnen auch einen robusten und vernünftigen Mindestlohn in Deutschland einführen, der dann zum Markstein der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik in Deutschland werden kann. (Anton Schaaf [SPD]: Dem Herrn Kolb stehen schon Schweißperlen auf der Stirn!) Dazu bedarf es Ihrer fürsorglichen Belagerung nicht. Wir werden von alleine tätig und ein vernünftiges Gesetz auf den Weg bringen. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Dr. Matthias Zimmer war der letzte Redner in unserer Aktuellen Stunde, die damit beendet ist. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf: a) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militä-rischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Drucksachen 17/12367, 17/12520 - Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Dr. Rolf Mützenich Marina Schuster Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/12521 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaus Brandner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. Gesine Lötzsch Sven-Christian Kindler b) - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Drucksachen 17/12368, 17/12522 - Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Dr. Rolf Mützenich Marina Schuster Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/12523 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaus Brandner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Dr. Gesine Lötzsch Sven-Christian Kindler Zu dem erstgenannten Antrag der Bundesregierung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlungen zu beiden Anträgen der Bundesregierung werden wir später namentlich abstimmen. Ich weise schon jetzt darauf hin, dass unmittelbar im Anschluss an diese beiden namentlichen Abstimmungen eine weitere namentliche Abstimmung sowie eine Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis auf der Tagesordnung stehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die jetzige Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Sie sind alle damit einverstanden. Dann haben wir das gemeinsam so beschlossen. Ich eröffne nun die Aussprache. Zunächst hat für die Fraktion der FDP unser Kollege Dr. Rainer Stinner das Wort. Bitte schön, Kollege Dr. Rainer Stinner. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Rainer Stinner (FDP): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei jeder Entscheidung über die Entsendung von deutschen Soldaten ins Ausland müssen wir im Deutschen Bundestag eine sorgfältige Abwägung vornehmen. Wir müssen uns fragen: Sind unsere Interessen und Werte berührt? Welcher Beitrag wird von uns gefordert? Welchen Beitrag können wir leisten? Können wir das, was wir tun, vor den Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, vor allen Dingen aber auch vor den vielen Bürgern in unserem Land verantworten? Deshalb ist es jedes Mal eine sehr genaue Abwägung, was wir tun. In Bezug auf Mali ist für uns, für meine Fraktion, völlig klar, dass die dortige Sicherheitssituation, die Möglichkeit einer regionalen Destabilisierung, auch unsere deutschen Sicherheitsinteressen nachhaltig berührt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass das in der Bevölkerung nicht überall genauso gesehen wird. Umso wichtiger ist es, dass wir festhalten: Die Tatsache, dass die Gefahr besteht, dass sich in einer weiteren Region dieser Welt terroristische Kräfte oder jedenfalls Kräfte, die etwas Böses wollen, breitmachen, muss uns natürlich berühren. Nur eine Grenze und das Meer liegen zwischen Mali und der Europäischen Union. Daher müssen wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Die Franzosen haben in einer akuten Notsituation gehandelt. Denn es wäre natürlich nicht mehr möglich gewesen, unserer Maßgabe zu folgen, dass eine politische Lösung das Wichtigste ist, wenn die Rebellen drei Tage länger in Richtung Bamako vorgedrungen wären. Dann hätten wir die ganze Diskussion gar nicht mehr führen können. Die Franzosen haben das getan; ich höre aus dem Deutschen Bundestag, vielleicht mit Ausnahme der Linken, keine Kritik daran. Die Frage ist jetzt: Welchen Beitrag können wir dazu leisten? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war schon sehr erstaunt, dass die ersten Überlegungen, die wir angestellt haben, nämlich zwei Transall-Maschinen zur Unterstützung des Transportes nach Mali zu schicken, von einigen Kollegen im Deutschen Bundestag ein bisschen ins Lächerliche gezogen wurden, so als ob das nur Peanuts seien. Nein, nein, niemand kann und wird von uns erwarten, dass wir, wenn eine militärische Aktion anläuft, jemand anderem mit Hurra und ohne Überlegung hinterherlaufen. Das werden wir nicht tun, auch in Zukunft nicht, und das tun wir natürlich auch in diesem Fall nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das, was wir tun können, ist an drei Kriterien zu messen: Erstens. Was ist notwendig? Zweitens. Was sind unsere Fähigkeiten und Kapazitäten? Drittens. Wie lässt sich unser Einsatz in das Gesamtbelastungsprofil des Bündnisses einbetten, in dem wir uns verantwortlich fühlen? Insofern finde ich, dass der Beitrag, den wir heute beschließen, genau richtig dosiert ist. Wir haben lange überlegt: Sollen wir ein Mandat stricken oder es in zwei Mandate aufteilen? Wir haben uns völlig zu Recht für zwei Mandate entschieden. Denn es geht bei den beiden Missionen um völlig unterschiedliche Arten der Unterstützung: erstens um eine regional abgegrenzte Trainingsmission im Süden von Mali, zweitens um eine Unterstützungsmission logistischer Art, die wir im Norden Malis durchführen. Meine Damen und Herren, ich habe von unseren französischen Partnern diesbezüglich keine Kritik gehört. Wir hatten diese Woche im Auswärtigen Ausschuss Kollegen aus dem französischen auswärtigen Ausschuss zu Gast. Wir haben ausführlich über das Thema Mali diskutiert. Aber ich habe nicht gehört, dass gesagt wurde: Warum habt ihr nicht zwei Bataillone, drei Brigaden und vier Divisionen geschickt? Nein, nein, davon war nicht die Rede. Vielmehr erkennen die Franzosen unseren Beitrag durchaus an. Natürlich wissen wir - das müssen wir im Bundestag dem deutschen Volk deutlich sagen -: Jeder Auslandseinsatz ist mit Gefahren verbunden. Es ist unsere Aufgabe, in verantwortlicher Weise dafür zu sorgen, die möglichen Gefahren für unsere Soldaten bei einem solchen Einsatz zu minimieren, und das tun wir. Sicherlich werden die Kolleginnen und Kollegen, die nach mir sprechen, auf Details des Einsatzes eingehen. Es geht hier darum, dass Deutschland, das große, wichtige europäische Land, in Zusammenarbeit mit wichtigen europäischen Partnern, hier unter französischer Leitung, einen Beitrag zur Stabilität in einer für uns wichtigen Region leistet. Dieser Beitrag ist verantwortbar, dieser Beitrag wird anerkannt, und er wird offensichtlich dazu führen, dass die Stabilität der betroffenen Region jedenfalls nicht weiter gefährdet wird, sondern wir im Gegenteil davon ausgehen können, dass auch in dieser wichtigen Region stabile Verhältnisse einkehren. Dazu leisten wir Deutsche mit der heutigen Zustimmung des Deutschen Bundestages einen wichtigen Beitrag. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Stinner. - Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten: unser Kollege Dr. Gernot Erler. Bitte schön, Kollege Dr. Gernot Erler. (Beifall bei der SPD) Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Mali wird weiter gekämpft. Die bedrohliche Lage im Norden des Landes hält weiter an, trotz der französischen Intervention seit dem 11. Januar 2013. Auch wenn der Norden nicht mehr unter der Kontrolle von radikalen und terroristischen Gruppierungen wie AQMI, Ansar al-Din und MUJAO steht, muss das Ziel sein, Mali und die Staaten der westafrikanischen Gemeinschaft ECOWAS sowie Frankreich bei der Wiederherstellung der Integrität Malis zu unterstützen. Das auch mit bewaffneten Kräften zu tun, steht aufgrund der Sicherheitsratsresolutionen 2071 und 2085 aus dem vergangenen Jahr auf einer einwandfreien völkerrechtlichen Grundlage. Hier abseitszustehen und andere die Arbeit machen zu lassen oder gar zu riskieren, dass Mali ein Failed State, ein gescheiterter Staat, wird oder von dort aus die ganze Sahel-Region destabilisiert wird, wäre politisch unverantwortlich. Deswegen wird die SPD-Bundestagsfraktion heute dem Antrag der Bundesregierung zustimmen, im Rahmen der Mission EUTM Mali bei der Ausbildung malischer Pioniere zu helfen sowie die ECOWAS-Mission AFISMA mit Lufttransport und der Betankung französischer Flugzeuge im Rahmen dieser Mission AFISMA zu unterstützen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kennen die Unberechenbarkeit und Eigengesetzlichkeit militärischer Interventionen. Nichts spricht dafür, dass dies in Mali plötzlich anders sein könnte. So erfreulich der schnelle Erfolg der vorrückenden französischen und malischen Truppen war, so wenig überraschend ist es, dass die zunächst vertriebenen Terrorgruppen aus ihren Rückzugsgebieten heraus wieder angreifen und dabei zu den gefürchteten Mitteln der asymmetrischen Kriegsführung greifen. Die Mali zu Hilfe geeilten Truppen aus dem Tschad haben dabei schon ernsthafte Verluste erlitten. Vor diesem Hintergrund ist jede Prognose über Dauer und Erfolgsperspektiven der jetzigen Intervention geradezu fahrlässig. Viel wichtiger sind aus unserer Sicht zwei Fragen, die wir beantworten müssen: Erstens. Wie konnte es eigentlich dazu kommen, dass ein früher für seine Entwicklung häufig gelobtes Land wie Mali plötzlich bewaffnete Hilfe von außen braucht, um weiter zu existieren? Was ist da schiefgelaufen? Wenn wir über eine internationale militärische Intervention sprechen, ist immer etwas schiefgelaufen. Warum gab es keine politische Reaktion, weder von der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS oder der African Union noch von Frankreich, das bis 1960 Kolonialmacht in Mali war, oder anderen europäischen Staaten, als die drei entscheidenden Spannungs- und Konflikt-linien in Mali immer sichtbarer wurden? Ich meine den Konflikt zwischen den alten Eliten und den Putschisten, die am 21. März letzten Jahres zugeschlagen haben. Ich meine den Konflikt innerhalb der malischen Armee zwischen Infanterie und Präsidialgarde, und ich meine den Nord-Süd-Konflikt, in dessen Verlauf sich die unzufriedenen Tuareg unter unseren Augen mit islamistischen Gruppen eingelassen und mit ihnen illegalen Handel mit Zigaretten, Drogen und sogar Menschen betrieben haben. Übrigens bestehen alle drei Konflikte auch jetzt, nach der aktuellen Intervention, weiter. Oder wieso wussten so viele, wie sich jetzt herausstellt, von den Geschäften des gestürzten Präsidenten Amadou Toumani Touré mit den Tuareg, nach dem Motto: "Ich lasse euch bei euren Drogengeschäften in Ruhe, wenn ihr dafür eure separatistischen Azawad-Träume zügelt und mich geschäftlich beteiligt"? War es nicht klar, dass hier über kurz oder lang andere Gruppen kommen und den Wunsch haben würden, sich auch an diesen Geschäften zu beteiligen? Heute wissen wir, dass die so entstandenen Verteilungskämpfe wesentliche Auslöser der aktuellen Krise in Mali waren. Wieso ist eigentlich niemandem im Westen etwas Besseres als Antwort auf den Mali-Putsch eingefallen, als sofort die Entwicklungshilfe einzustellen - für ein Land, das zu den ärmsten auf der ganzen Welt gehört, das unter einer Arbeitslosigkeit von 30 Prozent leidet und das im UNDP-Index für menschliche Entwicklung von 187 Staaten auf Platz 175 steht? Das alles muss aufgearbeitet werden; denn sonst werden wir auch die zweite Frage nicht glaubwürdig beantworten können. Die lautet: Was ist eigentlich unter der Priorität einer politischen Lösung für Mali zu verstehen? Das ist ein Postulat, das ständig wiederholt wird, auch hier in den Bundestagsdebatten; Kollege Stinner hat es eben auch wieder genannt. Gut, das malische Parlament hat Ende Januar eine Feuille de Route, eine Roadmap, verabschiedet, in der lauter vernünftige Sachen stehen: Wiederherstellung der Integrität des Landes, Rückeroberung des Nordens, transparente und glaubwürdige Wahlen. Es ist mutig, die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen schon jetzt auf den 7. und 21. Juli dieses Jahres festzulegen. Aber ich sehe nicht, wie bis dahin die drei von mir genannten intermalischen Konfliktfronten entschärft werden sollten. Ich frage mich, wie die Sicherheit in einem Land mit offenen Grenzen, mitten in der Sahelzone liegend, mit ihren vielen sozialen Herausforderungen und kaum noch überschaubaren radikal-islamistischen Gruppierungen - die übrigens Geld und Unter-stützung aus Saudi-Arabien und von radikalen Kräften in Ägypten erhalten -, ohne einen intensiven Prozess auf regionaler Ebene stabilisiert werden kann. Wir sehen, welche Probleme ECOWAS hat, die zugesagten 5 100 bewaffneten Kräfte vor Ort zu bringen, geschweige denn, sie selber zu bezahlen. Aber African Ownership kann doch nicht darauf reduziert werden, in katastrophalen Situationen Truppen stellen zu dürfen. Wir müssen Wege finden, die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS tatsächlich zu einer nachhaltigen und präventiven Friedens- und Stabilitätspolitik zu befähigen. Wir müssen vielleicht darüber nachdenken, Herr Außenminister, die etwas eingeschlafene Aktivität der Gemeinschaft der Sahel-Sahara-Staaten, abgekürzt CEN-SAD, in dieselbe Richtung wiederzubeleben und zu mobilisieren. Wir brauchen in einem solchen regionalen Stabilisierungsprozess eine proaktive Beteiligung von terrorerfahrenen Staaten wie Algerien und Mauretanien. Wir sind bereit, mit Ihnen von der Bundesregierung über solche tatsächlichen politischen Lösungen zu reden und zusammenzuarbeiten. Aber das wird nur dann glaubwürdig sein, wenn die Versuche einer politischen Lösung Priorität haben. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Gernot Erler. - Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU: unser Kollege Dr. Andreas Schockenhoff. Bitte schön, Kollege Dr. Schockenhoff. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entwicklungen in Mali in den vergangenen Wochen haben uns vor Augen geführt: Militärische Gewalt vermag Politik und Diplomatie nicht zu ersetzen, aber militärisches Eingreifen kann die notwendige Voraussetzung sein, damit ein politischer Prozess wieder möglich wird. Militärisches Eingreifen muss Ultima Ratio sein. Das war in Mali der Fall. Ohne den französischen Kampfeinsatz wäre das Land an die militanten Islamisten verloren gegangen. Nur weil diese aufgehalten wurden und die Städte im Norden des Landes befreit werden konnten, kann ein politischer Prozess in Mali wieder in Gang kommen. Die Bevölkerung im Norden des Landes hat die Befreiung vom radikal-islamistischen Joch einhellig begrüßt. Ein erfolgreicher Vormarsch der militanten Extremisten in den Süden hätte ihrem Terror nicht nur in ganz Mali, sondern in der Region insgesamt Vorschub geleistet. Vor allem hätte er einen Rückzugsraum für militante Islamisten geschaffen, die unsere freiheitlich-demokratische Lebensweise bekämpfen. Frankreich und die am Kampf beteiligten Soldaten aus dem Tschad zahlen mit ihren Gefallenen einen hohen Preis. Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen. Wir danken den Soldaten aus Frankreich und aus dem Tschad, die im Interesse der Sicherheit Europas und Nordafrikas in diesen gefährlichen Kampfeinsatz gegangen sind und ihr Leben riskieren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Unser Einsatz in Afghanistan hat uns gezeigt: Man darf nicht warten, bis ein fundamental-islamistisches Regime ein ganzes Land im Griff hat. Deshalb war das französische Vorgehen so wichtig. Aber wir wissen mittlerweile auch: Langfristige Stabilität kann es nur in Eigenverantwortung der Menschen vor Ort geben. Verteidigungsminister de Maizière weist immer wieder zu Recht darauf hin, dass Militär Politik und Entwicklung nicht ersetzen kann. Deshalb gilt es nun, nach der militärischen Nothilfe zwei Vorhaben anzugehen: erstens, in die Ausbildung der nationalen Sicherheitskräfte zu investieren, um diese zu befähigen, selbstständig und effektiv Bedrohungen der Stabilität ihres Landes entgegenzutreten, und zweitens, den politischen Prozess zügig voranzubringen. Beides soll in Mali geschehen. Deutschland leistet hierzu seinen Beitrag: mit der logistischen Unterstützung der vom UN-Sicherheitsrat mit Resolution 2085 mandatierten internationalen Mission in Mali unter afrikanischer Führung - sie soll so lange die Sicherheit stabilisieren, bis malische Kräfte dazu eigenständig in der Lage sind - und - damit dies möglich wird - mit der Beteiligung an der EU-Mission zur Ausbildung der malischen Armee. Die CDU/CSU unterstützt beide Mandate. Wir stehen am Anfang eines längeren Weges, der zu einer nachhaltigen Stabilität Malis führen soll. Diesen Weg können wir unterstützen - und das werden wir nach Kräften tun - mit der Verabschiedung dieser beiden Mandate, aber auch durch Entwicklungszusammenarbeit und Hilfe beim politischen Prozess. Aber dieser liegt letztlich in malischer und afrikanischer Verantwortung. Niemand kann den Erfolg eines solchen Ansatzes garantieren. Aber schauen wir nach Somalia. Dort können die Menschen nach langen Jahren der Instabilität und zuletzt der Terrorherrschaft islamistischer Extremisten endlich wieder Hoffnung schöpfen, nachdem man einen ganz ähnlichen Ansatz wie jetzt in Mali verfolgt hat. Die internationale Stabilisierungstruppe der Afrikanischen Union hat dort militante Islamisten so weit schwächen und vertreiben können, dass ein politischer Prozess wieder möglich wurde. Im vergangenen Jahr konnte sich ein Parlament konstituieren und ein Präsident gewählt werden. Zeitgleich hat die EU-Trainingsmission in Somalia bereits 3 000 Soldaten erfolgreich ausgebildet, und Deutschland, Herr Außenminister, hat seit dieser Woche nach über 20 Jahren wieder den Botschafterposten in Somalia besetzt. (Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]) Ohne Frage gibt es auch hier noch große Gefahren und Probleme. Befriedung, Stabilisierung und Wiederaufbau einer funktionierenden Staatlichkeit in Somalia werden noch auf lange Zeit der Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft bedürfen. Aber ein richtiger Anfang ist gemacht, und darum geht es jetzt auch in Mali. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das europäische -Engagement im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Mali fügt sich in ein Muster ein: Die neuen EU-Missionen seit 2010 sind mehrheitlich klein, unterstützend und - das ist entscheidend - zivil. Größere militärische Operationen hingegen wie in Libyen und jetzt in Mali erfolgen nicht im Rahmen der GSVP. Vielmehr übernimmt ein EU-Mitgliedstaat die Initiative und Führung und schmiedet eine Koalition der Willigen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Was hat das mit dem Völkerrecht zu tun?) Manche mögen diese Vorgehensweise gut finden. Ich aber teile die Sorge, die der Kollege Arnold letzte Woche in der Debatte hinsichtlich der Entwicklung der GSVP geäußert hat. Libyen und Mali haben uns gezeigt, dass wir in Europa mutige und aktive Schritte in Richtung einer Vertiefung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit und der militärischen Integration brauchen. Zurzeit erleben wir aber das genaue Gegenteil: In der Anhörung des Auswärtigen Ausschusses zur Entwicklung der GSVP in der vergangenen Woche wurde von Experten dargelegt, dass die einzelnen Staaten in der EU weiterhin nationalen Interessen folgen und ohne Koordination mit den europäischen Partnern ihre Verteidigungshaushalte verkleinern. Verluste der nationalen Fähigkeit finden bereits heute statt, und sie werden zu Verlusten der europäischen -Fähigkeit führen, wenn diese Prozesse weiterhin unkoordiniert verlaufen. Und dann werden auch die Möglichkeiten für ein effizientes Pooling und Sharing für die dringend notwendige Stärkung der europäischen Verteidigung deutlich eingeschränkt werden. Angesichts der wachsenden sicherheitspolitischen Aufgaben und Herausforderungen in unserem europäischen Umfeld können wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, das nicht leisten. Nationale Militäroperationen, die in der Hoffnung begonnen werden, dass sich andere anschließen, die aber schließlich auch der Verteidigung der Sicherheit aller, also auch unserer Sicherheit dienen, können und dürfen nicht die Zukunft der europäischen Verteidigung sein. Mali hat erneut verdeutlicht: Wir brauchen in der EU militärische Kriseninterventionsverbände, (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ach was!) die rasch über weite Distanzen verlegt, geführt und durchhaltefähig im Einsatzgebiet gehalten werden können. Dazu gehört auch unsere deutsche Bereitschaft, solche europäischen Sicherheitskräfte in den Einsatz zu schicken. Im Januar erst haben wir das ISAF-Mandat verlängert, im Dezember haben wir die Stationierung von -Patriot-Abwehrsystemen an der türkisch-syrischen Grenze beschlossen. Die heutigen Entscheidungen sind die Mandate Nummer 9 und 10, über die der Bundestag aktuell zu befinden hat. Das zeigt: Die sicherheitspolitischen Herausforderungen und Fragen unserer Zeit sind mannigfaltig und komplex, und sie gehen weit über die konkreten Fragen der jeweiligen Einzelmandate hinaus. Angesichts von rund 20 Mandatsdebatten jährlich halten wir in der CDU/CSU die Einführung einer regelmäßigen Generaldebatte zur sicherheitspolitischen Lage Deutschlands für notwendig, um unsere Sicherheitsinte-ressen einer breiten deutschen Öffentlichkeit zu vermitteln sowie Fragen und Sorgen der Bevölkerung besser aufgreifen zu können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Damit wir uns richtig verstehen: Eine solche Generaldebatte kann kein Ersatz für unsere Debatten über die jeweiligen Mandate sein; aber es ist überfällig, über die 20 Einzelberatungen hinaus, die jeweils auf ein enges Mandat begrenzt sind, eine regelmäßige strategische, sicherheitspolitische Grundsatzdebatte im Deutschen Bundestag zu etablieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Zum Schluss möchte ich unterstreichen, was der Verteidigungsminister bei der Einbringung der Mandate letzte Woche gesagt hat: Diese Einsätze sind ernst. Sie können gefährlich werden. Unsere Soldatinnen und Soldaten sind einem Risiko für Leib und Leben ausgesetzt. - Wir danken ihnen, dass sie dies auf sich nehmen, um unsere Sicherheit zu verteidigen. Wir wünschen ihnen dabei alles Gute und Gottes Segen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Herzlichen Dank, Kollege Dr. Andreas Schockenhoff. - Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Christine Buchholz. Bitte schön, Frau Kollegin Buchholz. (Beifall bei der LINKEN) Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um den Ball von Herrn Schockenhoff aufzunehmen: Ich glaube, wir brauchen keine Generaldebatte über die Kriegspolitik der Bundesregierung, sondern wir brauchen eine Generaldebatte darüber, wie wir die wirtschaftlichen und sozialen Probleme und die extremen Probleme, die der Waffenhandel in dieser Welt verursacht, lösen können. So eine Debatte würden wir gerne führen, aber nicht eine Debatte über die Durchsetzung der wirtschaftlichen, strategischen und militärischen Interessen Deutschlands mithilfe der Bundeswehr. (Beifall bei der LINKEN - Michaela Noll [CDU/CSU]: Unverschämt!) Die Bundesregierung will die Bundeswehr als Unterstützungstruppe in den Krieg nach Mali entsenden, zum einen, um Soldaten in das Kriegsgebiet zu transportieren, zum anderen, um malische Soldaten für den Kampf auszubilden. Genau genommen beteiligt sie sich schon jetzt am Krieg in Mali; denn seit Wochen transportieren deutsche Transall-Maschinen westafrikanische Kampftruppen nach Mali. Das hat die Linke von Anfang an kritisiert. Sie wird auch die vorliegenden Mandate heute ablehnen. (Beifall bei der LINKEN - Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Freiheit für die Taliban!) Angeblich geht es um Terrorbekämpfung. Doch die islamistischen Rebellen haben sich in die Berge und in benachbarte Länder zurückgezogen. Das Problem hat sich also nur verlagert. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage Ihnen: Terrorismus lässt sich nie mit Krieg bekämpfen. (Beifall bei der LINKEN) Schauen Sie nach Afghanistan: Mit genau demselben Argument haben Sie die Bundeswehr vor mehr als elf Jahren an den Hindukusch geschickt. Und was ist das Ergebnis? Sie haben den Nährboden für neuen Terrorismus geschaffen. Al-Qaida hat sich in immer neuen Ländern ausgebreitet, verbreitet nun auch Terror im Irak, im Jemen und in der Sahara. Das zeigt doch: Ihr Krieg erzeugt immer neuen Terror. Diese Logik muss ein Ende haben. (Beifall bei der LINKEN) Die französische Intervention wird von Ihnen als Notoperation bezeichnet. Nein, dieser Militäreinsatz ist kein chirurgischer Eingriff, wie Sie mit dieser Wortwahl unterstellen. Das ist ein Krieg. Nur weil der französische Kriegsminister Le Drian sich weigert, die Zahlen der Opfer des Feldzuges zu nennen, heißt das noch lange nicht, dass es keine Opfer gibt. Der Krieg in Mali ist auch ein Propagandakrieg. Warum erwähnt eigentlich keine der anderen Fraktionen hier im Bundestag, dass die französische Armee die Pressefreiheit unterbindet? Offenbar will sie keine Bilder über die wahre Situation. "Reporter ohne Grenzen" beklagten Ende Januar einen - ich zitiere - "medialen Blackout", der den Korrespondenten vom französischen und malischen Militär aufgezwungen werde. Auch der Bundesregierung liegen, wie sie uns schriftlich mitgeteilt hat, keine eigenen Erkenntnisse über die Opfer infolge der französischen Luftangriffe vor. Es kann doch nicht angehen, dass der Bundestag nun beschließt, ohne jegliche Kenntnis über ihre Auswirkungen genau diese Luftangriffe zu unterstützen. Das ist unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Sprechen wir auch darüber, dass dieser Militäreinsatz die ethnischen Spannungen in Mali massiv verschärft hat. Fast alle Tuareg und Araber sind aus Angst vor der malischen Armee aus Timbuktu geflohen. Ihre Geschäfte -wurden geplündert, ohne dass das Militär eingriff. Stattdessen melden Menschenrechtsorganisationen ein Massengrab von Hingerichteten. Der Krieg verhindert zivile Versöhnungsinitiativen. Ein für Januar geplanter Marsch von Bürgerrechtsorganisationen, der auf den Dialog zwischen den Ethnien abzielte, wurde von der französischen Armee verboten. Es kann nicht angehen, dass Sie die Bundeswehr zum Komplizen dieser Eskalationslogik machen. (Beifall bei der LINKEN) Meine Damen und Herren, bei dem Militäreinsatz Frankreichs geht es nicht um die Beseitigung menschlichen Elends. Es geht um die Absicherung strategischer und wirtschaftlicher Interessen. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann lesen Sie das Unternehmerblatt Wirtschaftswoche. Ich zitiere die Ausgabe vom 14. Januar 2013: Tief im Herzen Afrikas will Frankreichs Staatspräsident Hollande die Versorgung seines Landes mit dem Atomkraftbrennstoff Uran sichern. Den Krieg "mit Sicherheitsinteressen zu begründen", sei - ich zitiere weiter - "zynisch". Das ist die unverblümte Sprache der Wirtschaftswoche. Dem brauche ich nichts hinzuzufügen. (Beifall bei der LINKEN) Klar ist: Die Bundesregierung möchte bei den Kriegen der Zukunft offenbar nicht nachstehen. Die Worte von Herrn Stinner und Herrn Schockenhoff sind nur in diese Richtung zu verstehen. Das ist ein Grund für ihr Engagement in Mali. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber eine Grenze erreicht!) Ich sage: Es kann nicht angehen, dass wir einen Krieg unterstützen, der für die Rohstoffinteressen der europäischen Staaten und die Interessen von Bergbauunter-nehmen oder Atomkonzernen geführt wird. Da wird die Linke nicht mitmachen. (Beifall bei der LINKEN) Aber nun zur malischen Armee selbst. Angeblich soll die Mission Abhilfe schaffen und die malische Armee ausgebildet werden. Aber seien Sie doch ehrlich: Genau die gleichen Ausbildungsprogramme seitens der Bundeswehr und der US-Armee liefen doch vor dem Putsch im März 2012 über Jahre - offenbar ohne Erfolg. Nun haben sich malische Truppen in Bamako auch noch gegenseitig beschossen. Bisher haben Sie die Frage nicht beantwortet, welchen Teil der malischen Armee Sie nun eigentlich ausbilden wollen. Zur Wahrheit gehört: In dem Moment, in dem Sie sich endlich dieser Frage gestellt haben, droht die Bundeswehr als Konfliktpartei im innermalischen Machtkampf angesehen zu werden. Das wissen Sie ganz genau. Auch deshalb kommen in der EU-Mission auf 200 Ausbilder auch 250 Kampfsoldaten zur Absicherung. Mali hat viele Probleme; aber keines davon ist militärisch zu lösen. Das zeigen die aktuellsten Zahlen: Allein die französische Militäroperation hat bisher 100 Millionen Euro verschlungen. Doch von den 285 Millionen Euro, die für die notleidenden Menschen in Mali laut UN-Angaben benötigt werden, sind gerade einmal 13 Millionen Euro angekommen. Es zeigt sich wieder einmal: Sobald Militär im Spiel ist, wird das Zivile verdrängt. Dem werden wir uns widersetzen. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie machen Sie das?) Herr de Maizière, Herr Westerwelle, Sie können uns nicht sagen, was für Folgen der Krieg hat, den Sie unterstützen. Sie können uns nicht sagen, welche neuen Bedrohungen entstehen und welches Risiko für die entsandten Soldaten Sie in Kauf nehmen. Sie können nicht einmal sagen, wie lange der Einsatz wirklich dauern wird. Wir werden nicht einem weiteren Mandat für ein militärisches Abenteuer zustimmen. Terrorismus lässt sich nicht mit Krieg bekämpfen. Krieg ist selber Terror. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nach unserer Kollegin Christine Buchholz spricht nun für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Kerstin Müller. - Bitte schön, Frau Kollegin Kerstin Müller. Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, liebe Kollegin Buchholz, meinen wir, dass Frankreich in Mali im Grundsatz richtig gehandelt hat. Sie müssen sich einmal anschauen, wie die Lage vorher war - dazu von Ihnen kein Wort -: Islamistische Rebellengruppen hatten im Norden Malis eine Schreckensherrschaft aufgebaut. Sie waren auf dem Vormarsch in den Süden. Im Januar drohte ein Staats-zerfall in ganz Mali. Insofern sagen wir - wir haben nicht von einem chirurgischen Eingriff gesprochen; das ist totaler Quatsch, das haben Sie falsch verstanden -, dass die französische Intervention eine Notoperation ist, um Schlimmeres zu verhindern. Sie findet im Übrigen mit Zustimmung der malischen Bevölkerung statt. Dazu haben Sie natürlich auch kein Wort gesagt. Ohne diese Notoperation bräuchten Sie mit Politik gar nicht erst anzufangen, weil Sie in einem "Failed State Mali" keine Ansatzpunkte für Politik hätten. Deshalb war es im Grundsatz richtig von den Franzosen, dort einzugreifen, und es ist richtig, dass sie dafür unsere Unterstützung haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Wahr ist auch, dass Präsident Hollande im Oktober in Dakar eigentlich eine Wende der französischen Afrika-Politik erklärt hat, also das Ende von fünf Jahrzehnten "Françafrique", und damit auch das Ende einer neokolonialen Politik in West- und Zentralafrika. Das heißt, Frankreich will künftig multilateral handeln, eingebunden in die UNO und die EU und gemeinsam mit den -Afrikanern. Das ist und bleibt das Ziel der neuen französischen Regierung. Wir meinen, dass es richtig ist, diesen französischen Kurswechsel weg von einer französischen Hinterhofpolitik generell zu unterstützen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das ist eine Verdrehung der Tatsachen!) Denn es ist in unserem außen- und sicherheitspolitischen Interesse und auch im Interesse der EU, die Afrika--Politik generell zu europäisieren. Auch darum geht es, und auch deshalb wird meine Fraktion beiden Mandaten zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Wobei ich klar sagen will - wir haben ja auch im Ausschuss darüber diskutiert -: Europäisierung der Afrika-Politik - da müssen wir ehrlich sein - heißt mehr Verantwortung für Europa, und es wird auch mehr Verantwortung für Deutschland heißen. Mit unserem Beitrag zur AFISMA, die ja in eine UNO-Mission umgewandelt werden soll, unterstützen wir sowohl die Afrikaner, die afrikanische ECOWAS, als auch die Franzosen und die UNO. Mit der Ausbildungsmission wollen wir helfen, die malische Armee aufzubauen. Das Mandat zieht eine klare Trennlinie zwischen dem Kampfeinsatz einerseits und der Ausbildung der malischen Sicherheitskräfte andererseits. Allerdings muss man auch sagen: Angesichts des maroden Zustandes der malischen Armee ist es wichtig, dass das Ausbildungsmandat einen Schwerpunkt auf den Schutz der -Menschenrechte und auch auf die Umsetzung des humanitären Völkerrechts legt. Das bleibt natürlich schwierig, weil die Lage fragil ist. Aber es muss auch klar sein: Wenn wir nicht jetzt intervenieren, das heißt, die Armee aufbauen und nachhaltige Stabilität schaffen, dann werden wir es in einigen Monaten mit einer noch schwierigeren Situation zu tun haben. Deshalb gibt es dazu, glaube ich, keine Alternative. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Aber klar ist auch: Die Ausbildung allein reicht nicht. Wir brauchen einen politischen Prozess. Die Feuille de Route, die verabschiedet wurde, wurde bereits erwähnt. Die berechtigten Interessen der Tuareg müssen berücksichtigt werden. Mali braucht einen gesamtgesellschaftlichen Versöhnungsprozess. Es ist geplant, noch im Juli in Mali Wahlen durchzuführen; das wird schwierig -genug. Mali braucht die Unterstützung der Bundesregierung, der Europäischen Union und der UNO, damit die Wahlen stattfinden können. Wir brauchen noch mehr. Das will ich zum Schluss meiner Rede sagen. Ich glaube, wenn wir nicht morgen in Niger und übermorgen in Burkina Faso oder anderswo intervenieren wollen, brauchen wir jetzt im Sinne klassischer krisenpräventiver Politik eine Strategie für den -gesamten Sahel. Es geht am Ende sozusagen um eine -Regionalstrategie. Da muss ich die Bundesregierung kritisieren. Denn wir haben ein gutes Netzwerk ziviler Krisenprävention in Deutschland und auch auf EU-Ebene. Dieses fristet aber leider ein Schattendasein. Ich wünsche mir, dass hier einmal Analysen vorgelegt werden, die zeigen, warum diese Länder des Sahel wackelig sind. Was schwächt sie? Was stärkt sie? Es geht zum Beispiel um künstlich niedrige Weltmarktpreise, um unkontrollierten Rohstoffboom usw. Wir müssen dies klar analysieren und eine entsprechende Strategie vorlegen, auf deren Grundlage wir dann auch handeln. Das wäre eine effektive, nachhaltige und krisenpräventive Politik. Wir werden sie brauchen. Da haben Sie aus -unserer Sicht größeren Nachholbedarf. Man muss im Bereich der zivilen Krisenprävention klotzen und nicht kleckern, wenn man künftig einen Schwerpunkt darauf setzen möchte und nicht auf Militärinterventionen. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollegin Kerstin Müller. - Nächste Rednerin für die Fraktion der FDP ist unsere Kollegin Frau Elke Hoff. Bitte schön, Frau Kollegin Elke Hoff. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Elke Hoff (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich möchte an zwei Punkte anknüpfen, die sowohl meine Vorrednerin, die Kollegin Müller, als auch Herr Schockenhoff vorgetragen haben, und diese Aspekte ein Stück weit aus der Sicht einer Sicherheits- und Verteidigungspolitikerin beleuchten. Unsere Bundeswehr befindet sich erneut in einem Einsatz, der multinational ist. Ich glaube, dass solche Einsätze, die stabilisierend in einer Region wirken sollen und müssen, in Zukunft immer multinational sein werden. Das heißt, der Druck auf die Kooperation sowohl im Bereich der zivilen Aufbauarbeit als auch im Bereich des Militärischen ist ganz entscheidend. Meine Damen und Herren, wir müssen uns an dieser Stelle die Frage stellen: Sind wir - bei all den guten Zielen, die wir haben - mit den vorhandenen Mitteln und den Mechanismen der Zusammenführung wirklich effektiv? Nach den Erfahrungen, die wir auch im Vorfeld des Mali-Einsatzes gemacht haben, bezweifle ich das. Ich möchte das begründen und eine Perspektive aufzeigen, wie wir bei der Verteilung der internationalen Verantwortung vielleicht etwas besser werden können. Wir haben gemerkt - das Beispiel Somalia ist eben mit Recht angeführt worden; aber man könnte darunter durchaus auch unsere Versuche in Afghanistan subsummieren -, dass Stabilität in einer Region dann gewährleistet ist, wenn die souveränen Staaten selbst in der Lage sind, sie sicherzustellen. Wir verfügen nicht ad infinitum über die erforderlichen Mittel und die Durchhaltefähigkeit. Außerdem haben wir auch an anderen Stellen Probleme und müssen dort Krisenbewältigung betreiben. Auf der einen Seite gibt es die NATO-Fähigkeiten, auf der anderen Seite die europäischen Fähigkeiten. Seit Jahren gibt es zwei Institutionen, die bei der schnellen Krisenprävention bzw. bei Interventionen bis jetzt so gut wie noch nie eingesetzt worden sind: die NATO Response Forces und die sogenannten EU Battle Groups. Wir alle wissen, dass die EU große Probleme hat, militärisch durchhaltefähig zu sein. Das heißt, ohne die Fähigkeiten unserer großen NATO-Bündnispartner können wir auf diesem Feld nur sehr schwer reüssieren. Allerdings, meine Damen und Herren, können wir - davon bin ich sehr überzeugt - im Bereich der Polizeiausbildung aktiv sein. Die Polizei kann in den jeweiligen Staaten souverän Stabilität herstellen, angefangen bei der Grenzüberwachung über die innere Sicherheit bis hin zur Herstellung der Sicherheit beispielsweise in -Kommunen, die ja häufig - ich sage es einmal so - die Keimzellen des Widerstands sind. Wir sollten darüber diskutieren, ob eine Arbeitsteilung zwischen Europäischer Union und NATO möglich wäre, die zum Beispiel so aussieht: Die NATO Response Forces sind für die schnelle militärische Intervention da, und statt EU Battle Groups richtet man eine EU Training Group ein. Das wäre eine Möglichkeit, die Fähigkeiten, die wir haben, in eine verstetigte Struktur zu überführen, in eine Struktur, die wir nach meiner Auffassung auch politisch sehr gut verkaufen könnten. Denn die Bürgerinnen und Bürger können sehr gut verstehen, auch aufgrund eigener Erfahrungen, dass das etwas ist, was ein Staat braucht, um die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, die EU ist an dieser Stelle gut. Was mich persönlich im Vorfeld solcher Missionen allerdings immer wieder stört, ist, dass das Ganze in gewisser Weise eine Basarmentalität hat: Was bekommt man von wem, und wer ist bereit, was zu geben? Hier müssen wir vor dem Hintergrund der Erfahrungen, die wir bei der Polizeiausbildung gemacht haben, eine Struktur schaffen, die zur Stabilisierung der zivilen Sicherheit geeignet ist. Meine Damen und Herren, ich denke, das ist ein Ansatz, den man in die Diskussion mit einbeziehen sollte. Ich glaube, das ist ein seriöser Vorschlag, wie eine Aufgabenteilung zwischen den Fähigkeiten Europas und den militärischen Fähigkeiten der NATO aussehen könnte. Leider ist meine Redezeit vorbei. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Elke Hoff. - Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten: unser Kollege Dr. Rolf Mützenich. Bitte schön, Kollege Dr. Rolf Mützenich. (Beifall bei der SPD) Dr. Rolf Mützenich (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses haben sich am Montag dieser Woche mit Kolleginnen und Kollegen des Auswärtigen Ausschusses der französischen Nationalversammlung getroffen. Ich fand unsere Diskussionen nicht nur nützlich, sondern auch lehrreich. So haben uns die Parlamentarier aus der französischen Nationalversammlung zum Beispiel erzählt, dass sie einen ständigen Ausschuss haben, der sich mit Mali und der Sahelzone befasst, und dass sie sehr stark auf die -Situation in Algerien schauen, um eine politische Begleitung dieses Konflikts durch das Parlament zu gewährleisten. Wie schon gesagt, fand ich das nicht nur nützlich, sondern hielt es auch für eine lehrreiche Stunde im Hinblick auf eine Demokratisierung von Sicherheitspolitik. Einen Teil haben wir im Deutschen Bundestag erreicht, und ich glaube, in der französischen Nationalversammlung wird darum gestritten. Wir waren uns mit den Kolleginnen und Kollegen darüber einig, dass absolute Priorität der politische Weg haben muss und nicht das kurzfristige Engagement, das zurzeit die internationale Gemeinschaft versucht. In diesem Zusammenhang war es wichtig, zu sagen: Wir brauchen die Einbindung aller relevanten Gruppen. - In der Tat war dies wichtig. Wir dürfen uns nämlich nicht -alleine auf die ethnische Gruppe der Tuareg beziehen, sondern es gibt noch viele andere ethnische Gruppen, zum Beispiel in Mali, die genauso und vielleicht, eben weil sie nicht zur Gewalt greifen, noch eher das Recht an politischer Partizipation und an sozialer und wirtschaftlicher Beteiligung in diesem Land haben. Das muss die -internationale Gemeinschaft, das müssen Frankreich, Deutschland und viele andere europäische Partner erreichen. Das Zweite ist genauso wichtig. Wir brauchen auch - und darüber müssen wir mit der malischen Regierung reden - ein Ausstiegsprogramm für Gewaltakteure, für gewaltbereite Gruppen. Ich meine, auch das gehört zu einem politischen Versöhnungsprozess. Wir können über die europäischen Erfahrungen aus Bürgerkriegssituationen sprechen. Im ehemaligen Jugoslawien gab es den Vertrag von Dayton, der unter anderem auch das Prinzip von Abrüstung und Rüstungskontrolle in die Befriedung von Bürgerkriegen eingebracht hat. Das gehört für Mali und die Sahelzone genauso mit dazu wie andere Fragen auch. Ich finde es immer sehr interessant, wenn wir gefragt werden: Wie versucht ihr eigentlich, föderale Strukturen aufzubauen? Diese Länder stehen vor denselben Herausforderungen wie wir, weil es dort ebenso regionale -Unterschiedlichkeiten gibt, wie sie damals in Europa und auch in unserem Land geherrscht haben. Föderale Strukturen können dazu beitragen, auch Befriedungsprozesse im Inneren zu erreichen. Der Austausch mit den französischen Kolleginnen und Kollegen war schon deshalb wichtig, weil wir dabei auch unsere Erfahrungen einbringen konnten. Hier ist die Frage aufgeworfen worden: Sollen wir auch vonseiten der internationalen Gemeinschaft auf einen Wahltermin drängen? Darüber wird es keinen Konsens geben. Aber ich möchte davor warnen; denn ich glaube, die Festlegung eines Wahltermins ist nicht die Ultima Ratio für die Befriedung von Konflikten. (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Vielmehr kann dies in einem Prozess möglicherweise hilfreich sein. Ein Wahltermin wird auch nur dann eine ehrliche Antwort im Hinblick auf die politische Lage des Landes sein, wenn an diesem Prozess alle Gruppen gleichberechtigt beteiligt werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Aus diesem Grunde sollte das von unserer Seite ebenso bedacht werden. Wir müssen uns genau auf die Strukturen, auf die -Situation, aber auch auf die regionalen Herausforderungen einstellen. Deswegen warne ich von dieser Stelle aus auch vor einer Vereinfachung der Probleme. Es war nicht hilfreich, dass man die Situation von Mali mit der in Afghanistan vergleicht. Damit werden wir der Herausforderung nicht gerecht, und damit werden wir auch der Verantwortung nicht gerecht, die wir haben. Es gab zweifellos Versäumnisse vonseiten der internationalen Gemeinschaft. Wir haben diesem Land und den dortigen Herausforderungen nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Wir haben uns möglicherweise auch selbst getäuscht, weil uns der eine oder andere etwas erzählt hat, was wir vielleicht gerne hören wollten. Und wir haben in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU versagt. Auch das müssen wir in diesem Zusammenhang eingestehen. Aus all diesen Dingen müssen wir lernen. Insbesondere ist es wichtig, nicht selbstgerecht zu reagieren. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Linken, Sie haben schon in der ersten Beratung über die beiden Mandate durchaus zu Recht Fragen gestellt. Ich kann aber nicht umhin, Ihnen hier den Vorwurf zu machen: Es ist auch eine Menge Selbstgerechtigkeit dabei. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Weil Ihnen das Land scheinbar so am Herzen liegt, habe ich mir einmal angeschaut, welche parlamentarischen Initiativen Sie in der letzten Legislaturperiode zu Mali eingebracht haben. - Null. Die erste parlamentarische Initiative in dieser Legislaturperiode gab es am 2. März 2012. Ich finde, man darf hier so nicht auftreten und sagen, man habe den Stein der Weisen gefunden und wisse, wie man mit diesen Konflikten umzugehen habe. (Zuruf von der LINKEN) Denn ich finde, das, worauf Sie immer mit dem Finger zeigen, zeigt auf Sie zurück. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wenn ich zum Beispiel auf die Website Ihrer Partei gehe und angesichts der aktuellen Situation den Begriff "Mali" eingebe, dann habe ich sieben Treffer, wovon drei über Boni und Mali berichten und nicht über das Land Mali. Ich finde, das ist zu wenig, wenn man sich der internationalen Herausforderung stellt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das eine oder andere gemeinsam in den Raum zu stellen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist zu kurz gesprungen. Die Gewalt in Libyen hat die Situation in Mali mit Sicherheit mit destabilisiert. Dahinter muss doch aber die Frage stehen: Woher hatte Gaddafi die Waffen, die in diesen Konflikt in Mali mit eingeführt worden sind? (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Kanzler Schröder! Das mit der Selbstgerechtigkeit ist ein Bumerang! - Weitere Zurufe von der LINKEN) An dieser Stelle einfach immer nur gewisse Hinweise zu geben, heißt, zu kurz zu springen. Die Gewalt ist in Gaddafis Kerkern erlernt worden und nirgendwo anders. Das ist eine der Herausforderungen, vor denen dieses Land steht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Kollege Stinner, ich fand es bemerkenswert, dass Sie gesagt haben: Am Anfang einer Mandatierung müssen wir uns immer die Frage stellen: Genügt ein solches Mandat deutschen Interessen? - Natürlich haben wir auch immer noch eine deutsche Außenpolitik. Aber ich habe gelernt: Es geht eigentlich um mehr, es geht sozusagen um die internationale Verantwortung Deutschlands. Wenn wir glauben, zur Situation nichts beitragen zu können, unterstützen wir zumindest unsere Partner. Die Bedeutung eines Mandats in dieser Situation geht also etwas weiter. Ich will betonen: Was Kollege Schockenhoff zu den Herausforderungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union gesagt hat, hebt sich stark ab von der Rede, die der Verteidigungsminister in München zu dieser Frage gehalten hat. Zum Schluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich sagen: Die SPD-Fraktion kann heute den Mandaten zustimmen, wenn die Bundesregierung gemeinsam mit unseren Partnern den politischen Möglichkeiten Priorität einräumt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt das jetzt?) Vizepräsident Eduard Oswald: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich das Wort zu einer Kurzintervention dem Kollegen Wolfgang Gehrcke. (Zurufe) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): - Liebe Kolleginnen und Kollegen, das müssen Sie dann schon erleiden. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Im wahrsten Sinne des Wortes!) - Ich weiß, das widerspricht der Haager Landkriegsordnung. Wenn nicht Kollege Mützenich gesprochen hätte, würde ich gar nicht damit anfangen; aber wir streiten ja immer für das Völkerrecht, und ich weiß, dass Kollege Mützenich mit solchen Fragen ernsthaft umgeht. Uns wurde Selbstgerechtigkeit vorgehalten. (Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP] - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch richtig!) Ich finde, alle Fraktionen in diesem Hause sollten sich fragen, ob sie nicht in einer gewissen Art und Weise selbstgerecht sind. Wenn ich mir so sicher wäre, dass alles, was wir vorschlagen, sobald es Gesetz würde, sofort zu einer Verbesserung der Situation führte, dann wäre ich selbstgerecht. Ich habe aber meine Zweifel daran, und wir artikulieren diese Zweifel hier. Wir sind zumindest in der Lage, das auszuschließen, was wir in der praktischen Erfahrung als falsch erkannt haben. Deswegen frage ich Sie: Sehen Sie nicht die Parallelen zu Afghanistan? Auch ich sehe, dass die Menschen in Mali gejubelt haben, als die Islamisten geschlagen worden sind. Das war nach dem Sturz der Taliban aber auch in Afghanistan der Fall, und die Menschen haben dann den Eindruck gewonnen, dass ihr Land besetzt ist. Ich möchte davor warnen - ich finde das furchtbar -, dass politische Verantwortung in erster Linie immer mit Militär buchstabiert wird. (Widerspruch bei der CDU/CSU - Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat hier doch keiner gemacht!) Eine Veränderung der Lage in der Welt müssen wir durch politische Verantwortung erreichen. Wenn globaler Gerechtigkeit mehr Raum gegeben wird, wenn mehr davon gesprochen wird, dass die Menschen über die Produkte, die sie herstellen, auch verfügen können müssen, wenn Waffen nicht mehr als Handelsware gelten, dann werden wir alle zusammen weniger selbstgerecht sein und mehr Gerechtigkeit in der Welt verbreiten können. Wenn Sie sagen, wir sollen nicht selbstgerecht sein, sage ich Ihnen: Fassen Sie sich an die eigene Nase! Wenn hier keiner selbstgerecht wäre, wäre die deutsche Politik besser. Das ist das, was ich rüberbringen wollte. Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Dr. Mützenich, wollen Sie antworten? - Ja. Das Wort hat Kollege Dr. Rolf Mützenich. Dr. Rolf Mützenich (SPD): Lieber Herr Kollege Gehrcke, Sie wissen, wie sehr ich die Diskussionen mit Ihnen schätze, gerade im Auswärtigen Ausschuss; deswegen habe ich noch einmal darauf hingewiesen, dass ich glaube, dass Ihr Beitrag in der ersten Runde dieser Beratungen differenzierter gewesen ist als sozusagen die Kaskade von Vorwürfen vonseiten der Sprecherin der Fraktion Die Linke. Noch einmal: Ich glaube, Sie müssen akzeptieren, dass wir in der Tat aus der - - (Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) - Dürfen Herr Gehrcke und ich uns einfach einmal über das eine oder andere austauschen? Sie hätten sich ja sonst zu Wort melden können. Er hat doch nun einmal gefragt. Ich habe eben davor gewarnt, weil ich glaube, dass es falsch ist, Mali im Einzelnen mit Afghanistan zu vergleichen. Wir müssen in der Tat unsere Lehren aus Afghanistan ziehen, aber ich glaube, man muss sagen: Zu dem, was in Afghanistan von Anfang an falsch gelaufen ist, haben die Administration Bush und der amerikanische Präsident Bush viel beigetragen. Er war nicht zu politischen Lösungen und Angeboten gegenüber Gewaltakteuren in diesem afghanischen Konflikt bereit. Jetzt kommt es auf uns an, dass den Lehren, die wir gezogen und über die wir heute in dieser Debatte, im Auswärtigen Ausschuss, im Entwicklungshilfeausschuss und im Zusammenhang mit den Menschenrechten diskutiert haben, Konsequenzen in einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik folgen. Hier kommt eine große Verantwortung auf uns alle hier im deutschen Parlament, aber insbesondere auch auf die Bundesregierung zu. Mehr habe ich in meiner Rede nicht gesagt. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Mützenich. - Wir kommen wieder zurück zu unserer Rednerliste. Für die Fraktion der CDU/CSU gebe ich unserem Kollegen Ingo Gädechens das Wort. Bitte schön, Kollege Ingo Gädechens. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, die Debattenbeiträge haben sehr deutlich gemacht, dass nicht nur unsere Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten einsatzerfahrener geworden sind - egal ob durch das KFOR- oder das ISAF-Mandat -, sondern auch wir, das Parlament; denn schon der Titel des Antrages macht deutlich, dass es leider nicht oder noch nicht darum geht, wie man immer so schön banal sagt, Brunnen zu bohren, Brücken zu bauen und Schulen zu errichten. Nein, wir beraten über die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte im Zusammenhang mit der mehrfach geschilderten angespannten Situation in Mali. Die Republik Mali, ein Binnenstaat im Inneren Westafrikas, umringt von sieben Nachbarstaaten, liegt in der Großlandschaft Sudan sowie im Sahel. Die Republik Mali ist eigentlich weit weg von Zentraleuropa, und doch rückt uns auch von hier aus der Terrorismus näher bzw. ein gutes Stück entgegen. Putschende Streitkräfte, ein geschwächter Staat und Dschihadisten, die den Norden des Landes als Rückzugsgebiet nutzen, um von dort aus die Bevölkerung zu terrorisieren: ein uns nicht unbekanntes Muster. In den Diskussionen und Beratungen wurde anerkannt, dass Frankreich richtig und entschlossen gehandelt und somit verhindert hat, dass die Republik Mali von Radikalislamisten überrannt wurde. Diese aus meiner Sicht richtige Bewertung hat dazu geführt, dass die Bundesrepublik Deutschland gemeinsam mit den anderen Verbündeten den französischen Streitkräften Unterstützung gewährt, Unterstützung, die nicht nur wertvoll ist, sondern auch dankbar angenommen wurde; denn so, wie Afghanistan nicht die alleinige Angelegenheit Amerikas war, kann und darf Mali nicht die alleinige Angelegenheit Frankreichs sein. Es sollte - auch das klang mehrfach an - ein gemeinsames Anliegen unserer demokratischen Wertegemeinschaft sein, einem geschwächten Staat Hilfe zu geben, um ihn vor Terror und marodierenden und menschenverachtenden Horden zu schützen. Ich gebe dem Kollegen Nouripour nur bedingt recht, der seitens der Grünen beklagt, man habe die explosive Gemengelage in der Region zu lange ignoriert. Ich darf daran erinnern, dass sich gerade die Mitglieder des Verteidigungsausschusses durch eindeutige Berichte des Bundesnachrichtendienstes sehr früh und umfänglich über die prekäre Situation in Mali informiert haben. Die Frage, die nach diesen Berichten im Raum stand, war doch, wie man auf die besorgniserregende Entwicklung reagieren könnte. Dass Deutschland vor dem Hintergrund seiner Geschichte in einer schwierigen Situation ist und war, ist sicherlich nachvollziehbar, und ehrlich gesagt, lieber Kollege Nouripour, glaube ich auch nicht, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier einen Antrag gestellt hätte, dass die Bundeswehr als erste Streitkraft in Mali einmarschiert. Es ist also gut, dass Frankreich entschlossen gehandelt und den ersten Schritt gemacht hat. Richtig ist aber auch, dass Deutschland seinen Nachbarn nicht alleingelassen hat und ihn und die Mission im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten unterstützt. Gleich zwei Anträge der Bundesregierung machen die Teilung der Mission deutlich. Zum einen geht es darum, unter afrikanischer Führung auf der Grundlage einer Resolution des Sicherheitsrates Lufttransportkapazitäten zur Verfügung zu stellen, um in der Region diese Transporte und die Luftbetankungen vorzunehmen. Wir unterstützen damit das Mandat AFISMA. Es ist für mich keine Überraschung - dies gilt sicherlich auch für viele Verteidigungspolitiker hier im Saal -, dass die überaus erfahrenen Soldatinnen und Soldaten unserer Lufttransportgeschwader hier wieder einmal routiniert, professionell und erfolgreich agieren. Man möge mir nachsehen, dass ich als Schleswig-Holsteiner besonders stolz bin auf die Soldatinnen und Soldaten des Lufttransportgeschwaders 63 aus Hohn, also aus Schleswig-Holstein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der FDP: Hoi, Ingo!) Ich lobe aber natürlich auch die Kameradinnen und Kameraden aus Penzing und Wunstorf, die hier einen hervorragenden Job leisten. (Beifall des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU]) Im zweiten Antrag erbittet die Bundesregierung die Zustimmung des Parlaments, um deutschen Streitkräften den Auftrag zu erteilen, nach Maßgabe des Völkerrechts und der durch die EU festgelegten Einsatzregeln einen Beitrag zu der militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali zu leisten. Dabei wird sich die Bundeswehr an der Planung und der fachlichen Aufsicht sanitätsdienstlicher Unterstützung der Mission, aber auch der Pionier- und Sanitätsausbildung für malische Soldaten beteiligen. Ich danke dem Verteidigungsminister de Maizière nicht nur für eine sach- und fachgerechte Beurteilung der Lage, sondern auch für die richtige Einschätzung dessen, was die Bundeswehr zusätzlich und neben den laufenden Einsätzen noch in der Lage ist zu leisten. So wie einige Oppositionspolitiker anfangs bemängelten, man habe zu lange beobachtet und zu spät reagiert, hört man nun auch in dieser Debatte vermehrt die Sorge, Mali könnte ein zweites Afghanistan werden. Ich denke, lassen wir einmal diese Vergleiche und erkennen lieber an, dass es in Afghanistan deutliche und Gott sei Dank auch unumkehrbare Erfolge für die Menschen gibt. Natürlich wäre es gut, wenn das auch in Mali geschehen könnte. In der Tat ist allerdings zu befürchten, dass der Einsatz länger dauern wird. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Davon gehen wir aus!) Ich gehe davon aus, dass uns sowohl AFISMA als auch EUTM Mali länger in Anspruch nehmen werden, als die von der Bundesregierung beantragten zwölf Monate. Trotzdem finde ich es gut, dass dieses Zeitfenster so gewählt wird und sich dieses Parlament in einem vernünftigen zeitlichen Abstand erneut mit dieser Mission beschäftigen muss. Die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, ob die Mission in ein Mandat des UN-Sicherheitsrats umgewandelt werden kann. Allerdings muss man hier kein Prophet sein, um zu sagen, dass Deutschland auch unter einem Blauhelm-Mandat eine wichtige Rolle spielen muss. Die Entscheidungen der Bundesregierung waren aus Sicht der CDU/CSU-Fraktion gut und abgewogen. Die heutigen Anträge sind folgerichtig, international abgestimmt, und sie sind verantwortbar. Deshalb bitte ich alle Einsichtigen und alle Kolleginnen und Kollegen, die sich verantwortungsbewusst, vor allem aber ideologiefrei mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, um Zustimmung. (Zuruf von der LINKEN) Und weil ich von "ideologiefrei" gesprochen habe, nehme ich einmal die Fraktion Die Linke aus. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Ingo Gädechens. (Unruhe) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch zwei Redner auf unserer Liste, und ich bitte um die notwendige Aufmerksamkeit. Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Frau Ute Koczy. Bitte schön, Frau Kollegin. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sahelzone ist gefährdet: extreme Armut, Klimawandel, Nahrungskrisen, Bevölkerungswachstum, Korruption, Menschenhandel, Waffenhandel, Drogenschmuggel - und Mali mittendrin. Die dortige Ausbreitung von Islamisten war im Grunde nur eine Frage der Zeit. Der Militäreinsatz Frankreichs hat das Schlimmste abgewehrt. Jetzt müssen die Weichen neu gestellt werden, und es braucht eine afrikanisch geführte Lösung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die beiden Mandate sind wichtig. Sie sind aber nur ein Notnagel. Der wirkliche Wiederaufbau muss viel umfassender geleistet werden, langfristig angelegt sein und natürlich die afrikanischen Staaten einbeziehen. Der politische Prozess und darin die entwicklungspolitische Zusammenarbeit muss kohärent, strategisch und multilateral angelegt sein. Deutschland hat seit Beginn des Jahres 2013 den Vorsitz der Geberkonferenz für Mali. Doch davon hört man wenig, vor allem nicht, was Deutschland mit dieser Aufgabe in Mali strategisch erreichen will. Die Ansagen aus dem Haus des Entwicklungsministers Niebel sind viel zu wenig konzeptionell, wenn man schon einmal den Vorsitz in dieser Geberkonferenz für Mali hat. Ich hätte es richtig gefunden, wenn es parallel zur Diskussion über die Mandate auch die Vorstellung - mindestens eine Skizze - einer entwicklungspolitischen Agenda gegeben hätte. Die von Deutschland vor dem Putsch begleitete und anerkannt wichtige Dezentralisierung muss wieder aufgenommen werden. Nur wenn alle Regionen in Mali den Eindruck haben, dass sie vom Staat profitieren werden und Einfluss nehmen können, wird Mali zu Frieden und zu einer gefestigten Staatsstruktur finden. Wenn dazu die Budgethilfen beitragen, sind sie gut angelegt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Der tatsächliche Aufbau dauert Jahre, vielleicht auch Jahrzehnte, und er muss an allen Orten stattfinden, Ernährungssicherheit schaffen, Frauenrechte im Blick -haben, Menschenrechte durchsetzen, Arbeit schaffen. Der Aufbau muss in den Provinz- und Regionalregierungen zu guter Regierungsführung und zu einer ausgewogenen Arbeitsteilung zwischen den Ebenen führen. Er muss in der Gesellschaft zu Aussöhnung und Dialog führen. Dies alles sind Mammutaufgaben, die nur gelingen, wenn afrikanische Staaten, Gebergemeinschaft und die humanitären Organisationen an einem Strang ziehen. Da ist es doch blamabel, wenn UNOCHA gestern Alarm schlagen musste. Von den dringend erforderlichen 285 Millionen Euro sind erst 13 Millionen eingetroffen. Die von Deutschland für dieses Jahr gewährte Hilfe von 1 Million Euro ist viel zu wenig. Wir fordern daher einen Anteil von mindestens 6,73 Prozent an der UN-Hilfe. Das wären mindestens 17,5 Millionen Euro. Dahinter sind wir weit zurück Mali braucht sinnvolle Pläne: Wo wird humanitäre Hilfe am dringendsten gebraucht? Was passiert mit den Vertriebenen, die hoffentlich bald zurückkehren? Wie erhalten sie Saatgut? Wie werden Grundsteine für Ernährungssouveränität gelegt? Aber die Frage ist auch: Wie stellen wir sicher, dass die Erträge aus den Rohstoffen des Landes der Bevölkerung zugutekommen? Nicht nur Frankreich wird beweisen müssen, dass es eine neue Politik in Afrika gibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch wir in Deutschland sind gefragt, zu zeigen, was durch internationale Unterstützung jenseits des Militärs funktioniert. Enttäuschen wir diese Hoffnungen nicht! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Beginn eines jeden neuen Bundeswehreinsatzes will wohlüberlegt sein, weil man mit diesem ersten Schritt im Zusammenspiel mit internationalen Partnern Verantwortung für ein Land und für Menschen übernimmt, zu der man, wenn es nicht erwartungs- oder hoffnungsgemäß läuft, auch stehen muss. Im Fall Mali wäre aber Nichthandeln verantwortungslos. Weder die Weltgemeinschaft noch Europa noch Deutschland können sehenden Auges zulassen, dass im Norden Afrikas ein Staat zerfällt und dass dort Rückzugs- und Operationsräume für Terroristen entstehen - wie zum Beispiel für al-Qaida im islamischen Maghreb -, deren politische Agenda nicht auf diese Region begrenzt ist, sondern deren Ziel es auch ist, unsere Sicherheit, unsere Art, zu leben, und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu bedrohen. Selbst wenn die terroristische Anschlagsgefahr in Europa momentan noch wenig konkret ist: Ein Staat, der zerfällt, in dem es kein Recht und keine staatliche Ordnung mehr gibt, zieht natürlich organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Entführungen usw. an. Ein Nichthandeln jetzt könnte dazu führen, dass zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sich die Terroristen erst einmal richtig festgesetzt haben, mit einem viel größeren Aufwand gehandelt werden muss. Das ist aber auch nicht einfach; denn gerade wir als westliche Welt müssen uns nach den eher ernüchternden Erfahrungen, die wir in Afghanistan machen müssen, genau überlegen, wie wir wirkungsvoll Hilfe leisten können, ohne dass wir falsche Erwartungen oder falsche Hoffnungen auf den verschiedenen Seiten wecken. Meine Damen und Herren, es ist heute in der Debatte schon öfter angesprochen worden, dass es nur Hilfe zur Selbsthilfe sein kann für den malischen Staat bzw. für die benachbarten Staaten. Das Militär ist nur ein kleiner Teil der Hilfe, über den wir heute abstimmen und der deswegen diese große Prominenz erhält. Das ist aber sicher nicht der einzige Teil. Was wir als Bundeswehr dazu beitragen können, ist das, was wir bereits im Jahr 2005 begonnen haben, nämlich die Ausbildung malischer Streitkräfte im Bereich der Pioniere und die militärische Ausstattungshilfe. An diesem Punkt müssen wir weiter ansetzen. In den Bereichen, in denen wir Erfahrungen und Kompetenzen haben, sollten wir uns jetzt auch im Rahmen der EU-Ausbildungsmission einbringen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, neben der Ausbildungsunterstützung leisten wir noch einen weiteren Beitrag. Der UN-Sicherheitsrat hat zur Unterstützung der Rückeroberung des Nordens eine Militärmission mandatiert, die von der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten, ECOWAS, geführt wird. Die Truppen werden von den Nachbarländern Malis gestellt. Wir werden diese Truppen durch Lufttransport und Luftbetankung logistisch unterstützen. Diese beiden Bereiche für den Einsatz deutschen -Militärs sind meines Erachtens klug gewählt. Es ist wichtig, auch in der Öffentlichkeit festzuhalten, dass wir uns damit nicht an Kampfoperationen beteiligen. Es ist auch wichtig, festzuhalten, dass das nicht der einzige Beitrag ist, den Deutschland leistet. Dazu kommt humanitäre Hilfe. Dazu kommt Entwicklungszusammenarbeit. Dazu kommt diplomatische Unterstützung, vor allem durch den Dialog mit den gesprächsbereiten Gruppen im Norden. Entscheidend für Mali wird auch sein, dass es einen politischen Fortschritt gibt; Kollegen haben das schon in verschiedenen Reden angesprochen. Dies betrifft die Vorbereitung und Durchführung von Wahlen, die politische Beteiligung aller rund 30 Ethnien, die Aussöhnung von verfeindeten Gruppen, die Fortschritte bei der Entwicklung in allen Landesteilen, die Integration der Flüchtlinge usw. Deutschland und seine Partner in der Europäischen Union leisten dazu einen sinnvollen und auch realistischen Beitrag, damit wir unsere Partner in Westafrika befähigen, zu einer politischen Lösung zu kommen. Ich möchte mich zum Schluss meiner Ausführungen bei all denjenigen bedanken, die in Uniform oder in Zivil diesen Auftrag für uns ausführen. Ich wünsche ihnen, dass sie alle wieder gut nach Hause kommen. Ich wünsche ihnen auch, dass sie für ihren Einsatz jetzt eine breite Unterstützung des Parlaments bekommen werden. Meine Damen und Herren, herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Bevor wir zu den beiden namentlichen Abstimmungen zu den Anträgen der Bundesregierung kommen, weise ich darauf hin, dass wir direkt im Anschluss eine weitere namentliche Abstimmung und eine Wahl mit Stimmkarte und Wahlausweis durchführen werden. Bleiben Sie also alle im Plenarsaal! Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem Titel "Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12520, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 17/12367 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Hierzu liegen mir schriftliche Erklärungen zur Abstimmung vor.3 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Jetzt sind alle Plätze besetzt. Dann eröffne ich die Abstimmung über die Beschlussempfehlung. Die obligate Frage: Ist noch jemand im Plenarsaal, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir kommen nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12543. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der beiden Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und der Grünen bei Stimmenthaltung der SPD abgelehnt. Wir kommen nun zur Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung mit dem Titel "Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12522, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 17/12368 anzunehmen. Auch über diese Beschlussempfehlung stimmen wir namentlich ab. Ich bitte erneut die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung über diese Beschlussempfehlung. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen werden Ihnen später bekannt gegeben.4 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Zusatzpunkt 6 auf: Dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes - Drucksache 17/12033 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12400 Buchstabe a - Berichterstattung: Abgeordnete Cajus Caesar Petra Crone Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Cornelia Behm Nach Art. 87 Abs. 3 des Grundgesetzes ist zur Annahme des Gesetzentwurfs die Mehrheit der Mitglieder des Deutschen Bundestages, das heißt mindestens 311 Stimmen, erforderlich. Meine Damen und Herren, in der 222. Sitzung am 21. Februar 2013 ist in der dritten Beratung die vorgeschriebene Feststellung, dass die erforderliche Mehrheit vorliegt, unterblieben. Die Schlussabstimmung ist daher zu wiederholen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wir stimmen über den Gesetzentwurf namentlich ab. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12400, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12033 in der Ausschussfassung anzunehmen. Auch zu dieser Abstimmung liegt mir eine persönliche Erklärung nach § 31 GO vor.5 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Plätze eingenommen? - Das ist offensichtlich der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Die obligatorische Frage: Ist noch jemand anwesend, der seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.6 Wir setzen die Beratungen fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Artikel 45 d des Grundgesetzes - Drucksache 17/12462 - Die Fraktion Die Linke schlägt auf Drucksache 17/12462 den Kollegen Steffen Bockhahn vor. Bevor wir zur Wahl kommen, bitte ich um Ihre Aufmerksamkeit für einige Hinweise zum Wahlverfahren. Nach § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die parlamenta-rische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes ist gewählt, wer die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages auf sich vereint, das heißt, wer mindestens 311 Stimmen erhält. Die Wahl erfolgt mit Stimmkarte und Wahlausweis. Den Wahlausweis können Sie - soweit noch nicht -geschehen - Ihrem Stimmkartenfach in der Lobby entnehmen. Bitte achten Sie unbedingt darauf, dass der Wahlausweis auch wirklich Ihren Namen trägt. Die Stimmkarten wurden im Saal verteilt. Sollten Sie noch keine Stimmkarte haben, besteht jetzt noch die Möglichkeit, diese von den Plenarassistenten zu erhalten. Gültig sind nur Stimmkarten mit einem Kreuz bei "ja", "nein" oder "enthalte mich". Ungültig sind demzufolge Stimmkarten, die kein Kreuz oder mehr als ein Kreuz, andere Namen oder Zusätze enthalten. Diese Wahl findet offen statt. Sie können Ihre Stimmkarte also an Ihrem Platz ankreuzen. Bevor Sie die Stimmkarte in eine der Wahlurnen werfen, übergeben Sie bitte den Schriftführerinnen und Schriftführern an den Wahlurnen Ihren Wahlausweis. Der Nachweis der Teilnahme an der Wahl kann nur durch Abgabe des Wahlausweises erbracht werden. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Das ist erfolgt. Dann eröffne ich die Wahl. Ich glaube, es ist Ruhe eingekehrt; also haben alle gewählt. Dann schließe ich die Wahl und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Wahl wird Ihnen später bekannt gegeben.7 Ich rufe die Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b sowie Zusatzpunkt 7 auf: 9 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Britta Haßelmann, Kerstin Andreae, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Drucksache 17/12394 - b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Lötzer, Eva Bulling-Schröter, Katrin Kunert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - Drucksache 17/12482 - ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Martin Schwanholz, Manfred Nink, Wolfgang Tiefensee, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011)897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen - Drucksache 17/12519 - Über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie über den Antrag der Fraktion Die Linke werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich sehe keinen Widerspruch dazu. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile Kollegin Britta Haßelmann für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. (Unruhe) - Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer nicht mehr zuhören will, den bitte ich, Platz zu nehmen oder den Saal zu verlassen, damit wir in Ruhe weiter debattieren können. - Bitte schön, Kollegin Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren Besucherinnen und Besucher des Deutschen Bundestages! Wir reden heute über drei Anträge, nämlich einen Antrag von uns Grünen, einen Antrag der SPD und einen Antrag der Linken zur EU-Richtlinie zum Thema "Vergabe von Dienstleistungskonzessionen"; vielen der Bürgerinnen und Bürger bekannt unter dem Schlagwort "Wasser ist ein Menschenrecht" und der entsprechenden Initiative für eine Europäische Bürgerinitiative; über 1 Million Menschen haben sich bereits gegen diese EU-Richtlinie ausgesprochen. Wir haben aber hier im Deutschen Bundestag noch nie inhaltlich über das Thema öffentlich diskutiert. Deshalb haben wir das für diese Sitzung zu einem Debattenpunkt gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir fordern in unserem Antrag, die EU-Konzessionsrichtlinie so auf gar keinen Fall zu verabschieden. Die Richtlinie muss in der vorliegenden Form gestoppt werden; denn sie wird in einem Verfahren durch die Hintertür zu einer Privatisierung der Wasserversorgung führen. Sie wird viele kommunale Stadtwerke, Zweckverbünde und interkommunale Kooperationen gefährden, und das wissen alle. Alle hier im Saal wissen das, auch und insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU; denn die haben sich mit diesem Thema auch auf ihrem Parteitag befasst, aber nicht hier im Bundestag. Es ist so: Heute und auch im Dezember hat Deutschland dieser EU-Richtlinie im EU-Ministerrat in den entsprechenden Ausschüssen in unveränderter Form zugestimmt, er lässt diese Richtlinie passieren. Das alles geschieht durch das Wirtschaftsministerium. Man ist der Auffassung, diese Art von Dienstleistungskonzessionen der Ausschreibung zu unterwerfen, gefährde nicht die kommunalen Stadtwerke. Das wird aber der Fall sein. Wir werden demnächst mit europaweiten Ausschreibungen für Wasserversorgungskonzessionen konfrontiert sein. Deshalb müssen wir uns hier im Bundestag positionieren und gegen diese Richtlinie vorgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Während wir heute das Thema im Bundestag beraten, hat Deutschland wieder eine Chance verpasst. Deutschland hat nämlich, anders als Österreich, nicht zugestimmt, dass Änderungen an der Richtlinie vorgenommen werden. Unser Ständiger Vertreter hat heute in der EU Österreich im Stich gelassen und nicht dafür gestimmt, dass sich Deutschland für die entsprechenden Änderungen der EU-Richtlinie einsetzt. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist skandalös!) Die öffentlichen Aktionen von CDU und CSU und das bisherige Verhalten der schwarz-gelben Bundes-regierung gehen völlig auseinander. Das müssen wir -offenlegen. Das ist so nicht hinnehmbar. So viel Scheinheiligkeit auf einmal ist wirklich zu viel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doppelzüngig!) Meine Damen und Herren von der CDU, wir haben es Ihnen eigentlich leicht gemacht; denn wir stellen heute den Beschluss, den Sie im Dezember auf Ihrem Parteitag gefasst haben, eins zu eins in einem Antrag zur Abstimmung. Es kann doch nicht sein, dass Sie den ganzen Kommunalos flammend erklären, Sie sind gegen diese Richtlinie, und gleichzeitig lassen Sie den Rösler laufen, der die Richtlinie eins zu eins passieren lässt, so wie das Barnier und andere Wettbewerbsleute in Brüssel wollen. Sie müssen Ihren Leuten vor Ort erklären, wie Sie eine solche Spaltung des Bewusstseins hinbekommen. Auf Ihrem Parteitag sind Sie radikal gegen die EU-Richtlinie, und hier im Deutschen Bundestag ducken Sie sich weg und lassen die schwarz-gelbe Bundesregierung agieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Noch schlimmer ist es bei der CSU. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die sind genauso scheinheilig! ) Bayern bringt morgen gemeinsam mit Nordrhein-Westfalen eine Entschließung gegen diese Richtlinie in den Bundesrat ein. Wie ich sehe, sind Horst Seehofer und Alexander Dobrindt heute gar nicht hier. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gähnende Leere hier!) Das kann ich auch gut verstehen; denn das ist für sie ein unbequemes Thema. Sie äußern sich öffentlich, dass Sie massiv gegen diese Richtlinie vorgehen wollen. Sie haben gesagt: Man muss einen Riegel vorschieben, eine harte Gangart einlegen. - So lauteten die Formulierungen gegen die Richtlinie. Ich bin gespannt, ob Sie heute hier im Bundestag unserem Antrag, der ja eigentlich Ihr Parteitagsbeschluss ist, wirklich zustimmen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich fordere Sie auf: Bekennen Sie Farbe! Stoppen Sie diese Richtlinie! Hören Sie von CDU und CSU vor allen Dingen mit dem scheinheiligen Spiel: auf Parteitagen gegen diese Richtlinie zu stimmen, aber am Ende hier im Deutschen Bundestag nichts dagegen zu tun! Hören Sie auf, zu behaupten, dass sich durch die Aussagen von Barnier irgend etwas geändert hätte. Der EU-Kommissar hat eine Ankündigung gemacht, die Richtlinie aber nicht verhindert. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Frau Kollegin! Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist das Problem. Es ist daher gut, dass wir dieses Thema heute diskutieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen und Kollegen, zwischendurch darf ich die Ergebnisse der drei namentlichen Abstimmungen bekanntgeben. Zunächst zu dem von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung "Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali." Das sind die Druck-sachen 17/12367 und 17/12520. Abgegebene Stimmen: 567. Mit Ja haben gestimmt 496 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 67, Stimmenthaltungen 4. Die Beschlussempfehlung ist angenommen worden. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 567; davon ja: 496 nein: 67 enthalten: 4 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jutta Krellmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Susanne Kieckbusch Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein SPD Klaus Barthel Waltraud Wolff (Wolmirstedt) FDP Frank Schäffler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Enthalten CDU/CSU Dr. Peter Gauweiler SPD Marco Bülow Petra Hinz (Essen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Wir kommen zu dem von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des -Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundes-regierung "Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA)". Das sind die Drucksachen 17/12368 und 17/12522. Abgegebene Stimmen: 566. Mit Ja haben gestimmt 492 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 66, Stimmenthaltungen 8. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 566; davon ja: 492 nein: 66 enthalten: 8 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Susanne Kieckbusch Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein SPD Klaus Barthel Waltraud Wolff (Wolmirstedt) FDP Frank Schäffler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Enthalten CDU/CSU Dr. Peter Gauweiler SPD Marco Bülow Petra Hinz (Essen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sylvia Kotting-Uhl Monika Lazar Beate Müller-Gemmeke Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Ich komme zu dem von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines "Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes". Das sind die Drucksachen 17/12033 und 17/12400. Abgegebene Stimmen: 564. Mit Ja haben gestimmt 313 Abgeordnete, mit Nein haben gestimmt 126 Abgeordnete, Stimmenthaltungen 125. Der Gesetzentwurf hat die erforderliche Mehrheit erreicht. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 563; davon ja: 312 nein: 126 enthalten: 125 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Nein SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries Enthalten DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Susanne Kieckbusch Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Wir setzen die Debatte zum Thema Wasserversorgung fort. Das Wort hat nun Ulrich Lange für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Jetzt bin ich gespannt: Zwölf Minuten, eine lange Zeit!) Ulrich Lange (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dass die CSU keine Angst hat, zeigt sich schon daran, dass die gesamte Redezeit der Union heute auf die CSU fällt. So stehe ich hier. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die CDU ist abgetaucht!) Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, wenn Sie doch auch sonst so auf unsere Parteitagsbeschlüsse und unsere Vorschläge wie zum Beispiel zum Steuerrecht eingehen würden! Wir würden uns über diese Nähe freuen, die Sie heute beim Wasser zeigen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn sie gut sind!) Aber es zeigt sich natürlich, dass dieser Antrag vor allem eines hat: Er hat populistischen Charakter. Um nicht mehr und nicht weniger geht es. (Beifall bei der CDU/CSU - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Scheinheilig!) Wenn es Ihnen um die Sache geht, dann treten Sie jetzt an unsere Seite und hören sich zunächst einmal in Ruhe an, was wir zu sagen haben. Klar ist, dass in Brüssel mal wieder die Technokraten regieren. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es regiert die FDP, das ist das Problem!) Ich sage es so offen: Wenn wir noch mehr für Europa frustrierende Ergebnisse haben wollen wie in Italien, dann müssen wir so weitermachen. Es bedarf des Drucks aus diesem Hause, es bedarf des Drucks aus dem Europäischen Parlament, damit man in Brüssel überhaupt -begreift, was die Menschen beschäftigt und bewegt. Sie bewegt und beschäftigt das Thema Trinkwasser. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eines hat die Kommission leider immer noch nicht begriffen. Das ist das Subsidiaritätsprinzip. Deswegen - ich kann mich dem nicht verschließen - möchte ich der EU-Kommission eine kurze juristische Nachhilfe geben. Ich hoffe, dass sich in Brüssel jemand die Mühe macht, das zu lesen. Ich möchte auf Art. 5 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union hinweisen. Dort heißt es ganz klar: Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche -Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfanges oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Die Kommission ist sicherlich die Falsche, die diese Aufgabe wahrnehmen könnte. (Beifall bei der CDU/CSU) Es handelt sich nicht um eine Aufgabe, die auf die Unionsebene gehört. Jahrzehntelang haben unsere Kommunen, unsere kommunalen Versorger für hohe Qualität bei der Wasserversorgung gesorgt. Aus den Wasserrohren unserer Städte und Gemeinden kommt qualitativ hochwertiges Wasser, und das wollen wir so beibehalten - auch im Sinne unserer Bürgerinnen und Bürger. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie zustimmen!) Auch der EuGH - wenn ich schon bei der juristischen Nachhilfe bin, spreche ich auch ihn an - sieht hier keinen Regelungsbedarf: (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bravo!) "Ein besonderer Regelungsbedarf für die Dienstleistungskonzession ist nicht ersichtlich", so der EuGH. Dies unterstrich er im März 2011. Aber nein, die Kommission weiß es besser und legt unter dem Deckmantel von Transparenz und Rechts-sicherheit eine Richtlinie vor. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Wasser ist kein gewöhnliches Handelsgut, sondern ein wichtiges Lebensmittel! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei -Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bravo! - Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Deutschland hat zugestimmt! - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für wen -reden Sie hier eigentlich?) Daher steht die Wasserversorgung unter unserer besonderen Beobachtung. (Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Beobachten reicht nicht!) Ich will hier jetzt nicht weiter auf Herrn Barnier und den Kommissionsvorschlag eingehen. Man kann die ersten Hoffnungsschimmer haben, dass die Vernunft Einzug hält. Mit dem, was bisher vorgelegt worden ist, sind wir nicht zufrieden. Ich unterstreiche das: nicht zufrieden! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen die Debatte über dieses Thema - auch das sage ich ganz deutlich - nicht ideologisch unter dem -Titel "Liberalisierung/Privatisierung versus Rekommunalisierung" führen, sondern wir führen diese Debatte unter dem Gesichtspunkt, dass die Vorteile im Bereich der Wasserversorgung klar aufseiten der Kommunen liegen und nicht aufseiten der großen Konzerne. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN - Petra Ernstberger [SPD]: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung!) Unsere Kommunen liefern seit Jahren und Jahrzehnten - ich erlaube mir, das als Kommunalpolitiker zu sagen - Trinkwasser in Topqualität . Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann? Ulrich Lange (CDU/CSU): Nein. Ich erkläre das. Sie kann danach fragen. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Unsere Kommunen stehen für die Qualität des Produktes, und sie kennen die Strukturen vor Ort. Unser Wasser ist ein Stück regionale Wertschöpfung. Auch diese regionale Wertschöpfung sollten wir pflegen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Bettina Hagedorn [SPD]: Ha, ha, ha!) An dieser Stelle erlaube ich mir, auch wenn Sie, liebe Kollegin, "Ha, ha, ha!" sagen, da ich Kommunalpolitiker bin, einen kleinen Exkurs zur Bayerischen Rieswasserversorgung in meinem Wahlkreis. Auch dort sieht man das, was aus Brüssel kommt, sehr skeptisch. Auch dort hat man die Sorge, dass schleichend eine Privatisierung der Wasserwirtschaft beginnt. Natürlich hat man vor Ort auch Angst, wem sich eventuelle Großunternehmen am Ende verpflichtet fühlen: dem Gewinn oder der guten Wasserversorgung? Die Unsicherheit ist also vor Ort angekommen. Diese nehmen wir als CDU/CSU auf; (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Sie stimmen unserem Antrag zu! Das ist sehr schön!) denn eines ist klar: Wasser darf nicht zum Spekulationsobjekt werden. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie können gleich weiterklatschen, die ganze Runde kann weiterklatschen: Hier hört die Liberalisierung auf! (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Gustav Herzog [SPD]: Kein Applaus bei der FDP!) Wir führen eine Debatte über Wasser, Strom und andere Versorgungsbereiche. Ich möchte diese Diskussion nicht vertiefen, weil man nicht alles miteinander vergleichen kann. Es gibt gutes und gesundes Wasser, aber es gibt keinen guten und keinen ungesunden Strom. Deswegen bitte ich, diese Differenzierung zu akzeptieren. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es spannend!) Jetzt geht es darum, dass wir versuchen, diese Dienstleistungskonzessionsrichtlinie in Brüssel zu kippen oder wenigstens den sensiblen Bereich der Wasserversorgung aus der Richtlinie zu nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dazu stehen wir als CDU/CSU, auch in dieser Deutlichkeit. Es geht jetzt darum, dass wir den neuesten Vorschlag aufgreifen und an dieser Stelle weiterarbeiten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es geht jetzt darum, für eine gute Wasserversorgung zu verhandeln. Es geht nicht darum, hier mit populistischen Anträgen (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Text ist doch von der CDU!) ein großes Buhei zu machen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vielmehr geht es darum, daran zu arbeiten, dass die Wasserversorgung in Deutschland die jetzige Qualität behält. Liebe Bundesregierung, verehrtes Wirtschaftsministerium, Wasser ist ein Stück Lebensqualität. In diesem Sinne: Nein zur Privatisierung! Dafür steht auch die Union. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Heinz-Peter Haustein [FDP]) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Britta Haßelmann das Wort. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Kollege Lange, ich fand es schade, dass Sie keine Zwischenfrage zugelassen haben. Aber nach den Pirouetten, die Sie gerade gedreht haben - nach dem Motto: Sie haben mit Ihrem Antrag vollinhaltlich recht; wir fordern eigentlich das Gleiche, können dem Antrag aber nicht zustimmen -, weiß ich, warum Sie keine Frage zugelassen haben. Sie haben die ganze Zeit auf die EU-Kommission und auf diejenigen geschimpft, die diese Richtlinie verbrochen haben. Wir teilen Ihre Kritik. Das haben Sie an meinen Ausführungen gehört. Wir sind da Seit' an Seit' mit der CSU. Morgen wird auch das rot-grün regierte Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit Bayern im Bundesrat vorgehen. Aber bitte nehmen Sie doch einmal zur Kenntnis, Herr Lange, dass Deutschland - das Wirtschaftsministerium - am 11. Dezember im EU-Ministerrat dem Entwurf der EU-Richtlinie ohne jede sektorale Ausnahme für den Wasserbereich zugestimmt hat (Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört!) und dass heute, als im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten darüber beraten wurde, was man eigentlich noch machen kann, um diese Richtlinie zu verhindern, Deutschland - die schwarz-gelbe Bundesregierung, das Wirtschaftsressort - sich nicht hat durchringen können, mit Österreich Einspruch gegen das Verhandlungsmandat für die Richtlinie zu erheben, mit dem Ziel, die Wasserversorgung herauszuverhandeln. Das hat heute der deutsche Vertreter abgelehnt. Von daher hatte ich recht mit der Einschätzung: Bei manchen liegt da eine Art Bewusstseinsspaltung vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Kollege Lange, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], zur CDU/CSU gewandt: Auf euer Abstimmungsverhalten bin ich gespannt!) Ulrich Lange (CDU/CSU): Liebe Frau Kollegin, ich fühle mich bei vollem Bewusstsein; ich erlaube mir, das so zu sagen. Ich glaube auch, dass ich meine Ausführungen bei vollem Bewusstsein getätigt habe und dass sie schlüssig waren. Wir sind da ja nah beieinander. Wenn Sie mir ganz genau zugehört haben, dann haben Sie am Ende meiner Rede eine Aufforderung eines Parlamentariers, einer Fraktion an die Bundesregierung vernommen. Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Liebe Kollegen, zwischendurch - gewissermaßen zur Beruhigung - teile ich das Ergebnis der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums gemäß Art. 45 d des Grundgesetzes mit: abgegebene Stimmen 565, ungültige Stimmen 2, gültige Stimmen 563. Mit Ja haben gestimmt 449, mit Nein haben gestimmt 70, Enthaltungen 44. Der Abgeordnete Steffen Bockhahn hat 449 Stimmen erhalten. Die erforderliche Mehrheit von mindestens 311 Stimmen wurde erreicht. Damit ist der Kollege Bockhahn Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums.8 (Beifall) Nun erteile ich dem Kollegen Martin Schwanholz für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Martin Schwanholz (SPD): Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lange, ich bin gespannt, wie Sie abstimmen werden. Ich glaube, das interessiert uns alle. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Wasser ist Leben - diesen Titel trägt ein vom Bundesministerium für Umwelt herausgegebenes Arbeitsheft für Schülerinnen und Schüler der Grundschule. Nun kann ich verstehen, dass Herr Rösler - er ist jetzt nicht da - nichts liest, was von Herrn Altmaier kommt. Aber in diesem Fall bin ich wohl nicht der Einzige, der sich gewünscht hätte, dass der Bundeswirtschaftsminister vor den Verhandlungen zur Konzessionsrichtlinie einmal einen Blick in dieses Heft geworfen hätte. Denn dann würde er sich nicht einfach über die mehrfach über alle Fraktionsgrenzen geäußerten Bedenken hinwegsetzen. Sicherlich gibt es für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die öffentliche Hand gewinnbringende Privatisierungsvorhaben - ich sage das ausdrücklich auch in Richtung der FDP -, aber der Bereich der Wasserversorgung zählt eindeutig nicht dazu. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wasser ist ein lebensnotwendiges Gut. Eine qualitativ hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung muss Ziel guter Politik bleiben. Daher lehnen wir als SPD-Bundestagsfraktion eine Ausschreibungspflicht für den Bereich Wasser grundsätzlich ab. Wir fordern, öffentliche Träger der Wasserversorgung aus der Richtlinie auszunehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Wasserversorgung als Teil der Daseinsvorsorge liegt in Deutschland größtenteils in öffentlicher Hand. Der Vertrag von Lissabon sichert den Kommunen das Recht der eigenverantwortlichen Erbringung der Leistungen der Daseinsvorsorge zu. Die aktuellen Beschlüsse stellen jedoch einen massiven Eingriff in die Gestaltungsfreiheit dar und verletzen damit das Prinzip der Subsidiarität, das Sie bei der CSU sonst immer so hochhalten. Auch der Bundesrat hat diese Bedenken mehrfach erhoben und wird dies in seiner morgigen Sitzung noch einmal tun. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, unsere gute und bezahlbare öffentliche Wasserversorgung dem Wettbewerb zu unterwerfen. Wir müssen nur in große europäische Hauptstädte blicken - Berlin, Paris, London -, um zu sehen, mit welchen Risiken die Privatisierung der Wasserversorgung einhergeht. Hier wurden wichtige Investitionen aus übertriebenem Gewinnstreben nicht mehr getätigt. Das Ergebnis ist eine unhaltbare Situation für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Stiftung Warentest kommt in einer Analyse aus dem Jahr 2012 zu dem Ergebnis: Die deutsche Wasserversorgung ist gut und preiswert, und mehr Privatisierung bringt keinen Mehrwert. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Auch der aktuelle Kompromissvorschlag von Herrn Barnier, die Wasserversorgung nur auszunehmen, wenn sie zu 100 Prozent in öffentlicher Hand ist, ist blanker Unsinn, zumal bei Stadtwerken, die als GmbH oder als AG organisiert sind, die Grenze der 80-prozentigen Erbringung innerhalb der Kommune vollkommen willkürlich gesetzt ist. Auch ist zu befürchten, dass sich der von der Richtlinie ausgehende Liberalisierungsdruck auf andere Bereiche wie die Gesundheitswirtschaft, also Altenheime und Krankenhäuser, ausdehnen wird. Die Folgen wären unabsehbar. Festzuhalten bleibt: Die Merkel-Regierung hat sich in keiner Weise für die vielfach artikulierten Interessen der Bürgerinnen und Bürger für eine Wasserversorgung in öffentlicher Hand eingesetzt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vielmehr hat sie dem Vorschlag der Kommission im Rat zugestimmt und somit billigend in Kauf genommen, dass die hochwertige und bezahlbare Wasserversorgung in Deutschland gefährdet wird. Über einen entsprechenden Parteitagsbeschluss der CDU vom vergangenen Dezember hat sich Frau Merkels Bundeswirtschaftsminister einfach hinweggesetzt. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion schreibt deren stellvertretender Fraktionsvorsitzender Herr Singhammer - ich zitiere -: Es besteht zu Recht die Befürchtung, dass nach einer Privatisierung nur noch die Erzielung von möglichst hohen Renditen im Vordergrund steht. Recht hat er, der Herr Singhammer. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Umso verwunderlicher finde ich es, dass Frau Merkel höchstpersönlich in einem Schreiben Anfang Januar an Verdi und den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft den Vorschlag der Kommission grundsätzlich begrüßt hat. Als Ergebnis dürfen wir also festhalten: die Konservativen in Deutschland dagegen, die deutschen Kon-servativen in Europa dafür, Teile der FDP dagegen, die -Regierung in Deutschland dafür. Das Chaos in der Merkel-Truppe ist wieder einmal perfekt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Klartext. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel, meine Fraktion fordert Sie und die Bundesregierung auf: Verhandeln Sie in Brüssel nach. Setzen Sie sich endlich dafür ein, die gute öffentliche Wasserversorgung und die hohe Qualität der deutschen Gesundheitswirtschaft zu schützen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto. (Beifall bei der FDP) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Herr Präsident! Liebe Kollegin Haßelmann, lieber Kollege Dr. Schwanholz, wenn ich mir Ihre Redebeiträge hier anhöre, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lange doch auch! Der ist auf unserer Seite!) dann erkenne ich, was die wahrhaft weder konservative noch markthörige Zeitung Die Zeit meinte, als sie kürzlich von der Wasserlüge sprach. Hier läuft eine Kampagne, in der mit Unwahrheiten und Irreführungen (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!) die Ängste der Bürgerinnen und Bürger geschürt werden sollen. Bauen Sie doch keinen Popanz auf. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie wissen es genauso gut wie ich: Es wird auch künftig keinen Zwang zur Privatisierung der Wasserversorgung geben, weder direkt noch durch die Hintertür. (Dr. Martin Schwanholz [SPD]: Nein! Das ist falsch! - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fragen Sie mal die Wasserversorgungsunternehmen, was die dazu sagen!) Natürlich können die Kommunen auch künftig frei darüber entscheiden, in welcher Form, ob kommunal oder privat, sie die Versorgung ihrer Bürger mit Wasser gewährleisten wollen. Etwas anderes stand übrigens auch nie im Zusammenhang mit der Konzessionsrichtlinie zur Debatte. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Otto, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Haßelmann? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Da kann ich ja nicht widerstehen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: 5 Euro in die Chauvi-Kasse! - Gegenruf der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU]: Musst du gerade sagen! - Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Na! - Bitte schön. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn schon Herr Kampeter vorschlägt, 1 Euro in die Chauvi-Kasse zu zahlen, kann ich nur sagen: Er muss es wissen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: 5 Euro!) Herr Staatssekretär, da Sie gesagt haben, wir würden einen Popanz aufbauen und von Zwangsprivatisierung reden, muss ich annehmen, dass Sie meiner Rede nicht zugehört haben; - Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Oh doch! Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - denn ich habe das Wort "Zwangsprivatisierung" überhaupt nicht in den Mund genommen. Das Perfide ist - da bin ich mir wahrscheinlich mit Herrn Lange, Herrn Dobrindt, Herrn Seehofer und den Kolleginnen und Kollegen von SPD, Linken und Grünen einig -, dass Herr Barnier diese EU-Richtlinie so konzipiert hat und jetzt davon spricht, dass zu 100 Prozent kommunale Unternehmen ausgenommen werden könnten. Dieser Vorschlag liegt allerdings noch nicht vor; verkaufen Sie das von daher bitte nicht als Erfolg. Jeder weiß, dass diese hohen Hürden von kommunalen Unternehmen nicht erfüllt werden können. Sie können auch dann nicht erfüllt werden, wenn ein kommunales Unternehmen mehr als 20 Prozent des Auftrags außerhalb des eigenen Gebietes erfüllt. Dann ist eine europaweite Ausschreibung vorgesehen. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) Das ist das Perfide, und Sie versuchen gerade, das zu verkleistern. Es ist doch so, dass zwei Hürden gesetzt worden sind, und es ist so, dass über die Hälfte der Stadtwerke privates Kapital in sich hat und deshalb europaweit ausschreiben muss. Das wissen Sie doch, oder? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bin ich ja mal auf den Popanz gespannt, der da wieder aufgebaut wird!) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin, zunächst einmal: Es wäre sinnvoll gewesen, Sie hätten mich ein paar Worte sagen lassen. Dann hätte sich nämlich manches, wonach Sie gerade gefragt haben, erledigt. Da Sie uns vorwerfen, wir würden hier perfide vorgehen, muss ich Sie darauf hinweisen: Ich halte es für perfide, den Menschen einzureden, dass diese Konzessionsrichtlinie an der bisherigen Rechtslage irgendetwas ändert. Sie entspricht eins zu eins der bisherigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Materiell verändert sich nichts. Es soll nur Rechtssicherheit geschaffen werden. Liebe Frau Kollegin Haßelmann, wenn ich Sie noch eine Sekunde um Ihr geschätztes Ohr bitten darf: Es ist ja keineswegs so, dass nur Sie, Frau Kollegin Haßelmann, und der Kollege Schwanholz solche Dinge verbreiten. So etwas wird hier auf breiter Front erzählt. Sie, liebe Frau Kollegin Haßelmann, sprechen von einer Privatisierung durch die Hintertür. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) Herr Schwanholz sagt, das laufe zwangsläufig auf eine Privatisierung hinaus. Mit Verlaub, liebe Kollegen: Ich halte dies für Unsinn, um es Ihnen ganz klar zu sagen. Ich halte das für übertrieben. Was die Mehrspartenunternehmen angeht, sollten Sie mich einfach einmal ausreden lassen. Dann werde ich dazu noch etwas sagen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Otto, es gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Lenkert. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Meine Güte ist heute unbegrenzt. Wir haben uns ja schon in der Fragestunde in der letzten Woche darüber unterhalten. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Soll ich auch noch eine Frage stellen, Herr Otto?) Ralph Lenkert (DIE LINKE): Ja, genau, Herr Staatssekretär Otto. Wir haben schon letzte Woche geklärt, dass das Wirtschaftsministerium dieser Richtlinie bei der EU-Kommission in dieser Form zugestimmt hat. Sie haben eben auf die Frage geantwortet, dass diese Konzessionsrichtlinie nichts, aber auch gar nichts an der Rechtslage ändert. Angenommen, Sie haben recht, dann verschwenden Sie gerade die Arbeitszeit vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl in Brüssel als auch in Berlin, weil sie an einer Richtlinie arbeiten würden, die nichts verändert. Wenn dem aber nicht so ist, dann erzählen Sie hier die Unwahrheit. Deswegen frage ich Sie: Setzen Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Berlin und Brüssel an der Konzessionsrichtlinie arbeiten, dafür ein, an etwas zu arbeiten, das nichts verändert? (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Lieber Herr Kollege, schade, dass Sie mir letzte Woche nicht zugehört haben; denn ich habe schon in der letzten Woche versucht, Ihnen das zu erklären. Die Dienstleistungskonzession ist bisher nicht gesetzlich geregelt; vielmehr ergibt sich die Vergabepflichtigkeit von Dienstleistungskonzessionen aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat eine Kaskade von Entscheidungen und Urteilen ausgelöst und hat damit Rechtsunsicherheit herbeigeführt. Wir wollen gerade die Kommunen und die Unternehmen von dieser Rechtsunsicherheit entlasten. (Zurufe von der SPD: Oh!) Deswegen ist es notwendig, dass hier klare Verhältnisse geschaffen werden. Im Kern allerdings - das will ich betonen - ändert sich an der Rechtslage nichts. Wir sind der Auffassung: Sobald Private im Spiel sind - Frau Kollegin Haßelmann, wenn Sie mir Ihr Ohr leihen -, darf es nicht zu einer freihändigen Vergabe unter der Hand oder unter dem Tisch kommen, weil das Korruption und Günstlingswirtschaft befördern würde. (Beifall bei der FDP - Widerspruch bei der SPD) Deswegen verstehe ich Ihr Geschrei in dieser Frage nicht. Herr Präsident, wenn Sie erlauben, würde ich jetzt gerne mit meiner Rede fortfahren. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich will noch einmal klarstellen: Nur dann, wenn ein privates Unternehmen mit einer Leistung betraut werden soll, muss aus Gründen der Fairness ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren durchgeführt werden. Das ist, wie ich eben schon sagte, auch ein geeignetes Mittel im Kampf gegen Günstlingswirtschaft und Korruption, der uns doch allen am Herzen liegen sollte. Liebe Frau Kollegin Haßelmann, am Montag fand im Wirtschaftsausschuss eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf Ihrer Fraktion statt. Thema war die Einführung eines Korruptionsregisters speziell für öffentliche Vergaben. Wie, liebe Frau Kollegin Haßelmann, passt das zusammen mit dem Widerstand Ihrer Fraktion gegen Transparenzregeln bei den Wasserkonzessionen? Ich frage Sie: Ist denn beim Wasser Vetternwirtschaft wichtiger als Transparenz? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Richtige! - Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja unglaublich!) Bevor Sie hier schreien, sollten Sie auch wissen, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen: In einem Vergabeverfahren darf nicht etwa nur allein der Preis über den Zuschlag entscheiden. Selbstverständlich können hohe Anforderungen an die Qualität der Leistung, die Investitionen in Netze oder Umweltaspekte maßgeblich berücksichtigt werden. Seien Sie sicher: Niemand in Deutschland muss künftig sein Wasser abkochen, weil wir Transparenz einfordern. Die Opposition beruft sich auf die Resolution der UNO-Vollversammlung. Hätte sich die Opposition nur mal die Mühe gemacht, die Resolution zu lesen, dann wäre ihr aufgefallen: Ausschreibungen werden darin nicht untersagt. Was mitunter gern übersehen wird: Auch heute schon werden Konzessionen nicht im rechtsfreien Raum vergeben. Zum Glück gibt es schon gewisse Vorgaben für Transparenz und gegen Diskriminierung. Das, worüber wir hier diskutieren, haben nicht wir uns ausgedacht, sondern der Europäische Gerichtshof. Selbst wenn Sie die Richtlinie ablehnen, haben Sie die gleiche Rechtslage, nur mit mehr Rechtsunsicherheit. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Totaler Quatsch!) Wir wollen also Rechtssicherheit schaffen für die Kommunen, weil diese wissen sollen, wie ein Anbieter im Einzelnen auszuwählen ist, sowie für die Unternehmen, weil diese künftig Vergabeentscheidungen rechtlich einwandfrei überprüfen lassen können. (Bettina Hagedorn [SPD]: Aha!) Sie können sicher sein: Wir haben uns in Brüssel dafür eingesetzt und werden das auch weiterhin tun, dass die Kommunen auch künftig frei darüber entscheiden können, wie sie ihre Wasserversorgung organisieren wollen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!) Im Gegensatz hierzu will die Europäische Bürgerinitiative das kommunale Selbstverwaltungsrecht beschränken. Die Bürgerinitiative will die Kommunen zwingen, die Wasserversorgung zu verstaatlichen. Das habe ich auch beim Herrn Kollegen Dr. Schwanholz herausgehört. Natürlich müssen wir die bewährte Struktur der deutschen Wasserversorgung berücksichtigen. Das Neben-einander von Unternehmen in kommunaler Trägerschaft und privaten Betreibern liefert Topqualität zu stabilen Preisen, wie der Kollege Lange bestätigt hat. Es gibt keinerlei Erkenntnisse dazu, dass die Qualität oder der Preis von privaten Versorgern schlechter seien als die von öffentlichen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, diesmal von der Kollegin Bulling-Schröter? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Meine Güte heute ist unbegrenzt. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Regierungsgüte! - Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Staatssekretär, herzlichen Dank erst einmal für Ihre Güte! Ich habe gehört, Sie sind kulturell sehr interessiert. Mich würde interessieren, ob Sie den Film Water Makes Money kennen? Mich würde weiter interessieren, wie Sie es einschätzen, dass die Klage eines großen Wasserkonzerns vor Gericht abgelehnt wurde. Dann wollte ich Sie fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass der Umweltausschuss - das ist vielleicht zehn, zwölf Jahre her; ich weiß nicht, ob Sie das so verfolgt haben - zum Thema Wasserprivatisierung in Großbritannien war. Der Umweltausschuss hat seinerzeit festgestellt: Die Wasserversorgung wurde privatisiert, der Wasserpreis verdoppelte sich, die Belegschaften wurden halbiert. Das Interessanteste war, dass die bürgerliche Gesellschaft in Großbritannien eine Demonstration veranstaltet hat, weil die Versorgungssicherheit so schlecht war, dass der tolle Rasen in Großbritannien nicht mehr ohne Weiteres gesprengt werden konnte. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Bulling-Schröter, bei allem kulturellen Interesse: Diesen Film habe ich nicht gesehen. Ich habe stattdessen im Ministerium dafür gearbeitet, dass wir diese Richtlinie möglichst gut für Deutschland hinbekommen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Liebe Frau Kollegin Bulling-Schröter, es ist unbestreitbar, dass in Deutschland das Wasser in Topqualität zu stabilen Preisen geliefert wird. (Bettina Hagedorn [SPD]: Bisher ja! Das soll auch so bleiben!) Da sind wir uns einig. Genauso unstreitig ist, dass es in Deutschland auch private Wasserversorger gibt. Jetzt verstehe ich nicht, wie Sie die beiden Dinge in einem Atemzug nennen. Die Bundesregierung will die derzeitige Situation nicht verändern: Wir wollen weder einen kommunalen Wasserversorger herauswerfen noch die Wasserversorgung privatisieren. Wir wollen, dass die derzeitige Situation in Deutschland rechtssicher und rechtlich klar wird, und wir wollen verhindern, dass hier Amigowirtschaft und Korruption herrschen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Ich verstehe nicht, warum Sie an dieser Front eine so große Schreierei machen. Niemand will die derzeitige Rechtslage verändern; (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Natürlich wird sie verändert!) wir wollen sie nur klarer machen. Meine Damen und Herren, ich will zu dem kommen, was der Kollege Lange auch schon angesprochen hat: Wir begrüßen die Ankündigung der Europäischen Kommission, dass sie einen Vorschlag zum Wassersektor -vorlegen wird, der auf die - zugegebenermaßen besonderen - strukturellen Gegebenheiten in Deutschland eingeht. Das würde gerade die Mehrspartenstadtwerke in Deutschland begünstigen. Auch für die vielen Zweckverbände in Deutschland und die sogenannten Inhouse-Vergaben wollen wir eine praktikable, unbürokratische Lösung finden; dafür setzen wir uns ein. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!) - Ach schreien Sie doch nicht, Frau Haßelmann; das ist uncharmant, das gefällt niemandem. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt reicht es aber hier!) Meine Damen und Herren, Sie sehen die Unterschiede: Die einen führen eine ideologische Kampagne mit falschen Annahmen und Irreführungen. Die Bun-desregierung verhandelt derweil in Brüssel intensiv zugunsten einer praktikablen Lösung zur Sicherung der Topqualität der Wasserversorgung in Deutschland. Wir sind an Transparenz und Rechtssicherheit interessiert. Wir wollen keine Korruption und keine Amigowirtschaft. Ich frage mich wirklich: Was haben Sie eigentlich dagegen? Steigen Sie doch endlich von den Bäumen he-runter, und beenden Sie diese absurde Kampagne! Ziehen Sie mit uns in Brüssel an einem Strang! Das wäre viel sinnvoller, als hier herumzuschreien. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort Kollegin Ulla Lötzer für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ulla Lötzer (DIE LINKE): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, Herr Otto, statt mit Ihnen an einem Strang zu ziehen, ziehen wir lieber an einem Strang mit 1,2 Millionen Menschen in Europa, die die Europäische Bürgerinitiative "Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht! ..." unterzeichnet haben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Darunter sind Vertreterinnen und Vertreter von CDU/CSU, Linker, SPD, Grünen, der Verband kommunaler Unternehmen und selbst der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Sie alle wollen diese Richtlinie nicht, erklären: Sie brauchen sie nicht. Nur Herr Rösler und mit ihm Sie, Herr Otto, machen das Gegenteil und sorgen in Brüssel für Zustimmung. Da würde ich sagen: Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Stellen Sie sich hinter diese Bürgerinitiative! Kollege Lange - er ist leider nicht mehr da - ist nicht nur Parlamentarier - die CDU/CSU stellt, glaube ich, sogar die Regierung. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Skandal!) Die Frage ist schon: Wie geht es, dass Sie auf dem CDU-Parteitag eindeutige Beschlüsse gegen die EU-Konzessionsrichtlinie fassen und gleichzeitig tatenlos zusehen, wie Herr Rösler eine andere Politik macht? (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht hier nicht um Peanuts, und es geht auch nicht einfach um die Klarstellung der Rechtsverhältnisse, Herr Otto. Über die Festlegung des Geltungsbereichs für -europaweite Ausschreibungen erhöhen Sie den Zwang zur Privatisierung der Wasserversorgung und der anderen Dienstleistungsbereiche. Das sei noch einmal ganz klar gesagt, und das hat auch die CDU in ihrem Parteitagsbeschluss festgestellt. Herr Lange, Sie erklären das hier für populistisch. Ist Ihr Parteitagsbeschluss der CDU populistisch, nur weil wir hier heute dasselbe sagen? (Ulrich Lange [CDU/CSU]: CSU!) Der Zugang zu Wasser ist ein Menschenrecht; das haben Sie auch gesagt. Wasser muss zum Kernbereich der Daseinsvorsorge werden. Herr Otto, wir alle wissen - offenbar im Gegensatz zu Ihnen -, was passiert, wenn die Wasserversorgung privatisiert wird: Die Qualität des Wassers wird schlechter, die Preise werden höher, und Beschäftigte werden entlassen. Das ist ja auch kein Wunder: Ein privater Versorger will eben Gewinn damit machen, und Gewinngarantien werden oft vertraglich vereinbart. Es gibt das Beispiel Großbritannien, es gibt das Beispiel Paris, aber es gibt auch das Beispiel Berlin. So weit weg ist das also gar nicht, als dass wir diese Erfahrung nicht gemacht hätten. Deshalb wollen die Menschen diese Privatisierung zu Recht nicht. Hier helfen auch keine Einschränkungen des Geltungsbereichs. Die Frage ist nicht, ob mehr oder weniger Stadtwerke zur Privatisierung gedrängt werden. Es darf überhaupt keine Privatisierung geben. Im Gegenteil: Kommunen, die die Wasserversorgung bereits privatisiert haben, müssen dabei unterstützt werden, sie in kommunale Hand zurückzuholen. Das Gegenteil ist bei Ihnen der Fall. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auf einen Punkt möchten wir noch hinweisen: Die Herausnahme der Wasserversorgung aus dem Geltungsbereich der Richtlinie wäre zwar ein Fortschritt, würde aber nicht ausreichen. Es gibt überhaupt keinen Bedarf für die Richtlinie zur Liberalisierung von Dienstleistungskonzessionen, weil dieser Bereich über die europäische Rechtsprechung hinsichtlich Transparenz und Diskriminierungsfreiheit bereits ausreichend geregelt ist. Die Kollegen der SPD weisen in ihrem Antrag zu Recht auch darauf hin, dass hier beispielsweise auch Verträge der Kommunen mit Gesundheitsdiensten und Krankenhäusern betroffen wären. Auch für sie wollen wir keinen Zwang und keinen Druck zu europaweiten Ausschreibungen und zur Privatisierung. Deshalb braucht es ein Nein, wie Sie das auf Ihrem CDU-Parteitag auch festgelegt haben. Kollege Lange, Sie können sich hier nicht hinter Herrn Rösler oder hinter Brüssel und der EU verstecken. Sie müssen heute in der Abstimmung Farbe bekennen, ob Sie weiterhin ehrlich dagegen sind (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) oder ob Sie sich sozusagen nur hinter Herrn Rösler verstecken und die Position der CDU nicht ehrlich ist. Das heißt, Sie müssen den Anträgen, die hier heute vorgelegt werden, zustimmen, wie das die CDU im Landtag in NRW bei ähnlichen Anträgen auch getan hat. Folgen Sie diesem Beispiel! Dann wird ein Schuh daraus. Das ist dann ehrlich. Alles andere ist unehrlich und verlogen. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Letzter Redner in dieser Debatte ist Kollege Manfred Nink für die SPD-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Manfred Nink (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sicher kommen Ihnen folgende Worte bekannt vor - ich zitiere -: Dass SPD und Grüne heute einmal Anträge auf den Tisch legen, die ich fast 1 : 1 unterschreiben könnte, hat wirklich Seltenheitswert. Aber wo Rot-Grün in der Sache ausnahmsweise einmal recht hat, da hat sie eben mal recht. Das ist ein Zitat aus der Protokollrede des von mir geschätzten Kollegen Dr. Nüßlein vom 1. März 2012 zur Beratung über die EU-Konzessionsrichtlinie im Deutschen Bundestag. Leider hat Ihre Fraktion, verehrter Herr Kollege Lange, wider besseres Wissen ein Jahr lang nicht gehandelt. Überhaupt: Für einige Abgeordnete in diesem Haus scheinen die Themen Wasserversorgung und EU-Konzessionsrichtlinie erst in den letzten Wochen wie aus heiterem Himmel gefallen zu sein. Verstärkt wurde das sicherlich durch eine immense mediale Öffentlichkeit. Sie, insbesondere die Kollegen von CDU und CSU, haben das verschlafen. Deshalb möchte ich Sie in einer kurzen Chronologie daran erinnern oder manche vielleicht das erste Mal darüber aufklären, wann Sie die Chance hatten, der Bundeskanzlerin und dem Wirtschaftsminister eine klare Ansage für eine Ablehnung dieser Richtlinie auf europäischer Ebene zu machen. Das erste Mal beschäftigte sich der Wirtschaftsausschuss am 18. Januar 2012 auf der Grundlage eines entsprechenden Berichts des Ministeriums intensiv mit der Richtlinie. Weitere Beratungen folgten im Januar und im Februar. Am 1. März war der Antrag der SPD auf eine Subsidiaritätsrüge auf der Tagesordnung des Plenums. Schon damals forderten wir, die kommunale Daseinsvorsorge zu schützen und die Richtlinie abzulehnen. Leider gingen die Reden zu diesem Tagesordnungspunkt nur zu Protokoll. Am 29. März schließlich lehnte die Koalition unseren Antrag in zweiter Lesung ab. Sie beschlossen stattdessen einen eigenen Antrag. Dieser Entschließungsantrag beinhaltete eine wachsweiche Formulierung, die Bundes-regierung solle in Brüssel die Belange der kommunalen Wasserversorger berücksichtigen. Dank des Kollegen Nüßlein wissen wir aber, dass die Union, statt einen harten Kurs gegen die Richtlinie zu fahren, vor der FDP aus Koalitionsräson eingeknickt ist. Ich darf den Kollegen Nüßlein noch einmal aus dem schon genannten Protokoll zitieren: Spätestens bei meiner Initiative, im Rahmen eines Entschließungsantrags der Koalition die Bundes-regierung aufzufordern, bei ihren Verhandlungen im Rat diese unsägliche Richtlinie gänzlich zu kippen oder wenigstens für den hochsensiblen Bereich der Wasserversorgung eine Ausnahmereglung zu schaffen, wie es seinerzeit in der EU-Dienstleistungsrichtlinie verankert worden war, bin ich auf den Widerstand unseres Koalitionspartners gestoßen, der noch schnell Rücksprache mit dem -Bundeswirtschaftsministerium gehalten hatte. Die FDP-Vertreter in der Bundestagsfraktion wurden erwartungsgemäß zurückgepfiffen. Ich danke dem Kollegen Dr. Nüßlein für seine offenen Worte. Was ist das Ergebnis? Die Bundesregierung hat die Wasserwirtschaft bei den Verhandlungen im Ministerrat nicht aus der Richtlinie ausgeklammert - nicht, weil sie nicht konnte, nein, weil sie nicht wollte, obwohl von den Koalitionsparteien hier im Deutschen Bundestag dies mit dem Entschließungsantrag beschlossen wurde. So viel zur Aufforderung an die Bundesregierung, Herr Kollege Lange. Die nimmt nicht einmal ihre eigenen Beschlüsse wahr. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie ignorieren auch die derzeitige europaweite Petition - mittlerweile haben über 1 Million Menschen diese Petition unterschrieben -, und Sie stellen sich heute hier hin und tun so, als wären Sie mehrheitlich schon immer gegen diese Richtlinie und gegen eine Privatisierung unserer kommunalen Wasserversorgung gewesen. Das ist eine 180-Grad-Wende, und Sie schwindeln den Menschen etwas vor. Zahlreiche kommunale Vertretungen bundesweit haben entsprechende Resolutionen beschlossen - fast immer mit den Stimmen der CDU. Seien Sie sich gewiss, dass die kommunale Familie ganz genau beobachtet, wer hier im Deutschen Bundestag die Entscheidungen gegen sie trifft! Springen Sie über Ihren eigenen Schatten! Gehen Sie nicht schon wieder vor der FDP in die Knie! Verschaffen Sie stattdessen Ihrem eigenen Parteitagsbeschluss Geltung! Zeigen Sie, dass Sie die kommunale Familie nicht im Stich lassen! Fordern Sie Bundeskanzlerin und Wirtschaftsminister auf, den Kommissionsvorschlag in Brüssel abzulehnen! Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12394 mit dem Titel "Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür". Auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stimmen wir namentlich über den Antrag ab. Es liegen mir zahlreiche - wirklich zahlreiche - persönliche Erklärungen zur Abstimmung vor.9 Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ich glaube, jetzt sind alle vorgesehenen Plätze besetzt. Ich eröffne die Abstimmung. Die obligatorische Frage: Haben alle anwesenden Mitglieder ihre Stimme abgegeben? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Wir kommen nun zur zweiten namentlichen Abstimmung, und zwar zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12482 zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe mit dem Titel "Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern", hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 9 Abs. 4 EUZBBG. Die Fraktion Die Linke hat namentliche Abstimmung verlangt. - Ich sehe, dass alle vorgesehenen Plätze an den Urnen besetzt sind. Dann können wir mit der -Abstimmung beginnen. Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle anwesenden Mitglieder ihre Stimme abgegeben? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das offensichtlich so passiert. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung werden Ihnen später bekannt gegeben.10 Wir kommen zum Zusatzpunkt 7: Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12519 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe mit dem Titel "Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen", hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist, wenn ich es richtig gesehen habe, angenommen. Die CDU/CSU hat sich der Stimme enthalten, und die FDP hat abgelehnt. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Matthias Miersch [SPD]: So ist es! - Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Herr Präsident!) Ich glaube, wir sind uns hier vorne einig. Wir haben geguckt. Die CDU/CSU hat nicht abgestimmt. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch!) Das ist Enthaltung. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Es war auch klar erkennbar, dass hier die Kollegen abgestimmt haben. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, Sie können bestenfalls eine Wiederholung der Abstimmung beantragen. Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Dann beantragen wir das. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir sind uns alle einig: Die Fraktion der CDU/CSU hat nicht teilgenommen an der Abstimmung. Das ist wie eine Enthaltung. Kollege Fuchtel, Sie übersehe ich nie. Wahrscheinlich stand der Kollege Kauder genau vor Ihnen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt!) - Das stimmt. Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Ich beantrage die Wiederholung der Abstimmung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Dann müssen wir das vollziehen. Ich wiederhole die Abstimmung. Es geht um den Antrag der SPD. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? (Zuruf von der FDP: Sehr viele!) Enthaltungen? - Bei der zweiten Abstimmung war die CDU/CSU-Fraktion beieinander. Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt worden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den -Tagesordnungspunkt 8 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines -Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II - Drucksache 17/11822 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radio-aktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II - Drucksache 17/12298 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - Drucksache 17/12537 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Ute Vogt Angelika Brunkhorst Dorothée Menzner Sylvia Kotting-Uhl Es liegen sechs Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Es gibt dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile der Parlamentarischen Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser das Wort. (Beifall des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU]) Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn meiner Ausführungen ganz herzlich bedanken, zunächst einmal bei den Mitgliedern der Asse-Begleitgruppe in Wolfenbüttel, die unsere Arbeit in Berlin ganz aktiv -unterstützen und manchen Diskussionsbeitrag - notwendigerweise, kann man ja sagen - eingebracht haben. -Außerdem möchte ich mich bei den Berichterstatterinnen bedanken, insbesondere bei Maria Flachsbarth, bei Angelika Brunkhorst, bei Ute Vogt, bei Sylvia Kotting-Uhl, auch bei Dorothée Menzner, für die gute Zusammenarbeit in vielen, vielen Runden in den vergangenen Monaten. Ich möchte mich auch bedanken beim Land Niedersachsen, bei dem ehemaligen Umweltminister Stefan Birkner und seiner Staatssekretärin Ulla Ihnen, die unsere Arbeit gut begleitet haben. Ich verbinde das natürlich mit den hoffnungsvollen Wünschen, dass der neue Umweltminister in Niedersachsen, Stefan Wenzel, der heute hier zugegen ist, unsere Arbeit genauso intensiv unterstützt und begleitet, wie es bei Stefan Birkner der Fall gewesen ist. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Weil alle gemeinsam daran gearbeitet haben, haben wir es geschafft, den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle tatsächlich fertigzustellen. Das zeigt unseren Willen zur Zusammenarbeit in einer so entscheidenden Frage wie der Entsorgung radioaktiver Abfälle. Mit diesem Gesetzentwurf wird inhaltlich die Grundlage geschaffen für ein beschleunigtes, aber dennoch sicheres Vorgehen, weil die Rückholung der radioaktiven Abfälle gefordert wird, ohne dabei aber Abstriche beim Strahlenschutz für die Bevölkerung und die Beschäftigten zuzulassen. Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass dieses Thema dem Bundesumweltministerium in dieser Legislaturperiode immer ein außerordentlich wichtiges Anliegen gewesen ist. Norbert Röttgen, der hier im Plenum ist, ist sehr früh in der Asse gewesen. Peter Altmaier hat direkt zu Beginn seiner Amtszeit einen Besuch in der Asse absolviert, um deutlich zu machen, welchen Stellenwert dieses Thema hat. Es ist eben nicht nur ein niedersächsisches Thema - auch wenn ich hier viele Niedersachsen sehe -; die Rückholung der Abfälle aus der Asse ist ein Thema, das uns alle angeht. Ich freue mich, dass wir mit dem fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf dem Ziel ein großes Stück näher gekommen sind und hier mit großer Mehrheit unserer gemeinsamen Verantwortung gerecht werden. Die Bundesregierung unternimmt alles, was verantwortbar ist, um die Abfälle aus der Schachtanlage Asse II sicher zu bergen. Wir schaffen mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs Beschleunigungspotenziale, die von allen genutzt werden müssen. Wir müssen zügig handeln - das wissen alle, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben -, weil sich der gebirgsmechanische Zustand der Asse II stetig verschlechtert. Wir haben Stabilitätsprobleme beim alten Grubengebäude. Wir haben eingeschränkte Betriebsmöglichkeiten unter Tage. Der eine oder andere, der in letzter Zeit unten gewesen ist, hat gesehen, dass die Wendelstrecke, die eine Zeit lang nicht benutzt werden konnte, erst seit kurzem wieder zugänglich ist. Außerdem haben wir es mit der Gefahr eines unbeherrschbaren Laugenzutritts zu tun; auch das ist ein Thema, das uns noch intensiv beschäftigen wird. Wir werden uns damit auseinandersetzen müssen, was wir mit den Laugen in der Asse machen werden. - Das alles hat uns auch die Expertenanhörung im Umweltausschuss in der vergangenen Woche aufgezeigt. Damit einher ging die klare Botschaft an uns - darin waren sich die Experten sehr einig -, dass die Arbeiten zur Rückholung der Abfälle aus der Asse beschleunigt werden müssen. Lassen Sie mich noch kurz etwas zu den Eckpunkten dieses Gesetzentwurfs sagen, mit denen wir die Grundlage schaffen, um das Verfahren zu beschleunigen. Der erste wichtige Punkt - er ist auch in der Region entscheidend, wie meine Kolleginnen und ich immer wieder betont haben - ist, dass wir im Gesetzentwurf die Rückholung der radioaktiven Abfälle zum Ziel machen. Die Rückholung steht als klare Nummer-eins-Option im Gesetzentwurf. Die entscheidende Botschaft, die wir als Politikerinnen und Politiker senden müssen, um allen betroffenen Institutionen Rückhalt zu geben, ist: Wir wollen, dass die Abfälle herausgeholt werden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Der zweite Punkt. Die Rückholung darf nur noch - das ist mindestens genauso wichtig - in gesetzlich festgeschriebenen Fällen abgebrochen werden, also insbesondere dann, wenn die nach der Strahlenschutzverordnung vorgeschriebene Dosisbegrenzung nicht eingehalten werden kann oder wenn die bergtechnische Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist. Aber auch dann kann man die Rückholung nur unter Einhaltung strengster Kriterien abbrechen. Auch das war wichtig, um der Bevölkerung klarzumachen, dass damit nicht leichtfertig umgegangen wird, sondern dass es, ganz im Gegenteil, ein kompliziertes, aufwendiges Verfahren ist, einen solchen Prozess abzubrechen. Wie gesagt: Die Nummer-eins-Option ist die Rückholung. Im Gesetzentwurf wird ebenfalls festgelegt - auch das ist ganz wichtig -, dass wir weiter auf Beteiligungs- und Mitspracherechte der Öffentlichkeit setzen, dass es hier nicht zu Beschneidungen kommt. Immer wieder war in der Diskussion, ob wir beispielsweise etwas von der UVP-Pflicht abgehen, um das Verfahren zu beschleunigen. Das hätte aber bedeutet, dass die Öffentlichkeit nicht mehr so stark eingebunden wäre, wie wir uns das wünschen. Nach der Expertenanhörung in der vergangenen Woche haben wir aber die Verpflichtung zu einer noch umfassenderen Unterrichtung der Öffentlichkeit, zu einem Mehr an Transparenz aufgenommen; es muss entsprechend mehr berichtet und veröffentlicht werden, als das bisher der Fall ist. Das ist ein Punkt, auf den wir, die Berichterstatterinnen und das Bundesumweltministerium, uns verständigt haben. Das gehört unbedingt mit hinein. Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Elemente - Sie werden gleich darüber berichten, was Ihnen ganz besonders am Herzen liegt - sind entscheidend, um die Rückholung zu beschleunigen, aber immer unter Beibehaltung eines hohen Sicherheitsniveaus. Das ist genauso entscheidend. Es ist entscheidend für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Asse unter Tage arbeiten und die Voraussetzungen für die Rückholung liefern. Es ist aber genauso wichtig für die Bevölkerung vor Ort, die schon seit vielen, vielen Jahren unter den Belastungen der Asse leidet. Mit diesem Gesetzentwurf haben wir einen guten Schritt nach vorn getan. Nochmals herzlichen Dank an alle! Ute Vogt, unsere einzige Juristin, hat uns entsprechend begleitet. Das Gesetz ist die Voraussetzung; es wird allen Dimensionen gerecht. Jetzt geht es darum, es mit Leben zu erfüllen. Das heißt, alle Beteiligten sind aufgerufen, die technischen und die baulichen Umsetzungen vorzunehmen. Ich bin guten Mutes, dass mit einem klaren Signal aus Berlin noch schneller, besser und unverzüglicher - um dieses Wort aufzunehmen - in der Asse gearbeitet werden kann. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Ihnen zwischendurch die von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelten Ergebnisse der beiden namentlichen Abstimmungen bekannt geben. Zunächst das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür" auf Drucksache 17/12394: abgegebene Stimmen 548. Mit Ja haben gestimmt 249, mit Nein haben gestimmt 291, Enthaltungen 8. Der Antrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 548; davon ja: 249 nein: 291 enthalten: 8 Ja CDU/CSU Peter Aumer Dr. Peter Gauweiler Josef Göppel CDU/CSU Alois Karl Dr. Max Lehmer SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Susanne Kieckbusch Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordnter Wolfgang Neškovic Nein CDU/CSU Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Herbert Frankenhauser Ingo Gädechens Bartholomäus Kalb Daniela Ludwig Stephan Mayer (Altötting) Marlene Mortler FDP Rainer Erdel Horst Meierhofer Sodann das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe mit dem Titel "Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern" auf Drucksache 17/12482: abgegebene Stimmen 545. Mit Ja haben gestimmt 122, mit Nein haben gestimmt 299. Enthalten haben sich 124. Der Antrag ist damit abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 545; davon ja: 122 nein: 299 enthalten: 124 Ja CDU/CSU Dr. Peter Gauweiler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Susanne Kieckbusch Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Nein CDU/CSU Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Bernhard Brinkmann (Hildesheim) FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Dr. Christiane Ratjen-Damerau Jörg von Polheim Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Peter Aumer Josef Göppel SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Rainer Erdel Horst Meierhofer Jetzt fahren wir in der Debatte zum Thema "Schachtanlage Asse II" fort. Ich erteile der Kollegin Ute Vogt für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Ute Vogt (SPD): Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, so schön und harmonisch kann es sein, wenn wir uns einer Aufgabe stellen, die uns vermutlich über Legislaturperioden hinweg begleiten wird, und wenn alle Fraktionen des Hauses zu der Einsicht kommen, dass es überhaupt nicht anders geht, als sich an einen Tisch zu setzen und konstruktiv zusammenzuarbeiten, um das Schlimmste zu verhindern, nämlich dass die strahlenden Abfälle in der Asse verbleiben und mög-licherweise dort versickern. Es ist also gut, dass wir diesen Gesetzentwurf heute verabschieden. Nachdem die Frau Staatssekretärin Heinen-Esser uns allen so gedankt hat, möchte ich den Dank vonseiten der Opposition ausdrücklich an das Bundesumweltministerium zurückgeben, vor allem aber an Sie, Frau Heinen-Esser. Sie haben einen ganz entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihres Hauses sehr positiv mitgewirkt haben und es auch zu einer Beteiligung der Menschen vor Ort kommen konnte. (Beifall im ganzen Hause) Einen Wermutstropfen gibt es am Ende doch, nämlich die bedauerliche Tatsache, dass die Linke als eine Fraktion, die den Entwurf von Anfang an mit uns diskutiert und vorbereitet hat, nun nicht als antragstellende Fraktion auf dem Antrag erscheint. Ich muss sagen: Es ist sehr schade, dass die Ideologie der CDU/CSU-Fraktion an dieser Stelle wieder Überhand gewonnen hat; es hatte nichts mit dem zu tun, was wir als Berichterstatterinnen gemeinsam erarbeitet haben. Ich muss ehrlich sagen: Es ist nicht sehr sinnvoll, solche ideologischen Barrieren bei Themen aufzubauen, die - vollkommen egal, wer in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten regiert - von allen angepackt werden müssen. Ich hätte mir gewünscht, dass da insbesondere der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU über seinen Schatten gesprungen wäre. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Alexander Süßmair [DIE LINKE]) Gut war, dass die Bürgerinnen und Bürger einbezogen waren. Es kann als Beispiel für weitere Gesetzesvorhaben dienen, dass die Asse-Begleitgruppe nicht erst hinterher, als alles feststand, sondern von Anfang an in die Beratungen einbezogen war. Sie konnte jeden Schritt, jede Änderung am Gesetzentwurf mit erarbeiten. Auch der Rechtsanwalt der Asse-Begleitgruppe, Herr Gaßner, hat uns sehr geholfen, indem er unsere Beratungen begleitet hat. Das ist ein gutes Beispiel, das wir bei anderen Gesetzesvorhaben durchaus aufnehmen sollten. Doch bei aller Freude müssen wir auch offen und ehrlich sagen: Bis zur Rückholung der Abfälle kann es auch aus technischen Gründen noch viele Jahre dauern. Es kann noch mehr als zehn Jahre dauern, bis wir die Abfälle nicht nur erfolgreich geborgen, sondern auch neu verpackt und an anderer Stelle eingelagert haben. Das heißt, es ist ein sehr langer Prozess, der erfordert, dass der Bundestag - wir hier und diejenigen, die nach uns kommen - diesen Prozess weiter begleitet. Man darf auch nicht verschweigen, dass dieser Prozess die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler viel, viel Geld kostet. Die Schätzungen gehen im Moment von 4 bis 6 Milliarden Euro aus; man kann es noch nicht genau sagen, weil wir nicht wissen, was technisch im Einzelnen erforderlich sein wird. Wir kennen die Bilder aus der Asse, auf denen wir verschüttete Fässer sehen. Es gibt auch schöne Bilder, auf denen Schulklassen zu sehen sind, die durch das Asse-Bergwerk geführt werden, oder von Bürgerinnen und Bürgern, die eingeladen wurden, das Bergwerk am Tag der offenen Tür zu besichtigen. Diese Bilder sind erst wenige Jahre alt. Dies ist ein mahnendes Beispiel dafür, wie schnell es passieren kann, dass die Gefahren radioaktiver Strahlung unterschätzt oder auch verdrängt werden. In diesem Sinne war es richtig und überfällig, dass der damalige Umweltminister Sigmar Gabriel im Jahr 2009 die Asse zum einen dem Atomrecht unterstellt und damit die Schutzanforderungen erhöht hat und zum anderen dafür gesorgt hat, dass nicht länger eine private Betreibergesellschaft, nämlich das Helmholtz-Zentrum München, die Asse betreibt, sondern 2009 das Bundesamt für Strahlenschutz die Federführung bei der Asse übernommen hat. Das war ein notwendiger Schritt, der es uns ermöglicht, das Gesetz weiterzuentwickeln. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür - das schließt ganz gut an unsere gerade geführte Debatte zum Thema Wasserwirtschaft an -, dass die privaten Betreiber nicht immer Segen bringen und es oft die öffentliche Hand ist, die dann das Unheil, das die privaten Betreiber angerichtet haben, mit viel Geld beheben muss. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir Rückendeckung geben - den Behörden, die die Genehmigungen zu erteilen haben und das Verfahren begleiten, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort, die alle ganz ohne Zweifel wissen sollen: Die Rückholung ist unser wichtigstes Ziel. Sie muss, wenn es irgend geht, erfolgen, und zwar schnellstmöglich. Dies ist ein guter Gesetzentwurf; aber er bedarf einer Begleitung über die Verabschiedung hinaus. Ich denke, dass wir dadurch, dass wir uns in diesem Haus so einig sind, gewährleisten können, dass in der nächsten und übernächsten Legislaturperiode noch Kolleginnen und Kollegen da sind, die die Ausführung dieses Gesetzes kontrollieren, die schauen, ob ein Nachsteuern notwendig ist, und dafür sorgen, dass die Rückholung weiter die Priorität hat, die wir ihr mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf einräumen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Michael Kauch für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Kauch (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Rückholung der Abfälle aus der Asse beheben wir die Fehler der Vergangenheit. Ich glaube, es ist wichtig - auch für die Bürgerinnen und Bürger, die uns heute zuhören -, deutlich zu machen, worum es geht. Wir haben ein Forschungsbergwerk, das nach heutigen Erkenntnissen nicht geeignet war, um die Abfälle dort einzulagern. Die Abfälle sind zum Teil chaotisch eingelagert worden. Wir wissen auch nicht genau, ob alle dokumentiert sind. Dieses Thema geht nicht nur die Menschen vor Ort an. Es ist vielmehr eine nationale Aufgabe, vor der wir stehen; denn der ehemalige private Betreiber, über den gerade gesprochen wurde, ist die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Peinlich genug!) Das Unheil, wie Frau Vogt es zu Recht genannt hat, hatte eine staatliche Aufsicht. Deshalb sind hier alle Fraktionen - die Linke einmal ausgenommen, weil sie damals nur in der DDR Verantwortung getragen hat - in der Verantwortung. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Damals gab es die Linke noch gar nicht!) - Ja, wir können über die Fehler der SED in Morsleben und anderen Fällen sprechen; ich glaube aber, das sollten wir jetzt nicht tun. - Die Forschungs- bzw. Umwelt-minister, die in den letzten 30 oder 40 Jahren Verantwortung getragen haben, sind natürlich von allen Parteien gestellt worden. Deshalb tragen wir gemeinsam Verantwortung, und deshalb ist es richtig, dass wir einen fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf zur Lösung der Probleme der Vergangenheit vorgelegt haben. Die Rückholung ist das klare Ziel dieses Gesetzentwurfs. Wir haben die Mittel im Bundeshaushalt schon in diesem Jahr von 100 Millionen auf 142 Millionen Euro erhöht. Frau Vogt hat zu Recht gesagt, welche Ausgaben noch auf uns zukommen werden. Das ist aber unabwendbar, wenn wir an dieser Stelle wieder einen guten Umweltzustand herbeiführen wollen. Wir beschleunigen mit diesem Gesetzentwurf die atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, um die Maßnahmen in der Asse schneller voranzubringen. Die fraktionsübergreifende Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes ist wirklich ein Beispiel für gute Arbeit in diesem Parlament. In diesem Zusammenhang danke ich ausdrücklich allen Berichterstatterinnen - es waren allesamt Frauen, die an diesem Gesetzentwurf gearbeitet haben -: Sie haben super Arbeit geleistet. - An dieser Stelle geht mein Dank auch an die erkrankte Berichterstatterin unserer Fraktion, Angelika Brunkhorst. Ich freue mich, dass Sie das gemeinsam so gut geschafft haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Abschließend möchte ich allerdings noch betonen, dass natürlich die Rückholung Priorität hat, dass wir aber auch nicht die Verantwortung gegenüber den Beschäftigten vergessen dürfen. Auch sie dürfen wir keinen Risiken aussetzen. Deshalb gehört es zu unserer Verantwortung, auch Grenzen der Rückholoption aufzuzeigen, nämlich dann, wenn die Beschäftigten nicht mehr sicher in dieses Bergwerk einfahren können. Wir hoffen alle, dass wir es schneller schaffen, als dass dieser Fall eintritt. Ausschließen kann man das nicht. Das gehört auch zur Wahrheit bei der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Dorothée Menzner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dorothée Menzner (DIE LINKE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Ein Gesetz zur Beschleunigung der Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse ist parteiübergreifend und vor allem von den Menschen vor Ort ausdrücklich gewollt, geht es doch schlicht darum, ob es eine Chance gibt, den strahlenden Müll noch herauszubekommen und durch Verfahrensbeschleunigung dafür auch die notwendige Zeit zu haben, oder ob uns diese Chance nicht bleibt, weil alles zu lange dauert; denn der Berg und der Stollen sind morsch, Wasser tritt ein, das Grubengebäude ist brüchig, und keiner von uns weiß, wann es zu einer nicht mehr beherrschbaren Situation kommt. Man kann es nicht oft genug betonen: Es handelt sich um 126 000 Fässer atomaren Mülls, und das Bergwerk droht einzustürzen. Ein Langzeitsicherheitsnachweis für den Verbleib des Mülls im Berg liegt nicht vor. Laut Aussagen aus Kreisen des Bundesamtes für Strahlenschutz ist er wohl auch künftig nicht zu erbringen. -Demnach ist die Rückholung die einzige Option, den rechtswidrigen und gefährlichen Zustand in der Asse zu beenden. (Beifall bei der LINKEN) Die Frage ist, ob der jetzt vorliegende Gesetzentwurf wirklich alles an Möglichkeiten ausschöpft oder ob es Hintertüren gibt, die es Gegnern der Rückholung ermöglichen, zu verschleppen, zu verzögern oder gar - das ist die große Befürchtung der Bevölkerung in der Region - die Stollen legal vorzeitig zu fluten. Um diesen Befürchtungen zu begegnen und Vertrauen aufzubauen oder neu zu begründen, wäre eine deutlichere und konkretere Formulierung wünschenswert und möglich gewesen. Eine ausdrückliche Klarstellung, dass eine Stilllegung erst nach Rückholung der Abfälle erfolgen kann, wäre möglich gewesen. Wir haben dazu einen Vorschlag unterbreitet. Zurück zu den Hintertüren. Mehrere dieser Hintertüren sind infolge der Expertenanhörung und auch aufgrund von Interventionen von Bürgerinnen und Bürgern und des Asse-Koordinationskreises in den letzten Tagen und Wochen noch geschlossen worden. Ich will ausdrücklich sagen: Das war wichtig und sehr gut. Aber zwei Probleme bleiben. Erstens. Uns fehlt die deutliche Feststellung des Klagerechtes für den Fall, dass eines Tages über den Abbruch entschieden werden muss. Wir meinen, das wäre zentral gewesen. Die Bürgerinnen und Bürger müssen in einer solchen Situation die Möglichkeit der Klage haben. Das ist eine wichtige Form der öffentlichen Beteiligung. Leider fehlt das. Zweitens. Noch zentraler ist die Rechtfertigungspflicht. Es geht um die Frage, ob die Rückholung der strahlenden Abfälle weiter rechtfertigungsbedürftig gemäß Strahlenschutzverordnung ist oder nicht. Die Linke ist der Auffassung, dass die Bergung der Abfälle Teil des Betriebs und der Stilllegung der Asse ist (Beifall bei der LINKEN) und damit keinesfalls rechtfertigungsbedürftig. Der Rechtfertigungspflicht ist nach unserer Auffassung bereits Genüge getan. Leider ist das an keiner Stelle festgeschrieben. Vielmehr wurde in dieser Woche in der -letzten Runde eine entsprechende Passage aus der Begründung des Änderungsantrages der vier Fraktionen gestrichen. Wir finden, das ist kontraproduktiv; denn das bietet in Zukunft - und wir werden noch sehr viele Jahre damit zu tun haben - den Gegnern der Rückholung zu jeder Zeit die Möglichkeit - ich unterstelle das keinem der heute hier Agierenden -, eine Rechtfertigungsprüfung der Rückholung zu starten, in der dann wirtschaftliche Kriterien gegenüber Kriterien des langzeitsicherheitlichen Strahlenschutzes abgewogen werden. Das bedeutet: Es gibt ein großes Einfallstor für die gesamte Dauer des Prozesses. Das kann im schlimmsten Fall zu einem vorzeitigen Abbruch führen, und zwar rein aus Kostengründen. (Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Das stimmt nicht! Eindeutig nicht!) Sicherheit und Schadensbegrenzung nach Kassenlage - auch für nachfolgende Generationen - ist mit der Linken nicht zu machen. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Maria Flachsbarth [CDU/CSU]: Frau Menzner, das ist unter Ihrem Niveau! Nachdem wir jahrelang darüber diskutiert haben!) Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag 17(16)702 zu! Andernfalls kann die Fraktion der Linken der vorliegenden Version der Lex Asse nicht zustimmen. Seien Sie aber versichert: So, wie wir in den letzten acht, neun Monaten konstruktiv an dem vorliegenden Text mitgearbeitet, wie wir uns reingehängt haben, werden wir uns auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten einsetzen, in denen uns alle und vor allem die Menschen in der Region dieses Thema notgedrungen begleiten und belasten wird. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Nächste Rednerin ist Sylvia Kotting-Uhl für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich will mit einem Dank starten und aus der Gruppe derer, die an diesem Gesetzentwurf gearbeitet haben, zwei Frauen herausgreifen. Frau Flachsbarth, wir beide wissen besonders gut, wie wüst und hässlich sich gerade unsere Fraktionen zerstreiten können, wenn es um Atommüll geht. Ich möchte -Ihnen ausdrücklich danken, dass die Diskussionen im Ausschuss nicht nur pfleglich, sondern auch in einer unglaublich konstruktiven Weise vonstatten gingen. Herzlichen Dank, Frau Flachsbarth! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Die Zweite, der ich herausgehoben danken möchte, ist Dorothée Menzner. Es war relativ bald klar, dass die Linke im Rubrum des Gesetzentwurfes nicht erscheinen würde. Nichtsdestotrotz hat Dorothée Menzner am Gesetzentwurf weiter mitgearbeitet, ihn mit erarbeitet und damit auch die Verantwortung dafür übernommen, dass am Ende ein gutes, tragfähiges Gesetz entsteht. Auch dafür unter dieser Bedingung herzlichen Dank, Dorothée Menzner! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich möchte auch die Chance ergreifen, den neuen Umweltminister von Niedersachsen, Stefan Wenzel, hier zu begrüßen. Ich erlaube mir das einfach mal. Er ist eine der Personen, die nachher mit der Umsetzung unseres Gesetzes massiv zu tun haben werden. Ich glaube, er ist prädestiniert dafür; denn es gibt kaum einen Zweiten, der die Asse so gut wie er aus dieser intensiven Arbeit kennt, die er im Untersuchungsausschuss zur Asse in Niedersachsen geleistet hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herzlichen Glückwunsch zu deinem Amt und gute Nerven und viel Geduld für die Umsetzung dieses Gesetzes! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Nun bin ich mit meiner Freude ein Stück weit am Ende. Ich finde es, wie Ute Vogt schon gesagt hat, -extrem bedauerlich, um es freundlich auszudrücken, dass die CDU/CSU nicht akzeptiert hat - ihre alten parlamentarischen Reflexe kamen trotz dieser guten Arbeit an diesem Gesetzentwurf wieder hoch -, die Linke in das Rubrum des Gesetzentwurfs, ja nicht einmal in das des gemeinsamen Änderungsantrags aufzunehmen. Ich muss schon sagen: Dass die Fraktionsführung bei einem so wichtigen Gesetz, das für lange Zeit halten muss und das wirklich das Vertrauen sehr vieler Menschen braucht, um zu funktionieren, den Bruch der Geschlossenheit des gesamten Parlaments verantwortet, ist ex-trem bedauerlich. Das Gesetz hat drei Aufgaben - um es kurz zu machen -: die Beschleunigung des Verfahrens für die Rückholung, Rechtssicherheit für die beteiligten Behörden und Vertrauensaufbau in der Bevölkerung. An Letzterem werden wir alle, die daran beteiligt sind, und manche andere noch lange arbeiten müssen; denn selbstverständlich ist vor Ort ein großes Maß an Misstrauen vorhanden. Das ist auch weiß Gott kein Wunder bei diesem in der Geschichte größten Umweltskandal, den wir in der Bundesrepublik zu verantworten haben. Die organisierte Verantwortungslosigkeit von Wissenschaft und Politik, die in den 70er-Jahren dazu geführt hat, dass wir heute diese Katastrophe in der Asse haben, mündet jetzt jedoch in eine gemeinsame politische Verantwortungsübernahme. Wir haben nach der Anhörung zur Lex Asse Änderungen vorgenommen. Diese sind auf Initiative des Koordinationskreises, dem ich hier ebenfalls danken möchte, entstanden. Wir haben uns vor allem davon verabschiedet, die Grundsätze des Strahlenschutzes als mögliche Abbruchkriterien zu benennen. Benannt wird als beispielhaftes Kriterium jetzt nur noch die Dosisbegrenzung. Was wir damit in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck bringen wollen, ist ausdrücklich, dass sowohl die Rechtfertigung der Rückholung als auch das Minimierungsgebot, das in diesem Fall natürlich die Kollektivdosis bedeuten würde, keine Abbruchkriterien sein werden. Dorothée Menzner hat selbstverständlich recht: Der Satz in der Begründung, der das ganz eindeutig klargestellt hat, fehlt. Ich glaube trotzdem, dass das Gesetz selbst-erklärend ist, sicherlich ein Stück weit interpretierbar wie fast jedes Gesetz; das kennen wir aus jeder Geschichte von Gesetzen. Wir wollen zum Ausdruck bringen und haben uns darauf verpflichtet, dass die Rechtfertigung der Rückholung mit dem Ziel der Rückholung als Vorzugsoption nicht vereinbar ist. Das bringt dieses Gesetz zum Ausdruck. Vor Ort bestehen natürlich trotzdem Zweifel: Ist das wasserdicht? Gibt es eine Garantie? - Besorgte Bürgerinnen und Bürger haben uns angeschrieben, auch gestern noch einmal. Ich muss ihnen sagen: Ja, Bürgerinnen und Bürger, ihr seid zu Recht besorgt. Bleibt wachsam, passt auf! - Aber ich muss auch sagen: Nein, weder der Bundestag noch irgendein Gesetz kann die Rückholung garantieren. Dass sie gelingt, kann niemand versprechen. Wir können nur versprechen, dass wir alles tun, damit sie gelingt. Das versprechen wir, und das verspricht auch dieses Gesetz - nicht mehr, aber auch nicht weniger. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich gebe das Wort der Kollegin Dr. Maria Flachsbarth für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Frau Kotting-Uhl! Liebe -Mitberichterstatterinnen! Liebe Frau Heinen-Esser, herzlichen Dank für das große Lob, das mir natürlich sehr gutgetan hat. In einem solchen Prozess eine gute Rolle zu spielen, ist nur möglich, wenn auf der anderen Seite die Bereitschaft zur Kooperation vorhanden ist. Sie war vorhanden, und dafür mein ganz herzliches Dankeschön. Wir haben alle miteinander gemerkt und gelernt, dass sich Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Industrie bei den Vorgängen rund um die Asse tatsächlich nicht mit Ruhm bekleckert haben. Aus dieser Erkenntnis heraus ist die gemeinsame Überzeugung gewachsen, dass wir das Ganze aus dem politischen Streit herausholen müssen und wirklich in der Sache und an der Lösung des Problems arbeiten müssen. Wir haben das hier im -Deutschen Bundestag getan. Beim Niedersächsischen Landtag verhält sich das genauso. Auch dort gibt es einen einstimmigen Beschluss, in dem man sich für die Rückholung ausspricht. Die neue niedersächsische Landesregierung unterstützt das weiterhin, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin; denn zügiges Handeln ist angesagt. Das haben schon viele Rednerinnen vor mir gesagt. Vorher war geplant - das wissen wir alle -, die Grube unter Belassung des Atommülls zu verfüllen und zu fluten. Das hat zu massiven Bürgerprotesten geführt, bis 2009, nach einem Optionenvergleich durch das Bundesamt für Strahlenschutz ganz, ganz klar war: Ein Langzeitsicherheitsnachweis ist nicht zu führen, wenn der Müll in der Grube verbleibt. Das heißt also: Rückholung ist Vorzugsoption. Genau das wollen wir jetzt mit unserem Gesetzentwurf, der die Novellierung des § 57 b des Atomgesetzes zum Ziel hat, gesetzlich festschreiben. Dabei ist es uns ganz wichtig, dass diese Option, die Beschleunigung der Rückholung, ohne Senkung von Sicherungsstandards in Bezug auf die Bergleute, die Anwohner und Anwohnerinnen oder die Umwelt vonstatten geht. Es ist an uns, deutlich zu zeigen, dass das Parlament, dass die Politik Verantwortung übernimmt. Es ist an uns, den Beamtinnen und Beamten, die das Ganze entscheiden müssen, die das administrieren müssen, die letztendlich die Vorgaben machen müssen, die Gewissheit zu geben: "Ihr handelt im Sinne dessen, was der Deutsche Bundestag und der Niedersächsische Landtag wollen", und damit eine größere Sicherheit in den Prozess zu bringen und alleine dadurch auch eine Beschleunigung. Wir wollen aber auch weitere verfahrensrechtliche Beschleunigungen auf den Weg bringen: Einführung von Genehmigungen mit Konzentrationswirkung, Zulässigkeit von Teilgenehmigungen, Parallelisierung von Verfahren - das ist ganz wichtig insbesondere mit Blick auf den Schacht 5, den es unbedingt geben muss; denn ohne diesen Schacht wird es keine Rückholung geben - und nicht zuletzt Vereinfachung von Vergabevorschriften. Diesbezüglich hat sich insbesondere die Linke eingebracht. Uns war es auch wichtig, behördliche Ausnahmen von den Strahlenschutzvorschriften im Rahmen dessen, was schon jetzt gesetzlich möglich ist, zu ermöglichen. Das Bundesamt für Strahlenschutz hat uns in der Anhörung in der letzten Woche gesagt, dass insbesondere das ein wichtiger Schritt ist für die Vorbereitung einer zügigen Rückholung. Soweit irgend möglich wollen wir versuchen - dem dient auch dieses Gesetz -, verlorengegangenes -Vertrauen zurückzugewinnen. Deshalb legen wir großen Wert auf Transparenz. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, der unter Bezugnahme auf das Umweltinformationsgesetz ganz klar vorsieht, dass alle wesentlichen zwischenbehördlichen Unterlagen zu veröffentlichen sind, insbesondere Weisungen, Empfehlungen und Verwaltungsvorschriften. Die Zeit drängt. Das wissen wir. Die Situation vor Ort ist insbesondere wegen der unsicheren Standfestigkeit des Grubengebäudes und der Gefahr des unkontrollierten Zutritts von Laugen gefährdet. Und das Verfahren dauert. Auch das wissen wir. Die sogenannte Fakten-erhebung, die im Moment im Gange ist, hat sich stark verzögert, weil sich das Anbohren einer Kammer - man muss ja wissen, was darin ist - als fast unmöglich erwiesen hat. Man hat nämlich gar kein Lumen gefunden. -Offensichtlich ist diese Kammer zusammengesintert. In diesem Rückholungsverfahren sind insofern gewaltige technische Probleme verborgen. Zugleich ist der Zustand des Bergwerks problematisch; das ist schon gesagt worden. Zumindest ist die Wendel, die man braucht, um in diesem Bergwerk wie in einer Spirale hoch- und runterfahren zu können, wieder in einem betriebsfähigen Zustand. Aber wir haben große Probleme. Diese sind nicht unter den Tisch zu kehren. Ständiger Diskussionspunkt in unseren Berichterstatterrunden - das zog sich bis in die letzte Runde am vergangenen Montag - war die Frage: Wie vertragen sich eigentlich Rückholung und Stabilisierung des Bergwerks bzw. notwendige Vorsorge für den Notfall? Die Anhörung hat diesbezüglich noch einmal eindeutig ergeben: Die Stabilisierung, der Erhalt der Gebrauchstüchtigkeit, ermöglicht erst die Rückholung. Ich verstehe doch die Sorgen der Bürgerinitiativen, die sagen: Unter dem Anschein von Sanierungsmaßnahmen und Notfallvorsorge wollt ihr in Wirklichkeit die Stilllegung ohne Rückholung vorbereiten. - Ich verstehe das sofort; ich kann das nachvollziehen. Aber ich widerspreche dem mit Nachdruck, und ich verspreche hier wie die Kolleginnen vor mir: Der Umweltausschuss des Deutschen Bundestages wird sich regelmäßig vom BMU und vom BfS über den Fortgang der Arbeiten unterrichten lassen und sofort eingreifen, wenn wir den Eindruck bekommen, dass es dort nicht mit rechten Dingen - das heißt so, wie in diesem Gesetz vorgesehen ist - zugeht. (Beifall der Abg. Florian Bernschneider [FDP] und Dorothée Menzner [DIE LINKE]) Aber - auch das will ich sagen - wir können hier im Deutschen Bundestag nicht das Gelingen der Rückholung beschließen. Auch das gehört zur Wahrheit. Das ist ein technisch sehr ehrgeiziges, weltweit einmaliges Projekt. Von daher müssen wir gucken, dass wir es zu einem Erfolg führen; aber wir können es eben nicht versprechen. In dem Fall, dass man zu der Einschätzung gelangen sollte, dass die Rückholung gegebenenfalls abzubrechen ist, weil Strahlenschutz oder bergtechnische Sicherheit nicht gewährleistet werden können, muss der Deutsche Bundestag informiert werden, muss die Öffentlichkeit informiert werden. Dann muss die Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme bekommen; der Deutsche Bundestag hat sowieso immer Gelegenheit zur Stellungnahme. Wenn es dann tatsächlich so sein sollte, dass die Rückholung abgebrochen werden muss und die Still-legung anders - das heißt ohne Rückholung - erfolgen muss, dann ist dafür ein Planfeststellungsverfahren notwendig, mit entsprechender Anhörung der Öffentlichkeit und auch mit Möglichkeiten zur Verbandsklage. Ich will damit nur sagen, dass wir so viele Absicherungen in das Verfahren eingebaut haben wie nur eben möglich. Wegen des großen Misstrauens in der Bevölkerung, das ich verstehe, haben wir von Anfang an, als wir uns auf den Weg dieses Gesetzgebungsverfahrens gemacht haben, die örtliche Bevölkerung eng einbezogen. Mit der Asse-II-Begleitgruppe und dem Asse-II-Koordinationskreis hat es über ein Jahr hinweg regelmäßige Konsultationen gegeben. Da hat sich Ulla Heinen-Esser, unsere Staatssekretärin, große Verdienste erworben. Sie war in vier- bis sechswöchigen Abständen vor Ort in Wolfenbüttel und hatte dort regen Kontakt zu den Menschen. Auch wir Berichterstatterinnen haben diesen engen Kontakt gehalten. Rechtsanwalt Gaßner, der von den Bürgerinitiativen beauftragt wurde, hat an unseren Berichterstattergesprächen teilgenommen und an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet. Im Dezember hatten wir vor der ersten Lesung ein Gespräch mit den Vertretern hier in Berlin. Im Januar gab es ein Gespräch im -Rahmen einer Podiumsdiskussion in Wolfenbüttel, wo wir gemeinsam waren. Mehrere Sachverständige aus den Reihen der Bürgerinitiativen waren bei unserer Anhörung dabei. Von daher, glaube ich, haben wir die Bevölkerung wirklich sehr gut einbezogen. Aber es gibt bis heute - eben gerade habe ich noch Mails bekommen - besorgte Bürgerinnen und Bürger, die sagen: Das alles geht uns noch nicht weit genug. - Ich will aber sagen: Lassen Sie uns jetzt dieses Gesetz verabschieden! Ich glaube, es ist so gut, wie ein Gesetz nur eben sein kann. Es mag immer noch Fehler geben; es mögen immer noch Wünsche offen sein. Aber wir sollten dieses intensive Verfahren jetzt tatsächlich abschließen und langsam anfangen, das Ganze in die Realität umzusetzen. Nochmals das Versprechen: Wir Politikerinnen stehen für Ihre Anliegen, liebe Bürgerinitiativen, liebe Bürgerinnen und Bürger, jederzeit zur Verfügung. Liebe Frau Menzner, noch einmal vielen Dank für Ihre Mitarbeit, für Ihre Unterstützung. Ich würde mir sehr wünschen, dass auch die Linke ihrem Herzen einen Stoß geben kann. Ich verstehe, dass Sie enttäuscht sind. Ich verstehe, dass Sie sich das anders gewünscht hätten. Aber es wäre einfach ein wichtiges Signal, wenn wir diese wichtige Angelegenheit aus dem politischen -Gerangel herausholen und uns ganz auf die Lösung der Sache konzentrieren könnten. Deshalb möchte ich Sie zugunsten der Menschen in der Region Wolfenbüttel sehr bitten - natürlich auch alle anderen Kolleginnen und Kollegen -: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu! Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Nun hat der Kollege Dr. Matthias Miersch für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Machen wir uns nichts vor: Das, was wir hier heute verabschieden, ist nur ein Auftakt und kann auch nur ein Auftakt sein. Denn das Asse-Gesetz dokumentiert ganz deutlich die Begrenztheit der Handlungsmöglichkeiten des Gesetzgebers. Wir können Gesetze noch so gut formulieren, letztlich wird die Rückholung aus der Asse nur gelingen und können wir das Vertrauen der Bevölkerung vor Ort nur gewinnen, wenn zwei elementare Aspekte in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren gewährleistet werden, nämlich erstens ein Hochmaß an Transparenz und zweitens glaubwürdiges Handeln. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich bin sehr dankbar, dass die Staatsekretärin für uns alle noch einmal deutlich gemacht hat: Wir wollen die Rückholung, und wir wollen, dass jetzt alle, die mit diesem Gesetz arbeiten müssen, alles tun, um diese Rückholung zu befördern. Gleichzeitig macht dieses Gesetz die Begrenztheit von Wissenschaft, von Politik, von Verwaltung und von Gesellschaft deutlich. Vor 50 Jahren haben Menschen gesagt: Dieses Bergwerk ist geeignet. Dort könnt ihr die Fässer für schwach- und mittelradioaktiven Abfall -lagern. - 45 Jahre später stellen wir fest: mitnichten. Etwa 126 000 Fässer lagern in der Asse, und täglich gibt es einen Wasserzufluss von circa 12 000 Litern. Ich möchte an dieser Stelle ganz bewusst auch als Niedersachse sagen: Wenn die Asse und die hier gemachten Erfahrungen einen Sinn haben, dann den, dass wir hier in diesem Haus lernen, mit einer der größten Herausforderungen, nämlich der Frage der Endlagerung von atomarem Müll, sehr sensibel umzugehen. Frau Staatssekretärin, der mir bekannte Entwurf eines Gesetzes über ein Endlager von hochradioaktivem Müll sieht in § 1 vor, dass ein Standort gesucht werden soll, der bestmögliche Sicherheit über einen Zeitraum von 1 Million Jahre gewährleistet. Wir haben mit der Asse die Erfahrung gemacht, dass Zusicherungen, dass wir den atomaren Müll dort lagern können und auf die wir vertraut haben, nicht einmal 50 Jahre gehalten haben. Ich glaube, dass wir sehr vorsichtig sein müssen, wenn wir gemeinsam die Frage der Endlagerung von hoch-radioaktivem Müll angehen. Wir werden - nicht dass ich falsch verstanden werde - unserer Verantwortung gerecht werden müssen. Wir können nicht nachfolgenden Generationen die Beantwortung dieser Frage überlassen, während nur wir den Nutzen hatten. Ich finde es richtig, dass die niedersächsische Landesregierung einfordert - das tut sie zu Recht -, dass sehr sorgfältig geprüft wird und dass sie mitsprechen kann. Es gibt keine weiße Landkarte mehr in Deutschland. Wir haben die Erfahrungen mit der Asse. Wir haben auch die Erfahrungen mit dem Prozess der Endlagersuche in Gorleben. Wir haben Erfahrungen mit Salzgestein. Wir haben Erfahrungen mit Zusicherungen und fragen uns vor diesem Hintergrund: Was sind solche Zusicherungen nach einigen Jahrzehnten noch wert? Welchen Wert müssen wir diesen Zusicherungen beimessen, wenn es um die Lagerung über 1 000, 100 000 oder sogar 1 Million Jahre geht? Deswegen ist meine Bitte, dass wir, wenn wir die nächste Etappe auf uns nehmen, vor allen Dingen versuchen, diese Frage aus parteipolitischen Auseinandersetzungen herauszuhalten. Ich finde, da haben die heutigen Berichterstatterinnen ein gutes Beispiel geliefert. Wir sollten Sorgfalt walten lassen, wie wir sie, glaube ich, fast nicht menschlich ermessen können. Denn wir wissen: Was sind schon 100 Jahre bei dem, was wir vor uns haben, wenn wir für Generationen, für Millionen Jahre etwas finden wollen? Wir sollten uns vor allen Dingen auch Zeit nehmen, um ein Gesetz zu konzipieren, das ein Großmaß an Transparenz, aber auch an Lernfähigkeit beinhaltet. Wir werden hier mit Sicherheit nicht die Lösung finden können. Das ist eine enorme Aufgabe. Wir sollten diese Aufgabe mit ganzer Solidarität und möglichst ohne Zeitdruck angehen. Ich glaube, alle in diesem Raum, auch die Landesregierung von Niedersachsen, die auf der Bundesratsbank vertreten ist, auch die Bundesregierung, sind dazu bereit. Das ist eine Frage, die sich dem Gesetzgeber noch nie gestellt hat. Ich glaube, wenn wir das berücksichtigen, dann stellen die negativen Erfahrungen, die wir augenblicklich machen - so schlimm sie sind -, zwar eine Mahnung an uns dar, sind aber für den weiteren Prozess eben auch hilfreich. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Florian Bernschneider hat das Wort für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Florian Bernschneider (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen, dass uns die Schachtanlage Asse II nicht nur vor technische, sondern, wie wir heute sehen, auch vor juristische Herausforderungen stellt. Wir alle wissen auch, dass Zeit der wesentliche Faktor ist, damit die Rückholung tatsächlich gelingen kann. Deswegen wäre es nicht verantwortbar, durch verfahrenstechnische, durch bürokratische Stolpersteine wichtige Zeit zu verlieren. Deswegen ist es auch so wichtig, dass wir mit diesem Gesetz heute eine Verfahrensbeschleunigung auf den Weg bringen, ohne dabei Zeitgewinn auf Kosten der Sicherheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Menschen in der Region zu generieren. Die Aufgabe, die hinter diesem Gesetzentwurf steht, lässt sich also ganz schnell beschreiben. Trotzdem - auch wenn wir uns heute alle so einig sind - warne ich davor, zu meinen, dass das eine einfache Diskussion war, die die Berichterstatterinnen da geführt haben. Deswegen möchte ich als regional betroffener -Abgeordneter an die Berichterstatterinnen und die Staatssekretärin meinen ganz herzlichen Dank dafür richten, wie konstruktiv, wie fundiert, wie engagiert diese Diskussion geführt wurde. Ich will in diesen Dank ausdrücklich auch die Bürgerinitiativen und die Begleitgruppe einschließen, die dieses Gesetzgebungsverfahren ja nicht nur konstruktiv begleitet haben, sondern auch mit den Anstoß dafür gegeben haben, dass es überhaupt erst zu diesem Gesetzentwurf kommen konnte. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Man sollte dabei nicht unterschätzen, was wir mit diesem Gesetz heute auf den Weg bringen. Es ist wesentlich mehr als nur eine Verfahrensbeschleunigung, die wir hier heute beschließen. Es ist das klare Signal: Ja, wir wollen die Rückholung. - Und es ist noch mehr das klare Signal: Wir als Deutscher Bundestag lassen die Menschen in der Region mit dem größten Umweltproblem in unserem Land nicht alleine. - Dieses deutliche Signal ist möglich, weil sich CDU/CSU, SPD, Grüne und FDP mit diesem gemeinsamen Gesetzentwurf auf wesentlich mehr als auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt haben. Ich weiß, dass die Anhörung viele offene Fragen beseitigen konnte - natürlich nicht alle -, dass es in der Region vereinzelt allerdings immer noch Kritik gibt. Aber ich glaube, wir haben heute die große Chance, der Region mit einem geschlossenen Signal zu zeigen, dass sich der Deutsche Bundestag dieses Themas annimmt. Auch ich würde mich sehr freuen, wenn sich die Linken doch noch einen Ruck geben würden. Denn wenn wir dieses Gesetz über alle Fraktionsgrenzen hinweg beschließen würden, hätte das natürlich noch einen wesentlich höheren Stellenwert. Man sollte sich nicht täuschen: Bei all der Kritik im Detail, die auch ich in der Region immer noch höre, sind doch alle Bürgerinnen und Bürger dankbar, dass wir uns dieses Themas angenommen haben, Beschleunigungen auf den Weg gebracht haben und ein klares politisches Signal für die Rückholung setzen. Meine Damen und Herren, ich möchte abschließend eine Forderung aufgreifen, die der Asse-II-Begleitgruppe, den Bürgerinitiativen, aber auch mir persönlich wichtig ist und die sozusagen der Grundgedanke hinter diesem Gesetz ist: Wir brauchen für die Rückholung der Abfälle einen verbindlichen Zeitplan. Wir brauchen ein klares und erkennbares Projektmanagement; hierzu muss das Bundesamt für Strahlenschutz nach dem heute vorliegenden Gesetzentwurf einen Plan vorlegen, der öffentlich und kontrollierbar ist. Wesentlich ist Folgendes: Wir brauchen ein transparentes Verfahren, wir brauchen ein schnelles Verfahren, mit dem man trotzdem keine zu hohen Risiken für die Menschen in der Region eingeht, und wir brauchen eine verantwortungsvolle Politik. Ich finde, heute beweisen wir, dass der Deutsche Bundestag zu einer verantwortungsvollen Politik in der Lage ist. Lassen Sie uns eine so verantwortungsvolle Politik nicht nur heute machen, sondern tatsächlich auch so lange, bis wir das letzte Fass aus der Asse herausgeholt haben! Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen von CDU/CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II. Zur Abstimmung liegt eine Erklärung nach § 31 unserer Geschäftsordnung des Abgeordneten Paul vor.11 (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht wirklich, oder?) Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12537, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11822 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen sechs Änderungsanträge der Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen. Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag auf Drucksache 17/12552. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Die einbringende Fraktion war dafür, Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Die übrigen Fraktionen waren dagegen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/12553. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Dafür hat die Fraktion Die Linke gestimmt, alle anderen dagegen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/12554. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist wiederum abgelehnt bei Zustimmung durch die Fraktion Die Linke und gegen die Stimmen aller anderen Fraktionen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/12555. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die Fraktion Die Linke und Enthaltung von Bündnis 90/Die Grünen. Die anderen Fraktionen waren dagegen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/12556. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Fraktion Die Linke hat dafür gestimmt, Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten, die übrigen Fraktionen waren dagegen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/12557. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Änderungsantrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die Fraktion Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, die SPD-Fraktion hat sich enthalten, CDU/CSU und FDP waren dagegen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um ihr Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen bei Zustimmung durch die CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Die Fraktion Die Linke hat dagegen gestimmt. Es gab keine Enthaltungen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den und die bitte ich aufzustehen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12537, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12298 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 7 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Raju Sharma, Jan Korte, Petra Pau, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz - StAblG) - Drucksache 17/8791 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Rechtsausschuss (f) Federführung strittig Hierzu ist verabredet, eine Dreiviertelstunde zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Das ist dann so beschlossen. Der Kollege Raju Sharma hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Raju Sharma (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Linke hat einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen vorgelegt. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Warum -eigentlich?) Worum geht es dabei? - Zunächst sollte ich vielleicht erklären, worum es nicht geht. Wir reden heute nicht über Kirchensteuern oder staatliche Zuschüsse für kirchliche Kindergärten, Pflegeheime oder Seelsorger in Justizvollzugsanstalten. All das wird gesondert geregelt, woanders abgerechnet, und all das wird auch gesondert vergütet. Wir reden heute über Entschädigungen, Entschädigungen für Enteignungen, die 200 Jahre zurückliegen und durch die man versucht hat, nach dem sogenannten Reichsdeputationshauptschluss von 1803 Rechtsfrieden zu schaffen. Seitdem zahlen die Länder Jahr für Jahr pauschalierte Summen für Personalkosten und Baulasten an die Kirchen. Schon während der Verhandlungen über die Weimarer Reichsverfassung gab es in der Gesellschaft einen großen Konsens darüber, dass mit diesen Zahlungen Schluss gemacht werden sollte. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Der liberale Friedrich Naumann - der Friedrich Naumann - forderte schon im Jahr 1919, dass der Staat Inventur macht und diese Staatsleistungen ablöst. (Zuruf von der LINKEN: Damals schon -gesagt!) Darüber gab es, wie gesagt, einen großen Konsens. In der Konsequenz wurde in der Weimarer Verfassung ein doppelter Verfassungsauftrag (Zuruf von der LINKEN: Genau!) mit zwei Adressaten festgeschrieben: Erstens sollten die Länder durch Landesgesetzgebung die Staatsleistungen ablösen. Zweitens wurde das Reich bzw. später der Bund verpflichtet, ein Grundsätzegesetz zu erlassen, damit diese Ablösung nach einheitlichen Regeln stattfinden kann. Dieser Verfassungsauftrag wurde später unverändert in das Grundgesetz übernommen. Also nochmals: doppelter Verfassungsauftrag mit zwei Adressaten, das heißt, die Länder sind verpflichtet, Gesetze zu erlassen; sie können ihrer Verpflichtung aber erst dann nachkommen, wenn zuvor der Bund seine Verpflichtung erfüllt hat, indem er besagtes Grundsätzegesetz erlässt. Dieser Verfassungsauftrag ist jetzt über 90 Jahre alt. Nun kann man fragen: Wo ist denn dieses Gesetz des Bundes? - Sie können lange forsten in den Gesetzes-archiven des Bundes, Sie werden feststellen: Da gibt es kein Gesetz. Es gibt auch keine Initiative der Bundes-regierung, so ein Gesetz auf den Weg zu bringen. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Gar nichts? - Zuruf von der LINKEN: 90 Jahre nicht!) - Da ist nichts zu finden, Herr Kollege Wiefelspütz. - Ich habe deshalb bei der Bundesregierung angefragt, was sie zu tun gedenkt, um diesen Zustand zu beenden. Die schriftliche Antwort der Bundesregierung war einerseits erfrischend offen, andererseits aber auch bemerkenswert dreist; denn die Aussage der Bundesregierung war: Erstens. Ja, es gibt diesen Verfassungsauftrag. Zweitens. Ja, wir wissen, er ist noch nicht erfüllt. Drittens. Wir gedenken nicht, irgendetwas zu tun; es gibt keinen Handlungsbedarf. Wir als Linke sagen: So geht man mit unserem Grundgesetz nicht um! (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rolf Schwanitz [SPD] - Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Rechtsstaatspartei Die Linke! Grundgesetzpartei Die Linke! Respekt!) Dieser Verfassungsauftrag ist eindeutig, unmissverständlich und verbindlich. Es ist aber nichts passiert. Das Problem ist jetzt: Die Länder können nicht handeln; ihnen sind, weil der Bund untätig ist, die Hände gebunden. So zahlen sie Jahr für Jahr Staatsleistungen in Millionenhöhe, (Zuruf von der LINKEN: 460 Millionen!) jedes Jahr - alle Länder zusammen - ungefähr 500 Millionen Euro, (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: 460 Millionen!) eine halbe Milliarde Euro, und können nichts tun. Das allein ist Grund, aktiv zu werden. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rolf Schwanitz [SPD]) Die Länder müssen zahlen, obwohl sie - das wissen wir alle - im Grunde gar kein Geld haben. Ich will das an einem konkreten Beispiel festmachen, wie viel Länder zahlen, die kein Geld haben: Schleswig-Holstein - selbst ein verschuldetes Land - zahlt jedes Jahr 12 Millionen Euro an Staatsleistungen. Genau diese Summe fehlt dem Verkehrsminister des Landes für die ganz irdische Beseitigung von Schlaglöchern in den Straßen Schleswig-Holsteins; so wirkt sich das aus. (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sind Sie ein genialer Haushaltspolitiker!) - Ich komme gleich zu den Haushalten der Länder, für die auch Sie sich einsetzen sollten. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn die Länder jetzt mit Kirchen verhandeln wollen, um diese Staatsleistungen zu reduzieren - dazu werden sie von den Landesrechnungshöfen aufgefordert -, dann müssen sie gegenüber den Kirchen als Bittsteller auftreten; denn die Kirchen können völlig zu Recht sagen: Solange der Bund kein Grundsätzegesetz erlassen hat, haben wir einen Anspruch auf diese Staatsleistungen. Wir Linke haben jetzt einen Vorschlag eingebracht, wie man das regeln kann, (Beifall bei der LINKEN) nicht nur, weil wir die Partei sind, die sich für die Verfassung einsetzt, sondern auch - - Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Entschuldigung, Herr Sharma! Herr Schwanitz würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie das zulassen? (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Ist das abgesprochen? - Nein! - Gisela Piltz [FDP]: Muss das sein?) Raju Sharma (DIE LINKE): Bitte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Rolf Schwanitz (SPD): Herr Kollege Sharma, Sie haben aus meiner Sicht einen sehr guten und längst überfälligen Gesetzentwurf vorgelegt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Das betrifft auch die - ich sage einmal - Übergangsregelungen in dem Gesetzentwurf; hier ist ja unter anderem ein degressives Vorgehen vorgesehen. Ich habe eine Frage an Sie: Sie sprechen in Ihrem Gesetzentwurf in diesem Zusammenhang von "Entschädigungszahlung". Sind Sie nicht mit mir der Auffassung, dass es angesichts der Tatsache, dass dieser Ablösungsbefehl seit über 90 Jahren nicht eingelöst worden ist, der Begriff der Entschädigung unangemessen ist und noch einmal überdacht werden muss? Raju Sharma (DIE LINKE): Das ist ein interessanter Aspekt, Herr Kollege Schwanitz. Man kann diese Rechtsauffassung vertreten. (Zuruf von der FDP: Nein!) Diese Rechtsauffassung wird auch in der Literatur vertreten. Viele Menschen sagen: Durch die jahrhundertelangen Zahlungen - darum handelt es sich ja - sind diese Staatsleistungen längst abgegolten. - Wir haben uns diese Rechtsauffassung in unserem Gesetzentwurf ganz bewusst nicht zu eigen gemacht, (Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Sie waren großzügig! Sie verschenken Geld!) obwohl man sie natürlich vertreten kann, weil wir die Diskussion nicht gleich an dieser Stelle beendet sehen wollten. Wir wollen eine Diskussion und wollen diese auch fortsetzen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass die Länder das Zehnfache eines Jahresbetrages als Ablösesumme zahlen. Sie können das auf einen Schlag tun oder über einen Zeitraum von maximal 20 Jahren strecken. In 20 Jahren schreiben wir das Jahr 2033. Dann hätten die Länder 230 Jahre lang Staatsleistungen an die Kirchen gezahlt. Der Verfassungsauftrag, der sagt, das müsse beendet werden, wäre dann auch schon 114 Jahre alt. Wir finden, das ist ein moderater Vorschlag. Wir sind aber ebenso der Meinung: Dann muss auch gut sein. Das geht nicht bis in alle Ewigkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rolf Schwanitz [SPD]) Ich weiß, dass einige von Ihnen jetzt möglicherweise wieder behaupten werden, dieser Vorschlag sei kirchenfeindlich. Ich sage Ihnen: Das ist alles Quatsch. Dieser Vorschlag ist sehr sinnvoll und überhaupt nicht kirchenfeindlich. Ganz im Gegenteil! Der scheidende Papst -Benedikt XVI. hat in seiner Freiburger Rede 2011 darauf hingewiesen, dass eine Entweltlichung der Kirche und ein Abschaffen der Privilegien kein Angriff auf die Kirche ist, sondern dass das dazu beitragen kann, den christlichen Glauben zu stärken. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Da hat er -resigniert!) Nun will ich hier bestimmt niemanden katholisch machen, und ich teile auch bei weitem nicht alles, was der scheidende Papst gesagt hat; aber an dieser einen Stelle hat er einfach einmal recht. (Beifall bei der LINKEN - Dr. Dieter Wiefelspütz [SPD]: Wo er recht hat, hat er recht!) Die Staatsleistungen an die Kirchen sind kein Gottesdienst. Sie sind ein Relikt aus dem vorvorletzten Jahrhundert, und es ist höchste Zeit, Inventur zu machen und aufgeräumt in die Zukunft zu gehen. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Rolf Schwanitz [SPD]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin Beatrix Philipp hat ihre Rede zu Protokoll gegeben.12 Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Dieter Wiefelspütz für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eigentlich immer geglaubt, ich kenne unser Grundgesetz ganz gut. (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Na ja!) Ich musste mich aber eines Besseren belehren lassen. Ich wusste, dass es einen Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung gibt, der auch fortgilt; aber mir richtig vergegenwärtigt, was darin steht, habe ich bislang nicht. (Gisela Piltz [FDP]: Was? Ich bin entsetzt!) Das musste ich in den letzten Tagen tun. - Es ist entsetzlich, Frau Kollegin; das ist richtig. Ich schäme mich auch ein wenig. (Gisela Piltz [FDP]: Das ist nicht nötig!) Ich stellte fest, dass wir seit 1919 einen Verfassungsauftrag haben, der nicht erfüllt wird. Ich habe dann kurzzeitig darüber nachgedacht: Könnte es sein, dass die -Kirchen, die hier Geld entgegennehmen, vielleicht die Verantwortlichen sind, die man kritisieren und angehen müsste? Wenn man sich aber mit dem Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung auseinandersetzt, dann stellt man fest, dass sich der Normbefehl nicht an die Kirchen, sondern an uns richtet - (Rüdiger Veit [SPD]: So ist das!) an Sie alle, an mich und an diejenigen, die hier nicht sitzen, aber im Geiste anwesend sind. Das heißt, das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag, unser Gesetzgeber, erfüllt einen Verfassungsauftrag seit sehr vielen Jahrzehnten nicht: seit 1949 der Deutsche Bundestag nicht, aber auch - ich rede jetzt nicht über die Nazizeit - das Weimarer Parlament, das Parlament hier in diesem Hause während der Weimarer Republik, nicht. Hier muss ich Ihnen freimütig sagen: Als ich mir darüber klar geworden bin, habe ich mich gefragt: Was erzählst du denn jetzt, wenn du dich mit dem Antrag der Linksfraktion auseinandersetzt? Ich will zunächst einmal deutlich zum Ausdruck bringen: Ich respektiere diesen Antrag, weil ich finde, auf dieses Versäumnis, auf diese, wenn man so will, Missachtung eines Verfassungsauftrages durch uns Parlamentarier kann man nicht wirklich stolz sein. Nun hat das alles seine Gründe. Es geht um 460 Millionen Euro. Sie werden in erster Linie von den Ländern und nicht vom Bund gezahlt. Das ist nicht wenig Geld. Andererseits ist das aber auch ein eher kleinerer Betrag im Verhältnis zu den Einnahmen und Ausgaben der Kirchen in jedem Jahr. Trotzdem sind 460 Millionen Euro keine kleine Summe. Dies hat seinen Hintergrund - Sie haben das zutreffend dargestellt - in Säkularisierungsmaßnahmen Anfang des 19. Jahrhunderts, vor über 200 Jahren. Auch das war für mich neu, und es war für mich erstaunlich, das zur Kenntnis zu nehmen. Wenn man diesen Zustand beklagt, dass wir als Gesetzgeber einen Verfassungsauftrag nicht erfüllen, dann wird man realistischerweise aber auch anerkennen müssen: Wenn das 90 Jahre lang, 93 Jahre lang nicht erfüllt wurde, wird das nicht von heute auf morgen zu regeln sein. Ich bin also sehr dafür, dass man den Hinweis ernst nimmt und dass wir in Deutschland einen Diskussionsprozess organisieren - nicht nur hier im Parlament, sondern auch mit den Kirchen -, um darüber zu reden, wie das geht. Sie haben eine Summe genannt. Ich höre aus kirchlichen Kreisen, dass das zu wenig ist. Das meine ich jetzt auch gar nicht böse. Darüber wird zu reden sein. Wie soll man das, was da vor 210 Jahren enteignet worden ist, beziffern, um die Höhe einer Entschädigung oder Erstattung - wie immer man das, Rolf Schwanitz, dann bezeichnen will - zu ermitteln? Ich höre, dass es auch bei den Kirchen Gesprächsbereitschaft gibt. Wenn das so ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann sollten wir einerseits ehrlich einräumen, dass es keine gute Sache ist, dass wir über 90 Jahre lang einen Verfassungsauftrag nicht erfüllt haben, aber andererseits auch anerkennen, dass das nicht - bei allem Re-spekt vor Ihrem Antrag - von heute auf morgen zu ändern sein wird. Über Summen wird man reden müssen. Ich rate dazu, dass wir einen fairen Diskussions- und Gesprächsprozess mit den Kirchen und auch in diesem Hause organisieren, um einmal zu schauen, ob wir im Laufe der kommenden Zeit - ich glaube realistischerweise eher, dass das nicht innerhalb von wenigen Monaten zu regeln sein wird - Ergebnisse erzielen können. Ein Ergebnis könnte übrigens auch sein - das will ich jetzt einmal in Klammern ansprechen -, dass wir das alles völlig in Ordnung finden, wie es ist. Dann allerdings müsste man das Grundgesetz ändern. Nicht ertragen kann ich - da bin ich zu sehr deformiert als Jurist, als Verfassungsrechtler -, dass man kommentarlos einen Grundgesetzartikel ignoriert, dass also wir als Gesetzgeber, der von jedem Bürger erwartet, dass er die Gesetze ernst nimmt, unsere Verfassung nicht ernst nehmen. Das kann keine Alternative sein, (Beifall bei der SPD und der LINKEN) sondern dann muss man gegebenenfalls den Art. 140 des Grundgesetzes verändern. Wenn man beispielsweise den jetzigen Zustand mit den Staatsleistungen für in Ordnung hält, dann muss man das so regeln. Ich wäre sehr für einen kollegialen, fairen Diskussionsprozess. Ich selber bin, anders als mein Vorredner, Mitglied der evangelischen Kirche, ein gläubiger Mensch. Sie glauben auch an irgendetwas, aber an etwas anderes als ich. Ich bin also der Auffassung, dass man diesen Prozess einleiten sollte, um dann zu klären, wie es gehen könnte. Der jetzige Zustand kann im Grunde niemanden, der es mit unserem Grundgesetz ernst meint, wirklich zufriedenstellen. Schönen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Stefan Ruppert. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Dr. Stefan Ruppert (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie, dass Sie hier heute genau zu dem Zeitpunkt, zu dem viele unserer Kollegen in einem Gottesdienst des Rücktritts von Papst Benedikt XVI. nicht nur gedenken, sondern ihn sozusagen würdig begehen und ihm auch für seine Tätigkeit Danke sagen, diesen Gesetzentwurf vorlegen. Fairerweise muss man die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und von der Union entschuldigen. Wenn sie hier ihre Reden zu Protokoll geben, dann liegt das nicht an Desinteresse, sondern an dem zeitgleich stattfindenden Gottesdienst. Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung, der über Art. 140 unseres Grundgesetzes Bestandteil unserer Verfassung geworden ist, ist schon, wie man feststellt, wenn man in die historischen Materialien schaut, ein Kompromiss. Schon damals haben USPD und SPD untereinander vehement darum gerungen, wie man es damit halten soll, und auch bei den Liberalen war zwischen der DDP und der DVP Uneinigkeit über die Frage, wie man mit den Staatsleistungen an Religionsgesellschaften umzugehen habe. Anders als es von Herrn Sharma dargestellt wird und auch ein wenig anders als es Herr Wiefelspütz gesagt hat, hat man sich damals bewusst auf den nicht einklagbaren, eher deklaratorischen und eine Absicht bekundenden Kompromiss geeinigt, dass man eines - fernen - Tages die Staatsleistungen ablösen werde. Schaut man sich genauer an, wie diese Staatsleistungen zusammengesetzt sind, dann kommt man als Verfassungsrechtler in der Tat etwas ins Grübeln und stellt fest, dass das keiner erkennbaren Systematik folgt. Es gibt sogar Landeskirchen oder Bistümer, die gar keine Staatsleistungen erhalten. Die Leistungen sind regional ungleich verteilt. Aber so ist das nun einmal, wenn eine Leistung historisch gewachsen ist und unterschiedliche Funktionen erfüllt. Wenn man mit den Kirchen im Dialog darüber ist, stellt man fest: Es gibt Landeskirchen, bei denen die Staatsleistungen gar keine Rolle spielen, und es gibt Landeskirchen, bei denen sie eine erhebliche Rolle spielen, etwa im Osten, weil Christen dort durch das Wirken Ihrer Vorgängerpartei, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Linken, einen sehr schweren Stand hatten und ganze Landstriche sozusagen entchristianisiert worden sind. Gerade diese Christen sozusagen in der Diaspora sind sehr wohl auf die historisch gewachsenen Leistungen angewiesen, nachdem sie dort über 40 Jahre tätig waren. (Beifall bei der FDP) Schauen wir uns einmal an, wie diese Staatsleistungen zusammengesetzt sind, Herr Wiefelspütz. Es handelt sich nicht nur - auch hier ist der Antrag der Linken handwerklich leider nicht sauber verfasst - um Leistungen aus dem Reichsdeputationshauptschluss. Vielmehr sind während des ganzen 19. Jahrhunderts, ja sogar noch im 20. Jahrhundert Leistungen hinzugekommen, zum Teil sozusagen auf historischem Grund basierend, zum Teil aber auch aus Staatskirchenverträgen oder Konkordaten stammend. Es handelt sich um ein wirres bzw. unübersichtliches Gemisch aus Ansprüchen. Vor diesem Hintergrund muss ich Ihren Antrag ein wenig geraderücken. Es handelt sich eben nicht um eine Rechtsposition, die einseitig aufkündbar wäre. Wir können nicht einfach deklaratorisch sagen: Wir lösen die Staatsleistungen jetzt zu einem gewissen Satz ab. - Vielmehr geht es darum, mit den Kirchen konsensuale Gespräche zu führen und darüber nachzudenken, wie man in nicht allzu ferner Zukunft einen Kompromiss finden kann. Übrigens sagen sowohl der Finanzchef der EKD als auch einzelne Stimmen aus der katholischen Kirche, dass sie durchaus dialogbereit sind. Diesen Dialog sollten wir aufnehmen und führen. Wir sollten nicht einseitig und bewusst einen nach herrschender Meinung rechtswidrigen oder enteignend wirkenden sehr niedrigen Satz gesetzlich festlegen. Wer wirklich Erfolg in dieser Sache haben will, darf gerade nicht so vorgehen, wie Sie es tun. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Raju Sharma [DIE LINKE]: Werden Sie etwas tun, Herr Ruppert?) - Ja, wir haben schon etwas getan. Es war eine christlich-liberale Landesregierung in Hessen, die die kommunalen Baulasten abgelöst hat. Dort sind wir genau so vorgegangen, wie wir das eben besprochen haben. Es gibt Staatsleistungen von Länderseite, aber auch kommunale Staatsleistungen. Häufig handelt es sich dabei um Baulasten. So wurde früher beispielsweise festgelegt: Dem Pfarrer der Stadt sind zwei Schweine und ein Fass Bier zu liefern, und die Kirchenglocke ist vonseiten der Kommune instand zu halten. - Diese sehr unübersichtliche Rechtslage zersplitterte - auch in Hessen -, und keiner wusste mehr ganz genau, was eigentlich Gegenstand der kommunalen Staatsleistungen an die Kirchen ist. Jene christlich-liberale Koalition in Hessen hat eine Erhebung durchführen lassen, hat das alles zusammengefasst und hat eine Abfindung bzw. eine Verrentung der Ansprüche gefunden. Das ist zur beiderseitigen Zufriedenheit geschehen; denn die Kirchen konnten so ihre zunehmend in Vergessenheit geratenen Rechtspositionen einmalig geltend machen und wurden auch monetär entschädigt. Gleichzeitig wurde das komplizierte Rechtsverhältnis, das auf lokaler Ebene bestand, in ein geordneteres Verfahren überführt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ruppert, der Kollege Sharma würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Gerne. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Raju Sharma (DIE LINKE): Herr Kollege Ruppert, vielen Dank, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. - Mir ist schon bekannt, dass einige Länder mittlerweile die Staatsleistungen abgelöst und Vereinbarungen mit den Kirchen getroffen haben. Ich bitte Sie nur, erstens zur Kenntnis zu nehmen, dass das nicht nach einheitlichen Maßstäben passieren kann. Zweitens. Wenn der eine Verhandlungspartner mit der Forderung des anderen Verhandlungspartners konfrontiert wird und dem entgegenhalten kann: "Das, was du willst, kannst du dir wünschen, aber du hast gar keinen Anspruch darauf, und ich muss mit dir gar nicht verhandeln", würden Sie mir dann zustimmen - vielleicht sehen Sie das anders -, dass die Verhandlungsposition des einen eindeutig besser ist als die des anderen und dass Verhandlungen auf Augenhöhe gar nicht möglich sind, weil der eine sofort sagen kann: "Ich muss nicht verhandeln"? Auch solche praktischen Erfahrungen gibt es. So haben Sie es möglicherweise auch in Hessen verhandelt. Ich habe in Schleswig-Holstein andere Erfahrungen gemacht, ohne dass man der Kirche einen Vorwurf machen kann. Wie jeder Verhandlungspartner versucht natürlich auch die Kirche, ihre eigene Verhandlungsposition und nicht die des anderen möglichst zu stärken. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Herr Kollege Sharma, es trennt uns in der Tat das -Politikverständnis. Ich halte es eher mit dem Kollegen Wiefelspütz. Wenn man in der Sache etwas erreichen will, dann führt man ein Gespräch und bringt nicht einseitig deklaratorisch einen Gesetzentwurf ein, der zudem aus meiner Sicht enteignungsgleiche Bedingungen enthält. Ich weiß, dass Sie mit dem ersten Versuch einer gesetzlichen Regelung vor zwei oder drei Jahren auch bei Ihrer eigenen Fraktionsführung auf erheblichen Widerstand gestoßen sind (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was Sie so alles wissen!) und man diesen den Kirchen gegenüber sehr unfreundlichen Akt wieder zurückgezogen hat. In größerer Wahlkampfnähe versuchen Sie es jetzt erneut, aber nicht zu Bedingungen, die der geltenden Rechtslage entsprechen. Wenn man etwas erreichen will - insofern trennt uns unser Politikverständnis -, geht man dabei anders vor als einseitig, so wie Sie es hier tun. (Beifall bei der FDP) Ich könnte weitere Beispiele aufzählen. Im Bistum Paderborn beispielsweise ist erreicht worden, dass die Staatsleistungen abgelöst worden sind. Wir Liberale sind keineswegs der Auffassung, dass der Umstand, dass ein katholischer Bischof in Bayern vom Staat bezahlt wird, der Weisheit letzter Schluss ist. Auch Benedikt XVI. - das haben Sie richtig gesagt - hat in der Entwelt-lichungsdebatte durchaus Hinweise dazu gegeben. An dieser Stelle ist Ihr Antrag aber nicht handwerklich sauber ausgearbeitet. Gerade diese Ansprüche beruhen nicht auf dem Reichsdeputationshauptschluss, sondern ergeben sich aus anderen Rechtsquellen. Der bayerische Landesbischof der evangelischen Kirche denkt gerade über eine Ablösung nach. Auch auf katholischer Seite gibt es Stimmen, die sagen: Wir sollten in einen Dialog eintreten und überlegen, wie das in Zukunft gehandhabt wird. Aufgrund der zersplitterten Rechtslandschaft ist es eine sehr mühselige Arbeit, die hier zu leisten ist. Wenn wir aber das Gespräch konsensual gestalten und den Rechtsanspruch der Kirche achten, dann könnte man durchaus etwas erreichen. Auch bei den Kirchen wird darüber nachgedacht, dass die Preise für solche Ablösungen in einer - aus meiner christlichen Sicht leider - sich abwendenden Gesellschaft wahrscheinlich nicht besser werden. Daher sollten wir das gemeinsam und eher konsensual angehen, aber nicht mit einem kulturkämpferischen Habitus. (Widerspruch bei der LINKEN) Dann erreichen Sie auch etwas, so wie in Hessen und in Paderborn. Unterschiedliche Couleurs haben schon bessere Vorarbeit geleistet, als Sie es mit Ihrem Gesetzentwurf machen. Deshalb werden wir diesem leider nicht zustimmen können. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Katharina Landgraf [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Josef Winkler und die Kollegin Maria Flachsbarth haben ihre Reden zu Protokoll gegeben.13 Ich gebe jetzt der Kollegin Kerstin Griese für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Kerstin Griese (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion Die Linke hat einen Gesetzentwurf zu einem Thema vorgelegt, über das es sich zu diskutieren lohnt; das haben, glaube ich, alle schon gewürdigt. Allerdings muss man sagen, dass die Ablösung von Staatsleistungen an die Kirchen bisher nur in sehr wenigen Fällen - die kommunalen Fälle in Hessen hat der Kollege Ruppert geschildert - stattgefunden hat. Das hat auch seine Gründe. Man muss also sehr genau hinschauen, um feststellen zu können, warum das wo und wie funktioniert hat. Den Weg, den Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorschlagen, halte ich so für nicht gangbar. Ich bin aber sehr dafür, dass wir diese Fragen diskutieren; denn dahinter steckt auch die Frage, wie wir unter Beibehaltung der Trennung von Staat und Kirche, die wir in Deutschland jetzt schon haben - und das ist auch gut so -, die wichtige zivilgesellschaftliche Arbeit der Kirchen unterstützen können. Auch das muss einmal gesagt werden: 70 Prozent der Menschen in Deutschland sind Mitglied einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft; etwa ein Drittel ist evangelisch, ein Drittel ist katholisch. Das ist also kein Anliegen einer kleinen Gruppe. Ich bin dafür, dass wir im Gespräch mit den Bundesländern - meine Vorredner haben bereits gesagt, dass es hauptsächlich auf die Länder ankommt - und mit den Kirchen darüber reden, wie und ob man diese Staatsleistungen ablösen kann. Dazu vier Punkte. Erstens. Die Ausgangslage ist bereits geschildert worden. Den Reichsdeputationshauptschluss von 1803 kennen nach dieser Debatte alle hier Anwesenden. Das haben wir den Nichtanwesenden voraus. Das muss man noch einmal genau nachlesen. Mit dem Reichsdeputa-tionshauptschluss sind die Kirchen für die Enteignung und Säkularisierung kirchlicher Güter entschädigt worden. Sie sind für eine Quelle entschädigt worden, die ihnen regelmäßig die Finanzierung ihrer Arbeit sicherte. Deshalb ging es damals nicht um eine einmalige Zahlung, sondern um einen Ersatz für die wirtschaftliche Grundlage, die es den Kirchen ermöglichte, Strukturen und Personal zu finanzieren. Die Weimarer Reichsverfassung, deren Artikel wir ins Grundgesetz übernommen haben - das haben berufene Juristen hier geschildert -, hat als einen wichtigen Schritt zur Trennung von Staat und Kirche diese Leistungen genau so gesetzlich verankert, wie wir es jetzt vorfinden. Eines ist mir wichtig: Es handelt sich nicht um eine Privilegierung oder Bevorzugung der Kirchen, sondern um geltendes Recht und um geltende Verträge. Interessant ist ja auch, dass die Religionsgemeinschaften -erweitert werden können. Es gibt inzwischen auch Staatsleistungen für die jüdischen Landesgemeinden und für den Zentralrat der Juden in Deutschland. Die Länder Hamburg und Bremen haben als Erste Staatsverträge mit islamischen Gemeinschaften unterzeichnet. Auch da verändert sich also etwas. Zweitens. Unser Staat ist ein säkularer, aber er ist kein laizistischer. Wir haben selbstverständlich Religionsfreiheit, ein hohes, wichtiges Gut der Menschenrechte. Die Verfassungsrechtler nennen die Neutralität unseres Staates eine "fördernde Neutralität", eine positive Religionsfreiheit, die es den Bürgerinnen und Bürgern ermöglicht, ihre Religion zu leben - oder auch nicht, wenn sie es nicht möchten. Daher ist der - etwas durchklingende - Rückkehrschluss Ihres Gesetzentwurfes, wir hätten erst dann eine Trennung von Staat und Kirche, wenn Ihr Gesetzentwurf beschlossen worden ist, meines Erachtens sicherlich falsch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP) Drittens. Ich will betonen, dass es viele Äußerungen aus dem kirchlichen Raum gibt. Kollege Ruppert hat den bayerischen evangelischen Landesbischof zitiert. Die EKD, die Evangelische Kirche in Deutschland, hat bereits 2011 erklärt, dass sie bereit ist, mit den Bundesländern über die Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln. Der bayerische evangelische Landesbischof hat sein Befremden darüber geäußert, dass sein eigenes Gehalt aus dem Haushalt des Freistaats Bayern bezahlt wird. Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes hat diese Staatsleistungen sogar als "nicht mehr zeitgemäß" bezeichnet. Ich will ausdrücklich festhalten: Die Kirchen verschließen sich dem Thema nicht. Ich will dazu den Verfassungsrechtler Professor Hans Michael Heinig zitieren, der gesagt hat: Aber da die Kirchen ein partnerschaftliches Verhältnis zum Staat pflegen und das Grundgesetz mit seinen religionsfreiheitlichen Komponenten wertschätzen, müssen sie auch das Ablösegebot ernst nehmen. Diesem Appell kann ich mich nur anschließen. Viertens - das ist mein letzter Punkt -: Es kommt eben auf die Bedingungen der Ablösung an. Sie schreiben selber in Ihrer Gesetzesbegründung: Alle seriösen Vorschläge beziehen sich auf die 18- bis 25-fache Summe der jährlichen Zahlung als Ablösesumme. Insofern ist der in Ihrem Gesetzentwurf gemachte Vorschlag, einmalig die 10-fache Summe zu zahlen, glaube ich, auch ein bisschen provokativ gemeint. Damit machen Sie es sich etwas zu einfach. Aber selbst da, wo es in den Bundesländern Debatten gab - ich habe das zum Beispiel in den Plenarprotokollen des thüringischen Landtages nachgelesen -, haben sich die Bundesländer -entschlossen, es lieber bei der jährlichen Zahlung zu belassen, als diese einmalige Summe aufzubringen. Die Zahlungen umfassen bundesweit etwa 460 Millionen Euro; davon gehen knapp 240 Millionen Euro an die evangelischen Landeskirchen. Das macht im Durchschnitt 2 Prozent ihres Etats für die kirchliche Arbeit aus. Man sollte jetzt also nicht so tun, als machten diese Zahlungen den größten Teil des Etats aus. Wichtig ist, dass die Situation in den Ländern sehr heterogen ist. Deshalb kann man das Ganze nicht für alle gleich lösen. Zur Erläuterung ein paar Zahlen: Baden-Württemberg zahlt jährlich 100 Millionen Euro an die Kirchen, Nordrhein-Westfalen etwa 21 Millionen Euro, die gleiche Summe wie Thüringen. Das hat, glaube ich, mit Kirchengeschichte und -bauten zu tun. Das zeigt noch einmal, dass eine pauschale Ablöseregelung, wie Sie sie vorschlagen, nicht funktionieren kann. Auf Landesebene gab es erste konkrete Schritte zur Umsetzung; wir haben Entsprechendes gerade von Hessen gehört. Ich verweise auch auf die Regelung in Paderborn. Wichtig ist, dass dort, wo die Ablösung geregelt wurde, immer von einer partnerschaftlichen Verantwortung gesprochen worden ist. Damit komme ich zu einem Punkt, der für mich zu den Bedingungen für eine Ablösung dazugehört. Es wäre gut, wenn der Bund sowohl mit den Ländern als auch mit den Kirchen partnerschaftlich verhandeln würde. Ich plädiere dafür, dass wir eine sachliche Diskussion dazu führen, mit allen Beteiligten, nicht ohne sie. Ich will zum Abschluss festhalten, dass wir bei aller - oft notwendigen - Kritik an den Kirchen, über die sicherlich anderenorts zu diskutieren ist, die Arbeit der Kirchen und Religionsgemeinschaften in unserem Land, ihr soziales Engagement, ihr Engagement für Flüchtlinge und Asyl, ihre internationale Verantwortung, zum Beispiel in der Entwicklungshilfe, sehr wertschätzen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Norbert Geis hat seine Rede zu Protokoll gegeben.14 Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/8791 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. CDU/CSU und FDP wünschen Federführung beim Innenausschuss, die Fraktion Die Linke beim Rechtsausschuss. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktion Die Linke, Überweisung an den Rechtsausschuss, abstimmen. Wer ist dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt. Die Fraktion Die Linke hat für den Vorschlag gestimmt, alle anderen dagegen. Enthaltungen gab es keine. Jetzt lasse ich über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, Überweisung an den Innenausschuss, abstimmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Überweisungsvorschlag angenommen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke; alle anderen waren dafür. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 10 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - AmtshilfeRLUmsG) - Drucksache 17/12375 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/12532 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Barbara Höll Dr. Thomas Gambke - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/12533 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider (Erfurt) Otto Fricke Dr. Gesine Lötzsch Sven-Christian Kindler Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Ich gebe das Wort dem Kollegen Olav Gutting für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Olav Gutting (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz - schöner Name - werden wir diejenigen Maßnahmen aus dem gescheiterten Jahressteuergesetz 2013 auf den Weg bringen, die jetzt zwingend einer Umsetzung bedürfen. Es geht dabei insbesondere um Angleichungen an EU-Recht, um Vertragsverletzungsverfahren zu verhindern, die sonst vonseiten der Europäischen Kommission drohen. Zu nennen sind hier beispielsweise die Umsetzung der EU-Rechnungsrichtlinie sowie die Anpassungen beim ermäßigten Steuersatz für Kunstgegenstände. Daneben geht es uns auch um die Bekämpfung von Steuermissbrauch. Hier will ich nur das Stichwort "Goldfinger-Modell" nennen; wir werden es mit dieser Gesetzesvorlage beenden und damit dem Missbrauch das Wasser abgraben. Elektrofahrzeuge sollen bei der Bemessungsgrundlage für die 1-Prozent-Versteuerung, der sogenannten Dienstwagenregelung, von einer pauschalen Listenpreisminderung profitieren. Wichtig sind für uns auch die notwendigen Neuregelungen im Bereich der Vorschriften zur Einführung des Verfahrens der elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale. - Dieses Gesetz strotzt geradezu vor langen Wörtern; (Manfred Zöllmer [SPD]: Nicht nur vor langen Wörtern!) aber so ist unser Steuerrecht nun einmal. - Hier ist eine Neuregelung dringend erforderlich, weil diese Vorschrift ab dem 1. Januar 2013 bereits aufgehoben wurde. Gleichzeitig gewähren wir den Arbeitgebern mehr Zeit zur Umstellung auf das ELStAM-Verfahren. Damit vermeiden wir technische und organisatorische Probleme, die bei einem gleichzeitigen Einstieg aller Arbeitgeber zu einem festen Termin entstehen können. Wir wollen, dass diese Maßnahmen noch in der laufenden Legislaturperiode in Kraft treten. Ich will hier nicht noch einmal die Historie des gescheiterten Jahressteuergesetzes 2013 im Detail aufzeigen. Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass es die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land interessiert, wenn wir uns hier darüber streiten, wer für das Scheitern des Jahressteuergesetzes 2013 verantwortlich ist. Fakt ist aber: Wir haben das Jahressteuergesetz 2013 hier in diesem Haus bereits im Oktober letzten Jahres verabschiedet und beschlossen. Fakt ist: Dieses Jahressteuergesetz 2013 ist, ebenso wie das Gesetz zum Abbau der kalten Progression, wie das Gesetz zum Deutsch-Schweizer Steuerabkommen und wie das Gesetz zur steuerlichen Absetzbarkeit der energetischen Sanierung, im rot-grün dominierten Bundesrat gescheitert. Der vorliegende Gesetzentwurf - es ist ein abgespeckter Gesetzentwurf - trägt nun den schwierigen Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat Rechnung. Ich weiß, Sie hätten gern Ihren großen Änderungsantrag. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich bitte auch um Verständnis, wenn wir uns hier nicht am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. (Zurufe von der SPD und der LINKEN: Nein!) Sie haben im Bundesrat ein klares Foul begangen; das wissen Sie. Sie können nicht von uns erwarten, dass wir mit Ihnen weiterspielen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Sie waren doch gar nicht dabei!) Wenn es Ihnen mit Sachpolitik ernst ist, dann stimmen Sie heute hier zu. Aber das wollen Sie nicht. Nein, Sie wollen mit Ihrem Änderungsantrag die Konflikte, die wir im Bundesrat hatten und die im Vermittlungsausschuss weitergingen, auch hier wieder austragen. Ich habe schon im Ausschuss gesagt: Das Ganze erinnert mich an die Argalis im Tierreich. Ich weiß nicht, ob Sie sie kennen. Das sind Wildschafe mit großen Hörnern, die regelmäßig aufeinanderprallen und mit den Hörnern zusammenstoßen - (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der eine heißt FDP, der andere CDU/CSU!) bis irgendwann jemand aufgibt, weil er Kopfschmerzen hat. Aber so funktioniert es hier nicht. Sie kamen hier mit Ihrem Änderungsantrag um die Ecke, (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nicht um die Ecke! Ganz klar von vorne!) obwohl Sie genau wussten, dass wir nach der letzten Nummer im Bundesrat diesem Änderungsantrag so nicht zustimmen werden - prinzipiell nicht, weil wir uns hier nicht zum Affen machen, (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Das macht ihr selber! Das müssen wir nicht!) aber auch aus inhaltlichen Gründen nicht; darauf will ich gleich eingehen. Ein Beispiel sind die sogenannten Cash-Gesellschaften. Natürlich wollen auch wir von den Koalitionsfraktionen missbräuchliche Gestaltungen im Erbschaftsteuer-recht verhindern. (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind sich doch gar nicht einig in diesem Punkt!) Wer in diesem Haus würde überhaupt dafür eintreten, missbräuchliche Gestaltungen im Steuerrecht nicht zu beseitigen? Jeder in diesem Haus möchte Missbrauch im Steuerrecht verhindern. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP]) Im Übrigen ist dies auch im Interesse unserer Unternehmen, der deutschen Mittelständler und der Familienunternehmen in diesem Land, die sich in schwierigen Prozessen der Unternehmensnachfolge befinden. Sie selbst haben ein Interesse daran, dass sie nicht in irgendeinen Missbrauchstopf geworfen werden; auch sie haben ein Interesse daran, dass wir hier die Sache regeln. Nur würde das, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in Ihrem Änderungsantrag vorschlagen, (Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das gemacht, wozu Sie zugestimmt haben!) dazu führen, dass jegliche Liquidität in den Betrieben als schädlich erachtet und einen Missbrauchsverdacht erwecken würde. Die 10-Prozent-Liquiditätsgrenze entspricht nicht der Lebenswirklichkeit in mittelständischen Betrieben. Die 10-Prozent-Grenze, die Sie hier vorschlagen, kann sogar insolvenzrechtlich problematisch werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der von Ihnen übernommene Vorschlag des Bundesrates schießt deutlich über das Ziel hinaus. (Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist es!) Wir müssen hier eine gangbare Alternativlösung entwickeln - darüber herrscht Konsens in der Koalition -, die Missbrauch vermeidet, aber eben auch Arbeitsplätze schützt. Wir werden zeitnah einen entsprechenden Vorschlag erarbeiten; wir werden hier handeln. Der vorliegende Entwurf unserer Koalition ist im Übrigen nicht das letzte Gesetz dieser Koalition in dieser Legislaturperiode. Das, was wir hier vorlegen, ist nicht das Ende der Fahnenstange beim großen Komplex des gescheiterten Jahressteuergesetzes 2013. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Oh!) Im ursprünglichen Jahressteuergesetz der Koalition war zum Beispiel eine Umsatzsteuerbefreiung für Betreuungsleistungen sowie für Leistungen von Bühnenregisseuren vorgesehen. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ja! Und?) An der Notwendigkeit dieser Maßnahmen halten wir selbstverständlich nach wie vor fest; aber wir werden sie nicht mit diesem Gesetz umsetzen, (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Warum nicht?) weil wir hier ein schlankes Gesetz wünschen, das schnell durch den Bundesrat geht. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ach! Da sind Ihnen die Menschen egal?) Wir werden diese Maßnahmen in einem folgenden Verfahren umsetzen. Das Gleiche gilt für den besonderen Gewerbesteuerzerlegungsmaßstab im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen. Wir werden die Maßnahme, die wir in diesem Haus bereits debattiert und mit dem Jahressteuer-gesetz 2013 beschlossen haben, nach Abschluss des vorliegenden Gesetzgebungsverfahrens noch einmal intensiv prüfen. Wir werden schauen, wie wir diese Maßnahmen möglichst zügig umsetzen und verwirklichen können. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich kann nur sagen: Wenn Sie wirklich etwas für die Menschen in diesem Land tun wollen, dann stimmen Sie heute zu, und lassen Sie dieses Gesetz möglichst schnell in Kraft treten. Sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat, dass sie das Gleiche tun sollen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Lothar Binding das Wort. (Beifall bei der SPD) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der ersten Lesung habe ich das Jahressteuergesetz 2013 noch kritisiert. Ich habe gesagt: Es enthält sehr viele kleinteilige Regelungen; gemessen an der Koalitionsvereinbarung fehlen die wichtigen Dinge: die Reform der Mehrwertsteuer, der Unternehmensteuer usw. Aber immerhin: Wenn man bereit war, einmal auf die großen Lösungen zu verzichten und sich auf die kleinteiligen einzulassen, konnte man erkennen, dass im Vermittlungsausschuss ein ganz gutes Ergebnis erzielt wurde. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Fast alles war ausgehandelt; sagen wir einmal: 98 Pro-zent. In der Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb, von CDU, CSU und FDP, gab es einen Passus, der die steuerrechtliche Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften betrifft. Wer hätte darauf kommen können, dass es ausgerechnet dann, wenn man etwas einbringt, was in Ihrem Vertrag steht, zur Explosion kommt, (Olav Gutting [CDU/CSU]: Wer hätte darauf kommen können? Völlig überraschend!) dass man wegen der einen plötzlich von Ihnen nicht mehr gewünschten Vereinbarung die 98 Prozent, die ausgehandelt waren, in Gefahr bringt? Jetzt bekommen wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nicht die ausgehandelten 98 Prozent enthält, sondern vielleicht nur noch 15 Prozent, und das halte ich für ein ganz großes Problem. Wir sehen hier ein bisschen einen philosophischen Unterschied zwischen den verschiedenen Parteien. Wir haben hier gelernt: Erst kommt die Partei, dann kommt die Partei, und dann kommt die Partei. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Wir sind doch hier nicht bei den Sozialdemokraten!) Dann kommt möglicherweise lange gar nichts, und dann kommt erst der Bürger. Ich will das einmal am Beispiel meines Wahlkreises beschreiben: In meinem Wahlkreis ist es so, dass die Bürger unbedingt und schon seit langem auf das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz warten. Praktisch können die sich gar nichts anderes vorstellen, als dieses tolle Gesetz zu haben. Damit es für sie leichter wird, haben wir auch die Abkürzung geübt: AmtshilfeRLUmsG. Dieses erwarten die Bürger jetzt ganz dringend. (Heiterkeit bei der SPD) Die Maßnahmen gegen Missbrauch im steuerlichen Bereich fehlen praktisch komplett. (Olav Gutting [CDU/CSU]: Goldfinger!) Das ist ein Desaster; da sind wir uns alle einig. Trotzdem verzichten wir jetzt auf eine Regelung, die schon fast gesetzlich geregelt war. Das ist eigentlich völlig verrückt. Wir brauchten nur den Arm zu heben und hätten eine Superlösung. Aber nein, man schafft ein neues, sehr sperriges Gesetz. Im Grunde wird jetzt eine Formalie beschlossen, die man eigentlich gar nicht zu beschließen braucht; die ist zwingend. Aber auf das, was an politischer Gestaltung notwendig ist, verzichtet die Regierung. Dies geschieht nicht zum ersten Mal; aber man muss doch die gleiche Dummheit nicht immer wieder begehen. Eine Regelung zur Monetarisierung von Verlusten - dies betrifft das Umwandlungsteuergesetz - fehlt komplett. Eine Regelung zu Cash-GmbHs im Rahmen der Erbschaftsteuergestaltung fehlt komplett. Die Grund-erwerbsteuergestaltung, das, was man RETT-Blocker - Real-Estate-Transfer-Tax-Blocker - nennt, fehlt komplett. Zu welchen Einnahmeausfällen dies für unseren Fiskus, für unsere Gesellschaft, führt, sollte man sich einmal klarmachen. Die Vermeidung weißer DBA-Einkünfte, also Gestaltungen von Gewinnen über DBA-Abkommen bei hybriden Finanzierungen, fehlt komplett. Die Verhinderung von Steuertricks bei der Wertpapierleihe fehlt komplett. Ich muss sagen: Das ist ein Desaster. Die Anpassungen im Einkommensteuergesetz an die Aussetzung der Wehrpflicht, eine Regelung zu den Bezügen für freiwilligen Wehrdienst, fehlen komplett. Die gesetzliche Klarstellung zur steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen als Reaktion darauf oder Anerkennung dessen, was BFH-Rechtsprechung bedeutet, fehlt komplett. Die Neuregelung der Berechnung von Steuerzinsen bei der Auflösung eines Investitionsabzugsbetrags fehlt komplett. Soll ich das fortsetzen? Sie merken, dass Sie mit dem vorliegenden Gesetz Maßnahmen verhindern, die wir alle schon lange betreiben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Jetzt ist etwas Interessantes passiert: Ich habe heute Morgen an anderer Stelle ein paar Allgemeinplätze der Kollegen von Schwarz-Gelb zitiert, etwa: Wir haben die beste Regierung der Nachkriegsgeschichte, seit 1992. (Beifall des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU]) - Olav Gutting applaudiert. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er ist der Einzige, der das hier im Saal glaubt!) Heute Morgen gab es da immer Applaus. Olav Gutting hat das gerade sehr gut gemacht; er hat praktisch ein Zitat benutzt. Er hat das Gleiche gemacht wie Sie heute Morgen. Bei all den von mir heute Morgen zitierten Sätzen wurde applaudiert. Dann habe ich gesagt: Schauen wir einmal ins Gesetz. Daraufhin hat der Kollege Kauder gesagt: Ja, schauen Sie einmal ins Gesetz. - Dann habe ich ins Gesetz geschaut und daraus zitiert. Interessanterweise hat keiner von Ihnen bei auch nur einem einzigen Zitat dessen, was Sie aufgeschrieben haben, applaudiert. Ist das nicht interessant? (Zurufe von der SPD: Ja!) Sie applaudieren Ihren eigenen Regelungen nicht. Jetzt haben Sie einen Trick angewandt, der super ist: All das, bei dem man aus Ihren Reihen nicht applaudieren könnte, haben Sie einfach weggelassen. (Volkmar Klein [CDU/CSU]: Ich glaube, da hast du dich argumentativ ausgetrickst!) Die Umsatzsteuerbefreiung für rechtliche Betreuungsleistungen - sehr wichtig - und für eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen für privatgewerbliche Sozialleistungserbringer fehlt komplett. Die Umsatzsteuervergünstigung für die Kulturschaffenden - das wird manche Leute aufhorchen lassen - wie die Befreiung für Leistungen von Bühnenregisseuren und -choreografen fehlt komplett. Die Modernisierung und Vereinfachung des Verfahrens der Anmeldung der Feuerschutzsteuer fehlt komplett. Sie können sehen: Sie haben ein Gesetz gemacht, das ein Torso ist, bei dem alle wichtigen Dinge fehlen, die wir gemeinsam vereinbart haben. Ich glaube, ganz offen gesprochen, dass Sie damit Ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb will ich - ohne die Punkte zu nennen, die trotzdem noch fehlen, obwohl ich schon so viele genannt habe - an Sie noch einmal applaudieren bzw. appellieren (Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär: Applaudieren!) - ich kann Ihnen auch applaudieren, wenn Sie da zustimmen -, ob Sie sich nicht doch einen Ruck geben könnten. Wenn wir in diesem Gesetzgebungsverfahren auf die von Ihnen inzwischen wieder neu beurteilte Regelung hinsichtlich der eingetragenen Lebenspartnerschaften verzichten - wir werden sie an anderer Stelle einbringen -, können Sie dann nicht darauf verzichten, das gesamte Jahressteuergesetz 2013 - ohne diesen strittigen Fall - abzulehnen? Wäre das nicht politisch klug? Wäre es nicht eine gute Idee, diesen Schritt im Vermittlungsausschuss noch einmal zu gehen? Denn alles andere klingt ein bisschen nach beleidigter Leberwurst. Das wurde eben deutlich, als Sie, Herr Gutting, sagten: "Wir lassen uns doch nicht mit einem Nasenring durch die Manege ziehen." Es wurden vorhin auch viele Tierbeispiele genannt. Eines davon hat uns gut gefallen, nämlich das mit den Hörnern und den Stieren. Man muss sich einmal überlegen, warum das alles gescheitert ist - das ist vielleicht die Quintessenz dieses Verfahrens -: Angenommen, die CSU und die FDP wären in dieser strittigen Frage einer Meinung gewesen, dann wäre doch alles beschlossen worden. Aber weil sich die beiden gestritten haben, war es nicht möglich, das Verfahren im Vermittlungsausschuss zu Ende zu führen. Das haben Sie eben mit dem Bild der Hörner, die aufeinander zusteuern, ganz gut beschrieben. Das scheint im Moment Ihr Standardmodell in der Regierungspolitik zu sein. Deshalb bekommen Sie auch so große Probleme mit Ihrer Glaubwürdigkeit. Wer Ihnen jetzt glaubt, dass Sie ein gutes Gesetz gemacht haben, der könnte Gefahr laufen, dass er im September falsch entscheidet. Alles Gute! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Daniel Volk. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Daniel Volk (FDP): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Binding, Sie haben gerade die Punkte aufgezählt, die in dem Änderungsantrag Ihrer Fraktion - mit Unterstützung der Fraktion der Grünen - enthalten sind. Dieser Änderungsantrag würde übrigens von anderen in diesem Lande als ein Plagiat bezeichnet werden. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir haben es ja wörtlich zitiert! Das steht ihm Antragstext drin!) Was Sie hier gerade vorgetragen haben, ist durchaus plagiatverdächtig; (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein, das Zitat ist schon korrekt! Wer zitiert, plagiiert nicht! Sie verstehen ja von Plagiaten mehr!) denn Sie haben die Urheberschaft hier am Rednerpult verschwiegen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es scheitern lassen! - Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hier plagiatverdächtig ist! Das würde ich mir überlegen!) Umsatzsteuerfreiheit für Bühnenregisseure und Betreuer, der Umgang mit Wehrdienst und Bundesfreiwilligendienst - alle diese Punkte (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Die Sie nicht beschließen wollten! Die Sie ablehnen!) haben wir als Koalitionsfraktionen in den Entwurf des Jahressteuergesetzes 2013 geschrieben. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: So steht es in unserem Antrag!) Das haben Sie scheitern lassen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben es scheitern lassen! Sie haben dagegen gestimmt!) Sie schmücken sich mit fremden Federn, wenn Sie das alles hier aufzählen. Das ist ein Plagiat. (Beifall bei der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Dann können wir es doch gemeinsam beschließen! - Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Herr Binding, Sie haben gerade so süffisant gesagt: In Ihrem Wahlkreis würden die Bürgerinnen und Bürger nach Ihrem Eindruck auf das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz warten. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja, ich bin halt oft in meinem Wahlkreis!) Ich habe das so verstanden, dass Sie das ironisch meinten. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Oh, das haben Sie aber sensibel bemerkt! - Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Gegenruf des Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU]: Der war nicht schlecht!) Ich kann Ihnen einen Punkt aus dem hier zu beratenden Gesetzentwurf nennen, auf den die Bürgerinnen und Bürger sehr wohl warten. Es geht um die Vereinfachung und die Anpassung des Lohnsteuerabzugsverfahrens an die modernen technischen Gegebenheiten. Es geht um ELStAM, um die elektronischen Lohnsteuerabzugsmerkmale, ein klares Jahressteuervereinfachungselement, das im Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz enthalten ist. Das muss so schnell wie möglich umgesetzt werden, damit wir auch in diesem Bereich eine Steuervereinfachung hinbekommen. Wenn Sie dies wiederum ablehnen, zeigen Sie als SPD-Fraktion - im Geiste mit den Grünen vereint -, dass Sie überhaupt kein Interesse daran haben, eine Steuervereinfachungspolitik zugunsten der Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen. Sie sind diejenigen, die das komplizierte Steuerrecht weiterhin kompliziert halten wollen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das hat doch nichts mit Recht zu tun!) Das kann wirklich nicht Ihr Ernst sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie haben natürlich auch die großen Linien vorangestellt und gesagt, es fehle eine Reform des Mehrwertsteuersystems, (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das war nur ein Beispiel! Die Hotels haben es ja!) Für uns Steuerpolitiker ist das eigentlich die Umsatzsteuer. Ihr Kanzlerkandidat hat gestern eine wunderbare Ankündigung gemacht. Er hat gesagt, wenn er das Sagen hätte, dann würde er auf jeden Fall eine große Mehrwertsteuerreform durchführen und er könne sich nur noch in fünf Bereichen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz vorstellen: (Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Guter Mann!) Lebensmittel, Mieten. Ich höre: Mieten. (Manfred Zöllmer [SPD]: Nein, hat er nicht gesagt!) Oh, das ist ja interessant! Umsatzsteuer auf Mieten. Was will er denn dort reformieren? Soll etwa bei Privatwohnmietverhältnissen die Mehrwertsteuer von 0 auf 7 Prozent angehoben werden? (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Dass Ihnen so etwas einfällt, wundert nicht!) Das passt ja hervorragend in Ihre Linie, den Mietwohnraum in Deutschland bezahlbar zu halten. Oder will er möglicherweise bei der Gewerberaummiete die Umsatzsteuerpflicht von 19 Prozent auf 7 Prozent senken? Ein erstaunlicher Vorschlag! Ich kann Ihnen nur eines sagen: Eine solche Mehrwertsteuerreform wie dort angekündigt sollte diesem Lande wirklich erspart bleiben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Sie können natürlich über solche Dinge reden oder über das Gesetz, über das wir jetzt befinden sollen!) Wir sollten uns darauf konzentrieren, uns im steuerpolitischen Bereich jenseits einer gewissen Polemik und jenseits eines gewissen Populismus an den Punkten zu orientieren, die für die Bürger entscheidend sind. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das machen Sie nicht!) Ich glaube schon, dass das elektronische Lohnsteuerverfahren ein Punkt ist, der auf jeden Fall kommen muss. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das ist doch eine technische Finesse! Das ist doch nichts von Bedeutung!) Ich richte auch in Ihre Richtung die Bitte: Geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie dieser Neuerung zugunsten aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu! (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wenn wir darüber separat abstimmen, stimmen wir diesem Punkt zu!) Im Bereich der Steuermissbrauchsbekämpfung bedarf etwa das Goldfinger-Modell, das ebenfalls in dem hier zu beratenden Gesetzentwurf enthalten ist, der Klärung. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ab welchem Zeitpunkt gilt die Goldfinger-Regelung?) Es gibt offenbar keinen Punkt, weswegen Sie gegen dieses Gesetz sein können. Deswegen versuchen Sie mit einem Änderungsantrag, sozusagen über ein billiges Plagiat des Jahressteuergesetzes 2013, das aus unserer Feder stammt, (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ab wann soll die Goldfinger-Regelung gelten?) eine künstliche Argumentation aufzubauen. Das ist aber wirklich keine gute Politik für dieses Land. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Was heißt "künstlich"?) Es ist keine gute Politik für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, für die Steuerzahler, übrigens auch nicht für die Steuerverwaltung. Sie verweigern sich durch Ihr Verhalten hier im Parlament einer Verbesserung des Steuervollzugs und der Steuerverwaltung. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das kann jeder nachlesen, ob das, was Sie sagen, wahr ist oder falsch oder vielleicht sogar gelogen!) Das sollten Sie wirklich überdenken. Deswegen bitte ich Sie ganz herzlich, auch in Ihrem Interesse, diesem Gesetzentwurf in unveränderter Fassung zuzustimmen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das machen wir sicher nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, heute müssen sich viele Bürgerinnen und Bürger fragen, was wir hier im Bundestag machen. Die Koalition ist zutiefst beleidigt und sitzt in der Ecke wie ein trotziges kleines Kind und sagt: Jetzt wollen wir aber auch nicht mehr. Schluss, wir wollen nicht mehr! (Beifall bei der LINKEN und der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Was haben Sie gegen trotzige Kinder, Frau Kollegin? Was haben die Ihnen getan?) Dann denken Sie sich einen neuen Namen aus, damit man es nicht ganz so doll merkt. Es heißt jetzt nicht mehr Jahressteuergesetz 2013, jetzt ist es das Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Der Name ist ja nicht falsch!) Sie haben sich wahrscheinlich gesagt: Wir müssen etwas machen. Wie können wir damit in der Öffentlichkeit irgendwie noch bestehen? - Dann verkündet Herr Koschyk als Staatssekretär im Ausschuss: Ja, Sie haben uns geärgert. Wir machen jetzt nicht mehr mit. Wir machen nur noch das, was europarechtlich notwendig ist. Man könnte denken: Okay, das, was europarechtlich notwendig ist; schauen wir doch mal ins Gesetz. - Das ist für uns natürlich nicht ganz einfach gewesen. Wir bekamen in der letzten Sitzungswoche Mittwoch früh den Gesetzentwurf auf den Tisch und durften uns diesen am Mittwochvormittag anschauen. Am Donnerstag war die erste Lesung im Bundestag. Am Mittwoch dieser Woche war die Beratung im Ausschuss und heute ist die zweite und dritte Lesung. Von einem wirklichen Beratungsablauf kann man hier nicht sprechen. Das spricht einer geordneten parlamentarischen Beratung hohn. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das sind wir an der einen oder anderen Stelle von dieser Koalition so gewöhnt. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Aber dieselben Punkte wurden schon einmal beraten!) Wir haben Sie dann gebeten: Machen Sie doch wenigstens eine Auflistung, was von dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses, auf das Sie sich geeinigt hatten, tatsächlich Eingang in den Gesetzentwurf gefunden hat! Daraufhin gab es eine Liste, die sehr schwer zu handhaben war. Aber okay, das sei Ihnen verziehen. Dann haben wir nachgeschaut, was von dem europarechtlich Notwendigen, von dem, was unabdingbar ist, enthalten ist. Da habe ich wirklich gestutzt. Die Elektroautos, deren steuerliche Förderung unter umweltpolitischen Aspekten sehr in der Kritik steht, ist enthalten. Meines Erachtens hat das mit Europarecht erst einmal nicht viel zu tun. Dafür haben Sie die umsatzsteuerliche Behandlung der Betreuungsleistungen, zu denen es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs gibt, nicht aufgenommen, obwohl hier wirklich Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Daniel Volk [FDP]: Das haben Sie zum Scheitern gebracht beim Jahressteuergesetz 2013, Frau Kollegin!) Die Frage der Behandlung der gastierenden Regisseure haben Sie einfach rausgeschmissen. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Auch das haben Sie zum Scheitern gebracht beim Jahressteuergesetz! - Gegenruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Wir sind dafür! Sie lehnen es doch ab!) Da interessiert Sie die künstlerische Arbeit nicht, und die Leute interessieren Sie auch nicht. Warum nun das Ganze? Warum dieses ganze Theater? Herr Gutting, Sie haben gesagt, das gehe so nicht, wir hätten ein Foul begangen. Entschuldigung, Herr Gutting, in den Beratungen im Vermittlungsausschuss wurde nur etwas eingebracht, was in Ihrem Koalitionsvertrag steht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Dr. Höll, Herr Beck würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Gerne. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da der Kollege Volk Ihnen hier dauernd vorwirft, Sie hätten das alles zum Scheitern gebracht (Dr. Daniel Volk [FDP]: "Dauernd"? Zweimal!) - wahrscheinlich meint er uns alle damit -, möchte ich Sie fragen, ob Sie mir erklären können, wie es sein kann, dass man, wenn eine Forderung der FDP in einen ansonsten konsensualen Gesetzentwurf aufgenommen wird, den Vorwurf erhebt, dass Sie das zum Scheitern gebracht haben, obwohl die FDP ihn dann abgelehnt hat. (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Kollege Beck, vielleicht trägt ein Rückblick auf die gestrige Debatte zur Aufklärung bei. Ich denke, dass das, was Herr Geis hier gestern abgeliefert hat - ich möchte ihn gerne zitieren, um Ihnen und mir das, was er gesagt hat, in Erinnerung zu rufen -, gezeigt hat, dass das, was im Koalitionsvertrag steht, was CDU und CSU unterschrieben haben, gar nicht so ernst gemeint war, wie die Bürgerinnen und Bürger das eigentlich erwarten können. Herr Geis sagte gestern, das Bundesverfassungsgericht befinde sich auf dem Irrweg und man müsse schon sehr weit von dem Wesen der -Elternschaft abstrahieren, um Papa/Papa oder Mama/Mama als Eltern anzugeben: Ich sehe darin eine Missachtung der menschlichen Natur. Ich glaube, wir müssen uns auch um der Bewahrung unserer Kultur willen gegen solche Tendenzen wehren. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das erklärt aber nicht das Verhalten von Herrn Volk!) Ich denke, dass die CDU/CSU große Probleme hat, sie zum Teil wirklich mittelalterliche Ansichten vertritt, sie keinen Bezug zur Realität und zu unserer veränderten Gesellschaft hat und sie deshalb dem, was in ihrem Ko-alitionsvertrag steht und was die FDP vertritt, nicht mehr folgen konnte. Deshalb haben nicht wir die Schuld, sondern die Schuld liegt eindeutig bei Union und FDP. Sie können sich hier drehen und wenden, wie Sie wollen. Das kriegen Sie nicht vom Tisch gewischt. Nur um der Ideologie willen haben Sie das gesamte Gesetz scheitern lassen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Iris Gleicke [SPD]: So ist das!) Als Steuerpolitikerin habe ich angenommen, dass Sie, wenn Sie das Gesetz scheitern lassen, weil Sie aus ideologischen Gründen nicht über die Hürde springen können, weil Sie es nicht schaffen, da herauszukommen, wenigstens das nehmen, was schon ausgehandelt war. Es gab eine Vorlage, die vom Bundestag verabschiedet worden ist. Im Bundesrat wurde noch einiges hineinformuliert. Es gab positive Veränderungen des Gesetzentwurfs. Das wäre wirklich umgesetzt worden. Nichts anderes ist der Änderungsantrag, der hier auf dem Tisch liegt. Dazu sagen Sie aber auf einmal: Nein, das geht nicht. Herr Gutting, Sie haben hier das Ergebnis des Vermittlungsausschusses infrage gestellt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Demokratische Mehrheit!) Da Sie sich hier damit gerühmt haben, Lücken für Steuergestaltungsmodelle zu schließen - Stichwort: Goldfinger -, sage ich Ihnen: Sie meinen es doch wieder nicht ernst. Sie setzen das, was ab dem Datum der Verabschiedung hier im Bundestag im vergangenen Jahr möglich wäre, nicht um, sondern halten das offen und verlegen das in die Zukunft. Alle, die dieses Modell nutzen, können sich darauf einstellen und damit umgehen. Das zeigt: Auch das meinen Sie nicht wirklich ernst. Das, was Sie hier abliefern, ist wirklich unterstes Niveau. Ich glaube, das haben die Bürgerinnen und Bürger nicht verdient. (Beifall bei der LINKEN und der SPD) Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zu Recht, dass wir hier unsere Hausaufgaben machen und dieses Thema aus dem Parteienkrieg heraushalten. Mit dem, was Sie hier abliefern, mit Ihrem Agieren führen Sie sich selbst durch die Manege. Sie brauchen dazu niemand anderen. Vielleicht wissen Sie es: Trotzigen Kindern sollte man keine Streicheleinheiten geben und ihnen nicht sagen: Du hast in allem recht. - Nein, man muss da schon ein bisschen Haltung bewahren. Mit der Verabschiedung des Änderungsantrages mit den ausgehandelten Vorschlägen zum Jahressteuergesetz 2013 könnten wir hier demonstrieren, dass uns die Sache wichtig ist. Das erwarte ich, das erwartet die Linke, das erwartet die gesamte Opposition von Ihnen, wenn es stimmt, dass Sie wirklich im Interesse der Bürgerinnen und Bürger handeln wollen. Danke. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Dr. Thomas Gambke hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diesen dicken Packen Papier - in anderer Farbe - hat Herr Brinkhaus hier vor einer Woche hochgehalten und sich stolz damit gebrüstet, was für tolle Gesetze die Koalition schon verabschiedet habe, was sie schon alles geschafft habe. Herr Brinkhaus, einmal abgesehen davon, dass Sie sich da ein bisschen mit fremden Federn geschmückt haben - denn diesen dicken Packen Papier haben fleißige Beamtinnen und Beamte des Finanzministeriums erarbeitet -, lenken Sie dabei von dem eigentlichen politischen Versagen der Koalition ab. Das ist das Problem. Wissen Sie, was Herr Sell, Abteilungsleiter im Finanzministerium, heute Morgen zu dem gesagt hat, was Sie uns hier anbieten? Er hat gesagt: Es nervt. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es nervt, dass Sie das mit vielen Details bestückte Jahressteuergesetz - wir haben darüber gesprochen; Herr Kollege Binding hat das sehr schön ausgeführt -, das im letzten Herbst hier auf dem Tisch lag, im Vermittlungsausschuss zu einem bitteren Ende gebracht haben. Es nervt, dass Sie die Realität einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Sechs Urteile des Verfassungsgerichtes nehmen Sie nicht zur Kenntnis. In Abwandlung eines Spruches von Egon Bahr habe ich ein bisschen den Eindruck, dass Sie, wenn ein Grüner sagt: "Zwei mal zwei ist vier", sagen: Oh, das sagt ein Grüner; dann ist zwei mal zwei für uns fünf. - So kommen wir nicht weiter. Das ist Realitätsverweigerung. (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Sie haben es im Ausschuss abgelehnt!) Sie müssen einfach einmal sehen, was Sie hier nicht abgeliefert haben. Das ist nicht nur bei dem vorliegenden Gesetz der Fall. Nehmen wir die Mehrwertsteuerreform. Da gibt es eigentlich Einigkeit; Herr Steinbrück hat jetzt gerade davon gesprochen. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Mieten umsatzsteuerpflichtig zu machen! Gute Idee!) Das ist ein Thema, bei dem wir bis weit in Ihre Kreise hinein Einigkeit erzielen könnten, (Dr. Daniel Volk [FDP]: Bei den Mieten sehen wir das nicht so!) übrigens auf der Linie eines Positionspapiers der Grünen. Aber Sie sagen: Das sagt ein Grüner; zwei mal zwei ist (Zurufe von der CDU/CSU: Fünf!) fünf. - Ganz genau, das ist Ihre Rechnung. Nehmen Sie die Gewerbesteuer. Was haben Sie da -geleistet? Gar nichts haben Sie geleistet. Was haben Sie gemacht? Sie haben die wesentlichen Akteure nicht eingebunden. Sie wollten das Band zwischen den Gewerbesteuerzahlern, dem Gewerbe, und den Kommunen zerschneiden. Sie haben einfach nicht gefragt. Natürlich sind Sie damit gescheitert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Sprechen Sie eigentlich noch über den Gesetzentwurf?) - Ich spreche über Ihre Leistungen. Herr Kollege Brinkhaus hat das beim letzten Mal auch so schön gemacht. Zu den Unternehmensteuern haben Sie einen Zwölf-Punkte-Plan vorgelegt. Was ist daraus geworden? Drei kleine Änderungen. Zum Steuerabkommen mit der Schweiz. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Wer hat es abgelehnt? - Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wer hat es blockiert?) - Aus gutem Grund haben wir es blockiert. Denn was lese ich heute? Herr Brinkhaus, was ist heute passiert? Die Schweiz geht zu einer Weißgeldstrategie über. Sie geht aus der Anonymität heraus. Und warum tut sie das? Weil wir Widerstand geleistet haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Daniel Volk [FDP]: Das ist ein bisschen Selbstüberschätzung, Herr Kollege! - Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Und die Einnahmen sind verschwunden!) Das sind die politischen Entscheidungen, die man treffen muss. Denken Sie an die Einkommensteuer. Was haben Sie da geleistet? Nichts haben Sie geleistet. Zum Thema Steuergestaltung. Finanzminister Schäuble sagt, über Starbucks werde er mit seinem britischen Kollegen sprechen. Und was haben wir hier? Bei den Cash-GmbHs wäre eine Regelung wichtig. Das Perfide dabei ist, dass Sie nicht einmal das Vermittlungsergebnis umsetzen wollen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Ja, das ist schlimm!) Insgeheim sagen Sie: Da ist jetzt noch eine andere Regelung, die wir haben wollen. - Das empfinde ich wirklich als unredlich. Wir hatten ein Ergebnis. Sie hatten dem zugestimmt. Aber dann haben Sie selber es abgelehnt. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Meine Damen und Herren, wenn wir das einmal resümieren, dann kann man nur sagen: Es ist wirklich beschämend, was für ein dünnes Gesetzchen Sie hier vor-legen. Mit dem Änderungsantrag, den wir gestellt haben, wäre es zwar immer noch ein dünnes Gesetz gewesen, weil viele wichtige Regelungen fehlen; aber man hätte ihm zustimmen können. Das lehnen Sie ab. Ich kann nur sagen: Das nervt. Ich bin sehr froh, dass Sie spätestens in einem halben Jahr abtreten werden. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bartholomäus Kalb hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten hier über das Gesetz mit dem trockenen und Charme versprühenden Titel Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. Hinsichtlich des Charmes wird er nur noch übertroffen von dem Titel einer Richtlinie aus den 80er-Jahren - ich habe das einmal herausgesucht -, der Richtlinie des Rates zur Annäherung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über bestimmte Bestandteile und Merkmale von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Darauf haben meine Wähler auch gewartet!) Kollege Gutting hat ja schon gesagt, warum wir diesen Gesetzentwurf hier vorgelegt haben. Wir haben ihn vorgelegt, weil notwendige Maßnahmen noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden müssen, und zwar zwingend, weil Sie sich zunächst verweigert haben, dem Jahressteuergesetz hier zuzustimmen, weil Sie es dann auch im Bundesrat nicht haben passieren lassen und weil es im Vermittlungsausschuss nicht zu vernünftigen Ergebnissen gekommen ist. Der Bundesfinanzminister weist in seiner Vorlage zu Recht darauf hin, dass die Bundesregierung verpflichtet ist, alle zwei Jahre einen Bericht vorzulegen, beispielsweise über die Wirkung der kalten Progression und zu Fragen der Grundsicherung; denn wir haben hier im Deutschen Bundestag beschlossen, dass wir alle zwei Jahre einen solchen Bericht haben wollen. Ich brauche auf die einzelnen Inhalte hier nicht mehr einzugehen, weil sie, wie ich meine, von den Kollegen Gutting und Dr. Volk sehr eingehend dargelegt worden sind. Wir müssen uns heute hier damit befassen, lieber Kollege Binding, weil die SPD und die von ihr geführten Länder sich darauf verständigt haben, in der Steuerpolitik eine destruktive Linie zu fahren (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Aber Ihr Koalitionsvertrag ist doch nicht destruktiv! Vielleicht doch?) - nein -, und weil Sie nicht mehr zur konstruktiven Zusammenarbeit im Interesse der Steuerzahler, im Interesse der Bürger und im Interesse der Wirtschaft dieses Landes fähig sind. (Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist das!) Ich habe vorhin schon das Stichwort "kalte Progression" genannt. Sie sind wohl verliebt in das Ankündigen von Steuererhöhungen, Sie verschweigen aber dabei, dass Sie eben nicht nur Spitzenverdiener damit treffen, sondern die breiten Schichten der Leistungsträger unseres Landes. Sie sind nicht bereit, die unteren Einkommensschichten in dem Maße zu entlasten, (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Stimmt gar nicht! Das ist falsch!) wie die Inflationsrate steigt bzw. die Nominallöhne steigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Daniel Volk [FDP]: Unsoziale Steuerpolitik! - Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]) Sie klagen beredt darüber, dass die Länder nicht in der Lage sind, die Steuerausfälle zu tragen. Sie haben das Steuerabkommen mit der Schweiz erfolgreich verhindert, (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Gott sei Dank!) und Sie haben damit verhindert, dass Steuereinnahmen in Milliardenhöhe nach Deutschland fließen; dies könnte bereits jetzt geschehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie haben auch verhindert - ich glaube, Kollege Gutting hat schon darauf hingewiesen -, dass wir eine sehr vernünftige Maßnahme, nämlich die energetische Gebäudesanierung, steuerlich begünstigen. Heute früh ist wieder beklagt worden, dass im Bereich der Gebäudesanierung zu wenig getan wird. Dort, wo Sie hätten mitwirken können, haben Sie sich verweigert. Sie haben es abgelehnt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Schlechte Gesetze werden immer abgelehnt! Das ist doch klar! Sie aber lehnen gute Gesetze ab!) Sie sind nicht an einer gerechten und sachgerechten Besteuerung interessiert, (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Doch! - Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: So etwas machen Sie ja nicht! Das können Sie ja nicht!) sondern Sie machen den Menschen mit Ihren Steuerplänen etwas vor. Kollege Dr. Volk hat hier eben schon die neuesten Äußerungen des Herrn Steinbrück zum Besten gegeben. Ich kann im Interesse der vielen Mieterinnen und Mieter in diesem Lande nur hoffen, dass Steinbrück mit seinen Vorstellungen nicht durchkommt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Kollege Binding hatte auf die Verfahren hingewiesen. Was sich im Vermittlungsausschuss abgespielt hat, war schlicht und einfach - denken wir an das Fußballspiel gestern Abend; als Bayer darf ich mich daran erinnern - (Peter Hintze [CDU/CSU]: Jetzt aber Vorsicht!) ein komplettes Foulspiel. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nein!) Das Verfahren im Vermittlungsausschuss ist nicht dazu da, um Spielchen zu treiben, sondern um Lösungen zu suchen, um sich auf einen Kompromiss zu einigen. Man sollte andere dort nicht vorführen; diese lassen sich auch nicht vorführen. Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Alles auf dem Rücken der Steuerzahler!) - Genau, alles zulasten der Steuerzahler. Lieber Kollege Binding, Sie haben vorhin vorgeschlagen, wenn ich Sie richtig verstanden habe, wir sollten doch die Urfassung des Jahressteuergesetzes hier wieder einbringen. (Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Gute Idee!) - Jetzt bestätigen Sie per Zwischenruf, dass dies eine gute Idee sei. Warum haben Sie denn diese gute Idee nicht schon im Herbst letzten Jahres gehabt, (Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist es!) nämlich bei der zweiten und dritten Lesung des Jahressteuergesetzes am 25. oder 26. Oktober? (Dr. Daniel Volk [FDP]: Abgelehnt haben Sie es im Bundestag!) Hätten Sie ihm zugestimmt, dann hätten wir uns jetzt all dies ersparen können, und dann würden wir auch den Kollegen Gambke nicht nerven. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, ihre Redezeit ist schon längst abgelaufen. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Vielen Dank, aber das musste einmal gesagt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Da wir über der Zeit sind, sind auch keine Zwischenfragen mehr möglich. Ich schließe damit die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12532, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/12375 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen, die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen möchte, der möge sich bitte erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf auch in dritter Beratung mit dem gleichen Ergebnis wie vorher angenommen. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 11 a und b auf: a) Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter, Rolf Hempelmann, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die Energiewende - Kosten für Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen - Drucksachen 17/10366, 17/12246 - b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Rolf Hempelmann, Dirk Becker, Hubertus Heil (Peine), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wirkungsvoll ausgestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Lötzer, Dorothée Menzner, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Energiewende braucht Energieeffizienz - zu dem Antrag der Abgeordneten Ingrid Nestle, Bärbel Höhn, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Energie sparen, Kosten senken, Klima schützen - Für eine ambitionierte Effizienzstrategie der deutschen und europäischen Energieversorgung - Drucksachen 17/8159, 17/8457, 17/7462, 17/10106 - Berichterstattung: Abgeordneter Thomas Bareiß Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zu der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage vor. Es ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieren. - Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das damit so beschlossen. Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Schwarzelühr-Sutter. (Beifall bei der SPD) Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! "Das große Wursteln 2.0", wie wir in Baden-Württemberg sagen, könnte der Titel einer Publikation, die mir vorliegt, oder gar ein Thema für eine Doktor-arbeit sein. (Lachen bei der SPD - Ulrich Kelber [SPD]: Das wäre eine echte Doktorarbeit!) Ich spreche von der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage mit dem Titel "Die Energiewende - Kosten für Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen". Wissen Sie eigentlich, dass es eine Wissenschaft des Nichtwissens gibt? (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Unwissen herzustellen ist eine Kunst. Seit einigen Jahren untersucht die Agnotologie, wie Unwissen durch absichtliche oder unabsichtliche Selektivität hergestellt werden kann. Die Antwort der Bundesregierung auf unsere Anfrage ist dafür wirklich das Beispiel schlechthin. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was alles wurde nicht beantwortet? Die Große Anfrage hat der Bundesregierung eigentlich eine große Chance gegeben, nämlich den Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie der Wirtschaft den Stand der Energiewende darzustellen. Sie hätte mit Vergleichsrechnungen zeigen können, wie sich die Kostenbelastungen bei unterschiedlichen Handlungsoptionen entwickeln und im Vergleich zur Situation ohne Energiewende verhalten hätten und welcher Nutzen durch die erneuerbaren Energien erzielt werden kann. Also verkürzt: Was kostet die Energiewende? Und viel wichtiger: Welche Erlöse, welche Wertschöpfung und welche Chancen bringt sie? Es ist wirklich unverständlich, dass die Bundesregierung diese Chance nicht genutzt hat, um vor allem mehr Sachlichkeit und auch mehr Transparenz in die Energiekostendebatte zu bringen. Stattdessen haben Sie uns geantwortet, Sie hätten keine Daten, Sie hätten keine Erkenntnisse, und Sie machten sich Zahlen Dritter nicht zu eigen. Das ist die Kunst des Nichtwissens. So weit, so schlecht. Für diese Antwort ein halbes Jahr Zeit gebraucht zu haben, ist wirklich ein Kunststück. Herzlichen Glückwunsch! Dabei haben Sie den Sachverständigenrat an der Hand, die Monopolkommission hat Ihnen Optionen vorgelegt, und auch eine Expertenkommission hat zum Monitoring-Bericht eine Stellungnahme abgegeben. Nichts davon findet sich in der Antwort auf diese Große Anfrage wieder. Warum verteilt die Bundesregierung überhaupt ihren Monitoring-Bericht, wenn sie die daraus ersichtlichen Daten nachher nicht nutzt? Dort heißt es nämlich: "Der Bericht ist faktenbasiert." Wo bleiben Ihre Fakten? Sie bleiben wahrscheinlich auf der Strecke zwischen Umweltministerium, Wirtschaftsministerium und Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, das es doch tatsächlich auch noch gibt, (Ulrich Kelber [SPD]: Das ist ein Gerücht!) das aber im Moment andere Probleme hat. Damit liegt der Verdacht nahe, dass sich die Bundesregierung nicht auf eine einheitliche Bewertung der vorliegenden Studien verständigen kann, dass sie nicht in der Lage ist, gemeinsam zur weiteren Entwicklung der Energiewende zu handeln, sondern sich nicht einmal über die Faktenlage verständigen kann. Sie belegt, dass sie nur wurstelt, kein abgestimmtes Konzept hat und im Inneren zwischen den Ressorts zutiefst zerstritten ist. Das ist allerdings nichts Neues, wenn man sich die Arbeit der vergangenen drei Jahre anguckt. Doch jetzt wird es richtig spannend. (Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Ich bin gespannt!) Genau zum richtigen Zeitpunkt und mit dem richtigen Gespür für Drama und Public Relations präsentiert Umweltminister Altmaier die Strompreisbremse, garniert mit einer Zahl, die anscheinend nicht einmal sein Ministerium kennt. (Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Jetzt wird es konkret!) Auch bei diesem Vorschlag des Umweltministers zum Einfrieren der EEG-Umlage zeigen sich das Chaos und die Zerstrittenheit in der Regierungskoalition: nicht abgestimmt und gleich von den Kabinettskollegen zerrissen. Der Umweltminister weiß nicht, wie sich die Kosten der EEG-Umlage entwickeln - darauf bezog sich unsere Frage 1 -, ob sie durch die bereits ergriffenen Maßnahmen auch sinken können, aber er weiß, er will die Kosten einfrieren. Er weiß nicht, wie viel die wachsende Differenz zwischen Einspeisevergütung und Börsenpreis ausmacht und wie er sie verringern kann. Welch nackte Panik muss bei diesem Minister vor der Bundestagswahl geherrscht haben, dass er eine Zahl von 1 Billion Euro nennt! Die KfW rechnet im Übrigen mit 30 Milliarden Euro pro Jahr, andere kommen auch auf diese Zahl. Es scheint, als habe Herr Bundesminister Altmaier diese Zahl aus dem Bauch heraus erfunden, oder vielleicht hat das Umweltministerium ja auch keine Taschenrechner. Mit der Billion setzt man auf einen billigen Effekt, schürt Ängste, und, was noch viel schlimmer ist, die Energiepolitik dieser Bundesregierung wird noch viel unglaubwürdiger, als sie bisher schon war. Das ist ein verheerendes Signal insbesondere für diejenigen, die Investitionen in die erneuerbaren Energien oder in Netze tätigen wollen. Das ist nicht nur trickreich, sondern das ist auch gefährlich. Die Akzeptanz für die Energiewende wird so zerstört, und der Wirtschaft wird mit einer solchen Energiepolitik die Planungssicherheit genommen. So ist es nicht verwunderlich, wenn sogar der BDI fordert: Energiewende jetzt, aber richtig. Wir Sozialdemokraten haben der Bundesregierung wiederholt Gesprächsangebote gemacht. Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass alle an einen Tisch geholt werden - Bund, Länder und Kommunen - und dass auch die Verbraucher einbezogen werden, selbstverständlich auch die Wirtschaft und die Gewerkschaften. Wir brauchen nicht nur einen Konsens über den Atomausstieg, sondern wir brauchen auch einen echten Energiekonsens. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir versperren uns nicht, im akuten Fall die Strompreise zu bremsen. Wir machen sinnvolle Vorschläge, die kurzfristig helfen, den Strompreis in den Griff zu bekommen. Wir wollen eine Stromsteuerbefreiung für den Grundverbrauch einführen, weil die Kosten auch gerecht verteilt werden müssen. Umso bedauerlicher ist es, dass diese Bundesregierung nicht plant, sozial schwache Haushalte und Sozialleistungsbezieher bei der Anschaffung energieeffizienter Haushaltsgeräte zu unterstützen. So hat sie uns auf die Frage 122 geantwortet. Wir wollen einen Energieeffizienzfonds auflegen, der private Haushalte bei der Umsetzung von Energieeffi-zienzmaßnahmen wie der Anschaffung dieser energieeffizienten Haushaltsgeräte unterstützt. Wir schlagen weiterhin vor, zielgenauer vorzugehen, wenn es darum geht, Unternehmen von der EEG-Umlage zu befreien. Die Befreiung von den Netzentgelten sollte auf den Stand von 2010 zurückgeführt werden. Das Ziel von uns Sozialdemokraten ist und bleibt die Markt- und Systemintegration der erneuerbaren Energien. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre energiepolitischen Entscheidungen aufgrund valider Daten - die es natürlich gibt - zu treffen. Rechnen Sie seriös und nachvollziehbar, und vergessen Sie dabei bitte nicht die Steigerung der Energieeffizienz und den Umbau der Verteilnetze zu intelligenten Netzen! Es lohnt sich, diesen Satz immer wieder zu wiederholen: Die beste Energie ist die, die nicht verbraucht wird. Doch auch bei der Umsetzung der Energieeffizienzrichtlinie haben Sie Ihre Chance vertan. Sie haben diese Einsparpotenziale nicht genutzt; das ist schade. Machen Sie Schluss mit der Wissenschaft des Nichtwissens! Hören Sie auf mit Flickschusterei! Statt der üblichen Reparaturgesetze erwarten wir, dass endlich eine Roadmap vorgelegt wird, aus der ersichtlich wird, wie die Zahnräder der Energiewende ineinandergreifen. Statt einer Veränderung von Stellschrauben in einzelnen Gesetzen wollen wir einen koordinierten Gesetzgebungsprozess. Nur mit einem Gesamtkonzept, neudeutsch: Masterplan, und aufeinander abgestimmten Gesetzesnovellen kann die Energiewende für alle - für Verbraucherinnen und Verbraucher wie für die Wirtschaft - bezahlbar und versorgungssicher gelingen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Thomas Bareiß das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Unsere heutige Debatte hat einerseits die Große Anfrage der SPD zum Inhalt, aber auch drei Opposi-tionsanträge zum Thema "Energiepreise und Energie-effizienz". Wie in vielen Verlautbarungen der letzten Wochen findet man auch in diesen drei Anträgen große Worte, viele Ankündigungen, viele Forderungen; aber wenn es konkret wird, fehlt den Antragstellern der Mut. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagen die Richtigen!) Frau Schwarzelühr-Sutter, wenn Sie uns vorwerfen, dass wir, wie wir Schwaben sagen, herumwursteln - ich bin, wie man hört, auch aus Schwaben -, (Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Ich bin aus Baden!) dann kann ich dazu nur sagen: Das, was wir von Ihnen die letzten Wochen erlebt haben, ist ein großes Gewurstel gewesen. Ich will dazu nur einige Beispiele nennen: Wenn es konkret darum geht, den Anstieg der Energiepreise zu bremsen, sagen Frau Kraft und Herr Duin: Wir kämpfen weiterhin für die Ausnahmen im Bereich der Industrie. - Hier sagt Rot-Grün immer: Wir müssen die Ausnahmen für die Industrie verringern. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie hören nach dem halben Satz zu zitieren auf, das ist das Problem, Herr Bareiß!) Herr Fell und Herr Kelber sagen einmütig: Der zukünftige Ausbau der erneuerbaren Energien darf nicht begrenzt werden. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist endlich Konsens hergestellt! Ist doch gut so!) Die Grünen wollen sogar noch mehr vorantreiben, sie sagen: Bis 2030 brauchen wir 100 Prozent erneuerbare Energien. Zur Stromsteuer: Anfang Februar war in der Bild-Zeitung zu lesen, dass Sigmar Gabriel sich dafür ausgesprochen hat, die Stromsteuer teilweise abzuschaffen oder sie zu reduzieren - obwohl die Stromsteuer 1999 von Rot-Grün eingeführt wurde. Der Energieminister von Schleswig-Holstein, Herr Habeck, sagt: Die Stromsteuer zu senken, ist keine Lösung. (Ulrich Kelber [SPD]: Was meinen Sie denn zur Stromsteuer? - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist Ihre Meinung?) Ähnlich beim zukünftigen EEG: Ende Dezember war in der Neuen Osnabrücker Zeitung zu lesen, dass Sigmar Gabriel meint: Das EEG funktioniert so nicht mehr. - Sie, Herr Kelber, haben noch vor zwei Wochen gesagt: Das EEG funktioniert. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist keine seriöse und glaubwürdige Politik. Deshalb muss ich meiner Vorrednerin auch sagen, dass wir durch solche Äußerungen von Ihnen die Glaubwürdigkeit hinsichtlich der Energiewende verlieren. (Ulrich Kelber [SPD]: Herr Bareiß, lesen Sie doch einmal die Zeitungen! Selbst die Wirtschaftszeitungen nehmen Sie auseinander!) Wir verlieren Stück für Stück die Akzeptanz, wenn wir das Thema Strompreiserhöhungen bzw. Energiepreiserhöhungen nicht ernsthaft anpacken. Wenn wir uns in den nächsten Wochen ganz konkret mit diesen Themen beschäftigen, werden wir sehen, an welchen einzelnen Punkten Sie mitmachen. (Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Macht Ihr Wirtschaftsminister auch mit?) Ein fünfköpfiger Haushalt in Deutschland zahlt in diesem Jahr circa 200 Euro für erneuerbare Energien. Wenn dieser Preisanstieg wie in den letzten Jahren weitergeht, werden in zwei Jahren nicht, wie dieses Jahr, 22 Prozent des Strompreises, sondern wird bereits ein Drittel des Strompreises auf die erneuerbaren Energien zurückgehen. Diese Entwicklung kann so nicht weitergehen. Deshalb ist es richtig, dass die Bundesregierung - das ist kein Gewurstel, sondern ein einhelliger Vorschlag, der zwischen Peter Altmaier und Philipp Rösler abgestimmt ist - den Anstieg der EEG-Umlage in den nächsten zwei Jahren mit einer Strompreisbremse verlangsamen will. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Vorschlag zum Stopp des Ausbaus der erneuerbaren Energien ist das!) Wir wollen versuchen, die EEG-Umlage bei 5,277 Cent je Kilowattstunde zu belassen, und nehmen alle in die Verantwortung und Verpflichtung, ihren Beitrag dafür zu leisten, dass die EEG-Ausbaukosten nicht aus dem Ruder laufen. Alle müssen ihren Beitrag leisten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, der Herr Kelber würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Möchten Sie sie zulassen? Thomas Bareiß (CDU/CSU): Immer wieder gerne. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Ulrich Kelber (SPD): Herr Kollege Bareiß, Sie haben sich ja gerade zu einer Prognose hinsichtlich der Kosten der Förderung der erneuerbaren Energien hinreißen lassen. Das hat der Umweltminister ja auch gemacht. Er hat gesagt, das würde 1 Billion Euro kosten. Dazu brauche ich eine Einschätzung von Ihnen. Er hat diese Aussage ja in einem Interview getroffen, also in der freien Wildbahn. Hier liegen jetzt Antworten auf eine Große Anfrage vor, die im Juli 2012 gestellt wurde. Nach sieben Monaten haben wir die Antworten bzw. die Nichtantworten. Wenn ich mich richtig erinnere, müssen die Antworten nach der Geschäftsordnung des Bundestages wahrheitsgemäß sein. Wahrheitsgemäß ist auf die Frage, wie hoch die Kosten für den Ausbau bestimmter erneuerbarer Energien sind, geantwortet worden: Das weiß die Bundesregierung nicht. Auf die Frage, welche Investitionskosten entstehen würden, wenn wir die erneuerbaren Energien nicht ausbauen, sondern weiter auf konventionelle Energien setzen würden, erhielten wir die wahrheitsgemäße Antwort der Bundesregierung: Wissen wir nicht. Auf die Frage - um jetzt einmal weg vom Strom und hin zur Wärme zu kommen -, wie viel man für welche Investitionen im Bereich von Wärme- und Effizienzmaßnahmen einsparen kann, ist die wahrheitsgemäße Antwort der Bundesregierung: Wissen wir nicht. Würden Sie mir, wenn die drei Antworten wahrheitsgemäß sind, dass man die Kosten nicht kennt, zustimmen, dass die Aussage, es kostet 1 Billion Euro, dann nicht wahrheitsgemäß sein kann? Thomas Bareiß (CDU/CSU): Ich glaube, diese Frage müssen Sie an die Bundesregierung richten. (Lachen bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Die haben wir gestellt! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben diese Frage gestellt!) - Ich bin Mitglied des Parlaments; Entschuldigung, aber das ist nun einmal ein kleiner Unterschied. Ich glaube aber, dass Peter Altmaier mit seiner Zahl fast richtig liegt. Ich kann nicht sagen, ob es 1,1 Billionen Euro oder 900 Milliarden Euro sein werden, aber eines ist klar: Die Energiewende ist das größte und sicher herausforderndste Projekt der nächsten 30, 40 Jahre. Das Projekt wird nicht schon 2020 oder 2030 abgeschlossen sein, sondern es wird noch wesentlich länger dauern. Wenn ich allein nur die heutige EEG-Umlage, die wir zahlen, hochrechne, ohne dass es in den nächsten Jahren zu einem Zubau kommt, kommen wir schon heute auf Gesamtkosten von 400 Milliarden Euro, lieber Herr Kelber. Darin sind noch keine Kosten für den Leitungsausbau, für die Speicher, die wir brauchen, für das Verteilnetz, das wir brauchen, und für die Energieforschung, die wir brauchen, und auch keine Investitionen in die Gebäudesanierung enthalten. Insofern glaube ich, dass er mit dieser 1 Billion Euro relativ richtig liegt und dass es sicherlich nicht viel günstiger wird. Ich glaube, wir müssen hier den Menschen reinen Wein einschenken und ihnen einerseits sagen, wo die Chancen liegen und wie unsere Wirtschaft davon profitieren kann, andererseits dürfen wir sie aber nicht anlügen und sagen, dass wir das alles ganz einfach hinkriegen, sondern wir müssen auch die Kosten ganz klar und deutlich aufzeigen. Wie gesagt: Ich glaube, dass wir hier mit 1 Billion Euro nicht ganz falsch liegen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, Sie könnten Ihre Redezeit jetzt noch einmal verlängern, indem Sie Herrn Kollegen Fell die Möglichkeit zu einer Zwischenfrage geben. Thomas Bareiß (CDU/CSU): Ja, natürlich, sehr, sehr gerne. Wir haben ja Zeit heute Abend. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Thomas Bareiß (CDU/CSU): Herr Fell, bitte schön. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Kollege Bareiß, Sie haben gerade gesagt, wir müssten die Bundesregierung fragen, wenn wir wissen wollten, wie die 1 Billion Euro errechnet worden sei. Ich habe die Bundesregierung gefragt und auch eine Antwort bekommen. Vor allem habe ich gefragt, welches denn die wissenschaftlichen Grundlagen seien und welche Quellen es für die Berechnung gebe, weil wir das gerne nachvollziehen wollten. (Rolf Hempelmann [SPD]: Das ist das Bauchgefühl des Bundesministers!) Die Antwort der Bundesregierung war, diese hätte Herr Minister Altmaier in einem Interview für die FAZ benannt. Ich habe in dem Interview nachgeschaut. Darin stehen keine Quellen, keine wissenschaftlichen Belege und anderes. Insofern möchte ich Sie bitten, mir zu sagen, was Ihr Rat wert ist, wir sollten die Bundesregierung fragen, wenn die Bundesregierung diese Frage nicht richtig beantwortet. Zu der zweiten Frage, nämlich dazu, wie hoch die Kosten wären, wenn wir nicht umstellen, gibt es immerhin einmal einen Anhaltspunkt, und ich bitte Sie, diesen zu bewerten: Wir haben Brennstoffkosten in Höhe von etwa 80 Milliarden Euro, die wir aufgrund der Importe von Erdgas, Erdöl und Kohle zahlen müssen. (Ulrich Kelber [SPD]: Das weiß die Bundesregierung nicht!) - Das kann man beim Statistischen Bundesamt und anderswo nachlesen. - Wenn wir nun die Energiewende mit erneuerbaren Energien durchführen, vermeiden wir diese doch. Wenn wir das über 20 Jahre hochrechnen, dann kommen wir übrigens weit über 1 Billion Euro. Wie können Sie denn behaupten, dass diese Kosten eine Belastung für die Ökonomie sind? Wir kommen weg von den Belastungen der Ökonomie! (Beifall des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Ulrich Kelber [SPD]: Das wussten sie nicht!) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Herr Fell, ich habe versucht, es zu erklären. Ich rate dazu, auch normalen Menschenverstand einzuschalten. Wir alle wissen, dass die heutigen EEG-Anlagen, die wir haben, 20 Milliarden Euro kosten. Die nächsten 20 Jahre (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danach habe ich nicht gefragt!) sind die noch alle am Netz. Das heißt, wenn wir die Zahlen, die wir für die bestehenden Anlagen haben, für die kommenden 20 Jahre aufsummieren, dann sind wir bei 400 Milliarden Euro. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie verwechseln schon wieder Ausgaben und Kosten!) Sie wollen aber sogar weitermachen mit dem EEG-Ausbau. Dann kommen noch einmal 100, 200 oder 300 Milliarden Euro dazu. Hinzu kommen noch Kosten für den Netzausbau im Überlandbereich in Höhe von 80 oder 90 Milliarden und für den Verteilnetzbereich in Höhe von 30, 40, 50 Milliarden Euro. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie denn die Kosteneinsparungen dagegen gerechnet? Das war die Frage!) Wenn wir dann noch den Speicherbereich dazu zählen, dann haben wir wahrscheinlich noch einmal 50 Milliarden Euro. Das sind Summen, die sich in den nächsten 30, 40 Jahren noch einmal erheblich nach oben entwickeln. Dann sind wir relativ schnell bei 1 Billion Euro. Ich sage ja nicht, dass die Chancen nicht gesehen werden dürfen. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sehen die nicht!) Ich sage auch, man muss beides sehen: Man muss die Risiken, die Kosten sehen, aber auch die Chancen. Um diese Debatte glaubwürdig zu führen, (Zurufe von der Linken) müssen wir beides sehen und offen und ehrlich mit den Menschen umgehen. Wir müssen Lösungsansätze finden, um diese enorme Steigerung bei den Energiekosten in den Griff zu bekommen. Deshalb haben wir jetzt zum Glück den Vorschlag einer Strompreisbremse vorliegen, (Widerspruch bei der Linken) bei dem wir schauen können, inwieweit Sie mitmachen. Es gibt verschiedene Punkte, bei denen wir eventuell Ihre Hilfe brauchen. Erster Punkt: Thema Industrieausnahmen (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was wollen Sie denn da?) und Eigenerzeugnisse, wo wir 40 Prozent - - (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, wie denn?) - Ja, da wollen wir jetzt drangehen. Schauen wir einmal, wo Sie mitmachen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege, ich hätte jetzt noch eine Möglichkeit für Sie, Ihre Redezeit zu verlängern. Ihr Kollege Grund hätte nämlich auch noch eine Zwischenfrage. Möchten Sie die auch zulassen? Thomas Bareiß (CDU/CSU): Sehr schön. Ja, gern. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Manfred Grund (CDU/CSU): Man merkt an der Überraschung, dass es keine bestellte Frage sein wird. (Lachen bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Weil wir bei der Größenordnung der Zahlen sind: Je 20 Milliarden Euro EEG-Umlage in den nächsten 20 Jahren. Man kann sich ja auch ausrechnen, wie viel Kaufkraft und wie viel Finanzvolumen damit gebunden werden. Die Frage ist ja, für welches Ergebnis. Ich habe in dieser Woche bei der Bundesregierung angefragt, und ich würde Ihnen das gern einmal vorlegen, damit Sie mir sagen können, ob das Ergebnis überhaupt in einem angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen steht. Ich habe gefragt: Wie hoch war die im Monat Januar 2013 in der Bundesrepublik Deutschland verbrauchte elektrische Arbeit in Terawattstunden, und welchen Anteil daran hatte der durch Photovoltaik erzeugte Strom? (Ulrich Kelber [SPD]: Da kann ich Ihnen die Website sagen, auf der das steht! Da brauchen Sie nicht die Bundesregierung zu fragen! - Zuruf des Abg. Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Ja, ich wollte die Zahl: 0,8 Prozent. Also, Photovoltaik hat im Januar dieses Jahres zu 0,8 Prozent an der in Deutschland verbrauchten elektrischen Arbeit teilgehabt, und zwar zu Kosten von 20 Milliarden Euro pro Jahr. (Zurufe von der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ist dies noch verhältnismäßig? Thomas Bareiß (CDU/CSU): Mit der Frage der Verhältnismäßigkeit habe ich mich in den letzten drei Jahren intensivst beschäftigt: in et-lichen Debatten zur PV-Novelle innerhalb des EEG, wo wir dafür gekämpft haben, dass wir Stück für Stück die EEG-Umlage gerade im Bereich der PV-Anlagen, der Solaranlagen, reduzieren. Wir haben es trotz erbitterten Widerstands geschafft, (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Moment! Wenn sie nicht einspeisen, bekommen sie keine Vergütung!) die Vergütung im Bereich der Solarenergie um 70 Prozent zu reduzieren und damit das, was Sie beschreiben, nämlich diese enorme Kostensteigerung im Bereich der Photovoltaik bei relativ wenig Ertrag, in den Griff zu bekommen und damit auch ein Stück weit mehr Sinn in diese Energiedebatte zu bekommen. (Ulrich Kelber [SPD]: Können Sie ausrechnen, wie viel für Solar ausgegeben wurde, wenn Sie nicht einspeisen? - Null!) Insofern haben wir den Punkt angepackt. Die Zubauraten, die wir in den letzten Jahren im Bereich der Solarenergie hatten, gehen in eine ganz falsche Richtung. Wir müssen da wieder auf ein sinnvolles Maß an Zubauraten in einer Größenordnung von 1 000 bis 2 000 Megawatt kommen. Die 7 500 Megawatt in den letzten Jahren waren - gelinde ausgedrückt - nicht immer ganz sinnvoll. Deshalb ist der Punkt, den Sie ansprechen, sehr wichtig. Da sieht man, dass vieles fehlgesteuert wurde, viel Geld in Bereichen ausgegeben wurde, bei denen verhältnismäßig wenig herauszuholen ist. - Herzlichen Dank. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Bitte!) Zur Strompreisbremse. Wir haben - ich will jetzt auf meinen ursprünglichen Redebeitrag zurückkommen - in allen Bereichen die Verantwortlichen zu benennen. Die Industrieanlagen, die Eigenerzeugnisse wollen wir anpacken; die werden anteilig circa 40 Prozent liefern. Wir wollen aber auch, dass die Bestandsanlagen, die im EEG-Topf mit 14,5 Milliarden Euro den größten Brocken ausmachen, ihren Beitrag leisten. Das ist ein Punkt, der natürlich auch für uns nicht ganz einfach ist und über den wir ebenfalls noch diskutieren werden. Aber wir werden die EEG-Kosten nur dann begrenzen können, wenn wir auch ein Stück weit die Bestandsanlagen mit 500 Millionen Euro mit ins Boot holen. Das macht 25 Prozent aus. Der dritte Punkt wird sein, die zukünftigen Anlagen, die noch kommen werden, ebenfalls mit in die Verantwortung zu nehmen und die Vergütungssätze Stück für Stück zu reduzieren. Das wird mit 660 Millionen Euro noch einmal 35 Prozent ausmachen. Nun geht es ganz konkret darum, ob Sie bei den Bestandsanlagen, bei den Industrieanlagen und bei den Anlagen, die zukünftig kommen werden, mitmachen werden. Nur wenn wir es gemeinsam schaffen, das Gesamtpaket umzusetzen, werden wir die EEG-Umlage in den nächsten zwei Jahren auf ein gesundes Maß einfrieren und bei 5,277 Cent pro Kilowattstunde halten und damit die Energiewende nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Wirtschaft und im Hinblick auf unsere Arbeitsplätze bezahlbar machen können. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen doch gar keine Energiewende!) Wenn wir dies schaffen und die EEG-Vergütung zwei Jahre lang eingefroren werden kann, dann können wir uns auch die Zeit nehmen, zu diskutieren, wie das zukünftige EEG aussehen soll. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Quatsch!) Es wird darauf ankommen, für mehr Markt und Wett-bewerb zu sorgen und so die erneuerbaren Energien zukunftssicher und nachhaltig zu machen. Auch da werden wir sicherlich sehr viel diskutieren und langfristige Ideen brauchen. Wir haben aber nicht nur vor, das EEG zu ändern. Wir haben schon in den letzten drei Jahren vieles bei den Energiepreisen und der Energieeffizienz bewirkt. Ich habe das Thema Solarenergie schon angesprochen. Wir haben hier die Vergütung um 70 Prozent reduziert, um für mehr Wirtschaftlichkeit zu sorgen. Wir haben die Förderung der Energieeffizienz der Gebäude massiv ausgebaut. So fließen nun jedes Jahr 1,8 Milliarden Euro in die Verbesserung der Gebäudeenergieeffizienz. Das ist ein Betrag, der jedem Häuslebauer hilft und dafür sorgt, dass Energie eingespart wird. Ich nenne die Mietrechtsnovelle. Des Weiteren haben wir versucht, eine steuer-liche Förderung der energetischen Gebäudesanierung gegen Ihren Willen durchzusetzen. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Das haben wir nicht geschafft. Dort, wo Sie Verantwortung tragen, wurde ein Ausbau der Energieeffizienz immer wieder verhindert. Wir haben mit der Förderung von Wettbewerb und Transparenz einiges auf dem Kraftstoffmarkt getan. Ich nenne als weiteres Stichwort die Stromsparinitiative. Das ist eine in sich schlüssige und glaubwürdige Politik. Nur so kann die Energiewende gelingen. Ich fordere Sie auf: Machen Sie mit! Nehmen Sie das Thema Energiepreise ernst, (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Nehmen Sie das mal ernst!) und machen Sie auch bei der Strompreisbremse mit! Herzlichen Dank, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausbaustopp bei den Erneuerbaren machen wir nicht mit! Da brauchen Sie keine Angst zu haben!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Hubertus Heil. (Rita Pawelski [CDU/CSU]: Ach Mensch, Herr Heil, müssen Sie wirklich reden?) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bareiß, ich habe mich schon ein bisschen gewundert, weil neben der Großen Anfrage, die dankenswerterweise meine Kollegin Rita Schwarzelühr-Sutter federführend und verdienstvoll auf den Weg gebracht hat, ein Antrag meiner Fraktion vorliegt, den man lesen und auf den man sich beziehen kann. Ich frage Sie also, Herr Bareiß: Was ist eigentlich Ihre persönliche Meinung zum Thema Stromsteuer? Wie Sie wissen, hat der Bund alleine durch die Mehrwertsteuer auf die erhöhte EEG-Umlage Mehreinnahmen in Höhe von 1 Milliarde Euro jährlich. Meine ganz konkrete Frage lautet angesichts von Äußerungen der sächsischen Staatsregierung und auch aus der CSU: Sind Sie bereit, den Verbraucherinnen und Verbrauchern kurzfristig zu helfen, indem etwas im Bereich der Stromsteuer getan wird? (Norbert Schindler [CDU/CSU]: Wer hat sie eingeführt?) Ich möchte Ihre persönliche Meinung als Abgeordneter wissen. Das ist der erste Punkt. Zweitens. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Bareiß, was Ihr Problem ist. In dieser Legislaturperiode hätte der Strommarkt in Deutschland umfassend neu geordnet werden müssen. Tatsache ist: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist ein Riesenerfolg; sonst läge der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland nicht bei rund 25 Prozent. Aber Sie haben Zeit durch Laufzeitverlängerungen für Kernkraftwerke, durch eine 180-Grad-Wende und durch ein Verhaken zwischen Wirtschafts- und -Umweltministerium verplempert. Jetzt, am Ende der -Legislaturperiode, kommen Sie mit durchschaubaren Manövern, die dazu dienen sollen, den Schwarzen Peter - nicht Peter Altmaier - für die gestiegenen Energie-kosten anderen zuzuschieben. Ich sage Ihnen: Sie haben Deutschland in der Energiepolitik vier Jahre gekostet. Deshalb würde ich von Ihnen gern wissen: Warum haben Sie eigentlich nie Vorschläge für eine Neuordnung des Strommarkts bzw. für ein anderes Strommarktdesign gemacht? Wir brauchen eine Neuordnung, um den Ausbau der Erneuerbaren vernünftig voranzubringen, gesicherte Kapazitäten bereitzustellen sowie die Bezahlbarkeit zu erhalten und den Netzausbau nach vorne zu bringen. Ihnen fehlt die Vorstellung, wie es weitergehen soll. (Ulrich Kelber [SPD]: Die hoffen, abgelöst zu werden!) Letzter Punkt. Über die Notoperation, die Sie jetzt vorschlagen, können wir gerne reden. Wir haben eigene Vorschläge gemacht, weil wir das Thema Bezahlbarkeit sehr ernst nehmen. Aber was nicht geht, ist, dass Sie Investitions- und Planungssicherheit in diesem Land zerstören, indem Sie rückwirkend in den Bestand eingreifen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ausländische Investoren achten genau darauf, was in Deutschland in diesem Bereich geschieht. Unterhalten Sie sich bitte auch mit den großen Energieversorgern, mit den Anbietern erneuerbarer Energien und mit den Herstellern von Anlagen in diesem Land über die fatale Wirkung dieser Art und Weise, Politik zu machen! Ich sage Ihnen: Industriepolitisch gesehen - das ist mein Schluss - haben Sie eine Antwort nicht gegeben. Sie versuchen, bei uns einen Widerspruch hinsichtlich der Ausnahmen für energieintensive Betriebe zu kon-struieren. Da gibt es aber überhaupt keinen Widerspruch. Wir sind der festen Überzeugung, dass Unternehmen, die tatsächlich energieintensiv sind, die alle Möglichkeiten zur Steigerung der Energieeffizienz genutzt haben und die im internationalen Wettbewerb stehen, nicht stärker belastet werden dürfen. Sie machen mit Herrn Altmaier jedoch einen gegenteiligen Vorschlag. Sie wollen auch Unternehmen belasten, die Maßnahmen zur Energieeffizienzsteigerung ergriffen haben und im internationalen Wettbewerb stehen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Heil, die Zeit ist abgelaufen. Hubertus Heil (Peine) (SPD): Das nenne ich industriepolitischen Irrsinn. Sie haben ökonomisch gesehen die falsche Richtung eingeschlagen. Sie sollten umkehren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Bareiß zur Erwiderung, bitte. (Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Aber nicht so kurz! - Rolf Hempelmann [SPD]: Ein umfassendes Geständnis reicht!) Thomas Bareiß (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Herr Heil, für die Fragen. - Ich finde es interessant, festzustellen, dass in Ihrer Fraktion zwischenzeitlich ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat, was das zukünftige Marktdesign betrifft. Wenn ich mit den Kolleginnen und Kollegen Ihrer Fraktion über das Thema Energie diskutiert habe, habe ich bisher immer den Eindruck gehabt, dass Sie zwanghaft am EEG festhalten und keine einzige Reform des EEG vorsehen wollen. Das war die Debatte der vergangenen drei Jahre. Sie haben zwanghaft am EEG festgehalten. (Rolf Hempelmann [SPD]: Sie haben doch gar keinen Vorschlag gemacht! - Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Strommarktdesign, aber nicht EEG abschaffen!) Wenn wir im EEG Kleinigkeiten novellieren wollten, gab es von Ihrer Seite aus immer nur Widerspruch, nicht einmal konstruktiven Widerspruch. Sie waren immer nur dagegen, weil Sie jede Änderung des EEG immer sofort als einen Angriff auf die erneuerbaren Energien gewertet haben. Das hat die Debatte auch enorm vergiftet. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Großer Quatsch!) Wenn wir ein Marktinstrument eingebaut haben wie die Marktprämie beispielsweise, indem wir versucht haben, die erneuerbaren Energien Stück für Stück an den Markt zu bringen, waren Sie immer dagegen. Sie waren immer dagegen, dass die erneuerbaren Energien in den Markt eintreten, obwohl diese das könnten. Erneuerbare Energien sind nämlich schon so weit, dass sie Stück für Stück in den Markt eintreten können. Sie brauchen nicht mehr die für 20 Jahre fest vereinbarte Vergütung; sie brauchen die Bevorzugung nicht. Ich glaube, wir sind dabei schon ein Stück weiter als Sie. Wir werden jetzt ganz unaufgeregt kurzfristige Maßnahmen vorschlagen. Das haben wir bereits zum Thema Strompreise gemacht, da wir gesehen haben, dass wir das Thema kurzfristig angehen müssen. In den nächsten zwölf Monaten brauchen wir eine Phase, in der wir das große Thema von EEG und EnWG, die Verbindung der fossilen Kraftwerkswelt mit der Welt der -erneuerbaren Energien, anpacken. Das wird die größte Reform der nächsten 20 Jahre sein. (Dorothée Menzner [DIE LINKE]: Können wir als Drohung auffassen!) Das wird die Grundlage der Energiewelt der nächsten 30 bis 40 Jahre sein. Dabei dürfen wir keine Schnellschüsse machen. Wir müssen schauen, was jetzt sinnvoll und machbar ist. Ich glaube, dabei bekommen wir auch gemeinsam etwas hin. Deshalb glaube ich, dass die Stromsteuer - damit komme ich zu der Frage, die Sie gestellt haben - kein Ansatz ist, um das Ganze langfristig in den Griff zu -bekommen. Jetzt die Stromsteuer abzuschaffen, wäre ein Taschenspielertrick. Dadurch würden wir anderswo -Löcher aufreißen, nämlich bei der Rente. Das haben Sie 1999 eingeführt. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mehreinnahmen in der Mehrwertsteuer von 1 Milliarde!) Sie haben damals die Stromsteuer erfunden. Damit haben Sie die Rente finanziert. Wir wollen das jetzt nicht mehr abschaffen. Vielmehr glauben wir, dass wir langfristig ausgerichtete, nachhaltige und ehrliche Debatten über das EEG und die Energieversorgung und auch ehrliche Lösungen brauchen. Deshalb müssen wir das Thema grundsätzlich angehen. Das über die Stromsteuer zu versuchen, wäre der falsche Weg. Deshalb bin ich gegen die Senkung der Stromsteuer und auch gegen die Abschaffung der Stromsteuer. Herzlichen Dank. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann fangen Sie mit der Ehrlichkeit mal an!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat die Kollegin Dorothée Menzner von der Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dorothée Menzner (DIE LINKE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was kostet die Energiewende? Umweltminister Altmaier - das wurde zitiert - hat neulich von 1 Billion Euro gesprochen. Da fragt man sich: Ist das Wirklichkeit oder Panikmache? Wie kommt er eigentlich darauf? Die Bundesregierung führt keine Vergleichsrechnung der Kosten der atomaren und fossilen Energieerzeugung im Verhältnis zu den Kosten der erneuerbaren Energien. Die Bundesregierung hat keine Vorstellung von der künftigen Preisentwicklung fossiler und atomarer Brennstoffe. Die Bundesregierung hat keine Vorstellung davon, wie sich die CO2-Preise entwickeln werden. Die Bundesregierung hat keine Vorstellung davon, welche Wertschöpfung die Branche der erneuerbaren Energien in diesem Land bringt, nicht einmal für den nahen Termin 2020. Die Bundesregierung hat keine Vorstellung davon, wie hoch die Klimafolgekosten von 1 Tonne CO2-Ausstoß sind. All das kann man der Antwort auf die Große Anfrage der SPD entnehmen, die wir uns natürlich sehr genau angeschaut haben. Ich frage Sie: Wie kann man so völlig ohne Vorstellungen von zukünftigen Preisentwicklungen Aussagen zu zukünftigen Kosten machen? Das erschließt sich mir nicht. Tut mir leid. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung gibt immer Auskunft darüber, was die Energiewende kostet. Aber was sie verschweigt, ist, wie hoch die Kosten denn sein werden, die auf uns zukommen, wenn wir so weitermachen wie bisher. Da kann ich nur sagen: Es müssen externe Kosten in die Rechnung mit einbezogen werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das Umweltbundesamt rechnet mit Folgekosten von wenigstens 40 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2. Ich kenne andere Schätzungen, die sogar bis zu 120 Euro reichen. Schauen Sie doch alle einmal nach, was Ihr Pkw so an CO2-Ausstoß hat! Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, beziffert die Klimafolgekosten allein für Deutschland wirklich konservativ auf 800 Milliarden Euro. Steigende Ressourcenpreise, Ressourcenkämpfe, Ressourcenkriege, all das gibt es schon längst, und es wird sich besonders im Hinblick auf wachsenden Energiebedarf aufstrebender Länder weiter verschärfen. Auch Rüstungsausgaben sind immer mehr Kosten der fossil-atomaren Energie. Folgekosten der Atomkraft, Stichwort: "Atommüll" - wir hatten vorhin die Debatte zur Asse -, sind weitere mögliche Kosten, von der Möglichkeit eines Super-GAUs in Deutschland oder einem Nachbarland ganz zu schweigen. All das sind externe Kosten der bisherigen Energiewirtschaft. Damit sind die aus der Luft gegriffenen 1 Billion Euro an Kosten für eine ökologische Energiewende bei weitem überboten; man wird es sich denken können. Was macht die Bundesregierung? Sie plant den Abschuss des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und bringt dadurch nicht nur die Energiewende in Gefahr, sondern auch eine Branche mit 381 000 Arbeitsplätzen in Deutschland. Dazu argumentiert sie seit langem das erste Mal - es ist wirklich so - mit einer sozialen Komponente: Der Strompreis sei durch die erneuerbaren Energien so angestiegen, dass genau an dieser Stelle -Abstriche gemacht werden müssten. Fakt ist: Der Strompreis ist seit 2000 auf das Doppelte gestiegen; das ist richtig. Aber davon ist wirklich nur ein Drittel tatsächlich dem Ausbau der erneuerbaren Energien zuzurechnen. Was hingegen eklatant gestiegen ist, sind die Ausnahmen für die energieintensive Industrie beim Strompreis, bei der Stromsteuer, bei der EEG--Umlage und bei Netzentgelten. Reden Sie also nicht von sozialer Gerechtigkeit, wenn Sie gar keine Vorstellung davon haben, wie Sie sie herstellen wollen! (Beifall bei der LINKEN) Würden wir die gesamten Folgekosten der fossilen und atomaren Energieerzeugung allein im Stromsektor auf den Preis aufschlagen, dann wären wir längst bei einem Strompreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Das würde man dann, anders als bisher, auch sehen. Energiewende bedingt, wenn man es klug und vor -allem günstig machen will, Energieeffizienz. Ich bin -Realistin genug, um zu erkennen, dass Sie unserem Antrag hier nicht zustimmen werden. Aber ich würde Ihnen raten: Dann machen Sie es doch wie so oft: Benutzen Sie ihn als Steinbruch für Ihre zukünftige Arbeit! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Dorothée Menzner (DIE LINKE): Wir fordern Sie auf: Schlagen Sie einen anderen Weg ein! Es wäre besser für alle, wenn Sie endlich Einsicht hätten, dass Kohle und Atomenergie Dinosaurier sind, dass wir so nicht weiterkommen und entsprechend -handeln müssen. Allein dann hätte das eine wirkliche soziale Komponente. Ich danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion spricht jetzt der Kollege Klaus Breil. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Klaus Breil (FDP): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst etwas Aufklärung im Hinblick auf aufgeworfene Fragen geben, was die 1 000 Milliarden bzw. 1 Billion Euro für die ökologische Energiewende betrifft. Es gibt ein Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen aus dem Jahr 2011. Es enthält auf Seite 179 eine Folie - ich empfehle sie Ihrer besonderen Aufmerksamkeit -, und da können Sie sehen, wie sich die entsprechenden Zahlen entwickeln und wie die Zahl von 1 Billion Euro bzw. 1 000 Milliarden Euro zustande kommt. (Rolf Hempelmann [SPD]: Ist das jetzt die Antwort auf die Große Anfrage?) Sie müssen dabei nur noch berücksichtigen, dass der Aufwuchs in den letzten Jahren die Kurven von damals ein ganz klein wenig gesprengt hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir beschäftigen uns heute mit den Anträgen der Opposition, die vor über einem Jahr gestellt wurden. In letzter Minute kam ein Entschließungsantrag der SPD dazu, wahrscheinlich um der Debatte zumindest den Anschein von Aktualität zu geben. (Lachen bei der SPD - Ulrich Kelber [SPD]: Das ist nicht in Ordnung, wenn sich Ihre Antwort verzögert, das uns vorzuwerfen! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was sind Sie für ein Parlamentarier?) Allerdings kann man diesen Entschließungsantrag schon nach den ersten Zeilen nicht mehr ernst nehmen. Die Regierungskoalition dafür anzugreifen, dass die Kürzungen der Vergütung für Photovoltaik in den EEG-Novellen nicht ausreichend waren, um die Umlage wirkungsvoll zu begrenzen, müsste den Genossen die Schamesröte ins Gesicht treiben. Den ganzen restlichen Winter könnte ich mit Pressemitteilungen und Namensartikeln heizen, in denen Sie uns anklagen, die Solarbranche, Ihre Amigos, kaputt zu machen, in denen Sie den Bürgerinnen und Bürgern glauben machen, die Photovoltaik wäre die Ersatzlösung für den Wegfall der konventionellen Kapazitäten, in denen Sie uns vorwerfen, die Energiewende ganz und gar nicht zu wollen. Dabei waren Sie es doch, die den letzten Kürzungsversuch im Bundesrat blockiert haben. Das ist hochrangig unseriös, was Sie, die Genossen von EUROSOLAR, mit diesem Entschließungs-antrag tun. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Wann? Welche Kürzungsvorschläge? Nennen Sie mal ein Datum! - Die zweite bewusste Unwahrheit, Herr Breil!) In dem einem Jahr, das vergangen ist, seit die anderen Anträge geschrieben wurden, ist nicht nur die Opposition von der Realität eingeholt worden. Nein, auch die Energieeffizienzrichtlinie der EU, auf die in den Anträgen eingegangen wird, wurde vom Europäischen Rat verabschiedet. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Breil, die Kollegin Schwarzelühr-Sutter möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen. Klaus Breil (FDP): Ich möchte gerne meine Gedanken zu Ende führen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ulrich Kelber [SPD]: Wenn es mal welche wären! - Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Ich habe noch keine gesehen!) Im vergangenen Jahr ist die Richtlinie im Dezember in Kraft getreten. Sie muss bis zum Juni 2014 in nationales Recht umgesetzt werden. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wird das mit Freude in der kommenden Legislaturperiode tun. Unser Ziel ist es, mit der Richtlinie einen Beitrag zur Erreichung des EU-Energieeffizienzziels bis 2020 zu leisten, (Ulrich Kelber [SPD]: Warum ist der nur halb so hoch wie die Ziele?) die Hebung von wirtschaftlichen Potenzialen zur Energie- und Stromeinsparung zu unterstützen, die Verbraucher von steigenden Energie- und Strompreisen zu entlasten (Ulrich Kelber [SPD]: Warum haben Sie die Effizienzvorgaben dann verwässert?) und den Markt für Energiedienstleistungen weiter zu stärken bzw. auszubauen. Allerdings müssen wir bei allen Regelungen darauf achten, dass erstens der bereits bestehende und bewährte Mix an Instrumenten zur Steigerung der Energieeffizienz fortgeführt und zweitens zusätzlicher bürokratischer Aufwand minimiert wird. Deshalb sollten wir die Richtlinie eins zu eins umsetzen. Bis 2020 soll der Primärenergieverbrauch gegenüber 2008 um 20 Prozent, bis 2050 um 50 Prozent sinken. Das erfordert für uns in Deutschland pro Jahr eine Steigerung der Energieproduktivität um durchschnittlich 2,1 Prozent. Gemäß dem Monitoring-Bericht - Sie alle kennen ihn - haben wir in diesem Bereich schon vorzeigbare Ergebnisse geliefert. Im Zeitraum 2008 bis 2011 ist die Energieproduktivität jährlich im Durchschnitt um 2 Prozent gestiegen. Wir befinden uns also auf dem Zielpfad und müssen den Trend nur noch geringfügig verstärken. (Ulrich Kelber [SPD]: Ach Gott!) Die in der vorigen Woche veröffentlichte Studie der Prognos AG - Sie alle werden sie gelesen haben - hat alle laufenden und geplanten politischen Maßnahmen auf ihre Energieeinspareffekte im Zeitraum 2014 bis 2020 untersucht. Die Gutachter bescheinigen für diesen Zeitraum sogar eine leichte Übererfüllung der europäischen Einsparvorgabe. Dabei ist schon eingerechnet, dass die Vorleistungen bei Einsparungen, die Deutschland erbringt, nur zu 25 Prozent auf das Einsparziel in Art. 7 der Richtlinie angerechnet werden dürfen. Das zeigt uns eines: In Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten ein breiter und bewährter Mix an Instrumenten zur Steigerung der Energieeffizienz entwickelt, und dieser Mix unterliegt einer fortlaufenden Weiterentwicklung oder - besser gesagt - einer Optimierung. Die Maßnahmen, die wir in Deutschland bisher umgesetzt haben, tragen wesentlich zur Verringerung des Endenergieverbrauches bei. Auch wenn ich hohe Energiepreise in keiner Form befürworte, werden doch in erheblichem Umfang Einsparimpulse gesetzt. Aber auch die Energieeffizienz von Produkten und Dienstleistungen wird kontinuierlich gesteigert oder die Nutzung energieeffizienter Technologien oder Techniken vorangetrieben. Die Gebäudesanierung und die Neubaustandards führen ebenfalls zu hohen Einsparungen. Vor diesem Hintergrund muss im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, unseren bewährten Instrumentenmix auszubauen. So können wir die Energieeinsparverpflichtungen der EU einhalten, ohne Verbraucher und Wirtschaft mit erheblichen zusätzlichen Kosten zu belasten. Wer auch immer auf die Idee kommt, die bisherigen Erfolge kleinzureden, hat ein Problem. Denn dann müssen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Farbe bekennen und sagen, mit welchen Instrumenten und mit wessen Geld die Effizienzfortschritte beschleunigt bzw. erzwungen werden sollen. Ich bin jedenfalls gegen Sanierungszwang oder staatliche Effizienzumlagen à la EEG. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich werde mich dafür einsetzen, dass alle staatlichen Maßnahmen, die tatsächlich eine Einsparwirkung haben, bei der Umsetzung der Richtlinie anerkannt und nach Brüssel gemeldet werden. Deutschland ist eine energieeffiziente Volkswirtschaft, die energieeffizienteste Volkswirtschaft der Welt, (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Das ist Quatsch!) und das lasse ich mir nicht kaputtreden. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Zu einer Kurzintervention erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Schwarzelühr-Sutter. (Lena Strothmann [CDU/CSU]: Oh! Die hat doch schon geredet!) Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Sehr geehrter Herr Kollege Breil, ich finde es schon ziemlich vermessen bzw. sogar etwas unverschämt, dass Sie behaupten, unsere Anträge und Anfragen seien ein Produkt von EUROSOLAR. Ja, ich bin genauso wie der Kollege Göppel oder der Kollege Fell Mitglied von EUROSOLAR. Aber einen eingetragenen Verein - und Sie wissen, was das heißt - mit Lobbyisten zu vergleichen, die teuer bezahlt sind - da würde ich bei Ihrer Partei mal gucken, was denn bei den Nebenverdiensten steht -, (Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD] - Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Dass der Kelber auch noch klatscht! - Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Der Pfeiffer, der nicht einmal seiner eigenen Partei sagt, für wen er arbeitet, reißt das Maul auf! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Da würde ich selber mal gucken!) das ist nicht in Ordnung. (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD] - Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Nebenverdienste! Da war doch was, oder?) - Ja, da war was mit Nebenverdiensten. Es gibt nämlich diejenigen, die es offenlegen, angeben und versteuern. Aber es gibt auch diejenigen, die keine Transparenz haben wollen und entsprechende Anträge ablehnen. Da war was, genau! (Ulrich Kelber [SPD]: Zum Beispiel der Kollege Pfeiffer!) Da müssen Sie schon in Ihren eigenen Reihen schauen, warum Sie das abgelehnt haben. (Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Liebe Freunde, mit Nebenverdiensten würde ich hier nicht anfangen!) Aber ich möchte festhalten: Einen eingetragenen Verein mit einer Lobbygruppe oder einem Lobbyverband zu vergleichen, ist einfach nicht in Ordnung. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: So ist es!) Zweiter Punkt: das Alter dieser Anfrage. Ist es unser Problem, wenn die Bundesregierung nicht in der Lage ist, ihre eigenen Materialien auszuwerten und uns nach kürzerer Zeit die Antworten zu geben? - Es waren Fragen und keine Unterstellungen in Bezug auf das EEG oder sonst etwas. Ich muss schon sagen: Es ist schon bezeichnend, wenn man Fragen nicht von Antworten unterscheiden kann und man uns dann Manipulation vorwirft. Es sind Fragen, die sich jeder Bürger stellt. Ich bin nicht nur Mitglied von EUROSOLAR, sondern auch frei gewählte Abgeordnete und vertrete jeden Bürger, auch Handwerker und Wirtschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - Ulrich Kelber [SPD]: Da wäre eine Entschuldigung angesagt! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das muss man sich von der Hotelpartei nicht erzählen lassen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Breil, wollen Sie antworten? (Klaus Breil [FDP]: Ja!) - Bitte schön. Klaus Breil (FDP): Frau Kollegin Schwarzelühr-Sutter, erstens ist die Formulierung, die ich da gewählt habe, glaube ich, zulässig. (Iris Gleicke [SPD]: Pfui!) Zweitens ist es nun einmal so, dass EUROSOLAR viele Mitglieder hat, die Ihnen nahestehen. (Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Über die Parteigrenzen hinweg!) - Ja, über die Parteigrenzen hinweg; aber ganz besonders viele stehen Ihnen nahe. Ich habe mich mit denen auseinandergesetzt; einige sitzen ja in München. Ich weiß also, wovon ich da rede. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Offensichtlich nicht! Gar nichts wissen Sie! - Iris Gleicke [SPD]: Ganz offensichtlich nicht! - Ulrich Kelber [SPD]: Normalerweise sagt man zu so einem Verhalten "schmutzig"!) Frau Schwarzelühr-Sutter, Sie haben die zurückliegende Zeit angesprochen. Ich habe gesagt, dass ich auf den aktuellen Entschließungsantrag Bezug nehme; (Rolf Hempelmann [SPD]: Jetzt ist er doch aktuell! Schön, dass er jetzt doch aktuell ist!) dazu habe ich heute im Wesentlichen gesprochen. Ich habe also zu Dingen, die über ein Jahr zurückliegen, gar nicht gesprochen. Danke schön. (Ulrich Kelber [SPD]: Das nehmen wir als halbe Entschuldigung!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Oliver Krischer von Bündnis 90/Die Grünen. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Antworten auf die Große Anfrage anschaut, dann sieht man ein Dokument des Unwillens und der Unfähigkeit, sich mit Fragen der Energiewende auseinanderzusetzen. Das ist ein Zeichen von Nichtwollen und Nichtkönnen, und das wird nur noch von dem getoppt, was Sie hier in der Debatte zu diesem Thema abliefern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ich sage Ihnen: Wenn Sie über das Thema Energiepreise reden, dann reden Sie immer nur über die EEG-Umlage. Was Sie überhaupt nicht draufhaben, ist, dass wir Preissteigerungen wegen Konzerngewinnen und steigender Preise für fossile Energien haben. Der 1 Billion Euro von Herrn Altmaier müsste gegengerechnet werden, was wir an fossilen Rohstoffimporten sparen, was wir an Wertschöpfung in unser Land bekommen. Das haben Sie nicht auf dem Schirm. (Thomas Bareiß [CDU/CSU]: 18 Prozent der PV kommen aus China!) Das ignorieren Sie, weil Sie es am Ende gar nicht wollen, weil es nämlich Ihre Wirtschaft betrifft, die darunter leiden würde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn man festhält, dass die EEG-Umlage steigt, dann muss man auch festhalten, dass die nicht wegen des Ausbaus der erneuerbaren Energien steigt, sondern wegen sinkender Börsenpreise und wegen überbordender Ausnahmetatbestände. Wenn man da etwas tun will, muss man diese Fragen angehen. Sie aber wollen eine Ausbaubremse schaffen, Sie wollen den Ausbau der Windenergie an Land kaputtmachen. Mit Ihren Vorschlägen - das ist jetzt schon zu beobachten - stoppen Sie den Ausbau der Windenergie im Binnenland komplett. Das ist eine Katastrophe für die Energiewende und für den Ausbau der erneuerbaren Energien. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was ich ganz deutlich sage: Man kann über vieles diskutieren, aber es ist eine Grenzüberschreitung, dass Sie in bestehende Verträge eingreifen wollen, dass Sie rückwirkend Dinge infrage stellen, die vorher politisch zugesagt worden waren. Das macht mehr kaputt als nur die erneuerbaren Energien. Das rüttelt an der Säule, die wir in der Politik hatten, dass sich an geschlossene Verträge gehalten wird. Das wird Ihnen dann auch an anderer Stelle auf die Füße fallen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir haben Vorschläge gemacht, was man gegen eine steigende EEG-Umlage tun kann. Wenn ich mir das Altmaier/Rösler-Papier ansehe, sehe ich 1,8 Milliarden Euro, die man dadurch sparen könnte - wenn man für Sie günstig rechnet! -, um den Preis, dass Sie den Ausbau der erneuerbaren Energien kaputtmachen. Wir haben Vorschläge gemacht, wie man 4 Milliarden Euro sparen kann, ohne dass die erneuerbaren Energien kaputtgehen, und darüber sollten wir reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]) Was Sie auch nicht verstehen, ist das ganze Thema Energieeffizienz. Dazu haben wir Anträge vorliegen, die heute auch debattiert werden. Frau Merkel hat 2007 verkündet, Deutschland solle Effizienzweltmeister werden. (Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Sind wir schon!) Da muss man sich einmal die Bilanz dessen ansehen, was Sie seit 2009 abgeliefert haben. Da ist null, da ist gar nichts; es ist noch schlimmer: Überall da, wo es um etwas ging, haben Sie blockiert, haben Sie gebremst. (Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Das ist doch falsch! Das ist gar nicht wahr!) Sie haben in Brüssel versucht, die Energieeffizienzrichtlinie zu verhindern. Das ist Teil Ihrer Politik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Rita Schwarzelühr-Sutter [SPD]: Das sagt sogar der EU-Kommissar!) Jetzt geht es noch weiter. Jetzt geht es um die Frage: Wie setzen wir die Energieeffizienzrichtlinie um? Herr Breil hat eben dieses wunderbare Prognos-Gutachten genannt. Das soll die Grundlage dafür sein. Wenn man sich anschaut, was in diesem Gutachten ernsthaft vorgeschlagen wird, fällt man tot um. Die Netzentgelte, die Lkw-Maut, die Mehrwertsteuer - das alles wird plötzlich zu Energiesparmaßnahmen umgerechnet. Ich habe nur noch erwartet, dass plötzlich das Wiederaufbauprogramm nach dem Zweiten Weltkrieg als Vorleistung zu Energiesparmaßnahmen gerechnet wird. Dann kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Sie nichts tun müssen. Das ist genau das, was nicht sein kann. Wir müssen Energie einsparen. Wir müssen da vorankommen. Wir müssen Maßnahmen vorschlagen. Wir müssen einen Energieeffizienzfonds schaffen. Von all dem wollen Sie nichts wissen. Mit Taschenspielertricks wollen Sie verhindern, dass beim Thema Energieeffizienz tatsächlich etwas passiert. So werden wir nie Energieeffizienzweltmeister. (Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Siehe Gebäudesanierungsprogramm! Siehe Gebäudesanierungsprogramm!) Wir sind in Europa bei diesem ganzen Thema zum Bremser geworden. Italien, Dänemark und Großbritannien machen uns bei diesem Thema etwas vor. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege Krischer, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Bitte kommen Sie zum Schluss. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum letzten Satz. - Da kann ich es nur mit Herrn Göppel sagen, der gleich nach mir noch spricht: Wenn man alles zusammenfasst, meine Damen und Herren, was Sie im Bereich Energiepolitik - Erneuerbare, Effizienz - machen, dann ist das - ich zitiere - ein Aufruf, Rot-Grün zu wählen. (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Und zwar in der Reihenfolge!) Da hat Herr Göppel recht. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt das Wort der Kollege Josef Göppel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Josef Göppel (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Zielvorgaben der Bundesregierung zur Energiewende bleiben richtig, auch bei heftiger Kritik der Opposition. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Breil [FDP]) Wenn wir den Istzustand mit den Zielvorgaben vergleichen, dann stellen wir fest: Beim Ausbau der erneuerbaren Energien liegen wir zwar gut in der Zeit, aber die Zielvorgaben haben wir noch nicht erreicht. Als Abgeordneter der CSU sage ich: Solange die Zielvorgaben nicht erfüllt sind, muss der Ausbau weitergehen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Das bedeutet, dass die Strompreisbremse, die für bestimmte Bevölkerungsschichten sehr wohl ihre Berechtigung hat, nicht zu einer Ausbaubremse führen darf. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist sie aber jetzt schon!) Mit dem Ziel der Energiewende verbindet die Bundesregierung den Anspruch, eine krisenfeste und langfristig günstigere Energieversorgung für Deutschland zu gewährleisten: krisenfest, weil der Strom durch erneuerbare Energien im eigenen Land erzeugt wird - und damit indirekt Wärme aus Stromüberschuss -, und günstiger - das beweist die Strombörse in Leipzig -, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig!) weil die variablen Kosten sehr viel niedriger sind als bei der Erzeugung von Strom aus herkömmlichen Energien. Das heißt, die Langfristperspektiven sind günstig. Zur Bewertung der aktuellen Vorschläge. Erstens. Für Süddeutschland ist ein rückwirkender Eingriff nicht hinnehmbar. Das wäre aus unserer Sicht ein Dammbruch im Hinblick auf die Investitionsbereitschaft der Menschen. Das entspricht ausdrücklich der Stimmung in meiner bayerischen Heimat. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In ganz Deutschland!) Zweitens. Für uns ist eine undifferenzierte Kürzung bei der Windenergie über das ganze Land hinweg nicht akzeptabel. Hier muss nach der Standortqualität differenziert werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Drittens. Man kann darüber reden, den Eigenverbrauch heranzuziehen. Aber auch da muss nach den klimabelastenden Faktoren differenziert werden, die die einzelnen Energien und Brennstoffe mit sich bringen. Es kann nicht sein, dass jemand, der in ein mit Kohle betriebenes Kraftwerk investiert und die gewonnene Energie selbst verbraucht, nur so viel bezahlen muss wie jemand, der auf seiner Scheune ein paar Solarzellen installiert hat oder den Strom durch das Windrad einer Energiegenossenschaft seines Dorfes erzeugt. Viertens. Weiterhin ist es für uns entscheidend, wie die neue Stromvermarktung gestaltet werden kann. Wer sich mit Praktikern an der Basis unterhält, der merkt, dass sich zwei Vorschläge immer stärker herauskristallisieren. Der eine ist: Wir dürfen nicht den gesamten erneuerbaren Strom über die Börse ziehen. Vielmehr müssen wir versuchen - so wie es in der Realität bereits stattfindet -, möglichst vorher große Anteile regional -direkt zu vermarkten. Der zweite Vorschlag bezieht sich auf das Desaster beim europäischen Emissionshandel. Solange er nicht wieder funktionsfähig ist, müssen wir auf die Energiemengen, die in Leipzig an der Börse -angeboten werden, eine Abgabe auf die einzelnen Energiearten erheben, je nach Klimabelastung, um Wett-bewerbsfähigkeit und Wettbewerbsgerechtigkeit zu gewährleisten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In meinem Heimatland Bayern ist eine wahre Volksbewegung für den Ausbau erneuerbarer Energien in Gang. Wir von der CSU unterstützen diese Bewegung umfassend, weil es unseren Grundwerten entspricht, dass Menschen von passiven Konsumenten von Energie zu eigenverantwortlichen Produzenten und Managern von Energie werden und auf diese Art und Weise ein ganz anderes Verhältnis zur Energie bekommen; denn das erstreckt sich auch auf alle Familienangehörigen. Der nachhaltigere Umgang mit Energie hat sehr viel -damit zu tun, dass Millionen von Menschen in das Energiegeschäft einbezogen werden und wir auf diese Art auch im sozialen Sinn der Nachhaltigkeit die alte, zentral gesteuerte Energiewirtschaft überwinden. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12538 zu ihrer Großen Anfrage soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie und zur Mitberatung an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, an den Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie an den Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit überwiesen werden. - Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist das so beschlossen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Druck-sache 17/10106. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8159 mit dem Titel "Die europäische Energieeffizienzrichtlinie wirkungsvoll ausgestalten". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und bei Stimmenthaltung der Linken und der Grünen angenommen worden. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die -Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8457 mit dem Titel "Die Energiewende braucht Energieeffizienz". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die -Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der -Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen worden. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c der Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf -Drucksache 17/7462 mit dem Titel "Energie sparen, Kosten senken, Klima schützen - Für eine ambitionierte Effizienzstrategie der deutschen und europäischen Energieversorgung". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen von Linken und Grünen sowie bei Enthaltung der SPD-Fraktion angenommen worden. Jetzt rufe ich die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 c auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksachen 17/11293, 17/11873 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12526 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Friedrich Ostendorff b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Ein effizientes Tierarzneimittelgesetz schaffen und die Antibiotikagaben in der Nutztierhaltung wirkungsvoll reduzieren - Drucksachen 17/12385, 17/12526 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Friedrich Ostendorff c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Systematischen Antibiotikamissbrauch bekämpfen - Tierhaltung umbauen - Drucksachen 17/9068, 17/10662 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Friedrich Ostendorff Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Erhebt sich dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem -Redner dem Parlamentarischen Staatssekretär Peter Bleser das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Peter Bleser, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gilt, Antibiotika als Waffe gegen lebens-bedrohende Infektionskrankheiten für Mensch und Tier zu erhalten. Das ist das Ziel dieses Gesetzentwurfs. Den Gesetzentwurf haben wir auch deswegen eingebracht, weil wir eine zunehmende Antibiotikaresistenz feststellen und diese natürlich eine ernste Gefahr für Mensch und Tier sein kann. Wir kümmern uns aber nicht erst seit heute um die Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes. Vielmehr sieht schon die im Jahr 2008 beschlossene Antibiotika-Resistenzstrategie die flächendeckende Erfassung des Einsatzes von Antibiotika vor. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Im letzten Sommer haben wir die ersten Ergebnisse erhalten. Erstmals gibt es verlässliche Zahlen: Es wurden 1 734 Tonnen Antibiotika in der Nutztierhaltung eingesetzt. Das ist uns zu viel. Aber, meine Damen und Herren, wie viel es zu viel ist, (Ulrich Kelber [SPD]: Weiß man nicht!) ob es starke Reduzierungspotenziale gibt, lässt sich noch nicht feststellen. Tatsächlich ist es so, dass die Menge, die jetzt genannt wurde, mit der Anzahl der Tiere und den Tierarten, bei denen die Antibiotika eingesetzt worden sind, in Zusammenhang steht. Man muss aber auch die Wirkstoffkonzentration und die Wirkstoffart bemessen, um eine Bewertung vornehmen zu können. Das werden Sie, Kollege Priesmeier, sicher bestätigen. Es ist klar: Auch in Zukunft müssen Tiere, die krank sind, behandelt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Daran darf überhaupt nicht gerüttelt werden. Deswegen sage ich: Wer starre Reduzierungsziele vorschreiben möchte - 50 oder 30 Prozent -, der kennt die Praxis nicht, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) der opfert Tiere einer Ideologie und tritt letztlich den Tierschutz mit Füßen. Dafür sind wir nicht zu haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ganz ohne Möglichkeiten zum Einsatz von Antibiotika geht es auch in Zukunft nicht. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das ist doch nicht das Problem! - Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch nicht die Debatte! Darum geht es doch genau nicht!) Auch in den am besten geführten Betrieben kann das immer wieder notwendig werden. Diese Möglichkeit -müssen wir erhalten. Die Zwischenrufe zeigen, dass es diesbezüglich einen breiten Konsens in diesem Saal gibt. Wir wollen die Verringerung des Einsatzes von Antibiotika. Deswegen haben wir in dem Gesetzentwurf die Stärkung der Eigenverantwortung festgeschrieben. (Ulrich Kelber [SPD]: Der Tiere?) Wir haben auch festgeschrieben, dass wir den vorsorgenden Tier- und Gesundheitsschutz anstreben und dies-bezüglich Verbesserungen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das nimmt Tierärzte und Landwirte in die Verantwortung und in die Pflicht. Wir verbessern mit diesem Gesetz die Über-wachungsmöglichkeiten der Länder. Das ist das Ziel. Aber die Länder müssen diese Möglichkeiten auch nutzen. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Ja!) Sie hätten auch bisher schon stärker überwachen können; (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Richtig!) denn jeder Tierarzt und jeder Landwirt dokumentiert den Einsatz von Antibiotika und Arzneimitteln auf dem Hof seit 2005. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]) Da wird zu wenig getan. Das muss man an dieser Stelle einmal feststellen. Kern dieses Gesetzentwurfs ist es, Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen, um herauszufinden, ob bei einem Betrieb ein erhöhter Einsatz von Antibiotika festzustellen ist oder der Einsatz von Antibiotika im Rahmen liegt. Dabei geht es auch darum, Eingriffsmöglichkeiten zu schaffen. Deshalb wird der Einsatz von Antibiotika bei Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten in Zukunft erfasst. Bei der Auswertung werden die Bestandsmeldungen herangezogen, um im Rahmen eines Benchmarking festzustellen, ob eine erhöhte Einsatzhäufigkeit und eine erhöhte Einsatzmenge vorliegen. Das ist das Ziel dieses Gesetzentwurfs. Ich bin sehr stolz darauf, dass es in den Beratungen in den Koalitionsfraktionen gelungen ist, den bürokratischen Aufwand, der sich aus diesem Gesetz ergibt, für Landwirte und Tierärzte deutlich zu reduzieren, ohne das Ergebnis auch nur in geringster Weise zu beeinträchtigen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, das war eine Meisterleistung. Deshalb gilt mein Dank den Fachpolitikern. Diese Möglichkeit ist auch in unserem Haus am Anfang nicht gesehen worden. Das muss man auch einmal eingestehen. Bei dieser Erfassung der eingesetzten Antibiotika kann der Landwirt Dritte, zum Beispiel den Tierarzt, beauftragen, diese Meldung vorzunehmen. Der Tierarzt hat auch die entsprechende Expertise dafür. Die Behörden sind verpflichtet, vorhandene Dateien zu nutzen. Kollege Ostendorff, das wird die HIT-Datei sein. Die Länder sind für die Erstellung der Dateien verantwortlich. Der Landwirt muss die Tierbestandszahlen also nicht noch einmal melden, weil sie schon zur Verfügung stehen. Auch das ist ein riesiger Fortschritt. Da auffällige Betriebe einen Managementplan erstellen müssen und ordnungspolitisch eingegriffen werden kann, wenn die gewünschten Erfolge nicht eintreten, wird diese Erfassung der Zahlen - da bin ich mir sicher - Wirkung haben. Da bin ich sehr zuversichtlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wie viele Jahre dauert das?) Wir bleiben an dieser Stelle aber nicht stehen. Wir setzen - auch das will ich kurz sagen - insgesamt -natürlich auf eine Weiterentwicklung im Bereich der Nutztierhaltung. Deshalb haben wir 62 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre bereitgestellt. Damit wollen wir eine moderne und tierschutzgerechte Tierhaltung mit Modell-, Demonstrations- und Forschungsvorhaben weiter fördern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Sehr lobenswert!) Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir damit mehr erreichen als mit mancher Kontrolle, die vielleicht doch nicht so effizient ist, wie man erwartet hat. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Wilhelm Priesmeier von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die Stunde schon ein bisschen fortgeschritten ist: Das Thema ist ernst. Das, was wir eben hier vom Herrn Staatssekretär gehört haben, ist letztendlich nicht geeignet, kurzfristig eine Minimierung des Antibiotikaeinsatzes zu erreichen. Fast anderthalb Jahre haben wir jetzt über dieses Thema diskutiert. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was habt ihr denn dazu beigetragen? Nichts!) Erst jetzt sieht sich die Regierung in der Lage, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Der taugt allerdings nicht dazu, dieses Ziel zu erreichen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das stimmt doch nicht!) Wir beraten im Wesentlichen über einen Gesetzentwurf. Zentrales Instrument der Minimierungsstrategie ist offensichtlich ein Behandlungsindex. Wer sich damit auseinandersetzt, sich den ersten Entwurf anschaut und ihn mit den Änderungsanträgen und der jetzt vorliegenden Form vergleicht, der erkennt, dass dieser Gesetzentwurf in wesentlichen Punkten nicht verbessert, sondern verschlimmbessert worden ist. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wo denn?) Offensichtlich haben die vielen - vielleicht auch bis spät in den Abend dauernden - Verhandlungen zwischen Gelb und Schwarz nicht dazu geführt, dass man zu der richtigen Erkenntnis gelangt ist, wie der Antibiotikaeinsatz unter den Bedingungen, unter denen heute bei uns in Deutschland Tiere gehalten und gemästet werden, zu minimieren ist. (Beifall bei der SPD) Wir sollen hier über einen Gesetzentwurf beschließen, der viele Rechtsverordnungen vorsieht, deren Inhalt im Augenblick überhaupt nicht klar ist. Wir sollen über einen Gesetzentwurf beschließen, den der geneigte Mitbürger und der Landwirt kaum lesen, geschweige denn verstehen kann. Der Gesetzentwurf enthält keine klare Zielvorgabe zum Antibiotikaverbrauch und auch keine klaren Zielvorgaben zu Zeiträumen. Er enthält allein das statistische Bewertungsverfahren, das immerhin das obere Quartil definiert. Für die Statistiker in diesem Hause ist das vielleicht nachvollziehbar. Ich habe einmal versucht, das Verfahren nachzuvollziehen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist aber nicht unser Problem!) Wenn keine klare Zielvorgabe vorhanden ist, findet sich, solange das System implementiert bleibt, natürlich immer ein oberes Quartil. Letztendlich sind immer 25 Prozent der Betriebe verpflichtet, entsprechende Sanierungspläne vorzulegen. Denn das obere Quartil ist immer verpflichtet. Wir haben hier die Frage zu diskutieren, ob wir uns zu einem ganzheitlichen Rahmen und ganzheitlichen Ansatz bereitfinden. Denn das ist die klare Erkenntnis aus der Anhörung: Es funktioniert nur mit einem ganzheitlichen Ansatz. Rein administrative Maßnahmen - das sehen wir heute an den Zahlen aus Dänemark - führen zunächst einmal zu einer geringfügigen Verminderung und dann wieder zu einem Anstieg. Dänemark meldet heute: Die Bestandszahlen sind gesunken, aber im Jahr 2012 wurden in Relation zum Bestand 10 Prozent mehr Antibiotika verbraucht. (Rainer Erdel [FDP]: Darum machen wir ein anderes Gesetz!) Das ist zunächst einmal keine gute Meldung für den in Dänemark verfolgten Ansatz. Wir brauchen - das haben die Bundesländer angemahnt - ein Gesetz, das zielführend ist, das Klarheit und Transparenz schafft. Wir brauchen kein Gesetz, das wegen seiner Defizite - viele Unklarheiten, Allgemeinplätze und nicht ausreichende Definitionen - von der Länderebene kaum vollzogen werden kann. (Beifall bei der SPD) Ein solches Gesetz ist nicht ausreichend konkret und versetzt die zuständige Behörde vor Ort nicht in die Lage, zu handeln. Das wird nicht funktionieren. Unterhalten Sie sich mit den Kollegen vor Ort in den Veterinärämtern! Fragen Sie die nach ihrer Einschätzung, wie es um die Umsetzung dieses Gesetzes steht! (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ach!) Dann werden Sie, Herr Goldmann, als Kollege vielleicht erkennen, dass die Ansätze, die hier formuliert sind, bei weitem nicht ausreichend sind. Wir brauchen Klarheit, vollständige Transparenz im System. Arzneiströme vom Hersteller über den Tierarzt bis zum Bestand müssen nachvollziehbar sein. (Beifall bei der SPD) Das wird mit Ihren gesetzlichen Vorgaben bei weitem nicht erreicht. Wir haben das in diesem Haus mit mehreren Anträgen gefordert. Sie sind nicht darauf eingegangen, sondern den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Sie haben einen großen Topf weiße Salbe angerührt. Die schmieren Sie jetzt drauf. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Quatsch!) Aber darunter heilt es nicht. Das Problem wird weiter existieren; das kann ich Ihnen versichern. Zu dem zentralen Instrument einer Datenbank machen Sie gar keine Aussage. Da schreiben Sie nur etwas von einer gemeinsamen Stelle. Ich habe in dem Zusammenhang ein Gutachten beauftragt. Das haben Sie alle bekommen. Sie haben sich dafür im Ausschuss bedankt. Okay. Hätten Sie Schlussfolgerungen aus dem Gutachten gezogen und die dort dargelegten möglichen Gestaltungen in Erwägung gezogen, wären wir vielleicht heute schon ein bisschen weiter und nicht da, wo wir jetzt sind. (Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Die Diskussionen über den Antibiotikamissbrauch oder nicht ordnungsgemäßen Gebrauch führen wir schon seit zwölf Jahren. Vor zwölf Jahren wurde die Verordnung erlassen, dass wir Abgabe- und Anwendungsbelege auszustellen haben und der Landwirt das zu dokumentieren hat. Ursache war damals der eklatante, fast unglaubliche Antibiotikaskandal in Bayern, der zum Rücktritt der Ministerin Stamm geführt hat. Das sollte man sich einmal in Erinnerung rufen. In der Zwischenzeit ist übrigens nicht besonders viel passiert. (Beifall bei der SPD - Zurufe von der FDP) Das war damals der Grund für diese Verordnung. Das ist auch der Grund dafür, dass wir heute an sich alle Daten bei den Beständen und auch in den tierärztlichen Praxen vorliegen haben. Schon damals haben wir darüber diskutiert, ob diese Daten der Behörde zugänglich gemacht werden sollen oder nicht. Man hat sich damals dagegen entschieden. Jetzt ist es an der Zeit, das schleunigst nachzuholen. Ich glaube, das ist notwendig. (Beifall bei der SPD - Mechthild Heil [CDU/CSU]: Wer schreit, hat unrecht!) Was passiert denn? Schauen wir uns einmal die zeitliche Abfolge an. Es ist doch heute, wie man am QS-System sehen kann, ohne Weiteres möglich, zum Beispiel 7 Tage oder 14 Tage nach Abschluss der Behandlung die Daten einzustellen und der zuständigen Behörde mitzuteilen. Warum ist es bei Ihnen erst halbjährlich am 14. des Monats möglich, also, je nachdem, wann das Gesetz in Kraft tritt, am 14. Juli oder am 14. Januar? Warum dauert es ein halbes Jahr, bis die Daten in die Datenbank eingestellt werden? Wir könnten doch auch ein gleitendes Verfahren wählen. Wissen Sie, was passieren wird? In vielen Betrieben wird dann erst am 10. angefangen, die Daten aufzuarbeiten, um sie dann innerhalb von vier Tagen einzustellen. Vorher ist nichts greifbar. Die Behörde, die vor Ort einen Betrieb kontrollieren möchte, wird keinen Zugang haben, weil sie gar nicht weiß, was im letzten halben Jahr dort verordnet worden ist. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist auch gar nicht der Sinn!) Das ist die Konsequenz Ihres Gesetzes. Es ist meiner Einschätzung nach vollkommen untauglich, um diesen Zweck zumindest kurzfristig zu erfüllen. (Beifall bei der SPD) Erst wenn anderthalb, maximal zwei Jahre ins Land gegangen sind, ist die zuständige Behörde überhaupt in der Lage, mit Anordnung dem Betrieb zur Seite zu stehen und ihm vielleicht zu sagen, wo es langgehen könnte, wenn er es bislang selber nicht geschafft hat. Wo liegen die Ursachen für das Problem? Die Ursachen sind doch im Regelfall Hygienemängel und Mängel in der Haltung. Diese führen zu Erkrankungen. Ich kann Ihnen hier aus meiner eigenen Praxis berichten. Ich glaube, hier im Hause ist niemand, der so viele Antibiotika verordnet hat wie ich. Niemand; Sie garantiert nicht. (Heiterkeit) Ich kann Ihnen aus meiner eigenen praktischen Erfahrung sagen, wie das funktioniert. 80 Prozent aller Verordnungen sind bedingt durch Atemwegserkrankungen. (Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) - Reden Sie doch nicht, Herr Kollege, Sie haben doch nie Praxis gemacht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Schlau reden, aber keine Praxis gemacht haben. Praxis fehlt Ihnen komplett. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren. Ich kann Ihnen sagen, wie das hinterher ausschaut. (Zuruf des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Ich kann Ihnen konkret sagen, wie das funktioniert. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Da muss er -selber lachen!) Über 80 Prozent der Verordnungen sind begründet durch Atemwegserkrankungen, in der Hauptsache weil das Stallklima nicht in Ordnung ist und es bei entsprechenden klimatischen Situationen zu erheblichen Erkrankungsfällen kommt, die durchaus vermeidbar sind. Fangen wir doch einmal bei den Ursachen an, (Beifall bei der SPD und der LINKEN) und sorgen wir dafür, dass wir einen einheitlichen Gesetzesrahmen bekommen, durch den auch die Haltungsbedingungen mit entsprechenden Vorgaben, Hygienevorgaben geregelt werden, der nachvollziehbar ist und der eine entsprechende Grundlage dafür bietet, dass die zuständige Behörde eingreifen kann, wenn es nottut - nur, wenn es nottut -, und dem Landwirt hilfreich zur Seite stehen kann, wenn er es mithilfe seines Haustierarztes nicht schafft. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD - Rainer Erdel [FDP]: Genau das ist im Gesetz drin!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Priesmeier, ich glaube, es ist deutlich geworden: Wir machen genau das, was Sie wollen. (Beifall bei der FDP) Wir geben nämlich den Tierärzten das Instrument an die Hand, dass dann, wenn es Missstände in einem Stall gibt, angeordnet werden kann, diese Missstände zu beheben. Genau dafür machen wir die Behörden mit diesem Gesetz stark. Damit machen wir genau das, was du gesagt hast. Im Übrigen möchte ich dir sagen: Bei uns in Norddeutschland, in Schleswig-Holstein heißt das: "Jetzt einmal ein bisschen Butter bei die Fische." Einfach nur allgemein herumzureden und zu sagen, das alles sei Mist, reicht nicht aus, um ein konkretes Modell hervorzubringen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Lieber Kollege Priesmeier, wir haben doch eine gemeinsame Strategie. Wir haben das Arzneimittelgesetz. Wir haben DART, die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, in der letzten Legislaturperiode in Gang gesetzt und setzen sie jetzt weiter fort. Wir haben das Tierschutzgesetz, in dem wir explizit sagen, dass wir die Eigenkontrolle der Tierhalter wollen. Denn das Entscheidende ist, dass es den Tieren gut geht. Der Tierhalter muss genau Bescheid wissen, was Sache ist. Und wir haben das Tiergesundheitsgesetz, das wir jetzt beraten. Der Kollege Bleser hat es schon gesagt: Wir investieren in die Tierhaltung, indem wir mit Forschungsaufträgen ermitteln, wie wir die Tierhaltung verbessern können. Das ist ein Gesamtkonzept, um die Tierhaltung in Deutschland besser zu gestalten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priesmeier? Seine Redezeit war offensichtlich zu kurz. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Aber gern. Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Frau Kollegin, sind Sie überhaupt davon überzeugt, dass es die richtige Rechtsgrundlage ist, wenn Sie in den Gesetzentwurf schreiben, dass Sie zum Beispiel die Mastdichte und die Mastdauer regeln wollen? Wir haben eine andere rechtliche Grundlage, zum Beispiel die Schweinehaltungshygieneverordnung - Basis ist das bisherige Tierseuchengesetz -, in der es Mindestvorgaben gibt, die einzuhalten sind, die aber nie jemand kontrolliert hat. 50 ppm Ammoniak im Stall sind tolerabel, mehr nicht. Aber gehen Sie einmal in die Ställe! Wie sieht es denn dort aus? Können Sie mir eine Erklärung dafür geben? (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was bist du denn für ein Tierarzt! Das ist unglaublich!) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Genau deswegen halte ich das Gesetz für gut. Ich weiß, Verordnungen stehen nur auf dem Papier, und die Frage der Umsetzung muss geprüft werden. Das ist Aufgabe der Landesbehörden. Deswegen freue ich mich darüber, dass überall in den rot-grünen Koalitionsverträgen steht, dass die Länder im Bereich der Tierhaltung besser werden und den Antibiotikaeinsatz mindern wollen. Genau dafür geben wir ihnen jetzt ein Instrument in den Landesbehörden, mit dem sie genau das, was sie wollen, auch tatsächlich umsetzen können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der nächste Punkt ist, dass wir mit Blick auf das Tierschutzgesetz sagen: Es reicht nicht, dass ein Landwirt alle Verordnungen einhält. Nein, er soll auch in den Stall gehen und selbst einmal nachgucken, ob es den Tieren bei Einhaltung aller Verordnungen tatsächlich gut geht. (Ulrich Kelber [SPD]: Vorschriftenmacherin!) Genau das wollen wir. Deswegen haben wir konkret festgelegt, (Ulrich Kelber [SPD]: Dirigismus!) dass die Tierschutzindikatoren beachtet werden müssen. Ich nenne beispielsweise die Mortalität. Wir wissen, dass es Haltungen gibt, in denen die Mortalität meines Erachtens zu hoch ist. (Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD] nimmt wieder Platz) - Nun bleib mal noch stehen! Noch bin ich nicht fertig. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie antworten doch gar nicht! Sie reden gar nicht zum Thema!) - Ich antworte ihm auf seine Frage. Das mache ich gerne; denn er ist ein geschätzter Kollege, Herr Kollege Kelber. Das müssten Sie doch eigentlich wissen. Das erste Thema ist, wie wichtig Tierschutzindikatoren sind. Sie sind enorm wichtig. Das Zweite ist, dass die Fußballen- und Fußklauengesundheit kontrolliert werden muss. Drittens wollen wir, dass die Ergebnisse der Schlachtkörperuntersuchung ebenfalls miteinbezogen werden. Insofern haben wir ein Gesamtkonzept für die Tierhaltung, für den Tierschutz festgelegt, auf das wir wirklich stolz sein können. Vielen Dank, Herr Kollege Priesmeier. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Antibiotika sind extrem wichtige Heilmittel. Es war ein Meilenstein der Medizin, als 1928 antibiotisch wirkende Mittel entdeckt worden sind. Allerdings hat man dann in der Folge feststellen müssen, dass sich Bakterien auf solche Mittel einstellen, dass sie Resistenzen ausbilden. Deswegen sind wir jetzt dabei, die Antibiotika-abgabe so zu gestalten, dass die Resistenzbildung gemindert wird. Sie kann zwar nicht auf null gesetzt werden, weil Bakterien spontan Resistenzen bilden, aber sie kann durch den verringerten Einsatz von Antibiotika zumindest gemindert werden. Im Übrigen: Das ist eine Aufgabe für die Tiermedizin und die Humanmedizin. Es reicht nicht aus, bei diesem Punkt nur auf die Tiermedizin zu gucken. (Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Wir verzeichnen das Auftreten von multiresistenten Keimen, nämlich MRSA - lieber Kollege Priesmeier, Sie haben dies im Ausschuss vielfach erwähnt, vielen Dank - und ESBL. Wir haben die Situation, dass insbesondere Säuglinge davon betroffen sein können und dass insbesondere ältere Menschen Probleme damit haben. Deswegen müssen wir die Anzahl solcher multiresistenten Keime mindern. Wir haben ein Gesetz vorgelegt, das sich nahtlos einfügt in die deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie, die gemeinsam vom Gesundheitsminister, von der Ministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und von der Ministerin für Bildung und Forschung erarbeitet worden ist. Die Untersuchungen von Herrn Lindemann in Niedersachsen haben gezeigt, dass in vielen Tierhaltungen die Gabe von Antibiotika die Regel ist. Was wir alle aber nicht richtig beachten und was meines Erachtens ganz wichtig ist: Die Untersuchungen haben auch gezeigt, dass es in allen Bereichen Betriebe gibt, die ohne Antibiotika auskommen. In der Mehrheit sind dies konventionell wirtschaftende Betriebe. Ich bin deswegen sehr guten Mutes, dass wir uns an diesen Betrieben orientieren und die Betriebe, die zurzeit noch einen hohen Antibiotikaeinsatz haben, auf das Niveau der Betriebe ohne Antibiotikaeinsatz zurückführen können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ziel dieses Gesetzes - das muss ganz eindeutig sein - ist die Gesundheitsvorsorge, ist, dass sich weniger Bakterienresistenzen ausbilden. Dieses Ziel des Gesetzes kann nur erreicht werden über die Stärkung der Tiergesundheit. Genau dieses Ziel verfolgen wir. Deswegen wollen wir den Behörden die Möglichkeit geben, den Tierhaltern, die diese Bedingungen nicht einhalten, Auflagen zu machen, damit sie besser damit umgehen können. Ich bedanke mich im Übrigen bei den Grünen dafür, dass sie so nett waren, uns Vertrauen zu schenken und deutlich gesagt haben: Das Gesetz ist so gut, dass wir nicht nur die vier Gattungen einbezogen wissen wollen, die bereits enthalten sind, sondern dass wir das auf Fische ausdehnen wollen. - Das ist eine Bestätigung für einen guten Gesetzesansatz. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das ist deutlich; denn sonst hätte man das nicht gemacht. Wenn man gemeint hätte, dass der Ansatz nicht in Ordnung ist, würde man nicht sagen, man muss ihn auf weitere Tierarten ausdehnen. Ich glaube, dass das richtig ist. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie haben sie aber nicht mit reingenommen!) Wir haben die Kosten für die Dokumentation überschaubar gehalten. Wir nutzen Datenbanken, die bereits bestehen. Es ist richtig: Die Betriebe, die über der Kennzahl liegen, werden investieren müssen, damit sie all die Auflagen erfüllen, sodass es ihren Tieren in der Zukunft besser geht. Dadurch wird dort die Tiergesundheit gestärkt. Dabei wollen wir die Tierärzte einbinden; denn das Wissen von Tierärzten ist zu mehr gut als nur zum Verschreiben von Antibiotika. Wir wollen Tierärzte stärker in das Bestandsmanagement einbinden. Dafür müssen sie selbstverständlich auch entsprechend bezahlt werden. Wir halten es nicht für sinnvoll, das Dispensierrecht für Tierärzte aufzuheben. Wir haben gesehen, wie es in Dänemark ist; es hat letztlich nichts gebracht. Insofern sollten wir es nicht aufheben. Ich bin der Überzeugung, dass wir mit diesem Gesetzentwurf einen guten Weg beschritten haben, und ich bin darüber hinaus der Überzeugung, dass dieses Gesetz wirken wird, noch bevor die erste Kennzahl überhaupt ermittelt ist, weil sich Tierhalter an dem orientieren, was wir vorhaben, und weil sie sagen: Ich möchte nicht ins letzte Quartil hinein. Ich möchte unterhalb der Kennzahl liegen. - Die Tierhalter werden sich deshalb von vorn-herein anstrengen, damit sie nicht Maßnahmen der Behörden zu befolgen haben, und von sich aus auf eine bessere Tiergesundheit in ihren Ställen setzen. Wir haben uns in der Koalition außerdem dafür eingesetzt, dass es keinen Datenmissbrauch geben darf, und wir sind der Auffassung, dass das Gesetz evaluiert werden muss. Wenn wir es evaluiert haben, können wir darüber nachdenken, darin weitere Bereiche einzubeziehen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Dann sind Sie nicht mehr zuständig!) Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD] - Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Kollegiale Unterstützung!) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es begab sich zur Grünen Woche 2012, dass Frau Aigner mal wieder einen Aktionsplan vorlegte. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha!) Diesmal sollte es um die drastische Reduktion der Antibiotika gehen. Darüber wurde ein Jahr lang diskutiert. Und was ist dabei herausgekommen? Ein Datenbänkchen, das hier heute in aller Eile durchgewunken werden soll. Es löst das Problem leider überhaupt nicht; das hat Herr Priesmeier schon gesagt. Dabei gab es so viele Verbesserungsvorschläge aus dem Bundesrat, von den Berufsständen, der Opposition, es gab eine Anhörung, und trotzdem ist es bei allen Rechtsunsicherheiten und Regelungslücken geblieben. Anstatt alle Nutzungsrichtungen einzubeziehen, bleiben Sie bei der Mast; das ist doch völlig unverständlich. Die vorhandenen tierärztlichen Abgabebelege - auch dies hat Herr Priesmeier schon erwähnt - hätten doch zur Grundlage der Datenbank genommen werden sollen, denn darin steht noch viel mehr; das ist wirklich relevant für diese Auffassung. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kurz vor Schluss haben Sie auch noch die Meldefrequenzen von drei Monaten auf sechs Monate verlängert; was das soll, weiß überhaupt niemand. Statt konsequent zu handeln, legen Sie uns also einen Entwurf auf dem denkbar kleinsten gemeinsamen Nenner vor; das reicht nicht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD) Um das auch ganz klar zu sagen: Es geht nicht nur um das Arzneimittelgesetz. Wie man es besser machen kann, können Sie in unserem Entschließungsantrag nachlesen. Ich nenne einmal ein paar Beispiele: Die Tiergesundheit muss endlich in den Mittelpunkt der Gesetzgebung gerückt werden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Nutztiere dürfen nicht länger als Ware auf dem Basar eines gnadenlosen Marktes feilgeboten werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es muss Rechtsschutz vor Dumpingzwängen geben. Auf die Probleme der Nutztiergesundheit - zum Beispiel auf die rasant gestiegenen Risiken durch den internationalen Handel, durch den Klimawandel und durch hochriskante Strukturen - muss endlich adäquat reagiert werden. Die Linke fordert: Megaställe und zu hohe regionale Viehdichten müssen verhindert werden. (Beifall bei der LINKEN) Die Antibiotikadatenbank muss auf Bundesebene angesiedelt werden, und die tierärztlichen Abgabebelege müssen einbezogen werden. Ebenso müssen Daten zu Haltungsbedingungen, zur Sterblichkeit, zu Schlachtbefunden, zur Häufigkeit der Anwendung und zur Höhe der täglichen Dosierung in diese Datenbank einbezogen werden. Das darf nicht nur für die Mast gelten, das muss für alle Haltungsformen und -stufen gelten. Die Behandlung ganzer Bestände muss unbedingt explizit vermerkt werden. Alle Haltungssysteme inklusive der Bestandsdichten im Stall und in den Regionen müssen auf Tiergesundheitsrisiken hin überprüft werden. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung muss auf alle Nutztierarten ausgeweitet werden; das ist ganz wichtig. Die Hygiene und das Klima im Stall müssen dringend verbessert werden; dazu brauchen wir klare Regelungen. Wir brauchen dringend eine integrierte tierärztliche Bestandsbetreuung, (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Wohl wahr! Genau!) in der auch geregelt ist, wie häufig ein Tierarzt, eine Tierärztin im Stall aufzutauchen hat. Die Behörden brauchen wirksame Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten. Im Moment werden zwar Missstände festgestellt; aber im Prinzip kann überhaupt nichts dagegen gemacht werden. Darüber hinaus müssen Wissenslücken geschlossen werden. Die Deutsche Agrarforschungsallianz hat einen ganz langen Katalog von Problemen in der Nutztierhaltung vorgelegt. Dieser Katalog muss jetzt dringend abgearbeitet werden, und das darf auf keinen Fall an Finanzierungsproblemen scheitern. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das machen wir doch!) Und: Die Linke fordert - das ist auch wichtig - die Einrichtung eines epidemiologischen Zentrums, das sich wissenschaftlich begründet explizit mit der Verhütung und Bekämpfung von Tierseuchen beschäftigt und uns entsprechende Konzepte vorlegt. Die Aus- und Weiterbildung der Landwirtinnen und Landwirte sowie der Tierärzte muss auf die neuen Herausforderungen, die ich beschrieben habe, ausgerichtet werden. Beide Berufsgruppen müssen wie alle anderen von ihrer Arbeit leben können. Das ist entscheidend dafür, dass auch die Qualität stimmt. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Aus unserer Sicht haben Humanantibiotika im Stall nichts zu suchen. (Zuruf von der LINKEN: Genau!) Wir müssen auch konsequenter gegen Antibiotikamissbrauch vorgehen. Die Linke fordert die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob nicht im Fall von Betrug oder grob fahrlässigem Handeln die tierärztliche Approbation entzogen werden kann. (Beifall bei der LINKEN) Zu guter Letzt möchte ich sagen: Es ist ganz wichtig, dass wir endlich gegen den Dumpingwettbewerb in der Lebensmittelproduktion vorgehen. Den haben viele satt - und das völlig zu Recht. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Kollege Friedrich Ostendorff. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! "Wo ist Behle?", fragte sich halb Deutschland, als Skilangläufer Jochen Behle vor vielen Jahren, 1980, in den weiten Wäldern Lake Placids verschwand und nicht mehr auftauchte. Unsere Frage heute ist: Wo ist eigentlich Ministerin Aigner bei der Bekämpfung des massiven Antibiotikaeinsatzes? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Behle war nur zu langsam, meine Damen und Herren, aber noch in der Spur. Ministerin Aigner ist nicht nur zu langsam, sie hat auch Spur und Richtung verloren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Bekämpfung des Antibiotikaskandals schwebt nun schon seit 16 Monaten. Wo ist Frau Aigner? Frau Aigners Regierungszeit ist geprägt von Skandalen: Dioxin, Ehec, PCB, ESBL, MRSA usw. - und dem Antibiotikaskandal in der Tierhaltung. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Mindestens genauso gravierend wie die Krisen ist jedoch Ihr unsägliches Krisenmanagement. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verschleiern, solange es geht, verharmlosen, solange es geht, vertrösten, solange es geht, und verschieben, solange es geht: Das ist die einzige Antwort, die Ministerin Aigner und Sie von Schwarz-Gelb den Menschen draußen auf ihre drängenden Fragen geben. Wir sagen: Das ist überhaupt keine Antwort. Das ist zutiefst verantwortungslos und vor allen Dingen verantwortungslos gegenüber unseren Nutztieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was ist Ihre Antwort?) Außer Ankündigungen passiert nichts. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was ist Ihre Alter-native?) Keine Verbesserungen für Hühnchen und Schweine! Keine Verbesserungen für Puten! Auch bei den Legehennen haben Sie komplett versagt, und selbst den anachronistischen Pferdeschenkelbrand haben Sie weiter erlaubt. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Skandal!) Wir sagen dazu: Thema verfehlt! Ohne den Umbau der Tierhaltung werden Sie den Antibiotikaeinsatz niemals drosseln können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das sehen wir nämlich an Dänemark, wenn wir dort genau hinschauen. (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Richtig!) Wie viel Antibiotika eingesetzt werden, ist zuallererst eine Frage der Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb. Aber an Haltung lassen Sie es ja -vermissen, weil Sie regelmäßig vor der Agrarlobby einknicken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was für eine Büttenrede!) Das ist verantwortungslos; denn Sie sind den Bürgerinnen und Bürgern und nicht Bauernverband und Agrarindustrie Rechenschaft schuldig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das, was Sie tun, ist aber nicht nur verantwortungslos, sondern leider auch höchstgefährlich. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Wer hat diese Rede geschrieben?) Ihr Nichtstun führt zu weiteren Antibiotikaresistenzen. Sie wollen den Skandal weiter nur erfassen und dokumentieren, statt die Ursachen anzugehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Marlene Mortler [CDU/CSU]: Demagoge!) Dabei hat gerade erst die Denkschrift der Leopoldina vor dem Rückfall ins präantibiotische Zeitalter gewarnt. Lesen Sie das einmal nach! Die Leopoldina warnt davor, dass Krankheiten wie Scharlach durch den Missbrauch von Antibiotika möglicherweise lebensbedrohlich werden können. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja, ja!) - Ja, Wissenschaft interessiert Sie nicht, Herr Goldmann; das wissen wir. (Zurufe von der FDP) Ihre einzige Antwort darauf ist: Wir machen mal ein bisschen mehr Erfassung und verordnen den Tierhaltern Reduktionspläne - ohne wirkliche Durchgriffsrechte der Landesbehörden. Das kann doch nach 16 Monaten nicht alles gewesen sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Stoppen Sie endlich die verbotene prophylaktische permanente Verfütterung von Antibiotika über das Trinkwasser! Das ist doch die tägliche Praxis im Bereich der Hühner. Stoppen Sie das! Sie sind Ihrer Verantwortung, Antibiotika auf kranke Tiere zu begrenzen, nicht gerecht geworden. Statt Wirtschaft, Gesellschaft und Politik an einen Tisch zu bringen und ein Gesamtkonzept für eine weitgehend antibiotikafreie Tierhaltung zu entwickeln, haben Sie Türen und Fenster verschlossen und drinnen mit der Agrarlobby das Handeln ausgekungelt. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was soll das jetzt?) Wir Grünen erwarten von Ihnen keinen Reformimpuls mehr. Wir setzen auf einen Neustart nach dem 22. September 2013. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Dann wollen wir den überfälligen Wandel in der Agrar- und Verbraucherpolitik angehen. (Marlene Mortler [CDU/CSU]: Unglaublich! - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ihr habt in den Ländern versagt! - Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das geht aber nur mit Rot-Rot-Grün!) Tiergerecht, offen und transparent, mit den Bürgerinnen und Bürgern statt permanent an ihnen vorbei: So werden wir es angehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner hat jetzt der Kollege Dr. Max Lehmer von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Jetzt ist wieder Verstand hier! - Marlene Mortler [CDU/CSU]: Endlich gibt es wieder Verstand!) Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Ostendorff, ich darf das sagen, weil ich, wie Sie, praktizierender Landwirt bin und seit 50 Jahren mit Tieren umgehe - das müssen Sie mir nicht beibringen -: Mit der Polemik, die Sie gerade wieder vorgetragen haben, lösen wir genau die Probleme, die es unstrittig gibt, nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber mit dem Gesetzentwurf auch nicht!) Zu den Problemen mit Bioeiern und anderen Problemen, die es auch in der Ökolandwirtschaft gibt, müssen Sie einfach stehen. Diese Form kann nicht einmal 3 Prozent des Fleischbedarfs und des Bedarfs an tierischen Produkten der deutschen Bürgerinnen und Bürger decken. Also haben Sie nur relativ wenig Berechtigung, über die Tierhaltungsformen zu reden. Dass es in Ihrem Bereich auch Probleme gibt, erleben wir jeden Tag. Kommen wir also zur Sache. Es geht, wie der Herr Staatssekretär gesagt hat, um die Sicherstellung des Einsatzes einer wirksamen Waffe gegen unvermeidbare Infektionskrankheiten. Die Gesunderhaltung unserer Nutztiere gehört zum aktiven Tierschutz. (Beifall der Abg. Marlene Mortler [CDU/CSU]) Das ist das große Anliegen eines jeden Tierhalters. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn Sie ihm das absprechen, dann beleidigen Sie viele Tausend Familienbetriebe, die das hohe Bedürfnis und das hohe Ziel haben, ihre Tiere so zu halten, dass sie auch gesund bleiben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, viele Technologien, die in den letzten Jahrzehnten für die Stallbauten, für die Stallformen, für die Haltung von Tieren, die für Lüftungen, Klimaanlagen, Bodenbeläge usw. entwickelt wurden, dienen dem Tierwohl. Das können Sie nicht einfach negieren. Jeder ist bemüht - die Tierhalter, die Technikhersteller, die Behörden und die Tiermediziner -, diese Probleme zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Versorgung der Tiere mit Arzneimitteln muss stets gewährleistet sein. Vermitteln Sie doch nicht den Eindruck, wir brauchten nur so wichtige Medikamente wie Antibiotika wegzulassen, und dann hätten wir das Problem gelöst! (Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das sagt doch keiner! Sie haben nicht zugehört! - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zielgenau einsetzen! Darum geht es!) Nein, dann haben wir es eben nicht gelöst. - Frau Kollegin, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Aber der Zusammenhang von Haltungsformen - Sie kritisieren die Haltung in großen Formen - und epidemiologischen Problemen ist genau nicht nachgewiesen. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das hat sie auch nicht gesagt! - Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Ich habe von Megaställen geredet!) - Lassen Sie doch die Kampfbegriffe weg! Gehen wir doch zu den Ursachen! (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Eben! Genau das ist es!) Ist es die Lüftung, ist es die Größe, ist es die Stallform? Was ist es? Herr Kollege Priesmeier, genau diese Zusammenhänge sind wissenschaftlich nicht ausreichend erforscht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD und der LINKEN) - Aber natürlich nicht. Ich habe darüber mit dem Professor aus Hannover, der die Indikatoren entwickeln soll, geredet. Er sagte, damit fangen wir erst richtig an. Das ist die Tatsache. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, wir fangen anders an; wir analysieren, wir stellen fest: Wir haben einen hohen Antibiotikaeinsatz. - Den mit dem in der Humanmedizin zu vergleichen, ist sowieso völlig daneben - völlig daneben! -, weil die absolute Antibiotikamenge überhaupt nichts über die Qualität des Einsatzes aussagt. Bei einer Resistenzstrategie ist nicht die Menge entscheidend, sondern der Einsatz. Wann setze ich es ein, welchen Wirkstoff verwende ich, und wie lange und wie oft darf ich bekämpfen? Das ist in der Humanmedizin nicht anders. Man könnte auch einmal auf die Idee kommen, den Einsatz von Antibiotika dort zu überprüfen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) sich fragen, ob man bei jedem kleinen Nasenkitzler schon ein Antibiotikum braucht. Da müssen wir uns alle einmal an die Nase fassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Also: Die Einsatzmenge ist zunächst nicht der wichtigste Indikator für oder gegen die Anwendung eines Medikaments, das unverzichtbar ist. Wir wollen selbstverständlich Resistenzen vermeiden. Das ist überhaupt keine Frage. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen reicht nicht, Herr Kollege!) Aber diese Resistenzentwicklung ist ein biologisches Prinzip. Das gilt bei Pflanzen, Tieren und Menschen in gleicher Weise. Wenn Sie mit einem Wirkstoff einen Organismus lange behandeln, dann wehrt er sich, und das nennt man "Resistenz". Das heißt, der Organismus kann sich zur Wehr setzen. Das ist zunächst nichts Schlimmes. Das Schlimme dabei ist, dass dann der Wirkstoff nicht mehr brauchbar ist. Genau das müssen wir verhindern. Deshalb haben wir eine Strategie. Bei dieser Strategie, Herr Kollege Priesmeier, fangen wir nicht bei den Transporten auf der Autobahn an. Wir wissen ja nicht, wo in einer bestimmten Haltungsform der optimale Einsatz ist. Das weiß keiner; das weiß in Deutschland kein Wissenschaftler. Deshalb machen wir ein Benchmark. Wir testen jetzt mit einer aufwendigen Analyse und in einem Erfassungssystem - da nehmen wir übrigens auch die AuA-Belege und alle Daten, die wir in QS schon haben, um dem Landwirt zusätzliche Bürokratie zu ersparen -, was denn eingesetzt wird. Das machen wir zeitnah und schnell. Zusammen mit dem Tierarzt ist der Landwirt verpflichtet, alles aufzulisten. Wir werden dabei die Therapiehäufigkeit tierspezifisch und haltungsspezifisch analysieren. Daraus ergibt sich dann ein Benchmark. Wer über oder unter diesem Benchmark liegt, hat mit Maßnahmen zu rechnen. Wer im Benchmark auffällig wird, weil er über dem Behandlungsquotienten liegt, muss sich mit dem Tierarzt zusammensetzen und binnen eines Jahres einen Beleg vorlegen oder mit dem Tierarzt einen Maßnahmenkatalog besprechen. Diese Zeit muss man dem Landwirt geben, weil in dieser Zeit auch erst ermittelt wird, welcher Ursachenkomplex für dieses Abweichen von der Norm, vom Benchmark, verantwortlich ist. Das ist ja auch kein Klacks, da geht es um große Entscheidungen. Deshalb muss man das valide machen, und das tun wir mit diesem Ansatz. Dieses schlüssige Gesamtkonzept, das jetzt mit drei Schwerpunkten angegangen werden soll, ist wirklich eine Innovation. (Lachen bei der SPD) Erstens. Wir fördern und verbessern den sorgfältigen Einsatz und den verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika in der Tierhaltung, zum Beispiel bei Umwidmungen von Arzneimitteln. Zweitens. Wir ermöglichen der Überwachung eine effektivere Aufgabenwahrnehmung. Drittens. Wir führen ein umfangreiches Antibiotikaminimierungskonzept für Mastbetriebe neu ein. Das hat es bisher nicht gegeben. Dass wir das bürokratiesparend machen wollen, habe ich schon erwähnt. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir ergreifen auch Maßnahmen, damit die Bürokratie nicht ausufert. Wir legen Bestandsuntergrenzen fest, sodass bei der Erfassung des Großteils des Tierbestandes die Ermittlung der Kennzahlen repräsentativ bleibt. Neben einer Präzisierung des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Therapiehäufigkeit, das bereits im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, - Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Aber den lesen Sie jetzt nicht mehr vor, bitte. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Denn Ihre Zeit ist abgelaufen. Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): - haben wir die Maßnahmen präzisiert, die bei Überschreiten der Kennzahlen zu treffen sind. Insgesamt ist das ein rundes Konzept. Über Nacht ist keine Lösung zu finden. Lassen Sie uns jetzt mit sachgerechter Kompetenz, genauer Analyse und einer guten Zusammenarbeit zwischen dem verantwortlichen Tierhalter, dem Tierarzt und den Behörden an die Sache he-rangehen und eine Verbesserung des Antibiotikaeinsatzes erreichen. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12526, den Gesetzentwurf der Bundes-regierung - das sind die Drucksachen 17/11293 und 17/11873 - in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Wir kommen zuerst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12544. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Grünen und Zustimmung von SPD und Linken abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12545. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD und der Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Wir setzen die Abstimmungen zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/12526 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12385 mit dem Titel "Ein effizientes Tierarzneimittelgesetz schaffen und die Antibiotikagaben in der Nutztierhaltung wirkungsvoll reduzieren". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Systematischen Antibiotikamissbrauch bekämpfen - Tierhaltung umbauen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/10662, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/9068 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 13 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Petra Crone, Dr. h. c. Gernot Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Menschenrechte älterer Menschen stärken und Erarbeitung einer UN-Konvention fördern - Drucksache 17/12399 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (f) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Angelika Graf von der SPD-Fraktion das Wort. (Unruhe) - Vielleicht können die Kollegen, die nicht mehr teilnehmen wollen, den Saal verlassen, damit die anderen der Rednerin folgen können. - Bitte schön, Frau Graf, Sie haben das Wort. (Beifall bei der SPD) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Danke schön, Herr Präsident. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inzwischen spricht in Deutschland jeder über die demografische Entwicklung. Positiv wird sie wahrgenommen als Chance für den Einzelnen; denn man lebt länger. Positiv wird sie auch wahrgenommen im Bereich der Wirtschaft. Positiv wird sie wahrgenommen im Bereich der ehrenamtlichen Tätigkeiten. Aber sie wird ebenso mit Angst und Schrecken wahrgenommen wegen der großen Herausforderungen, die für unsere Gesellschaft damit einhergehen, zum Beispiel der Herausforderung für die sozialen Sicherungssysteme. Im Jahr 2050 wird jeder dritte Deutsche älter als 60 Jahre sein. Mit dieser Entwicklung stehen wir aber nicht alleine da. Das weltweite Durchschnittsalter von derzeit 42,9 Jahren wird auf 48 Jahre steigen. Gleichzeitig werden 2050 weltweit etwa 2 Milliarden Menschen über 60 Jahre alt sein. Heute sind es gerade einmal 810 Millionen. In knapp 40 Jahren, also innerhalb einer durchaus absehbaren Zeit, werden mehr ältere Menschen auf der Erde leben als Kinder unter 14 Jahren. Die wachsende Bevölkerungsgruppe der Älteren und insbesondere der Hochaltrigen ist überall auf der Welt ähnlich wie die Gruppe der Kinder sehr verletzlich. Ihre spezifischen Bedürfnisse sind im deutschen wie im internationalen Recht bisher nur sehr unzureichend berücksichtigt und geschützt. Der Schutz vor Diskriminierung aufgrund des Lebensalters ist zum Beispiel im internationalen und europäischen Recht im Vergleich zu anderen Diskriminierungsmerkmalen schwach ausgestaltet. Deshalb war es uns als SPD damals in der Großen Koalition so wichtig, dass Deutschland eine Vorreiterrolle spielt. Wir haben trotz des Widerstands der Union das Verbot der Diskriminierung wegen Alters in das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aufnehmen können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) So ganz klappt das allerdings noch nicht mit der Implementierung; das muss man einfach feststellen. Nach einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gelten ältere Menschen als sehr stark diskriminiert. Auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen weist regelmäßig darauf hin. Es handelt sich vorwiegend um Diskriminierungen am Arbeitsmarkt, in der Gesundheitsversorgung und in der Bildung, also in sehr zentralen Bereichen des Lebens. Die Vulnerabilität der Gruppe verstärkt sich mit steigendem Alter, und zwar in Deutschland wie überall auf der Welt. Dann sind nämlich viele Menschen abhängig von Drittpersonen und können sprachlich oder körperlich nur noch beschränkt kommunizieren und sich nur selten wehren. Immer wieder beschäftigen uns in Deutschland Berichte über Pflegeskandale. Sie sind - das sage ich hier ganz deutlich - nicht die Regel. Aber oft sind Pflegekräfte oder auch Angehörige überfordert. Da kann es eben zu einer Einweisung einer pflegebedürftigen oder dementen Person gegen ihren Willen in ein Pflegeheim, einer Ruhigstellung durch Medikamente, einer Zwangsernährung über eine Magensonde oder einer Fixierung kommen - schlimme Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Menschen. Auch über körperliche und psychische Gewalt wird berichtet. Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen wird zudem oft nicht das Maß an Privatleben, an Privatsphäre zugestanden, das ihnen zusteht. Im Bereich der politischen Rechte reichen die Benachteiligungen vom nicht altersgerechten Zugang zu Wahlurnen und zum Wahllokal über Altersgrenzen bei Ehrenämtern - Stichwort: Schöffen - bis hin zur politischen Entrechtung durch die Vormundschaft Pflegebedürftiger, so zum Beispiel durch die Kündigung von Parteimitgliedschaften. Frauen im Alter, hier in Deutschland wie in den Entwicklungsländern und Schwellenländern, sind von den Diskriminierungen mit am stärksten betroffen. In vielen Entwicklungsländern arbeiten Frauen ein Leben lang im informellen Sektor und sind dann im Alter sozial nicht abgesichert und rechtlos. Auch werden Frauen in vielen Gesellschaften im Erbrecht diskriminiert und haben im Alter keine angemessene Unterkunft. Wir sind der Ansicht, dass die Bundesregierung auf nationaler Ebene die Probleme der Diskriminierung Älterer nicht ernst genug nimmt. Eine ihrer ersten Amtshandlungen beim Amtsantritt 2009 war, der Antidiskriminierungsstelle die Mittel zu kürzen. Wir fordern die Bundesregierung ausdrücklich auf, diese Kürzungen zurückzunehmen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen, dass die Menschenrechte im Bereich der Pflege effektiver überwacht werden. Hierfür müssen die Heimaufsichtsbehörden und die Medizinischen Dienste besser als bisher in die Lage versetzt werden, ihre Kon-trollmöglichkeiten zu nutzen. Sanktionen dürfen da kein Tabu sein. Die Ergebnisse der Kontrollen sollen wissenschaftlich evaluiert und die Pflegearbeit im stationären, aber auch im ambulanten Bereich soll in Richtung Ergebnisqualität überprüft werden. Ebenso sollen die Erfahrungen mit dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz überprüft werden. Dies ist, denke ich, eine not-wendige Voraussetzung dafür, dass bessere Pflegestandards durchgesetzt werden. Auf internationaler Ebene setzt die Bundesregierung aus unserer Sicht ebenfalls keine Zeichen, und das, obwohl die UN im Jahre 2012 festgestellt hat, dass das Menschenrechtssystem lückenhaft ist, und damals explizit angeregt hat, die Rechte zum Schutz Älterer neu zu regeln. Bisher hat die Bundesregierung dieses Thema der Zivilgesellschaft überlassen. Organisationen wie HelpAge leisten wirklich gute Arbeit. Doch braucht es ein ernsthaftes politisches Engagement. Das bedeutet, die bereits seit 2010 bestehende Working Group on Ageing der UNECE zu unterstützen und sich dafür einzusetzen, eine UN-Konvention über die menschenrechtlichen Bedürfnisse älterer Menschen zu erarbeiten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Um effektiv den Schutz der Rechte Älterer zu kontrollieren, ist aber auch vonnöten, einen UN-Sonderbericht-erstatter einzusetzen. Denn was hilft es, wenn man eine Konvention hat und keine entsprechende Kontrolle möglich ist? Wer glaubt, mit einer solchen neuen Konvention würden die Rechte anderer Bevölkerungsgruppen, zum Beispiel der Jungen, beschnitten, der ist im Irrtum. Ich denke, dass Schutzmechanismen für eine vulnerable Gruppe, seien es Kinder - da gibt es die UN-Kinderrechtskonvention -, seien es die Frauen - da gibt es CEDAW - oder Behinderte - da gibt es die UN-Behindertenrechtskonvention -, der gesamten Gesellschaft nutzen. Allein die Befassung mit der Menschenrechtssituation dieser Gruppen und der Zwang, die Konvention umzusetzen, verändern aus meiner Sicht langfristig die gesellschaftlichen Prozesse und führen dazu, dass Verhaltensweisen generell überdacht werden. Ich denke, das gereicht zum Vorteil aller. Deswegen brauchen wir dringend diese Konvention. Sie bringt uns weiter, insbesondere mit Blick auf die Entwicklung der Demografie in vielen Ländern, wo der Schutz für Ältere noch viel schlechter ist als bei uns. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Frank Heinrich von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Frank Heinrich (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schönen guten Abend! "Menschenrechte älterer Menschen stärken und Erarbeitung einer UN-Konvention fördern", mir persönlich ist das ein ganz besonderes Anliegen; das wissen Sie vielleicht nicht. Ich habe wahrscheinlich Ihnen allen gegenüber einen kleinen Vorsprung: Ich habe 14 Jahre meines Lebens in einem Altenheim gelebt; das hat mit meinen Eltern und ihrem Beruf zu tun. Ich habe dadurch viele Menschen und den Schatz kennengelernt, den es in den damit verbundenen Begegnungen gibt, von dem in Reden immer wieder gesprochen wird. Ich erinnere mich an Gesichter, und ich erinnere mich an Begegnungen. Ich erinnere mich etwa an Oma Berta, wie wir sie alle nannten, 99 Jahre, quicklebendig, nicht nur im Haus, sondern auch im Dorf, in dem das Heim stand. Ich erinnere mich an Schwester Luise, die eines Nachts meine Mutter weckte - Schwester Luise war blind; sie hatte sich in der Etage vertan; sie musste ja kein Licht anmachen, auch im Zimmer meiner Mutter nicht -, als sie bei der Berührung ihres Gesichtes feststellte, dass sie im falschen Zimmer gelandet war. Ich erinnere mich auch an Opa Walther, der überhaupt kein Problem hatte, sich mit den Jugendlichen zu unterhalten, und ihnen sogar das Wasser reichen konnte. - Ältere Menschen sind ein sozialer Schatz für unsere Gesellschaft. Das kam auch in Ihrer Rede zum Ausdruck, Frau Graf. Neben dieser Wertschätzung brauchen Sie aber auch unseren Schutz. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ältere Menschen spielen - darauf werden sie leider immer wieder reduziert - auch eine ökonomische Rolle, nicht nur bezogen auf den Wirtschaftsfaktor, sondern auch als Rentner, wenn sie ehrenamtlich tätig sind, Enkel betreuen, den Ehe- oder Lebenspartner pflegen, aber auch, wenn sie ihre spezifischen oder allgemeinen Erfahrungen aus ihrem Leben weitergeben. Leider werden die älteren Menschen oft nur mit negativen Begriffen beschrieben. Zum Beispiel reden wir vom Problem der Überalterung. Zusammen mit einem Landtagskollegen aus Chemnitz habe ich mich entschieden, wenn möglich, auch von Unterjüngung und nicht immer von Überalterung der Gesellschaft zu sprechen. Das Altern dieser Bevölkerung ist einer der bedeutenden Trends des 21. Jahrhunderts. Es gibt natürlich große regionale Unterschiede. Eine Schwierigkeit, die wir mit Ihrem Antrag haben, ist, dass darauf unserer Meinung nach nicht differenziert genug eingegangen wird, weil er zum einen die deutsche Situation beschreibt und zum anderen aber auch die weltweite Situation. Die nötige Bewältigung dieser Herausforderung, nämlich der Alterung unserer Bevölkerung, ist eine absolute Maßgabe für unsere Politik. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon schreibt - ich zitiere -: Die sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieses Phänomens sind tiefgreifend und reichen in beispielloser Weise weit über das Individuum und die Familie hinaus bis in die Gesamtgesellschaft und die Weltgemeinschaft. Was sind diese Herausforderungen? Sie benennen sie in Ihrem Antrag. Es geht um die Anerkennung der Sorge um dieses Problem. Die Zahlen in Deutschland zeigen - der demografische Wandel; Sie haben es genannt -, dass der Anteil der Jüngeren ständig abnimmt, während der Anteil der Älteren in der Bevölkerung steigt. Den Fokus auf ältere Menschen zu richten, ist eine demografische Notwendigkeit und damit politisch mehr als angezeigt. Sie werden sich erinnern, dass einige Maßnahmen der Bundesregierung eindeutig in diese Richtung gehen. Die weltweiten Zahlen besagen, dass 2050 mit 2 Milliarden Menschen ein Fünftel der Menschen dieser Erde über 60 Jahre alt sein wird. Heute ist es "nur" ein Neuntel. 80 Prozent der über 60-Jährigen werden 2050 - das ist der geografische Unterschied - in Entwicklungsländern leben. Die Organisation HelpAge hat gesagt: "Die Welt wird grau" - verstehen Sie das nicht falsch -, wenn wir diese Herausforderung nicht bewältigen. Herausforderungen für Deutschland sind altersbedingte Krankheiten - wir reden oft über Alzheimer; das führt oft zu Fremdbestimmung und Entmündigung -, Altersarmut und Diskriminierung. Wir alle kennen das Wort "Sexismus"; für das Wort "Ageism" gibt es noch kein deutsches Wort. Es sind stereotype Einstellungen, die zu diskriminierendem Verhalten gegenüber älteren Menschen führen. Ageism beschreibt einerseits die Diskreditierung des Altersprozesses als solchen und andererseits die Exklusion aller, die als "alt" etikettiert werden. Die Welt hat im letzten Jahr in einem Bericht das Beispiel von Margret Schukies, einer attraktiven und unternehmenslustigen Dame - 62 Jahre alt - beschrieben. Sie wollte sich einen Hundewelpen in einem Tierheim abholen; aber die Leiterin des Tierheims sagte ihr, sie sei zu alt. Es gibt Diskriminierung im Erwerbsleben, beim Abschluss von Versicherungen und soziale Isolation. Ein frappierendes Beispiel war eine Hitzewelle im Jahr 2003 in Frankreich; im letzten Jahr drohte sie dort wieder. Daran sind etwa 15 000 Menschen gestorben; 80 Prozent von ihnen waren über 75 Jahre alt. Es wurde einfach vergessen, sie zu versorgen. Es gibt sogar Misshandlungen - Sie haben das geschildert -: körperliche Misshandlung durch Festhalten, emotionale Misshandlung durch Beschimpfung oder in Form von Vernachlässigung. Zudem gibt es Menschenrechtslücken im Hinblick auf institutionelle und private Pflege. Ich komme zu den Problemen in den Entwicklungsländern. Die Lage älterer Menschen hat sich in den Entwicklungsländern um einiges verschlechtert. Ältere Menschen waren früher aufgrund ihrer Lebenserfahrung, von der ich hier anfangs sprach, Vermittler in der Gemeinde bzw. der Gemeinschaft. Zurzeit erleben sie immer häufiger Gewalt und Misshandlungen. Dazu kommt es natürlich auch aufgrund von Druck und Notsituationen. Armut oder HIV/Aids sind Gründe für die Verschlechterungen, ebenso Analphabetismus und die höhere Verletzbarkeit älter werdender Menschen. Aber es kann sogar noch weiter gehen: Im Jahr 2011 wurden in Tansania 500 ältere Frauen ermordet, die der Hexerei beschuldigt wurden. Ich komme zu Lösungen bzw. zu Antworten und Reaktionen auf die Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben. Wir können bei Ihrem Antrag an zwei Stellen nicht mitgehen; die Punkte bauen, wie Sie in Ihrer Rede gesagt haben, sogar aufeinander auf. Wir sind erstens nicht der Meinung, dass die Erarbeitung einer UN-Konvention für die Rechte älterer Menschen angezeigt ist, zumal die Vereinten Nationen den Auftrag haben, zu prüfen, ob dies Sinn macht. Wir können hier unter anderem deshalb nicht mitgehen, weil die entsprechenden völkerrechtlichen und menschenrechtlichen Voraussetzungen bereits bestehen und es nun an ihre Umsetzung gehen muss. Da gibt es zum Beispiel - ich könnte jetzt alle Vereinbarungen nennen, aber Sie kennen sie schon; sie stehen auch in Ihrem Antrag - den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen. Immer geht es auch um das Alter; nicht immer wird es explizit genannt. So heißt es auch in Ihrem Antrag - ich zitiere daraus -: Artikel 25 der 2009 in Kraft getretenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union verbürgt "das Recht älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges Leben und auf Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben". Alter ist darüber hinaus eines von sechs Merkmalen, die das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt und aufgrund derer kein Mensch diskriminiert werden darf. Zudem sind die Vereinten Nationen dabei - ich habe es schon gesagt -, zu untersuchen, ob die Lösung, eine Konvention zu erarbeiten, Sinn macht. Die von Ihnen genannte UN Open-ended Working Group on Ageing wurde letzten Dezember beauftragt, einen Vorschlag dazu zu unterbreiten, was eine Vereinbarung zum Schutz der Rechte Älterer umfassen sollte. Einer Konvention können wir also nicht zustimmen. Insofern können wir - das ist die logische Folge - zweitens nicht der Einsetzung eines Sonderberichterstatters für die Menschenrechte älterer Menschen zustimmen. Es besteht der Bedarf, die bestehenden Verträge, die bestehenden Mechanismen besser anzuwenden. Das tut auf der einen Seite die EU. Letztes Jahr war das Europäische Jahr für aktives Altern und Solidarität zwischen den Generationen. Um die entsprechende Debatte voranzubringen - darum muss es zuerst gehen -, wurden anlässlich des Europäischen Jahres 90 Initiativen auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene durchgeführt. Was wurde in Deutschland schon gemacht? Letztes Jahr wurde die Demografiestrategie auf den Weg gebracht. Dabei geht es zuerst einmal darum, ein Bewusstsein für das Thema zu schaffen. "Jedes Alter zählt" - so wurde diese Strategie genannt. Eines der sechs Themenfelder der Demografiestrategie trägt den Titel "Selbstbestimmtes Leben im Alter". Hier geht es um folgende Ziele - ich gehe nur kurz darauf ein -: selbstbestimmtes Leben, Aktivität im Alter, gesellschaftliche Teilhabe, gesundes Altern. Die Bundesregierung engagiert sich auch bei der Bekämpfung von diesen Stereotypen bezüglich älterer Menschen und setzt sich für eine bessere Lebensqualität ein. Ich weiß nicht, wer von Ihnen die Posterkampagne des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wahrgenommen hat. Ich habe ein Bild von dem Poster gemacht. Darauf steht: Ältere auf dem Arbeitsmarkt unverzichtbar (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das ist letztendlich etwas, das die Gesellschaft durchdringen muss; es darf nicht nur ein Signal sein, das von uns in der Politik ausgeht. Als erstes deutsches Bundesland hat Sachsen 2005 einen Landesseniorenbeauftragten bestellt. Er hat unter anderem folgende Projekte verfolgt: altersentsprechende Anpassung von Bildschirmen und Eingabemasken, Förderung der Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben insbesondere im ländlichen Raum. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Von den Forderungen, die Sie aufführen, könnte man folgende Forderung tatsächlich unterstützen: stärkere Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Verbände bei der Verbesserung der menschenrechtlichen Situation. Des Weiteren könnte man die Forderung unterstützen, sich für die Umsetzung von Systemen für sozialen Basisschutz, für sogenannte Social Protection Floors, in Partnerländern einzusetzen, auf Länder hinzuwirken, im menschenrechtlichen Bereich ordnungsrechtliche Verantwortung zu übernehmen, auf die Bundesländer hinzuwirken, Seniorenbeiräte in den Ländern und Kommunen nach einheitlichen rechtlichen Grundlagen einzurichten - ich habe gerade das Beispiel Sachsen angesprochen -, und - das ist mir am Schluss noch wichtig - sich für die Abschaffung diskriminierender Altersgrenzen, "Höchst--altersgrenzen" genannt, im Ehrenamt und im Kirchengesetz einzusetzen. So hat auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das letzte Jahr zum Themenjahr gemacht: "Im besten Alter. Immer". Das ist heute noch auf der Webseite zu sehen. Weitere Vorschläge in diesem Bereich wären Forschung bezüglich Krankheiten, die mit dem Alter verknüpft sind, oder weitere Maßnahmen zur aktiven Alterung. Da gibt es das Projekt "Home-share" aus Großbritannien zur Stärkung der Solidarität zwischen Generationen durch Dienstleistungen, sodass ältere Menschen Mitbewohner haben können. Zum Schluss. Demografischer Wandel sollte eher als Möglichkeit, als Opportunity - ich nenne den englischen Begriff, weil es auch um den internationalen Zusammenhang geht -, als Möglichkeit für innovative Lösungen für viele aktuelle, soziale und wirtschaftliche Probleme denn als Last angesehen werden. Aber dafür brauchen wir einen neuen gesellschaftlichen Konsens, dass ältere Menschen ein sozialer Schatz für unsere Gesellschaft sind, und nicht nur eine politische Initiative. Ältere Menschen zu befähigen, gesünder und aktiver in der Arbeitswelt und der Gemeinschaft zu sein, wird uns bei diesen demografischen Herausforderungen helfen - auf einem Weg, der gerecht und nachhaltig ist. Mein letzter Satz. Art. 10 des Madrid International Plan of Action on Ageing lautet: Das Potenzial älterer Menschen ist eine mächtige Grundlage für die zukünftige Entwicklung. Es befähigt zunehmend die Gesellschaft, sich auf die Fähigkeiten, die Erfahrung und die Weisheit älterer Menschen zu verlassen. In diesem Sinne wünsche ich uns einen guten Anstoß und ein gutes Weiterarbeiten an dem Thema dieser Debatte; denn sie ist wichtig genug. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Heidrun Dittrich das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Heute geht es um den Antrag der SPD "Menschenrechte älterer Menschen stärken und Erarbeitung einer UN-Konvention fördern". Ja, Schutz vor Gewalt ist nötig, und eine stärkere Kontrolle der Pflegeheime ist angebracht. Ihr Antrag zeigt in die richtige Richtung, ändert aber nichts am Pflegealltag. Wenn es zu wenig examinierte Altenpflegerinnen gibt, dann können Kontrollen und Berichte nur nützlich sein, wenn Sie Vorgaben für mehr Personal machen. Aber genau das fehlt in Ihrem Antrag. Auch an der Armut von älteren Menschen, vor allem von Frauen - zu geringe Löhne und Teilzeitjobs führen zu Minirenten -, ändert Ihr Antrag nichts. Erst im letzten Satz Ihres Antrags fordern Sie, meine Damen und Herren von der SPD, einen gesetzlichen Mindestlohn, aber ohne die Höhe anzugeben. Ich muss schon sagen: Das ist das Allerletzte! (Beifall bei der LINKEN) 10 Euro Mindestlohn, wie ihn die Linke fordert, bedeutet zwar, dass die Menschen über die Grundsicherung kommen; aber das bedeutet nicht, dass man im Alter wirklich abgesichert ist. Es ist ein erster Schritt. (Beifall bei der LINKEN) Alle Parteien haben in der Regierung den Sozialabbau und die Rentenkürzungen sowie die Privatisierung der Pflege vorangetrieben. Sie haben einen großen Markt geschaffen, bei dem die Pflegebedürftigen die Verlierer sind. Jetzt hat das Alter seinen Schrecken wieder. Der soziale Fortschritt, den Älteren die Furcht vor der Abhängigkeit zu nehmen, ist nämlich dahin. Die Pflegebedürftigen fürchten sich vor dem Heim und vor der Abhängigkeit. Sie wünschen sich Unterstützung in einem selbstbestimmten Leben. "Die Würde des Menschen ist unantastbar - bis zuletzt", (Beifall bei der LINKEN) das hat die Hospiz-Bewegung 2001 geschrieben. Der Pflegenotstand ist bekannt. Ich erspare mir die Details. Sie wissen, dass Vernachlässigung zum Tode führen kann. Es ist in Wohngruppen und Heimen einfach nicht die Zeit vorhanden, 1 Liter Flüssigkeit am Tag anzureichen. Meist trinken die Älteren aus eigenem Antrieb nur ein Glas. Hier muss motiviert werden: abwechslungsreiche Getränke mit Geselligkeit und Unterhaltung, damit sie Flüssigkeit zu sich nehmen. Mit Gewalt geht das nicht. (Beifall bei der LINKEN) Weil die Grundversorgung nicht gesichert ist, kommt es zu Krankenhauseinweisungen. Doch dort geht es den Seniorinnen und Senioren nicht besser. Auch dort herrscht Pflegenotstand: Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter in der Notaufnahme, Stress, Überforderung. (Zuruf von der FDP: Einen Mindestlohn in der Pflege haben wir eingeführt! 8,50 Euro!) Es werden Sonden gelegt. Fremde Umgebung, fremde Menschen - das macht den Aufenthalt unangenehm. Die Pflegekräfte selbst wollen gute Pflege leisten; leider fehlt ihnen durch den Personalmangel die Zeit dazu. Die Altenpflegerinnen spüren, dass sie mehr tun müssten. Deshalb bleiben sie länger, versuchen nach Feierabend für die Gruppe einzukaufen und den nächsten Tag vorzubereiten; aber das bekommen sie nicht bezahlt. Angestellte in der Pflege sind in der Regel bereits nach 8,5 Jahren krank, Krankenschwestern nach 14 Jahren. Mit 8,50 Euro die Stunde, die im Branchentarifvertrag für Pflegekräfte vereinbart wurden, sind sie angesichts der zu leistenden Schwerstarbeit noch immer unterbezahlt. (Beifall bei der LINKEN) Ist denn der Gesellschaft ein würdevolles Leben im Alter nichts wert? Müssen die Menschen, die in diesen Berufen arbeiten, so belastet werden? Der größte private Pflegebereich ist die Familie. Wie werden die Frauen, die keinen Beruf ausüben, weil sie Angehörige pflegen, vor Altersarmut geschützt? Die Leistungen nach dem Pflegezeitgesetz der Ministerin Schröder werden von den pflegenden Angehörigen nicht nachgefragt, weil es eine freiwillige Leistung der Arbeitgeber ist. Warum fordern Sie nicht gemeinsam mit der Linken im Interesse der Angehörigen, der Pflegebedürftigen und der Altenpflegerinnen mehr Personal? Das führt zu kleineren Gruppen, das sichert die Einhaltung von Menschenrechten. Wir werden demnächst einen Antrag zu den Themen "Bemessung der Pflege" und "Personalausstattung" vorlegen. Kommen Sie mir nicht mit dem Argument, dass examinierte Altenpflegerinnen nicht zu bezahlen seien. Wir haben heute den Militäreinsatz in Mali beschlossen. Wenn es ums Töten geht, spielen die Kosten keine Rolle. Es geht nur darum, die wirtschaftlichen Interessen von Unternehmen zu sichern. (Widerspruch der Abg. Marina Schuster [FDP]) Wie schnell die Zerstörung eines Sozialstaates ablaufen kann, können Sie am Beispiel Griechenland sehen. Entbindungen werden nicht mehr bezahlt. Damit steigt die Kindersterblichkeit. Das bedeutet: Zurück ins 19. Jahrhundert! Ein positives Beispiel für eine alte Person - wenn ich das noch anmerken darf - ist Stéphane Hessel, der vor zwei Tagen im Alter von 95 Jahren gestorben ist. Er überlebte die Deportation durch die Gestapo und blieb aktiv. Er schrieb Empört euch!, setzte sich für Menschenrechte und die Überwindung der Armut ein. Er schlug vor, das Gemeinwohl vor die Interessen des Großkapitals zu setzen. Das sollten wir auch tun. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Pascal Kober. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Marina Schuster [FDP]: Es kann nur aufwärts gehen!) Pascal Kober (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen der SPD, das Thema, "Menschenrechte älterer Menschen stärken", das Sie ansprechen, ist ein wichtiges Thema. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich die Regierungskoalition seit Anbeginn ihrer Regierungszeit dieses Themas gerade auch im nationalen Bereich mit Tatkraft und Mut angenommen hat und vieles bewegt hat, was richtig ist. Sie schreiben im Forderungsteil Ihres Antrags, dass es auch nationale Herausforderungen gibt, die es zu meistern gilt. Lassen Sie mich deshalb kurz auf das eingehen, was wir in den letzten drei Jahren gerade in diesem Bereich auf den Weg gebracht haben. Ich möchte mit einer Sache beginnen, an die man vielleicht nicht als Erstes denkt: die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch den Bund. Damit haben wir zweierlei Sachen erreicht: Zum einen haben wir für die größte Entlastung der Kommunen in der Geschichte der Bundesrepublik gesorgt. Zum anderen haben wir die Finanzierung der Grundsicherung im Alter und damit das Leben derer, die im Alter bedürftig und auf Unterstützung angewiesen sind, auf eine sichere Grundlage gestellt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das wird bis 2016 20 Milliarden Euro kosten. Trotzdem werden wir die Vorgaben der Schuldenbremse nicht erst 2016 einhalten; vielmehr haben wir sie schon vier Jahre früher, 2012, eingehalten. (Jens Ackermann [FDP]: Hört! Hört!) Warum sage ich das? Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, die Kollegin der Linken hat die Staatsschuldenkrise in Griechenland angesprochen. Wir alle wissen, was ein überschuldeter Haushalt bedeutet: Es trifft am Ende die Schwächsten, auch die Alten. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der Grünen, möchte ich Sie bitten, auf Ihre Kollegen in den Ländern, zum Beispiel in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, hinzuwirken, die Verschuldungspolitik der Länder nicht fortzuführen und ihr Einhalt zu gebieten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In Ihrem Antrag thematisieren Sie zu Recht das Thema Altersarmut. Wir wissen alle, dass die weit verbreitetste Ursache für Altersarmut unterbrochene Erwerbsbiografien sind. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, warum Sie für Ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl milliardenschwere Steuererhöhungen beschließen, mit denen Sie den Mittelstand und das Handwerk belasten und damit Hunderttausende Arbeitsplätze aufs Spiel setzen. (Christoph Strässer [SPD]: Oje!) Das ist die falsche Politik. Sie sollten sich noch einmal überlegen, ob Ihr Vorgehen richtig ist, wenn Sie dem Thema Altersarmut langfristig etwas entgegensetzen wollen. Dann haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, das Thema "gesetzlicher Mindestlohn" aufgegriffen. Sie sprechen nicht von einer Mindestlohnhöhe. Wir wissen aber aus Ihrem Wahlprogramm, dass Sie eine Zahl im Kopf haben: 8,50 Euro. Wir sollten aber so ehrlich sein, zu sagen, dass man es bei 8,50 Euro sehr schwer haben wird, im Alter über das Niveau der Grundsicherung zu kommen. Dafür müsste man bei 35 Beitragsjahren 10,40 Euro, also noch mehr als die von der Linkspartei geforderten 10 Euro in der Stunde verdienen. Wir sollten so ehrlich sein, den Menschen nicht Sand in die Augen zu streuen. Einfach nur einen gesetzlichen Mindestlohn zu fordern, wird dieses Problem nicht lösen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn wir der Altersarmut wirklich etwas entgegensetzen wollen - das ist glücklicherweise derzeit noch kein Massenphänomen, wie es häufig skizziert wird; nur 2,4 Prozent der Menschen sind derzeit auf Grundsicherung im Alter angewiesen -, dann müssen wir einen präventiven Ansatz verfolgen. Ich habe das Thema "unterbrochene Erwerbsbiografien" schon angesprochen. Wir müssen an mehreren Stellschrauben beginnen. Beispielsweise bei der Kinderbetreuung - weil mangelnde Kinderbetreuung eine wesentliche Ursache dafür ist, dass eine Erwerbsbiografie gerade bei Frauen nicht stetig verläuft - haben wir zusätzlich zu den 4 Milliarden Euro, die schon vereinbart waren, für 30 000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze noch einmal knapp 600 Millionen Euro in die Hand genommen, und wir werden über 2014 hinaus mit jährlich 845 Millionen Euro den Ausbau der Kinderbetreuung weiter fördern. (Christoph Strässer [SPD]: Betreuungsgeld, Herr Kollege!) Das ist wichtig, gerade wenn man auf lange Sicht der Altersarmut begegnen will. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Christoph Strässer [SPD]: Das Betreuungsgeld haben Sie vergessen!) Das nächste Thema, um unterbrochenen Erwerbsbiografien vorzubeugen - die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium Annette Widmann-Mauz ist hier -: Mit dem Programm "Unternehmen unternehmen Gesundheit" fördern wir Betriebe, damit sie die Belegschaften bei der Gesundheitsvorsorge unterstützen, damit sie länger bei guter Gesundheit arbeiten können. Auch das ist ein wesentliches Schräubchen, das wir eingeführt haben, an dem wir gedreht haben und an dem wir weiter drehen müssen, damit in Zukunft Altersarmut vermieden werden kann. Nicht nur Altersarmut ist das Thema. Sie haben in Ihrem Antrag zu Recht das Thema Pflegesituation angesprochen. Auch hier haben wir einiges zur Verbesserung der Situation älterer Menschen in unserem Land erreicht. Seit dem 1. Januar 2013 gibt es erstmalig Leistungen aus der Pflegeversicherung für Demenzkranke. Das ist auch etwas, was wir in dieser Regierungskoalition auf den Weg gebracht haben. Das ist wichtig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir wissen, dass noch immer mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen von ihren Familien gepflegt werden. Deshalb haben wir gerade die finanzielle Unterstützung der Selbsthilfegruppen verstärkt und dort auch eine Verbesserung erzielt. Familien sind, wenn sie pflegen, besonders belastet und können sich in Netzwerken gegenseitig entlasten. Wir haben die Qualität der Pflegeeinrichtungen verbessert. Bisher galt, dass am Ende nur die Pflegedokumentation ausschlaggebend ist. Wir haben hier gegengesteuert und gesagt: Es muss neben der Pflegedokumen-tation auch eine Inaugenscheinnahme der Patienten ausschlaggebend sein, um die Qualität eines Pflegeheimes zu bewerten. Auch das haben wir auf den Weg gebracht; auch das ist etwas, um die Rechte älterer Menschen in unserem Land zu stärken. Wie gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind einige Beispiele dafür, was wir auf nationaler Ebene in diesen drei Jahren schon erreicht haben und was wir ab September in der nächsten Koalitionsperiode mit aller Kraft fortsetzen werden. Sie werden vonseiten der Opposition weiter zuschauen und von uns lernen. Wir werden weiter mit Ihnen diskutieren. Ich freue mich auf die weitere Beratung dieses Antrags. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Christoph Strässer [SPD]: Gut, dass die da hinten nicht mehr dabei sind, wenn wir lernen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt der Kollege Tom Koenigs von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. (Christoph Strässer [SPD]: Jetzt redet mal einer zur Sache!) Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag wird eine UN-Konvention gefordert, eine internationale Konvention zum Schutz der Menschenrechte der Alten. (Christoph Strässer [SPD]: So ist es!) Die Koalitionsfraktionen nehmen diesen Antrag nicht an, weil die SPD dies tut. Nun ist aber der Menschenrechtsschutz seit der universellen Erklärung der Menschenrechte genau durch solche Konventionen vorangekommen, Schritt für Schritt, aber sicher. Das sind nicht nur Zivilpakt und Sozialpakt, sondern auch die Zusatzkonventionen, und zwar für einzelne Gruppen, die dieses Schutzes ganz besonders bedürfen - Frauen, Kinder, Menschen mit Behinderung, Flüchtlinge, Staatenlose und Wanderarbeiter -, aber noch nicht für die Alten. Wenn Sie sagen: "Das muss auch nicht sein", dann steht dahinter im Grunde die Vermutung: Das brauchen wir nicht, weil wir das schon haben, und eigentlich ist das Problem schon längst gelöst. - Da fehlt es an Aufmerksamkeit. So eine Konvention würde genau diese Aufmerksamkeit schaffen. Es geht um Aufmerksamkeit für ein Problem, das sehr wohl existiert. Altersdiskriminierung existiert, und zwar in verschiedenen Bereichen. Die interpersonelle Diskriminierung haben wir alle schon einmal erfahren. Sie ist nicht so häufig, aber wir alle haben sie schon erfahren. Es gibt sie in unserer Gesellschaft. Wichtiger ist die institutionelle Diskriminierung, vor allem im Arbeitsleben. Die Quote der Beschäftigten zwischen 55 und 64 Jahren liegt noch bei knapp 60 Prozent. Diese Quote ist in anderen Ländern besser. Im Rahmen einer internationalen Konvention könnte man hier etwas machen. Es gibt institutionelle Diskriminierung, vor allem in der Wirtschaft. Aber auch in unseren Gesetzen gibt es noch Diskriminierung, auch in den Tarifverträgen. Wozu gibt es angesichts der demografischen Veränderungen eigentlich noch Altersgrenzen, frage ich. Beispielhaft sei auch ein Gesetz angeführt: In § 39 der Hessischen Gemeindeordnung wird gesagt, dass ein Bürgermeister nicht über 67 Jahre alt sein darf. Als ob Petra Roth nicht mehr fit für das Amt der Bürgermeisterin gewesen wäre. Legt man das zugrunde, hätte Konrad Adenauer nie Bürgermeister in Maintal werden können, weil er zu alt war. Das ist Altersdiskriminierung. Dagegen muss man etwas tun, statt nur zu reden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) So eine Konvention könnte auch Institutionen stärken oder besser verankern. Gegenwärtig werden die Institutionen, die sich mit diesem Thema befassen, von der Bundesregierung ja wie Stiefkinder behandelt. Das Deutsche Institut für Menschenrechte braucht eine gesetzliche Grundlage, sonst wird es den A-Status verlieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Sie weigern sich beharrlich, das zu machen. Das zweite Beispiel ist die schon erwähnte Antidiskriminierungsstelle. Sie krepelt mit schwacher finanzieller Unterstützung vor sich hin. Das ist keine wirkliche Stärkung. Im internationalen Bereich wird nun gesagt: Es wird noch geforscht. Warum kommt man nicht vorwärts? Auch weil Deutschland nichts macht. Im Januar hat sich der Menschenrechtsrat damit befasst. Es gab einen Call for Papers, er hat um Anregungen gebeten. Ich bin gespannt, ob die Bundesregierung diesbezüglich mehr unternimmt, als nur zu sagen: "Eine Konvention wollen wir nicht", wie sie es bisher in der Open-ended Working Group on Ageing gemacht hat. Schließlich komme ich auf das Handeln zu sprechen. Sie drücken sich davor, zu handeln. Deshalb wollen Sie keine Konvention. Wenn es eine Berichtspflicht gäbe, müssten Sie auch über das Handeln berichten. Ja, ich spreche auch Sie an, Herr Heinrich. Sie haben darüber gesprochen. Ein Peer Review würde offenbaren, dass nicht gehandelt wird, sondern nur gesagt wird: Wir machen nichts anderes als das, was wir immer schon gemacht haben. Herr Kober sprach sogar von etwas ganz anderem, weil es schön ist, dass das gemacht worden ist. Ein Special Rapporteur wäre ein Fortschritt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Pascal Kober [FDP]: Sie verstehen die Weite der Zusammenhänge nicht!) Schauen wir auf die internationale Szene: Bei der Open-ended Working Group on Ageing, bei der wir alle wohl geborene Mitglieder sind, kommt gegenwärtig nichts heraus. Es bedarf eines richtigen Impulses. (Pascal Kober [FDP]: Sie wollen kontrollieren, aber Sie wollen nichts machen!) Der könnte von Deutschland ausgehen. Das ist aber nicht nur ein deutsches Problem, sondern auch ein internationales Problem. Da darf man nicht einfach sagen: Wir machen da nichts. - Sie wollen nicht handeln, sie sollten aber handeln. Gerade Sie sollten handeln. Gerade wir Alten haben das verdient. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/12399 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz - TierGesG) - Drucksache 17/12032 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12478 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Friedrich Ostendorff b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Notfonds für tierhaltende Betriebe einrichten - Drucksachen 17/9580, 17/10663 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Dr. Wilhelm Priesmeier Rainer Erdel Dr. Kirsten Tackmann Friedrich Ostendorff Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich würde die Aussprache gerne eröffnen, sobald in den Fraktionen keine lauten Gespräche mehr geführt werden und es möglich ist, dem Redner zuzuhören. - Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Alois Gerig aus der Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Alois, was hast du uns zu sagen?) Alois Gerig (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Das Wohlergehen und die Gesunderhaltung von Tieren ist eine wichtige und wahrhaft verantwortungsvolle Aufgabe, in erster Linie natürlich für die Tierhalter - die wissen das -, aber auch für Tierärzte, für die zuständigen Veterinärbehörden und für die Politik. So ist es unsere Aufgabe als Gesetzgeber, zeitgemäße und situationsangepasste Rahmenbedingungen zu schaffen. Genau das machen wir mit diesem neuen Tiergesundheitsgesetz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das alte Tierseuchengesetz aus dem Jahr 1909 wird damit abgelöst. Das alte Gesetz stellte die Bekämpfung von ausgebrochenen Krankheiten und Seuchen in den Vordergrund. Das neue Tiergesundheitsgesetz hingegen zielt neben der Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen auch darauf ab, diesen wirksam vorzubeugen. Zahlreiche Neuregelungen sorgen dafür, dass in der Tierhaltung die Prävention vor Krankheiten und Seuchen ein größeres Gewicht erhält. Hervorzuheben ist unter anderem, dass künftig in Betrieben mit Tierbeständen zur Vorbeugung eigenbetriebliche Kontrollen und verpflichtende hygienische Maßnahmen angeordnet werden können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Außerdem wird der Personenkreis, der zur Anzeige einer Tierseuche verpflichtet ist, erweitert. Ein weiterer wichtiger Eckpunkt ist das geplante Monitoring über den Gesundheitsstatus unserer Tiere. In Zeiten der zunehmenden Globalisierung der Märkte - was per se ja gar nichts Schlechtes sein muss - steigt die Gefahr, dass Tierseuchen aus dem Ausland nach Deutschland eingeschleppt werden. Vor diesem Hintergrund ist es sicher richtig und wichtig, dass das Friedrich-Loeffler-Institut zukünftig damit beauftragt wird, das weltweite Seuchengeschehen auszuwerten. Damit können wichtige Erkenntnisse für Präventivmaßnahmen in Deutschland gewonnen werden. Ebenso wird vom gleichen Institut die Ständige Impfkommission Veterinärmedizin - auch etwas Neues - eingerichtet, welche auf wissenschaftlicher Grundlage Impfempfehlungen erarbeitet. In den vergangenen Jahren haben ja die Koalitions- und die Oppositionsfraktionen in einem gemeinsamen Antrag gefordert, bei der Tierseuchenbekämpfung den Grundsatz "Impfen statt Keulen" durchzusetzen. Schön, dass wir das gemeinsam geschafft haben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Mit der verpflichtenden Einrichtung einer Impfkommission kann man davon ausgehen, dass dieses Ziel noch konsequenter in die Praxis umgesetzt wird. Bei der Erkennung von Seuchen und Krankheiten spielen sogenannte In-vitro-Diagnostika eine sehr wichtige Rolle, die künftig nur für anzeigepflichtige Seuchen und Krankheiten eine amtliche Zulassung benötigen. Für alle anderen, nicht anzeigepflichtigen Seuchen wird ein aufwendiges amtliches Zulassungsverfahren entbehrlich. Dies ist nicht nur im Sinne der Hersteller, wie manche betonen, sondern dient insbesondere auch einer schnelleren und effektiveren Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen. Tritt der Seuchenfall ein, ist es weiterhin - das ist ganz wichtig - die Aufgabe der Tierseuchenkassen in den Ländern, gegenüber den Landwirten Entschädigungen für Tierverluste zu leisten. Schnelle und unbürokratische Hilfe ist hierbei ganz besonders wichtig, weil im Ernstfall ganz schnell Existenzen auf dem Spiel stehen können. Mit unserem Tiergesundheitsgesetz werden wir erreichen, dass in Deutschland an der konsequenten Bekämpfung von Tiersuchen festgehalten wird und gleichzeitig bei der Prävention von Krankheiten und Seuchen noch mehr Anstrengungen als seither unternommen werden. Meine Damen und Herren, mit einer ganzen Reihe von Gesetzesinitiativen, dem Tierschutzgesetz, dem Arz-neimittelgesetz, dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch und nicht zuletzt diesem Tiergesundheitsgesetz verbessert die christlich-liberale Koalition die Rahmenbedingungen für die Tierhaltung in Deutschland. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?) Ich möchte deshalb ausdrücklich unser Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz unter Leitung unserer Ministerin Ilse Aigner für diese logistische Meisterleistung, die in den letzten Monaten aufzubringen war, loben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sorgen mit dem Gesetz a) für mehr Verbraucherschutz, Transparenz und Aufklärung und tragen b) gleichzeitig mit dem notwendigen Augenmaß und Feingefühl dazu bei, dass unsere Landwirte weiterhin die Chance für tragfähige wirtschaftliche Perspektiven für ihre Betriebe und hoffentlich auch - das betone ich - weiterhin Freude an ihrem Beruf haben werden. Wir werden es nicht zulassen, dass die Landwirtschaft - eine der ältesten und solidesten Branchen überhaupt - permanent von Besserwissern und Theoretikern an den Pranger gestellt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dies ist verantwortungslos und unmoralisch. Dabei denke ich insbesondere an die vorhergehende Debatte zum Arzneimittelgesetz. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD) Ich bin überzeugt davon, dass es insbesondere zum Wohle unserer Verbraucher ist, wenn die Landwirtschaft und die Tierhaltung in Deutschland erhalten werden. -Aktuelle Skandale zeigen uns leider, dass kriminelle Energie nie auszuschließen ist. Deshalb brauchen wir einerseits ein wirksames Netzwerk von Kontrollen. Andererseits brauchen wir aber auch - das ist mir ganz wichtig - kritische Verbraucher, die noch bewusster einkaufen, als sie dies seither machen. (Zurufe der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Gerig, ich unterbreche Sie ungern, aber Sie müssen bitte zum Schluss kommen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Alois Gerig (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss. - Natürlich können wir immer noch besser werden, aber im Grundsatz gilt: Die bei uns produzierten Lebensmittel sind die nachweisbar besten Nahrungsmittel mit den geringsten Rückständen an unerwünschten Stoffen. Sie sind nach den weltweit höchsten Standards produziert. Insbesondere bei Tierkomfort und Tierschutz haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Welten positiv bewegt. Das höre ich nie von der Opposition. Unsere Landwirte haben den Respekt unserer Gesellschaft verdient. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind eine Phrasendreschmaschine!) Sie versorgen uns mit Nahrungsmitteln und Energie, und ganz nebenbei pflegen sie unsere schöne und liebgewonnene Kulturlandschaft. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ulrich Kelber [SPD]: Märchenstunde mit Onkel Alois!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat für die SPD-Fraktion der Kollege Dr. Wilhelm Priesmeier. (Beifall bei der SPD) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Beratung wird in der Tat ein Meilenstein bei der Weiterentwicklung des Tierseuchenrechtes gesetzt. Dies gilt auch für die Anpassung der deutschen Vorschriften und Vorgaben im Zuge der Harmonisierung des europäischen Tierschutzrechts. Das war an sich dringend notwendig und in der Rückschau schon längst überfällig. Die Einschleppung von Tierseuchen bedeutet für den gesamten Sektor eine erhebliche Gefahr: die Gefährdung von einzelnen Existenzen in den Betrieben, aber auch die Gefährdung der gesamten Wertschöpfung bei schwerwiegenden Verläufen von Tierseuchen. Wir sollten uns einmal an die Schweinepestzüge in Deutschland erinnern und daran, wie unsere Tierbestände in früheren Jahrzehnten durch Maul- und Klauenseuche dezimiert worden sind. Die Gefahr ist dauernd und immanent vorhanden und bleibt vorhanden. Gerade durch die zunehmenden -Handelsbeziehungen bzw. Handelsströme, die man vielfach kaum noch einzeln nachverfolgen kann, und auch durch den Personen- und Reiseverkehr steigt das Risiko und wird nicht kleiner. Ein Beispiel dafür ist unlängst das Auftreten der Afrikanischen Schweinepest in der Ukraine. Das ist nicht sehr weit weg von uns. Wenn uns diese -ereilen würde, hätte das fatale Konsequenzen für den ganzen Sektor. Aus diesem Grunde halte ich in diesem Zusammenhang auch die jetzigen Regelungen für mehr als nur vernünftig. Wir brauchen Prävention; das ist unbestritten. Vor allen Dingen brauchen wir aber auch die wissenschaftliche Expertise jenes Institutes, das weltweit eine heraus-ragende Bedeutung im Rahmen der Tierseuchenbekämpfung hat; das ist das Friedrich-Loeffler-Institut. Wir -haben immerhin mehr als 100 Millionen Euro in dieses Institut investiert, sodass es weltweit den technologisch höchsten Standard aufweist. Viele in diesem Institut leisten ihren Beitrag dazu, dass die weltweite Tierseuchensituation beobachtet wird und dass demnächst die Ständige Impfkommission, hoffentlich zur rechten Zeit, die richtigen Empfehlungen gibt. Das verbindliche Monitoring, das in dem Gesetzentwurf vorgeschrieben wird, ist eigentlich selbstverständlich. Auch die Errichtung von seuchenfreien Schutz-gebieten wird einen wesentlichen Fortschritt in der weiteren Bekämpfung und in der weiteren Prävention vor Tierseuchen bringen. Das Gesetz ist also in seinen Kernbereichen unstrittig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die SPD wird ihm zustimmen, wie auch im Ausschuss. Die Frage ist letztendlich: Warum haben Sie es nicht bei der alten Bezeichnung belassen? Wenn oben drübersteht: "Tiergesundheitsgesetz", so muss ich sagen, dass für mich nicht alles drin ist, was ich unter Tiergesundheit subsumieren würde; denn Tiergesundheit ist mehr als das Verhindern von Tierseuchen allein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich komme jetzt auf die Argumentation zurück, die ich schon in der vorletzten Debatte hier in diesem Haus vorgetragen habe. Ich glaube, dass gerade dieses Tier-gesundheitsgesetz eine hervorragende Möglichkeit wäre, um zum Beispiel einen entsprechenden Beitrag für -betriebliches Hygienemanagement und optimierte Haltungsbedingungen zu leisten. Dazu müssten darin allerdings rechtliche Verfahren geregelt werden. Allein ein paar vorbeugende Maßnahmen in das Gesetz zu schreiben, ist in vielen Bereichen einfach zu wenig. Wir haben nun eine ganze Reihe von Regelungen, die die Tierhaltung betreffen. Wir sollten uns in diesem Hause wirklich einmal ernsthaft Gedanken darüber -machen, ob es nicht eine sinnvolle Alternative zu den bisherigen gesetzlichen Regelungen wäre, wenn wir versuchten, sie in ein Gesamtkonzept einzubinden und in einem einheitlichen Rahmen zusammenzuführen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das wäre eure Aufgabe als Opposition gewesen! Aber ihr bringt doch nichts zustande!) Ich glaube, dann hätten wir viel mehr Möglichkeiten, steuernd oder begleitend einzugreifen. Zugleich würden wir dem Sektor insgesamt einen rechtlichen Rahmen geben, in dem die betroffenen Betriebe letztendlich auch zukunftsfähig arbeiten könnten. Das Tiergesundheitsgesetz an sich sollte alle hygienischen Maßnahmen regeln, auch solche, die das Auftreten von Bestandserkrankungen verhindern. Aus der letzten Debatte haben wir ja mitgenommen, dass uns gerade die Bestandserkrankungen und auch die Haltungs- sowie die Hygienebedingungen in den Betrieben vielfach große Probleme machen. Schlechtes Hygienemanagement oder auch schlechtes betriebliches Management leisten zudem unter Umständen der Ausbreitung von Tierseuchen Vorschub. Auch sind Vorgaben für Betriebe ab einer bestimmten Größenordnung im Hinblick auf Desinfektionsmaßnahmen und deren regelmäßige Kontrolle zu treffen. Wir -haben zwischenzeitlich nicht nur Antibiotikaresistenzen, sondern wir haben mittlerweile in vielen Bereichen Keime, die schon vollständig gegen Desinfektionsmittel - ich nenne da nur quartäre Ammoniumverbindungen - resistent sind oder zunehmend resistent werden. Das lässt einiges befürchten, wenn man dort nicht gegensteuert. Ich glaube, auch in diesem Zusammenhang sollte man einen integrierten Ansatz wählen und im Rahmen der Tiergesundheitsgesetzgebung, die dann weiterzuentwickeln wäre, die notwendigen Voraussetzungen schaffen, damit wir solchen Entwicklungen Einhalt gebieten können. Ein regelmäßiges Bestandsmonitoring und auch die regelmäßige tierärztliche Bestands- und Hygieneberatung sind heute in vielen Betrieben reine Routinepraxis, in vielen anderen Betrieben aber nicht. Deshalb halte ich eine entsprechende Regelung für überfällig, durch die dies zur Voraussetzung für das wirtschaftliche Handeln gemacht wird; denn das sind Ausgaben, die sich im -Regelfall für den Betrieb auszahlen und nicht allein das Honorar des Tierarztes, der diese Beratung macht, erhöhen. Das haben viele Betriebe erkannt; viele Betriebe halten sich daran und haben ausgefeilte Hygiene-konzepte entwickelt. Das sind die Spitzenbetriebe, mit denen wir auch in anderen Bereichen keine gravierenden Probleme haben. Darüber hinaus ist aber noch nicht überall erkannt worden, dass es so funktionieren kann. Deshalb gibt es auch Betriebe, die meinen, sie müssten das anders handhaben, oder sich aus wirtschaftlichen -Erwägungen unter Umständen solchen Beratungen vollständig entziehen. Die Beratungen über die Novelle des Tierschutzgesetzes haben auch gezeigt, dass zum Beispiel Tierschutzindikatoren auch als wichtige Indikatoren für die Tier-gesundheit im Bestand dienen können. Wir können aber auch bisher noch nicht in Gänze verwendete Befunde, die bei der Schlachtuntersuchung am Schlachthof erhoben werden, einsetzen. Auf diese Weise würden wir gemäß dem Verständnis der Kette von der Produktion bis letztendlich zum Produkt alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Status der Tiergesundheit in unseren Betrieben zu erhöhen. Das wird uns auch wirtschaftlichen Erfolg bringen, und es wird auch dazu beitragen, dass in Deutschland weiterhin zu adäquaten Kosten Tiere für die Lebensmittelproduktion herangezogen werden können. Ich halte es für überfällig und vernünftig, dies auch gesetzlich zu regeln. Vor diesem Hintergrund finden natürlich die tierseuchenrechtlichen Regelungen unsere volle Unterstützung. Aber bis wir das gesamte Gesetz zu einem wirklichen Tiergesundheitsgesetz gemacht haben, müssen wir alle noch kräftig nacharbeiten. Vielleicht schafft es ja eine neue Regierung im Herbst dieses Jahres. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Lachen des Abg. Alois Gerig [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Christel Happach-Kasan für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich sehr über die Rede des Kollegen Priesmeier gefreut, der deutlich gemacht hat, dass das, was wir auf den Weg gebracht haben, gut ist. Das ist schon mal eine gute Voraussetzung für eine gute -Debatte. Aber, lieber Kollege Priesmeier, Sie haben doch genau die Begründung geliefert, weshalb wir das Tierseuchengesetz jetzt Tiergesundheitsgesetz nennen. Wir tun dies, weil es eben nicht mehr nur darum geht, wie man Tierseuchen bekämpft, sondern weil es auch um Vorbeugung, damit Bestände nicht von Tierseuchen befallen werden, um Monitoring und um Stärkung der Institutionen geht, die damit befasst sind. Insofern ist die Begründung für die Neubenennung des Gesetzes von der SPD-Fraktion richtig erkannt worden. Das finde ich gut. Herzlichen Dank dafür. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In Ihrem Beitrag ist auch deutlich geworden - ich hätte es kaum besser darstellen können -, dass dieses Tiergesundheitsgesetz eines von drei Gesetzen ist. Wir haben eben etwas kontroverser als jetzt über das Arzneimittelgesetz diskutiert, und wir haben davor schon das Tierschutzgesetz verabschiedet, das auch die Billigung des Bundesrates gefunden hat, worauf ich eigens noch einmal hinweisen möchte. Und jetzt geht es um das Tiergesundheitsgesetz. In allen drei Gesetzen geht es darum - als Liberale finde ich das wichtig -, die Eigenverantwortung der Tierhalter zu stärken und diese in den Mittelpunkt zu stellen. Das bedeutet insgesamt natürlich auch, dass wir, wenn wir Eigenverantwortung wollen, dem Tierhalter nicht jeden einzelnen Handgriff vorschreiben können. Es darf nicht so sein, dass er, bevor er in den Stall geht, erst ins Gesetz gucken und sich fragen muss, ob er dieses oder jenes macht; vielmehr muss er dies vorher wissen. Das bedeutet auch, dass wir uns einmal darüber unterhalten müssen, wie die Ausbildung von Landwirten und Tierhaltern auszusehen hat, damit sie die Aufgaben, die ihnen diese drei Gesetze vorgeben, auch wirklich eigenverantwortlich wahrnehmen können. Ich könnte mir vorstellen, dass in dem Bereich noch einiges zu tun ist. Das Gesetz, über das wir jetzt sprechen, hat eine alte Grundlage. Es wurde 1909 beschlossen und hat seinen Ursprung 1880. Deshalb ist es verständlich, dass ein solch altes Gesetz einmal eine Grundrenovierung braucht. Ich glaube, auch in diesem Punkt sind wir uns sehr einig. Festzuhalten ist auch, dass es damals, als das Gesetz beschlossen worden ist, noch keine Europäische Union gab. Jetzt befinden wir uns in einer fortentwickelten -Europäischen Union von 27 Ländern. Es gibt heute eine innergemeinschaftliche Harmonisierung von verschiedenen tierseuchenrechtlichen Bestimmungen. Das ist auch gut so; denn in der Regel machen Viren an den Grenzen nicht halt. Deswegen ist es richtig, wenn wir innerhalb der EU auf gemeinsame Rechtsakte setzen. Außerdem müssen wir auch in diesem Bereich eine zunehmende Globalisierung feststellen. Das gilt nicht nur für die Warenströme, das gilt auch für Menschen, die reisen. Wir haben das selbst erlebt in dieser Legislaturperiode: Am Anfang mussten wir den Blauzungenvirus bekämpfen, als Letztes kam letztes Jahr der Schmallenberg-Virus hinzu, mit dessen Bekämpfung wir noch nicht fertig sind. Es hat sich gezeigt, dass wir mit dem alten Gesetz nicht adäquat reagieren konnten. Der Bund konnte nicht von vornherein eine Anzeigepflicht fest-legen - dieses Instrument gab es nicht -, er musste erst auf die Entscheidung des Bundesrates warten. Dieses regeln wir im vorliegenden Gesetzentwurf neu. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Das ist gut so!) Das heißt, es kann gemeldet werden, ohne dass der Bundesrat vorher zugestimmt hat; er kann hinterher seine Zustimmung dazu geben. Ich glaube, dass das eine deutliche Verbesserung darstellt. Für die effektive Bekämpfung von Tierseuchen braucht man bessere Vorsorge und Monitoring, zugleich ist aber auch eine globale Betrachtung des Tierseuchengeschehens notwendig, um vorgewarnt, um gewappnet zu sein für Dinge, die bei uns auftreten könnten. Die Zulassung von Tierimpfstoffen ist beim Paul--Ehrlich-Institut angesiedelt, die Zulassung von In-vitro-Diagnostika im Friedrich-Loeffler-Institut; ich glaube, dass dies die richtige Aufgabenaufteilung ist. Wir sind uns in diesem Hause ja weitgehend einig, dass die Devise "Impfen statt Töten" gelten sollte. Die FDP-Bundestagsfraktion hat mehrfach Anträge dazu eingebracht, weil wir der Auffassung sind, dass solche modernen Verfahren tatsächlich genutzt werden sollten. Die Einrichtung der Ständigen Impfkommission Veterinärmedizin, die Impfempfehlungen aussprechen soll, ist erwähnt worden. Einige Änderungsanträge sind in der parlamentarischen Beratung vorgenommen worden: Wir haben schon gesehen, dass die wissenschaftliche Erprobung von immunologischen Tierarzneimitteln und von In-vitro--Diagnostika in Ausnahmefällen auch außerhalb akademischer Institute erfolgen kann. Durch eine solche Ausnahmeregelung wollen wir kleine und mittelständische Labore stärken; denn wir brauchen diese Labore, weil sie innovativer sind als manche großen. Wir lassen außerdem zu, dass in Einzelfällen Tiere, die für den Export bestimmt sind, auch mit Impfstoffen behandelt werden können, die bei uns nicht zugelassen sind - einfach um den Bedingungen des Importlandes zu entsprechen. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiges -Anliegen. Wir sind den weitgehend technischen Änderungsanliegen des Bundesrates im Wesentlichen gefolgt, weil wir der Auffassung sind, dass in diesem Fall im Bundesrat gute Arbeit geleistet worden ist. Das ist nicht immer so; aber wenn es so ist, dann sollte man das meines Erachtens auch sagen. Wir wollen, dass das FLI gestärkt wird. Es soll schon im Verdachtsfall epidemiologische Untersuchungen aufnehmen können, damit, wenn es ernst wird, tatsächlich Möglichkeiten der Behandlung da sind. Insgesamt legen wir Ihnen einen ausgesprochen gut erarbeiteten Entwurf eines Gesetzes vor, das einen -wichtigen Reformansatz aufzeigt. Ich bitte Sie alle um Zustimmung. Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Dr. Kirsten Tackmann hat nun für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste, herzlich willkommen zu später Stunde! Die Linke fordert schon lange, dass die Tiergesundheit ein strategisches Ziel der Gesetzgebung wird. Deswegen finden wir es richtig, dass das Tierseuchengesetz heute zu einem Tiergesundheitsgesetz fortentwickelt wird. Wir brauchen den Perspektivenwechsel von einem Krisenmanagement- und Kontrollsystem hin zu mehr Vorbeugung und Vermeidung von Krankheiten; da sind wir uns völlig einig. Dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht nur eine Überschrift geändert, sondern tatsächlich in der Substanz etwas vorgelegt wird, finden wir sehr erfreulich. Das ist auch volkswirtschaftlich wichtig und notwendig. Ich möchte ein Beispiel nennen: Allein in den Jahren zwischen 2000 und 2010 hat die Bekämpfung von BSE über 2 Milliarden Euro gekostet. (Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD]: Genau!) Das ist eine erhebliche Summe; deswegen ist es gut und wichtig, Tiererkrankungen zu vermeiden. Die Tiergesundheit ist aber - da bin ich dem Kollegen Priesmeier sehr dankbar - mehr als die Abwesenheit von Tierseuchen. Wir müssten uns zum Beispiel auch viel mehr um Faktorenerkrankungen kümmern. Es geht nämlich nicht nur um die klassischen Erkrankungen, es geht oftmals auch um chronische und andere Erkrankungen, die nur ausbrechen, wenn bestimmte Faktoren zusammenkommen. Deswegen hätten Sie in diesem Gesetzentwurf eigentlich mehr Dinge verankern müssen. Es ist durchaus zu bedauern, dass das nicht geklappt hat. Das gilt zum Beispiel für die Tierdichte. Welchen Einfluss hat die Tierdichte sowohl in Ställen als auch in Regionen auf die Tiergesundheit? Das gilt aber auch für die Stallhygiene, für das Stallklima und für Betreuungsstandards. (Beifall bei der LINKEN) Die integrierte tierärztliche Betreuung hätte man in diesem Gesetzentwurf festschreiben können. Dort hätte man auch regeln können, wie häufig sich ein Tierarzt einen Bestand vor Ort anschauen muss, und wir hätten darüber reden müssen, was wir bei der Ausbildung von Landwirtinnen und Landwirten sowie Tierärzten und Tierärztinnen zu leisten haben, damit sie mit dieser neuen Situation klarkommen. Daneben müssen die entsprechenden Behörden wirklich ausgebildetes Personal haben. Diese Dinge sind ganz dringend erforderlich. (Beifall bei der LINKEN) Wir haben auch einen Regelungsbedarf in Bezug darauf - das haben wir ja vorhin in der Debatte über das Arzneimittelgesetz schon einmal diskutiert -, dass die Durchsetzungskraft in Bezug auf behördliche Verfügungen und Ähnliches gestärkt wird, und auch die Tierärzte müssen gestärkt werden, damit die problematischen Dinge, die sie im Stall feststellen, auch wirklich verändert werden. Das heißt also, wir brauchen eine gut ausgebildete Tierärzteschaft und gut ausgebildete Tierhalterinnen und Tierhalter. Daneben brauchen wir risikoärmere Strukturen. Hier sehe ich einige Entwicklungen durchaus mit großer Sorge: Der Lebensmittelhandel übt einen enormen Kostendruck auf die tierhaltenden Betriebe aus. Das kann nicht gutgehen. Das Risiko von Tierseuchen steigt, zum Beispiel durch den Klimawandel, weil hier vektorübertragene Erkrankungen eine Rolle spielen, und durch die vielfältigen Handelsbeziehungen; denn wenn wir die Ferkel einmal quer durch Europa fahren, dann ist das ein Problem, dessen Auswirkungen auf die Tiergesundheit wir nicht abbilden können. Megaställe, über die wir vorhin schon einmal diskutiert haben, und viehdichte Regionen führen natürlich dazu, dass der Ausbruch einer Tiersuche verheerendere Wirkungen hat, als wenn andere Strukturen gegeben wären. Daneben sind auch große Wissenslücken zu schließen. Es geht hier zum Beispiel um die vielfältigen Risiken eines Ausbruchs oder einer Verschleppung, die wir teilweise gar nicht genau kennen, und wir müssen auch die Bekämpfungsszenarien, die wir uns überlegen, wissenschaftlich prüfen lassen und entsprechend evaluieren. Weil hierfür wirklich Fachkompetenz erforderlich ist - das ist eine besondere Herausforderung -, fordert die Linke schon seit langem ein epidemiologisches Zentrum; das ist überfällig. Stattdessen schließen Sie Ende des Jahres 2013 das Institut für Epidemiologie des Friedrich-Loeffler-Instituts am Standort Wusterhausen und riskieren mit dem Umzug zur Insel Riems die Arbeitsfähigkeit dieses Standortes. Das ist aus meiner Sicht ein völlig falsches Signal und hätte eigentlich korrigiert werden müssen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die neuen Risiken setzen die Tierhaltungsbetriebe zusätzlich unter Druck. Deshalb hat die Linke einen Antrag für einen Notfonds für tierhaltende Betriebe vorgelegt. Das ist kein Rundum-sorglos-Paket, sondern es geht tatsächlich um Erkrankungen, die entweder noch nicht amtlich festgestellt sind oder bei denen noch ein wissenschaftlicher Streit darüber herrscht, welche Ursache sie haben. Wir reden über das Schmallenberg-Virus, wir reden über das Blutschwitzen der Kälber, und wir reden über den sogenannten chronischen Botulismus. Aus meiner Sicht ist dieser Notfonds wirklich dringend erforderlich. Die Argumente der anderen Fraktionen gegen diesen Notfonds aus der ersten Debatte kann man wirklich gut widerlegen: Die klassischen Tierseuchenkassen handeln in einer entsprechenden Situation eben nicht adäquat, und wir haben keine Möglichkeit, Überbrückungskredite zu leisten. Die Versicherungslösung ist nicht finanzierbar; das wissen wir. Eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage haben Sie auch schon abgelehnt. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Tackmann. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Ja, ich komme zum Schluss. - Deswegen bitte ich Sie wirklich dringend, diesem Antrag auf einen Notfonds für tierhaltende Betriebe zuzustimmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Friedrich Ostendorff hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Tiergesundheitsgesetz soll, so sagt § 1, nicht nur "die Vorbeugung vor Tierseuchen und deren Bekämpfung" regeln, sondern "auch der Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Vieh und Fischen" dienen, (Dr. Erik Schweickert [FDP]: So ist es!) also unter anderem von Kühen, Schweinen, Hühnern, Puten und viele anderen Nutztieren. Dieser Anspruch ist richtig, er ist wichtig, und er ist notwendig. Dieser Anspruch ist aber auch selbstverständlich, wenn wir Art. 20 a des Grundgesetzes ernst nehmen. Vielleicht erinnern sich einige Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb noch, dass es möglich war, dies im Grundgesetz zu verankern. Dieser Anspruch ist auch hoch, meine Damen und Herren. Offensichtlich ist er für einige von Ihnen in der schwarz-gelben Koalition viel zu hoch. (Zuruf von der CDU/CSU: Na, na, na!) Denn im Gegensatz zu den durchaus richtigen Ansätzen in diesem Gesetzentwurf dient Ihre Agrarpolitik überhaupt nicht der Erhaltung und Förderung der Gesundheit der Tiere. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Traurige! - Zuruf von der FDP: Zum Thema!) Oder dient die von Ihnen so gelobte und protegierte Massentierhaltung der Erhaltung und Förderung der Tier-gesundheit? (Zuruf von der FDP: Das ist nicht zum Thema! - Alois Gerig [CDU/CSU]: Jetzt kommt das wieder!) Dienen viele Millionen Euro Hermesbürgschaften für Tierfabriken mit 5 Millionen Tieren in der Ukraine der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit? Dienen Pferdeschenkelbrand und unbetäubte Ferkelkastration der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit? (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!) Dient es der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit, wenn Frau Aigner versucht, in Brüssel dafür zu sorgen, dass zukünftig für artgerechte Ställe und Weidehaltungsprogramme kein Geld mehr da sein wird? (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dient es nicht!) Dient der von Ihnen so propagierte Strukturwandel, der immer mehr Kühe von der Weide in die Ställe treibt, der Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit? Meine Damen und Herren, wir wissen: Sie - und vor allen Dingen wir - beantworten diese Fragen alle mit Nein. Aber das müssen wir miteinander besprechen. Wenn Sie etwas zur Erhaltung und Förderung der Tiergesundheit tun wollen, dann sollten Sie sich vielleicht einmal an dem orientieren, was wir Ihnen vorgeschlagen haben. Wir haben Ihnen wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung des Antibiotikamissbrauchs vorgeschlagen. (Dr. Christel Happach-Kasan [FDP]: Wo denn?) Sie haben abgelehnt. Wir haben Ihnen ein Tierschutzgesetz vorgelegt, das für den Tierschutz und nicht für die Agrarlobby geschrieben wurde wie Ihres. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) Sie haben abgelehnt. Wir haben Vorschläge eingebracht, um die Massentierhaltung zu stoppen, etwa über das Baugesetzbuch. Sie haben abgelehnt. Wir haben Ihnen Anträge für bessere Haltungsbedingungen und für mehr Tierschutz bei Tiertransporten vorgelegt. Sie haben abgelehnt. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Du bist der Größte!) Frau Aigner hat diese Woche nicht ohne Grund vom Spiegel, einer nicht ganz unbedeutenden Zeitschrift, im Münchhausen-Check für ihre Tierschutzpolitik die Note "Fünf" erhalten. Aber Sie von Schwarz-Gelb sind beim Tierschutz nicht nur untätig, Sie sind auch noch zynisch. Wir haben Minister Rösler gefragt, wie die Bundesregierung denn damit umgeht, dass die Haltungsbedingungen in den von der Bundesregierung mit Hermesbürgschaften geförderten Legehennenfabriken in der Ukraine eklatant allen Bekundungen von Frau Aigners Charta für Landwirtschaft widersprechen. Antwort Minister Rösler - ich zitiere -: Die Diskussionen zur Verbesserung des Tierschutzes in Deutschland im Rahmen der Charta für Landwirtschaft und Verbraucher bezogen sich auf die Bundesrepublik Deutschland sowie die Europäische Union. Ausweislich der öffentlichen und transparenten Diskussionen und der vielfältig veröffentlichten Dokumente des Charta-Prozesses ging es hierbei nicht um die Verbesserung des Tierschutzes in der Ukraine. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Meine Damen und Herren, das ist Ihre Politik. Zynischer und kleinkarierter kann man bei einem so wichtigen Thema wie dem Tierschutz, glaube ich, nicht sein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Es ist an der Zeit, dass Sie diese falsche Politik schleunigst beenden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN! - Alois Gerig [CDU/CSU]: Was hatte das jetzt mit dem Gesetz zu tun?) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat der Kollege Johannes Röring das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Johannes Röring (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Verabschiedung des Tierschutzgesetzes und am heutigen Abend des Arzneimittelgesetzes folgt jetzt die grundlegende Neufassung des Tiergesundheitsgesetzes. Das ist für mich ein weiterer Schritt - sozusagen ein Dreiklang - in der Frage: Wie können wir besser mit unseren Tieren umgehen? Es ist ein weiterer Schritt im Sinne des Tierwohls und auch des Verbraucherschutzes in Deutschland. Ich kann nur ganz deutlich sagen: Gut, dass wir das zu verantworten haben. Wir setzen auch auf die Praktiker vor Ort, auf die guten Tierärzte, die uns da stark unterstützen, aber auch auf die Landwirte, die es gelernt haben, mit Tieren umzugehen. Deswegen sage ich noch einmal: Gut, dass wir Verantwortung haben, dass wir dieses Gesetz nach etwa 100 Jahren seines Bestehens weiterentwickeln. Ich finde es gut, dass wir hier auch eine große Einigkeit bis in die Oppositionsreihen hinein haben. Lieber Kollege Priesmeier, ich wünschte mir, dass wir diese Einigkeit auch bei anderen Themen der Tierhaltung erreichen könnten. (Ulrich Kelber [SPD]: Dann müssen Sie sich aber inhaltlich bewegen! - Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Wenn Sie was Vernünftiges vorlegen, sind wir dabei!) Kollege Ostendorff hat das Thema komplett verfehlt. Er kann im Grunde zwischen Krankheit und Seuche nicht unterscheiden. Wir haben das alte Tierseuchengesetz in Tiergesundheitsgesetz umbenannt. Allein diese Umbenennung zeigt, in welche Richtung das Ganze geht. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja, in welche Richtung Politik gemacht wird!) Ich finde, es ist ein toller Fortschritt, dass wir das gemacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Warum ist das passiert? Das hat auch etwas mit der Veränderung der Gesellschaft zu tun. Die Menschen sind heutzutage wesentlich mobiler. Sie reisen in Länder, in die sie früher nie gekommen wären, zum Beispiel nach Osteuropa und Südamerika. Aktuell stellen wir Seuchengeschehen in Osteuropa, in der Ukraine und in Südrussland, fest. Die Afrikanische Schweinepest, aber auch die Maul- und Klauenseuche in Rumänien und in Südamerika sind noch längst nicht bekämpft. Aufgrund der Mobilität der Menschen sind auch die Krankheitserreger mobil. Eine Wurst oder ein Butterbrot mit Wurst, die aus den betreffenden Ländern mitgebracht wird und irgendwo im Futtertrog unserer Tierbestände landet, kann eine Seuche auslösen. Es gilt, diesen neuen Herausforderungen zu begegnen. Das machen wir mit dem Tiergesundheitsgesetz. Das ist der richtige Weg. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir müssen auch die neuen Möglichkeiten der Diagnostik, die in unseren wissenschaftlichen Instituten entwickelt wurden und weltweit anerkannt sind, konsequent nutzen. Aufgrund der neuen Diagnostikmethoden können wir die Parole ausgeben: Keulen statt Impfen war gestern. Notimpfen und anschließend Freitesten ist für uns der bessere Weg. Die neuen Methoden werden wir geballt zum Einsatz bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Gesetz ermöglicht des Weiteren die sogenannte Kompartimentierung. Das heißt, wir können Seuchen geografisch besser eingrenzen. Wenn also irgendwo in Deutschland ein Seuchenfall auftritt, dann muss nicht mehr der gesamte Handel Deutschlands mit anderen Staaten gesperrt werden. Es ist sehr begrüßenswert, dass das FLI die notwendigen Kompetenzen hat, um die Impfungen nach vorne zu bringen, das Seuchengeschehen auf ganz kleine Regionen zu begrenzen und Seuchen ganz schnell auszumerzen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Impfung ist auch in Zukunft das zentrale Element bei der Tierseuchenbekämpfung und der Tierseuchenprävention. Noch viel wichtiger ist der Schutz vor der Einschleppung von Seuchen. Moderne Tierhaltungsbetriebe sind heute in der Lage, durch geregelten Verkehr und geregelte Einkäufe von Tieren aus bekannten Beständen, mit denen partnerschaftlich zusammengearbeitet wird, dafür zu sorgen, dass Tierseuchen erst gar nicht auftreten. Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist genau richtig. Das gesamte Parlament ist aufgerufen, in Zukunft in allen Tierhaltungsfragen - dabei geht es letztlich um die zentrale Frage, wie wir die Menschen in Deutschland und darüber hinaus ernähren - genauso viel Einigkeit zu erzielen wie - Gott sei Dank - über den vorliegenden Gesetzentwurf. Ich habe mit Wohlwollen vernommen, dass die Opposition den von uns eingeschlagenen Weg mitgeht. Ich kann Sie alle nur aufrufen, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, genauso wie den anderen Gesetzen, die jetzt im Hinblick auf die Tierhaltung in die Wege geleitet werden. Ich bin sehr sicher: Wenn wir den Praktikern vor Ort - in diesem Fall: den Tierärzten - und den Wissenschaftlern, aber auch den Bäuerinnen und Bauern Verantwortung überlassen und ihnen vertrauen, dann wird sich zeigen, dass wir etwas Gutes für die deutschen Verbraucher und für unsere Gesellschaft insgesamt erreicht haben. Herzlichen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12478, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12032 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Darf ich wissen, ob es bei der SPD unterschiedliches Abstimmungsverhalten gibt? (Zuruf von der FDP: Die meisten! - Iris Gleicke [SPD]: Nein!) - Aha. Das waren dann andere gymnastische Übungen. - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung von Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion sowie bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Notfonds für tierhaltende Betriebe einrichten". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/10663, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9580 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Stüber, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Neue Flusspolitik - Ein "Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften" - zu dem Antrag der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Sabine Stüber, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Umfassendes Elbekonzept erstellen - Drucksachen 17/9192, 17/9160, 17/11063 - Berichterstattung: Abgeordnete Ingbert Liebing Ulrich Petzold Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Horst Meierhofer Sabine Stüber Dorothea Steiner Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Ich weise darauf hin, dass wir die Rede des Kollegen Ingbert Liebing von der Unionsfraktion zu Protokoll nehmen.15 Das Wort hat die Kollegin Waltraud Wolff von der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich finde das sehr traurig. Wir wissen: Wasser ist die Grundlage unseres Lebens. Wir haben heute früh über die Privatisierung der Wasserversorgung gesprochen. Jetzt meint die Regierungskoalition, dass sie heute Abend ihre Reden zu Protokoll geben kann. Schade! (Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Sie wissen, wie das gewesen ist!) Wir reden dennoch. Es gibt nichts Neues; wir machen das alles schon. Das war die Kernaussage der Reden, die die Koalition zur ersten Lesung der Anträge mit den Titeln "Neue Flusspolitik - Ein ‚Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften'" und "Umfassendes Elbekonzept erstellen" zu Protokoll gegeben hat. Vielleicht sind die Regierungsfraktionen davon ausgegangen, dass niemand liest, was sie abgeliefert haben. Ich habe das aber gelesen. Zusammengefasst kann man sagen, dass darin steht: Erstens. Rahmenkonzept? Dafür gibt es doch die Wasserrahmenrichtlinie. Außerdem sind nicht wir, sondern die Länder dafür zuständig. Zweitens. Elbe-Konzept? Machen wir schon. Kommt schon. Warten Sie einmal ab! - Das waren die Aussagen, die ich den Reden entnommen habe. Aber, meine Damen und Herren, das überzeugt niemanden. Wo sind Ihre Konzepte denn? Die Wahrheit ist doch: Mit Ihrer Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung haben Sie deutlich gezeigt, dass Sie weder einen Ausgleich von Interessen noch eine Zusammenarbeit mit den Regionen wollen. Fakt ist: Ohne Rücksprache werden die Wasserstraßen neu kategorisiert. Fakt ist: Ohne Rücksprache wird die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zerschlagen. Fakt ist: Ohne Rücksprache ziehen Sie die Behörden aus der Fläche ab. Jedoch hat der Kollege Liebing - er wurde eben schon angesprochen; er hat seine Rede wieder zu Protokoll gegeben - in seiner ersten Rede zu diesem Thema gesagt - ich zitiere -: "Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss." Dieser Auszug aus den Erwägungsgründen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie beschreibt die Überzeugung, aus der heraus die Gemeinschaft ihre integrierte Gewässerschutzpolitik entwickelt hat. Jetzt kommt es: Dieser Überzeugung fühlen sich auch die Bundesregierung und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in ihrem Handeln verpflichtet ... Ja, meine Güte, was soll ich denn da sagen? Wenn dem so ist, dann machen Sie es doch einfach! Wer ist denn für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie an den Bundesgewässern zuständig? Natürlich die Wasser- und Schifffahrtsverwaltungen, die Sie gerade mit Ihrer Reform beerdigt haben. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt ja nicht! - Gabriele Groneberg [SPD]: Eine Beerdigung erster Klasse war das!) Herzlichen Glückwunsch! (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zeigt mehr als deutlich: Sie haben überhaupt kein Konzept. Was allerdings überfällig und ausgesprochen nötig gebraucht wird, ist ein neues integriertes Konzept, das sowohl Naturschutz, die Binnenschifffahrt als auch die Interessen der Regionen berücksichtigt. Das kann der Bund nicht allein bewerkstelligen. Um den Erhalt der noch intakten Gewässer und Auen zu fördern, muss es einfach eine Zusammenarbeit mit den Ländern geben, allein schon, weil die Finanzierung zwischen Bund und Ländern aufgeteilt ist: Der Bund ist zuständig für die Maßnahmen zum Erhalt der Schiffbarkeit, und die Länder sind zuständig für den Hochwasserschutz und für ökologische Maßnahmen; das wissen wir alle. Es geht hier also um eine Querschnittsaufgabe; deshalb sind die enge Zusammenarbeit und die Koordinierung so wichtig. Alle Beteiligten, meine Damen und Herren, müssen sich um die vielen Einzelfragen kümmern, wie zum Beispiel eine Binnenschifffahrt, die stärker an die Flüsse angepasst werden muss, oder eine Landwirtschaft, die die Rückhaltefunktion der Böden erhält, oder aber auch die Rückverlegung von Deichen. Die Lösungen können nur vor Ort gefunden werden, nicht am grünen Tisch. Sie aber ziehen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung aus den Regionen ab. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Stimmt nicht!) Mit einer solchen Gesetzgebung verabschieden Sie sich auch aus dem Dialog mit der Bevölkerung. Das finde ich, ehrlich gesagt, fatal. (Gustav Herzog [SPD]: Sehr richtig, Frau Kollegin!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein nationales Rahmenkonzept ist mehr als notwendig. Der Antrag der Linken geht zweifellos in die richtige Richtung. Wir lehnen ihn jedoch trotzdem ab, weil wir in Bezug auf die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ein Moratorium für laufende Ausbaumaßnahmen nicht richtig finden. (Gabriele Groneberg [SPD]: Richtig! - Gustav Herzog [SPD]: So ist es!) Aber richtig und sehr sinnvoll finden wir auch den Antrag zu Ihrem Elbe-Konzept. Wir als SPD haben umfassende Gespräche gesucht: in den Ländern, mit den Verbänden, mit den Anwohnern. Ich darf aus persön-licher Befindlichkeit sagen: Durch meinen Wahlkreis zieht sich die Elbe in Gänze, und darum ist es mir ein ganz persönliches Anliegen, die ökologische Funktion der Elbe zu verbessern. Ich weiß noch, wie die Elbe aussah, als ich Kind war, und ich bin froh darüber, wie es heute ist. Daran wollen wir weiter arbeiten. Dennoch bin ich dafür, die Schiffbarkeit zu gewährleisten. Früher unter Rot-Grün haben wir immer gesagt - das weiß ich noch ganz genau -: Wir wollen weg von der Straße hin zu Schiene und Wasser. Meine Damen und Herren, dazu stehe ich auch heute noch - doppeltes Ausrufezeichen! Wie schaffen wir, ein Sowohl-als-auch gut hinzubekommen? Erstens. Wir als SPD setzen auf einen öffentlichen Dialog und auf frühzeitige Bürgerbeteiligungsverfahren, die nicht auf die Fragen der Umweltverträglichkeit reduziert sind, sondern alle Aspekte der Planung umfassen. Zweitens. Wir setzen darauf, dass die Öffentlichkeit bei der Festlegung der Planungsziele und bei möglichen Änderungen von Anfang an dabei ist. Dazu schlagen wir als SPD einen Elbe-Rat vor, in dem Vertreter des Naturschutzes und der Binnenschifffahrt sind. Nur auf diese Weise kann man Stück für Stück zu einem tragfähigen Konzept kommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ziel, den guten ökologischen Zustand der Elbe gemäß Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen, hat dabei natürlich Priorität. Ich sage: Es ist möglich, mit ökologisch optimierten Buhnen und Leitwerken vielfältigere Gewässerstrukturen zu schaffen und gleichzeitig die Schiffbarkeit zu verbessern. Allerdings muss dabei klar sein: Es wird keine Eingriffe ohne ökologische Verbesserung geben. Unter dieser Prämisse kann man ganz einfach sagen: Der Schutz der Elbe als Naturraum und ihre wirtschaftliche Nutzung als Bundeswasserstraße schließen sich nicht aus. Dazu steht die SPD. Diese Grundaussage und viele unserer Forderungen finde ich auch im Antrag der Linken wieder. Deshalb unterstützen wir diesen Antrag und lehnen die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Rede des Kollegen Horst Meierhofer für die FDP-Fraktion nehmen wir zu Protokoll.16 Das Wort hat die Kollegin Sabine Stüber für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Sabine Stüber (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir geht es heute um zwei Dinge: generell um das Rahmenkonzept für eine neue Flusspolitik in unserem Land und speziell um die Elbe. Sauberes Wasser brauchen wir für alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche. Deshalb muss es als Ressource in ausreichender Menge und guter Qualität erhalten werden. Und das will die EU mit ihren Wassergesetzen sicherstellen. Damit wir einen guten chemischen und ökologischen Zustand unserer Gewässer erreichen, müssen wir vor allem im Umgang mit den Flüssen etwas ändern. Das ist seit Jahren Konsens in diesem Hause. Nur, was verändern? Da gibt es Unterschiede in den Auffassungen. Die Linke sagt: Wir betrachten Flüsse in ihrer Gesamtheit und wollen sie naturnah entwickeln. (Beifall bei der LINKEN) Gegenwärtig ist der Zustand der Gewässer schlecht. Obwohl Deutschland bei der Abwasserreinigung technologisch viel erreicht hat, ist das ökologische Gleichgewicht der Flüsse aus der Balance; denn sie werden nach wie vor begradigt, vertieft, umverlegt und aufgestaut. Dabei gehen Überflutungsflächen und Auen verloren, während im Gegenzug die Hochwassergefahr steigt und die Artenvielfalt abnimmt. Durch eine konsequente Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie kann diese Entwicklung aufgehalten werden. (Beifall bei der LINKEN) Das ist Aufgabe der Bundesregierung. In der letzten Debatte war dazu aus der Koalition zu hören, dass die Gesetze auf Bundesebene in Kraft gesetzt sind und ansonsten Gewässerschutz Ländersache ist. Die Landes- und Bundesgesetze wirken aber nicht so zusammen wie erwartet. Die Schnittstellen passen nicht. Und da sind wir wieder bei der Verantwortung der Bundesregierung. Ich will jetzt nicht alle Versäumnisse auflisten. Es geht vielmehr darum, eine ökologische Flusspolitik auf den Weg zu bringen. Unser Antrag für ein nationales Rahmenkonzept naturnaher Flusslandschaften ist eine Grundlage, endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Darüber, was alles in ein solches Konzept gehört, kann man geteilter Meinung sein und durchaus konstruktiv streiten. Deshalb meine Bitte an die Koalition: Halten Sie sich nicht weiter an Formalien fest! Es gibt viele konkurrierende Interessen an den Flüssen: Binnenschifffahrt, Tourismus, Natur- und Hochwasserschutz, Fischerei, Landwirtschaft bis hin zu Industrie und Energiegewinnung. Die Elbe ist dafür ein beredtes Beispiel. Sie ist über Hunderte Kilometer durch natürliche Flussdynamik und Auenlandschaft geprägt. Seit Jahrzehnten setzen sich Menschen dafür ein, dass dieser einzigartige Lebensraum erhalten bleibt, (Beifall bei der LINKEN) oft im Konflikt mit Wirtschaftsinteressen. Wie sieht es zurzeit aus? Laut Spiegel soll der Ausbau von Mittel- und Oberelbe vom Tisch sein. Die Unterelbe soll weiter ausgebaggert werden, damit auch Schiffe bis 14,5 Meter Tiefgang den Hamburger Hafen anlaufen können. Dagegen haben allerdings Umweltverbände, -Elbefischer und Obstbauern aus dem Alten Land geklagt und so die weitere Vertiefung der Fahrrinne vorerst gestoppt. (Beifall bei der LINKEN) Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Linke fordert klipp und klar ein umfassendes Konzept für eine naturnahe Elbe. (Beifall bei der LINKEN) Flüsse sind wertvolle Lebensräume. Sorgen wir dafür, dass sie uns erhalten bleiben! Danke. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Kollegin Dorothea Steiner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, dass wir am späten Abend noch die Chance haben, über ein wichtiges Thema zu sprechen, das in der Regel zu wenig Aufmerksamkeit erfährt: Flusspolitik im Allgemeinen und der Elberaum im Besonderen. Dafür vielen Dank! Auch wir Grüne haben in dieser Legislaturperiode schon entsprechende Anträge vorgelegt, unsere Ideen für eine Entwicklung des Elberaumes skizziert und darüber relativ breit mit der Bevölkerung und den Anrainern diskutiert. Bei der Bundesregierung hingegen: Fehlanzeige! Die Bundesregierung hat 2009 ein umfassendes Elbekonzept angekündigt und will schon jetzt, 2013, ihre Vorstellungen dazu öffentlich diskutieren. (Ulrich Kelber [SPD]: Am Abend werden die Faulen fleißig!) Das ist leider etwas spät, um parteiübergreifend ein gutes Konzept für einen zukunftsfähigen Elberaum entwickeln zu können. (Beifall des Abg. Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das wird wohl eher eine Aufgabe für die nächste Bundesregierung sein, die dann - hoffentlich in einer anderen Zusammensetzung - ein Elbekonzept entwickelt, das nicht nur der Bevölkerung, der Natur und der Elbe nützt, sondern auch der ganzen Elberegion Entwicklungschancen bietet. Dem Antrag der Linken mit dem Titel "Umfassendes Elbekonzept erstellen", der sich auf die mittlere Elbe bezieht, können wir klar zustimmen. Er greift viele Punkte auf, deren Umsetzung unserer Meinung nach notwendig ist. Das mag auch ein bisschen damit zusammenhängen, dass wir, die Grünen, eine hohe Übereinstimmung mit unserem schon erwähnten eigenen Antrag mit dem Titel "Elberaum entwickeln - Nachhaltig, zukunftsfähig und naturverträglich" erkennen können. Er zeigt, wie man Naturschutz- und Tourismuspolitik mit Arbeitsmarkt-politik verbindet. Bedauerlicherweise wurde unser Antrag von den Regierungsfraktionen abgelehnt. Wir Grünen sagen: Es ist zwingend notwendig, sämtliche Bau- und Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbe hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Natur und Umwelt zu prüfen. (Gustav Herzog [SPD]: Das machen wir die ganze Zeit schon!) Wir fordern die Bundesregierung auf, den kompletten Elbeausbau nicht nur in Sonntagsreden abzulehnen, sondern auch alltags damit aufzuhören, sinnlose, ökologisch schädliche Ausbaumaßnahmen zu ergreifen, die als Unterhaltung getarnt werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Gustav Herzog [SPD]: Unsinn!) Die Bundesregierung scheut die Auseinandersetzung darüber, welche Schifffahrt verträglich und auf der mittleren Elbe möglich ist. Es geht auch nicht an, dass Sie weiterhin auf das Prinzip "Unterhaltungsmaßnahmen um jeden Preis" setzen, gleich welche ökologischen Folgen dies für die Elbe, das Grundwasser und die Absenkung des Grundwassers hat. Wir hoffen dennoch, dass die vielbeschworene Konferenz der Bundesregierung zur Flusspolitik, die in der nächsten Woche stattfindet, keine reine Showveranstaltung wird, sondern Sie endlich einmal eine echte Diskussion und eine Abwägung zwischen ökologischen und wirtschaftlichen Ansprüchen insbesondere an die Elbe eröffnen. Der zweite Antrag der Linksfraktion zum Thema Flusslandschaften benennt sicherlich viele wichtige Ziele einer guten Flusspolitik. Aber er bleibt bei der Benennung und Aufzählung dieser Ziele stecken; er bleibt im Allgemeinen, wo schon lange Konkretisierung erforderlich ist. Werte Kollegin von der Linken, das Rad in der Flusspolitik muss nicht mehr neu erfunden werden. Wir müssen uns wichtige Punkte vorknöpfen, um die notwendigen Verbesserungen für die Qualität der Flüsse zu erreichen. Im Mittelpunkt einer aktiven Flusspolitik - das wissen wir alle; in Sonntagsreden wird es auch beschworen - steht eine umfassende Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und ein konsequenter, vorbeugender Hochwasserschutz. Dazu brauchen wir ein wirksames Auenprogramm - jetzt endlich einmal -, Auenrenaturierung und Deichrückverlegungen an ausgewählten Flüssen. Das müssen wir vorantreiben. Wir müssen einen zweiten Punkt thematisieren: Stoff-einträge in die Flüsse, beispielsweise durch die Landwirtschaft. Auch das gehört ins Zentrum der Diskussion über eine moderne Flusspolitik. Wir Grüne diskutieren das ebenfalls im Zusammenhang mit der Gülleproduktion an den Flüssen und in der Nähe der Flüsse und der Nitratbelastung des Grundwassers und der Flüsse. Das ist der Punkt, wo sich die Flusspolitik mit der Agrarwende verbindet: weniger Gülleeintrag, weniger Grundwasserbelastung, weniger Wasserbelastung. Da können wir nur sagen: Von mehr grüner Agrarwende werden auch die Flüsse und Flusslandschaften profitieren, zum Beispiel die Elbe, die Oder und die Ems. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Ulrich Petzold hat nun für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Uli, du hältst die Fahnen der Union hoch!) Ulrich Petzold (CDU/CSU): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hatte ich vor, Ihnen ein bisschen mehr freie Zeit am Abend zu schenken. Aber nachdem diese Reden gehalten worden sind, wie sie gehalten worden sind, fühle ich mich doch verantwortlich, ein paar Worte dazu zu sagen. Frau Steiner, erst einmal herzlichen Dank, dass Sie wenigstens erwähnt haben, dass am Mittwoch die Elbekonferenz in Magdeburg stattfindet. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie es nicht tun, ich mache es wenigstens!) Es sind dort zwei Staatssekretäre der Bundesregierung anwesend; sie werden dort sprechen. Ich glaube, ein bisschen was machen wir dann schon. (Gustav Herzog [SPD]: Hat ja auch lange genug gedauert!) Zum Elbekonzept, das hier von der SPD eingefordert worden ist: Liebe Waltraud, es ist nun einmal so, dass die Flussgebietskonferenz in Magdeburg Aussagen treffen wird; das ist klar. Aber in der Flussgebietskonferenz ist die Bundesregierung nicht allein vertreten. Da spielen alle Bundesländer mit. Ich frage ganz besorgt, was denn aus Niedersachsen kommen wird. Bis vor kurzem gab es klare Aussagen aus Niedersachsen, was Niedersachsen und wie Niedersachsen es haben will. Das alles ist jetzt infrage gestellt. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie meinen den Mann, der die Auenwälder abgeholzt hat?) Liebe Freunde, so geht es natürlich nicht: Nun mal schnell, wir verändern jetzt die Welt, und deswegen muss alles neu werden. - Das geht nicht! Man muss auch eine gewisse Verlässlichkeit zeigen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Elbe ist ein tausendjähriger Fluss. (Ulrich Kelber [SPD]: Der niedersächsische Umweltminister hat Auenwälder abgeholzt! Gut, dass damit Schluss ist!) Es geht natürlich darum, dass man in der Politik auch Konsistenz benötigt, und die werden wir in der Elbe-Konferenz durchsetzen. Das kann ich Ihnen sicher sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kollegin Steiner, Sie haben das Hochwasserschutzgesetz angesprochen. Das ist mit Herrn Trittin grandios gescheitert. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt überhaupt nicht!) Ich wage nur, mich ganz vorsichtig daran zu erinnern. Das sollten Sie nicht in irgendeiner Form als Großtat der Grünen erwähnen. Das ist es nicht. Liebe Kollegin Stüber, zu den Differenzen mit der EU. Die Differenzen mit der EU liegen nicht darin begründet, dass die Elbe oder irgendein Fluss in Deutschland irgendwie verseucht wäre oder durch Umwelteinflüsse in sehr schlechtem Zustand wäre. Da geht es um eine ganz einfache rechtliche Frage. Es geht um die Frage der Wasserdienstleistung. Es geht in diesem Zusammenhang zum Beispiel darum, ob die Nutzung des Wassers von Flüssen und Bächen für Kleinwasserkraftanlagen und Wasserkraftanlagen eine Wasserdienstleistung ist, die mit Gebühren beaufschlagt werden kann. Darüber streitet sich die Bundesrepublik im Auftrag von elf europäischen Ländern mit der Europäischen Union. Das kann man in einem solchen Antrag nicht einfach der Bundesregierung zuschustern. Das funktioniert nicht. Ein bisschen klarer und besser muss man sich schon informiert haben. Deswegen sage ich klar und deutlich: Flussgebietspolitik ist etwas anderes als die Vorlage solcher Anträge. Zu dem Antrag eines Elbekonzeptes habe ich in meiner ersten Rede schon einiges gesagt. Wissen Sie, es hat mich dann schon erstaunt, dass Sie diesen Antrag nicht wenigstens ein bisschen verändert haben. Man kann zwischen der ersten und zweiten Beratung eines solchen Antrages ein paar Veränderungen vornehmen; aber in einem Antrag einfach weiterhin falsche Sachen zu behaupten, das funktioniert nicht. (Ulrich Kelber [SPD]: Was wollen Sie denn jetzt eigentlich?) Die Elbe als frei fließender Fluss? Na, prima! Die Elbe ist ein Fluss, der bis zum 11. Jahrhundert - - (Ulrich Kelber [SPD]: Was wollen Sie als Mehrheit?) - Sie werden im Zuge der Elbe-Konferenz erfahren, was wir vorhaben. (Ulrich Kelber [SPD]: Was Sie wollen! Hier ist Plenumsdebatte! Sagen Sie doch, was Sie wollen! Das ist ätzend! Gestohlene Lebenszeit!) - Meine Aussage ist klar und deutlich. In meinem Wahlkreis liegt das Biosphärenreservat Mittelelbe. Wir haben gemeinsam mit dem Biosphärenreservat Mittelelbe klare Vorgaben für Baumaßnahmen an der Elbe festgelegt. Dazu gehört zum Beispiel auch der Bau von Sohlschwellen im Bereich Dessau-Wörlitz. Wenn Sie aber den Bau von Sohlschwellen sofort als Steinigung der Elbe diffamieren (Gustav Herzog [SPD]: Wer? Wir nicht!) - Sie! -, dann sorgen Sie dafür, (Alexander Süßmair [DIE LINKE]: Ich glaube, die Elbe kann man gar nicht steinigen! - Ulrich Kelber [SPD]: Sie lesen ja gar nicht, was wir aufschreiben! Wer bereitet denn Ihre Rede vor?) dass die Eintiefung der Elbe fortschreitet und dass die Auenwälder bei Dessau-Wörlitz trockenfallen. Das ist die Situation. Wir stehen dazu in Differenz. Wir wollen, dass die Auenwälder auch weiterhin erhalten werden. Dafür sind ökologische Maßnahmen notwendig. Liebe Freunde, im Bereich Dömitz/Hitzacker geht es darum, ein paar Buhnen zu versetzen (Gustav Herzog [SPD]: Nein! Nein! Es ist schon etwas mehr!) - das ist aber das Wesentliche -, um dafür zu sorgen, dass sich die Sandbänke an bestimmten Stellen nicht ablagern. (Gustav Herzog [SPD]: Richtig!) Um Gottes willen, warum soll man nicht darüber sprechen können? Weswegen ist es sakrosankt, darüber zu sprechen? Das kann so nicht funktionieren. (Ulrich Kelber [SPD]: Haben Sie eigentlich gelesen, was wir beantragen?) - Sie haben gar nichts beantragt. Ihren Antrag kenne ich nicht; das ist das Problem. (Ulrich Kelber [SPD]: Ja! Sie kennen unsere Position nicht! Das ist Ihr Problem!) Einen Antrag der Grünen und der Linken habe ich gelesen, aber einen SPD-Antrag, der sich mit diesem Thema befasst, definitiv nicht. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist ja sehr schade! - Ulrich Kelber [SPD]: Sie reden völlig ins Blaue hinein, Herr Kollege!) Lieber Herr Kelber, die Situation ist nun einmal: Sie greifen Kampfbegriffe auf, Sie arbeiten mit Schlagwörtern, wir arbeiten in der Realität. (Ulrich Kelber [SPD]: Auch wenn wir nicht wissen, was Realität ist!) Wir sorgen dafür, dass die Elbe ökologisch weiterhin in Ordnung bleibt, dass die Elbe weiterhin schiffbar bleibt und dass wir weiterhin in unserem Land vernünftig leben können. Das ist der Hintergrund. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir stehen für die Konferenz. Frau Staatssekretärin, Herr Staatssekretär, wir freuen uns auf Ihre Ausführungen und sind gespannt, was von den Ländern im Einzelnen kommen wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sie wissen nicht, was dabei herauskommt! Aber Sie sind schon mal dafür!) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 17/11063. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrages der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9192 mit dem Titel "Neue Flusspolitik - Ein ‚Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften'". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9160 mit dem Titel "Umfassendes Elbekonzept erstellen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften - Drucksache 17/11689 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - Drucksache 17/12524 - Berichterstattung: Abgeordnte Kathrin Vogler Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.17 - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12524, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/11689 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Enthaltung der Opposition angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Dr. Frithjof Schmidt, Hans-Josef Fell, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zusammenarbeit mit China intensivieren - China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen - Drucksache 17/11202 - Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Die Reden nehmen wir zu Protokoll.18 Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/11202 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes - Drucksache 17/12059 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes - Drucksache 17/12353 - Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuss) - Drucksache 17/12498 - Berichterstattung: Abgeordnete Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Fritz Rudolf Körper Burkhardt Müller-Sönksen Harald Koch Agnes Brugger Auch hier gehen die Reden zu Protokoll.19 Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Soldatengesetzes. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12498, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 17/12059 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12353 zur Änderung des Soldatengesetzes für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Ich rufe den Zusatzpunkt 8 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) - Drucksache 17/9666 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/12525 - Berichterstattung: Abgeordnete Helmut Brandt Kirsten Lühmann Manuel Höferlin Frank Tempel Wolfgang Wieland Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden. - Sie sind damit einverstanden.20 Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12525, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/9666 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12549. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Karin Roth (Esslingen), Lothar Binding (Heidelberg), Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Tom Koenigs, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rechte indigener Völker stärken - ILO-Konvention 169 ratifizieren - Drucksachen 17/5915, 17/11209 - Berichterstattung: Abgeordnete Anette Hübinger Karin Roth (Esslingen) Helga Daub Niema Movassat Thilo Hoppe Auch hier gehen die Reden zu Protokoll.21 Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/11209, den Antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 17/5915 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften - Drucksache 17/11818 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften - Drucksache 17/12299 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12527 - Berichterstattung: Abgeordnete Franz-Josef Holzenkamp Elvira Drobinski-Weiß Dr. Christel Happach-Kasan Karin Binder Friedrich Ostendorff Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Die Linke vor. Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU): Die Verbraucherpolitik der Bundesregierung schützt die Verbraucher nicht wirksam vor Lebensmittelskandalen. Das schreibt die SPD in ihrem Entschließungsantrag zum Gesetzentwurf zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches, welchen wir heute beschließen werden. Glauben Sie wirklich, was Sie da in Ihrem Antrag schreiben? Oder ist es wie bei den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, dass man sich bei Skandalen oder vermeintlichen Skandalen heimlich die Hände reibt und auf den Rücken von Verbraucherinnen und Verbrauchern Wahlkampf betreibt? Nein, ehrlich ist das nicht, was Sie da treiben. Ich werde Ihnen das gleich verdeutlichen. Wir werden heute den Gesetzentwurf zur Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches beschließen. Das LFGB ist Sinnbild für die Politik der christlich-liberalen Koalition: Wir arbeiten sachorientiert; wir arbeiten gründlich, und wir arbeiten schnell. Die Novelle des LFGB wird dazu beitragen, dass Behörden im Falle von Lebensmittelkrisen - wie zum Beispiel der Ehec-Krise - oder im Falle von Täuschungen der Verbraucher bei Lebensmitteln schneller und zielgerichteter reagieren können. Wir werden mit dem LFGB drei Punkte regeln: Zunächst schließen wir mit der Versicherungspflicht für Mischfuttermittelunternehmen den letzten Punkt des Dioxinaktionsplans ab. Darüber hinaus werden wir in Konsequenz auf die Ehec-Krise das Krisen- und Informationsmanagement zwischen Bund und Ländern verbessern. Und schließlich werden wir als Reaktion auf die Pferdefleischtäuschungen die Vorschriften zur Information der Öffentlichkeit noch einmal verschärfen. Lassen Sie mich kurz auf diese drei Sachverhalte eingehen. Der aktuelle Pferdefleischskandal hat gezeigt, dass Länderbehörden Probleme haben, die Verschärfung der behördlichen Auskunftspflicht bei Täuschungen zu vollziehen. Deshalb werden wir die Vorschrift noch einmal anpassen. Gern möchte ich die rot-grüne Opposition auf einige Tatsachen aufmerksam machen, die sie der Öffentlichkeit gern verschweigt: Die schwächste Form der Informationsverpflichtung durch die Behörden bei vermuteter Täuschung wurde unter Rot-Grün eingeführt. Damals konnten die Behörden laut LFGB informieren. Verschärft wurde diese Vorschrift, nachdem die Union in der Großen Koalition das Agrarministerium übernommen hatte. 2007 wurde aus dem "konnte" ein "sollte". Und die christlich-liberale Koalition hatte dann im vergangenen Jahr aus der Soll- eine Muss-Vorschrift gemacht. Wer tut hier also was für den Verbraucherschutz? Doch es ist wie immer: Rot-Grün tut so als ob, und viele Medien plappern ohne gründliche Recherche nach. Die christlich-liberale Koalition hat hier schnellstmöglich zum Schutz der Verbraucher gehandelt. Wer anderes behauptet, sollte einmal in sich gehen. Das kann ich übrigens auch einmal den Ländern empfehlen. Wenn ich an die Rede der Hamburger -Verbraucherschutzsenatorin vergangene Woche bei uns im Plenum denke, kommt mir nur das Wort "Glashaus" in den Sinn. In dem sollte man ja bekanntlich vorsichtig mit Wurfgeschossen umgehen. Ich empfehle den Ländern, sich einmal intensiv mit der Qualität und der Quantität ihrer Lebensmittelkontrolle auseinanderzusetzen. Hier liegen große Aufgaben vor ihnen. Und dabei meine ich nicht die Qualität der Lebensmittelkontrolleure - die machen nämlich einen tollen Job. Also noch einmal: Die Opposition kann gern anderes behaupten - Ministerin Aigner und die Koalition haben schnell und gut im Sinne der Verbraucher reagiert. Bleiben wir bei der Verbraucherinformation: Sie erinnern sich nur zu gut an die dramatischen Wochen der Ehec-Krise im Jahr 2011. Dem Ehec-Ausbruch waren 53 Personen zum Opfer gefallen. In der Krise hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den Bundesländern verbessert werden muss. Im Herbst 2012 haben der Bund und die Verbraucherschutzminister der Länder hierzu eine Vereinbarung getroffen, die wir jetzt im LFGB umsetzen. Im Mittelpunkt steht dabei der schnelle Datenaustausch zwischen den beteiligten Behörden auf Ebene des -Bundes und der Länder. Zudem schaffen wir gesetz-liche Sicherheit für den Datenaustausch zwischen -Lebensmittelüberwachungs- und Gesundheitsbehörden. Damit greifen wir Anregungen aus dem Gutachten des Bundesrechnungshofes zum gesundheitlichen Verbraucherschutz auf. Und schließlich werden wir den letzten Punkt des Dioxinaktionsplanes umsetzen. Ministerin Aigner hat in Reaktion auf die Dioxinfunde in Mischfuttermitteln den Aktionsplan Verbraucherschutz in der Futter-mittelkette aufgestellt und zügig abgearbeitet. Der letzte offene Punkt - die Versicherungspflicht für Mischfuttermittelunternehmen - bedurfte intensiver Beratungen. Wir haben jetzt im LFGB eine Pflichtversicherung für Mischfuttermittelhersteller verankert, die sich am Umfang der Produktion orientiert. Damit hat der Landwirt, der von den Folgen ver-unreinigter Futtermittel betroffen ist, künftig die Sicherheit, dass der Futtermittelhersteller ausreichend versichert ist, um seiner Schadensersatzpflicht nachzukommen. Gleichzeitig können sich die Geschädigten - anders als bisher - direkt an die Versicherung wenden, um Schadensersatz einzufordern. Damit besteht im Falle einer Insolvenz des Schädigers der Versicherungsschutz fort. Sie sehen, die christlich-liberale Koalition arbeitet schnell, gründlich und sachorientiert für den Verbraucherschutz in der Lebensmittelkette. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu der vorliegenden Änderung des Lebens- und Futtermittelgesetzbuches. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Diese Bundesregierung hat einmal mehr bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Lebensmittelskandalen zu schützen. Während wir noch fassungslos sind über die täglich neuen Details hinsichtlich des Ausmaßes des Pferdefleischbetrugs, haben wir schon den nächsten groß angelegten Betrugsfall: Eier von Legehennen, die gesetzeswidrig auf engstem Raum gehalten wurden, die teilweise sogar als Bioeier verkauft wurden. Es geht dabei um Betrug sowie Verstöße gegen das Lebensmittel- und das Ökolandbaugesetz. Womöglich haben die Betriebe auch Tierschutzvorschriften und Umweltgesetze missachtet. Doch sicherlich wird sich auch hier die Bundes-regierung mit groß angekündigten Punkteplänen, wirkungslosen Einzelmaßnahmen und Prüfaufträgen von Skandal zu Skandal hangeln. Verbraucherinnen und Verbraucher ziehen den Kürzeren, und die schwarzen Schafe in der Lebensmittelwirtschaft kommen ungeschoren davon. Jetzt will die Bundesregierung in Windeseile das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch ändern - allerdings ohne die notwendigen Konsequenzen aus den Lebensmittelskandalen zu ziehen. Das lehnen wir ab. Mit der dort vorgesehenen Änderung des § 40 LFGB wird nicht gewährleistet, dass Behörden über Falsch-etikettierung und Täuschungsfälle informieren. Im Gegenteil: Behörden werden über Täuschungsfälle nicht informieren, weil die Hürden zu hoch sind. Aber: Wir sind es den Verbraucherinnen und Verbrauchern schuldig, alle unsere Möglichkeiten zu nutzen, um die Verbraucherinformation, die Qualität der Lebensmittelkette und die Lebensmittelüberwachung zu verbessern und so das Risiko von weiteren Lebensmittelskandalen zu minimieren. Wir brauchen eine grundsätzliche Offenlegung der behördlichen Untersuchungsergebnisse. Transparenz ist nicht nur im Hinblick auf gleiche Wettbewerbsbedingungen für redliche Anbieter unverzichtbar und soll den einzelnen Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer noch stärker und kontinuierlicher als bisher dazu veranlassen, seinen Betrieb im Einklang mit den lebensmittel- oder futtermittelrechtlichen Vorschriften zu betreiben. Transparenz ist auch für die Demokratie selbst konstitutiv. Das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit des demokratischen Rechtstaats sinkt, wenn Bürgerinnen und Bürger über Pferdefleischfunde in Fertiggerichten und Dönerspießen nicht durch die Behörden selbst informiert werden können, sondern auf die teilweise lückenhaften Informationen der Anbieter und Handelsketten angewiesen sind. Wir brauchen die Rückverfolgbarkeit, um nicht ordnungsgemäße Produkte schnell aus der Kette zu holen, Qualität zu gewährleisten und Betrüger zu entlarven. Bisher dokumentieren viele Lebensmittelunternehmer die Handelsströme lediglich eine Stufe vor und eine Stufe zurück. Das erschwert die Arbeit der Lebensmittelkontrolleure und ermöglicht es Betrügern, die Herkunft von Lebensmitteln zu verschleiern. Die Unternehmen stehen nach den Bestimmungen der EU-Basisverordnung Lebensmittelrecht, VO-Nr. 178/2002, jedoch in der Pflicht, Verfahren und Systeme zur stufenübergreifenden Rückverfolgung bereitzustellen. Die Wirtschaftsbeteiligten müssen sich gegenseitig kontrollieren, und Lebensmittel müssen lückenlos rückverfolgbar sein, damit mangelhafte Produkte auf allen Produktionsstufen schnell identifiziert und vom Markt genommen werden können. Die Lieferkette muss für die Kontrolleure transparent werden, und zwar nicht nur über eine, sondern über alle Handelsstufen hinweg. Wir brauchen eine wirkliche Rückverfolgbarkeit. Wir brauchen eine echte Herkunftskennzeichnung. Noch letztes Jahr hat die Verbraucherministerin Ilse Aigner auf EU-Ebene abgelehnt, sich für eine Herkunftskennzeichnung von verarbeiteten Lebensmitteln und die Herkunft von Fleisch und Milchprodukten einzusetzen. Wir begrüßen, dass genau dies im Nationalen Aktionsplan nun vorgeschlagen wird. Wir brauchen Klarheit auf einen Blick für die Verbraucherinnen und Verbraucher über den Hygiene-zustand in Restaurants und sämtlichen Lebensmittelbetrieben. Wir brauchen die Hygieneampel. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält keinen Vorschlag zur Einführung eines Restaurantbarometers zur Kennzeichnung der Betriebshygiene mit Ampelfarben. Die zuständige Bundesministerin bleibt uns weiterhin einen Vorschlag für eine bundeseinheitliche Regelung schuldig. Damit ignoriert sie die Beschlüsse der 8. Verbraucherschutzministerkonferenz und die Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches. Wir brauchen den Hinweisgeberschutz. Wenn Lebensmittelskandale von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufgedeckt werden, gehören diese unter den Schutz der Rechtsordnung. Dazu genügt es nicht, wenn der damalige Bundesminister Horst Seehofer einen Hinweisgeber, der den Gammelfleischskandal aufgedeckt hat, mit der Professor-Niklas-Medaille des Bundesverbraucherministeriums auszeichnet. Hinweisgeber müssen gesetzlich vor Kündigung und anderen Nachteilen geschützt werden. Ein Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion für ein Hinweisgeberschutzgesetz, Bundestagsdrucksache 17/8567, liegt vor und befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Wir brauchen harte Strafen für Betrüger. Lug und Trug darf sich nicht lohnen. Die Sanktionen im Lebensmittel- und Futtermittelrecht müssen verschärft werden. Das Strafrecht bietet schon jetzt die Möglichkeit, die durch Verbrauchertäuschung erzielten Gewinne der Lebensmittelindustrie abzuschöpfen. Darüber hinaus sind Vorschläge zu prüfen, abgeschöpfte Unrechtsgewinne für die Verbraucherarbeit zu verwenden. Wir müssen die Lebensmittelunternehmer in die Pflicht nehmen. Sowohl hinsichtlich der Anforderungen an die Eigenkontrollsysteme als auch im Hinblick auf Täuschung und Irreführung sind Unternehmen zur sofortigen Information zu verpflichten. Wir müssen die Grundlagen schaffen für eine bessere und effizientere Lebensmittelüberwachung. Dabei muss auch die Finanzierung überdacht werden: Warum bürden wir die Kosten für die amtliche Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben den Steuerzahlern auf? Im rot-grünen Koalitionsvertrag in Niedersachsen wurde vereinbart, auch für Regelkon-trollen der Lebensmittelüberwachung kostendeckende Gebühren zu erheben, um dadurch die finanzielle Basis für eine schlagkräftige Lebensmittel- und Futtermittelaufsicht zu verbessern. Die Verbesserung der Schlagkraft der Lebensmittel- und Futtermittelaufsicht tut dringend not; das sehen wir bei jedem Lebensmittelskandal erneut. Die Unternehmen an den Kosten zu beteiligen, sollte durchaus in deren Interesse sein; denn je besser die Kontrollen, umso schneller werden unseriöse Anbieter vom Markt gedrückt. Wir haben mit unserem Entschließungsantrag im Ausschuss Vorschläge zur Änderung des LFGB gemacht, die wirklich Konsequenzen aus den Lebensmittelskandalen ziehen und die endlich mehr Transparenz und Sicherheit bringen würden. Doch dazu sind CDU/CSU und FDP nicht bereit. Der nächste Lebensmittelskandal kommt bestimmt, und ganz bestimmt auch der nächste fruchtlose Aktionsplan dieser Bundes-regierung. Die Leidtragenden bleiben die Verbraucherinnen und Verbraucher. Hans-Michael Goldmann (FDP): Die christlich-liberale Koalition schützt Verbraucherinnen und Verbraucher vor Täuschungen im Lebensmittelbereich und handelt klug und entschlossen im Sinne aller Betroffenen. Heute verabschieden wir ein sehr gutes Gesetz. Die christlich-liberale Bundesregierung "löscht die Brände" dort, wo sie auftreten, und sorgt in Zukunft für Sicherheit und Transparenz. Mit der Beratung am heutigen Tage setzen wir den letzten Punkt unseres Aktionsplans "Unbedenkliche Futtermittel, sichere Lebensmittel, Transparenz für den Verbraucher" um. Die schwarz-gelbe Bundes-regierung hatte diesen im Nachgang zum Dioxin-geschehen erarbeitet. Damals wurde bekannt, dass ein Futtermittelunternehmen mit Dioxinen belastete Industriefette für die Herstellung von Futtermitteln verwendet hatte. Wir arbeiten den Aktionsplan konsequent ab und führen eine Versicherungspflicht für Mischfuttermittelunternehmer ein, um zukünftig wirtschaftliche Schäden bei den Landwirten, die unwissentlich belastete Futtermittel erhalten, zu verhindern. Die Versicherungspflicht gilt für Futtermittelbetriebe, die mindestens eine im Inland zugelassene oder registrierte Mischfutteranlage haben. Sie müssen in Zukunft dafür Sorge tragen, dass sie eine Versicherung entsprechend ihrer Produktionsmenge abschließen. Diese Versicherung deckt die Schäden ab, die durch die Verfütterung eines von ihnen hergestellten Mischfuttermittels entstehen, wenn es nicht den futtermittelrechtlichen Anforderungen entspricht. Wir sorgen dafür, dass Geschädigte einen Schadensersatzanspruch künftig auch gegen den Versicherer geltend machen können, wenn der Mischfuttermittelunternehmer/Verursacher in die Insolvenz geht oder nicht mehr greifbar ist. Aus Anlass des aktuellen Pferdefleisch- und Hühnereierskandals, bei dem mit kriminellem Tun die Verbraucherinnen und Verbraucher in arglistiger Weise getäuscht wurden, haben wir eine weitere Verbesserung des § 40 des LFGB, Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, vorgenommen. Hier haben wir sehr schnell gehandelt und tragen damit dem öffentlichen Informationsanspruch der Verbraucher Rechnung. Durch die Erweiterung in § 40 Abs. 1 sollen die Überwachungsbehörden der Länder die Hersteller oder Inverkehrbringer falsch gekennzeichneter Produkte dann veröffentlichen, wenn der durch Tatsachen begründete Verdacht besteht, dass ein Lebensmittel gegen den Täuschungsschutz verstoßen hat und somit eine Täuschung am Verbraucher besteht. Wir schaffen damit den Rahmen, den die Länder brauchen, um Produkt- und Herstellernamen zu nennen. Bisher musste bei Gesundheitsgefahren oder schweren Hygienemängeln veröffentlicht werden. Heute sorgen wir dafür, dass Täuschungen bei Lebensmitteln durch die zuständigen Lebensmittelbehörden der Länder, nach Abwägung der beteiligten Interessen, immer veröffentlicht werden können. Damit ist eine schnelle Information der Verbraucher gewährleistet. Gerade beim Pferdefleischskandal hat die öffentliche Diskussion deutlich gemacht, dass die Belange der Öffentlichkeit sehr hoch einzuschätzen sind. Die neue Vorschrift der christlich-liberalen Koalition ist praxistauglich und handhabbar in der Umsetzung. Karin Binder (DIE LINKE): Die Anzahl immer neuer Lebensmittelskandale führt uns vor Augen, wie unwirksam die Maßnahmen von Verbraucherministerin Ilse Aigner sind. Mit Glaubwürdigkeit hat das nicht viel zu tun. Das zeigt auch der aktuelle Gesetzentwurf zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, des LFGB. Das Papier ignoriert völlig die Auswirkungen einer international arbeitenden Lebensmittelindustrie und des zunehmend globalisierten Lebensmittelhandels. Schlimmer noch: Es greift nicht einmal die Vorschläge einer umfassenden Studie zur Neuordnung der Lebensmittelaufsicht, die Frau Aigner höchstselbst in Auftrag gegeben hatte, auf. Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Beauftragter für das wirksame Handeln von Behörden, stellte erhebliche Mängel fest und schlug eine Art Neustart für die Lebensmittelaufsicht vor. Die Kernbotschaft: Der Bund hat das grundgesetzliche Recht - nach meiner Auffassung auch die Pflicht -, Kompetenzen an sich zu ziehen, wenn Länderstrukturen dafür nicht geeignet sind. Und eines steht fest: Global agierende Lebensmittelkonzerne können kaum von einer Landkreisebene her kontrolliert werden. Der europaweite Fund von Pferdefleisch in Rindfleischgerichten verdeutlicht einmal mehr, dass eine Neuordnung der Lebensmittelsicherheit in Deutschland dringend erforderlich ist. Man muss sich das vor Augen führen: Nicht einmal die Hersteller wussten, woher ihr Fleisch kam. Da wirken die Versprechen der Branche nach Sicherheit und Qualität, nach Rückverfolgbarkeit und Transparenz wie ein schlechter Witz. Der bleibt den Verbraucherinnen und Verbrauchern mit dem Bissen im Halse stecken. Die Linke sagt: Mit Blick auf den weltweiten Handel von Lebensmitteln ist die Lebensmittelkontrolle in Deutschland mit ihrer zersplitterten Struktur und ihren unzulänglichen Zuständigkeiten nicht mehr zeitgemäß. Handeln Sie endlich, Frau Aigner! Der Gesetzentwurf setzt ja nicht einmal die Beschlüsse der Verbraucherschutzministerkonferenz der Länder von 2012 um. Dort wurde zum Beispiel dringend Rechtssicherheit für die sogenannte Hygiene-Ampel gefordert. Der Bundesrat forderte außerdem, dass der Bund die Verantwortung für ein bundesweit einheitliches System zur Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über die Ergebnisse amtlicher Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen in der Gastronomie übernimmt. Die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen, ist Aufgabe des Bundes. Mehrfach belegten Gerichtsurteilte in den letzten Monaten, dass für die Veröffentlichung von Hygienemängeln bei Lebensmittelbetrieben durch die Gemeinden die derzeitigen Rechtsgrundlagen nicht ausreichen. Aber das nennt Frau Aigner Verbraucherinformation. Die Linke fordert: Frau Aigner, hören Sie endlich auf, die Lebensmittelindustrie vor den Verbraucherinnen und Verbrauchern zu schützen! Mit dem hier vorliegenden Entschließungsantrag der Linksfraktion weisen wir auf die gröbsten Mängel von Schwarz-Gelb hin und fordern: Erstens. Das Gutachten "Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes - Schwerpunkt Lebensmittel" des Bundesrechnungshofes muss Schritt für Schritt umgesetzt werden. Bei herausgehobenen Überwachungsaufgaben, zum Beispiel bei Lebensmittel- und Futtermittelherstellern mit überregionalem Markt, bei großen Handels- und Discounterketten für Lebensmittel sowie bei Fastfoodketten ist dem Bund die Zuständigkeit im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch zuzuordnen. Zweitens. Die von der 8. Verbraucherschutzministerkonferenz am 14. September 2012 beschlossene und vom Bundesrat geforderte Rechtsgrundlage zur Veröffentlichung der Ergebnisse amtlicher Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen ist unverzüglich auf den Weg zu bringen. Zudem ist ein bundeseinheitliches Modell zur Transparentmachung der Kontrollergebnisse von Lebensmittelunternehmen für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schaffen. Denn eines ist klar: Mit Aktionsplänen und Eigenlob ist den Lebensmittelskandalen nicht beizukommen. Das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in die Politik muss durch Taten zurückgewonnen werden. Frau Aigner, fangen Sie endlich damit an! Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über zwei Jahre und ungezählte Zehn-Punkte-Ankündigungspläne von Ministerin Aigner sind seit dem Dioxinskandal 2010/2011 vergangen. Über zwei Jahre haben Sie gebraucht, um einen so schlichten Punkt wie die Versicherungspflicht für Futtermittelunternehmen in Gesetzesform zu gießen und diesen Skandal halbwegs aufzuarbeiten. Das war notwendig und richtig. Nur leider sind wir schon wieder diverse Skandale weiter: Antibiotikamissbrauch, Pferdefleischskandal, jetzt der Legehennenhaltungsskandal: Die Skandalkarawane ist längst weitergezogen, und Frau Aigner läuft mit ihren Aktionsplänen hilflos hinterher. Die Hektik, mit der Sie nun Schnellschüsse nachreichen, hilft da auch nicht weiter. Sie schaffen beim Thema Transparenz nur eine Sollregel mit zu viel Raum für Interpretationen, die juristisch auf sehr wackligen Füßen steht. Wir kennen das bereits vom Fall der Verbraucherinformationen bei Hygienemängeln: Durch eine seit 2012 geltende Veränderung im LFGB sollen die Behörden über Hygieneverstöße informieren, zum Beispiel auf Internetseiten. Die Gerichte haben aber in verschiedenen Fällen die Veröffentlichung untersagt. Das heißt, der Gesetzestext ist nicht gerichtsfest, und daher kommt es nicht zu den gewünschten Veröffentlichungen. So wird es leider auch Ihrem heutigen Gesetzentwurf ergehen. Frau Aigner, Sie kriegen die Sache einfach nicht in den Griff. Sie versagen regelmäßig bei der Skandalbekämpfung, weil Sie sich nicht an die Ursachen wagen wollen. Mehr noch: Sie unterstützen eben jene Strukturen, die uns einen Lebensmittelskandal nach dem anderen bescheren. Sie fördern mit Ihrer Fleischexportstrategie aktiv die Billigfleischproduktion in Deutschland. Sie widersetzen sich allen unseren Vorschlägen zur gesetzlichen Eindämmung der Massentierhaltung in Deutschland, etwa über das Baugesetzbuch. Sie unterstützen die Massentierhaltung in Osteuropa mit Hermesbürgschaften von weit über 100 Millionen Euro und bringen damit das internationale Fleischkarussell erst richtig in Schwung. Sie blockieren die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und verhindern damit, dass endlich Klasse statt Masse gefördert wird. Sie fördern eine Agrarindustrie, die der Intransparenz und dem Betrug Vorschub leistet, und wundern sich, wenn Ihnen die Sache regelmäßig um die Ohren fliegt. Denn die Lebensmittelskandale sind immer Skandale der Agrarindustrie und oft der Futtermittelindustrie. Immer sind es die industriellen Strukturen, die in den Betrug verwickelt sind. Der eigentliche politische Skandal dahinter ist Ihre Politik für diese Agrarindustrie und gegen die bäuerliche Landwirtschaft. Das ist der Skandal dieser Bundesregierung. Das ist Ihr Skandal, Frau Aigner. Solange Sie die Agrarwende verhindern, wird die Landwirtschaft nicht aus den Schlagzeilen verschwinden. Solange wir nicht zu einer grundsätzlich anderen Ausrichtung der Agrarpolitik kommen, ist der nächste Aktionsplan von Frau Aigner nur eine Frage der Zeit. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie ernähren sich politisch immer noch von dem Märchen, Sie seien die Partei der Bauern. In Wahrheit schadet niemand den Bäuerinnen und Bauern mehr als CDU und CSU. Ich nenne nur ein Beispiel: 16 EU-Regierungschefs haben bei den Verhandlungen zum mehrjährigen -Finanzrahmen in Brüssel vor wenigen Tagen Sonderzuschläge in der zweiten Säule erreicht: Italien 1,5 Milliarden Euro extra, Frankreich 1 Milliarde Euro extra. Deutschland: null Euro extra. Bundeskanzlerin Merkel und Ministerin Aigner stehen mit leeren Händen da. Dieses Ergebnis bedeutet weitere heftige Kürzungen bei den Agrarumweltmaßnahmen und der ländlichen Entwicklung in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer Politik, die sich nur für die Privilegien der Agrarindustrie interessiert und die Interessen der bäuerlichen Landwirtschaft vernachlässigt. Dieses Ergebnis ist das Resultat Ihrer Politik, meine Damen und Herren. Wir Grünen wollen eine andere Agrarpolitik. Eine Agrarpolitik für die bäuerliche Landwirtschaft, die Lebensmittelskandale dieses Ausmaßes gar nicht erst aufkommen lässt, anstatt ihnen immer nur hinterherzulaufen. Darauf wollen wir die Gemeinsame Agrarpolitik ausrichten. Daran arbeiten unsere grünen Ministerinnen und Minister in den Ländern. Und das wollen wir nach der Bundestagswahl auch in der Bundespolitik endlich wieder voranbringen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12527, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 17/11818 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12558. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12559. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Auch dieser Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Wir setzen die Abstimmung zu den Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/12527 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12299 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist damit einstimmig angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Sportausschusses (5. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Gerster, Dagmar Freitag, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Neue Struktur der Nationalen Anti Doping Agentur schaffen - Drucksachen 17/11320, 17/12237 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Riegert Martin Gerster Dr. Lutz Knopek Katrin Kunert Viola von Cramon-Taubadel Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Ziel der Nationalen Anti Doping Agentur, NADA, in Bonn ist die Bekämpfung des Dopings in Deutschland. Dieses Ziel verfolgt die NADA seit ihrer Gründung im Jahr 2002 konsequent und nachdrücklich. Der Besuch des Vorstandsvorsitzenden der US-amerikanischen Nationalen Anti-Doping-Agentur, Travis Tygart, im Sportausschuss des Deutschen Bundestages hat gezeigt, dass sie diese Konsequenz und Nachdrücklichkeit nicht nur in Deutschland bekannt gemacht hat, sondern dass sie auch weltweit für ihre Tätigkeit Anerkennung erhält. Die hervorragende und äußerst wichtige Arbeit, die die NADA unter ihren Vorständen, Dr. Andrea -Gotzmann und Dr. Lars Mortsiefer, mit den rund 30 Mitarbeitern täglich leistet, gilt es daher auch in Zukunft weiter fortzuführen und zu unterstützen. Voraussetzung hierfür ist aber, dass der NADA auch die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden. Bis heute ist nur der Bund seinen 2002 eingegangenen Verpflichtungen nachgekommen. Man muss sogar an dieser Stelle sagen, dass er seine finanziellen Verpflichtungen übererfüllt hat. Das müssen auch die Kolleginnen und Kollegen der Opposition anerkennen. Es stammen mehr als 11 Millionen Euro des 13 Millionen umfassenden Stiftungskapitals der NADA aus Bundesmitteln. Erst bei den kürzlich beendeten Haushaltsberatungen hat sich die christlich-liberale Koalition -erneut erfolgreich für einen Ausgleich einer Finanzierungslücke der NADA von 1 Million Euro eingesetzt. Leider kommen jedoch nicht alle Stakeholder ihren 2002 gegebenen Versprechungen bezüglich der finanziellen Unterstützung nach. Die 16 Länder haben es seit elf Jahren schlicht versäumt, durch Erbringung des ihnen obliegenden Beitrags der Finanzierung der NADA und dem Anti-Doping-Kampf in der Bundes-republik Deutschland eine noch größere Schlagkräftigkeit zu verleihen. Sicherlich sind die Haushalte der Länder nicht prall gefüllt. Im letzten Jahr hätten sie aber beispielsweise die Chance gehabt, die Novellierung des Gesetzes zur Besteuerung von Sportwetten für eine entsprechende Finanzierung der NADA und damit eine Stärkung der Integrität des Sports zu nutzen. Aber auch die Wirtschaft mit Ausnahme der Firma Adidas als weiterer "Stakeholder" der NADA ist bisher ihren zugesagten Verpflichtungen nicht nachgekommen. Dies ist umso bedauerlicher, als doch gerade Wirtschaftsunternehmen von einem sauberen und fairen Sport in besonderem Maße profitieren. Daher sollte es ihr ureigenstes Interesse sein, entsprechende Kontrollmaßnahmen zu unterstützen. Selbst wenn die von mir aufgezeigten Stakeholder ihren finanziellen Verpflichtungen noch nicht oder bisher nur teilweise nachgekommen sind, vermag mich eine erneute Grundsatzdiskussion, so wie von der SPD-Fraktion im vorgelegten Antrag gewünscht wird, nicht zu überzeugen. Für die NADA wurde im Jahr 2002 ganz bewusst ein "Multi-Stakeholder-Modell" zu ihrer Finanzierung ausgewählt. Die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche der Wirtschaft, der Politik und des Sport sollten unmittelbar in den Anti-Doping Kampf mit einbezogen werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die NADA unabhängig agiert und kontrolliert. Gleichzeitig ist mit dem ausgewählten "Multi-Stakeholder-Ansatz" sichergestellt, dass das Handeln der NADA eine breite gesellschaftliche Akzeptanz in Deutschland erfährt. Der von der SPD-Fraktion in ihrem Antrag dokumentierte Vorschlag, eine unabhängige Expertenkommission einzusetzen, die Vorschläge für eine neue Träger- und Finanzierungsstruktur der NADA erarbeiten soll, geht an der eigentlichen Herausforderung, vor der die NADA und auch wir als Deutscher Bundestag stehen, vorbei. Sie tragen mit Ihrer Forderung gerade nicht zu einer konkreten Lösung bei, sondern drehen sich weiterhin im Kreis. Denn durch die anhaltende Diskussion über einen grundsätzlichen Umbau des NADA-Strukturmodells bewegen Sie weder Länder noch die Wirtschaft sich endlich in größerem Maße finanziell zu -engagieren. Im Gegenteil: Sie bestätigen dadurch die Haltung einiger Verantwortlicher in den Ländern, keine weiteren Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Der Antrag der SPD ist daher zum jetzigen Zeitpunkt sogar kontraproduktiv. Zur Erinnerung: Der im Jahr 2002 von allen Stakeholdern unterschriebene Stiftungsvertrag verpflichtet alle Stakeholder, finanzielle Mittel bereitzustellen. Die fortlaufende Infragestellung dieses Vertrags nimmt jedoch den Druck und ist daher für die Arbeit der NADA äußerst schädlich. Der Antrag ist daher abzulehnen. Klaus Riegert (CDU/CSU): Seit langer Zeit beschäftigen wir uns im Sportausschuss des Deutschen Bundestages mit Fragen zum nationalen und internationalen Kampf gegen Doping im Sport. Die Glaubwürdigkeit und die Integrität des sportlichen Wettstreits drohen deutlich abzunehmen, wie nicht zuletzt eine Studie der Deutschen Sporthilfe gezeigt hat. Bei aller Skepsis gegenüber Rekorden und sportlichen Höchstleistungen gilt es aber auch, die Athletinnen und Athleten nicht alle pauschal abzuurteilen und dem Leistungssport seinen Sinn vorschnell abzusprechen. Allzu oft wird mit der "großen Unbekannten", der "Dunkelziffer des Dopings", in eigener Sache Interessenspolitik betrieben - letztlich auf dem Rücken der fairen und sauberen Sportlerinnen und Sportler. Gerade unter schwierigen Wettkampfbedingungen, der Pflicht zu umfangreichem Training sowie in Aussicht stehenden, hohen ökonomischen Prämien sind die Athleten und das Umfeld gefordert, die Inte-grität des sportlichen Wettkampfs zu wahren und sich aktiv hierfür einzusetzen. Wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen sind Sportler ebenso Menschen, die Fehler begehen können, dem Leistungsdruck und moralischen Anspruch gegebenenfalls nicht standhalten oder sogar ganz bewusst zu unerlaubten Mitteln greifen. Unabhängig des zugrunde liegenden Menschenbildes brauchen wir national wie international starke unabhängige Organisationen, die das Doping im Sport professionell bekämpfen. Die NADA hat sich in der Zeit seit Gründung vor mehr als zehn Jahren zu einem nationalen Kompetenzzentrum entwickelt, das auch international höchste Anerkennung erfährt. Dabei lässt sich der Erfolg einer Anti-Doping-Organisation jedoch nicht allein an der Anzahl der aufgedeckten, positiven Dopingfälle festmachen. Die abschreckende Wirkung der Dopingkontrollen der NADA bei Wettkämpfen oder bei unangekündigten Trainingskontrollen kann kaum oder gar nicht gemessen werden. Die Präventionsarbeit und die Aufklärung junger Athletinnen und Athleten sind in dieser Hinsicht ebenso zu nennen, die aber genauso wenig "positive Schlagzeilen" produzieren, da sie ja gerade das Fehlverhalten verhindern. Dies soll allerdings nicht heißen, dass wir uns zurücklehnen können und uns im Anti-Doping-Kampf, in der Prävention oder in der Dopinganalytik nicht weiter verbessern müssen. Kurzum: Die NADA hat sich seit ihrer Gründung zu einem starken Kompetenzzentrum entwickelt. Der NADA wird berechtigterweise von vielen Seiten ein hohes Renommee und Professionalität im Anti-Doping-Kampf zugesprochen. Gleichwohl müssen alle, die sich für die Integrität des Sports einsetzen, gemeinsam den Anti-Doping-Kampf konstruktiv weiterentwickeln und unterstützen. Für einen wirksamen Kampf gegen Doping im Sport bedarf es selbstverständlich einer soliden Finanzierung der NADA. Die Möglichkeit, überhaupt erst im Anti-Doping-Kampf erfolgreich arbeiten zu können, basiert wesentlich auf einer nachhaltigen Finanzierung durch die jeweiligen Stakeholder. Der Erfolg der NADA basiert genauso stark auf dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung wie auf jenen, die sich ehrenamtlich für einen sauberen Sport einsetzen. An dieser Stelle sei allen ausdrücklich gedankt! Die Unabhängigkeit einer Organisation wird ebenso häufig als Voraussetzung für einen erfolgreichen Anti-Doping-Kampf genannt. Beide Faktoren haben eine wesentliche Rolle bei der Gründung der NADA als eine unabhängige Stiftung gespielt. Der Antrag der SPD-Fraktion verknüpft nun unsachgemäß die Finanzierung der Nationalen Anti-Doping Agentur Deutschland, NADA, mit der grundsätzlichen Frage nach deren Struktur bzw. Rechtsform. Die NADA wurde 2002 als Stiftung in Bonn gegründet, um eine größtmögliche Unabhängigkeit gegenüber externen Einflüssen zu gewährleisten. Mit Blick auf eine finanzielle Unabhängigkeit der NADA wurde deshalb mit der Stiftung ein "Stakeholder-Modell" etabliert. Hiernach sind für die NADA-Finanzierung der Bund, die Bundesländer, der organisierte Sport sowie die Wirtschaft verantwortlich. Entgegen dieser Zusage haben sich bisher vor allem die Bundesländer der Verantwortung entzogen. Der Bund hat sich weit überproportional an den Kosten der NADA beteiligt. Demnach stammen mehr als 11 Millionen Euro des (circa 13 Millionen Euro umfassenden) Stiftungskapitals der NADA aus Bundesmitteln. Auch mit Blick auf das operative Geschäft der NADA leistet der Bund den größten Beitrag. Bei den Haushaltsberatungen 2012/2013 haben sich die Koalitionsfraktionen erneut für einen kurzfristigen Ausgleich einer Finanzierungslücke der NADA von 1 Million Euro eingesetzt. Unabhängig von der Bedeutsamkeit des Anti-Doping-Kampfes ist es jedoch nicht richtig, dass der Bund jedes Jahr immer dann einspringt, wenn andere Stakeholder erneut ihren eigenen Zusagen nicht nachgekommen. Mit wenigen Ausnahmen haben hierbei vor allem die Bundesländer ihre Zusagen bezüglich der NADA-Finanzierung nicht eingehalten. Im Gegensatz zur eindimensionalen Forderung der SPD-Fraktion, eine Strukturkommission einzusetzen, sollen dahin gehend die Bundesländer ihrer Verantwortung endlich gerecht werden. Über die künftigen Einnahmen aus dem Glücksspiel bzw. den Sportwetten können sich die Bundesländer an der NADA-Finanzierung beteiligen. Im Rahmen des Rennwett- und Lotteriegesetzes bzw. des Glücksspielstaatsvertrages haben sich der Bund und die Bundesländer hierfür bereits ausgesprochen. Der SPD-Antrag mit der wenig kreativen Forderung, eine Expertenkommission für die Entwicklung alternativer NADA-Strukturmodelle einzurichten, zeugt indes von eigener Perspektivlosigkeit. Nicht eine neue Struktur der NADA zählt zu den künftigen Herausforderungen des Anti-Doping-Kampfes, sondern eine solide Finanzierung unter angemessener Beteiligung der vielfach SPD-geführten Bundesländer. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion macht sich zusammen mit der Bundesregierung und der NADA seit langem für einen sauberen Sport stark. Durch die immer wieder (auch international) auftretenden Dopingfälle wird bei vielen Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck erweckt, man bekomme das Problem nicht in den Griff, die Strafen seien einfach nur noch nicht schwerwiegend genug oder man müsse nur zu einer vollständigen Überwachung der Sportler übergehen. Die Wahrheit ist, dass in der Tat das hoch professionalisierte Doping kriminalistisch nicht einfach aufzudecken ist, gleichwohl - nach dem Evaluationsbericht der Bundesregierung - die Anzahl der Verfahren deutlich zugenommen hat. Zudem sind zum Beispiel datenschutzrechtliche Aspekte zu berücksichtigen, wie auch die Persönlichkeitsrechte der Athletinnen und Athleten nicht aus dem Blick geraten dürfen. Eine seriöse Sportpolitik muss beim Kampf gegen Doping im Sport rechtsstaatliche Grundsätze unserer Demokratie wahren und nicht den Eindruck erwecken, mit einer Law-and-Order-Politik ließe sich das Problem aus der Welt schaffen. Deshalb setzt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nachhaltig dafür ein, die im Evaluationsbericht der Bundesregierung gemachten Vorschläge zur Verbesserung des Anti-Doping-Kampfes umzusetzen. Die Einsetzung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften ist dabei nur ein Punkt, der aber zeigt, dass wir vor allem ein Vollzugsdefizit haben. Nicht zu vergessen sei, dass neben der Strafgerichtsbarkeit auch eine Sportgerichtsbarkeit besteht, die zudem viele Vorteile für sich beanspruchen kann. Die schnelle Durchführung von Dopingverfahren und gegebenenfalls rasche Bestrafung von dopenden Sportlern sichern die Integrität des sportlichen Wettstreits. Nichts wäre schlimmer als laufende strafrechtliche Dopingverfahren ohne Konsequenzen für den sportlichen Wettbewerb. Auch die Höhe der sportrechtlichen Sanktionen, die im Dopingfall einem Berufsverbot gleichkommen kann, ist ausreichend und mit jenen in einem strafrechtlichen Verfahren nicht vergleichbar. Das Sportrecht hat hier ungleich härtere Konsequenzen zur Folge. Nicht eine neue Strukturdebatte über die NADA, noch der Ruf nach einem immer schärferen Strafrecht - uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit - sind die künftigen Herausforderungen im Anti-Doping-Kampf. Wofür wir uns künftig einsetzen müssen, ist, dass die NADA auf eine solide, finanzielle Basis gestellt wird und die SPD-geführten Bundesländer endlich ihren Zusagen nachkommen. Wir müssen das Testsystem weiter professionalisieren und gezielt einsetzen. Wir müssen die wissenschaftliche Forschung und die Dopinganalytik weiter kraftvoll unterstützen. Und wir müssen die Empfehlungen der Bundesregierung zur "Evaluierung des Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport", DBVG, aufnehmen und umsetzen. Der Anti-Doping-Kampf kann nicht von heute auf morgen gewonnen werden - schon gar nicht international. Es gilt weiter, sich engagiert für die NADA einzusetzen. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir über die Fraktionsgrenzen hinweg uns gemeinsam für die wirklichen Herausforderungen starkmachen. Dagmar Freitag (SPD): Unser Antrag hat das Ziel, eine ergebnisoffene Debatte über eine erfolgversprechendere Struktur der Nationalen Anti Doping Agentur zu führen und somit den Kampf gegen Doping in Deutschland zu stärken. Man sollte meinen, dass dieses Ansinnen die einhellige Unterstützung des Hohen Hauses finden würde. Aber weit gefehlt! Ihre Beiträge in der ersten Lesung und auch bei den Beratungen im Sportausschuss, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalition, haben gezeigt: Ihnen fällt nichts anderes ein als ein hilfloses "Weiter-so". Weiter so mit einer Struktur, in der die -jetzigen Stakeholder zwar jederzeit ihren Einfluss nachhaltig geltend machen, den an sie gerichteten -finanziellen Erwartungen jedoch nicht oder nur unzureichend gerecht werden und wo am Ende dann immer der Bund einspringen muss, um wenigstens ein Mindestmaß an Arbeitsfähigkeit der NADA zu gewährleisten? Vor zehn Jahren hatte man sich auf das bis heute die NADA tragende Stakeholder-Modell geeinigt, theoretisch ein Modell, das funktionieren könnte. Könnte! In erster Linie zahlt seit zehn Jahren der Bund für die NADA. Sowohl Wirtschaft und vor allem die Bundesländer halten sich bis auf wenige Ausnahmen nach wie vor sehr vornehm zurück; auch der Beitrag des organisierten Sports könnte deutlich höher sein. In die Finanzierung durch die Länder kommt zwar nach Jahren schwarz-gelber Stagnation durch die teilweise neu gewählten rot-grünen Landesregierungen ein bisschen Bewegung, aber kleine Beiträge im vierstelligen Bereich sind nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein und nicht dazu angetan, um die NADA in ihrer jetzigen Form nachhaltig auf finanziell sichere Füße zu stellen. Hier hat im Übrigen auch der von Bundesinnenminister Friedrich im vergangenen Jahr einberufene Runde Tisch zur NADA-Finanzierung so gut wie keine Verbesserung gebracht. Im Gegenteil: Vertreter der Wirtschaft haben unmissverständlich erklärt, dass der Kampf gegen Doping nicht zu ihren Kernaufgaben gehört, und der vollständige Rückzug der Telekom aus der Unterstützung der NADA ist ein eindrucksvoller Beleg dafür. Man kann also ganz objektiv feststellen: Das Stiftungsmodell mit den derzeitigen Stakeholdern ist gescheitert. Und was fällt der Union dazu ein? Man müsse eben warten, bis die Saat aufgehe, so der Kollege Riegert im Ausschuss zu diesem Thema. Herr Kollege, wenn das Pflänzchen nach zehn Jahren noch nicht erblüht ist, gibt selbst der geduldigste Gärtner die Hoffnung auf, dass das noch etwas werden könnte. Es kann doch kein Dauerzustand werden, dass die NADA in jedem Jahr aufs Neue um die nötigsten finanziellen Grundlagen kämpfen muss und bis zum letzten Moment nicht weiß, ob und in welchem Maße sie als funktionierende Organisation überleben wird. Was für ein verheerendes Signal an die sauberen Sportlerinnen und Sportler, was für eine negativ besetzte Botschaft über die Landesgrenzen hinweg und - ebenso verheerend - was für eine Zumutung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der NADA. Denn dort liegen die Aufgaben auf dem Tisch, manchmal aber wohl auch in der Warteschleife. Ist die NADA beispielsweise personell und finanziell in der Lage, die noch vielen offenen Fälle der Causa Erfurt zu bearbeiten? Oder sind diese bereits kollektiv in der Ablage verschwunden? Die hohe personelle Fluktuation bei der NADA ist bekannt: Sicherlich trägt die anhaltende finanziell unsichere Situation und die damit verbundene Perspektivlosigkeit für den Mitarbeiterstab nicht zu einer Verbesserung der personellen Konstanz bei. Bleibt Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen der Koalition, all das verborgen? Oder interessiert es Sie schlicht und ergreifend nicht? Uns allerdings interessiert es sehr wohl. Deshalb fordern wir als SPD-Fraktion eine, ich betone nochmals, ergebnisoffene Diskussion von unabhängigen Experten, die alternative Vorschläge für eine Träger- und Finanzierungsstruktur der NADA erarbeiten sollen. Aus aktuellem Anlass verweise ich auf die Studie "Dysfunktionen des Spitzensports" der Stiftung Deutsche Sporthilfe. An dieser Stelle gilt es, der Sporthilfe ausdrücklich dafür Dank zu sagen, sich dieser Thematik angenommen zu haben, selbst wenn dieses innerhalb des organisierten Sports nicht überall auf ein-hellige Begeisterung gestoßen sein soll; so hört man jedenfalls. Innerhalb der Studie wurden 1 154 Leistungssportler anonym unter anderem zum Thema Doping befragt. 5,9 Prozent der befragten Sportler haben angegeben, regelmäßig zu dopen; 40,7 Prozent wollten auf diese Frage keine Antwort geben. Um Missverständnissen vorzubeugen: Aus diesen Ergebnissen lässt sich nicht zwingend ableiten, dass eine erhebliche Zahl der deutschen Spitzensportler und -sportlerinnen dopt. Sehr wohl ist in diesem Kontext aber die Frage nach der Effektivität der Dopingkontrollen in Deutschland legitim. Ich bin sicher, eine finanziell und personell ausreichend ausgestattete NADA könnte durchaus effektiver arbeiten. Damit sind wir wieder beim Geld. Und wieder einmal kommt man aus dem Staunen nicht heraus. Zur Erinnerung: Anfang Dezember 2012 lag für die Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes ein Antrag eines Spitzenverbandes mit der Forderung vor, den finanziellen Beitrag des organisierten Sports für die NADA zu erhöhen. Bekanntlich muss die NADA in diesem Jahr ihre Rücklagen zu einem erheblichen Teil angreifen, um wenigstens ihre Kernaufgaben erfüllen zu können. Dieser Antrag wurde - wie zu erwarten - mit wortgewaltiger Unterstützung des Generaldirektors Dr. Vesper vom Tisch gefegt. Und nun das: Nur einen Tag nach Vorstellung der Sporthilfestudie im Sportausschuss fordert derselbe Generaldirektor laut Pressemeldungen "eine bessere strukturelle und finanzielle Unterstützung der NADA". Da ist man schon einigermaßen fassungslos. Leider hat Herr Dr. Vesper, wie aber zu erwarten war, es versäumt, seinen Worten Konkretisierungen folgen zu lassen. Wie beispielsweise soll eine bessere strukturelle Unterstützung nach Lesart des DOSB aussehen? Und vor allem: Wer soll mehr zahlen? Wie auch immer, wir werten diese Einlassung trotz dieser Versäumnisse als ausdrückliche Unterstützung unseres Antrages und sehen konkreten Beiträgen des DOSB, vor allem in -finanzieller Hinsicht, mit Freude entgegen. Es gibt viele gute Gründe, die Strukturdiskussion zu führen. Wenn Sie ein tatsächliches Interesse an einer nachhaltig finanzierten, erfolgreich arbeitenden NADA haben, gibt es keinen Grund, eine solche Diskussion bereits im Keim zu ersticken. Wer sich verweigert, zementiert den völlig unbefriedigenden Status quo - zum Nachteil der sauberen Sportlerinnen und Sportler in unserem Land. Wollen Sie das wirklich? Dr. Lutz Knopek (FDP): Alle Bundestagsfraktionen, dies lässt sich ganz sicher feststellen, sind an einer gut arbeitenden Nationalen Anti Doping Agentur interessiert. Die NADA wurde 2002 gegründet, da der organisierte Sport für sich alleine überfordert war, dem zunehmenden Doping effizient entgegenzutreten. Das galt damals und gilt auch noch heute. Die Agentur sollte den gesamten Dopingkampf in einer Organisation bündeln, und sie sollte nicht einseitig abhängig von Sport oder Staat sein. Beides ist der NADA im Grundsatz gelungen. Sie ist heute das Kompetenzzentrum im Kampf gegen Doping in Deutschland. Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass die NADA von Anfang an an einem Finanzierungsdefizit leidet. Mit der Gründung als Stiftung wurde ein Stakeholder-Modell eingerichtet. Hiernach sind für die NADA-Finanzierung der Bund, die Bundesländer, der organisierte Sport sowie die Wirtschaft verantwortlich. Entgegen den ursprünglichen Zusagen hat sich in der Vergangenheit jedoch der Bund weit überproportional an den Kosten der NADA beteiligt. Demnach stammen mehr als 11 Millionen Euro des (circa 13 Millionen Euro umfassenden) Stiftungskapitals der NADA aus Bundesmitteln. Auch im Blick auf das operative Geschäft der NADA leistet der Bund den größten Beitrag. Bei den Haushaltsberatungen 2012/2013 hat sich die Koalition im Sinne einer einmaligen Zwischenlösung für einen kurzfristigen Ausgleich einer Finanzierungslücke der NADA von 1 Million Euro eingesetzt. Mit wenigen Ausnahmen haben vor allem die Bundesländer ihre Zusagen bezüglich der NADA-Finanzierung nicht eingehalten. Die FDP-Fraktion fordert deshalb ausdrücklich die Bundesländer auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und sich beispielsweise über die künftigen Einnahmen aus dem Glücksspiel bzw. den Sportwetten an der NADA-Finanzierung zu beteiligen. Im Rahmen des Rennwett- und Lotteriegesetzes bzw. des Glücksspielstaatsvertrags haben sich Bund und Länder hierfür bereits ausgesprochen. Auch die Wirtschaft und der organisierte Sport müssen endlich ihren finanziellen Verpflichtungen nachkommen. Es gab einen Grund, warum die NADA von mehreren Verantwortlichen finanziert werden sollte: um die politische Unabhängigkeit zu wahren. Allein deshalb sollte und kann der Bund nicht der alleinige Zahler sein. Ein Argument der Länder ist stets, dass die NADA es nicht geschafft hat, das Stiftungskapital durch Beiträge aus der Wirtschaft zu erhöhen. Wie ich bereits in meiner ersten Rede zu diesem Thema im November gesagt habe, sollte der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Professor Dr. Hans Georg Näder, erst einmal die Möglichkeit bekommen, seine versprochenen Aktivitäten, denen ich zuversichtlich entgegenschaue, umzusetzen, bevor man sich nach neuen Finanzierungsmodellen umschaut. Die Frage, die sich nun stellt, ist, was die SPD mit der Einrichtung einer Expertenkommission, die über die Entwicklung alternativer NADA-Strukturmodelle beraten soll, bezwecken möchte. Für mich zeugt der Antrag der Fraktion der SPD von eigener Perspektivlosigkeit. Nicht eine neue Struktur der NADA ist dringend nötig, sondern Verantwortungsbewusstsein unter den Stakeholdern. Was soll eine Kommission daran ändern, dass die Zahlungsbereitschaft der Länder, darunter viele SPD-geführte, fehlt? Die FDP-Fraktion hofft sehr, dass die Debatten im Plenum und im Ausschuss rund um diesen Antrag nicht, wie von der SPD beabsichtigt, den Bund, sondern die anderen Parteien des Stakeholder-Modells, namentlich den Sport, die Wirtschaft und die Länder, wachrüttelt und dass endlich eine klare und langfristige Finanzierung der NADA geschaffen wird. Der deutsche Sport braucht ein starkes und zuverlässiges Dopingkontrollsystem mit einer NADA, die nicht alle Jahre wieder auf ihre Finanzen schauen muss, sondern in die Zukunft planen kann. Alle Fraktionen des Bundestages wissen, wo aktuell die Probleme in der Finanzierung der NADA liegen, nämlich beim Sport, der Wirtschaft und den Ländern gemeinsam. Mit ihrem Antrag muss sich die SPD die Frage gefallen lassen, was sie sich von einer Expertenkommission verspricht. Welche konkreten Lösungen zur -Finanzierung der NADA hat sie im Sinn? Sollte die Absicht eine Vollfinanzierung durch den Bund sein, stehen wir, die Koalition, nicht an ihrer Seite. Der Bund hat seine Aufgabe bereits mehr als erfüllt. Meine Fraktion wird diesen Antrag daher ablehnen. Jens Petermann (DIE LINKE): Fast 6 Prozent der deutschen Kader-Athletinnen und -Athleten haben in einer aktuellen Studie zugegeben, sich regelmäßig zu dopen. Immerhin 40 Prozent der Befragten antworteten auf diese Frage erst gar nicht. Auch in Verbindung mit vorausgegangenen Untersuchungen deutet also vieles darauf hin, dass die Kontrollen der Nationalen Anti Doping Agentur, NADA, alles andere als effektiv sind und wir ein manifestes Dopingproblem im deutschen Sport haben. Ein Lösungsansatz wäre, die NADA völlig neu zu strukturieren und mit ausreichenden Mitteln auszustatten. In Ansätzen scheint das die Zielrichtung des SPD-Antrages zu sein. Als Linke halten wir das Anliegen für richtig, den Antrag allerdings für unzureichend. Unsere Ergänzungsvorschläge wurden aber im Ausschuss von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Weil uns die SPD-Vorlage nicht weit genug greift, haben wir uns abschließend enthalten. Sicherlich dokumentieren die Ereignisse der vergangenen Monate, wie erfolgreich eine gut ausgestattete und vor allem entschlossene Antidopingagentur handeln kann. Allen voran steht hier die US-amerikanische Agentur mit ihrem Chef Travis Tygart, der sich selbst vom System "Armstrong" nicht aufhalten ließ. Andererseits wirft die bereits erwähnte Studie der Deutschen Sporthilfe und der Deutschen Sporthochschule Köln Fragen auf, die in eine Richtung weisen, die nicht nur auf unintelligente Kontrollen abzielt. Letztlich geht es doch darum, warum Sportlerinnen und Sportler dopen, warum sie zusätzlich häufig zu Schmerzmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln greifen. Bereits in der Debatte im Herbst habe ich darauf verwiesen, dass für die Linke die Prävention beim Kampf gegen Doping einen hohen Stellenwert einnimmt. Die Kölner Studie belegt unsere Einschätzung. Nahezu 60 Prozent der befragten Athletinnen und Athleten gaben zu, Existenzängste zu haben, erschreckende 10 Prozent leiden unter Depressionen. Sich in einer solchen Lage in einer Zeit, in der der Spitzensport immer stärker durch den Kommerz bestimmt wird, mit unerlaubten Mitteln zu behelfen, scheint darum nicht abwegig. Deshalb stehen aus unserer Sicht zwei Aspekte im Vordergrund des Anti-Doping-Kampfes: Schon die jugendlichen Sportlerinnen und Sportler müssen verstärkt darüber aufgeklärt werden, dass die Einnahme von Dopingmitteln ihre Gesundheit erheblich gefährdet. Nierenschäden, Herzschwäche, Hautveränderungen und Veränderungen bei den Geschlechtsmerk-malen sind nur einige der Nebenwirkungen, die insbesondere auf Anabolika am missbrauch zurückzuführen sind, der nicht nur im Spitzensport, sondern auch im Nachwuchs- und Breitensport weit verbreitet ist. Außerdem scheinen Doping und Wettbewerbsmanipulationen direkte Folgen der Existenzängste zu sein, die mehr als die Hälfte der Sportlerinnen und Sportler während ihrer Karriere umtreiben. Neben verstärkter psychologischer Betreuung müssen die Möglichkeiten für die berufliche Ausbildung der Sportler dringend ausgebaut werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass eine Berufsausbildung unbedingt Angebote umfasst, die über eine Laufbahn bei Bundeswehr, Zoll oder Polizei hinausgehen. Nicht alle, die sich dem Spitzensport verschreiben, können in diesem Bereich eine Perspektive finden. Es gilt also, neue Wege in der Sportförderung einzuschlagen, um im Kampf gegen Sportbetrug endlich -erfolgreicher zu werden. Doping und Wettbewerbs-manipulation sind auch direkte Folgen von Existenzängsten. Es geht letztlich darum, die Ursachen zu -beheben und dadurch die Folgeerscheinungen zu reduzieren. Das ist nicht ohne finanzielle Investitionen zu haben. In der Pflicht steht dabei vor allem der Bund. Die Regierung sollte endlich die Vorreiterrolle einnehmen, die sie sich in ihrem letzten Sportbericht selbst zuschreibt. Die Zeit für Sonntagsreden ist längst vorbei. Der Bund muss sein finanzielles Engagement endlich deutlich ausweiten. Die Bundesregierung hat sich durch ihr zögerliches Agieren im Anti-Doping-Kampf ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem geschaffen. Es wäre eine gutes Signal, wenn wir endlich parteiübergreifend nach Lösungen suchen, wie wir die Sportförderung - und damit meine ich auch den Breitensport - so organisieren, dass sie die Sportlerinnen und Sportler in den Mittelpunkt stellt. "Spitzensport ohne Existenzangst. Breitensport ohne Zugangsbehinderungen": So könnte unser gemeinsamer Arbeitstitel lauten. Die Linke streckt die Hand aus. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dem vorliegenden Antrag zustimmen. Wir meinen, dass die Nationale Anti Doping Agentur, NADA, ein zentrales Element in der Dopingbekämpfung in Deutschland ist. Wir teilen die Ansicht, dass es um die NADA nicht gut bestellt ist. Vor einigen Wochen war der Geschäftsführer der US-Anti-Doping-Agentur, USADA, Travis Tygart, im Sportausschuss zu Gast. Die USADA hat vor fast zehn Jahren den BALCO-Skandal aufgedeckt und Sportlerinnen und Sportler gesperrt. Die USADA hat vor kurzem Lance Armstrong und das Radsportteam US Postal des Dopings überführt und dafür zu Recht viel Lob erhalten. Man hat sich in den USA an die mächtigen Sportler und Funktionäre des Sports herangetraut und die Verfahren durchgezogen. In Deutschland dagegen wird die Arbeit gerne anderen überlassen. So ist die NADA erst nach Intervention der Welt-Anti-Doping-Agentur, WADA, von ihrer halbherzigen Vorgehensweise abgewichen, als in -Erfurt am Olympiastützpunkt Thüringen verbotene Blutbehandlungen durchgeführt wurden. Bei der Aufklärung der Dopingvergangenheit der Freiburger Uniklinik war die NADA kaum beteiligt. Das langjährige Dopingsystem des Radsportteams Telekom wurde erst durch Zeugenaussagen von Sportlern und durch die Arbeit einer unabhängigen Kommission der Universität Freiburg aufgedeckt. Im Kerngeschäft der NADA, der Dopingbekämpfung mittels Durchführung von Trainingskontrollen, gibt es kaum Erfolge. So sind positive Proben lediglich im Promillebereich festzustellen. Von einer wirksamen und erfolgreichen Dopingbekämpfung in Deutschland kann man auch zehn Jahre nach Gründung der NADA nicht sprechen. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch Politik und Sportorganisationen ihre Verantwortung an den Problemen der Dopingbekämpfung in Deutschland haben. Es stellt sich besonders die Frage nach den gesetzlichen Bestimmungen in der Dopingbekämpfung. Eine verbesserte gesetzliche Grundlage, sei es ein Straftatbestand Sportbetrug durch Doping oder eine volle Besitzstrafbarkeit für Sportlerinnen und Sportler, wird von der Bundesregierung vehement abgelehnt. Es wird weiter ignoriert, dass Verfahrensfragen und auch Regelungen für einen verbesserten Datenschutz besser in einem Gesetz aufgehoben wären als in den Codes von WADA und NADA. Auch vier Monate nach der Vorlage des Evaluierungsberichts zum Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport, DBVG, ist die Regierungskoalition nicht fähig, selbst die vorgeschlagenen Minimaländerungen für eine strafrechtliche Sanktionierung des Erwerbs von Dopingmitteln auf den Weg zu bringen. Sie wollen weder ein Anti-Doping-Gesetz noch eine Schmalspuränderung im Arzneimittelgesetz. Die Regierungskoalition ist bis heute nicht in der Lage, die notwendigen gesetzlichen Konsequenzen aus dem überbordenden Dopingproblem zu ziehen. In Zeiten einer großen Krise des Anti-Doping-Kampfes macht die Bundesregierung nur Dienst nach Vorschrift. Viele Sportverbände in Deutschland gefallen sich ganz offenbar in ihrer Rolle als Sekundant und nehmen dabei in Kauf, dass Staaten wie Frankreich, Italien und Österreich inzwischen viel konsequenter gegen Doping vorgehen. Dabei liegen viele Fakten bereits auf dem Tisch. Eine Studie im Auftrag der Stiftung "Deutsche Sporthilfe" hat in der letzten Woche ergeben, dass mindestens 5,9 Prozent der Sportlerinnen und Sportler in Deutschland regelmäßig Dopingmittel nehmen. Es gibt mit über 40 Prozent eine sehr hohe Dunkelziffer bei den befragten Personen, die einer Antwort ausgewichen sind. Weitere Studien gehen von einer Verbreitung von Dopingmitteln von bis zu 48 Prozent bei Sportlerinnen und Sportler in Deutschland aus. Egal welche Zahlen wir heute hier zugrunde legen: Die Situation ist aus unserer Sicht alarmierend. Denn in Deutschland herrscht ganz offenbar eine Symbiose zwischen Spitzensport und Politik, die diese Fakten ignorieren und einen notwendigen politischen Kurswechsel verhindern wollen. Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich noch auf ein weiteres schwerwiegendes Versäumnis in der Politik der Regierungskoalition hinweisen. In den Haushaltsberatungen im Herbst wurde kurzfristig für 2013 wieder die 1 Million für die Nationale Anti Doping Agentur, NADA, zur Verfügung gestellt, die man einige Wochen vorher noch gestrichen hatte. Ich sage jedoch ganz deutlich: Die Finanzierungsklippe beim Zuschuss für die NADA kann damit maximal bis September dieses Jahres überwunden werden. Denn es wurde versäumt, eine langfristige Finanzierungszusage im Finanzplan des Bundes zu geben. Der Rettungsanker durch einen weiteren Zuschuss des Bundes greift jedoch erst, wenn die gesetzliche Ermächtigung durch den Bundeshaushalt 2014 vorliegt. Das wird aber aufgrund der Bundestagswahl am 22. September und der nachfolgenden Neukonstituierung des Deutschen Bundestages erfahrungsgemäß erst im März oder April 2014 der Fall sein. Dieses kurzfristige Denken der Regierungskoalition von Union und FDP hat zur Folge, dass die NADA schon ab September dieses Jahres entweder Personalentlassungen vornehmen muss oder aber die Zahl der Trainingskontrollen drastisch reduziert wird. Der Vorschlag meiner Fraktion liegt auf dem Tisch: Zukünftig sollten 5 Prozent der Spitzensportförderung zur Dopingbekämpfung verwendet werden. Dies würde die notwendige Finanzierungs- und Planungssicherheit für Dopingkontrollen, Anti-Doping-Forschung und Prävention schaffen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung. Der Sportausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12237, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11320 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes und anderer Gesetze (Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz) - Drucksache 17/8802 - - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht - Drucksache 17/2584 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) - Drucksache 17/12488 - Berichterstattung: Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker Caren Marks Sibylle Laurischk Jörn Wunderlich Katja Dörner b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jörn Wunderlich, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Alleinerziehende entlasten - Unterhaltsvorschuss ausbauen - Drucksachen 17/11142, 17/12488 - Berichterstattung: Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker Caren Marks Sibylle Laurischk Jörn Wunderlich Katja Dörner Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Dorothee Bär (CDU/CSU): In Deutschland gibt es immer mehr alleinerziehende Mütter und Väter: In knapp 20 Prozent aller -Familien leben mehr als 2 Millionen Kinder unter 18 Jahren bei einem alleinerziehenden Elternteil. Da in alleinerziehenden Familien Erwerbs- und Familienpflichten nicht partnerschaftlich geteilt werden -können, müssen diese Eltern ihre Kinder in der Regel unter erschwerten Bedingungen erziehen. Wenn dann das Kind keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt vom anderen Elternteil erhält, verschärft sich die Situation. Dann muss der alleinerziehende Elternteil neben der Versorgung des Kindes auch noch für den ausfallenden Unterhalt des anderen Elternteils aufkommen. Viele Alleinerziehende sind in dieser Situation dringend auf Unterstützung angewiesen. Der zum 1. Januar 1980 eingeführte Unterhaltsvorschuss setzt hier an und kann helfen, Armut zu vermeiden. Von dieser Leistung profitieren jährlich rund eine halbe Millionen Kinder. Der Unterhaltsvorschuss soll den ausfallenden -Unterhalt zumindest zum Teil ausgleichen, ohne den unterhaltspflichtigen Elternteil aus seiner Verantwortung zu entlassen. Das Land, auf das die Unterhaltsansprüche der Kinder übergehen, versucht, sich den -Unterhalt beim Unterhaltsschuldner zurückzuholen. Das ist auch für die alleinerziehende Familie wichtig, weil es nach erfolgreichem Rückgriff leichter ist, auch dann regelmäßig Unterhalt vom unterhaltspflichtigen Elternteil zu bekommen, wenn kein Unterhalts-vorschuss mehr gezahlt wird. Denn der Unterhalts-vorschuss wird insgesamt längstens für 72 Monate gezahlt und endet, wenn das Kind 12 Jahre alt wird. CDU/CSU und FDP haben im Koalitionsvertrag vereinbart, den Unterhaltsvorschuss zu entbürokratisieren und die Altersgrenze von 12 auf 14 Jahre anzuheben. Aufgrund der Schuldenbremse im Grundgesetz und der angespannten Haushaltslage konnten wir die Anhebung der Altersgrenze leider nicht realisieren. Aber mit dem Gesetzentwurf wird der Verwaltungsvollzug vereinfacht; um den alleinerziehenden Elternteilen und ihren Kindern die unterstützende Wirkung der Unterhaltsleistung so einfach und so effektiv wie möglich zu machen. Für die alleinerziehenden Eltern wird die Antragstellung vereinfacht, den Unterhaltsvorschussstellen werden Prüfung und Bewilligung der Anträge erleichtert. Beides beschleunigt das Antragsverfahren. Außerdem wird der Rückgriff auf den unterhaltspflichtigen Elternteil durch eine Erweiterung der -Auskunftsansprüche der zuständigen Stellen effektiver gestaltet. Dafür werden die zur Auskunft befugten -Sozialleistungsträger verpflichtet, auf Verlangen auch Angaben über den Arbeitgeber des unterhaltspflichtigen Elternteils an die zuständigen Stellen zu machen. Außerdem dürfen die für den Rückgriff zuständigen Stellen das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, Daten bei Kreditinstitutionen abzurufen, soweit es für die Ermöglichung eines Rückgriffs erforderlich ist. Die Koalitionsfraktionen haben zwei Regelungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung in einem ersten Änderungsantrag zurückgenommen: Wir stimmen dem Wunsch der Bundesregierung auf Streichung der Regelung nicht zu, wonach der Unterhaltsvorschuss nicht mehr rückwirkend beantragt werden kann. -Gerade in schwierigen Zeiten der Trennung kann der alleinerziehende Elternteil gehindert sein, rechtzeitig einen Antrag auf Unterhaltsvorschuss zu stellen. Nach der Trennung brauchen vor allem die Elternteile, bei denen das Kind lebt, Zeit, um sich zu orientieren und auf die neue Situation einzustellen. Die rückwirkende Gewährung der Unterstützungsleistung kann vor allem dann wichtig sein, wenn aufgrund einer verspäteten Antragstellung Schulden entstanden sind. Rückgängig gemacht haben wir auch die Regelung, nach der die Leistungen auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet werden, die der unterhaltspflichtige -Elternteil zur Deckung des Unterhaltsbedarfs an Dritte erbringt. Wir wollen nicht, dass der alleinerziehende Elternteil, der sehr häufig auch nur über knappe finanzielle Ressourcen verfügt, eventuell die Kosten für den täglichen Bedarf des Kindes allein finanzieren muss, während der unterhaltspflichtige Elternteil Leistungen übernimmt wie Sportkurse oder Musikunterricht. Es sollte nicht in das Belieben des unterhaltspflichtigen Elternteils gestellt werden, wie er den Unterhalt zahlt. Für den Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist es wichtig, dass er das Geld des anderen Elternteils zur eigenverantwortlichen Verfügung erhält. Unser Änderungsantrag wurde in der öffentlichen Anhörung des Familienausschusses von den geladenen Expertinnen und Experten einhellig begrüßt. In einem zweiten Änderungsantrag haben CDU/CSU und FDP die Möglichkeiten erweitert, wie die den Kindern zustehenden Unterhaltsansprüche gegenüber dem zahlungspflichtigen Elternteil tatsächlich auch realisiert werden können. Dafür wird künftig im Gesetz auf eine Norm in § 74 SGB X verwiesen, die die zuständigen Stellen ermächtigt, relevante Daten des Unterhaltsschuldners - in dem dort geregelten Ver-fahren - an die alleinerziehenden Familien weiterzugeben. Der durch unsere Anträge geänderte Gesetzentwurf der Bundesregierung entlastet die Behörden und stärkt die alleinerziehenden Familien. Daher bitte ich Sie um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Das Gesetz, das wir heute verabschieden, unterscheidet sich in einigen wesentlichen Punkten von dem Gesetzentwurf der Regierung, der seinerseits wiederum auf Wünschen und Vorschlägen der Länder beruht. Leider konnten wir unser Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, den Bezug von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bis zum 14. Geburtstag des Kindes auszuweiten, aus Haushaltsgründen nicht umsetzen. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass wir hier ein Gesamtpaket vorlegen, das sowohl für die Praxis der Jugendämter einige Erleichterungen vorsieht, aber auch - und das ist uns besonders wichtig - die alleinerziehenden Elternteile stärkt, die die Unterhaltsansprüche parallel oder auch nach Auslaufen der UVG-Leistungen selbst gegen den Unterhaltspflichtigen durchsetzen wollen oder müssen. Ein besonderes Ziel des Unterhaltsvorschussent-bürokratisierungsgesetzes war - und das steckt schon im Wort - Entbürokratisierung, also Erleichterungen und Vereinfachungen sowohl für den Alleinerziehenden als auch für die Verwaltung. Wo die im Regierungsentwurf vorgesehenen Entlastungen für die Verwaltungspraxis auf Kosten der Alleinerziehenden und der Kinder gegangen wären, haben wir dies durch Änderungen im Gesetzgebungsverfahren nicht umgesetzt. Gerade Alleinerziehende erziehen in der Regel ihre Kinder unter erschwerten Bedingungen. Fällt dann noch der Barunterhalt des anderen Elternteils aus, helfen die Leistungen nach dem Unterhaltsvorschuss gezielt und unterstützen und entlasten alleinerziehende Elternteile und ihre Kinder in dieser besonderen Situation. Wir haben deshalb durch einen Änderungsantrag für Klarheit gesorgt, dass Leistungen des Unterhaltspflichtigen an Dritte auf den UVG-Anspruch nicht angerechnet werden. Es darf zum Beispiel nicht sein, dass etwa ein unterhaltspflichtiger Vater Unterhaltszahlungen an Dritte zum Beispiel für einen Sportkurs oder Musikunterricht zahlt und dann diese Leistung auf den Unterhaltsvorschuss angerechnet wird mit der Folge, dass der Betrag der Mutter für den Bedarf des Kindes als Bargeld fehlt. Ohne das explizite Einverständnis der Mutter wäre es dann ins Belieben des Unterhaltspflichtigen gestellt, wie er den Unterhalt zahlt, und damit wären weitere Konflikte zwischen den Eltern vorprogrammiert. Wir wollen mit unserem Änderungsantrag klarstellen, dass der Barunterhalt gesichert ist. Denn für den Elternteil, bei dem das Kind lebt, ist es von qualitativer Bedeutung, ob Geld zur eigenverantwortlichen Verfügung steht oder als eine Sachleistung an Dritte. Wir haben zu diesem Änderungswunsch allen Sachverständigen eine positive Bestätigung bekommen, insbesondere auch aus der Praxis. Auch eine weitere Änderung im Gesetzentwurf war uns wichtig. Die Möglichkeit der rückwirkenden Zahlung des Unterhaltsvorschusses für einen Monat. Der Gesetzentwurf sah vor, dass der Unterhaltsanspruch erst ab dem Monat der Antragstellung bestehen sollte. Als Begründung wurde ein sehr hoher Verwaltungsaufwand angeführt. Aus unserer Sicht kann die Streichung der Rückwirkung für einen Monat damit nicht aufgewogen werden. Der Verlust einer monatlichen Unterhaltsvorschusszahlung wiegt aus unserer Sicht schwerer. Trennung und Scheidung sind besonders belastende Lebenssituationen, in denen auch gerade über die -Zahlung von Unterhalt häufig Konflikte ausgetragen werden. Diese Belastungen und daraus resultierende Unklarheiten können dazu führen, dass eine Antragstellung nicht rechtzeitig erfolgt. Für die Alleinerziehenden und ihre Kinder ist gerade in der Trennungsphase das Armutsrisiko besonders hoch und die Leistung des Unterhaltsvorschusses oft von existenzieller Bedeutung. Deshalb sorgen wir nun dafür, dass die Rückwirkung für einen Monat erhalten bleibt. Wesentliche Verbesserungen bringt das Gesetz bei der Durchsetzung des Rückgriffsanspruchs gegenüber dem Unterhaltspflichtigen. Hier sei nochmals daran erinnert: Unterhaltsvorschuss ist grundsätzlich als Vorschussleistung konzipiert; das Jugendamt kann und soll Rückgriff beim unterhaltspflichtigen Elternteil nehmen. In der Praxis ist daraus vielfach eine Ausfallleistung geworden, wo die dem Grunde nach Unterhaltspflichtigen nicht leistungsfähig sind oder aus anderen Gründen nicht erreichbar sind. Hier setzen wir an und wollen die Voraussetzung für den Rückgriff bei leistungsfähigen, aber nicht leistungswilligen Elternteilen verbessern. Hier ist es nämlich nicht einzusehen, dass der Unterhalt des Kindes aus öffentlichen Kassen bestritten wird; hier ist es ein wichtiger Schritt, die Rückgriffsmöglichkeiten der Jugendämter zu verbessern und dafür die Informationsmöglichkeiten, wo der Pflichtige wohnt, wo er arbeitet und wie notfalls auch Ansprüche gegen ihn vollstreckt werden können, auszubauen. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen verbesser-ten Auskunftsrechte wurden von allen Sachverständigen begrüßt. Sie dienen der verbesserten Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Es können jetzt weitere Informationen bei den Finanzämtern und Geldinstituten eingeholt werden und auch Nachfragen beim Arbeitgeber gestellt werden. Hier haben wir auf Grundlage der Sachverständigenanhörung noch einen wichtigen Aspekt ergänzt: Unterhaltsvorschuss ist bekanntlich begrenzt: in der Dauer auf maximal 72 Monate, beim Kindesalter höchstens bis zum 12. Geburtstag und in der Höhe durch den Mindestunterhalt abzüglich Kindergeld. Weitergehende Unterhaltsansprüche muss der alleinerziehende Elternteil selbstständig gegen den Unterhaltspflichtigen geltend machen. Dabei steht er in der Praxis oft ebenfalls vor dem Problem, die nötigen Informationen darüber zusammenzutragen, um einen nicht zahlungswilligen Elternteil in Anspruch zu nehmen. Hier sind die Alleinerziehenden oft auf die Informationen des Jugendamtes angewiesen: diese könnten ihnen maßgeblich helfen, den Anspruch des Kindes dann auch selbstständig gegen den Pflichtigen durchzusetzen. Hier hapert es bislang in der Praxis: In der öffentlichen Sachverständigenanhörung wurde deutlich, dass es in der Praxis bei den Jugendämtern oft nicht klar ist, inwieweit Daten nach Maßgabe des § 74 SGB X an den alleinerziehenden Elternteil herausgegeben werden dürfen. Wir haben deshalb die Anregung aufgegriffen und an dieser Stelle nicht nur eine Klarstellung ins Gesetz gebracht, dass die Ämter berechtigt sind, die Auskünfte zu geben. Wir haben darüber hinaus die Jugendämter verpflichtet, auf Antrag der Alleinerziehenden die benötigten Daten heraus-zugeben. Wir wollen damit die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens verbessern. Es bleibt damit bei dem bewährten Verfahren nach dem 10. Sozialgesetzbuch, das heißt, zuerst erhält der Pflichtige selbst die Gelegenheit, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Wir wollen damit auch für die Unterhaltspflichtigen nochmals ganz deutlich machen: Es geht bei Unterhaltsschulden nicht um ein Kavaliersdelikt. Unterhaltspflichtverletzung stellt einen Straftatbestand dar; die vorsätzliche Nichtleistung steht unter Strafe - Unterhalt ist nicht verhandelbar. Unterhaltsansprüche werden in Zukunft auch nicht mehr von einer Restschuldbefreiung in der privaten Insolvenz des Unterhaltspflichtigen erfasst. Unterhaltsansprüche von Kindern sind zu erfüllen. Auch diese Botschaft ist damit verbunden. Außerdem wollen wir mit dieser Änderung sicherstellen, dass die Realisierung des laufenden Unterhaltsanspruchs in der Praxis Vorrang hat vor den Rückgriffsansprüchen des Jugendamts. Wenn es für beide nicht reicht, ist der laufende Bedarf des Kindes wichtiger als der Ausgleich in den öffentlichen Kassen. Insgesamt bringt der Gesetzentwurf mit den von uns eingebrachten Änderungen Erleichterungen für Alleinerziehende sowie für die Behörden, er stärkt die Alleinerziehenden und ihre Kinder. Caren Marks (SPD): Heute debattieren wir abschließend das Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz. So sperrig wie der Titel des Gesetzentwurfes gestaltet sich auch das parlamentarische Verfahren. Die schwarz-gelbe -Regierungskoalition hatte in der Vergangenheit regelmäßig die parlamentarische Beratung dieses wichtigen Themas hinausgeschoben. Im Oktober letzten Jahres wurde der Gesetzentwurf endlich in erster Lesung in den Bundestag eingebracht. Bereits hier wurde deutlich, dass der Gesetzentwurf wesentliche Mängel enthält, die sowohl von der SPD-Bundestagsfraktion als auch von zahlreichen Verbänden wiederholt zur Sprache gebracht wurden. So sollte den Alleinerziehenden die Möglichkeit genommen werden, den Unterhaltsvorschuss rückwirkend zu beantragen - ein bislang gültiges Recht, welches den Betroffenen ermöglicht, finanzielle Engpässe, zum Beispiel bei Trennung, zu überbrücken. Zum Glück, kann man sagen, ist diese Regelung aufgrund des großen Drucks durch einen Änderungs-antrag der Regierungskoalition zurückgenommen worden. Schwarz-Gelb hat offenbar eingesehen, wenn auch spät, dass die errechneten fünf Minuten Zeitersparnis bei der Antragstellung - dies wäre wohlgemerkt nur bei 10 Prozent der Neuanträge der Fall - zur finanziellen Belastung des betreuenden Elternteils in keinem Verhältnis steht. Einen weiteren Rückzieher gab es vonseiten der -Regierungskoalition bei der geplanten Leistung des barunterhaltspflichtigen Elternteils an Dritte. Diese wurde im Änderungsantrag aufgrund verstärkter -Kritik ebenfalls zurückgenommen; zum Glück, kann ich auch hier nur wiederholen. Das ist nämlich ein intransparentes und aufwendiges Verfahren, welches nicht im Sinne der Kinder gewesen wäre. Nun bleibt die Frage: Was debattieren wir eigentlich noch? Dieser Gesetzentwurf wird in keiner Weise dem Anspruch gerecht, den Unterhaltsvorschuss positiv weiterzuentwickeln. Es ist nicht ausreichend, dass in dem vorliegenden Änderungsantrag lediglich die größten Fehler des Gesetzentwurfes behoben werden. In der vorliegenden Fassung des Gesetzentwurfs wurde nicht einmal die Vereinbarung des schwarz--gelben Koalitionsvertrages umgesetzt, für eine Anhebung der Altersgrenze von Kindern auf 14 Jahre für den Bezug von Unterhaltsvorschuss zu sorgen. Das wäre eine wirkliche Verbesserung für Alleinerziehende und ihre Kinder gewesen. Leider wurde hier eine weitere Chance vertan. Genügend Zeit zur Prüfung war gegeben. Die Mehrheit der Sachverständigen forderte in der Anhörung ebenfalls eine Anhebung der Altersgrenze. Der Anspruch auf Leistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz eines Kindes endet nach wie vor mit dem zwölften Lebensjahr, nicht aber die Notwendigkeit weiterer Unterstützung. Ursprünglich ist die Altersgrenze von zwölf Jahren mit einem erhöhten Betreuungsbedarf von kleineren Kindern begründet worden. Das ist richtig, doch gerade bei älteren Kindern steigt der materielle Aufwand. Statistiken zeigen, dass bei Alleinerziehenden, deren Kinder älter als zwölf Jahre sind, eine größere Gefahr besteht, in Armut zu fallen. Der Wegfall des Unterhaltsvorschusses macht sich also gerade hier deutlich bemerkbar. Ironischerweise zeigt gerade eine Publikation des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dass eine Ursache der hohen Armutsquote bei Alleinerziehenden mit Kindern im Jugendalter unter anderem mit den -endenden Zahlungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Verbindung gebracht wird. Warum lassen Frau Merkel und die schwarz-gelbe Koalition diesen Erkenntnissen keine Taten folgen? Der Koalitionsvertrag wird beim Unterhaltsvorschuss umgangen, beim unsinnigen Betreuungsgeld hingegen war er in Stein gemeißelt. Die von Schwarz-Gelb im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung des § 3 UVG ist sogar definitiv eine Verschlechterung für Alleinerziehende und ihre Kinder. Es ist vorgesehen, die Bezugsdauer auch dann anzurechnen, wenn ein zu Unrecht bezogener Unterhaltsvorschuss zurückgezahlt werden muss. Hier handelt es sich um eine Sanktion, die zulasten der Kinder geht. Der Bundesregierung sind - so hat sie sich auf schriftliche Nachfrage geäußert - nicht einmal konkrete Zahlen bekannt, die darauf hinweisen würden, dass in großem Stil rechtswidrig Unterhaltsvorschuss bezogen wird. Häufig ist dies durch Nichtwissen bei den Alleinerziehenden begründet. Hier wäre detaillierte Aufklärung bei der Antragstellung notwendig. Ein weiterer Punkt in der Reihe der nicht erledigten Hausaufgaben der Bundesregierung beim Unterhaltsvorschuss ist die Überprüfung der Tatsache, dass das volle Kindergeld nicht länger vom Unterhaltsvorschuss abgezogen werden sollte. Diese Regelung steht im Gegensatz zum Unterhaltsrecht. In dem Antrag der SPD-Bundestagsfraktion mit dem Titel "Alleinerziehende besser unterstützen" auf Drucksache 17/11032, eingebracht im Oktober letzten Jahres, fordern wir die Bundesregierung auf "zu prüfen, wie die bestehende Ungleichbehandlung, hervorgerufen durch den vollständigen Abzug des Kindergeldes beim Unterhaltsvorschuss, beseitigt werden kann, sowie für das Unterhaltsvorschussgesetz eine Anhebung der Altersgrenze von derzeit 12 auf 14 Jahre zu prüfen und das Ergebnis der Prüfung umgehend und vor Beginn der parlamentarischen Beratungen zum Unterhaltsvorschussent-bürokratisierungsgesetz vorzulegen". Überprüft werden sollte unserer Meinung nach auch der Zeitraum des Bezugs des Unterhaltsvorschusses, der bisher bei 72 Monaten liegt. Häufig ist der Anspruch schon dann, wenn sich das Kind im Grundschulalter befindet, verbraucht. Falls beispielsweise für das Kind der Vorschuss erst mit neun oder zehn Jahren beantragt wird, können nicht einmal die vorgesehenen 72 Monate bzw. sechs Jahre voll ausgeschöpft werden. Hier ist eine Änderung dringend anzuraten. Die ursprüngliche Zielsetzung, eine Übergangsfinanzierung zu schaffen, wird den heutigen gesamtgesellschaftlichen Lebensverhältnissen nicht mehr gerecht. Der hier vorliegende Gesetzentwurf setzt weder den schwarz-gelben Koalitionsvertrag um, noch bringt er wesentliche Verbesserungen für die Situation der Alleinerziehenden und ihrer Kinder. Zumindest könnte mit diesem Gesetzentwurf eine Entbürokratisierung und dadurch eine Entlastung der Ämter teilweise erreicht werden. Die Prüfung und die Bewilligung der Anträge in den Unterhaltsvorschussstellen soll beschleunigt werden. Ebenso soll den Ämtern der Rückgriff auf den Unterhaltsschuldner oder die Unterhaltsschuldnerin erleichtert werden. Aber wesentlich drängender als eine Entbürokratisierung wären die Stärkung und der Ausbau des Unterhaltsvorschusses für die betroffenen Kinder gewesen. Hierfür wird sich die SPD-Bundestagsfraktion weiter starkmachen. Sibylle Laurischk (FDP): Mit der Verabschiedung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung zum Unterhaltsvorschussentbürokratisierungsgesetz kann ich ein Thema abschließen, das ich lange begleitet habe. Als Familienrechtlerin war es mir immer ein wichtiges Anliegen, deutliche und positive Signale an Alleinerziehende (in der Regel die Mütter) zu senden, indem der Gesetzgeber das -Unterhaltsrecht vereinfacht, verbessert und die Effizienz steigert. Ich bin mit dem vorliegenden Ergebnis durchaus zufrieden, wenngleich die Wünsche offen bleiben. Eine Erhöhung der Altersbezugsgrenze auf mindestens 14 Jahre, wie es auch im Koalitionsvertrag steht, war aufgrund der Haushaltslage letztlich nicht erreichbar. Allerdings haben sich alle Fraktionen im Gesetzgebungsverfahren mit dem Unterhaltsvorschussrecht in einer Art und Weise auseinandergesetzt, wie das bislang nicht der Fall war. Alleinerziehende haben im Allgemeinen schon Schwierigkeiten, überhaupt einen Unterhaltstitel für das Kind oder die Kinder zu bekommen. Und weil das Verfahren zu Beantragung Zeit kostet, hat man den Unterhaltsvorschuss als eine "Überbrückungsleistung" eingeführt und etabliert. Das originäre Ziel war es, in der Zeit, bis Mütter den Unterhaltsanspruch gegenüber dem Vater klären können, eine Überbrückung von staatlicher Seite zu bieten. Das Kind braucht Unterhalt; das Kindeswohl, seine Bedürfnisse müssen im Vordergrund stehen. Mittlerweile ist der Unterhaltsvorschuss aber zu einer Leistung geworden, die sich - auch wegen der stark voneinander abweichenden Praxis der föderal geführten Jugendämter - verselbstständigt hat. Ins-besondere die Rückholungen der gezahlten Unterhaltsleistungen beim Verpflichteten ist in den Bundesländern unterschiedlich organisiert. Ich hoffe, dass die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geführte Diskussion und das neue Gesetz ein Anlass für die Bundesländer sind, den Rückgriff effizienter zu gestalten. Das kann als klares Signal gewertet werden, dass Unterhaltsleistungen an Kinder auch nach der Trennung oder Scheidung zu erbringen sind. Mit -Nachdruck möchte ich nochmal erwähnen, dass das Unterlassen von Unterhaltszahlungen kein Kavaliersdelikt ist, sondern eine Straftat, die von den Staatsanwaltschaften konsequenter als bisher verfolgt werden muss. Zu Zeiten, in denen wir die Stärkung der Rechte von Vätern im Deutschen Bundestag diskutieren und verabschieden, dürfen wir deren Pflichten - meist sind die Väter unterhaltspflichtig - nicht vernachlässigen. Bei Verabschiedung des Gesetzentwurfes wird die Stellung der Alleinerziehenden gestärkt. Ihr Informa-tionsrecht wurde verbessert. Künftig sind die zuständigen Stellen für den Unterhaltsvorschuss dazu verpflichtet, notwendige Auskünfte und Informationen wie Einkommensnachweise, Vermögen oder Anschriften des Verpflichteten zu erteilen. Das macht deutlich, wie wichtig und notwendig eine unbürokratische Kooperation zwischen den zuständigen Stellen ist. Maßgeblich ist auch, dass die Leistungen rückwirkend für einen Monat vor der Antragsstellung beibehalten werden. Die Bundesländer wollten diese Regelung streichen. Zukünftig muss man trotzdem nochmal darüber nachdenken, wie das Nebeneinander von Leistungsansprüchen nach dem UVG und dem SGB II bereinigt werden kann. Der Bundesrechnungshof regt zum -Beispiel an, den unbedingten Vorrang von Unterhaltsvorschuss und Wohngeld beim Bezug von SGB-II--Leistungen aufzugeben. Betroffene müssten dann statt drei nur noch einen Antrag stellen, würden aber den gleichen Leistungsbetrag erhalten wie bisher schon. Hier ist also auch eine Kosteneinsparung möglich, wie es in der Anhörung des Familienausschusses zur UVG-Novelle hieß. Es besteht demnach weiterhin politischer Handlungsbedarf. Statt vieler Einzelleistungen für Kinder könnte man eine Art "Kinderbasisgeld" einführen, das Familien mit Kindern für diese erhalten könnten. So würden Sie schnell und unbürokratisch unterstützt. Jörn Wunderlich (DIE LINKE): Unter Entbürokratisierung versteht die Linke etwas anderes. Schon der Titel hält nicht, was er verspricht. Um es noch einmal zu wiederholen: Der Unter-haltsvorschuss soll die finanzielle Situation von Alleinerziehenden und ihren Kindern verbessern, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht oder nicht ausreichend nachkommen kann. Der Unterhaltsvorschuss kommt damit unmittelbar den Kindern von Alleinerziehenden zugute und unterstützt alleinerziehende Elternteile vorübergehend. Immerhin hat die Regierungskoalition diesmal zumindest partiell Sachverstand einfließen lassen, indem sie nach der Anhörung von Sachverständigen im Ausschuss die Streichung der rückwirkenden Bewilligung wieder gestrichen hat, sodass den Alleinerziehenden insoweit durch das neue Gesetz kein finanzieller Nachteil entsteht. Die von der Linken geforderte Erleichterung der Darlegungspflicht der "zumutbaren Bemühungen" zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche gegenüber dem unterhaltspflichtigen Elternteil ist leider nicht umgesetzt worden. Wieder einmal hat diese Regierung eine Chance vertan. Die Anrechnung von Sachleistungen auf den Unterhalt ist nach der Sachverständigenanhörung glück-licherweise revidiert worden. Die Linke hat dies von Anfang an gefordert; denn Zahlungen an Dritte sind für den betreuenden Elternteil weniger verlässlich und weitaus schwerer nachprüfbar als direkte Leistungen. Zudem verlieren Alleinerziehende und ihre Kinder durch indirekte Leistungen einen Teil ihrer Entscheidungskompetenz und möglicherweise auch den bedarfsdeckenden Unterhalt. Dafür hat die Koalition jetzt im Gesetzentwurf einen automatisierten Datenabgleich beim Bundeszentralamt für Steuern sowie vorhandener Konten bei Kreditinstituten eingeführt. Insoweit verweist die Regierung auf gute Erfahrungen beim Wohngeld und BAföG. Hier herrscht wieder die Angst, dass das Unterhaltsvorschussrecht missbraucht werden könnte, diese alles überschattende Angst der Regierung vor Missbrauch. Dagegen werden datenschutzrechtliche Bedenken hinsichtlich des Umgangs mit Informationsquellen und des automatisierten Datenabgleichs einfach hintangestellt, anstatt hier einmal zu überlegen, wie Anreize für Kommunen geschaffen werden können, um die Rückholquote zu erhöhen. In der Sachverständigenanhörung kam klar heraus, dass das Engagement der Kommunen insoweit nicht riesig sei, wenn sie an der Steigerung der Rückholquote nicht selbst auch zumindest partiell teilhaben können. Wieder einmal wird ein Gesetz verabschiedet, ohne den Bedürfnissen der Realität gerecht zu werden. Es wäre besser gewesen, dem Antrag der Linken zu folgen und den Unterhaltsvorschuss zu entfristen und das Höchstalter für den Bezug von Unterhaltsvorschuss auf 18 Jahre anzuheben. Bar- und Betreuungsunterhalt sind als gleichwertig anerkannt. Daher ist es notwendig, dass beim Unterhaltsvorschuss nicht länger das volle Kindergeld angerechnet wird, sondern stattdessen - wie beim "normalen" Unterhalt - nur das halbe Kindergeld angerechnet wird und die andere Hälfte beim betreuenden Elternteil verbleibt. Das ist die Realität, aber dafür stehen angeblich keine Gelder zur Verfügung. Bereits 2006, vor fast genau sieben Jahren, hat die Linke einen derartigen Antrag ins Parlament eingebracht. Auch damals wurde er abgelehnt. Aber die regierenden Parteien hatten sieben Jahre Zeit, um zu klären, wie dies zu finanzieren ist. Nichts haben sie getan, egal ob schwarz-rot oder schwarz-gelb: vertane sieben Jahre für Alleinerziehende. Und wie die Regierungskoalition zu der Ansicht gelangt, dass den Alleinerziehenden wesentlich geholfen ist, wenn ihnen nach Einstellung der Zahlung durch das Amt die Daten des Unterhaltsverpflichteten mitgeteilt werden, damit die Unterhaltszahlung auch weiter sichergestellt wird, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Warum ist denn Unterhaltsvorschuss durch das Jugendamt gezahlt worden? Weil der Unterhaltspflichtige Unterhalt zahlen kann und will? Eher doch aus den gegenteiligen Gründen oder weil der Unterhaltsverpflichtete nicht greifbar ist. Liebe Regierungskoalition, es wird Zeit aufzu-wachen. Willkommen in der Realität! Und da helfen auch nicht Sprüche wie "Gut regiert" oder "Vorfahrt für Familien". Selbst die geplante Hilfe aus dem Koalitionsvertrag, nach welchem das Bezugsalter immerhin um zwei Jahre auf 14 Jahre angehoben werden sollte, war ein falsches Versprechen. Reine Augenwischerei, wie so vieles dieser Koalition. Im Ergebnis ändert dieser Gesetzentwurf nichts an der Situation von Alleinerziehenden. Politik für Menschen sieht anders aus. Die Linke kämpft weiter für eine Politik für die Menschen. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Bemerkungen zum Gesetzentwurf der Bundesregierung selbst kann ich kurzhalten - zum Glück, möchte ich sagen. Das hat damit zu tun, dass zwei ausgesprochen kritisch zu bewertende geplante Änderungen, die Anrechnung von Unterhaltszahlungen, die an Dritte geleistet werden, sowie die Aufhebung der rückwirkenden Antragstellung, durch den Änderungs-antrag der Koalitionsfraktionen zurückgenommen werden. Beide hätten erhebliche Verschlechterungen für Alleinerziehende bedeutet. Ein Punkt bleibt allerdings kritisch, und zwar der Verbrauch der Gesamt-bezugsdauer, wenn Gelder zwischenzeitlich zurück-gezahlt wurden. In einen Gesetzentwurf, der als Entbürokratisierung daherkommt, werden faktisch Verschlechterungen für Alleinerziehende hineingemogelt. Deshalb werden wir dem Gesetzentwurf nicht -zustimmen. Trotz der Veränderungen beim Datenabgleich, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf ermöglicht werden sollen, wird die sogenannte Rückholquote ein Problem bleiben. Eines hat die Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich gemacht: Die Rückholquote kann sehr wohl deutlich gesteigert werden. Aber wenn man dies erreichen will, muss die Problematik gelöst -werden, dass die Kommunen gar kein Interesse daran haben, das von Bund und Ländern für den Unterhaltsvorschuss ausgezahlte Geld von den Unterhaltsschuldnerinnen und Unterhaltsschuldnern wieder hereinzuholen, weil sie Personal einsetzen müssten, ohne von den Mehreinnahmen zu profitieren. Etwas ausführlicher möchte ich auf die grundsätzliche Haltung zu Einelternfamilien eingehen, die beim Regierungshandeln von Schwarz-Gelb zum Ausdruck kommt. Für die 1,8 Millionen Alleinerziehenden, zu 90 Prozent Frauen, hat die schwarz-gelbe Regierungstätigkeit vor allem negative Konsequenzen. Die guten Vorschläge, die im Koalitionsvertrag vereinbart -wurden, wie die Verbesserungen beim Unterhalts-vorschuss und die Prüfung einer alternativen Besteuerung, werden schlicht nicht in Angriff genommen. Papier scheint geduldig; denn seit der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages sind diese Themen von der Agenda verschwunden. Dabei steht dort klar: "Wir werden das Unterhaltsvorschussgesetz dahingehend ändern, dass der Unterhaltsvorschuss entbürokratisiert und bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensjahres eines Kindes gewährt wird." Das wäre eine sinnvolle Maßnahme. Wir wissen: Im Gegensatz zur bildungs- und gleichstellungspolitischen Katastrophe namens Betreuungsgeld, das den Bundeshaushalt mit rund 2 Milliarden Euro im Jahr belasten wird, sind die Verbesserungen für Alleinerziehende dem Sparzwang zum Opfer gefallen. Schlimmer noch: Gerade für Alleinerziehende -wirken sich viele Reformen der Koalition besonders negativ aus, beispielsweise die Anrechnung des Elterngeldes auf ALG-II-Leistungen, die nicht verfassungsgemäßen Regelsätze oder Kürzungen bei der Arbeitsmarktförderung. Es ist bitter, zu sehen, dass weder Alleinerziehende noch Frauen in der Regierung eine Lobby haben. Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter hat in einem Positionspapier zur Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik sehr gut herausgearbeitet, dass alleinerziehende Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht in erster Linie deshalb benachteiligt sind, weil sie alleinerziehende Frauen sind, sondern erstens deshalb, weil sie Frauen sind, und zweitens, weil sie Mütter sind. -Solange die Geschlechtergerechtigkeit auf dem -Arbeitsmarkt nicht forciert wird, wird sich auch für -alleinerziehende Mütter wenig ändern. Wir müssen also große und kleine Räder drehen. Es wäre wichtig, bei den Alleinerziehenden endlich damit anzufangen. Vertan hat die schwarz-gelbe Koalition auch die Chance, die Familienleistungen insgesamt neu aus-zurichten. Auch hier warten wir seit Monaten auf -Ergebnisse der groß angelegten Gesamtevaluation -familienpolitischer Leistungen. Es ist zentral, die -Unterstützung Alleinerziehender in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu stellen und die Familienförderung am Kind auszurichten. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung, die Kinder direkt fördert und Armut vermeidet. Mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl im September dieses Jahres kann ich nur sagen: Das werden wir deutlich besser machen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Unterhaltsvorschussgesetzes und anderer Gesetze. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12488, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/8802 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/2584 zur Verbesserung des Vollzugs im Unterhaltsvorschussrecht für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 21 b. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend auf Drucksache 17/12488 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11142 mit dem Titel "Alleinerziehende entlasten - Unterhaltsvorschuss ausbauen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a und 24 b auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Sofortige humanitäre Hilfe für Syrien leisten - Diplomatische Verhandlungslösung für den Konflikt fördern - Drucksachen 17/11697, 17/12243 - Berichterstattung: Abgeordnete Joachim Hörster Günter Gloser Bijan Djir-Sarai Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller (Köln) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Tom Koenigs, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Syrische Flüchtlinge nicht im Stich lassen - Drucksache 17/12496 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Seit fast zwei Jahren wütet der Bürgerkrieg in Syrien, und ein Ende scheint leider auch heute weit entfernt zu sein. Navi Pillay, die Hohe Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte, hat Mitte Februar erklärt, dass sich die Zahl der Todesopfer nun der 70 000 nähere. Der UN-Menschenrechtsrat sieht eine Zunahme der Gewalttätigkeit aller Konfliktparteien; immer häufiger komme es zu Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Nach aktuellen Schätzungen der Vereinten Nationen sind derzeit über 4 Millionen Syrer auf humanitäre Hilfe angewiesen. Wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind uns der prekären Lage in Syrien bewusst und versuchen einen Beitrag zu deren Verbesserung zu leisten. Die Beweggründe der Opposition für die beiden Anträge, die wir heute debattieren, kann ich deshalb nur schwer nachvollziehen. Denn auch die Bundesregierung tut meines Erachtens ihr Möglichstes, um der syrischen Bevölkerung zu helfen und auf ein Ende des Bürgerkrieges hinzuwirken. Dabei sollte sie die Unterstützung des gesamten Parlaments erfahren und nicht - wie es beispielsweise die Fraktion Die Linke tut - des widersprüchlichen Verhaltens bezichtigt werden. Ich lehne die beiden Anträge der Opposition deshalb ab. Es wird völlig außer Acht gelassen, in welchem Maße sich die Bundesregierung bereits in Syrien engagiert. Nehmen wir zum Beispiel die Forderung nach einer Aufstockung der Mittel zur humanitären Hilfe. Am 30. Januar dieses Jahres wurden, im Rahmen einer humanitären Geberkonferenz der Vereinten Nationen in Kuwait, weitere 10 Millionen Euro für humanitäre Hilfsmaßnahmen in Syrien und den umliegenden Länder bereitgestellt. Erst heute hat der Bundesaußenminister Guido Westerwelle erklärt, dass die Bundesregierung die Mittel für die humanitäre Hilfe nochmals um 5 Millionen Euro aufstocken wird. Die deutsche Unterstützung beträgt damit seit Beginn der Krise insgesamt 118 Millionen Euro, womit Deutschland einen der größten bilateralen Geldgeber darstellt. Davon sind 68 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe bestimmt. 50 Millionen Euro stehen für die strukturbildende Übergangshilfe und die bilaterale Unterstützung zur Verfügung. Ich kann hier keine Versäumnisse der Bundesregierung erkennen. Wir müssen uns jedoch darüber im Klaren sein, dass die Unterstützung und die humanitäre Hilfe auch in Zukunft auf gleichem Niveau aufrechterhalten werden müssen. Bis Juni 2013 schätzen die Vereinten Nationen den Bedarf an humanitärer Hilfe auf circa 500 Millionen US-Dollar. Nach Angaben des UNHCR sind bis heute über 857 000 Menschen aus Syrien geflohen. Die Dunkelziffer wird als weit höher eingeschätzt. Sowohl im Antrag der Linken als auch bei den Grünen wird der Umgang mit syrischen Flüchtlingen in Deutschland thematisiert. Doch auch der Vorwurf, die Bundesregierung würde sich zu wenig für syrische Flüchtlinge engagieren, ist nicht berechtigt. Die Grünen verwenden sogar die Formulierung "im Stich lassen". Dass dies keineswegs der Fall ist, wird unter anderem am Beispiel der syrischen Studenten deutlich, die derzeit in Deutschland studieren und aufgrund des Konflikts in finanzielle Not geraten sind. Um dieser Situation entgegenzutreten, hat das Auswärtige Amt im vergangenen Jahr die Vergabe kurzfristiger Überbrückungsstipendien deutscher Hochschulen mit 1,5 Millionen Euro finanziert. Auch die Forderung der Opposition, das mit Syrien geschlossene Rückübernahmeabkommen zu kündigen, wurde hier im Plenum des Deutschen Bundestages bereits thematisiert. Das Rückübernahmeabkommen enthält prozedurale Regelungen und konkretisiert die Verpflichtungen beider Vertragsparteien bei der Rück-übernahme eigener Staatsangehöriger. Es verpflichtet jedoch nicht zur Durchführung von Abschiebungen und stellt auch keinen Hinderungsgrund dar, Abschiebungen in bestimmten Situationen auszusetzen. Fakt ist, dass seit April 2011 niemand nach Syrien abgeschoben wurde. Mit diesem Abschiebestopp der Bundesländer kommt Deutschland seinen humanitären Verpflichtungen bereits nach. Die Forderung der Opposition ist demnach schlichtweg unbegründet. Bei der Debatte über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in Deutschland darf außerdem nicht vergessen werden, dass viele Syrer, die die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Kämpfe nicht aufgegeben haben, in ihrer Region bleiben wollen. Für die CDU/CSU-Fraktion hat daher weiterhin die Hilfe vor Ort Vorrang. Abschließend möchte ich noch einen Punkt ansprechen, der mir persönlich sehr am Herzen liegt: Der Schutz der christlichen Minderheit in Syrien. Die Christen versuchen sich im syrischen Bürgerkrieg neutral zu verhalten, aber es droht fortwährend die Gefahr, dass sie zwischen die Fronten geraten. Europa muss seine Verantwortung für die orientalische Christenheit stärker wahrnehmen, um sie in ihrer schwierigen Lage zu unterstützen. Joachim Hörster (CDU/CSU): Als ich am 13. Dezember 2012 zum gleichen Thema gesprochen habe, tat ich dies in der Hoffnung auf ein baldiges Ende des Assad-Regimes. Wie wir alle -zwischenzeitlich einräumen müssen, hat sich diese Hoffnung nicht erfüllt. Eine Lösung des Konflikts in Syrien ist nach wie vor in weiter Ferne. In der heutigen Debatte liegen uns zwei Anträge vor, einer der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Sofortige humanitäre Hilfe für Syrien leisten - Diplomatische Verhandlungslösung für den Konflikt fördern" und ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Syrische Flüchtlinge nicht im Stich -lassen". Beide Anträge sind abzulehnen, da sie die -Anstrengungen der Bundesregierung auf humanitärem Gebiet in dieser Krisenregion negieren. Die Flüchtlingsproblematik ist uns allen - und selbstverständlich auch der Bundesregierung - nur allzu bewusst. Im Dezember vergangenen Jahres haben die Vereinten Nationen rund 450 000 syrische Flüchtlinge registriert, wobei die angenommene Dunkelziffer weitaus höher lag. Die im Februar veröffentlichten Zahlen sprechen eine noch deutlichere Sprache: Mittlerweile verzeichnet der UNHCR eine Gesamtzahl von rund 814 000 registrierten Flüchtlingen aus Syrien in die benachbarten Länder. Allein im Libanon waren im Februar 2013 rund 275 000 Flüchtlinge registriert; in Jordanien -waren es 260 000, in der Türkei rund 183 000, in Ägypten 18 000 und im Irak 92 500. Neben den Flüchtlingen, denen es gelungen ist, das Land zu verlassen, leiden in Syrien selbst geschätzte 4 Millionen Menschen unter den Folgen des Konflikts. Der überwiegende Teil der Flüchtlinge in den Nachbarländern, zum Großteil Frauen und Kinder, leben in Camps oder Zeltstädten, nur wenige bei Verwandten oder Freunden in den Städten. Mittlerweile stehen die aufnehmenden Staaten vor großen Problemen: Die Versorgung der Flüchtlinge mit elementaren Dingen wie Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung und Wasser bedeutet eine logistische Herausforderung. Um diese Herausforderungen auch international zu koordinieren und zu meistern, wurde im Jahr 2012 erstmals der "Regional Response Plan" aufgestellt, eine Art "Hilfskoordinierungsplan", an dem insgesamt circa 60 nationale und internationale Partner beteiligt sind. Einer dieser Partner ist übrigens das Technische Hilfswerk, das in Jordanien wichtige praktische Hilfe leistet. Bereits seit Eröffnung des Flüchtlingscamps al-Zaatari nahe der syrisch-jordanischen Grenze im Juni 2012 waren THW-Kräfte vor Ort. Als erfahrene Organisation in internationalen Einsätzen leistet das THW wertvolle Hilfe. Der Aufbau von Kücheneinheiten, Wasseraufbereitungsanlagen sowie Toilettenanlagen im Camp sichert die Versorgung der Flüchtlinge mit. Mit diesen Maßnahmen wird Hilfe dort geleistet, wo sie dringend benötigt wird: bei den Menschen vor Ort. Seit Juni 2012 waren so insgesamt 110 Helfer des deutschen THW im Einsatz. Kritiker können jetzt natürlich behaupten, das sei bei Weitem nicht genug, aber angesichts der prekären Lage in den Camps zählt jeder -Helfer, und jede Maßnahme hilft den Flüchtlingen. Darüber hinaus steht die Bundesregierung auch -finanziell zu ihrer internationalen Verantwortung. Deutschland hat 2012 für den Bedarf an humanitärer Hilfe insgesamt rund 103 Millionen Euro zur Verfügung gestellt und gehört damit zu einem der größten Geber. Auf der internationalen Geberkonferenz, die Ende Januar in Kuwait stattfand, hat die Bundesrepublik Deutschland nochmals zusätzlich 10 Millionen Euro zugesagt. Angesichts dieser Zahlen kann man wohl kaum davon sprechen, dass syrische Flüchtlinge "im Stich gelassen werden", wie der Titel des Antrags der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen impliziert. Die Bundes-republik Deutschland beteiligt sich in herausragender Weise an den finanziellen und humanitären Maßnahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Insgesamt sollen von der internationalen -Staatengemeinschaft mehr als 1,1 Milliarden Euro für humanitäre Maßnahmen in der Region zur Verfügung gestellt werden. Diese Zahlen zeigen, dass die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die humanitäre Hilfe eben nicht das eigentliche Problem ist, wie Sie es in Ihren Anträgen formulieren. Entscheidend ist, dass die bereitgestellten Gelder für die Maßnahmen verwendet werden können, für die sie gedacht sind, das heißt, dass sie bei den Menschen in den betroffenen Gebieten ankommen. Hierfür bedarf es einer ausgeklügelten Logistik und einer guten Koordination, vor allem aber eines dauerhaften Waffenstillstands Und darüber hinaus sollten wir auch das Schicksal derjenigen im Auge behalten, die in Syrien leben und täglich mit den Folgen des Konflikts konfrontiert werden. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wird deren humanitäre Lage immer schwieriger. Die wenigen Hilfsorganisationen, die noch in Syrien arbeiten können, können dies aufgrund der Kampfhandlungen nicht effektiv genug tun. In diesem Zusammenhang sind vor allem der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und damit auch die fünf ständigen Mitglieder in der Verantwortung. Appelle des Generalsekretärs bzw. der Vollversammlung sind bedauerlicherweise nicht nachhaltig genug. Daher geht die Forderung zum Handeln, die Sie in Ihren Anträgen von der Bundesregierung verlangen, ins Leere, da sie längst tätig ist. Es liegt in der Hand des UN-Sicherheitsrates, nicht gegen- sondern miteinander zu arbeiten. Angesichts der Dauer des Konfliktes sollte es die vordringliche Aufgabe des Gremiums sein, nicht nur über die schlechte humanitäre Lage in Syrien zu sprechen, sondern konkret zu handeln. In der Vergangenheit wurde die Verteilung von Hilfslieferungen massiv behindert. Nur mit einem einheitlichen Votum des UN-Sicherheitsrates kann ein gewisser Druck aufgebaut werden, um mehr internationalen Hilfsorganisationen den Zugang ins Land zu ermöglichen. Insbesondere müssen die Kampfhandlungen eingestellt werden, und zwar auf beiden Seiten. Auch die im Antrag von Bündnis 90/Die Grünen geäußerte Kritik an der Bundesregierung hinsichtlich der Aufnahme von syrischen Flüchtlingen entbehrt jeder Grundlage. Im Januar 2013 zählte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge circa 1 000 Asylanträge von Syrern. Aufgrund des bereits seit längerem bestehenden Abschiebestopps können die Flüchtlinge in Deutschland bleiben. Damit zeigt die Bundesregierung deutlich ihre Solidarität mit der syrischen Bevölkerung. Deutschland hat seit Beginn der Krise in Syrien in enger Abstimmung und Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern seine klare Position deutlich gemacht. Die von Ihnen geforderten diplomatischen Verhandlungslösungen mit dem herrschenden Regime sowie der Ausbau intensiver Kontakte zur demokratischen, gewaltfreien Opposition in Syrien entbehren zum einen durch die Tatsache, dass sich die Bundes-regierung immer auf einen friedlichen Verhandlungsweg berufen und aus diesem Grund die syrische Vertretung in Deutschland nicht gänzlich geschlossen hat, und zum anderen durch das Ergebnis der Konferenz in Marrakesch jeglicher realistischer Grundlage. Wir sind uns in diesem Hause darin einig, dass so schnell wie möglich die Bürgerkriegsauseinandersetzungen beendet werden und der syrischen Bevölkerung in ihrer Not jetzt, aber auch später beim Wiederaufbau, geholfen werden kann. Die in den beiden Anträgen vorgebrachte Kritik an der Bundesregierung ist jedoch unbegründet, und daher werden wir beide Anträge ablehnen. Günter Gloser (SPD): Der Grundforderung des Antrags "Sofortige humanitäre Hilfe für Syrien leisten - Diplomatische Verhandlungslösung für den Konflikt fördern" widersprechen wir Sozialdemokraten nicht. Der Konflikt in Syrien hat mit wahrscheinlich über 70 000 Toten, circa 1,5 Millionen Binnenflüchtlingen und Hunderttausenden Flüchtlingen in die Nachbarstaaten mittlerweile eine neue blutige Dynamik erreicht. Die dramatische Flüchtlingssituation treibt uns in der SPD-Bundestagsfraktion um. Ich hatte bei einem Besuch in Beirut Anfang Februar die Gelegenheit, mit syrischen Flüchtlingen zu sprechen, und dieser Dialog hat meine Einschätzung für deren prekäre Situation stark geprägt. Die Aufnahme von Hunderttausenden syrischen Flüchtlingen in den Nachbarstaaten Jordanien, Libanon und Türkei ist eine Leistung, die man nicht genug würdigen kann. Allein im Libanon wurde eine Zahl von Menschen aufgenommen, die auf Deutschland umgerechnet der Aufnahme von etwa 3 Millionen Flüchtlingen entspräche. Die größte Flüchtlingswelle der deutschen Nachkriegszeit brachte während der Balkankriege der 90er-Jahre einige Hunderttausend Flüchtlinge zu uns. 3 Millionen zusätzliche Menschen in der Bundesrepublik übersteigen dagegen aber unser Vorstellungsvermögen. Vor diesem Hintergrund fordern wir Sozialdemokraten die Bundesregierung auf, sich gegenüber den anderen EU-Mitgliedstaaten für eine gemeinsame -europäische Initiative zur Aufnahme syrischer Flüchtlinge einzusetzen. Unabhängig davon ist die Bundes-regierung dazu aufgerufen, auf nationaler Ebene zur Minderung des syrischen Flüchtlingselends initiativ zu werden. Es geht auch um ein Signal der Menschlichkeit. Da viele Syrer oder syrischstämmige Verwandte in Deutschland haben, ist ein Beitrag aus Deutschland möglich, wenn die Bundesregierung dem Ernst der Lage angemessen reagiert. Die Forderung, schnell etwas gegen das syrische Flüchtlingselend zu unternehmen, teilen viele Kräfte in Deutschland, darunter auch die beiden Kirchen. In Deutschland lebende Syrer und syrischstämmige Deutsche haben signalisiert, bei der Aufnahme von Verwandten bei uns vor Ort tatkräftig zu helfen. Diese Chance muss die Bundesregierung nutzen. Die im Antrag geforderte Einbindung Chinas und des Iran in eine Lösung des Konfliktes ist grundsätzlich richtig. China war als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen aber von Anfang an eingebunden und hat dort - ebenso wie Russland - die Chance auf eine Eindämmung des Konfliktes verstreichen lassen. Der Iran ist durch seine Waffenlieferungen und durch die Entsendung von Militärberatern für das Assad-Regime in diesem Konflikt bereits faktisch Kriegspartei. Interessant, dass die Linkspartei ihn in ihrer Liste der Staaten, an keine Waffen die geliefert werden sollen, unter Punkt 4 c im Antrag gar nicht aufführt. Die Geld- und Waffenlieferungen des Iran an das Assad-Regime scheinen für die Linke ein nachrangiges Problem zu sein. Sie tauchen nirgendwo im Antrag auf. Wer so argumentiert, der ist in seiner Bewertung der Aufrüstungssituation in Syrien ein-äugig. Auch macht es sich die Linke zu einfach, wenn sie Art.-VII-Resolutionen des VN-Sicherheitsrates kategorisch ausschließt. Wer sich selbst einer solchen Option beraubt, der schwächt die Position des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und goutiert das Verhalten Russlands und Chinas in dem Gremium. Ich kann die Forderung an die Linke, dass es gilt, klar Partei zu ergreifen für die syrische Bevölkerung, Demokratie und einen zivilen Wandel zu fördern, nur nochmals wiederholen. Doch anstatt eines klaren Bekenntnisses zur syrischen Bevölkerung hört man nur, dass die Fraktion der Linken die Schuld des Assad-Regimes an der Eskalation des syrischen Bürgerkriegs herunterspielt. Wenn in dem vorliegenden Antrag für die Eskalation in Syrien nur von einer "erheblichen Verantwortung" des Assad-Regimes die Rede ist, dann muss ich dies als Euphemismus zurückweisen. Ich selbst habe mir in Gesprächen mit ehemals engen Vertrauten des syrischen Präsidenten mehrfach bestätigen lassen, dass Baschar al-Assad immer wieder zu umfassenden Reformen in seinem Land gedrängt worden war. Nichts dergleichen ist geschehen! Aus einer Politik der vermeintlichen Stärke heraus hat Assad den Konflikt in seinem Land wissentlich eskalieren lassen, und dies wohlgemerkt zu einer Zeit, als er noch alle politischen Fäden in der Hand gehalten hatte. Ich kann die Fraktion Die Linke daher nur ausdrücklich auffordern, endlich aufzuhören, die Verantwortung des Assad-Regimes in diesem Bürgerkrieg zu verharmlosen, wenn sie ein außenpolitischer Verantwortungsträger sein will. Die Gespräche zwischen dem US-amerikanischen Außenminister John Kerry und seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow in Berlin waren auch ein Signal dafür, dass die Chance für eine politische Lösung des Syrien-Konflikts weiterhin besteht. Gleiches gilt für das Treffen zwischen Vertretern des Assad-Regimes und syrischen Oppositionellen bei der Konferenz der Freunde Syriens in Rom. Für mich ist dies Bestätigung dafür, dass nach wie vor der Wille zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts besteht. Die heutigen Äußerungen des französischen Präsidenten Hollande anlässlich seines Moskau-Besuchs unterstützen meine Auffassung, dass eine politische Lösung des Konfliktes in den kommenden Wochen im Bereich des Möglichen ist - vorausgesetzt, alle direkt und indirekt beteiligten Konfliktparteien erkennen ihre Verantwortung für diesen Prozess und nehmen sie auch an. Auch wenn die Kontaktaufnahme zwischen den Konfliktparteien nur einen ersten Schritt auf einem langwierigen und steinigen Weg darstellt, so erhoffe ich mir von diesen Treffen doch wenigstens humanitäre Erleichterungen. Die Bundesregierung steht hier in der Pflicht, gemeinsam mit unseren europäischen Partnern eine Vorreiterrolle einzunehmen und einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung der Flüchtlingssituation zu leisten. Deutschland ist sicherlich kein Schlüsselstaat, wenn es um die Beilegung des Syrien-Konflikts geht. Aber dort, wo wir eine internationale Verantwortung und vor allem eine Verpflichtung gegenüber der Menschlichkeit haben, müssen wir diese auch wahrnehmen. Marina Schuster (FDP): Die humanitäre Lage in Syrien ist verheerend und schon längst nicht mehr mit Worten zu fassen - und sie verschlechtert sich weiter. Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gibt die Zahl der Todesopfer mit beinah 70 000 an. Insgesamt 4 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Zahl der Binnenvertriebenen liegt bei 2 Millionen Menschen. Kürzlich wurde bekannt, dass sich nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO 2 500 Menschen in der nordöstlichen Provinz Deir al-Sor mit Typhus infiziert haben. Dort gibt es nicht genügend Treibstoff oder Elektrizität, sodass die Menschen gezwungen sind, Wasser aus dem Euphrat zu trinken. Kurzum: Eine höhere humanitäre Notfallstufe ist laut Vereinten Nationen nicht mehr möglich. Deshalb wird die Zahl der Syrer, die dieser Hölle entkommen wollen, nicht kleiner werden. Im Gegenteil: Die Flüchtlingsströme in die Nachbarländer nehmen weiterhin zu. Inzwischen befinden sich knapp 730 000 Menschen als Flüchtlinge im Libanon, in -Jordanien, der Türkei, dem Irak, in Ägypten und Nordafrika. Bis zum Juni dieses Jahres werden es 1,1 Millionen Flüchtlinge sein. Vor diesem Hintergrund danke ich der Bundesregierung für die bisher geleistete große Hilfe, die zuletzt im Rahmen der Geberkonferenz Ende Januar in Kuwait um 10 Millionen Euro aufgestockt worden ist. Und heute hat das Auswärtige Amt mitgeteilt, weitere 5 Millionen Euro für humanitäre Hilfe in Syrien bereitzustellen. Insgesamt hat die Bundesregierung seit -Beginn der Krise Hilfe in Höhe von 118 Millionen Euro geleistet. Davon entfallen 68 Millionen Euro auf humanitäre Hilfsmaßnahmen in Syrien und den Nachbarländern sowie rund 50 Millionen Euro für strukturbildende Übergangshilfen und bilaterale Hilfe. Damit ist Deutschland international der größte Geber. Für dieses außerordentliche Engagement können wir alle dankbar sein. In diesem Zusammenhang will ich die hervorragende Arbeit unterstreichen, die zum Beispiel in Flüchtlingslagern an der Grenze Syriens vom THW geleistet wird. Mein Dank gilt auch den -Anrainerstaaten, die die syrischen Flüchtlinge bereitwillig aufnehmen. Dennoch sage ich: Wir müssen unsere Anstrengungen für die syrischen Flüchtlinge erhöhen. Wenn man versucht, zu begreifen, welche Leidensgeschichten hinter all diesen Zahlen verborgen sind, wäre es für mich unvorstellbar, nicht weitergehend zu handeln. Es ist kein Geheimnis, dass wir Außenpolitiker fraktionsübergreifend und seit geraumer Zeit Bewegung in der Frage der syrischen Flüchtlinge fordern. Herr Polenz und die Sprecher aller Fraktionen haben sich mehrfach zu diesem Thema geäußert. Allerdings gibt es hier auseinandergehende Auffassungen, die teilweise in den unterschiedlichen fachpolitischen Perspektiven begründet liegen. Und bei aller Koalitionsdisziplin muss ich die Innenpolitiker der Union ansprechen: Aus meiner Sicht könnten wir jetzt schon mehr tun, ohne dass wir gesetzliche Änderungen vornehmen müssten. Deshalb unterstütze ich den Vorschlag des -Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, Menschen aus Syrien vermehrt die Einreise zu ermöglichen, die Verwandte in Deutschland haben. Das Argument, das bisher gegen diese Maßnahme sprechen soll, leuchtet mir nicht ein. Es ist angesichts eines der weltweit grausamsten Kriege zynisch, zu sagen: Die könnten ja hier bleiben wollen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wir müssen uns zu einem Akt der Menschlichkeit, der christlichen Nächstenliebe aufraffen. Wir könnten somit gleichzeitig ein politisches Zeichen der Unterstützung setzen. In diesem Zusammenhang sollten wir vorangehen und uns für eine europäische Kontingentlösung starkmachen, die einen Verteilungsschlüssel zur Aufnahme der Flüchtlinge vorgibt und die die anderen Mitgliedstaaten der EU nicht aus ihrer Verantwortung entlässt. Es würde mich freuen, wenn sich Innenminister Friedrich auf EU-Ebene dafür einsetzte - so wie es sein Vorgänger Wolfgang Schäuble im Fall der irakischen Flüchtlinge auch getan hat. Gleichwohl sage ich: Das Grundrecht auf Asyl macht nicht an den Religionsgrenzen halt. Den Vorschlag, nur Christen aufzunehmen, halte ich für den Vielvölkerstaat Syrien für brandgefährlich. Lassen Sie mich noch ein Wort zur Aufarbeitung der Verbrechen sagen. Wir begrüßen, dass sich der -Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen mit Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien befassen wird. Diese Ankündigung kam nur einen Tag nach den Forderungen der UN-Menschenrechtskommissarin an den Sicherheitsrat, endlich den Strafgerichtshof in Den Haag einzuschalten. Das sind wichtige erste Schritte, um mit der strafrechtlichen Verfolgung der Täter zu beginnen; denn nur so können wir einer gefährlichen Kultur der Straflosigkeit entgegentreten - selbst wenn dies angesichts der Konfliktlage viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Es ist längst überfällig, dass sich der Bundestag ernsthaft und tiefer gehend - was er leider nicht tut - mit der Lage in Syrien und der deutschen Syrien-Politik auseinandersetzt. Bislang sind zu diesem Thema drei Anträge den parlamentarischen Gremien vorgelegt worden: Ein Antrag der Fraktion Die Linke, syrische Flüchtlinge in Deutschland und in Europa aufzunehmen, wurde abgelehnt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt heute erneut, dass sich Deutschland für die Aufnahme syrischer Flüchtlinge human und unbürokratisch öffnen soll. Ich hoffe, dass der grüne Antrag, dem meine Fraktion zustimmen wird, nicht das gleiche Schicksal erleidet wie der vorgenannte Antrag der Linken. Zur politischen Situation in Syrien hat ausschließlich die Fraktion Die Linke einen umfassenden Antrag vorgelegt. Dieser Antrag deckt sich in seinen Forderungen und Vorschlägen mit der grundsätzlichen Linie, die der Sonderbeauftragte der UN für Syrien, Herr Lakhdar Brahimi, verfolgt. Er steht heute zur Abstimmung. Ich stelle fest: SPD, CDU/CSU und FDP haben zu Syrien nichts zu sagen oder wollen sich schriftlich nicht äußern. Das Wichtigste, was für Die Linke im Vordergrund steht: Es muss ein Weg gefunden werden, das tägliche Morden in Syrien - der Bürgerkrieg hat mittlerweile über 70 000 Menschen das Leben gekostet - zu beenden. Der einzig sinnvolle Weg in diese Richtung sind Verhandlungen zwischen dem Präsidenten Syriens, Baschar al-Assad, und/oder von ihm beauftragten Personen mit Gremien der Opposition. Die Linke hat darauf hingewirkt, dass an solchen Verhandlungen auch die Teile der Opposition beteiligt werden, die ausdrücklich auf Gewalt verzichtet haben und in Syrien für einen gewaltfreien Wandel aktiv sind. Gerade dieser Teil der politischen Opposition, mit dem wir sehr eng zusammenarbeiten, steht derzeit unter einer doppelten Repression: unter der anhaltenden Repression des Regimes und unter der Repression und Gewalttätigkeit anderer oppositioneller Gruppen, die immer extremistischer werden. Ich wiederhole an dieser Stelle noch einmal: Es ist doppelbödig und unglaubwürdig, wenn in Syrien die Gruppen mit Geld und Waffen versorgt werden, auch vom Westen, aber besonders aus Saudi-Arabien und Katar, die in Mali mit Waffengewalt - auch vom Westen - vertrieben wurden. Die Regierung Assad hat Verhandlungen zugesagt und offensichtlich die Bitte von Lakhdar Brahimi, für diese Verhandlungen eine Person zu autorisieren, die auch für die Gegenseite gesprächsfähig ist, aufgegriffen. Die "Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte" und ihr Sprecher Muas al-Chatib hat solchen Gesprächen zugestimmt, allerdings in den letzten Tagen diese Zustimmung unter dem Druck der extremistischen Kräfte wieder relativiert. Von der Bundesregierung gibt es keinen Appell - zum Beispiel im Rahmen der "Freunde Syriens" - an die oppositionellen Gruppen, in Verhandlungen einzuwilligen. Die Bundesregierung lügt, wenn sie behauptet, den Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen Lakhdar Brahimi in seinen Bemühungen um einen Dialog und einen Waffenstillstand zu unterstützen. Im Gegenteil: Die Bundesregierung sabotiert die Bemühungen -Brahimis und trägt damit Mitverantwortung für die Fortsetzung von Bürgerkrieg und Gewalt. An keiner Stelle im Genfer Kommuniqué wird davon gesprochen, dass der syrische Präsident Assad als Preis für Verhandlungen zurückzutreten hat. Als Ziel von Verhandlungen wird eine Waffenruhe, die zu einem Waffenstillstand führen soll, definiert. In einem solchen Klima der Verhandlungen und des Dialoges soll es zu einer Übergangsregierung kommen. Die Bundesregierung jedoch geht umgekehrt heran. Sie verlangt den Rücktritt von Assad, bevor es zu Gesprächen kommen könne, und befördert, dass die vom Westen und den Golfstaaten präferierte "Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte" als Übergangsregierung anerkannt und eingesetzt wird. Zwei konkurrierende Regierungen aber spitzen den Bürgerkrieg zu. Ein wichtiger Punkt von Verhandlungen soll und muss die Freilassung von Gefangenen auf beiden Seiten und eine Sicherheitsgarantie für die kurdischen Gebiete sein. Ein Gefangenenaustausch - und der ist dringend notwendig - muss sorgfältig verhandelt werden. Ich betreue in Syrien einen langjährigen Oppositionellen, der wegen seines Eintretens für Gewaltlosigkeit und Demokratie vom Regime verschleppt wurde und in einer Einrichtung der syrischen Luftwaffe festgehalten wird. Abdel Asis al-Chair gehört zu den Mitbegründern und Repräsentanten des Nationalen Koordinierungskomitees für den demokratischen Wandel in Syrien. Ich bitte die syrische Regierung zu verstehen, dass es schwer ist, Gewaltlosigkeit als politisches und ethisches Prinzip durchzuhalten und auf Verhandlungen zu bauen, wenn gleichzeitig Menschen, die das vertreten, verschleppt und möglicherweise gefoltert werden. Ich verlange, dass Abdel Asis al-Chair sofort freigelassen wird und bitte alle Kolleginnen und Kollegen, mein Begehren zu unterstützen. Halten wir noch einmal fest: Lakhdar Brahimi, die UNO, Russland und China setzen auf ein Ende der Gewalt durch Verhandlungen. Die Bundesregierung setzt auf einen militärischen Sieg der Aufständischen im Bürgerkrieg und nimmt eine Verschärfung der Auseinandersetzungen und damit weitere Opfer in Kauf. Die Stiftung Wissenschaft und Politik hat die unterschiedlichen Grundlinien in der Syrien-Politik sehr klug analysiert. Sie kommt zum Ergebnis, dass keine der Seiten im syrischen Konflikt derzeit in der Lage ist, die Situation militärisch für sich zu entscheiden, und dass der Aufstand in Syrien längst enteignet und zu einem Stellvertreterkrieg gemacht wurde. In Syrien kreuzen sich strategische Grundlinien einer neuen Verteilung von Macht und Einfluss nicht nur in der Region des Nahen und Mittleren Ostens, sondern weitreichender bis nach Nordafrika und in den asiatischen Raum. Es droht die Gefahr einer langanhaltenden blutigen Auseinandersetzung, die letztlich zur Zerstörung des syrischen Staates führen wird. Die realistische Alternative zu Assad ist gegenwärtig kein demokratisches Syrien, sondern eine Zerstückelung des Landes in unterschiedliche Macht- und Herrschaftsbereiche. Was tun in dieser Situation? Die Stiftung Wissenschaft und Politik empfiehlt der Bundesregierung, ihre Kraft auf humanitäre Hilfe für die Bevölkerung zu konzentrieren. In den USA, aber auch in Deutschland und damit auch in der EU nimmt die Debatte zu, die "Aufständischen" mit direkten -Waffenlieferungen zu unterstützen. Außenminister Westerwelle fordert das noch verklausuliert, einzelne Grünenpolitiker mittlerweile ganz offen. Waffenlieferungen nach Syrien, und zwar über die türkisch-syrische Grenze, sind mittlerweile ein ganz neues Konzept grüner "Friedenspolitik". Es wäre ein geringer Trost, wenn man sich wenigstens in der Frage der humanitären Hilfe über Grundsätze einigen könnte. Humanitäre Hilfe soll, wo immer es möglich ist, überparteilich geleistet werden. Das entspricht den Prinzipien des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde jedoch diskutiert, humanitäre Hilfe gezielt nur in den sogenannten befreiten Gebieten zu leisten, sodass die Aufständischen "etwas vorzuweisen" hätten. Keine Hilfe der Bundesregierung ging bisher in die kurdischen Gebiete, kein Wunder, da der Bündnispartner Türkei in diesem Konflikt nicht an einem autonomen kurdischen Gebiet in einem syrischen Staatsverband interessiert ist. Unerträglich jedoch ist die Heuchelei der Bundesregierung zur Nichtaufnahme von Flüchtlingen aus -Syrien. Mehr als 1 Million Menschen ist bisher aus -Syrien geflüchtet - vor allem nach Jordanien, in die Türkei und in den Libanon. Allein nach Jordanien flüchteten an einem Tag 20 000 Menschen, das ist mehr als die gesamte EU seit Ausbruch des Konfliktes in Syrien aufgenommen hat. Man verweigert syrischen Bürgerinnen und Bürgern, die in Europa und auch in Deutschland leben, das Nachholen von Familienangehörigen aus dem Bürgerkrieg und damit aus unmittelbarer Lebensgefahr. Im Auswärtigen Ausschuss waren sich alle Fraktionen einig, dass dieser Heuchelei ein Ende bereitet werden muss. Statt Krokodilstränen brauchen Syrien und die politische Moral in unserem Land aufrechte menschliche Hilfe. Wer dazu nicht bereit ist, soll den Menschen nicht erzählen, dass die Not in Syrien unerträglich geworden sei. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die grüne Bundestagsfraktion hat erneut einen Antrag zur Unterstützung und Aufnahme syrischer Flüchtlinge in den Bundestag eingebracht. Hintergrund hierfür waren neben der dramatischen Menschenrechtssituation in Syrien auch Äußerungen von Außenpolitikern der schwarz-gelben Regierung, die sich für eine Aufnahme syrischer Flüchtlinge aussprechen. Die humanitäre Situation in Syrien verschlechtert sich zunehmend. 4 Millionen Menschen sind nach Angaben der UNO auf Hilfslieferungen angewiesen. Fast 70 000 Menschen sind ums Leben gekommen. Zehntausende wurden verhaftet oder gelten als vermisst. Laut UNHCR-Angaben vom 27. Februar 2013 sind bereits 940 000 Menschen in benachbarte Länder geflohen - davon zwei Drittel Frauen und Kinder -, seitdem die Revolte gegen Staatschef Assad im März 2011 begann. Pro weitere Woche des Krieges werden 40 000 Flüchtlinge in den Nachbarländern Jordanien, Libanon und Türkei erwartet. Der Hohe Flüchtlingskommissar der UN, António Guterres, sprach in seiner gestrigen Mitteilung davon, dass die Situation für die Flüchtlingshelfer unlösbar zu werden droht. Angesichts der Eskalation der Gewalt in Syrien und der ständig steigenden Zahl der Flüchtlinge in den Nachbarstaaten muss Deutschland nicht nur weitere Hilfe für die Anrainerstaaten bereitstellen, sondern auch syrische Flüchtlinge in Deutschland aufnehmen. Es ist zwar positiv, dass die Bundesregierung heute erneut 5 Millionen Euro an humanitärer Hilfe für notleidende Syrer zur Verfügung gestellt hat. Direkte Unterstützung muss die Bundesregierung aber auch durch die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen aus den Nachbarländern Syriens leisten. Das wäre ein Zeichen der Solidarität für syrische Flüchtlinge und die Nachbarländer, die mit der Aufnahme der Flüchtlinge an ihre Grenzen stoßen. Es ist an der Zeit, dass sich die Bundesregierung hier auch deutlich gegenüber den europäischen Mitgliedstaaten für eine Aufnahme eines größeren Kontingents starkmacht und selbst mit gutem Beispiel vorangeht. Es häufen sich Hilfeersuchen verzweifelter in Deutschland lebender syrischer Staatsangehöriger, die keine Möglichkeit haben, Verwandte zu sich zu holen. Grund hierfür sind die strengen Vorgaben beim Familiennachzug, die eine Einreise nur für die "Kernfamilie" - dies sind Ehegatten und minderjährige Kinder anerkannter Flüchtlinge und Asylberechtigter - zulassen. Bei anderen Schutzberechtigten ist der Nachzug selbst von Ehegatten und minderjährigen Kindern in aller Regel ausgeschlossen. Der Nachzug weiterer Verwandter wie erwachsener Kinder, Geschwister oder Eltern zu ihren in Deutschland lebenden Angehörigen ist unabhängig von deren Status nahezu ausgeschlossen. Auch deutschen Staatsangehörigen syrischer Abstammung gelingt es kaum, Verwandte nach Deutschland zu holen, selbst wenn die Finanzierung des Aufenthalts gesichert ist. Denn ein Visum wird regelmäßig unter Hinweis auf eine Rückkehrprognose und mangelnde Verwurzelung der Antragsteller im Heimatland abgelehnt. Vor diesem Hintergrund muss in Bezug auf syrische Staatsangehörige dringend eine Lösung außerhalb der strengen Regelungen zum Familiennachzug gefunden werden. Die Anordnung des Auswärtigen Amtes vom 12. Oktober 2012 in Bezug auf Erleichterungen beim Erfordernis des Nachweises ausreichender deutscher Sprachkenntnisse für den Familiennachzug reicht hier bei weitem nicht aus. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, UNHCR, hat bereits mehrfach an die Innenminister von Bund und Ländern appelliert, syrischen Flüchtlingen in Deutschland den Nachzug von Fami-lienangehörigen aus der Region unabhängig vom Vorliegen der auf nationaler oder europarechtlicher Ebene geregelten Familiennachzugsvoraussetzungen zu erleichtern. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Appell nun endlich erhört wird. Auch für die bereits in Deutschland aufgenommenen Syrerinnen und Syrer muss die Situation verbessert werden. Die Innenminister der Länder haben sich mit dem Bundesinnenminister zwar darauf verständigt, den Abschiebungsstopp für Syrien zu verlängern. -Eigentlich stünde damit geduldeten Flüchtlingen aus Syrien laut Gesetz eine Aufenthaltserlaubnis zu. Nach dem Beschluss der Innenministerien sollen sie aber weiterhin lediglich Duldungen bekommen - hier muss dringend nachgebessert werden. In Anbetracht des immer brutaleren Vorgehens der syrischen Regierung hat Deutschland den diplomatischen Druck auf diese erhöht. Dazu passt jedoch nicht, dass das Anfang 2009 in Kraft getretene Rückübernahmeabkommen zwischen Deutschland und Syrien weiterhin in Kraft bleibt. Auch wenn derzeit praktisch keine Rückführungen nach Syrien möglich sind, ist eine unverzügliche Aufkündigung des Rückübernahmeabkommens dringend erforderlich, da es jegliches menschenrechtliche Fundament vermissen lässt. Das Festhalten an dem Abkommen verleiht dem derzeitigen Regime Assads den Anschein völkerrechtlicher Anerkennung und sendet zudem ein falsches Signal an eine künftige syrische Staatsführung. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung. Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12243, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11697 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke angenommen. Tagesordnungspunkt 24 b. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/12496 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften - Drucksachen 17/12046, 17/12302 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - Drucksache 17/12529 - Berichterstattung: Abgeordnete Cajus Caesar Kerstin Tack Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Cornelia Behm Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Cajus Caesar (CDU/CSU): Mit dem vorgelegten Gesetz zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften ist es uns wichtig, den Spagat zu meistern: Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und weiterhin Sicherung der vorbildlichen Bejagung im Rahmen der Jagdgenossenschaften und Eigenjagden . Die Mehrheit der Sachverständigen der öffentlichen Anhörung in der vorletzten Woche hat uns eindrucksvoll bestätigt, dass dies mit dem vorgelegten Gesetzentwurf sehr gut gelungen ist. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, hat in einem im Juni verkündeten Urteil entschieden, dass die Pflichtmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. Es geht dabei um Fälle, in denen ein Grundstückseigentümer trotz entgegenstehender ethischer Motive ausnahmslos gesetzlich zur Duldung der Jagd verpflichtet ist. Der EGMR sah darin eine unverhältnismäßige Belastung. Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs stellte fest, dass die gesetzliche Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft das Grundrecht auf Schutz des -Eigentums verletze. Allerdings hat das Gericht auch festgestellt, dass die flächendeckende Bejagung nicht grundsätzlich unvereinbar mit der Menschenrechtskonvention sei. Der hier vorgelegte Gesetzentwurf trägt dem Rechnung, indem betroffenen Grundeigentümern künftig ein Anspruch auf Einrichtung eines befriedeten Bezirks gewährt wird, in dem die Jagd ruht. Wir haben dies an klar formulierte Bedingungen geknüpft: Es ist hierzu notwendig, einen Antrag zu stellen. Der Grundeigentümer muss dabei glaubhaft versichern, dass er die Jagd aus ethischen Gründen grundsätzlich ablehnt. Dies kann zum Beispiel durch eidesstattliche Versicherung erfolgen. Hier liegt auch begründet, dass lediglich natürliche Personen einen Antrag auf Befriedung stellen können. Juristische Personen - beispielsweise Verbände, Gruppen, Stiftungen - haben grundsätzlich kein Gewissen und können daher auch keine ethischen Motive anführen. Der Entscheidung über den Antrag muss eine Anhörung vorausgehen. Die schützenswerten Belange des Antragstellers, Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen, müssen in diesem Rahmen mit wichtigen Gemeinwohlbelangen und Interessen Dritter, insbesondere angrenzender Grundeigentümer abgewogen werden. Dazu gehören: Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestands , Schutz vor übermäßigen Wildschäden , Naturschutz und Landschaftspflege , Schutz vor Tierseuchen und die Abwendung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung . Die Befriedung wird im Erfolgsfall des Antrags in der Regel räumlich und zeitlich beschränkt genehmigt. In jedem Fall ist die Befriedung an die Pachtlaufzeit gekoppelt. Die Entscheidungskompetenzen liegen vor Ort, in den Kreisen, bei den unteren Jagdbehörden. Hierzu duften wir in der Anhörung erfahren, dass wir mit dem Gesetzentwurf für die Entscheidungen auf Bewilligung des Antrags einen guten Rahmenkalatog mitgeben. Neben der ohne Zweifel vorbildlichen Umsetzung des Urteils ist in diesem Zusammenhang weiterhin Folgendes festzustellen: Das System der Jagdgenossenschaften und das Reviersystem sind bewährt. Auch hier gaben die Sachverständigen uns recht. Andere Länder beneiden uns um dieses System. Das Reviersystem hat dazu geführt, dass die heimischen Wildarten aufgrund des jagdlichen Artenschutzes erhalten wurden. Der Wildbestand wird so nachhaltig bejagt. Der Revierinhaber übernimmt eine persönliche Verantwortung für das Wildmanagement. Ein Flickenteppich in der Bejagung ist von uns nicht gewünscht. Und er wäre auch kontraproduktiv -hinsichtlich der Artenvielfalt und der Gesundheit des Wildes. Die Zusammenfassung von einzelnen Grundstücken in der Jagdgenossenschaft ist zur Verwirklichung der Hegeziele zwingend. Wild macht nicht an Grundstücksgrenzen halt. Daher sind die Auswirkungen von Hegemaßnahmen auch nicht auf das einzelne Grundstück zu beschränken. Gesetzlich zu regeln war in diesem Zusammenhang auch die Frage der Haftung. Auf befriedeten Flächen kann Wild sich einen Rückzugsraum schaffen. Diese Rückzugsräume können aus wildbiologischer Sicht sinnvoll sein. Wo dies der Fall ist, gibt es sie auch. Keinesfalls können aber ethische Gründe dafür entscheidend sein, wo ein wildbiologisch geeigneter Rückzugsraum zu finden ist. Hierzu haben wir Folgendes in den Gesetzesvorschlag aufgenommen: Eigentümer befriedeter Bezirke sollen zur Wildschadenshaftung in ihrem Jagdbezirk verpflichtet werden. Dies wurde von der großen Mehrheit der Sachverständigen als angemessen bewertet. Denn das Grundstück bildet genauso einen Lebensraum für das Wild wie die bejagten Grundstücke im Jagdbezirk. Auch sahen die Sachverständigen in der Frage der Haftung der Eigentümer des befriedeten Bezirks keine unverhältnismäßigen Hürden für die Wahrnehmung der Grundrechte. Auch und vor allem die Jagdausübung unserer Jäger wird über Deutschlands Grenzen hinaus positiv bewertet. Der Dank der Union, aber auch mein ganz persönlicher Dank gilt unseren Jägern für ihre vorbildliche Hege, den Jagdgenossenschaften mit einem hohen Anteil an diesem aufwändigen Einsatz und den Eigentümern, darunter viele Land- und Forstwirte, für ihre auch gesamtgesellschaftlichen Leistungen. Besonders wichtig war es uns auch, das Zusammenspiel von Wald und Wild im Blick zu behalten. Hier haben wir bereits in der Waldstrategie 2020 einen Weg festgelegt. Von uns wurde in der Waldstrategie formuliert: "Die Wildbestände sind so zu regulieren, dass eine natürliche Verjüngung aller Hauptbaumarten ohne Zaun möglich wird. Die Abschusspläne sind im Hinblick auf das Management der Schalenwildpopulationen an die regionalen/örtlichen Gegebenheiten anzupassen." Die Jagd dient einer nachhaltigen Forstwirtschaft im besonderen Maße. Einer der geladenen Sachverständigen in der öffentlichen Anhörung hat einen auch für mich sehr interessanten Satz geprägt: "Jagd ist Dienstleistung am Wald." Wald und Wild gehören zusammen. Wald ist Lebensraum für viele Tierarten einschließlich der jagdbaren Arten. Im Bundesjagdgesetz ist festgelegt, dass die Jagd einen gesunden, artenreichen Wildbestand erhalten und seine Lebensgrundlagen pflegen und sichern soll. In den deutschen Wäldern sind Reh-, Rot- und Schwarzwild die flächenmäßig am häufigsten vorkommenden Schalenwildarten. Die Jagdstrecken bei diesen Arten sind in den letzten 40 Jahren stark angestiegen, um drohende Verbissschäden im Wald und die Schäden auf landwirtschaftlichen Flächen zurückzudrängen. Das Bundesjagdgesetz setzt einen klaren rechtlichen Rahmen für die Erreichung der gesellschaftlichen Ziele im Bezug auf Feld, Wald und Wild: Das Wild ist zu hegen. Die Hege muss dabei so durch-geführt werden, dass insbesondere Wildschäden möglichst vermieden werden. Mit dem vorliegenden -Gesetzentwurf, über den es nun abzustimmen gilt, ist es gelungen, das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte umzusetzen, die Bewahrung des Eigentums zu schützen, Tierseuchen vorzubeugen, einer vorbildlichen Hege weiterhin den Weg zu ebnen und damit die umfangreiche Artenvielfalt weiter zu schützen. Petra Crone (SPD): Wer die Jagd als politischen Inhalt anpackt, der merkt schnell, was für ein heißes Eisen er da in der Hand hält. Da fliegen die Blattschüsse meist in indirekten statt in direkt geführten Diskussionen nur so hin und her. Von "Befriedigung der Mordlust" von Jägern ist da die Rede, und Jagdgegnern wird im Internet angedroht, dass ihre Schonzeit vorbei sei. Es sind solche Formulierungen, die eine bestimmte Haltung suggerieren und Missverständnisse provozieren. Die Debatte um die Jagd wird höchst emotional geführt. Ich habe selten politische Inhalte erlebt, die so stark polarisieren wie die Debatte zwischen Jagdgegnern und Jagdfreunden. Emotionen machen eine vernünftige Diskussion aber unmöglich. Ich halte nichts von solch einer Kategorisierung, und ich pflege auch keine Gegnerschaft oder gar Feindbilder. Es bringt doch nichts, wenn eine Meute die andere hetzt. Die SPD-Bundestagsfraktion will auch in der Jagdpolitik eine an der Sache orientierte Politik machen. Wir wollen nicht der schnellen Versuchung der Polarisierung erliegen. Als zuständige Abgeordnete höre ich zunächst einmal zu und setze mich mit gegenläufigen Positionen auseinander. Und ich gebe offen zu, dass sich in der Positionierung der SPD zur Jagd in den letzten Jahren einiges gewendet hat, wie ich finde zum Positiven. Grundsätzlich: Die SPD will die Jagd nicht abschaffen und setzt auch weiterhin auf das Reviersystem. Über alles andere können und müssen wir reden. Jäger übernehmen Verantwortung für Mensch und Natur. Naturschutz, wie wir ihn in einer vom Menschen gehegten und gepflegten Kulturlandschaft verstehen, braucht den Jäger. Das unterschreibt die SPD-Bundestagsfraktion sofort. Wir sind allerdings sehr dafür, dass auch die Jäger mit der Zeit gehen. Eine Gruppe innerhalb einer Gesellschaft, die auf Tradition beharrt und ihre Passion dem gesellschaftlichen Wandel nicht anpassen will, bleibt zurück. Wer heute noch jagen will wie zu Karl Mays Zeiten, mag sich als Romantiker sehen. Tatsächlich zieht er vielfach den Zorn von Bürgerinnen und Bürgern auf sich. Einer dieser Bürger hat vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt. So war die Bundesregierung durch das Urteil vom 26. Juni 2012 des EGMR gefordert. Nach deutschem Recht ist jeder Besitzer kleiner Wald- und Flurstücke bis 75 Hektar Zwangsmitglied in einer Jagdgenossenschaft. Das EGMR-Urteil besagt, dass keiner die Jagd auf eigenem Land dulden müsse. Die Pflicht zur Duldung der Jagd ist unvereinbar mit der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Nach Ansicht des Gerichtshofes verstößt die Mitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft gegen den Schutz des Eigentums, der in der Konvention verankert ist. Nach dem Urteil galt es für den Gesetzgeber sowohl zwischen den Bedürfnissen der Gemeinschaft und der ethischen Überzeugung des Grundstücksbesitzers als auch zwischen den Interessen des Jagdfreunds und des Jagdgegners abzuwägen. Keine leichte Aufgabe unter den zuvor skizzierten Bedingungen! In Straßburg hat die Bundesrepublik verloren, und so war es folgerichtig, dass hier der Bundesgesetzgeber die Fäden in die Hand nimmt und für alle 16 Bundesländer eine einheitliche Regelung schafft. Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften zeigt Lösungen auf, die den unterschiedlichen Belangen entsprechen. Das war auch der Tenor der Sachverständigen in der Anhörung am 20. Februar 2013 im ELV-Ausschuss. Daher wird die SPD-Bundestagsfraktion diesem Gesetzentwurf zustimmen. Die Einzelheiten der Umsetzung werden sich in der Praxis zeigen, und ja, notfalls auch auf dem rechtsstaatlichen Weg. Ich setze bei den nun anlaufenden Verfahren zur Befriedung von Flächen auf Verständigung und Kooperation unter allen Beteiligten. Es ist wichtig, dass die ethische Befriedung der Jagd ermöglicht wird. Und es muss ebenfalls möglich sein, eine Befriedung im Interesse des gemeinschaftlichen Wohls zu untersagen bzw. einzuschränken. Die SPD-Bundestagsfraktion hat Vertrauen in die Arbeit der Obersten und Unteren Jagdbehörden der Länder. Sie werden ihrer Verantwortung gerecht werden. Daher war es uns ein Anliegen, zur Anhörung einen Vertreter der Landesbehörde von Mecklenburg-Vorpommern einzuladen. Die Bundesregierung hat einen passablen Entwurf vorgelegt; es liegt aber nun bei den Frauen und Männern in den Behörden, diesen umzusetzen. Wir weisen ihnen damit keine behagliche Aufgabe zu. Viele Fragen bleiben auch nach der Anhörung im Ausschuss offen: Wie geht es generell weiter mit dem Bundesjagdgesetz? Für die SPD-Bundestagsfraktion muss sich eine zeitgemäße und naturnahe Jagd an ökologischen Prinzipien ausrichten und den Erfordernissen des Tierschutzes gerecht werden. Nur auf diesem Weg verleihen wir ihr die dringend nötige gesellschaftliche Akzeptanz. Wir müssen hinsichtlich der jagdlichen Anforderungen bundeseinheitliche Ausbildungs- und Prüfungsstandards bei der Schießausbildung -implementieren und sicherstellen, dass die Schießfertigkeit auch nach der Jägerprüfung fortbesteht und hinreichend erhalten wird. Wer in 14 Tagen einen Jagdschein ablegt, ist doch meilenweit von den Kenntnissen und Fähigkeiten eines Berufsjägers nach dreijähriger Ausbildung entfernt. Diese Angebote sind gefährlich. Ein bundesweites Verbot bleihaltiger Munition steht ebenfalls noch aus. Die Bundesregierung ist weiterhin in der Verantwortung, das Bundesjagdgesetz zu modernisieren. Es ist nur recht und billig, das Jagdrecht im Interesse von Mensch und Tier dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen. Wir brauchen darüber hinaus einen ambitionierten jagdpolitischen Dialog, der vom Bund angestoßen und geleitet wird. Warum nutzen beispielsweise noch nicht alle Länder ihre Spielräume nach der Föderalismus-reform in den Landeswaldgesetzen so vorbildlich wie Rheinland-Pfalz? Weshalb ist der Zaunbau offensichtlich immer noch lohnender als eine Bejagung, die Wald mit Wild zulässt? Auch mit anderen Landnutzern muss gesprochen werden: Wer immer nur Monokulturen wie Mais auf dem Acker zulässt, braucht sich über das Schwarzwild im Feld nicht zu wundern. Und -weshalb gelingt es den Forstwirtinnen und den Forstwirten in den staatlichen Forstverwaltungen immer weniger, ihre jagdlichen Aufgaben wahrzunehmen? Das alles sind hochspannende Fragen, zu deren Klärung wir auch in diesem Haus beitragen sollten. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die Achtung der Eigentumsrechte ist Teil unserer Grundordnung. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, hat mit seinem Urteil vom 26. Juni 2012 die Eigentumsrechte von Grundeigentümern gestärkt. Grundeigentümer können nach diesem Urteil die Mitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft ablehnen und ihre Grundstücke zum befriedeten Bezirk erklären lassen, in dem Jagd verboten ist, wenn sie für diese Entscheidung ethische Gründe glaubhaft machen. Dieses Gerichtsurteil macht eine Änderung unseres Jagdgesetzes erforderlich. Ich freue mich, dass unser Gesetzentwurf bei der Beratung im Ausschuss eine so weitgehende Zustimmung auch vonseiten der Opposition erfahren hat. Die Zustimmung entspricht dem Ergebnis der Anhörung. Sie ist Ausdruck der Einsicht der überwiegenden Mehrheit im Deutschen Bundestag in die Notwendigkeit der Jagd. Wir leben in einer Kulturlandschaft, die weitgehend von den menschlichen Ansprüchen an die Natur geprägt ist. Wir beobachten, dass in vielen Regionen hohe Wildbestände dazu führen, dass in den Wäldern junge Forstpflanzen geschädigt und in der Landwirtschaft Wiesen und insbesondere Maisbestände in Teilen durch Wildschweine zerstört werden. Die hohe Wilddichte führt angesichts zerschnittener Lebensräume zu einer hohen Zahl von Unfällen mit Wildtieren. Die Zahl der pro Jahr im Straßenverkehr verendeten Wildtiere liegt im Schnitt der Jahre bei etwa 240 000. Darunter sind etwa 200 000 Rehe. Nach Angaben des ADAC wurden etwa 2 800 Menschen bei Wildtierunfällen verletzt; etwa 10 starben. Deshalb können Wildtierbestände bei uns nicht sich selbst überlassen werden, wie dies in unbewohnten Regionen in Sibirien oder Kanada möglich ist. Bei uns ist ein Wildtiermanagement erforderlich. Eine nachhaltige und sachgerechte Waldbewirtschaftung ist nur mit angepassten, durch Jagd und Hegemaßnahmen regulierten Tierbeständen möglich. Vor diesem Hintergrund gilt es, das Gerichtsurteil des EGMR angemessen und unter Berücksichtigung der verschiedenen Interessen in deutsches Recht umzusetzen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ermöglicht es Grundstückseigentümern auf Antrag, ihr Grundstück zum befriedeten Bezirk erklären zu lassen, das von der Jagd ausgenommen wird, und trägt gleichzeitig der Tatsache Rechnung, dass das Ruhen der Jagd auf einzelnen Flächen Auswirkungen auch auf andere Betroffene und die Natur haben kann. Der Entwurf stellt zu Recht fest, dass wildbiologisch gesehen das Risiko von Wildschäden durch erhöhte Wildbestände bei einer Zunahme der befriedeten Flächen ansteigt. Der vorgelegte Gesetzentwurf wahrt die Balance zwischen den Interessen von Grundeigentümern, die die Jagd aus ethischen Gründen ablehnen, und den Interessen der Allgemeinheit. Dies haben die Experten aus Wissenschaft, Umwelt- und Jagdverbänden in der Anhörung der Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz einhellig bestätigt. Die Hürden für eine Befriedung von Grundstücken aus ethischen Gründen sind hoch, aber sie sind nachvollziehbar und gut begründet. Die Eigentumsrechte Dritter werden ebenso wie Seuchen- und Tierschutzaspekte oder Belange des Naturschutzes gegenüber den Vorgaben des EGMR angemessen berücksichtigt. Das sind keine leeren Floskeln. Wildschweine zum Beispiel bilden ein Reservoir für die Schweinepest, einer gefähr-lichen Viruserkrankung bei Schweinen. Weiterhin ist eine finanzielle Beteiligung der Grundstückseigentümer, die auf ihren Flächen keine Jagd dulden wollen, rechtlich geboten. Damit wird dem Antragsteller die Wahrnehmung seiner Menschenrechte nicht verbaut. Die Beteiligung soll sicherstellen, dass dadurch die - grundrechtlich geschützten - Rechte Dritter und das überwiegende Interesse der Allgemeinheit gewahrt werden. Uns ist bewusst, dass es Menschen gibt, die die Jagd total ablehnen. Aber ist diese Haltung ethisch wirklich verantwortbar? Ich bitte diese Menschen, sich über Wildschäden zu informieren und Vorschläge zu machen, wie diese anders als durch Bewirtschaftung der Wildbestände - ein Instrument ist die Jagd - vermieden werden können. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vollzieht völlig überraschend in ihrer Waldpolitik eine vollständige Kehrtwendung. Bisher ist sie für die natürliche Sukzession im Wald eingetreten. Voraussetzung dafür sind waldgerechte Wildbestände. Das ist vorbei. Vor dem Hintergrund des Gerichtsurteils des EGMR hat sie diese Position verlassen. Sie will laut ihrem Entschließungsantrag die für eine Befriedung erforderlichen Bedingungen deutlich aufweichen und damit Jagd erschweren. Das Ziel waldgerechter Wildbestände hat sie aus den Augen verloren. Das ist Opportunismus gegenüber Jagdkritikern und sachlich nicht zu begründen. Dies gilt insbesondere für ihre Forderung, juristischen Personen und Eigenjagdbesitzern das Recht zur Befriedung aus ethischen Gründen zu gewähren. Es erschließt sich außerdem nicht, wie juristische Personen, also Gemeinden, Stiftungen oder Vereine ethische Beweggründe glauben machen wollen. Ein Gewissen haben nur natürliche Personen. Ist es das Ziel der Grünen, dass künftig jeder Gemeinderat oder jede Stadtverordnetenversammlung Jagd auf ihren Flächen verbieten kann? Der Vorschlag der Grünen begünstigt Wald-Wild-Konflikte und ist aus Umwelt- und Naturschutzgründen völlig abwegig. Die FDP stimmt dem Gesetzentwurf zur Änderung des Jagdgesetzes zu. Wir lehnen den argumentativ wenig überzeugenden Änderungsvorschlag ab. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Linksfraktion steht für eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Das gilt sowohl für die Forstwirtschaft als auch für die Jagd. "Jagd ist Dienstleistung am Wald", hat der Sachverständige Dietrich Mehl von der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft in der Anhörung zur Novelle des Bundesjagdgesetzes am 20. Februar 2013 gesagt. Das sehe ich auch so. Die Linke will aber keine Jagd als elitäres Vergnügen betuchter, älterer Herren, obwohl sie das manchmal ist. Wir wollen, dass die Jagd im Interesse des Gemeinwohls und tierschutzgerecht ausgeübt wird, von einer Jägerschaft, die breit in der Gesellschaft und in den Dörfern und kleinen Städten verankert ist und die ihre jagdliche Funktion als Teil des Ökosystems Kulturlandschaft definiert, in dem der Mensch große Beutegreifer wie Wölfe, Braunbären oder Luchse nahezu ausgerottet hat. Um das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung zu erreichen, müsste sich an der Jagdpraxis und teilweise auch den gesetzlichen Grundlagen einiges -ändern. Ob dies besser auf Bundes- oder auf Landesebene zu ändern ist, da scheiden sich die Waldgeister. Vermutlich liegt die Wahrheit wie so oft in der Mitte: Manches sollte auf Bundes- und anderes kann auf -Landesebene geregelt werden. Es gäbe jedenfalls viele Gründe für eine umfassende Novelle des Bundesjagdgesetzes. Leider ist der Gesetzentwurf kein umfassender Reformansatz, sondern lediglich eine notwendige Umsetzung eines Gerichtsurteils. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, EGMR, entschied am 26. Juni 2012, dass Bodeneigentümerinnen und -eigentümern die Möglichkeit eingeräumt werden muss, das Jagen auf ihrem Grundstück verbieten zu können. Nach Ansicht des Gerichtes verstößt die aktuelle deutsche Gesetzgebung gegen Art. 1 Protokoll Nr. 1 (Schutz des Eigentums) der Europäischen Menschenrechtskonvention. Eigentümer von Grundstücken unter 75 Hektar sind automatisch Mitglied in einer Jagdgenossenschaft und müssen bisher die Jagd auf ihren Flächen dulden, auch wenn sie das nicht wollen. Entgegen der Hoffnung einiger Hundert Jagdgegnerinnen und -gegner, die sich in den vergangenen Wochen per Mail auch an mein Büro gewandt haben, begründet das Urteil des EGMR kein Recht auf Befriedung. So oder so muss das EGMR-Urteil natürlich in deutsches Recht umgesetzt werden, und wir können in Zukunft von einigen jagdfreien Flächen ausgehen. Die Linke respektiert selbstverständlich diese Rechtslage. Wer Jagd aus ethischen Gründen ablehnt, muss die Möglichkeit haben, diese auch mit in die Waagschale zu werfen. Allerdings gibt es weitere Betroffene von dieser Entscheidung. Das ist auch in der Anhörung diskutiert worden. Dabei geht es nicht nur um die Flächenbewirtschafter wie Land- oder Forstwirtschaft, sondern - und für uns als Linke besonders wichtig zu berücksichtigen - auch um das Gemeinwohl. Eigentum muss nach Art. 14 des Grundgesetzes zum Gemeinwohl verwendet werden. Das ist eine der sogenannten Ewigkeitsklauseln unserer Verfassung. Um diesen Zielkonflikt zu entschärfen, brauchen wir eine bessere gesellschaftliche Legitimation der Jagd. Denn die Ablehnung der Jagd hat ja teilweise auch mit berechtigter Kritik zu tun. Und wahr ist ja auch, dass trotz Jagd die Schalenwildbestände - Rehe, Hirsche, Wildschweine - vielerorts historisch hoch sind. Die Ursachen dafür müssen ebenso sachlich diskutiert werden wie wildbiologisch begründete Maßnahmen zur Lösung des Problems. Dabei kann eine effektive Jagd auch nur ein Baustein in einer vielfältigen Strategie sein. Jagdfreie Grundstücke sollten eine begründete Ausnahme sein. Sie erschweren eine wirkungsvolle, naturnahe Bejagung und damit auch eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Beispielsweise werden Drückjagden durch befriedete Flächen in den Revieren erheblich schwieriger und unsicherer. Weder großflächige noch ein Mosaik aus vielen jagdfreien Flächen dienen einer naturnahen Waldbewirtschaftung. Die flächendeckende Bejagung macht Sinn, auch wenn sowohl ihre Ausübung als auch die damit einhergehende Jagdkultur hier und da kritisierenswert sind. Über berechtigte Kritik muss dringend gesprochen werden. Daher haben wir auch die Anhörung zum Gesetzentwurf im -Agrarausschuss des Bundestages zusammen mit der SPD und den Grünen beantragt. Die Linksfraktion hat sich bereits vor einigen Wochen intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt. So haben wir zum Beispiel in einer Kleinen Anfrage die Bundesregierung zur Änderung jagdlicher Vorschriften befragt (vergleiche Bundestagsdruck-sache 17/11983 "Änderungen jagdrechtlicher -Vorschriften"). Die heute vorgeschlagenen Änderungsvorschläge zum Bundesjagdgesetz halte ich für angemessen. Die Ablehnung der Jagd aus ethischen Gründen steht nun einmal Gemeinschaftsinteressen wie Waldumbau, Arten- oder Tierschutz gegenüber. Damit wird den Behörden eine Interessenabwägung in die Hände gelegt. Diese ist vor allem dann sorgfältig durchzuführen, wenn einerseits mehrere Anträge in einem Revier vorliegen oder andererseits die herauszunehmende Fläche von zentraler Bedeutung für die jagdliche Funktionalität des Revieres ist. Dass nur natürliche Personen antragsberechtigt sind, halte ich für angemessen. Die ethische Entscheidungsgrundlage juristischer Personen wäre nur sehr schwer zu belegen. Gegebenenfalls muss dies juristisch entschieden werden. Die Linksfraktion stimmt dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu. Wir hätten gerne noch den Vorschlag des Bundesrates zum unbeabsichtigten Überjagen der Hunde aufgenommen, doch dies lässt sich ja gegebenenfalls bei der nächsten Novelle des BJagdG nachholen. Und diese sollte deutlich umfassender sein als die heutigen Änderungen. Bis dahin müssen wir weiter über die ursprünglich im Gesetzentwurf enthaltenen Wildtierfütterungsverbote oder Veränderungen bei den Jagd- und Schonzeiten debattieren. Wieso die grüne Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnt, ist mir unverständlich, unterstützt er doch das Ziel einer naturnahen Waldbewirtschaftung, die ihr sonst so wichtig ist. Gleichzeitig kritisiert sie, dass zur Anhörung keine Tierschutzverbände eingeladen wurden. Die Expertinnen und Experten für die Anhörungen werden aber nach Größenproporz von den Fraktionen benannt. Die grüne Fraktion hatte es also selbst in der Hand, einen Tierschutzverband zu benennen. Sich öffentlich nun über das Fehlen zu empören, ist scheinheilig. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin keine Jagdgegnerin, sondern ich stehe auf dem Standpunkt, dass eine effektive Jagd insbesondere im Interesse einer naturnahen Waldwirtschaft, aber auch der Landwirtschaft in Deutschland aktuell erforderlich und legitim ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass das EGMR-Urteil zur Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften zu achten und ohne Wenn und Aber und ohne den Versuch umzusetzen ist, es ins Leere laufen zu lassen. Und gleichzeitig bin ich der Meinung, dass die Landnutzung in Deutschland dieses Stück Liberalisierung des Jagdrechts vertragen würde. Der von der schwarz-gelben Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf jedoch dient, das ist sehr offensichtlich, in erster Linie dem Interesse, eine flächendeckende Bejagung sicherzustellen und den Jagdgegnern deshalb die ethische Befriedung ihrer Grundstücke und damit die Wahrnehmung ihrer Grund- und Menschenrechte so schwer wie möglich zu machen. Der Parlamentarische Staatssekretär Peter Bleser wurde mit dem - in einem Gespräch mit einer Jagdgegnerin geäußerten - Satz zitiert, genau das sei auch die Absicht der Bundesregierung. Mir ist nicht bekannt, dass er das mittlerweile dementiert hätte. Was wir im Einzelnen kritisieren: Befriedungsanträge aus ethischen Gründen können unter Verweis auf vielfältige Gründe abgelehnt werden, und unter Verweis auf ebenso vielfältige Gründe kann Zwangsbejagung angeordnet werden. Eigenjagdbesitzer sind vom Gesetz ausgenommen, auch wenn sie verpflichtet sind, Abschusspläne einzuhalten. Ebenfalls haben juristische Personen kein Recht, Befriedungsanträge zu stellen, auch wenn ihre Vereins- oder Stiftungssatzung eindeutige Aussagen zur Ablehnung der Jagd enthält. Das dürfte beispielsweise für die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, deren Glauben die Ablehnung von Jagd beinhaltet, oder eines Tierschutzvereins genauso unzumutbar sein wie für jeden einzelnen Jagdgegner mit ethischen Vorbehalten. So bleiben die ethisch befriedeten Grundstücke weiter Teil des Jagdbezirks, und ihre Eigentümer müssen weiter für Wildschäden im gesamten Jagdbezirk haften, obwohl sie in der Jagdgenossenschaft keine Rechte mehr ausüben können. Es ist offensichtlich, dass diese Regelungen den Jagdgegnern reichlich Möglichkeiten für Klagen bieten. Und die werden sie mit absoluter Sicherheit nutzen. Das Thema Befriedung wird die Jägerschaft und den Tierschutz noch sehr lange beschäftigen, und ich bin mir sicher, dass die Jagdgegner weitere juristische Erfolge erringen werden. Am wahrscheinlichsten sind diese bei einer Regelung, die ich mir kaum hätte ausmalen können: So wird laut Gesetzentwurf die ethische Befriedung erst zum Ende des laufenden Jagdpachtvertrags in Kraft treten. Dabei beträgt die gesetzliche Mindestpachtzeit für Jagdpachtverträge neun Jahre. Wer bei besonders langer Wartezeit von der vorgesehen Ausnahmeregelung Gebrauch machen möchte, muss die Jagdgenossenschaft entschädigen. Dass hier nicht einfach geregelt wurde, dass die Befriedung zum Ende des laufenden Jagdjahres in Kraft tritt, und die befriedete Fläche dann aus dem Pachtpreis herauszurechnen ist, macht die Intention dieses Gesetzentwurfes deutlich. Auch wenn es im Interesse aller Beteiligten ist, dass das EGMR-Urteil zeitnah umgesetzt wird, halte ich es nicht für einen guten parlamentarischen Stil, dass die Koalition über den Gesetzentwurf ohne vorherige parlamentarische Beratung entscheiden wollte. So haben wir als Oppositionsfraktionen eine Anhörung im Ausschuss erzwungen. Eine Anhörung kann eine parlamentarische Debatte aber nicht ersetzen, sondern nur ergänzen, weil eine Anhörung den Abgeordneten letztlich nur Fragen erlaubt, aber keinen Raum für -ausführliche Stellungnahme bietet. Trotz der recht einseitigen Zusammensetzung der Sachverständigen - es waren nur Sachverständige aus der Jägerschaft vertreten - wurden einige Schwachpunkte des Gesetzentwurfes deutlich. So lässt dieser Gesetzentwurf zum Beispiel die Landwirte, die Flächen in ethisch befriedeten Bezirken gepachtet haben, im Ungewissen darüber, ob und von wem sie gegebenenfalls Wildschadensersatz erhalten. Der Gesetzentwurf schweigt sich zu dieser Frage aus. So wird es auf die Interpretation anderer Formulierungen ankommen. Die Regelung, dass Grundeigentümer ethisch befriedeter Bezirke keinen Wildschadensersatz geltend machen können - was selbstverständlich eine richtige Regelung ist, - scheint den Landwirten die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Wildschäden weiterhin gegenüber der Jagdgenossenschaft bzw. dem Jagdpächter geltend machen zu können. Dass diese das akzeptieren werden, ist jedoch mehr als fraglich; denn der Jagdausübungsberechtigte hat ja keinerlei Möglichkeit, die Wildschäden auf diesen Grundstücken mit jagdlichen Mitteln zu verhindern. Warum soll er dann für diese Wildschäden haften? Hier werden voraussichtlich die Gerichte das letzte Wort haben. Mehrere Sachverständige haben daher bei der Anhörung zu Recht für die Wildschäden von Landpächtern eine klare Regelung angemahnt. Aus unserer Sicht wäre es nach dem Verursacherprinzip sachgerecht und notwendig gewesen, zu regeln, dass der Grundeigentümer ethisch befriedeter Bezirke gegenüber dem Landpächter für Wildschäden haftet, sofern im Landpachtvertrag nichts anderes vereinbart ist. Denn er ist es, der die Entscheidung über die Befriedung des Grundstückes zu verantworten hat. Angesichts dieser genannten und zahlreicher anderer unzureichender Regelungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass das Gesetz beklagt und die Umsetzung des EGMR-Urteils deshalb für längere Zeit infrage gestellt ist, lehnen wir Grünen den Gesetzentwurf ab. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12529, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/12046 und 17/12302 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion, der Fraktion Die Linke gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 26 auf: Erste Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht - Drucksache 17/12193 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Auswärtiger Ausschuss Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, nehmen wir die Reden zu Protokoll. Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dieser Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigt Ihre ganze Doppelzüngigkeit, man kann auch sagen, Verlogenheit in der Ausländerpolitik. Seit Wochen bestürmen uns gerade rot-grün regierte Städte, dass wir ihnen seitens des Bundes helfen, mit der ungesteuerten Zuwanderung von Ausländern fertigzuwerden. Es sind gerade auch grüne Sozialdezernenten, die auf unhaltbare Zustände in Wohnungen, auf Integrationsprobleme von Kindern und wachsende Probleme im Bereich des Ordnungs- und Strafrechts hinweisen. Während uns diese Hilferufe von rot-grün regierten Städten erreichen, bringen Sie hier einen Gesetzentwurf für eine ungesteuerte Zuwanderung von türkischen Staatsangehörigen in den Deutschen Bundestag ein. Das ist unter dem Gesichtspunkt der Integration nicht nur widersprüchlich zu den Forderungen Ihrer Kollegen in den Städten und Kommunen, sondern es ist den bereits bei uns lebenden türkischen Mitbürgern gegenüber völlig verantwortungslos. Sie verhindern eine erfolgreiche Integrationspolitik, wie sie CDU/CSU und FDP jetzt seit einigen Jahren auf den Weg gebracht haben, und wollen zurück zu den Zeiten von rot-grünen Bundesregierungen, als wir Parallelgesellschaften hatten, als wir eben gerade keine Integration hatten und viele Probleme, die nicht zuletzt auch dazu geführt haben, dass unsere deutschen Mitbürger es an Aufnahmebereitschaft haben fehlen lassen. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten mit den Menschen in den von ungesteuerter Zuwanderung betroffenen Städten intensiv darüber reden müssen, ob wir, wie SPD und Grüne hier im Deutschen Bundestag, uns weiter hilflos einer ungesteuerten Zuwanderung gegenübersehen, oder ob wir endlich handeln und geeignete Maßnahmen ergreifen, um Integrationspolitik erfolgreich in Deutschland durchsetzen zu können und ungesteuerte Zuwanderung zu verhindern. Das ist die Alternative, um die es auch in den kommenden Monaten geht. Es ist abenteuerlich, dass Sie jetzt mit der Krücke des EU-Assoziationsabkommens mit der Türkei versuchen, zahlreiche ideologische Vorstellungen zu verwirklichen, die wir hier bei anderer Gelegenheit im Deutschen Bundestag schon mehrfach abgelehnt haben. Ich weise mit allem Nachdruck zurück, wenn die Grünen den Mitarbeitern unserer Ausländer- und Ordnungsbehörden unterstellen, dass sie, wie es in der Begründung zu Ihrem Gesetzentwurf heißt, unwillig sind, Erfordernisse des Assoziationsabkommens umzusetzen. Das Gegenteil ist wahr. Selbstverständlich ist das Assoziationsabkommen mit der Türkei im Aufenthaltsgesetz umfassend berücksichtigt worden, und es wird täglich von unseren Behörden auch angewandt. Außerdem gibt es zu Fragen des Assoziationsrechts regelmäßig bei der Besprechung der Ausländerreferenten des Bundes und der Länder einen ausführlichen Abstimmungsprozess. Neben ständigen informellen Kontakten auf Arbeitsebene findet zu diesem Thema ein Erfahrungsaustausch der Ausländerbehörden großer Städte und der Zuständigen in den Innenministerien von Bund und Ländern statt. Auch hier ergaben sich niemals Anzeichen für Probleme bei der Umsetzung des Assoziationsrechts. Hinzu kommt, dass Sie hier mit Ihrem Antrag Regelungen im Aufenthaltsrecht durchdrücken wollen, die sich überhaupt nicht aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs ergeben und schon gar nicht dafür erforderlich sind. Sie fordern zum wiederholten Mal, dass wir den Zuzug von Ehegatten zu Ausländern nach Deutschland nicht mehr davon abhängig machen, dass einfache Deutschkenntnisse beherrscht werden. Ich habe es Ihnen schon neulich im Innenausschuss versucht klarzumachen. Reden Sie einmal mit den Leitern der Goethe-Institute in vielen Ländern der Welt! Sie haben immer wieder bestätigt, dass das Erlernen der deutschen Sprache vor der Übersiedlung nach Deutschland großen Wert gerade für Frauen hat. Wir stärken Frauen, wenn wir sie überhaupt erst einmal in die Lage versetzen, ihr Recht in die Hand nehmen zu können, wenn sie zu uns nach Deutschland kommen. Was nutzen bei der Frage der Zwangsverheiratung die besten Beratungseinrichtungen, wenn es zum Beispiel einer Türkin eben schon an den Sprachkenntnissen mangelt, um überhaupt die Polizei anrufen zu -können, wenn sie in Not ist, geschweige denn mit Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle reden zu können. Wir wissen gerade auch von den Experten der Goethe-Institute, dass es in einer Vielzahl von Fällen gelungen ist, durch den Erwerb der Sprachkenntnisse und damit verbundenem Kontakt von Zwangsverheiratung betroffener Frauen zu unseren Experten in den Goethe-Instituten zu verhindern, dass es tatsächlich am Ende zu einer Übersiedlung nach Deutschland gekommen ist. Und wir wissen auch, dass es vielen jungen Frauen, gerade auch aus der Türkei, sehr gutgetan hat, dass sie eben in den Integrationskursen der Goethe-Institute und vergleichbarer Einrichtungen nicht nur allein deutsche Sprachkenntnisse erworben haben, sondern auch etwas erfahren über die Rechtslage, etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Deutschland, und auf den Lebensalltag in unserem Land gut vorbereitet werden. Wer wie die Grünen, die sich sonst immer so sehr für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und gerade gegen die Gewalt und die Einschränkungen der Selbstbestimmung von Frauen einsetzen, dieses Spracherfordernis beim Familiennachzug kippen will, der verhindert nicht nur den Start in einen erfolgreichen Integrationsprozess, sondern er verhindert auch, dass Frauen gegenüber Zwangsverheiratung geschützt werden, und er verhindert, dass Frauen informiert und mit mehr Selbstbewusstsein ihr Leben in Deutschland beginnen. Sie versündigen sich geradezu, wenn Sie auf dieses wichtige Integrationsinstrument verzichten wollen. Und, wie gesagt, mit dem EU-Assoziationsabkommen hat das schon gar nichts zu tun. Auch mit der Regelung zur Ehebestandszeit wird das wichtige und legitime Ziel verfolgt, Zwangsheirat und Scheinehen entgegenzuwirken. Wenn Sie sich einmal mit dem Alltag in den Ausländerbehörden vertraut machen würden, dann wüssten Sie, dass insbesondere das Thema Scheinehen nach wie vor ein großes Problem darstellt. Immer wieder erhalten wir Informationen über die gleiche Praxis, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ausländerbehörden auffällt. Türkische Ehefrauen lassen sich schon wenige Tage nach Verstreichen der Ehebestandszeit von ihren Ehemännern scheiden und heiraten türkische Staatsangehörige in ihrer früheren Heimat, mit denen sie vorher schon einmal verheiratet waren. In einer ganzen Reihe von Fällen gibt es Indizien dafür, dass diese Ehefrauen niemals in Deutschland gelebt haben, sondern sich immer in einer Lebensgemeinschaft mit ihren Ehepartnern in der Türkei befunden haben. Dieses ganze Verfahren hat nur den Zweck, dass die Ehefrau, die ein unbefristetes Aufenthaltsrecht durch die Verheiratung mit einem hier lebenden Mann erhalten hat, ihren früheren und dann wieder geheirateten Ehemann nach Deutschland nachzieht. So wird in vielen Fällen ein dauerhafter Aufenthaltsstatus in Deutschland erschwindelt. Mit der Senkung der Ehebestandszeit leisten Sie einen Beitrag dazu, dass wir diesen Schwindel jetzt wieder öfter in den Ausländerbehörden hätten. Mit uns als CDU/CSU ist das nicht zu machen. Und auch diese Frage der Ehebestandszeit hat mit dem EU-Assoziationsabkommen genau gar nichts zu tun. Einen Beitrag zur massenhaften ungesteuerten Zuwanderung leisten Sie durch Ihre Forderung nach einer praktischen Visumfreiheit für türkische Staatsbürger. Nichts anderes ist in Wahrheit der Inhalt und die Zielsetzung Ihres Antrags. Wir wissen, welchen enormen Migrationsdruck es in der Türkei gibt. Wir wissen auch, dass man in der Türkei in großen Familienverbänden zusammenlebt und es gerade auch in den wirtschaftlich besonders problematischen Regionen der Türkei zahlreiche Menschen gibt, die, wenn auch nur entfernte, Verwandtschaft bei uns in Deutschland haben. Es bedarf keiner besonderen Phantasie, dass bei -einem Wegfall der Visumpflicht für türkische Staats-angehörige sich viele von diesen auf den Weg nach Deutschland machen würden, nicht zu touristischen oder Besuchszwecken, sondern um hier auf Dauer zu leben und zu arbeiten. Gerade angesichts des ungesteuerten Zustroms von Roma und Sinti und sonstigen Bürgern aus Rumänen, Bulgarien und anderen EU-Ländern wäre eine solche Ballung von Problemen, die uns integrationspolitisch vor eine nicht zu bewältigende Herausforderung stellen, eine völlige Fehlentwicklung. Mit uns als CDU/CSU ist das nicht zu machen. Es gibt für eine solche Maßnahme auch gar keinen Bedarf. Wir haben etwa die Möglichkeiten von ausländischen Arbeitnehmern, auf dem deutschen Arbeitsmarkt Beschäftigung zu finden, erheblich ausgeweitet. Das gilt auch und gerade für türkische Staatsangehörige. Wenn es auf unserem Arbeitsmarkt Bedarf für die Beschäftigung von türkischen Arbeitnehmern gibt, kann der heute schon umfassend gedeckt werden. Das gilt auch für die Aufnahme von selbständigen Tätigkeiten. Insofern gibt das geltende Recht schon jetzt alle Möglichkeiten für diejenigen, die tatsächlich einen Beitrag zu Wachstum und Beschäftigung unseres Landes leisten wollen, diesen auch verwirklichen zu können. Darüber hinaus haben die Bundesländer und auch der Bund eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zum Beamtenverhältnis zu ermöglichen. Es ist integrationspolitisch völlig verfehlt, türkische Staatsangehörige mit EU-Bürgern gleichzusetzen. Wir haben ein Interesse daran, dass türkische Mitbürger, die erfolgreich einen Integrationsprozess durchlaufen haben, sich an dessen Ende auch zu unserem Land durch die Einbürgerung bekennen. Die EU und dementsprechend auch deren Staatsangehörige sind eben etwas anderes als Länder, die außerhalb der Europäischen Union stehen, und insofern ist es abwegig, türkische Staatsangehörige hier mit deutschen und EU-Bürgern sofort gleichstellen zu wollen. Es ist integrationspolitisch schon ausgesprochen sinnvoll, dass wir auch in Zukunft erwarten, dass man die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, wenn man in unserem Land Beamter werden will. Der Antrag der Grünen ist integrationspolitisch verfehlt. Er gefährdet in manchen Teilen auch die Sicherheit unseres Landes, und er passt vor allem angesichts der ungesteuerten Zuwanderung, die wir in diesen Tagen und Wochen erleben, überhaupt nicht in die politische Landschaft, und deshalb lehnen wir ihn als CDU/CSU nachdrücklich ab. Rüdiger Veit (SPD): Ziel des Assoziationsabkommens zwischen der -Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei vom September 1963 ist die Stärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien. In Art. 12 des Assoziationsabkommens heißt es: Die Vertragspartner vereinbaren "untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen." Eine wichtige Konkretisierung erfuhr das Assoziationsabkommen durch den Beschluss des Assoziationsrates, ARB, vom September 1980, der eine Reihe von Erleichterungen und Besserstellungen türkischer Arbeitnehmer vorsieht, zum Beispiel bei der Familienzusammenführung und dem Aufenthaltsrecht. So heißt es in Art. 13 ARB, dass die Mitgliedstaaten und die Türkei für "Arbeitnehmer und Familienangehörige ... keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen." Wenn die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im vorliegenden Antrag nun vortragen, dass Verschärfungen im Bereich der Familienzusammenführung wie die Einführung des Spracherfordernisses 2007 für nachziehende Ehegatten gegen dieses Verschlechterungsverbot verstoßen, stimmen wir dem zu. Auch wir wollen keine vom Assoziationsabkommen ausdrücklich nicht gewollte nachträgliche Erschwerung der Familienzusammenführung für türkische -Arbeitnehmer. An dieser Stelle sei die Anmerkung erlaubt, dass wir außerdem für die grundsätzliche Abschaffung des Spracherwerberfordernisses für nachziehende Ehegatten sind, wie wir es in unserem Gesetzentwurf zur Änderung des aufenthalts- und freizügigkeitsrechtlichen Ehegattennachzugs, Drucksache 17/8921, vorgeschlagen haben. Für ähnlich plausibel erachten wir die Begründung, dass das Gebot des Art. 13 ARB, keine nachträglichen Verschlechterungen oder Bedingungen für Arbeitnehmer einzuführen, dazu führen müsste, dass die erst mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsheirat im Juni 2011 eingeführte Verlängerung der Ehebestandszeit von zwei auf drei Jahre für vom Assoziationsrecht Begünstigte keine Anwendung finden kann. Im Übrigen erachte ich die Anhebung der Ehebestandszeit auf drei Jahre grundsätzlich für verfehlt. Ich kann nach wie vor nicht erkennen, wie die Verlängerung der Bestandszeit von zwei auf drei Jahre dazu führen soll, Zwangsehen zu verhindern. Eher scheint mir die Verlängerung dazu geeignet, die Zwangssituation von Menschen in nicht gewollten bzw. sich nicht bewährt habenden Ehen um ein Jahr zu verlängern. Der Gesetzentwurf enthält des Weiteren Erleichterungen für nachziehende Kinder bis 16 Jahre. Bis zum Januar 1997 sei es so gewesen, dass Minderjährige bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres generell von dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels befreit waren, bzw. ab 1990 immerhin noch Kinder unter 16 Jahren aus den europäischen Mitglied- und ehemaligen Anwerbestaaten. Diese Befreiung von der Notwendigkeit -eines Aufenthaltstitels wurde 1997 aufgehoben und stelle insofern für Assoziationsberechtigte ebenfalls eine unzulässige Verschlechterung dar. Die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen halten darüber hinaus Erleichterungen bei der Ausstellung einer Aufenthaltserlaubnis und der Niederlassungserlaubnis durch das Assozia-tionsabkommen für geboten. Außerdem fordern sie eine gesetzliche Klarstellung der Rechtsstellung von Assoziationsberechtigten im Aufenthaltsgesetz sowie Einreiseerleichterungen für türkische Staatsangehörige, die in Deutschland eine selbstständige Tätigkeit ausüben wollen. All diesen Vorschlägen stehen wir dem Grunde nach positiv gegenüber. Wir halten es auch für notwendig und richtig, die Vereinbarkeit der geltenden Rechtslage mit dem Assoziationsabkommen zu überprüfen, und möchten den Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen danken, dass sie insofern hier die Initiative ergriffen haben. Die Kolleginnen von Bündnis 90/Die Grünen, der Linken und wir werden im Innenausschuss eine Anhörung zur vorliegenden Gesetzesvorlage beantragen. Ich schlage vor, die Anhörung abzuwarten, um dann besser noch beurteilen zu können, ob die geforderten Änderungen assoziationsrechtlich zwingend sind. Serkan Tören (FDP): Im Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen lesen wir: "Die sich aus dem Assoziationsabkommen EWG/Türkei unmittelbar ergebenden Rechte werden durch diesen Entwurf explizit im deutschen Recht verankert." Recht, das sich bereits unmittelbar aus dem Abkommen ergibt, soll also explizit in einem Gesetz verankert werden. Nehmen wir für einen Moment an, dass der Entwurf das tatsächlich umsetzen würde: Wieso genau brauchen wir eine rechtliche Verankerung dessen, was längst Recht ist? Wieso sollten wir ein Gesetz verabschieden, wenn der Inhalt längst Gesetz ist? Sie sagen, es diene der Transparenz und der Rechtssicherheit, wenn wir Ihr Gesetz heute beschließen. Ich verspreche Ihnen: Mit diesem Gesetz bekämen wir genau das Gegenteil: Intransparenz und Rechtsunsicherheit. Der assoziationsrechtliche Status von Türken in der EU ergibt sich unmittelbar aus dem Assoziationsabkommen. Das Assoziationsabkommen hat Vorrang gegenüber dem nationalen Recht. Entscheidend sein wird also immer das Abkommen selbst und dessen Interpretation durch den EuGH - das würde auch Ihr Gesetzentwurf nicht ändern. Streuen Sie also den Menschen keinen Sand in die Augen! Ihr Vorschlag macht es für die Menschen nur verwirrender, definitiv nicht einfacher. Aber Ihr Gesetzentwurf umfasst nicht nur die Regelungen des Abkommens - und zwar selbst dann nicht, wenn wir die bisherige Rechtsprechung durch den EuGH noch hinzunehmen. Nein: Sie wollen sogar über Einzelfragen entscheiden, über die der EuGH selbst nicht entschieden hat. Sie stellen bloße Mutmaßungen an, wie der EuGH entscheiden würde. Solche Mutmaßungen aber können weit von den künftigen Entscheidungen des EuGH abweichen. Und wenn sie abweichen, wird das von Ihnen geplante Gesetz veraltet sein und nur noch Verwirrung stiften. Das kann niemand ernsthaft wollen. Während Sie Symbolpolitik betreiben, hat die Koalition aus CDU/CSU und FDP längst die Verbindungen zur Türkei gefestigt. Die Türkei ist einer unserer wichtigsten Handelspartner außerhalb der EU. Deshalb streben wir im Rahmen des EU-Visadialogs mit der Türkei langfristig eine Visafreiheit an. Bereits jetzt haben wir die Einreisebestimmungen gelockert. So erlassen wir die Visagebühren für Kinder im Alter von bis zu 12 Jahren und bei Jugendlichen im Alter bis zu 25 Jahren, wenn sie im Rahmen eines zivilgesellschaftlichen Austausches über eine NGO nach Deutschland reisen. Wir haben Mehrjahresvisa bis zu fünf Jahren eingeführt sowie ein Terminvereinbarungssystem, das eine schnellere Bearbeitung der Anträge ermöglicht. Anträge für Mitarbeiter von Unternehmen der Auslandshandelskammer können sogar bei den Kammern selbst gestellt werden, wodurch eine persönliche Antragsstellung entfällt. Für weitere Verbesserungen setzen wir uns ein. Lassen Sie uns weiter Deutschland und die Türkei, aber auch die gesamte EU und die Türkei annähern. Dazu bedarf es jedoch Augenmaß und rechtliche Klarheit. Der Inhalt des Gesetzentwurfs von Bündnis 90/Die Grünen hingegen würde nur Verwirrung schaffen. Sevim Dagdelen (DIE LINKE): Anfang der Woche besuchte Bundeskanzlerin Merkel die Türkei und traf den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan und Staatspräsident Gül. Ihr Besuch sollte auch der Verbesserung der deutsch-türkischen Beziehungen dienen. Doch auch das beständige Beschwören der deutsch-türkischen Freundschaft und der engen Verbindungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei bleiben leere Worthülsen. Geradezu heuchlerisch wirkt es vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung türkischen Staatsangehörigen die Einreise nach Deutschland durch die unrechtmäßige und europarechtswidrige Praxis der Visumpflicht erschwert und für viele sogar verhindert. Insofern bietet der vorliegende Gesetzentwurf der Grünen die Gelegenheit, im Bundestag erneut über den skandalösen Umgang der Bundesregierung mit den Rechten türkischer Staatsangehöriger und über die Brüskierung des Europäischen Gerichtshofs, EuGH, in diesem Zusammenhang zu debattieren. Bereits im Oktober 2011 hat die Linke einen Antrag mit dem Ziel einer wirksamen Umsetzung des EWG-Türkei-Assoziationsrechts in den Bundestag eingebracht. Vor allem geht es um die Beachtung der Verschlechterungsverbote im Assoziationsrecht, auch Standstill-Klauseln genannt. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass jedwede Verschlechterung der Rechtslage und Praxis im Umgang mit türkischen Staatsangehörigen verboten ist, soweit damit in deren Rechte auf Beschäftigung bzw. in die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit eingegriffen wird. Der EuGH hat in seiner Rechtsprechung immer wieder betont, dass diese Verschlechterungsverbote effektiv und umfassend anzuwenden sind. Ständige Rechtsprechung ist, dass auch Aufenthaltsrechte und die Bedingungen der erstmaligen Einreise dem Verschlechterungsverbot unterfallen und dass zwischenzeitliche Lockerungen des Rechts nicht mehr wieder zurückgenommen werden dürfen. Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages hat auf meine Bitte hin eine umfangreiche Ausarbeitung dazu angefertigt, in der der Frage nachgegangen wird, in welchem Ausmaß in Deutschland gegen verbindliches EU-Recht verstoßen wird. Doch obwohl die Rechtsprechung des EuGH und auch die überwiegende Kommentarliteratur recht eindeutig sind, verweigert die Bundesregierung aus politischen Gründen die Rechtsprechung des EuGH und verletzt damit die betroffenen Menschen in ihren Rechten. Das ist ein unerhörter Vorgang und belegt auch die Bigotterie der Bundesregierung, die gerade gegenüber -türkischen Staatsangehörigen nicht müßig wird, vorwurfsvoll die Beachtung von Recht und Gesetz einzufordern. Die Strategie der Bundesregierung ist klar: Man will, solange es irgend geht, an Vorschriften festhalten, von denen man längst weiß, dass sie europarechtlich nicht haltbar sind. Denn würde die Bundesregierung die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs umsetzen, wäre dies das Eingeständnis, mit maßgeblichen aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen der letzten Jahre nicht nur faktisch Europarecht missachtet zu haben, sondern auch gescheitert zu sein. So ist zum Beispiel die diskriminierende Regelung der Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug, auf die vor allem die CDU/CSU-Fraktion gedrungen hat, wegen des Verschlechterungsverbots auf türkische Staatsangehörige eigentlich nicht anwendbar - also ausgerechnet auf die Gruppe nicht, auf die die Regelung abzielt. Wenn aber wichtige Regeln im Aufenthaltsrecht für die größte Gruppe von Migrantinnen und Migranten in Deutschland gar nicht gelten - für Unionsangehörige gelten sie ohnehin nicht -, dann drängt sich die Frage nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Bezug auf alle anderen Migrantinnen und Migranten auf. In letzter Konsequenz muss dies bedeuten, im Bereich der Migrations- und Integrationspolitik einen grundlegenden Politikwechsel zu vollziehen, der nicht auf Gesetzesverschärfungen, Sanktionen und Zwang setzt, sondern auf gleiche Rechte, aktive Förderung und soziale Inklusion. Dies ist zumindest der Ansatz der Linken. In mehr als einem Dutzend Kleiner Anfragen und zuletzt in einer Großen Anfrage hat meine Fraktion die Rechtsauffassungen der Bundesregierung in diesem Bereich infrage gestellt. Dadurch ist nachlesbar, mit welcher ideologischen Borniertheit und welchen juristisch nur notdürftig bemäntelten Ausreden die Bundesregierung sich aus der Verantwortung stehlen will. Und wenn ihr die Argumente ausgehen, erklärt sie kurzerhand, sie sehe es nicht als ihre Aufgabe an, "in einen juristischen Fachdisput einzutreten". Dazu passt, dass sich im Jahr 2011 eine Richterin des EuGH sogar öffentlich über die mangelnde Rechtstreue mancher Mitgliedstaaten der EU beim Assoziationsrecht beschwerte. Völlig inakzeptabel ist es auch, dass sich die Bundesregierung im Rahmen der Beantwortung unserer Großen Anfrage unter Missachtung der Parlamentsrechte sogar geweigert hat, die Bundesländer zur -Anwendungspraxis in Bezug auf die Verschlechterungsverbote des Assoziationsrechts zu befragen. Die Bundesregierung behauptet nämlich, dass für die Umsetzung und Beachtung des Assoziationsrechts "überwiegend" die Bundesländer zuständig seien. Das ist mehr als fragwürdig, weil die Bundesregierung auch und gerade angesichts der föderalen Struktur der Bundesrepublik dafür Sorge tragen muss, dass verbindliches EU-Recht in Deutschland effektiv umgesetzt wird. Doch diese Regierung erklärt, "keine Erkenntnisse" dazu zu haben, wie die Bundesländer das Assozia-tionsrecht und die Rechtsprechung des EuGH zu den Verschlechterungsverboten umsetzen. Es bleibt dabei ihr Geheimniss, woher sie dann eigentlich wissen will, dass es in der Praxis zu keinen Rechtsverstößen beim Assoziationsrecht kommt, die ein Eingreifen des Bundes erforderten. Die Argumentation ist aber auch in einer anderen Hinsicht widersprüchlich: Der Umstand, dass das Bundesinnenministerium Anwendungshinweise zum Assoziationsrecht erlassen hat und an einer Überarbeitung dieser Hinweise arbeitet, zeigt deutlich, dass ein Vereinheitlichungsbedarf seitens des Bundes gesehen und für notwendig erachtet wird. Dass es bundeseinheitliche Vorgaben geben muss - sei es durch Anwendungshinweise, sei es durch Gesetzesänderung, wie es die Grünen vorschlagen -, ist offenkundig. Die Rechtsprechung des EuGH erfordert nicht weniger als eine Betrachtung der Entwicklung des Rechts und auch der untergesetzlichen Weisungen der letzten Jahrzehnte, um die Standstill-Klauseln richtig anwenden zu können. Das können einfache Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der Ausländerbehörden nie und nimmer leisten. Geradezu ein Hohn ist es da, wenn die Regierung erklärt, es sei nicht schlimm, dass die Anwendungshinweise des Bundes-innenministeriums zum Assoziationsrecht "nicht aktuell sind"; denn die zuständigen Ausländerbehörden seien an Recht und Gesetz gebunden und würden auch die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung stets beachten. Um es deutlich zu sagen: Jedenfalls in Bezug auf die Verschlechterungsverbote des Assoziationsrechts sind die amtlichen Hinweise aus dem Jahr 2002 das Papier nicht wert, auf dem sie stehen, da der EuGH hierzu -gerade in den letzten Jahren maßgebliche Entscheidungen getroffen hat. Wohl nicht einmal die Bundes-regierung selbst glaubt ihre Behauptung, diese Rechtsprechung lasse "sich in der Praxis zufriedenstellend umsetzen", zumal "Fehlverständnisse ... gegebenenfalls durch fachaufsichtliche Maßnahmen der zuständigen Landesbehörden in aller Regel beseitigt werden" könnten. Wissen Sie, was der Hamburger Senat auf die parlamentarische Anfrage der dortigen Linksfraktion antwortete, ob man sich klarere Vorgaben von der Bundesregierung zu den Verschlechterungsverboten wünsche? "Die zuständige Behörde geht davon aus, dass die Bundesregierung alle erforderlichen Informationen und Vorgaben übermittelt ...", erklärte der Senat am 15. Februar 2013 ganz im Widerspruch zu der Behauptung der Bundesregierung, die Länder würden das Assoziationsrecht eigenverantwortlich und umfassend umsetzen. Zwei Anmerkungen aber noch zu dem ansonsten sehr umfassenden Gesetzentwurf der Grünen. Hier fällt auf, dass ein wichtiger Punkt fehlt: Auch der Zwang zum Integrationskursbesuch und damit einhergehende Sanktionen sind nach Ansicht von Fachkundigen mit den Verschlechterungsverboten des Assozia-tionsrechts nicht vereinbar. Fehlt dieser Aspekt etwa, weil die Grünen nur ungern daran erinnern wollen, dass sie an dieser Verschärfung mitgewirkt haben? Oder fehlt er, weil die Grünen nach wie vor am sank-tionsbewehrten Zwang zur Integration festhalten wollen? Fakt ist, dass dieser sanktionsbewehrte Zwang überflüssig wie ein Kropf ist. Denn das Interesse und die Motivation der Migrantinnen und Migranten ist da es braucht vor allem verbesserte Möglichkeiten für die Teilnahme. Nicht nachvollziehen kann ich zudem, dass auch eine weitere bedeutende Verschärfung im Aufenthaltsrecht aus jüngster Zeit im Gesetzentwurf der Grünen unangetastet bleibt: Die Regelung, wonach eine mehr als einjährige Aufenthaltserlaubnis nur nach einem erfolgreichen Integrationskursbesuch und Sprachtest erteilt werden darf, verstößt meines Erachtens ganz eindeutig gegen die Standstill-Klausel des Assoziationsrechts. Dessen ungeachtet unterstützen wir die Zielrichtung und das Grundanliegen des vorliegenden Gesetzentwurfs. Ich freue mich vor allem darüber, dass wir nun endlich eine Sachverständigenanhörung zum Thema beschließen können, die von der Linken seit langem angestrebt wird. Denn selten gab es ein Thema, das sich angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage, die wohl nur von wenigen Fachkundigen wirklich durchdrungen wird, mehr geeignet hätte für eine Sachverständigenanhörung. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dieses Jahr feiern wir das 50-jährige Bestehen des Assoziationsabkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei. In Anbetracht dessen ist es ein Armutszeugnis, dass sich die Bundesregierung und die Koalition immer noch weigern, das Assoziationsrecht vollständig und rechtsstaatlichen Standards gemäß umzusetzen. In über 50 Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof - insbesondere immer wieder in Korrektur der restriktiven deutschen Rechtspraxis - aufgezeigt, dass aus dem Assoziationsrecht ein besonderes aufenthaltsrechtliches Regime für Staatsangehörige der Türkei folgt. Dieses Regime orientiert sich entsprechend den Vorgaben in dem Assoziationsabkommen eng an den Rechten von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern, die von ihrem Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit oder ihrer Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit Gebrauch gemacht haben. Es unterscheidet sich daher deutlich von den Rechten, die sonstigen Ausländerinnen und Ausländern in Deutschland zustehen. Bisher hat es die Bundesregierung versäumt, zu handeln. Sie weigert sich nämlich nach wie vor, Vorschläge auszuarbeiten und dem Parlament vorzulegen, wie das Assoziationsrecht auf nationaler Gesetzes-ebene angemessen umgesetzt werden kann. Deshalb muss man leider sagen, dass die alte Weisheit, wonach ein Blick ins Gesetz die Rechtsfindung fördert, für die Staatsangehörigen aus der Türkei in Deutschland nicht gilt. Obwohl das Assoziationsrecht nahezu alle Fragen des Aufenthaltsrechts für Staatsangehörige der Türkei wesentlich beeinflusst, finden sich im gesamten Aufenthaltsgesetz gerade einmal drei Vorschriften, die das Assoziationsrecht überhaupt erwähnen. Und diese Vorschriften lassen sowohl die Betroffenen als auch die Behörden dann auch noch völlig im Unklaren darüber, welche Rechte den Betroffenen zustehen und was die Voraussetzungen für ihre Inanspruchnahme sind. Klar geregelt ist allein ein Bußgeldtatbestand für die versäumte Beantragung eines Aufenthaltstitels, der ohnehin nur deklaratorische Bedeutung hat. Auf einen Nenner gebracht lautet das Motto der Bundesregierung hier: Restriktion ja, Rechte nein. Es ist aber eines Rechtsstaates nicht würdig, wenn die Betroffenen nicht klar erkennen können, was ihre Rechte sind. Auch die Ausländerbehörden und Gerichte klagen seit langem darüber, dass die Rechtslage immer unübersichtlicher wird, weil sich die Rechtsstellung für die größte hier lebende Gruppe von Ausländerinnen und Ausländern noch nicht einmal mehr ansatzweise aus dem Gesetz ablesen lässt. Dies darf so nicht weitergehen. Es gehört nun mal zu den Pflichten eines Rechtsstaates, für Transparenz und Rechtsicherheit zu sorgen. Mit unserem Gesetzentwurf wollen wir daher die sich aus dem Assoziationsabkommen ergebenden Rechte im deutschen Recht klar und transparent verankern. Die Betroffenen, die Ausländerbehörden und die Gerichte sollen endlich die wesentlichen Rechte, die sich aus dem Assoziationsrecht ergeben, mit einem Blick ins Gesetz entnehmen können. Unser Gesetzentwurf geht aber noch ein weiteres Problem an. Bisher war es so, dass die Betroffenen jeden Rechtsfortschritt mühsam vor dem Europäischen Gerichtshof erstreiten mussten. Anstatt auf die nächsten Verurteilungen durch den Europäischen Gerichtshof zu warten, setzt unser Gesetzentwurf nicht nur die in der Rechtsprechung bereits entschiedenen Einzelfragen um, sondern trifft auch dort Regelungen, wo sich aus der allgemeinen Linie der Rechtsprechung Änderungsbedarf ergibt. Darüber hinaus soll unser Entwurf Lücken -zwischen dem Assoziationsrecht und dem nationalen Recht schließen. Unser Gesetzentwurf sieht unter anderem vor: Erstens. Regelungen zum Aufenthaltsstatus: Eine spezielle Aufenthaltserlaubnis für Assoziationsrechtsberechtigte wird eingeführt, die das Bestehen eines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts bescheinigt. Die Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts ist wichtig, um Benachteiligungen im Rechtsverkehr etwa beim Abschluss längerfristiger Mietverträge oder Arbeitsverhältnisse zu vermeiden. Zweitens. Regelungen zur Familienzusammenführung: Hier wirken sich die assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbote aus, die eine Vielzahl von ausländerrechtlichen Verschärfungen der letzten Jahre unanwendbar machen. So kann der Nachzug von Ehegatten nicht von dem Nachweis von Deutschkenntnissen vor der Einreise abhängig gemacht werden. Kinder unter 16 Jahren müssen kein Visumsverfahren durchlaufen, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Assoziationsrechts besitzt. Und schließlich erhalten nachziehende Ehegatten nach wie vor nach zwei Jahren Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht, weil die von dieser Koalition beschlossene Verlängerung auf drei Jahre klar gegen das assozia-tionsrechtliche Verschlechterungsverbot verstößt. Drittens wird entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes klargestellt, dass Staatsangehörige der Türkei für einen Kurzaufenthalt in Wahrnehmung der Dienstleistungsfreiheit kein Visum brauchen. Viertens werden die Assoziationsrechtsberechtigten bei den Gebühren für Aufenthaltstitel so gestellt wie die Staatsangehörigen der Schweiz. Statt bis zu 110 Euro fallen hier wie bei einem Personalausweis nur Gebühren von 28,80 Euro an. Auch das folgt aus dem assoziationsrechtlichen Verschlechterungsverbot. Schließlich fünftens, Regelungen zum Arbeitsmarkt- und Berufszugang. Wir stellen klar, welche Verschärfungen beim Arbeitsmarktzugang in verschiedenen Berufsgruppen keine Anwendung finden. Und wir stellen die Assoziationsrechtsberechtigten beim Zugang zum Beamtenverhältnis mit den Unionsbürgern und anderen europarechtlich Privilegierten gleich. Die Lücke zwischen nationalem und Europarecht muss endlich geschlossen werden, allein schon deshalb, um die Glaubwürdigkeit unseres Rechtsstaates zu wahren. Genauso aber müssen den Assoziationsrechtsberechtigten endlich ihre Rechte zugestanden werden. Diesen Zielen wollen wir mit unserem Gesetzentwurf näher kommen und bitten um Ihre Unterstützung. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/12193 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 27 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hier: Änderung der Geheimschutzordnung (Anlage 3 der Geschäftsordnung) im Zusammenhang mit geheimhaltungsbedürftigen Belangen in parlamentarischen Anfragen - Drucksache 17/12287 - Berichterstattung: Abgeordnete Christian Freiherr von Stetten Sonja Steffen Jörg van Essen Dr. Dagmar Enkelmann Volker Beck (Köln) Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Das Bundesverfassungsgericht gibt uns, dem Deutschen Bundestag, immer wieder Anlass, bestehende Regelungen anzupassen. So haben wir uns erst in der vergangenen Woche mit der Neuregelung des Bundeswahlgesetzes befassen müssen. Heute beschäftigen wir uns nun mit einem der elementaren Rechte von Abgeordneten, dem parlamentarischen Frage- und Auskunftsrecht und seiner Bedeutung für das parlamentarische Regierungssystem. Die Abgeordneten besitzen das Recht, sich die für ihre Tätigkeit notwendigen Information zu beschaffen. Dies geschieht zum Beispiel durch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen, welche es den Volksvertretern ermöglicht, ihre Aufgabe im eigentlich Sinne, nämlich die Interessenvertretung, aber auch die Kontrolle der Regierungsarbeit, zu erfüllen. Hintergrund ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 2009 zu der Frage, wie bei parlamentarischen Anfragen verfahren werden soll, die nach Ansicht der Bundesregierung geheimhaltungsbedürftige Belange berühren. Die Antragsteller hatten seinerzeit keine Antwort auf die von ihnen gestellten Anfragen an die Bundesregierung erhalten, mit dem Verweis darauf, "verfassungsrechtlich nicht tragfähige Erwägungen" ließen dies nicht zu. Das Gericht hat in seinem Urteil zum Informationsinteresse des Parlaments vom 1. Juli 2009 unter anderem darauf hingewiesen, dass der parlamentarische Informationsanspruch zwar auf die Beantwortung der gestellten Fragen "in der Öffentlichkeit hin" angelegt sei, aber auch Formen der Informationsvermittlung zu suchen seien, durch die die berechtigten Geheimhaltungsbedürfnisse der Bundesregierung gewahrt werden. In gegenseitiger Rücksichtnahme der Verfassungsorgane war es also unbedingt nötig, eine Lösung zu finden, die dem Informationsinteresse des Parlaments unter Wahrung berechtigter Geheimhaltungs-interessen der Regierung Rechnung trägt. Sich zwischen diesen beiden Polen bewegend - Transparenz und Informationsanspruch auf der einen Seite und Sicherung von als Geheim eingestuften Belangen auf der anderen Seite - haben wir im Ausschuss über die Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen, dass bei der Beantwortung parlamentarischer Anfragen die Kollegen im Parlament einen Anspruch auf Informationen durch die Bundesregierung haben, und zwar - das erscheint mir für die transparente Arbeitsweise innerhalb des Parlaments von großer Bedeutung - auch bei einer Einstufung als geheimhaltungsbedürftig. Aber es gilt trotz allem zu beachten, dass es der Bundesregierung in Einzelfällen zur Sicherung des Staatswohls möglich sein soll, Informationen als geheimhaltungsbedürftig einzustufen und somit den Kreis derjenigen einzuschränken, die Zugang zu diesen Informationen erhalten. So haben wir in der uns hier vorliegenden Beschlussempfehlung in einem zweiten Teil festgelegt, dass die als Verschlusssache eingestufte Information selbst ausschließlich an die Geheimregistratur des Bundestages weitergeleitet wird. Dort kann sie, wie bisher, von jedem Mitglied des Bundestages sowie von den vom Bundestagspräsidenten hierzu ausdrücklich ermächtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Abgeordneten und Fraktionen eingesehen werden. Eine Beschränkung der Einsicht hinsichtlich Verschlusssachen wird auf die Mitglieder von Untersuchungsausschüssen oder sonstigen Gremien, die regelmäßig geheim tagen, unter anderem des Parlamentarischen Kontrollgremiums, empfohlen. Da durch die geschilderten Maßnahmen Fragen der Geheimhaltung nach der Geschäftsordnung berührt werden und sie eine Änderung der Geheimschutzordnung erfordern, haben wir uns im Geschäftsordnungsausschuss durchaus kontrovers mit dieser schwierigen Abwägung befasst. Ich darf aus der vorliegenden Beschlussempfehlung zitieren, die übrigens - das kommt ja nicht allzu oft vor - von den Vertretern aller Fraktionen im Ausschuss einstimmig angenommen wurde: "Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade Streng geheim oder Geheim dürfen nur in den Räumen der Geheimregis-tratur eingesehen werden. Abweichend hiervon können Verschlusssachen Mitgliedern von Untersuchungsausschüssen sowie von Gremien, die aufgrund rechtlicher Grundlage regelmäßig geheim tagen, zur Einsichtnahme in ihren Büroräumen ausgegeben werden, sofern diese mit VS-Verwahrgelassen ausgestattet und die Verschlusssachen dem Bundestag zum Zwecke der Auftragserledigung dieses Gremiums zugeleitet worden sind." Wir Abgeordnete können unseren Aufgaben als Parlamentarier nur dann nachkommen, wenn es uns ermöglicht wird, die entsprechenden Informationen zu erhalten. Dennoch sehe ich auch die Bundesregierung in der Pflicht, verantwortungsbewusst mit durchaus sensiblen Informationen umzugehen. Die nun gefundene Lösung halte ich für eine angemessene. Ich bedanke mich für die gute Zusammenarbeit mit den Vertretern der Regierung, den Kollegen im Ausschuss sowie den Mitarbeitern des Ausschusssekretariats. Sonja Steffen (SPD): In der Vergangenheit ist es immer wieder vorgekommen, dass die Bundesregierung bei parlamentarischen Anfragen den fragenden Abgeordneten eine Antwort schuldig blieb. Hierbei handelte es sich zum Beispiel um Anfragen zur Überwachung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages durch den Verfassungsschutz. Die Bundesregierung verwies darauf, sie äußere sich zu den geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten der Nachrichtendienste grundsätzlich nur in den dafür vorgesehenen besonderen Gremien des Deutschen Bundestages. Diese Vorgehensweise ist vor allem insofern problematisch, als die Bundesregierung durch die selbst vorgenommene Einstufung von Informationen in die unterschiedlichen Geheimhaltungsstufen das Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten theoretisch deutlich einschränken kann. Das Bundesverfassungsgericht urteilte daher 2009, dass hier eine Verletzung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz vorliegt. Das Bundesverfassungsgericht kam zu dem Schluss, dass die Informationsrechte des Bundestages auch bei geheimhaltungsbedürftigen Belangen vollumfänglich gewahrt werden müssen, dass dabei aber den Geheimhaltungsinteressen der Bundesrepublik Deutschland Rechnung getragen werden muss. Dass vertrauliche Informationen auf eine parlamentarische Anfrage nicht, wie sonst üblich, in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden können, ist klar und leuchtet ein. Wir haben uns daher im Geschäftsordnungsausschuss intensiv mit der Frage beschäftigt, wie derartige Informationen den Abgeordneten zugänglich gemacht werden können bzw. müssen und welcher Personenkreis Einsichtsrechte erhalten soll. Mit der heute vorliegenden Änderung der Geheimschutzordnung werden wir die Vorgaben des Urteils endlich umsetzen und eine klare Regelung schaffen. Ich freue mich, dass sich das Bundesministerium des Innern in dieser Frage letztlich doch gesprächsbereit gezeigt hat und wir so im Geschäftsordnungsausschuss zu einer einstimmigen Entscheidung kommen konnten. Wir haben uns darauf verständigt, dass Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade Geheim oder Streng geheim in der Regel die Geheimregistratur des Deutschen Bundestags nicht mehr verlassen und nur noch vor Ort eingesehen werden dürfen. Es sollen aber alle bisher schon nach der Geheimschutzordnung berechtigten Personen, so auch die vom Bundestagspräsidenten ermächtigten Mitarbeiter von Abgeordneten und Fraktionen, Einsicht nehmen können. Damit wird einerseits der Geheimschutz des Deutschen Bundestages gestärkt, andererseits die Arbeitsfähigkeit der Abgeordneten und ihre Entlastung durch die Mitarbeiter sichergestellt. Ausgenommen hiervon sind Mitglieder von Gremien, die regelmäßig mit Verschlusssachen arbeiten, wie Untersuchungsausschüsse, das Parlamentarische Kontrollgremium oder das Vertrauensgremium. Hier bleibt die Möglichkeit der Herausgabe von Verschlusssachen bei Vorhandensein eines Verwahrgelasses im Büro des Abgeordneten ausdrücklich bestehen. Wir waren uns im Geschäftsordnungsausschuss darüber einig, dass die teilweise extrem umfangreichen Akten, beispielsweise die des NSU-Untersuchungsausschusses, anders nicht zu bewältigen sind. Vor diesem Hintergrund müssen wir unbedingt sicherstellen, dass diese parlamentarische Praxis beibehalten und von der Bundesregierung respektiert wird. Hierfür sollten wir die Regelung regelmäßig in Bezug auf die tatsächliche Umsetzung und ihre Praktikabilität überprüfen. Mit der vorliegenden Änderung der Geheimschutzordnung halten wir an den hohen Anforderungen des Geheimschutzes fest, stellen jedoch gleichzeitig die Arbeitsfähigkeit der Abgeordneten und bestimmter parlamentarischer Gremien sicher. Insgesamt stärken wir das parlamentarische Frage- und Informationsrecht und damit die Rechte der Abgeordneten. Gisela Piltz (FDP): Dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht des Bundestages gegenüber der Bundesregierung kommt in der Demokratie eine wesentliche Bedeutung zu. Ein System von "Checks and Balances" ist nicht denkbar, wenn dem Parlament Informationen entzogen werden, die zur Bewertung des Regierungshandelns erforderlich sind. Im sensiblen Bereich geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen, die in der Sphäre der Bundesregierung liegen, kann das parlamentarische Frage- und Informa-tionsrecht an Grenzen stoßen, die unter bestmöglicher Wahrung der betroffenen Interessen zum Ausgleich -gebracht werden müssen. Es ist dabei offensichtlich, dass nachrichtendienstliche Tätigkeit geheimhaltungsbedürftig sein kann. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Juli 2009 zu Recht festgestellt, dass sich die Bundesregierung nicht pauschal darauf zurückziehen kann, dass Informationen, die die Tätigkeit der Nachrichtendienste beträfen, generell geheimhaltungsbedürftig sind. So leicht darf es sich die Bundesregierung nicht machen. Insbesondere kann sich die Bundesregierung nicht dadurch ihrer Verpflichtung zur Aufklärung und Information entziehen, dass sie schlicht auf ihre Berichte im Parlamentarischen Kontrollgremium verweist. Diese - ja durchaus gängige - Praxis der Bundesregierung verkennt das Gewicht und die Bedeutung der Kontrollrechte des Parlaments. Der gern gegebene Verweis -darauf, die Bundesregierung berichte zu geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten nur vor den hierfür vorgesehenen, geheim tagenden Gremien, ist unzulässig. Zutreffend führte das Bundesverfassungsgericht nämlich aus, dass die Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums eine zusätzliche Maßnahme ist, um die Kontrollrechte des Parlaments zu stärken. Die Auffassung der Bundesregierung, wonach sie allein im PKGr berichten könne und damit ihrer Pflicht Genüge getan habe, verletzt grundlegende Parlamentsrechte. Denn mit dem zusätzlichen Kontrollinstrument begibt sich der Bundestag ja gerade nicht seiner Kontrollrechte im Übrigen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, mit dem dies endlich klargestellt wird und der Anlass für die heute zu beratende Änderung ist, ist deshalb sehr zu begrüßen. Nicht nur diese Klarstellung ist ein Erfolg für das Parlament, sondern auch die Feststellung, dass die Geheimhaltungspflicht einer Begründung bedarf. Wie schon vorhin gesagt, kann eine nachrichtendienstliche Tätigkeit geheimhaltungsbedürftig sein. In einem Rechtsstaat kann nicht einfach eine Bereichsausnahme geschaffen werden für staatliches Handeln, das sich der Kontrolle entzieht. Vielmehr ist auch hier im Einzelfall zu begründen, warum eine Einstufung in eine Geheimhaltungsstufe erforderlich ist. Im Hinblick auf die Rechte des Parlaments ist dies auch bedeutsam, weil nur dann eine Fraktion oder ein einzelner Abgeordneter die nötige Entscheidungsgrundlage hat, ob die Bundesregierung ihrer Pflicht zur umfassenden und wahrheitsgemäßen Information auch nachgekommen ist. Mit Freude sehen wir daher künftigen Antworten auf Kleine oder Große Anfragen oder Einzelfragen entgegen, die statt des üblichen Textbausteins "Hierüber erteilt die Bundesregierung nur den dafür vorgesehenen Gremien des Deutschen Bundestages Auskunft" eine - wenigstens in der Geheimschutzstelle hinterlegte - Antwort sowie eine plausible Begründung dafür enthalten, warum die Antwort geheimhaltungsbedürftig ist. Die Grundsätze des Geheimschutzes werden dadurch allerdings natürlich nicht obsolet. Es muss an dieser Stelle auch deutlich und ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass mit dem Recht, eine eingestufte Information zu kennen, auch eine Pflicht korrespondiert. Sofern und soweit die Geheimhaltung zutreffend begründet ist, muss auch sichergestellt sein, dass die Information geheim bleibt. In unserem Rechtsstaat müssen hohe Anforderungen an Geheimhaltung gestellt werden, weil es den Rechtsstaat gerade auszeichnet und von Diktaturen und anderen Unrechtsregimen unterscheidet, dass die Offenlegung, Überprüfbarkeit und Kontrolle staatlichen Handelns gewährleistet wird. In den Fällen aber, in denen eine Geheimhaltung tatsächlich begründet und erforderlich ist, muss diese auch sichergestellt sein. Deshalb wird mit dem heute vorliegenden Vorschlag zweierlei geregelt: Zum einen wird sichergestellt, dass der Zugang zu eingestuften Informationen nicht unzulässig auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt wird, sondern nach wie vor alle Abgeordneten sowie die hierzu besonders ermächtigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordneten eingestufte Teile von Antworten der Bundesregierung in der Geheimschutzstelle einsehen können. Das stärkt die parlamentarische Kontrolle des Regierungshandelns und stellt die effektive parlamentarische Arbeit sicher. Zum anderen wird der Geheimschutz dadurch gestärkt, dass Unterlagen grundsätzlich in der Geheimschutzstelle verbleiben, statt in die eigenen Büros mitgenommen zu werden. Denn auch mit der ja ohnehin bestehenden Einschränkung, dass in den betreffenden Büros ein Verwahrgelass - schönes Verwaltungsdeutsch für Safe - vorhanden ist, muss man doch festhalten, dass die Gefahren für die Geheimhaltung steigen, wenn Unterlagen "wandern" können. Es ist aber zugleich richtig, dass diejenigen, die regelmäßig mit Verschlusssachen befasst sind, also etwa im Vertrauensgremium oder im Finanzmarkstabilisierungsgremium oder auch im PKGr wie auch in den Untersuchungsausschüssen, nach wie vor die Unterlagen, die für ihre dortige spezifische Tätigkeit erforderlich sind, auch - unter Beachtung der Geheimhaltungsvorschriften - in ihren Büros studieren können. Das ist auch nicht eine Frage der Bequemlichkeit, sondern der Effektivität parlamentarischer Kontrolltätigkeit in diesen Gremien. Für diejenigen, die solchen Gremien nicht angehören, aber trotzdem regelmäßig mit Verschlusssachen in ihrer Aufgabe etwa im Haushaltsausschuss umgehen müssen, zum Beispiel die dortigen Berichterstatter für Verteidigung, kann nach der neuen Regelung in § 3 a der GSO-BT eine Genehmigung vom Bundestagspräsidenten erlangt werden, damit auch hier Unterlagen von der Geheimschutzstelle ausgehändigt werden können. Dies gilt im Übrigen dann für die betreffenden Abgeordneten wie auch für die besonders ermächtigten Mitarbeiter der Fraktionen und Abgeordnetenbüros. Mit der heute vorgelegten Regelung schaffen wir einen guten Ausgleich: parlamentarische Kontrolle stärken und Geheimschutz gewährleisten. Ich bin froh, dass alle Fraktionen gemeinsam zu dieser guten und ausgewogenen Lösung finden konnten. Wir alle als Parlamentarier sind aufgerufen, Regierungshandeln zu kontrollieren. Wir alle als Parlamentarier haben ein gemeinsames Interesse, dies effektiv zu tun. Und wir alle als Parlamentarier sind uns unserer Verantwortung bewusst, wenn es um tatsächlich geheimhaltungsbedürftige Tatsachen geht. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Wir befassen uns heute mit der Änderung der Geheimschutzordnung. Hintergrund ist ein von Kollegen erstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Diesem Verfahren lag die Weigerung der Bundes-regierung zugrunde, darüber Auskunft zu erteilen, ob und gegebenenfalls welche Informationen die Geheimdienste des Bundes und der Länder über die Mitglieder des Deutschen Bundestages sammeln. Mittlerweile wissen wir, dass diese verfassungswidrige Praxis, gegen die sich die Betroffenen gerichtlich umfassend wehren, sehr viele Abgeordnete meiner Fraktion betrifft bzw. betraf. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Urteil diesbezüglich ganz richtig festgestellt: Die nachrichtendienstliche Beobachtung von Abgeordneten birgt erhebliche Gefahren im Hinblick auf ihre Unabhängigkeit und auf die Mitwirkung der betroffenen Parteien bei der politischen Willensbildung und damit für den Prozess demokratischer Willensbildung insgesamt. Das Urteil des Gerichts zur Frage der Beobachtung steht noch aus; heute geht es uns um die Entscheidung zum Fragerecht der Abgeordneten. Für diesen parlamentarischen Bereich hat das Bundesverfassungsgericht den Abgeordneten und dem Parlament den Rücken gestärkt und die Ausflüchte der Bundesregierung nicht gelten lassen: Wieder einmal hat es der Bundesregierung im Ergebnis nichts genutzt, dass sie sich mit Verweis auf geheimhaltungsbedürftige Belange ihrer im Grundgesetz verankerten Antwortpflicht gegenüber dem Parlament entziehen wollte. Gegebenenfalls müsse die Bundesregierung das Informationsinteresse des Parlaments eben unter Wahrung ihrer berechtigten Geheimhaltungsinteressen befriedigen. Die gängige Praxis genügte dem Anliegen schon bisher. Der 1. Ausschuss hat dennoch auf die Bedenken der Bundesregierung und von Teilen des Ausschusses in Bezug auf Geheimhaltungsschutz reagiert und schlägt nun eine Neuregelung der Geheimschutzordnung vor. Zunächst möchte ich betonen: Wir haben ganz klar solchen verfassungswidrigen Überlegungen eine Abfuhr erteilt, die das Recht auf Einsicht in geheimhaltungsbedürftige Teile einer Antwort auf parlamentarische Anfragen auf Abgeordnete oder Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter der fragestellenden Fraktion beschränken wollten. Stattdessen wird nun die Einsicht in Verschlusssachen grundsätzlich auf die Geheimregistratur des Bundestages beschränkt, mit gewichtigen Ausnahmen für Untersuchungsausschussmitglieder und andere geheim tagende Gremien und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MdB und Fraktionen. Es soll also nicht der zugangsberechtigte Personenkreis, sondern der Ort der Einsichtnahme verändert werden. Die Botschaft ist: Die Arbeit des Parlaments soll nicht erschwert werden. Der 1. Ausschuss geht davon aus, dass sich insbesondere für den Bereich der Untersuchungsausschüsse und der anderen Gremien, die regelmäßig geheim tagen, so zum Beispiel Vertrauensgremium, Parlamentarisches Kontrollgremium und andere nichts ändert. Das betrifft auch die unveränderte Möglichkeit der Aushändigung von Verschlusssachen zur Einsichtnahme und zum Verbleib in den Büroräumen mit Safe, ungemindert auch direkt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der betreffenden Abgeordneten und der Fraktionen. Das wurde von allen Fraktionen im Ausschuss so geteilt. Sollte sich demgegenüber etwa he-rausstellen, dass die bisherige Praxis beeinträchtigt wird, wird sich der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung umgehend wieder mit dem Thema befassen. Dass wir uns in dieser Woche schon mit der juristisch absurd begründeten, generellen Weigerung der Bundesregierung, Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeitern von Mitgliedern des Vertrauensgremiums Einsichtnahme in VS zu geben, beschäftigen müssen, lässt mich allerdings nichts Gutes ahnen. Ich möchte hier noch auf das eigentliche und zugleich wichtige Problem im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Anliegen beim Fragerecht eingehen, auf dessen Lösung ich schon im Ausschuss gedrängt habe: Das Problem ist nicht die Geheimhaltung aufseiten des Bundestages. Das Problem stellt die ungerechtfertigte Einstufung von Antworten als Verschlusssachen durch die Bundesregierung dar. Folgendes ist daher klar und deutlich voranzustellen: Die Abgeordneten und die Fraktionen entscheiden darüber, welcher Informationen sie bedürfen. Kontrolle ohne Transparenz ist nicht möglich. Die Kontrolle der Regierung durch das Parlament bedarf der Transparenz. Als langjährige Erste Parlamentarische Geschäftsführerin meiner Fraktion muss ich leider feststellen, dass sich die Bundesregierung mitunter jede einzelne Information buchstäblich abtrotzen lässt. Dies widerspricht unserer parlamentarischen Demokratie und dem verbürgten Fragerecht der Abgeordneten. Es ist nicht hinnehmbar, wenn erst das Bundesverfassungsgericht bemüht werden muss, um derartige Selbstverständlichkeiten durchzusetzen. Die Bundes-regierung erschwert die naturgemäß von der Opposition und insbesondere der Linken wahrgenommene Kontrolle der Regierung mit immer neuen Ausreden, Ausflüchten und Weigerungen. Im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Geheimschutzordnung ist festzustellen: Die Bundes-regierung verfällt neuerdings auf den Trick, die Antworten auf Fragen als geheim einzustufen, obwohl sie gar nicht geheimhaltungsbedürftig sind. Ziel ist ganz offensichtlich, zu erreichen, dass die Öffentlichkeit so wenig wie möglich Kenntnis von der mangelhaften Regierungstätigkeit erhält. Ich will hierzu ein Beispiel nennen: Im Falle einer Kleinen Anfrage meiner Fraktion zur "Unterstützung des Bundes für die Münchner Sicherheitskonferenz", Bundestagsdrucksache 17/8399, hatte das Bundesministerium der Verteidigung die Antwort zunächst als "VS - Nur für den Dienstgebrauch" eingestuft. Ich hatte für die Linke dagegen - mit Erfolg - protestiert. Die annähernd gleichen Fragen wurden nämlich in den Jahren zuvor selbstverständlich beantwortet. Die Einstufung war also schlicht rechtswidrig. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit zu umgehen versucht, indem sie die Antwortpflicht in der Geheimkammer erfüllt. Das wird sich meine Fraktion auch in Zukunft nicht gefallen lassen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass wir heute alle gemeinsam dieser Änderung der Geschäftsordnung zustimmen, bedurfte zweier erfolgreicher Klagen der Grünen-Bundestagsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht, um den fälschlichen Missbrauch der Geheimschutzordnung durch die Bundesregierung zu beenden. Wie eh und je können Verschlusssachen der Geheimhaltungsgrade Streng geheim oder Geheim grundsätzlich nur in der Geheimschutzstelle eingesehen werden. Das gilt nach wie vor für alle Abgeordneten sowie für ausdrücklich dafür geprüfte und ermächtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese Regelung stellt nun eine Klarstellung dar: Sie wahrt die Informationsrechte des Bundestages, die vom BVerfG bekräftigt wurden, und die Geheimhaltungsinteressen der Bundesregierung. Die Ausnahmeregelung soll solchen Abgeordneten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die häufig mit Verschlusssachen arbeiten, weiterhin einen problemlosen Arbeitsablauf ermöglichen. Das heißt, wer eine Ausstattung mit entsprechendem Safe hat, kann die Verschlusssache im eigenen Büro einsehen und aufbewahren. Es ändert sich also für Mitglieder und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Untersuchungsausschüssen und weiteren geheim tagenden Gremien nichts. Ich verweise hier besonders auf Satz 3 der Neuregelung. In den Beratungen wurde von uns die "kann"-Formulierung in Satz 2 so aufgefasst, dass diese Möglichkeit lediglich eine praktische Einschränkung der Transportierbarkeit oder Aufbewahrung der Unter-lagen betreffen kann. Die ursprüngliche Idee der Koalition und der Bundesregierung, die Mitarbeiter von dem Zugang gänzlich auszuschließen, wurde von uns erfolgreich abgewehrt. Auch in Zukunft wird der Bundestagspräsident im Sinne der allgemeinen Ausgestaltungsmöglichkeiten diesen praktischen und praktikablen Zugang zu den Unterlagen ermöglichen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung auf Drucksache 17/12287. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD-Fraktion, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 28 auf: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD UN-Menschenrechtsrat nutzen und von Sri Lanka Rechtsstaatlichkeit, Einhaltung der Menschenrechte und Versöhnungsprozess fordern - Drucksache 17/12466 - Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Jürgen Klimke (CDU/CSU): Zum wiederholten Male beschäftigen wir uns im Plenum des Deutschen Bundestages mit der Menschen-rechtslage in Sri Lanka. Obwohl ich die menschenrechtliche Situation in Sri Lanka nicht beschönigen möchte und dies auch nie getan habe, glaubte ich bis vor kurzem, dass sich das Land insgesamt auf einem guten Weg befindet. Sri Lanka ist ein Staat, der von einem Jahrzehnte andauernden Bürgerkrieg zwischen den tamilischen Liberation Tigers of Tamil Eelam, LTTE, und der singhalesischen Regierung erschüttert wurde und in dem erst im Jahr 2009 mit einem Sieg der Regierung wieder Ruhe eingekehrt ist. Alle Menschenrechtsverletzungen am Ende des Krieges aber auch in der Zeit unmittelbar nach dem Sieg sind auch vor dem Hintergrund dieses seit 1983 von beiden Seiten grausam geführten Krieges zu verstehen, wenn auch nicht zu relativieren. Nach 2009 mussten wir uns im Menschenrechtsausschuss des Bundestages vor allem mit der Lage der tamilischen Bevölkerung und ganz besonders mit den Binnenvertriebenen beschäftigen, die anfangs in einer Zahl von mehreren Hunderttausend Menschen in Lagern interniert waren und deren humanitäre Situation prekär war. Als ich im Jahr 2011 in Sri Lanka war, wurde von weiterhin massiven Menschenrechtsverletzungen berichtet. Auf der anderen Seite war aber auch eine positive Entwicklung festzustellen, ein Willen der Regierung, die unerträglichsten Verletzungen der Menschen-rechte in Sri Lanka abzustellen. Letztes augenfälliges Indiz dafür war die Aufhebung der Notstandsgesetze durch die Regierung Ende August 2011, nachdem diese für fast 30 Jahre in Kraft waren. Dadurch wurde der Polizei zumindest das Recht entzogen, umfassende Maßnahmen gegen die Tamilen in Form von Wohnungsdurchsuchungen und willkürlichen Verhaftungen zu vollziehen. Allerdings bestand schon damals bei fast allen Beobachtern Einigkeit, dass die Anstrengungen noch erhöht werden müssen und eine wirkliche politische Integration der tamilischen Bevölkerungsminderheit nicht die allerhöchste Priorität genießt. Seit 2011 hat sich gerade im Bereich der Infrastruktur- und Wirtschaftsentwicklung auch in den von Tamilen bewohnten Gebieten einiges getan. Auch die Räumung der Flüchtlingslager und die Rückkehr der Tamilen in ihre Heimat ist als positive Entwicklung hervorzuheben und wird ja auch im Antrag der SPD erwähnt. Von einer Verbesserung der menschenrechtlichen Situation können wir jedoch seit 2011 insgesamt nicht sprechen, eher ist das Gegenteil der Fall. Einer der Kritikpunkte an der aktuellen Situation und aus meiner Sicht der Impulsgeber für die Erstellung des vorliegenden Antrages der SPD ist ein anderer: Es geht um die Entlassung der Obersten Richterin Dr. Shirani Bandaranayake aus offenbar politischen Gründen. Diese Amtsenthebung durch das Parlament ist als deutliches Zeichen eines Angriffs auf die Unabhängigkeit der Justiz verstanden worden. Das ist eine Deutung, die auch in meiner Fraktion geteilt wird und somit eine Entwicklung, die auch mir große Sorgen macht. Es kann nicht im Sinne Deutschlands sein, wenn sich Sri Lanka in Richtung eines autoritär regierten Staates entwickelt, in dem der Präsident und seine Familie das alleinige Sagen haben und in dem die Justiz in keiner Weise mehr unabhängig ist. Es ist aus meiner Sicht kein Zufall, dass die Oberste Richterin zuvor ein Gesetzespaket der Regierung als verfassungswidrig gestoppt hat, das die Rechte der Zentralregierung gegenüber den Provinzen gestärkt hatte. Die Amtsenthebung der obersten Repräsentantin der Judikative lässt für die Zukunft Sri Lankas nichts Gutes ahnen. Es kann meines Erachtens nicht angehen, wenn die siegreiche Bürgerkriegspartei den verbreiteten Wunsch nach Frieden und Stabilität ausnutzt, um einen autoritären Staat zu schaffen. Ich unterstütze deshalb die Forderungen des Antrags der SPD im Hinblick auf die Untersuchung des Vorgangs der Amtsenthebung von Frau Bandarayanake im Grundsatz. Dieser Fall muss durch internationale Organisationen untersucht werden. Neben der aktuellen Entwicklung der Aushöhlung der Unabhängigkeit der Justiz bestehen die Probleme der Menschenrechtsverletzungen sowie der Aufarbeitung der Verbrechen des Bürgerkrieges bzw. nach seinem Ende weiterhin fort. Wir müssen immer noch teilweise massive Menschenrechtsverletzungen feststellen. Ein Teil davon wird durch das Anti-Terror-Gesetz, das die frühere Notstandsgesetzgebung abgelöst hat, sogar ganz offiziell legitimiert. Wir als Menschenrechtspolitiker der Union fordern vehement die Abschaffung dieses Gesetzes. Die Forderungen des SPD-Antrags weisen im Bereich der Menschenrechte und der Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen in die richtige Richtung. Allerdings kann es nicht alleiniges Ziel sein, Sri Lanka zur Unterzeichnung und Ratifizierung internationaler Abkommen und Gesetzesänderungen zu bewegen. Im Fokus muss vielmehr noch stärker stehen, die konkrete menschenrechtliche Situation zu verbessern. Insofern kann man bei genauerer Betrachtung des Antrags schon konstatieren, dass bestimmte Forderungen der SPD, wie die Ratifikation des Römischen Statuts, in der jetzigen Situation unrealistisch sind. Wenn wir zu viel auf einmal fordern, machen wir uns als Partner ein Stück weit unglaubwürdig. Lassen Sie mich noch auf einen Punkt näher eingehen, nämlich auf die Integration der ehemaligen Kindersoldaten, die im Antrag ebenfalls gefordert wird. Hier hat sich die sri-lankische Regierung erfreulicherweise selbst engagiert, indem ehemalige Kindersoldaten betreut und offenbar durch eine Berufsausbildung in die Gesellschaft integriert werden. Sri Lanka ist Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, und auch in diesem Bereich, für den ich im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zuständig bin, stellt der SPD-Antrag Forderungen auf. Lassen Sie mich kurz auf Projekte eingehen, die durch das deutsche Entwicklungs-ministerium finanziert werden: Es werden lokale Friedensinitiativen gefördert, ein weiteres Projekt betrifft die Friedenserziehung; Deutschland unterstützt den Verwaltungsaufbau im Norden und Osten Sri Lankas; mit Entwicklungsmitteln stärkt Deutschland außerdem den Mikrofinanz-sektor; zwei neu aufgenommene Projekte betreffen den Bau einer Geburtsklinik sowie ein Projekt zur beruflichen Bildung. Ich denke, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Friedensförderung, Bildung, Gesundheit und Mikrofinanzen gute Schwerpunkte setzt, die vor allem der Zivilgesellschaft und auch den benachteiligten Bevölkerungsgruppen zugutekommen. Eine Reaktion im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit auf die jüngsten Ereignisse im Sinne einer Abschwächung der Kooperation lehne ich zum jetzigen Zeitpunkt ab. Hier gilt es zunächst, die weitere Entwicklung abzuwarten. Fakt ist, dass die deutschen Entwicklungsmittel eine gute Möglichkeit bilden, Einfluss auf die weitere Entwicklung Sri Lankas zu nehmen und unsere Haltung mit Nachdruck deutlich zu machen. Angesichts der Gesamtentwicklungen in Sri Lanka sollten wir uns diese Möglichkeit erhalten. Abschließend möchte ich noch etwas zum Antrag der SPD-Fraktion insgesamt sagen: Man muss festhalten, dass wichtige Forderungen der Initiative auf die aktuellen Ereignisse und die grundlegenden menschenrechtlichen Defizite Sri Lankas eingehen. Allerdings werden alle wesentlichen Forderungen des Antrags seitens der Bundesregierung, teilweise zusätzlich im Rahmen der EU sowie auf Ebene der Vereinten Nationen bereits umgesetzt. Das betrifft gerade den Einsatz im Rahmen des UN-Menschenrechtsrats; auch hier ist die Bundesregierung bereits aktiv. Insofern muss ich festhalten, dass die Forderungen des Antrags an die Bundesregierung bereits erfüllt werden, sie sind Bestandteil unserer Außenpolitik. Der vorliegende Antrag erweckt durch seinen umfangreichen Forderungsteil den Eindruck, dass hier Versäumnisse der Bundesregierung vorliegen. Das ist erwiesenermaßen nicht der Fall. Letztlich ist der Antrag somit eigentlich überflüssig. Gleichwohl hätte man sich im Vorfeld der Einbringung dieses Antrags oder auch im Rahmen einer Ausschussbefassung mit den Menschenrechten in Sri Lanka befassen können, mit dem Ziel hier einen gemeinsamen Antrag oder eine Entschließung herbeizuführen oder dem Thema in der deutschen Öffentlichkeit zumindest mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Dass diese Ansprache nicht erfolgt ist, eine Ausschussberatung nicht stattfindet und ich als Berichterstatter den Antragstext erst am Tag vor der abschließenden Debatte erhalten habe, spricht dafür, dass es den Antragstellern gar nicht darum ging, gemeinsam mit den Regierungsfraktionen einen Beschluss des Bundes--tages herbeizuführen. Das halte ich für sehr bedauerlich und der Lage nicht angemessen. Deshalb lassen Sie mich abschließend festhalten, dass auch meine Fraktion die Lage in Sri Lanka als kritisch ansieht, dass auch wir im Moment eine Verschlechterung der menschenrechtlichen Situation in Sri Lanka wahrnehmen. Wir erkennen in diesem Bereich ganz ausdrücklich die Arbeit der Bundesregierung an, die in der Frage der Menschenrechtsdefizite aktiv arbeitet und dabei auch die Forderungen des Antrags der SPD-Fraktion bereits umsetzt. Vor diesem Hintergrund lehnen wir diesen Antrag als überflüssig ab. Christoph Strässer (SPD): Ich bin erfreut, dass wir in dieser Woche, da der UN-Menschenrechtsrat seine Sitzung eröffnet hat, das dort auf der Tagesordnung stehende Thema Sri Lanka ebenfalls in den Fokus nehmen. Ich möchte Sie mit einem Zitat von Friedrich Schiller konfrontieren, das die Situation in Sri Lanka sehr treffend beschreibt: "Wie unglückbringend, liebe Mutter, ist Feindschaft zwischen Brüdern, und wie schwer hält die Versöhnung." Der jahrzehntelange Bürgerkrieg hat großes Leid und Unglück über das Land und seine Bevölkerung gebracht. Seit Ende des Krieges scheint sich die Situation positiv zu entwickeln; weisen doch die Fakten wirtschaftlicher Entwicklung seither gute Tendenzen auf und konnten viele ehemalige Binnenflüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren und die Flüchtlingslager aufgelöst werden. Wie so oft zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass noch ein weiter Weg vor dem Land und seiner Bevölkerung liegt, um die Weiterentwicklung und vor allem die Versöhnung im Lande zu fördern. Mit Sorge erfüllen mich daher die politischen Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten, die erwarten lassen, dass die nötigen Prozesse nicht mit Nachdruck und unter Beteiligung aller Bevölkerungsteile realisiert werden. So weisen zahlreiche Berichte darauf hin, dass der Präsident ein System unumschränkter Herrschaft errichtet und mit diesem in alle politischen und gesellschaftlichen Felder vordringt, ohne vor der Ebene der Exekutive und Legislative Halt zu machen. Die Entlassung der Obersten Richterin, die sich gegen die Entscheidungen von Präsident Rajapaksa gestellt hat, ist eine wirkliche Gefahr. Damit verstieß der Präsident gegen jegliches demokratisches Prinzip der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz. Zugleich zeigte er, dass er der geltenden Verfassung wenig Bedeutung beimisst, und lässt Befürchtungen aufkommen, diese - wie bereits durch die Aufhebung einer Amtszeitbeschränkung für den Präsidenten - weiterhin willkürlich umzuformulieren. Weiterhin müssen wir eine erhebliche Zensur der freien Presse zur Kenntnis nehmen - so wurden neue Regulierungen zur Überwachung von Internetseiten erlassen, die die Regierung betreffende Nachrichten veröffentlicht bzw. Nachrichten, die die Regierung als solche erachtet - und die Schließung von nahezu allen staatlichen Universitäten. Auch dies ist besorgniserregend, weist es doch in die Richtung von Kontrolle und Steuerung der Bevölkerung. Zudem wurde das Anti-Terror-Gesetz, das auch zur Kontrolle der Bevölkerung genutzt werden könnte, auch Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs noch nicht abgeschafft. Wir sind der Überzeugung, dass dieses Gesetz, das einem Notstandsgesetz gleicht, abgeschafft werden muss und damit zu rechtsstaatlichen Prinzipien zurückgekehrt werden muss. Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass Staatspräsident Rajapaksa, gemeinsam mit seinen Getreuen, den Staat und die Gesellschaft nach seinen Prinzipien umgestaltet - und dies nicht zum Wohle des gesamten Volkes in Sri Lanka. Gleichwohl genießt Rajapaksa großes Ansehen in der Bevölkerung - unter anderem auch, weil er in ihren Augen für die positiven wirtschaftlichen Entwicklungen verantwortlich ist. Diese auf der politischen Ebene verlaufenden Verschlechterungen haben auch sehr konkrete Auswirkungen in der Gesellschaft. Im hauptsächlich von hinduistischen Tamilen bewohnten Norden wurden vermehrt buddhistische Tempel errichtet. Diese werden oftmals von Militärangehörigen genutzt. In meinen Augen ist dies in doppelter Hinsicht negativ: Zum einen wird die Lebenswirklichkeit der Menschen nicht anerkannt; zum anderen sehen sich die Tamilen nach Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen erneut einer täglichen Begegnung mit dem Militärpersonal ausgesetzt. Einige Kritiker sprechen sogar davon, dass die andauernde Präsenz militärischer Kräfte im Gebiet der Tamilen einer Besatzung gleiche. Derartige -Entwicklungen sind nach meinem Ermessen für ein friedliches Zusammenleben und eine dauerhafte Aussöhnung kontraproduktiv. Zugleich sind die tieferliegenden Ursachen für den vergangenen Konflikt noch immer nicht behoben; die Tamilen fühlen sich weiterhin politisch und sozioökonomisch marginalisiert. -Neben der politischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung spielt die tatsächliche Herbeiführung von äquivalenten Lebensverhältnissen eine entscheidende Rolle, um nicht alte Konfliktlinien wieder aufbrechen zu lassen. Bisher wurden auch wenig effektiv Schritte unternommen, um nach Ende des Bürgerkrieges den Versöhnungsprozess voranzutreiben. Bisher konnten lediglich zahlreiche politische Willensbekundungen und theoretische Zusagen vernommen werden; echter Wille zu einer umfassenden Aufarbeitung und konkrete Handlungen hingegen blieben bisher aus. Vielmehr gab es große politische Rhetorik. In der Lebenswirklichkeit der Menschen sind Wahrheit, Versöhnung und Aufarbeitung leider bisher nicht angekommen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass es zwischen den ehemaligen Kriegsparteien zu einer echten Aussöhnung kommt. Gerechtigkeit und Rechenschaft sind elementare Bestandteile. Dazu gehört es auch, die derzeit in den Medien kursierenden Vorwürfe der Hinrichtung von Gefangenen durch die Armee Sri Lankas, unter denen unter anderem der Sohn des Anführers der Befreiungstiger von Tamil Eelam, LTTE, Balachandran Prabhakaran, betroffen sein soll, zu untersuchen und aufzuklären. Ich bin überzeugt, dass derartige Verbrechen - sollten diese Vorwürfe nicht ausgeräumt werden - eine dauerhafte Belastung für den noch fragilen Frieden sein können. Es überraschte, dass der von der Regierung Sri Lankas veröffentlichte LLRC-Bericht zwar relativ konkrete Empfehlungen hinsichtlich eines effektiven Aufarbeitungs- und Versöhnungsprozesses enthält, deren Umsetzung aber von der derzeitigen Regierung mit dem Verweis auf eine Gefährdung der angeblich stabilen Friedenslage abgelehnt wurde. Mittlerweile wurde im Juli des letzten Jahres, auch dank internationalem Druck, ein dem Bericht folgender Aktionsplan veröffentlicht, der Zuständigkeiten und Zeitpläne für die Umsetzung des Berichtes definiert. Es bleibt abzuwarten, ob mit diesem Aktionsplan das Eis gebrochen werden konnte und tatsächliche Veränderungen folgen werden. Nur auf Basis dieses Prozesses kann der Entwicklungsprozess des ganzen Landes effektiv vorangetrieben werden und weitere Schritte unternommen werden, um Fragen der Landverteilung und Sprachenpolitik im Interesse aller dauerhaft zu lösen. Zudem können weitere wichtige Reformvorhaben wie die Dezentralisierung und Unabhängigkeit der Institutionen nachhaltig nur gelöst werden, wenn die ausgesöhnten Bevölkerungsgruppen gemeinsamen an einer effektiven Lösung arbeiten. Nach unserem Dafürhalten ist mit Blick auf die Vergangenheit die Aussöhnung der letzte Schritt zur Beendigung des Bürgerkriegs; mit Blick auf die Zukunft ist sie Voraussetzung für alle künftigen Entwicklungsschritte, die die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gemeinsam zu bewältigen haben. Mit Blick auf das eingangs präsentierte Zitat weisen auch im Falle Sri Lankas alle Zeichen darauf hin, wie schwer die Versöhnung zwischen ehemaligen Feinden ist und wie brüchig selbst die Verbindungen zwischen Brüdern sind. Gleichwohl ist dies nicht unmöglich und muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln forciert und unterstützt werden. Gemeinsam mit unseren internationalen Partnern sollten wir daher die verfügbaren Wege ausnutzen, um auf die Regierung Sri Lankas einzuwirken und wirkungsvolle Antworten auf die zurückliegenden Entwicklungen zu finden und die Regierung und das Volk in seinen Bemühungen unterstützen, Antworten auf die vielfältigen Fragen der Vergangenheit und Zukunft zu finden. Wie sich am Aktionsplan zum LLRC-Bericht zeigt, waren hier internationale Bemühungen von außen - wenngleich sie sich stets in einem Spannungsfeld zwischen Mahnung und Einmischung in innere Angelegenheiten bewegen - erfolgreich. Es wird Geduld erfordern und die Initiative unterschiedlichster Akteure auf dem internationalen, multilateralen Parkett, um Präsident Rajapaksa zu überzeugen, seine autoritären Schritte zu überdenken und seine politischen Handlungen in eine andere Richtung zu lenken. Auch weil er in der Bevölkerung enormes Ansehen genießt, welches gepaart mit seinen vielfältigen Verbindungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein großes Gewicht besitzt, ist es relevant, ihn als Adressaten der Veränderung zu respektieren. Wir begrüßen ausdrücklich Initiativen, die eine Folgeresolution zur Resolution "Promoting reconciliation and accountability in Sri Lanka" ermöglichen sollen. Es wäre erfreulich und ein wichtiges Monitoring, wenn das Engagement der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte die Entwicklungen im Land weiterhin -begleiten würde. Zeitgleich wollen wir, dass die UN-Sonderberichterstatterinnen und -erstatter offiziell eingeladen und durch die sri-lankischen Behörden in ihrer Arbeit unterstützt werden, um vor Ort die tatsächlichen Verhältnisse in Augenschein -nehmen zu können und wichtige menschenrechtsspezifische Themenbereiche wie Minderheitenfragen, -willkürliche Verhaftungen, extralegale Hinrichtungen untersuchen zu können. Auch die Wahrung der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie der Rechte von Frauen und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern sollte hierbei beleuchtet werden. Auch die Bundesregierung kann auf vielfältigen Wegen auf die Regierung Sri Lankas einwirken, den -gegenwärtigen Zustand der Unsicherheit und der ungelösten Probleme zu bewältigen. Wir haben dies in unserem Antrag formuliert und bitten Sie heute herzlich um Ihre Zustimmung für dieses wichtige politische Anliegen. Pascal Kober (FDP): Diese christlich-liberale Regierungskoalition beobachtet mit Aufmerksamkeit die politischen Entwicklungen in Sri Lanka. Aus diesem Grund ist der Antrag der SPD-Fraktion im Grundsatz zu begrüßen. Die menschenrechtliche Situation in Sri Lanka ist nach wie vor schwierig und stellt Sri Lanka vor politische und zivilgesellschaftliche Herausforderungen. Mit Sorge habe ich die Fernsehdokumentation "Sri Lanka's Killing Fields" des britischen Senders BBC Channel 4 zur Kenntnis genommen, in der über angebliche Kriegsverbrechen beider Kriegsparteien in den letzten Monaten des sri-lankischen Bürgerkriegs im Jahr 2009 berichtet wird. Und dementsprechend hat sich die Bundesrepublik wiederholt besorgt zur Lage in den sri-lankischen Bürgerkriegsgebieten geäußert. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit dazu aufgerufen, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, die Versorgung der in der Kampfzone eingeschlossenen Menschen zu ermöglichen und eine politische Lösung des ethnischen Konflikts anzustreben. Darüber hinaus hat diese christlich-liberale Regierungskoalition seit dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen mit über 100 000 Toten gemeinsam mit der EU wiederholt appelliert, die in den Flüchtlingslagern untergebrachten Binnenvertriebenen wieder in ihren Städten und Dörfern anzusiedeln. Auch hat Deutschland dazu aufgerufen, internationalen Hilfs-organisationen den Zutritt zu den Lagern zu ermög-lichen. Dabei ist es ein klares Bekenntnis Deutschlands, dass eine dauerhafte Friedenslösung nur dann möglich sein wird, wenn sie unter Einbeziehung aller Bevölkerungsgruppen gefunden wird. Zugleich ist es überaus erfreulich zu sehen, dass sich Sri Lanka in den letzten Jahren und nach dem Ende des Bürgerkrieges wirtschaftlich überaus erfolgreich entwickelt hat. Wir stehen sowohl dem Aufbau einer Tourismusindustrie als auch der Entwicklung des Industriesektors positiv gegenüber. Ungeachtet dieser Entwicklungen hat diese Regierungskoalition wiederholt auf diese Defizite im Menschenrechtsbereich reagiert. So ist aufgrund des noch nicht abgeschlossenen Friedens- und Aussöhnungsprozesses kein entwicklungspolitisches Engagement im klassischen Sinne möglich. Vielmehr unterstützt Bundesminister Dirk Niebel einen entwicklungspolitischen Ansatz, der bewusst auf Konflikttransformationsziele fokussiert ist, insbesondere auf die Friedenserziehung. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit fördert mit Bedacht die Friedens- und Werterziehung. Dazu zählen unter an-derem auch die konfliktsensible Lehrplanentwicklung und Lehrerfortbildung sowie die gezielte Förderung von konfliktbetroffenen Kindern und Jugendlichen. Mit diesen Aktivitäten unterstützt diese Regierungskoalition den langfristigen Aussöhnungsprozess der ehemals verfeindeten Gruppierungen in Sri Lanka und fördert die schrittweise Verwirklichung der Anerkennung der Menschenrechte durch die sri-lankische Regierung. Katrin Werner (DIE LINKE): Es ist gut, dass wir heute über die aktuelle Situation in Sri Lanka diskutieren und die Kolleginnen und Kollegen von der SPD hierzu einen Antrag vorgelegt haben. Nach dem militärischen Sieg der sri-lankischen Armee über die tamilischen Rebellen im Frühjahr 2009 hat die öffentliche Aufmerksamkeit für das Land merklich nachgelassen. Die Zentralregierung hat den jahrzehntelangen bewaffneten Konflikt zwar militärisch gewonnen, gelöst ist er aber noch längst nicht. Hierfür müssten die Ursachen beseitigt werden. Der Grundstein für den Konflikt wurde von der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien gelegt, indem diese die administrative Grenzziehung unter ethno-demografischen Gesichtspunkten manipulierte und die tamilische Minderheit gegenüber der singhalesischen Bevölkerungsmehrheit ökonomisch privilegierte. Dadurch konnte nach der Entkolonialisierung Sri Lankas die tamilische Bevölkerung leicht als vermeintliche Gegnerin der nationalen Unabhängigkeit und staatlichen Einheit stigmatisiert werden. Der sri-lankischen Regierung diente dies als Rechtfertigung für massive Unterdrückungsmaßnahmen und staatlich gelenkte Pogrome an der tamilischen Zivilbevölkerung. Als Reaktion hierauf formierte sich in Gestalt der Liberation Tigers of Tamil Eelam, LTTE, ein bewaffneter tamilischer Widerstand, der über eine Massenbasis verfügte, mittels derer dann die militärische De-facto-Abspaltung der Tamilengebiete Sri Lankas erst bewerkstelligt werden konnte. Die Frage von Ursache und Wirkung lässt sich -somit eindeutig beantworten: Die sri-lankischen Regierungen haben den im Kern sozio-ökonomischen Verteilungskonflikt gezielt ethnisiert, um einen Krieg zwischen den Bevölkerungsgruppen anzuzetteln. Der Bürgerkrieg kam den singhalesischen Eliten gut gelegen, weil er ihnen die Möglichkeit bot, sich mithilfe autoritärer Methoden der Machtausübung nach innen auf Kosten der eigenen Bevölkerung schamlos zu bereichern und hierfür die Tamilen als Sündenböcke zu missbrauchen. Während des jahrzehntelangen Bürgerkriegs wurden auf beiden Seiten schwere Menschenrechtsverletzungen verübt. In der Schlussphase des Bürgerkriegs haben sich nach Einschätzung der UNO und von internationalen Menschenrechtsorganisationen die Kriegsführungsmethoden der beiden militärischen Konfliktparteien nochmals brutalisiert: Die sri-lankischen Streitkräfte haben im Zusammenwirken mit singhalesischen Paramilitärs und Todesschwadronen bei ihrem Vormarsch eine Vielzahl von tamilischen Zivilistinnen und Zivilisten getötet und extralegale Exekutionen von Kriegsgefangenen durchgeführt, Krankenhäuser, Schulen und andere zivile Einrichtungen angegriffen und humanitäre Hilfe für die notleidende und traumatisierte Zivilbevölkerung verweigert. Das sind zweifellos schwere Kriegsverbrechen. Die LTTE hat ihrerseits Zivilistinnen und Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, Fluchtversuche der Zivilbevölkerung mit drakonischen Strafen wie Erschießungen aktiv unterbunden und trotz aussichtsloser militärischer Lage Kindersoldaten zwangsrekrutiert. Wenn wir heute über notwendige Versöhnungsprozesse zwischen Singhalesen und Tamilen diskutieren, müssen wir folglich immer bedenken, dass das schreckliche Kriegsgeschehen aufgearbeitet werden muss und sich die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Sri Lanka grundlegend ändern müssen. Die aktuelle Menschenrechtslage ist dramatisch: Politische Auftragsmorde an und das Verschwindenlassen von Regierungskritikerinnen und -kritikern sind an der Tagesordnung. Erst kürzlich wurde sogar die Oberste Richterin Sri Lankas, Shirani Bandaranayake, ihres Amtes enthoben, weil sie zwei Gesetzesvorhaben der Regierung wegen Verfassungswidrigkeit suspendiert hatte. Dieses Beispiel zeigt, dass in der Realität die Gewaltenteilung zugunsten der Exekutive aufgehoben ist. Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, die sich insbesondere auch für die Rechte der tamilischen Bevölkerung einsetzen, werden meist pauschal der Unterstützung des Separatismus und der Propaganda für die besiegte frühere Rebellenarmee LTTE bezichtigt. In den tamilischen Siedlungsgebieten werden von der sri-lankischen Regierung in großem Umfang gezielt Familien von singhalesischen Militärangehörigen angesiedelt, um die ethno-demografischen Mehrheitsverhältnisse in naher Zukunft umzukippen. Für die tamilische Bevölkerung sind dagegen kaum Arbeitsmöglichkeiten vorhanden. Besonders schwer haben es alleinstehende Tamilinnen, die während des Krieges ihre Männer und Söhne verloren haben. Sie leiden unter extremer gesellschaftlicher Ausgrenzung, da sie oft zur Armutsprostitution gezwungen sind. Viele von ihnen arbeiten aus schierer Not als Sexsklavinnen für singhalesische Soldaten, weil sie sich davon wenigstens den Zugang zu überlebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln erhoffen. Eine öffentliche Aufarbeitung der Kriegsverbrechen hat bisher kaum stattgefunden. Gegen die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission der UNO hat sich die sri-lankische Regierung vehement gewehrt und stattdessen zu Alibizwecken eine eigene Kommission gebildet, die erwartungsgemäß nur solche Erkenntnisse zutage gefördert hat, nach denen ausschließlich die tamilische Seite Verantwortung für begangene Menschenrechtsverletzungen zu tragen habe. Vor diesem Hintergrund ist das bevorstehende Prüfverfahren vor dem UN-Menschenrechtsrat ein geeignetes Instrument, um auf internationaler Ebene auf die genannten Missstände hinzuweisen und Verbesserungen einzufordern. Der Antrag der SPD beschreibt im Feststellungsteil die gegenwärtige Situation zutreffend, und seine Forderungen finden unsere Unterstützung. Da die Linke stets in der Sache entscheidet, stimmt sie dem Antrag zu. Wir wären erfreut gewesen, wenn sich die SPD umgekehrt bei unserem Antrag zu Sri Lanka ähnlich konstruktiv verhalten hätte. Das Thema Menschenrechtsverletzungen ist viel zu ernst, um damit parteitaktische Spielchen auf dem Rücken der Betroffenen auszutragen. Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bürgerkrieges in Sri Lanka 2008/2009 gehören zu den schlimmsten Gräueltaten des vergangenen Jahrzehnts. 40 000 Zivilisten, so schätzen die Vereinten Nationen, sind allein in den letzten Monaten des Konflikts ums Leben gekommen. Sowohl die sri-lankische Regierungsarmee als auch die tamilische Rebellenorganisation LTTE, "Befreiungstiger von Tamil Eelam", haben Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. In erster Linie hat die Regierung Sri Lankas in ihrer Verantwortung für den Schutz der eigenen Bevölkerung versagt. Doch auch die Vereinten Nationen, VN, und ihre Mitgliedstaaten sind der 2005 beschlossenen Schutzverantwortung, der Responsibility to Protect, RtoP, nicht gerecht geworden. Mit dem RtoP-Konzept hat sich die internationale Gemeinschaft darauf verständigt, bei schwersten Menschenrechtsverletzungen nicht mehr wegzusehen, sondern sie zu verhindern, mit zivilen Mitteln, soweit dies irgend geht, und nur im äußersten Notfall mit militärischen Mitteln, und das nach der VN-Charta. Fast 20 Jahre nach der Tragödie in Ruanda hat die internationale Gemeinschaft noch zu wenig aus vergangenen Fehlern gelernt. Das zeigt ein im November 2012 veröffentlichter Untersuchungsbericht, den VN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in Auftrag gegeben hat, "Report of the -Secretary-General's Internal Review Panel on United Nations Action in Sri Lanka". Der Bericht legt Versäumnisse der VN und ihrer Mitgliedstaaten während der letzten Monate des Bürgerkriegs in Sri Lanka schonungslos offen. Wir sollten ihn nutzen und breit diskutieren, um aus Fehlern zu lernen und Menschen in ähnlichen Situationen künftig wirksamer vor schwersten Menschenrechtsverletzungen schützen zu können. Vor allem müssen wir besser werden in der Prävention solcher Verbrechen, damit militärische Eingriffe erst gar nicht nötig werden. Laut dem Bericht hat die internationale Gemeinschaft in vier Bereichen versagt. Erstens sind die VN der Regierung Sri Lankas nicht entschieden genug entgegengetreten, als diese den Zugang zur schutzbedürftigen Bevölkerung verwehrt hat. Stattdessen haben die VN eine Konfrontation vermieden und Menschenrechtsverletzungen nicht entschieden kritisiert. Indem auf den Menschenrechtsschutz zugunsten des humanitären Zugangs verzichtet wurde, konnte schließlich beides nicht erreicht werden. Zweitens waren die Planungsverfahren der VN zu langsam und ihre institutionellen Strukturen veraltet. Verantwortlichkeiten innerhalb der VN-Hauptverwaltung waren unklar; dem Landesteam fehlte es an menschenrechtlicher Expertise. Drittens war der Informationsaustausch zwischen den VN und ihren Mitgliedstaaten über die Situation in Sri Lanka unzureichend. Die VN haben an die Mitgliedstaaten kommuniziert, was diese aus Sicht der VN wissen wollten, nicht das, was sie hätten wissen -müssen. So konnte die Regierung Sri Lankas ihre Menschenrechtsverletzungen weiterhin unter dem Deckmantel einer letzten Offensive im "Krieg gegen den Terror" begehen. Viertens haben die Mitgliedstaaten die VN nicht zum Handeln gedrängt. Die Situation in Sri Lanka wurde nicht bzw. zu spät auf die Agenda des VN-Sicherheitsrates, des VN-Menschenrechtsrates und der VN-Generalversammlung gesetzt. Durch Nichthandeln machen wir uns zu Komplizen von Menschenrechtsverbrechen. Der Bericht zeigt, dass wir auf verschiedenen Ebenen mehr tun müssen, um unseren humanitären Schutzauftrag zu erfüllen und Einrichtungen und Verfahren der VN und der Mitgliedstaaten tauglicher für die Prävention von schwersten Menschenrechtsverletzungen zu machen. Er gibt eine Reihe von Handlungsempfehlungen. Gerade im Bereich der Kommunikation und Informationspolitik gibt es Möglichkeiten, die Prävention zu verbessern. So ruft der Bericht die Vereinten Nationen die Mitgliedstaaten auf, Krisen stärker aus RtoP-Perspektive zu betrachten. Außerdem sollen neue institutionelle und prozessuale Formen der Zusammenarbeit zwischen VN, Mitgliedstaaten und Re-gionalorganisationen geschaffen und die Kommunikation zwischen Hauptquartier und dem Feld intensiver und transparenter gestaltet werden. In Krisensituationen sollte zum richtigen Zeitpunkt Kritik geübt werden. Wichtig erscheinen mir auch Verbesserungen im Management der VN-Reaktion auf RtoP-Situationen. Eine klare Zuweisung der Verantwortung innerhalb des VN-Systems könnte zu einer verbesserten Koordination, einem effizienteren Einsatz von Ressourcen und der Vermeidung von Parallelstrukturen und der Schließung von Zuständigkeitslücken führen. Außerdem sollte bei der Auswahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der VN menschenrechtliche Expertise eine größere Rolle spielen. Ich wünsche mir eine aktive konzeptionelle und operative Mitarbeit der Bundesregierung, damit die Empfehlungen des Berichtes wirksam umgesetzt werden können. Aufgrund unserer historischen Verantwortung für die Verhütung von Völkermord sollten wir die Ersten sein, die zu einem besseren Schutz vor schwersten Menschenrechtsverletzungen beitragen. Der Bericht des Generalsekretärs liefert wichtige Hinweise. Jetzt ist es an uns, sie mit Leben zu füllen. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12466. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist durch die Koalitionsfraktionen abgelehnt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 29 auf: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren - Drucksache 17/12035 - Überweisungsvorschlag: Rechtsausschuss (f) Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Wir beraten heute in erster Lesung den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren. Ziel dieses Gesetzes ist die Verhinderung oder Einschränkung von Umgehungsmöglichkeiten im Beurkundungsrecht, die nicht zuletzt in den Fällen des Verkaufs -sogenannter Schrottimmobilien offenkundig wurden. Vor diesem Hintergrund bin ich vor allem dem Berliner Justizsenator Heilmann für seine Initiative dankbar, durch eine Änderung des Beurkundungsgesetzes Verbraucher vor derartigen Geschäftsmodellen besser zu schützen. Um was geht es? Bereits seit Mitte der 90er-Jahre sind Fälle bekannt geworden, in denen Verbraucher zur übereilten Beurkundung von Immobilienkaufverträgen gedrängt wurden. Oftmals lagen jedoch die Verkehrswerte dieser Immobilien deutlich unter dem verabredeten Kaufpreis. Zuvor wurde mit vollmundigen Versprechen einer lukrativen Geldanlage den Kaufinteressenten die Investition angepriesen. Ebenfalls wurden die Käufer mit dem Hinweis auf weitere Kaufinteressenten zum schnellen Abschluss gedrängt. Später stellte sich für die Verbraucher heraus, dass die tatsächliche Immobilie nicht den Versprechungen und Erwartungen entsprach, die vom Verkäufer geweckt wurden. Oft handelte es sich bei der beschriebenen Sanierung des Objektes nur um eine sogenannte Pinselsanierung, bei der nur notdürftig Mängel bearbeitet wurden. So blieben in der Folge auch die erzielten Mieteinnahmen hinter den Erwartungen zurück und reichten nicht wie versprochen aus, um die Kreditraten zu decken. Erforderlich wurde dann ein erheblicher Einsatz eigenen Geldes. Kam es deswegen zu einem vorzeitigen Verkauf der Immobilie, waren die finanziellen Verluste für den Verbraucher oft existenzbedrohend. Bei der Frage, wie es denn zum notariellen -Abschluss derartiger überhasteter Kaufabschlüsse überhaupt kommen konnte, war zum Beispiel in einem Interview mit dem Präsidenten des Berliner Landgerichts, Bernd Pickel, in der "Berliner Morgenpost" im Februar diesen Jahres zu lesen: "Das Beurkundungsgesetz sieht vor, dass der Verbraucher den Vertragsentwurf zwei Wochen vor Unterzeichnung schon vorliegen haben muss. Wir haben bei den Fällen sehr oft festgestellt, dass die Vertriebsunternehmen, die das Immobiliengeschäft einfädeln, die Kunden gebeten haben, den Notar darüber zu belügen. Wenn der Notar dann fragt, ob der Vertrag in der Frist schon bekannt war, haben die Leute Ja gesagt. Das hatte System." Der viel gescholtene Formzwang des BGB, der beim Immobilienkaufvertrag das strengste Formerfordernis der notariellen Beurkundung vorsieht, wird zwar oft genug als zu bürokratisch kritisiert, ist aber dennoch immer wieder - wie auch dieses Beispiel zeigt - Umgehungsversuchen ausgesetzt. So haben wir in der Stellungnahme des Deutschen Notarvereins zu diesem Gesetzgebungsvorhaben lesen können, ich zitiere: "Versuche von Beteiligten, das Beurkundungsverfahren zum eigenen Vorteil auszuhöhlen und dessen Schutzfunktion zu unterlaufen, sind wahrscheinlich so alt wie das Beurkundungsverfahren selbst." Mit Einführung des § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 des -Beurkundungsgesetzes im Jahr 2002 erkannte der -Gesetzgeber, dass neben der Beurkundungspflicht für Immobilienkaufverträge, die den Beteiligten die Tragweite ihres rechtsgeschäftlichen Handelns vor Augen führen sollte, es im Bereich der Verbraucherverträge aber eines zusätzlichen Schutzes bedurfte. Wegen der Komplexität eines Immobilienkaufvertrages und dem - wodurch auch immer bedingten - hohen Entscheidungsdruck sah der damalige Gesetzgeber die Notwendigkeit, dem Verbraucher ausreichend Gelegenheit zu geben, den Vertragstext aufmerksam zu studieren und die rechtlichen Folgen zu erkennen. Um Verbrauchern so ein Mindestmaß an Bedenkzeit zu ermöglichen, wurde damals der § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 des Beurkundungsgesetzes geschaffen. Hiernach soll der Notar darauf hinwirken, dass Verbraucher den zu beurkundenden Vertragstext mindestens zwei -Wochen vor dem Beurkundungstermin ausgehändigt bekommen. Zwei Wochen, um den Vertragstext zu verinnerlichen und sich am Ende über die Wirkung im Klaren zu sein, wenn vor dem Notar die Unterschrift geleistet wird. Dies ist eine aus Sicht des Verbraucherschutzes sinnvolle Regelung, die, wie sich in den -Folgejahren aber zeigte, in der Umsetzung nicht zum gewünschten Erfolg führte, denn sie weist eine entscheidende Schutzlücke auf. So soll der Notar nach der derzeitigen Fassung des Gesetzes zwar darauf hinwirken, dass die Zweiwochenfrist eingehalten wird, jedoch kann die Aushändigung des Vertragsentwurfes bislang auch durch den Verkäufer oder sonstige Dritte selbst geschehen. Hieraus ergibt sich ein erhebliches Missbrauchs-potenzial; denn ob diese Aushändigung durch einen Dritten tatsächlich unter Fristwahrung stattfindet, lässt sich durch den Notar nur schwer überprüfen. Zahlreich sind offenbar die Fälle, in denen zur Ausnutzung dieses Mangels dubiose Verkäufer ihren Kunden erklären, es handele sich bei der Frist um eine reine Formalie und es solle dem Notar bei der Beurkundung einfach wahrheitswidrig die Einhaltung der Frist bestätigt werden. Der Vorstoß des Bundesrates, diese Umgehungsmöglichkeit durch eine Änderung des § 17 Abs. 2 a -BeurkG einzuschränken, ist aus meiner Sicht im Grundsatz zu begrüßen. Nicht zuletzt die neuesten Meldungen über die zahlreichen Fälle von Verkäufen von Schrottimmobilien zum Beispiel in Berlin machen deutlich, dass hier offenkundig Handlungsbedarf besteht. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf soll zukünftig der beurkundende Notar nunmehr selbst die Aushändigung des Vertragsentwurfes mindestens zwei -Wochen vor dem Termin vornehmen. Zweifellos führt dies zu einer besseren Kontrolle für den Notar und einer erhöhten Transparenz und Nachvollziehbarkeit auch durch die Dienstaufsicht. Wird die Frist unterschritten, soll der Notar dies in der Niederschrift angeben. Die Einhaltung der Zweiwochenfrist für Verbraucher wird durch diese Gesetzesänderung deutlich besser gewährleistet. Gleichwohl können sich aus der derzeitigen Fassung des Gesetzentwurfes Nebeneffekte ergeben, die es zu vermeiden gilt und die wir während der parlamentarischen Beratungen näher beleuchten sollten: Zum einen ist das die im Gesetzeswortlaut verwendete Formulierung hinsichtlich der Kostenfreiheit des Vertragsentwurfes. An sich könnte diese Formulierung an dieser Stelle gänzlich entfallen, da sich dies bereits aus der Kostenordnung ergibt. In der Regel ist ja der Verbraucher nicht der Auftraggeber des Entwurfes. Wenn man denn aber hier eine Klarstellung der -Kostenfreiheit für den Verbraucher wünscht, dann sollte dies auch eindeutig formuliert werden. In seiner aktuellen Fassung führt der Gesetzentwurf des Weiteren zu einer Fragestellung, welche Auswirkungen die Gesetzesformulierung hat, wenn die Vertragsparteien nicht am gleichen Ort wohnen. Nehmen wir einmal an, der Verkäufer beauftragt seinen Notar vor Ort mit der Anfertigung des Entwurfes, später aber möchte der Käufer die Beurkundung statt am Ort des Verkäufers an seinem Wohnort bei seinem Notar durchführen lassen. In diesem Fall müsste laut dem Gesetzestext der Vertragsentwurf ein zweites Mal vom "Käufernotar" dem Verbraucher fristgerecht zur Verfügung gestellt werden. Diese Vorgehensweise erscheint nicht nur unnötig kompliziert, es stellt sich auch die Frage, wie die Kosten der beiden Notare in dieser Konstellation abgerechnet werden sollen. Hier sollte überlegt werden, ob es sinnvoll ist, dass zwingend der "beurkundende" Notar die Aushändigung des Vertragsentwurfes vornehmen muss. Der weitere Vorschlag im Gesetzentwurf, die Amtsenthebungsgründe für Notare des § 50 Abs. 1 Nr. 9 BNotO um Verstöße gegen § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 -BeurkG zu erweitern, ist im Lichte der Tatsache, dass vereinzelt Notare als sogenannte Mitternachtsnotare an der übereilten Beurkundung vorsätzlich mitgewirkt haben, sinnvoll und standesrechtlich geboten. Im Rechtsausschuss werden wir Gelegenheit haben, die Fragen, die sich aus dem Gesetzentwurf noch ergeben, gemeinsam zu erörtern, sodass wir am Ende der Beratungen über einen Vorschlag entscheiden können, der die begrüßenswerte Zielstellung des Gesetzentwurfes auch passgenau umsetzt. Christoph Strässer (SPD): "Der Notar hat das Beurkundungsverfahren so zu gestalten, daß eine Überrumpelung der Beteiligten durch gewerblich tätige Vermittler vermieden wird. Unzulässig ist insbesondere eine Vergabe von Terminen ... außerhalb der üblichen Arbeitszeiten, wodurch es den Vermittlern ermöglicht wird, Interessenten in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Anwerbegesprächen zur Vornahme einer Beurkundung zu veranlassen." OLG München vom 20. April 1994, so auch zitiert in der Stellungnahme der Bundesnotarkammer. Wir beschäftigen uns heute mit der Stärkung der Rechte des Verbrauchers im notariellen Beurkundungsverfahren, vor allem für den Bereich der Schrottimmobilien und Mitternachtsnotare. Insbesondere seit den 90er-Jahren werden unerfahrenen Käufern unter dem Vorwand von Steuervorteilen, totsicheren Wertsteigerungen etc. sogenannte Schrottimmobilien zu völlig überhöhten Preisen angeboten. Unseriöse Strukturvertriebe und Drücker üben während der Gespräche Druck auf die Kaufinteressenten aus. Unter dem Vorwand, es gäbe noch weitere Interessenten, werden die Käufer zu unüberlegten überhasteten Vertragsabschlüssen gedrängt, meist ohne dass sie den Verkäufer und das Objekt kennen. Oft am Wochenende oder zu später Stunde noch werden Notarverträge unterzeichnet - der "Mitternachtsnotar" kommt zum Einsatz. Der Gesetzgeber reagierte 1998 und 2002 und fügte § 17 Abs. 2 a Satz 2 und 3 ins BeurkG ein, wonach der Verbraucher ausreichend Gelegenheit erhalten soll, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen. In der Regel soll er den beabsichtigten Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt bekommen. Das war der richtige Ansatz, aber augenscheinlich nicht weitgehend genug. In den letzten Jahren häufen sich wieder die Beschwerden von getäuschten und betrogenen Verbrauchern. Wie wird vorgegangen? Ein beliebtes Vorgehen war lange Zeit die Aufspaltung der Beurkundung in Kauf-angebote und Verkäufe. Beim Notartermin mit dem überrumpelten Käufer ist dann der Verkäufer und Bauträger nicht anwesend. Der Käufer kann sich kein Bild vom Verkäufer machen, keine Nachfragen stellen zur Beschaffenheit der Wohnung, die Vermietsituation etc. In Einzelfällen war sich der Interessent gar nicht darüber bewusst, dass sein Angebot schon so verbindlich und ausreichend ist, dass der Verkäufer zu einem späteren Zeitpunkt ohne Weiteres annehmen kann und der Vertrag zustande kommt. Die Richtlinienempfehlung der Bundesnotarkammer für die Amtspflichten der Notare besagt aber, dass eine systematische Aufspaltung von Verträgen in Angebot und Annahme, soweit die Aufspaltung nicht aus besonderen sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, unzulässig ist. Ein weiteres Problem bleibt die Übereilung. In den problematischen Fällen wird die Zweiwochenfrist nicht eingehalten. Zwar soll dem Verbraucher der Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen vor Beurkundung zur Verfügung gestellt werden. Doch das musste bisher nicht durch den Notar geschehen. Der Notar musste darauf vertrauen, dass der Verkäufer oder Vertriebsmitarbeiter den Text weitergeleitet hatte und der Käufer das wahrheitsgetreu bestätigte. Es ist aber vorgekommen, dass die Verbraucher auf Veranlassung von Vertriebsmitarbeitern den Notaren unrichtige Antworten gegeben haben, um eine sofortige Beurkundung ohne Einhaltung der Frist erreichen zu können. Das ist sicherlich der Hauptanwendungsfall. Nicht die Notare sind die Urheber der Missstände, sondern unseriöse Vertriebsmitarbeiter. Das soll betont werden. In Einzelfällen besteht aber auch die Gefahr, dass Mitternachtsnotare mit den Strukturvertrieben in einem zu engen Kontakt stehen und für diese Tag und Nacht erreichbar sind. Steht der Notar in einem zu engen Kontakt zu den Bauträgern, den Vermittlern und Verkäufern, ist die Unparteilichkeit des Notars gefährdet. Deshalb ist es richtig, wenn diese Regelungslücke geschlossen wird. Ich begrüße daher die Initiative der Großen Koalition des Landes Berlin. Auf Initiative des Landes Berlin haben die Justizminister der Länder im Juni 2012 Handlungsbedarf für einen verbesserten Verbraucherschutz beim Immobilienerwerb gesehen. Insbesondere sei dafür Sorge zu tragen, dass sogenannte Strukturvertriebe nicht die mangelnde Erfahrung von Käufern ausnutzen und ihnen dadurch nachhaltigen wirtschaftlichen Schaden zufügen. Nun liegt dem Bundestag der Bundesratsentwurf vor. Ich begrüße es, den Notar noch besser und weitreichender in den Verbraucherschutz einzubeziehen. Kernpunkt der Neuregelung ist es, dass dem Verbraucher der Text des Rechtsgeschäftes zwei Wochen vor der Beurkundung aus der Sphäre des Notars zugesandt wird. Damit ändert sich an der notariellen Praxis wenig. Im besten Fall und regelmäßig haben die Notare das bereits so gemacht. Jetzt wird aus einer wünschenswerten Praxis eine gesetzliche Regel. Gerade in den Missbrauchsfällen wird die Änderung es dem Verbraucher erleichtern, sich der Beeinflussung und dem Drängen von Vertriebsmitarbeitern einfacher entziehen und eine informierte Entscheidung treffen zu können. Zu den Pflichten des Notars gehören die unpar-teiische Betreuung, Belehrungspflichten, Hinweispflichten, die Überwachung von Verträgen. Es ist nicht die Aufgabe des Notars, zu prüfen, ob eine Immobilie als Kapitalanlage für einen Anleger geeignet ist. Er führt keine steuerrechtliche oder verkehrstechnische Prüfung durch. Der Notar ist aber in der Lage, den Verbraucher dahin gehend zu beraten, wer ein geeigneter Ansprechpartner für die Prüfung der Angelegenheit in wirtschaftlicher Hinsicht sein könnte. Das wird ohne Zeitdruck besser möglich sein. Kritisch wird angemerkt, dass durch die Regelung der Verbraucher gegenüber Unternehmern, die eine Immobilie erwerben wollen, benachteiligt werden könnte, da die Verbraucher durch die Zweiwochenfrist keine zeitnahen Entscheidungen treffen könnten. Grundsätzlich ist das richtig. Doch handelt es sich bei der Frist nur um eine Regelfrist, von der abgewichen werden kann, wenn im Einzelfall Eile geboten ist. Derzeit besteht keine Pflicht des Notars, eine Verkürzung der Frist zu begründen. Das soll sich nun ändern. Durch die Einführung einer Dokumentationspflicht für die Verkürzung der Zweiwochenfrist kann eine spätere Überprüfung des Rechtsgeschäfts, zum Beispiel durch die Dienstaufsichtsbehörde, auf dokumentierter Grundlage erfolgen. Da die Dokumentation Teil der Niederschrift und dem Verbraucher bei der Beurkundung verlesen wird, wird dieser auch noch einmal deutlich auf den Verzicht der schützenden Frist hingewiesen. Der Gesetzentwurf macht deutlich, dass die Versendung der Unterlagen durch den Notar gebührenfrei erfolgt. Der Begriff "kostenfrei" könnte insofern missverständlich sein, als dass damit nicht gemeint sein sollte, dass der Notar eigene Aufwendungen nicht erstattet bekommen kann, wie zum Beispiel Kopier- und Portokosten. Als unterstützenden Punkt erweitert der Gesetzentwurf die Bundesnotarordnung um einen weiteren disziplinarrechtlichen Sondertatbestand. Als neuer Amtsenthebungsgrund in § 50 Abs. 1 BnotO wird der wiederholte grobe Pflichtverstoß gegen die verbraucherschützenden Pflichten aus § 17 Abs. 2 a Satz 2 -BeurkG aufgenommen. Der Gesetzentwurf stößt auf breite und auch unsere Zustimmung. Bundesrat, Bundesregierung, DAV und BNotK begrüßen den Entwurf, wenn auch DAV und BNotK den disziplinarrechtlichen Teil ablehnen. Die Frage ist, warum die Bundesregierung, namentlich Verbraucherministerin Aigner, nicht früher tätig geworden ist. So hoffe ich aber, dass die Bundesratsinitiative aus Berlin breite Unterstützung findet. Über Details lässt sich sicherlich reden. Mechthild Dyckmans (FDP): Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren hat das Ziel, unlauteren Geschäftspraktiken entgegenzuwirken. Ausgangspunkt ist, dass seit den 90er-Jahren vermehrt minderwertige Immobilien an Verbraucher als Vermögensanlage oder Altersvorsorge verkauft werden. Diese sogenannten Schrottimmobilien haben einen erheblich geringeren Verkehrswert als der vom Verbraucher zur Begleichung des Kaufpreises aufgenommene Kredit. Bei einem vorzeitigen Verkauf oder einer Zwangsversteigerung der Immobilien können die Verbraucher daher existenzbedrohende Verluste erleiden. Schon im Jahre 2002 wurde daraufhin das Beurkundungsgesetz ergänzt, um Verbraucher besser vor solchen Schrottimmobilienkäufen zu schützen. Der Schutzbedarf des Verbrauchers ergibt sich in diesem Fall aus seiner strukturellen Unterlegenheit gegenüber dem Bauträger oder Vertriebsunternehmer. Mit der Einführung des § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 BeurkG sollte dem Verbraucher ausreichend Zeit - in der Regel zwei Wochen - gegeben werden, um den Inhalt des Rechtsgeschäftes prüfen zu können und keine übereilte Entscheidung zu treffen. In der tatsächlichen Praxis ist § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 BeurkG seiner Warn- und Schutzfunktion jedoch kaum gerecht geworden. Deshalb sollen mit diesem Gesetzentwurf aufgetretene Schutzlücken im Beurkundungsgesetz geschlossen werden und es der Dienstaufsicht über die Notarinnen und Notare erleichtert werden, die Einhaltung der Regelung zu kontrollieren. Die Schutzlücken sind dadurch entstanden, dass die derzeitige Regelung nicht ausdrücklich verlangt, dass der Beurkundungstext dem Verbraucher vom Notar selber überlassen wird. Der Text kann auch durch einen Unternehmer - zum Beispiel dem Bauträger - oder einem Vertriebsmitarbeiter dem Verbraucher zur Verfügung gestellt werden. Diese Praxis hat dazu geführt, dass sich der Verbraucher bei Fragen zu dem Beurkundungstext in aller Regel an die Person wendet, von der er den Text erhalten hat. Da aber der Bauträger oder der Vertriebsmitarbeiter ein eigenes Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat, wird eine objektive Aufklärung über Risiken und Nachteile für den Verbraucher durch diese Personen kaum stattfinden. Vielmehr dürften eigene Interessen des Unternehmers bei einer "Aufklärung" des Verbrauchers im Vordergrund stehen. Der Gedanke des Verbraucherschutzes wird durch diese Handhabung umgangen. Für den Notar muss die Einhaltung der Frist für den Verbraucher von zwei Wochen nachvollziehbar sein. Bei Überlassung des Beurkundungstextes durch Dritte ist die Einhaltung der Zweiwochenfrist für den Notar nicht kontrollierbar. Der Verbraucher kann in vielen Fällen die Bedeutung und die Tragweite dieser Zweiwochenfrist nicht richtig einschätzen. Er fühlt sich genötigt, sie fälschlicherweise zu bejahen, da er dies als rein formalistisches Verfahren einschätzt. Der Verbraucher ist deshalb nicht vor einem übereilten Handeln ausreichend geschützt; er ist sich der Tragweite seiner Entscheidung nicht bewusst. Genau an diesen derzeitigen Schlupflöchern setzt der Gesetzentwurf an. § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 -BeurkG soll künftig den Notar oder seinen Sozius verpflichten, den Beurkundungstext dem Verbraucher zwei Wochen vor der Beurkundung selbst zu überlassen. Der Notar soll sowohl die Überlassung des Beurkundungstextes, wie auch - in seltenen Fällen - die Unterschreitung der Zweiwochenfrist dokumentieren. Damit wird die tatsächliche Ausgestaltung einer notariellen Beurkundung gegenüber dem Verbraucher konkretisiert und die Warn- und Schutzfunktion der notariellen Beurkundung wiederhergestellt. Die zwingende notarielle Begleitung bei einem Immobilienkauf als Schutz für den Verbraucher ist auch Ausdruck der besonderen Stellung der Notare. Sie können nicht nur rechtlich über Gefahren oder Risiken -eines Geschäfts aufklären, sondern sind in ihrer Funktion als Rechtspflegeorgan unabhängige und unparteiische Betreuer der Beteiligten. Notare sind Träger eines öffentlichen Amtes und Teil der vorsorgenden Rechtspflege. Daraus ergibt sich bereits eine Aufklärungspflicht für besonders risikoreiche Geschäfte. Verbraucher sind deshalb bei Notaren in guten Händen. Anders als im Gesetzentwurf des Bundesrates vorgesehen, bedarf es der Feststellung im Gesetzestext zur Kostenlosigkeit der Neuregelung nicht. Zum einen passt eine kostenrechtliche Regelung von der Systematik her nicht ins Beurkundungsgesetz. Zum anderen fehlt es bereits an einem Gebührentatbestand; das macht eine Aussage über die Kostenfreiheit überflüssig. Soweit der Gesetzentwurf vorsieht, bei einer Verletzung der Pflicht des Notars zur Überlassung des Beurkundungstextes oder der Nichteinhaltung der Zwei-Wochen-Frist ohne Begründung disziplinarische Maßnahmen einzuleiten, halte ich dies für angemessen. Die vorgeschlagene Änderung der Bundesnotarordnung wird Pflichtverstößen wirksam entgegenwirken. Eine einschneidende Disziplinarmaßnahme wie die Amtsenthebung muss jedoch restriktiv gehandhabt werden und darf nur bei groben beziehungsweise mehrfachen Pflichtverletzungen gegen § 17 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 2 BeurkG zulässig sein. Mit diesem Gesetzentwurf entwickeln wir die Grundlage eines praxisgerechten Verbraucherschutzes weiter. Denn ob ein Gesetz die gewünschte Wirkung entfaltet, zeigt sich oft erst bei seiner Anwendung. Durch diese Klarstellung im Beurkundungsgesetz wird der Verbraucher besser und objektiv aufgeklärt. Erst durch eine qualitative und objektive Aufklärung von Vor- und Nachteilen eines Rechtsgeschäfts ist eine eigenständige und abwägende Meinungsbildung für den Verbraucher überhaupt möglich. Jens Petermann (DIE LINKE): Mit einer Änderung des Bundesnotargesetzes und der Bundesnotarordnung möchten die Verfasser des Gesetzentwurfs aus dem Bundesrat die Verbraucherinnen und Verbraucher besser schützen. Bei einem -Immobilienkauf sollen die Notarinnen und Notare zukünftig den Vertragstext zwei Wochen vor Unterzeichnung den Verbraucherinnen und Verbrauchern kostenlos zur Verfügung stellen, damit diese ausreichend Zeit haben, sich mit dem Kaufgegenstand auseinanderzusetzen. Mit diesem Verfahren sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher vor einem Kauf von Schrott-immobilien, das heißt nicht werthaltigen Immobilien zu überhöhten Preisen, geschützt werden. Offenkundig dreht sich das Schrottimmobilien-karussell der 90er-Jahre wieder munter weiter. Die Menschen versuchen vermehrt, ihr Geld in Immobilien anzulegen, um es vor einem vermeintlich drohenden Euro-Crash zu retten. Gerade in diesem Bereich hat sich in letzter Zeit die Rechtsprechung zugunsten der Verbraucherinnen und Verbraucher weiterentwickelt. Eine verstärkte Haftung der Banken bei der Finanzierung solcher Schrottimmobilien erschwert es heutzutage, in derart unseriöser Weise Geschäfte zu machen. Die Linke ist der Ansicht, dass dieser Form der Geschäftemacherei ein Riegel vorgeschoben werden muss. Dafür bietet der vorliegende Entwurf gute Ansätze. In der Vergangenheit wurden deutschlandweit systematisch minderwertige Immobilien an Verbraucherinnen und Verbraucher veräußert, bei denen der -Verkehrswert deutlich unter dem zum Erwerb erforderlichen Kreditbetrag lag. Somit war vorprogrammiert, dass die Käuferinnen und Käufer im Falle eines - möglicherweise auch zwangsweisen - Wiederverkaufs auf einem Schuldenberg sitzen blieben, der in vielen Fällen direkt in die Privatinsolvenz führte. Bei solchen Geschäften bestand meist eine Zusammen-arbeit zwischen unseriösen Maklerinnen und Maklern mit Kreditunternehmen. Eines von vielen Beispielen ist die bekannt gewordene Querverbindung zwischen dem Dortmunder Immobilienvertrieb Heinen & Biege und der Bausparkasse Badenia. Vor diesem Hintergrund und vor allem mit Hinblick auf die existenzbedrohenden Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen die gesetzlichen Schutzlücken in diesem Bereich endlich geschlossen werden. Der vorliegende Entwurf ist noch nicht der "Stein der Weisen" für einen umfassenden Schutz vor einem Kauf einer Schrottimmobilie, aber ein Schritt in die richtige Richtung. In den meisten dieser Fälle drängen die Verkäuferinnen und Verkäufer, zum Teil unter dem Vorwand des besonders günstigen Angebotes oder dem Vorhandensein von Mitbewerbern, auf eine sehr schnelle Abwicklung des Kaufs. Das führt dazu, dass für Beurkundungen die Zweiwochenfrist des Beurkundungsgesetzes fast nie eingehalten wird. Dieses wurde 2002 eingeführt, um das bekannte Phänomen zu unterbinden. Gebracht hat diese Norm wenig, weshalb nun nachgebessert werden muss. Fortan sollen die Notare den beabsichtigten Text für das Rechtsgeschäft den Verbrauchern direkt zur Verfügung stellen. Die Notare dokumentieren das Datum der Zurverfügungstellung in ihren Akten und überwachen somit die Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 17 Beurkundungsgesetz. So soll die gängige Praxis, dass der Verkäufer den Vertragstext zur Verfügung stellt und der Verbraucher nur vor dem Notar versichert, dass ihm der Text schon zwei Wochen lang vorgelegen habe - egal ob das den Tatsachen entsprach oder nicht -, geändert werden. Verbraucher können sich bei rechtlichen Fragen nun direkt an die Notarin oder den Notar wenden und werden fachkundig und neutral beraten. Weitere Kosten sollen den Verbrauchern dadurch nicht entstehen. Notare sind als Organe der Rechtspflege aufgefordert, dieses Verfahren durchzuführen und genau zu überwachen. Sollte dies unterbleiben, drohen ihnen standesrechtliche Sanktionen durch die Dienstaufsichtsbehörde, wie die Amtsenthebung nach § 50 Abs. 1 Bundesnotarordnung. Die vorgeschlagenen Regelungen sind aus Verbrauchersicht ein Schritt in die richtige Richtung. Ob diese Regelungen ausreichend sind, Schrottimmobilienkaufverträge zu verhindern, wird die Praxis zeigen. Ob das Ziel, einen verlässlichen gesetzlichen Verbraucherschutz herzustellen, mit diesem Gesetz erreicht wird, ist deswegen noch offen. Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zwei neue Begriffe haben vor nicht allzu langer Zeit Eingang in unsere Sprache gefunden: die "Schrottimmobilie" und der "Mitternachtsnotar". Spätestens als 2011 die wahrscheinlich kürzeste Amtszeit eines Senators endete - die zwölftägige Amtszeit des Berliner CDU-Senators für Justiz und Verbraucherschutz -, ist das Problem, das sich hinter diesen Begriffen verbirgt, deutschlandweit bekannt: Verkäufe minderwertiger Immobilien werden kurzfristig beurkundet, ohne dass die Verbraucherin oder der Verbraucher genügend Zeit hatte, die Immobilie oder den Vertrag zu überprüfen. Die Beurkundung erfolgt häufig zu ungewöhnlichen Geschäftszeiten. Der Verkehrswert der Schrottimmobilie ist erheblich geringer als der vom Käufer zur Finanzierung der Immobilie aufgenommene Kredit. Das Resultat: Anstelle einer Geldanlage hat die Verbraucherin oder der Verbraucher ein lebenslanges Verschuldungsproblem. Ich spreche hier nicht von Einzelfällen. Seit den 90er-Jahren wurden Verbraucherinnen und Verbrauchern systematisch Schrottimmobilen als Vermögensanlage oder Altersvorsorge verkauft. In Deutschland wurden Hunderttausende Opfer dieser "Erwerbsmodelle". Es besteht offensichtlich eine Lücke im Verbraucherschutz. Der Gesetzentwurf des Bundesrates zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren, über den wir heute debattieren, ist daher ein begrüßenswerter Schritt hin zu mehr Rechtssicherheit. Verträge über den Kauf von Immobilen müssen notariell beurkundet werden. Dieser Formzwang verfolgt den Zweck, die Vertragspartner vor übereilten, folgenreichen Verpflichtungen zu schützen sowie eine sachgemäße Beratung zu gewährleisten. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Vorschrift konkretisiert diesen Schutzzweck der notariellen Beurkundung: Der Notar soll dem Verbraucher den Vertragstext über den Immobilienkauf im Regelfall zwei Wochen vor der Beurkundung zur Verfügung stellen. Die Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen so ausreichend Zeit, sich mit dem Kauf der Immobile auseinanderzusetzen. Wird die "Bedenkfrist" von zwei Wochen unterschritten, muss der Notar in der Vertragsniederschrift die Gründe für die Unterschreitung angeben. Die Notarin oder der Notar ist als neutraler Funk-tionsträger weder verpflichtet noch berechtigt, die wirtschaftlichen Grundlagen des Immobilienkaufs aufzuklären. Ihr oder ihm kommt vielmehr die Aufgabe zu, die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften zu wahren und Rechtsbelehrung zu leisten. Es ist richtig, die Notarinnen und Notare in den Verbraucherschutz mit -einzubeziehen. Es geht nicht darum, die Grenzen der notariellen Tätigkeit zu erweitern. Es geht darum, -Verbraucherinnen und Verbraucher vor "schwarzen Schafen" zu schützen. Betrügerisches Verhalten Einzelner soll verhindert und angemessen berufsrechtlich sanktioniert werden, bevor strafrechtliche Tatbestände einschlägig sind. Ein weiteres Problem, das den systematischen Vertrieb von Schrottimmobilen erleichtert, wird durch die Neuregelung aber leider nicht gelöst: die Möglichkeit der getrennten Beurkundung von Vertragsangebot und Vertragsannahme. Zum Abschluss eines Kaufvertrags bedarf es immer eines Angebots und einer Annahme. Es ist zivilrechtlich zulässig, wenn ein Notar zunächst das Angebot und mit zeitlichem Abstand die Annahme beurkundet. Das kann den Vertragsschluss vereinfachen, da die Vertragsparteien nicht zur gleichen Zeit vor dem Notar erscheinen müssen. Aber die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme durch unterschiedliche Notare birgt Gefahren für die Beteiligten. Der Notar, der die Annahme beurkundet, muss nur über die rechtliche Bedeutung der Annahme belehren, nicht aber über das Angebot. Im Zweifelsfall kann der die Annahme beurkundende Notar die rechtliche Betreuungstätigkeit gar nicht ausüben, da er die dem Angebot zugrunde liegenden Tatsachen nicht kennt. Besondere berufsrechtliche Verfahrenspflichten, die dem Problem entgegenwirken sollen, bestehen zwar bereits. Im Zusammenhang mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren sollte jedoch überprüft werden, ob die Schutzfunktion der Belehrung durch berufsrechtliche Richtlinien ausreichend gewahrt ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/12035 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Es gibt auch hier keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist so beschlossen. Ich rufe den Zusatzpunkt 9 auf: Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) - Drucksache 17/12484 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Ausschuss für Kultur und Medien (f) Rechtsausschuss Haushaltsausschuss Federführung strittig Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll.22 Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/12484 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP wünschen Federführung beim Innenausschuss. Die Fraktion der SPD wünscht Federführung beim Ausschuss für Kultur und Medien. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktion der SPD abstimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP abstimmen, also Federführung beim Innenausschuss. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fami-lienpflegezeit und zum flexibleren Eintritt in den Ruhestand für Beamtinnen und Beamte des Bundes - Drucksache 17/12356 - Überweisungsvorschlag: Innenausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Arbeit und Soziales Verteidigungsausschuss Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Armin Schuster (Weil am Rhein) (CDU/CSU): Die Bundesregierung legt heute einen Gesetzentwurf vor, um die Familienpflegezeit für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch für die Beamtinnen und Beamten des Bundes zu ermöglichen. Mit der Demografiestrategie der Bundesregierung wollen wir der Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch besser Rechnung tragen und eine familienfreundliche Arbeitswelt -schaffen, auch und insbesondere für die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Bundesbeamtinnen und -beamten. Wenn wir über Familienfreundlichkeit reden, geht es uns oftmals um berufstätige Eltern, um Kitaplätze und Ganztagsschulen. Ich bin froh darüber, dass wir den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz verankert haben, ich befürworte Maßnahmen wie Kitaausbau, Eltern- und Betreuungsgeld. Familienfreundlichkeit ist aber mehr als das. In Familien leben nicht nur Eltern und Kinder, sondern auch Senioren oder andere Angehörige, die Hilfe und Unterstützung brauchen. Pflegt jemand seine Angehörigen, so ist das eine große persönliche Leistung, die wir nicht hoch genug einschätzen können. Wir wollen das Leben und damit auch die Pflege zu Hause, in den eigenen vier Wänden, unterstützen und dabei die Doppelbelastung von Beruf und Pflege reduzieren. Deshalb hat Ministerin Schröder folgerichtig das Instrument der Familienpflegezeit eingeführt. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können damit in Vereinbarung mit ihrem -Arbeitgeber ihre Arbeitszeit für einen begrenzten Zeitraum reduzieren. Die finanziellen Einbußen werden abgemildert, indem sie auf einen längeren Zeitraum verteilt werden. Für Beamtinnen und Beamte wird ein späterer Eintritt in den Ruhestand ermöglicht, um Versorgungseinbußen zu mindern. Wir muten mit der Familienpflegezeit den Arbeitgebern und den anderen Mitarbeitern etwas zu, das dürfen wir nicht vergessen. Ein guter Mitarbeiter, eine fähige Kollegin ist nicht leicht zu ersetzen. Arbeitszeiten und Teamstrukturen sind nicht beliebig änderbar, ohne dass dies Auswirkungen auf die Qualität der Arbeit oder auch die Zufriedenheit der Kolleginnen und Kollegen hat. Ich bitte all jene Kritiker, denen diese Regelung nicht weit genug geht, auch das zu bedenken. Nun sollen auch Beamtinnen und Beamte der Bundesverwaltung die Möglichkeit bekommen, für die Pflege von nahen Angehörigen Familienpflegezeit zu beantragen. Das Verfahren zur Beantragung der Pflegezeit wird unbürokratisch sein: Die Beamtin oder der Beamte weist die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen nach, indem er eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung vorlegt. Stehen dem Antrag keine dienstlichen Gründe entgegen, kann die Arbeitszeit wie gewünscht reduziert werden. Im Gesetzentwurf wird zudem die Möglichkeit eingeräumt, den Eintritt in den Ruhestand um bis zu drei Jahre hinauszuschieben. Damit kann die Beamtin oder der Beamte Ausfälle in den Versorgungsbezügen ausgleichen, die sich aus der Reduzierung der Arbeitszeit für die Pflege ergeben. Die Familienpflegezeit ist ein gutes Instrument, um Gleichstellung voranzubringen. Wir alle wissen, dass viele Frauen teilzeitbeschäftigt sind, die meisten Männer jedoch Vollzeit arbeiten. Die Familienpflegezeit entfaltet die größte Wirkung bei Vollzeitbeschäftigten, die ihre Arbeitszeit vorübergehend um höchstens 50 Prozent reduzieren. Familienbedingte Teilzeitbeschäftigung oder Beurlaubung wird bisher überwiegend von Beamtinnen in Anspruch genommen, die -dadurch - neben Besoldungseinbußen - auch versorgungsrechtliche Einbußen erleiden. Die Bundesregierung will an diesem Punkt Anreize schaffen, indem diese Lücken durch einen späteren Ruhestandseintritt kompensiert werden können. Dadurch trägt der Gesetzentwurf zur Gleichstellung von Männern und Frauen in der Bundesverwaltung bei. Ich weiß, dass es einige Punkte in dem Gesetzentwurf gibt, die kritisch gesehen werden können. Wir werden im parlamentarischen Verfahren darüber zu diskutieren haben. Ziel dieses Gesetzes muss es meines Erachtens sein, dass der öffentliche Dienst bei der Umsetzung der Familienpflegezeit eine Vorbildwirkung ausübt. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten! Wolfgang Gunkel (SPD): Wir beraten heute einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der verschiedene Änderungen im öffent-lichen Dienst nach sich zieht. Regelungen für die Familienpflegezeit für Beamtinnen und Beamte sollen gestaltet und der Ruhestandseintritt bei Beamtinnen und Beamten flexibler geregelt werden. Beide Maßnahmen sind angesichts des demogra-fischen Wandels, in dem sich unsere Gesellschaft befindet, mehr als erforderlich. Fraglich bleibt, ob die konkrete Ausgestaltung, so wie sie von der Bundesregierung mit dem heute in erster Lesung zu beratenden Gesetzentwurf vorgelegt wurde, tatsächlich Lösungen für diese Probleme anbietet. Insofern bin ich zufrieden, dass der Innenausschuss des Deutschen Bundestages am gestrigen Mittwoch beschlossen hat, zu dem Thema eine Anhörung durchzuführen. Diese kann weitergehende Fragen beantworten oder auch alternative Lösungsvorschläge hervorbringen. Grundsätzlich ist es durchaus zu begrüßen, dass die Bundesregierung erkennt, dass im Bereich der privaten Pflege von Angehörigen dringende Probleme warten, die unbedingt angegangen werden müssen. Ein Großteil pflegebedürftiger Menschen wird von ihren Angehörigen betreut. Diese Pflege stellt ein extremes Spannungsfeld zwischen Familie und Beruf dar. Großspurig hat die Regierung angekündigt, die Situation dieser Menschen, bei denen es sich nach wie vor meist um Frauen handelt, zu verbessern. Die Realisierung erfolgte mit dem Familienpflegezeitgesetz 2011, welches nun auch für den öffentlichen Dienst mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt werden soll. Das Familienpflegezeitgesetz ist wie so vieles, was die aktuelle Bundesregierung vorlegt, keine Erfolgsgeschichte. Die Familienpflegezeit wird, wie vom Bundesfamilienministerium festgestellt, von Angestellten kaum in Anspruch genommen. Und auch der vorliegende Entwurf geht von gerade einmal 250 Anträgen auf Familienpflegezeit durch Beamtinnen und Beamte aus. Da kann man schon von einem reinen Nischenangebot sprechen. Und genauso stellt sich die Frage, ob das Fa-milienpflegezeitgesetz und der damit korrespondierende Gesetzentwurf, den wir hier heute diskutieren, die beste Lösung für die drängenden Fragen in der Pflegepolitik sind. Verstärkt wird die geringe Inanspruchnahme mit großer Sicherheit noch durch die zum Teil engen Voraussetzungen, die hier im Gesetz für die Familienpflegzeit geschaffen werden. Denn in § 92 a Abs. 1 Bundesbeamtengesetz wird die Pflegezeit auf die Pflege naher Angehöriger beschränkt. Es ist sehr wichtig, das drängende Thema der Pflege von Angehörigen umfassender zu lösen. Wie bereits festgestellt, sind es doch meist Frauen, die sich erst um die Kinder und später um die pflegebedürf-tigen Angehörigen kümmern. Die Folge sind entsprechende Gehaltseinbußen und ein Karriereknick. Dies spüren auch Beamtinnen. Ich habe bereits ausgeführt, dass es zu dem Entwurf eine Anhörung geben wird. Ich bin sehr gespannt, wie sie an diesem Punkt verläuft. Freiwillige Dienstzeitverlängerungen kann ich nur begrüßen. Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich die Freiwilligkeit einer solchen Verlängerung. Alles andere finde ich nicht zielführend. Allerdings frage ich mich schon, ob angesichts der Arbeitsbelastung vieler Beamtinnen und Beamten eine solche Regelung überhaupt der Realität entspricht. Aktuell erwarten wir vom Bundesinnenminister im Innenausschuss einen von unserer Fraktion im Rahmen der Bundespolizeireform von 2008 geforderten Evaluationsbericht zu ebendieser Reform. Wir alle wissen, dass es bei der Bundespolizei zu viele unbesetzte Stellen gibt, dass Abordnungen und Arbeitsverdichtungen zu einer höheren Burn-out-Quote führen. Die Reform von 2008 hat dazu ihr Übriges getan. Ich bin gespannt, wie sich der Minister zu diesen Fragestellungen äußern wird. Ob flexible Ruhestandszeiten allerdings die Antworten auf diese drängenden Fragen im Personalstand der Bundespolizei sind, wage ich zu bezweifeln, und ebenso, ob eine Inanspruchnahme unter solchen Voraussetzungen überhaupt in Betracht kommt. Dr. Stefan Ruppert (FDP): "Ein nicht nur langes, sondern sehr langes Leben ist ... kein Phänomen der ferneren Zukunft. Es ist bereits Wirklichkeit." Dies stellen die Demografieexperten am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock, Björn Schwentker und der Direktor des Instituts James W. Vaupel, in einem 2011 veröffentlichten Essay fest. Nach Aussage der Forschung erreichen schon heute immer mehr Senioren ein Alter von weit über 80 Jahren. Mit zunehmend besserer Gesundheitsvorsorge ist die Tendenz steigend. Mit dem demografischen Wandel sind zweifellos große Chancen für eine Umstrukturierung der Gesellschaft verbunden. Anstatt mit dem Begriff "Überalterung" verbundene Ängste in den Mittelpunkt zu stellen, sollten diese Chancen be- und ergriffen werden. Für den öffentlichen Dienst bedeutet dies: Das Dienstrecht muss die geeigneten Rahmenbedingungen bieten, um nicht nur neue und hochqualifizierte Fachkräfte für den öffentlichen Dienst zu gewinnen, sondern auch die Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten mit zunehmendem Alter zu erhalten und zu steigern. Denn die Menschen werden nicht nur immer älter; sie altern auch gesünder, bleiben länger leistungsfähig und wollen auch über derzeit starre Altersgrenzen hinweg am Arbeitsleben teilnehmen. Dieses Potenzial sollte sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Dienst genutzt werden. Die FDP-Bundestagsfraktion befördert deshalb einen flexibleren Übergang in den Ruhestand. Zudem muss aus Sicht der FDP auch im öffentlichen Dienst für die nötige Flexibilität zur Vereinbarkeit von Beruf und familiären Verpflichtungen gesorgt werden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Familienpflegezeit und zum flexibleren Ruhestandseintritt für Bundesbeamte setzen wir Reformen um, die konkret auf den demografischen Wandel im öffentlichen Dienst reagieren. Zum einen stärken wir die Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Pflege von Angehörigen. Dafür wird das Familienpflegezeitgesetz wirkungsgleich auf Bundesbeamte übertragen. Es gilt bereits seit Anfang 2012 für Angestellte und Tarifbeschäftigte. Künftig können auch Bundesbeamte zur Pflege von Angehörigen für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf mindestens 15 Wochenstunden reduzieren, wenn dem dienstlich nichts entgegensteht. In dieser Zeit erhalten sie einen Vorschuss auf ihre Besoldung, der erst danach zurückgezahlt wird. Bisher bestand für Beamte lediglich die Möglichkeit, für den Pflegezeitraum in Teilzeit zu arbeiten. Die Flexibilisierung des Ruhestandseintritts ist für die FDP-Fraktion eine unverzichtbare Reaktion auf den demografischen Wandel. Der Gesetzentwurf sieht hierfür Folgendes vor: Haben Beamte im Laufe ihres Berufslebens Versorgungseinbußen wegen familienbedingter Teilzeit, Beurlaubung oder auch Familienpflegezeit erlitten, so können sie künftig für die gleiche Dauer und bis zu maximal drei Jahren ihren Ruhestand hinausschieben. Damit lassen sich die Nachteile wieder ausgleichen. Über diese gute Maßnahme hinaus sollten wir in zwei Punkten noch über Verbesserungen am Gesetzentwurf nachdenken. Bisher können Beamte auch ohne ihre Zustimmung vom Dienstherrn dazu verpflichtet werden, bis zu drei Jahre länger zu arbeiten. Aus unserer Sicht ist diese Regelung nicht mehr zeitgemäß und steht den von uns gewünschten Anreizen entgegen. Beamte sollten frei entscheiden können, ob sie - aus welchen Gründen auch immer - über ihr gesetzliches Ruhestandsalter hinaus arbeiten möchten. Zudem sollte es sich auch für diejenigen lohnen, weiterzuarbeiten, die ihren Höchstruhegehaltsatz nach 40 Dienstjahren bereits erreicht haben, wenn sie in Pension gehen. Hier kann mit einem Zuschlag der nötige finanzielle Anreiz gesetzt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf zeigt, dass die Regierungskoalition die Herausforderung annimmt, dafür zu sorgen, dass in einer Zeit des demografischen Wandels hin zu einer älteren Gesellschaft der öffentliche Dient funktions- und leistungsfähig bleibt. Dafür sprechen darüber hinaus in dieser Legislaturperiode bereits umgesetzte Dienstrechtsreformen wie das Fachkräftegewinnungsgesetz oder demnächst umzusetzende wie die Portabilität, das heißt die Mitnahme von Versorgungsanwartschaften für freiwillig aus dem Dienst ausscheidende Bundesbeamte. Frank Tempel (DIE LINKE): Die bestehenden Regelungen für die Familienpflegezeit, die sich aus dem Gesetz über die Familienpflegezeit - Familienpflegezeitgesetz -, FPfZG, ergeben und für Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes und der gewerblichen Wirtschaft gelten, sollen auf den Beamtenbereich wirkungsgleich übertragen werden. Völlig unverständlich ist, warum Fehler der Fami-lienpflegezeit bei der Übertragung auf Beamte wiederholt werden. Das Familienpflegezeitgesetz hat seine Untauglichkeit bewiesen, da im Jahr 2012 und 2013 zusammengerechnet nur 147 Anträge auf Pflegezeit gestellt wurden. Offensichtlich geht es an den Bedürfnissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer völlig vorbei und wird deshalb nicht angenommen. Zwar werden bestimmte Zumutungen, die Tarifbeschäftigten auferlegt werden, nicht übertragen, wie der Abschluss einer privaten Ausfallversicherung und die fehlende Möglichkeit auf Verlängerung der Familienpflegezeit, doch entsteht mit dem Gesetz dadurch eine neue Ungleichbehandlung. Mit Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes sollen Beamte des Bundes auf Antrag die Möglichkeit erhalten, mittels einer besonderen Form der Teilzeitbeschäftigung die häusliche Pflege von nahen Angehörigen für bis zu 24 Monate übernehmen zu können. Die Arbeitszeit kann in der sogenannten Pflegephase auf mindestens 15 Stunden in der Woche reduziert werden. In der sogenannten Nachpflegephase, welche die gleiche Länge der Pflegephase haben muss - also ebenfalls maximal 24 Monate betragen darf -, muss die oder der Beamte mit seiner Arbeitszeit Dienst leisten, die dem Umfang der genommenen Pflegephase entspricht. Faktisch wird für den Zeitraum der Pflegephase zusätzlich zur Besoldung ein Vorschuss auf die Dienstbezüge, der während der Nachpflegephase zurückzuzahlen ist, gewährt. Die Pflegephase muss demnach in der Nachpflegephase abgearbeitet werden. Für Menschen, die schon in Teilzeit arbeiten oder wenig verdienen, kommt eine weitere Reduzierung der Arbeitszeit meist aus finanziellen Gründen häufig nicht infrage. Es sind überwiegend Frauen, die Angehörige pflegen. Zugleich sind es zu 70 Prozent Frauen, die in prekären Arbeitsverhältnissen oder Teilzeit arbeiten. Eine Freistellung muss Frau sich erst einmal leisten können. Auch im öffentlichen Dienst des Bundes sind in Vollzeit mehr Männer als Frauen beschäftigt. Es ist unter den heutigen Bedingungen unwahrscheinlicher, dass sich ein vollzeitbeschäftigter Mann anstatt seiner teilzeitbeschäftigten Frau für die Pflege von Angehörigen entscheidet. Also ist auch eine Benachteiligung von Frauen zu erwarten. Einen Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit besteht nicht. Auch kann eine Bewilligung aufgrund "dringender dienstlicher Gründe" verweigert werden. Mit dem geplanten Gesetz soll Beamten des Bundes die Pflege von Angehörigen erleichtert werden. Der Vorrang der häuslichen Pflege - wie in der (sozialen) Pflegeversicherung angedacht - soll gestärkt werden und dadurch dauerhafte Einsparungen erhalten bleiben. Pflege soll vornehmlich im privaten Lebensumfeld und von Angehörigen oder Laien geleistet werden, anstatt Pflege und Betreuung alter oder kranker Menschen, die ohne Hilfe die Anforderungen des Alltags nicht mehr bewältigen können, als gesamtgesellschaftliche Aufgabe im Rahmen der Daseinsvorsorge zu gestalten. Hierfür wäre die von Anfang an unterfinanzierte soziale Pflegeversicherung hin zu einer Bürgerinnen- und Bürgerversicherung auszubauen und die Verteilung der Pflege- und Assistenzaufgaben zwischen Staat und Familie zugunsten einer stärkeren öffentlichen Verantwortung zu verschieben. Die Linke setzt auf professionelle Pflege und begleitende Angebote zur Unterstützung, die die pflegerische Versorgung von Angehörigen gewährleisten müssen. Wir fordern eine sechswöchige bezahlte Pflegezeit für Erwerbstätige, die der Organisation der Pflege und der ersten pflegerischen Versorgung dient. Darüber hinaus sind die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung anzuheben. Der vorliegende Gesetzentwurf bringt keine grundlegende Verbesserung. Bereits heute bestehen Möglichkeiten zur Teilzeitbeschäftigung und zu arbeitsanteiliger Besoldung. Beamte können sich nach dem jeweils für sie geltenden Beamtengesetz für maximal 15 Jahre ohne Dienstbezüge zur Pflege eines Angehörigen vom Dienst befreien lassen. Außerdem können sie für die Pflege eines Angehörigen nach ärztlichem Gutachten in Teilzeit bis zur Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit arbeiten, § 92 BBG. Wir haben die Familienpflegezeit rundweg abgelehnt und lehnen auch die Übertragung auf Beamtinnen und Beamte ab. Schon das Zustandekommen des vorliegenden Gesetzentwurfs ist reich an Peinlichkeiten. Zwei wesent-liche Punkte der Gesetzesvorlage zum flexiblen Ruhestand sind am Tag des Beteiligungsgespräches mit den Gewerkschaften zurückgezogen worden. Eine derartige Torpedierung von Beteiligungsrechten hat es bisher nicht gegeben. Erstens wurden die 10 Prozent Zuschlag auf die Besoldung mit dem Hinausschieben der Altersgrenze und bei Erreichen des Versorgungshöchstsatzes gestrichen. Zweitens wurde die versprochene Streichung des Aufschiebens des Ruhestandseintrittes nicht durchgeführt - und das ohne Zustimmung der Beamten. Die Regierungskoalition verstößt damit gegen die von ihr verkündete Demografiestrategie. Im Kapitel "Die Leistungsfähigkeit des öffentlichen Dienstes des Bundes erhalten" waren die nun gestrichenen Punkte die einzigen konkreten Vorhaben. Es zeigt sich zum wiederholten Male, dass die Regierungskoalition planlos und ohne Ideen der demografischen Entwicklung im öffentlichen Dienst gegenübersteht. Ihre Prämisse, dass nur Maßnahmen ergriffen werden, die kosten- und stellenneutral sind, wird dazu führen, dass keines der anstehenden -Probleme gelöst wird. Wegen der viel zu engen Ein-stellungskorridore angesichts einer überalterten -Beamtenschaft wird es mittelfristig zu großen Schwierigkeiten kommen, die Funktionsfähigkeit der Bundesverwaltung zu sichern. Die Grundthese der Demografiestrategie der Bundesregierung für den öffentlichen Dienst ist die Notwendigkeit der Verankerung einer "Kultur des längeren Arbeitens". Nun ist hinlänglich bekannt, dass im Beamtenbereich der reale Ruhestands-eintritt häufig vor der Erreichung des Regelalters stattfindet. Grund dafür sind die aus den übergroßen Arbeitsbelastungen entstehenden physischen und psychischen Schädigungen. Doch die Belastungen werden nicht gesenkt. Anstatt die Arbeitsverdichtung zu bekämpfen, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern und eine aktive Gesundheitsvorsorge zu unterstützen, wird versucht, zum längeren Arbeiten zu animieren. Doch sollte eine Dienstzeitverlängerung nur als Ausnahme praktiziert werden. Immerhin ist eine Verlängerung der Dienstzeit zur Einarbeitung neuer Beamter nachvollziehbar. Dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig länger arbeiten sollen, anstatt jüngere Beschäftigte einzustellen, erklärt sich nur aus haushälterischen Gründen und widerspricht einer nachhaltigen Personalpolitik. Die Linke fordert hingegen eine breite Ausbildungs- und Einstellungsoffensive. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird weder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf befördert noch ein Beitrag zur Entschärfung der Pflegeproblematik geliefert, noch die Attraktivität des öffentlichen Dienstes erhöht, noch werden die demografischen Probleme des öffentlichen Dienstes angegangen. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Gesellschaft altert, und die Zahl der Pflegefälle nimmt weiter zu. Zugleich gibt es aber immer weniger Menschen, die bereit sind, in der Kranken- oder Altenpflege zu arbeiten. Das ist aber nur die eine Seite. Die Frage der Pflege durch Angehörige und in der Familie dagegen beschäftigt uns dagegen bereits seit Jahrzehnten. Es wäre falsch, diese Frage - aus der Sicht vieler auch die des Pflegenotstandes - einseitig mit dem demografischen Wandel in Verbindung zu bringen. Denn sie berührt viel tiefer gehend auch den Wandel und die Ausdifferenzierung des Modells Familie im Zuge der gesellschaftlichen Veränderungen. Die einseitige Einordnung ausschließlich beim demografischen Wandel nährt den Verdacht, die schwarz-gelbe Koalition wolle die eigene Unfähigkeit, die Veränderungen in unserer Gesellschaft wahrzunehmen und auf sie zu reagieren, verdecken; Karlsruhe und Adoptionsurteil lassen grüßen. Wir sollten die Pflege aber auch nicht, wie es Schwarz-Gelb jetzt vormacht, allein unter dem Gesichtspunkt eines leistungsfähigen öffentlichen Dienstes oder gar der Fachkräftedebatte betrachten. Denn damit würde schlicht verkannt, dass es die Ermöglichung der Pflege von -nahestehenden Personen und die Würde der Pflegebedürftigen selbst sind, die uns dazu verpflichten, die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege auf möglichst allen Ebenen voranzutreiben. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass es sich bei der Pflege um ein zentrales Thema auch der Sozial- und Gesundheitspolitik handelt. Es ist deshalb gut und richtig, dass hierzu in der kommenden Sitzungswoche eine dann hoffentlich erhellende Sachverständigenanhörung stattfinden wird. Dass wir in dieser Anhörung gleich drei hochkomplexe und völlig unterschiedliche Themen in einem Aufwasch aufgreifen werden, ist erkennbar unseriös und an der Grenze zu einer bloß symbolischen Beratung dieses Hauses. Diese Planung geht klar auf das Konto der schwarz-gelben Koalition, die offensichtlich meint, kurz vor ihrem absehbaren Ende mit wenigen ganz schmalspurigen Initiativen in Richtung Beamtenschaft punkten zu können. Was aber bekommen die Bundesbeamten wirklich? Im Falle des uns heute vorgelegten Gesetzes gilt - ich zitiere den Entwurf: "Damit wird das Familienpflegezeitgesetz, das für die Privatwirtschaft und für Tarifbeschäftigte seit dem 1. Januar 2012 in Kraft ist, im Beamtenbereich wirkungsgleich nachvollzogen." Nur nachvollzogen, sollte man ergänzen. Das stimmt nachdenklich, nicht nur wegen der Eigenheiten des Dienstverhältnisses. Vielmehr handelt es sich um ein übernommenes Konzept aus dem Hause der Familienminis-terin. Soweit ich mich erinnern kann, haben wir zu Kristina Schröders Familienpflegezeitgesetz nicht nur eine turbulente Debatte erlebt, bei der die Opposition einhellig Kritik übte, sondern wir haben auch eine Sachverständigenanhörung erlebt, bei der die Kritik insbesondere der in der Praxis erfahrenen Sozialverbände nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig ließ. Diese Debatte um Schröders Familienpflegezeitgesetz wiederum ist nur im Licht der Auseinandersetzung um die Reform der Pflegeversicherung selbst zu sehen. Auch hier erlebten wir eine Bundesregierung, deren Reformansatz an Mickrigkeit nicht zu überbieten war und die zu keinem Zeitpunkt Zweifel daran aufkommen ließ, wie wenig ihr Begriffe wie Gerechtigkeit und Solidarität bedeuten. Wenn die Rede von der Forderung nach dem Gesamtkonzept also jemals Sinn gemacht hat, dann beim Thema Pflege. Davon ist im vorliegenden Gesetzentwurf jedoch wahrlich nichts zu erkennen. Ein weiterer Haken, der in unsere ansonsten leider gerne kleinteilig geführten Beamtenrechtsdebatten hineinreicht, ist die im Gesetzentwurf beschworene Formel von der Kultur des längeren Arbeitens. Hier wird vom Bundesinnenminister gleich ein noch größeres Rad gedreht, nämlich die Debatte um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Wir teilen im Grundsatz den skeptischen Blick des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dass es besser wäre, versorgungsbedingte biografische Lücken von vornherein zu verhindern, anstatt sie erst entstehen zu lassen und den Betroffenen anschließend die Verantwortung für die Lückenschließung durch verlängerte Lebensarbeitszeit aufzubürden. Wer, wie die Bundesregierung, wirkungsgleich das Konzept für die Tarifbeschäftigten des Bundes auf die Bundesbeamten überträgt, mag sich "wirkungsgleich" auch die Kritik daran anziehen. Man hat sich für ein Konzept entschieden, bei dem, neben dem bestehenden reformbedürftigen Pflegesystem, keine weiteren Elemente gesellschaftlicher Solidarität geschaffen werden sollen, sprich: Das Risiko Pflege tragen die Angehörigen, aus der Perspektive des Dienstverhältnisses gesehen, ausschließlich selbst. Der Entwurf rühmt sich ja - insofern konsequent, aber zynisch - seiner weitgehenden Kostenneutralität. Es wird sich zeigen, ob diese Entscheidung den Verhältnissen eines sich ausweitenden Pflegenotstandes tatsächlich Rechnung trägt. Besonders fragwürdig bleibt, dass kein Rechtsanspruch geschaffen wird. Stattdessen wird ein so weiter Ermessensspielraum für die mögliche Ablehnung durch die Dienstherren geschaffen, dass die Nachfrage zur Bittstellung verkommt. Fragwürdig erscheint auch, dass trotz der Vielfalt der zu bedenkenden Konstellationen eine Familienpflegezeit ausschließlich für betroffene nahe Angehörige gewährt wird. Das riecht mal wieder nach Festschreibung überholter Familienvorstellungen und schneidet unnötig die Bereitschaft zu verantwortlichem Handeln ab. Entgegen der Zielsetzung der Flexibilisierung wird mit der Fixierung auf die Höchstdauer der Gewährung von längstens 24 Monaten die Realität ganzer Krankheitsbilder und typischer Pflegefälle negiert, die sich tatsächlich oft über viele Jahre hinziehen. Keine Anstrengungen unternimmt der Entwurf, sich mit der Tatsache auseinanderzusetzen, dass nach wie vor ganz überwiegend Frauen die Pflege übernehmen. Das ist gleichstellungspolitisch nicht akzeptabel. Nicht dargelegt wird, wie diese Neuregelung mit anderen bestehenden Regelungen zum Thema Pflege zusammengreift. Vorstellungen zum Beispiel von einem effektiveren und alle Beteiligten schonenderen Pflegemix scheinen daher von vornherein in keinerlei Weise mitbedacht. Ich bin gespannt, was uns die Sachverständigen zu der zu erwartenden Nachfrage nach diesem Gesetz sagen werden. "Wirkungsgleich" zu Kristina Schröders Gesetzesinitiative wird womöglich deutlich werden, dass wir es hier mit einer so eng geführten Familienpflegezeit zu tun haben, dass die schwarz-gelbe Koalition sich hier - auf jeden Fall aber verglichen mit der zu stemmenden Aufgabe Pflege und Pflegenotstand - auf dem Feld der symbolischen Gesetzgebung betätigt, um Aktivitäten vorzugaukeln, in der Sache aber kaum einen Schritt vorwärts gemacht wird. "Mit dem Gesetzentwurf sollen erste konkrete Schritte unternommen werden." So heißt es in dem uns vorgelegten Gesetzentwurf der Bundesregierung gleich auf Seite eins. Wer uns so spät in der Legislaturperiode ein solches Trippelschrittchen vorlegt, wer also so spät anfängt, seine Hausaufgaben zu machen, von dem können wir mit Gewissheit keine weiteren ernsthaften Schritte mehr erwarten. Das ist auch gut so; denn im September wird diese schwarz-gelbe Chaos-koalition abgewählt werden. Dann darf sie den selbst geschaffenen Stillstand nicht mehr verwalten, und dann wird sie auch in diesem Bereich keinen weiteren überwiegend durch Unterlassen bewirkten Schaden mehr für unser Land anrichten können. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auf Ihrer heutigen Tagesordnung steht der Gesetzentwurf meines Hauses zur Familienpflegezeit und zum flexibleren Eintritt in den Ruhestand für die Beamtinnen und Beamten des Bundes. Lassen Sie mich den Gesetzentwurf in einen größeren Zusammenhang stellen: Der demografische Wandel wird in den kommenden Jahren unsere Republik tiefgreifend verändern. Wir werden immer älter - und immer weniger Jüngere wachsen heran. Dies wird auch nicht spurlos an der Beschäftigtenstruktur des öffentlichen Dienstes vorbeigehen. Darauf müssen wir bereits heute reagieren und die entsprechenden Weichen für einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst stellen. Dies wird dem öffentlichen Dienst nur dann gelingen, wenn er seine Verantwortung für ein flexibles, familienorientiertes und gesundes Arbeiten mit Blick auf die Zukunft wahrnimmt und als Arbeitgeber attraktiv bleibt. In diesem Sinne unternehmen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erste konkrete Schritte zur Umsetzung der Demografiestrategie der Bundesregierung für den Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes. Gestatten Sie mir, Ihnen die wesentlichen Eckpunkte dieses Gesetzentwurfs vorzustellen: Mit dem Gesetzentwurf ermöglichen wir den Beamtinnen und Beamten des Bundes, zur Pflege ihrer nahen Angehörigen Familienpflegezeit in Anspruch zu nehmen. Hierzu wollen wir die bereits bestehenden Regelungen für die Tarifbeschäftigten des öffentlichen Dienstes und die Beschäftigten der gewerblichen Wirtschaft, die bereits seit dem 1. Januar 2012 diese Möglichkeit nutzen können, wirkungsgleich auf den Beamtenbereich übertragen. Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Sorge für die Familie, insbesondere die Pflege von -Älteren, zukünftig mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, müssen Berufsleben und Sorge für die Familie flexibler gehandhabt werden. Wir unterstützen mit dieser Regelung unsere pflegenden Beschäftigten und versuchen, die Pflege mit dem Beruf besser in Einklang zu bringen. Wie soll die Familienpflegezeit konkret aussehen? Die für die Beamtinnen und Beamten neue Fami-lienpflegezeit wird in das Bundesbeamtengesetz als eine besondere Form der Teilzeitbeschäftigung in die Systematik der bereits bestehenden Tatbestände der Teilzeitbeschäftigung eingeführt. Sie gliedert sich in zwei Phasen, die Pflege- und die Nachpflegephase mit unterschiedlichem Umfang der Arbeitszeiten. Beamtinnen und Beamte mit Anspruch auf Besoldung haben die Möglichkeit, auf Antrag für die Dauer von längstens 48 Monaten Teilzeitbeschäftigung als Familienpflegezeit zur Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu nehmen. Dabei werden sie in der Pflegephase finanziell gefördert. In der anschließenden Nachpflegephase wird diese Förderung wieder zurückgeführt. Die hierzu notwendigen besoldungsrechtlichen Aspekte werden im Bundesbesoldungsgesetz sowie einer sich hierauf stützenden Verordnung geregelt werden. Uns ist dabei bewusst: Die Familienpflegezeit ist ein Angebot, das neben bereits bestehende Möglichkeiten wie Teilzeit- und/oder mobiles Arbeiten oder Freistellungen, wie zum Beispiel Sabbatjahr, tritt und sich im Bewusstsein von Beschäftigten und Dienststellen erst etablieren muss. In den Medien ist im Dezember letzten Jahres kritisiert worden, dass in der privaten Wirtschaft Familienpflegezeit bislang noch wenig genutzt wird. Das ist bedauerlich, sollte uns aber nicht davon abhalten, "Zeitsouveränität" für Beschäftigte auch im öffentlichen Dienst flexibel und zukunftsfest zu gestalten. Ein zweiter Aspekt des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs ist die Einführung eines neuen Anspruchs auf Dienstzeitverlängerung. Damit möchten wir die Rechte derjenigen Beamtinnen und Beamten stärken, die Einbußen bei der Versorgung aufgrund familienbedingter Teilzeit- oder Beurlaubungszeiten oder aufgrund der in diesem Gesetz neu eingeführten Familienpflegezeit mit längerer Lebensarbeitszeit kompensieren wollen. Dieser Anspruch ist auf höchstens drei Jahre begrenzt und besteht auch höchstens für die Dauer der familienbedingten Teilzeitbeschäftigung, Beurlaubung oder -Familienpflegezeit beim Bund. Hierbei werden selbstverständlich auch familienbedingte Abwesenheitszeiten in einem Beamtenverhältnis zu einem anderen Dienstherrn wie zum Beispiel zum Land berücksichtigt. Wir reden hier - das ist immer noch die Realität - hauptsächlich über Frauen, die ihre berufliche -Karriere für die Kindererziehung oder zur Pflege von Angehörigen ganz oder teilweise unterbrochen haben. Wir setzen hier auf die Anreize durch die längere Besoldung und das Schließen der Versorgungslücken. Die Herausforderungen des demografischen Wandels werden perspektivisch noch eine Vielzahl verschiedener Handlungsinstrumente erfordern. Mit dem Gesetzentwurf haben wir im Bund hierzu einen ersten Schritt unternommen. Wir sind uns bewusst, dass diesem Schritt noch viele weitere folgen müssen. Daran arbeiten wir mit Hochdruck. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/12356 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 30 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Paul Schäfer (Köln), Wolfgang Gehrcke, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Keine Beschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr - Drucksache 17/12437 - Überweisungsvorschlag: Verteidigungsausschuss Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Florian Hahn (CDU/CSU): Um eines gleich zu Beginn klarzustellen: Es steht momentan weder eine Beschaffung von unbewaffneten noch von bewaffneten Drohnen an. Die Diskussion darum, wie wir sie jetzt führen, ist noch gar nicht relevant. Die SPD hätte das Thema zugunsten ihres Wahlkampfes am liebsten sogar ganz ausgeklammert. Nicht zuletzt deshalb halte ich es auch für gut und wichtig, dass wir nun heute darüber debattieren. Gerade für die Linke besteht jedoch offensichtlich großer Erklärungsbedarf. Dies erklärt auch, warum sie die Realität komplett verkennt und von Killerwaffen spricht, die zukünftig von den Soldaten vom Sofa aus mal eben gezündet werden. Ich zitiere Frau Höger: "Zwischendurch wird vielleicht ein Computerspiel gespielt oder das Baby gewickelt." Das ist eine Unverschämtheit unseren Soldaten gegenüber. Lassen Sie uns doch besonders bei diesem sensiblen Thema sachlich und ehrlich bleiben. Die Vorteile des Einsatzes von bewaffneten Drohnen überwiegen die Argumente der Zweifler und Zukunftsverweigerer. Derzeit haben wir unbewaffnete Drohnen im Einsatz, die der Aufklärung bei den Einsätzen unserer Soldaten dienen. Sie können drohende Gefahren frühzeitig erkennen und schützen somit die Truppe im Einsatz. Skizzieren wir nun dieses Szenario ein wenig weiter: Bei einem Einsatz gerät eine Einheit in einen Hinterhalt von Terroristen. Sie sind eingekesselt und können nicht mehr entfliehen. Eine Flucht ließe sich nur unter großer Gefahr bewerkstelligen. Durch die eingesetzte unbewaffnete Drohne können mehrere terroristische Gruppen in der Umgebung aufgeklärt werden. Daraufhin wird bemannte und bewaffnete Luftunterstützung angefordert. Dadurch wird erstens ein weiterer Soldat der Gefahr eines Abschusses ausgesetzt. Zweitens vergehen viele wichtige Minuten zwischen dem Start und der Ankunft des Kampfflugzeugs im Einsatzgebiet. Minuten, die über Leben und Tod entscheiden können. Dieses Szenario verdeutlicht den Sinn und Zweck der Anschaffung bewaffneter Drohnen. Sie dienen der Sicherheit unserer Soldaten am Boden und in der Luft. Eine Drohne hat viel längere Stehzeiten, als ein Kampf-flugzeug jemals haben kann. Somit können auch langfristige Einsätze durchgängig mit bewaffneter Luft-unterstützung abgesichert werden. Durch die optimale Kombination aus Aufklärung und Waffenwirkung erhöhen wir den Schutz unserer Soldaten signifikant. Die Kritik, dass durch den Einsatz von bewaffneten Drohnen eine zu große emotionale Distanz des Soldaten zum Kampfgeschehen entsteht, halte ich nicht nur für falsch, sondern für überaus zynisch und verantwortungslos. Für falsch halte ich sie, weil auch der Pilot eines Flugzeuges dem Menschen nicht in die Augen sieht, bevor er die Rakete abschießt. Bei nahezu jeder indirekten Waffe, nicht nur bei einer Drohne, ist ein Monitor zwischengeschaltet. Der Marinesoldat, der einen Torpedo abschießt, der Schütze, der eine Interkontinentalrakete oder eine Patriot-Rakete abfeuert - alle schauen auf einen Monitor. Von daher hat jede indirekte moderne Waffe eine technische Überbrückungsmöglichkeit für denjenigen, der sie auslöst. Den Vorwurf der emotionalen Distanz nur auf den Einsatz von Drohnen zu beziehen, ist somit sehr eingeschränkt und kurzsichtig. Was den Vorwurf aber gänzlich absurd macht, ist die Tatsache, dass auch bei herkömmlichen Flugzeugen der Pilot ohnehin nicht über den Abschuss einer Rakete entscheidet, sondern der befehlshabende Einsatzführer am Boden. Der Pilot liefert lediglich die Waffenwirkung, die meist von den Bodentruppen angefordert wird. In Afghanistan muss sogar jeder Schießbefehl vom Hauptquartier freigegeben werden. So unterscheiden sich unbemannte bewaffnete Luftfahrzeuge in ihrer Wirkung nicht von bemannten. Das soll nun aber nicht heißen, dass die Zurechenbarkeit des Abschusses nicht möglich ist. Auch diesen Vorwurf habe ich einige Male gehört, und ich halte ihn für abstrus. Am Schluss der Befehlskette entscheidet ein Mensch, eine Rakete abzuschießen, und nicht ein Roboter oder eine Maschine. Es ist nur eben nicht der Pilot. Bis hierhin kann ich die haltlose Kritik der Linken an der Anschaffung bewaffneter Drohnen noch mit Unwissenheit und mangelndem Interesse an der Materie erklären. Was mich bei dieser Diskussion jedoch so wütend macht, ist der unverhohlene Zynismus und die Verantwortungslosigkeit gegenüber unseren Soldaten, die bei den Argumenten mitschwingen. Ich möchte Ihnen deshalb die Frage stellen: Wieso sollten wir unsere Soldaten unnötig in Lebensgefahr bringen? Weil es nicht fair ist, dass sie dank unserer technischen Möglichkeiten ein kleineres Risiko eingehen als ihre terroristischen Gegner? Wollen wir unseren Soldaten vorwerfen, sie würden leichtfertig töten, wenn sie sich nicht direkt im Kampfgeschehen befinden? Sollen wir in Zukunft auf die Panzerung von Fahrzeugen verzichten, weil sie das Risiko für unsere Soldaten zu klein hält? Die Einsätze belasten unsere Soldaten enorm. Es ist doch nicht nachteilig, wenn sie weniger in direkte Kampfhandlungen verwickelt werden. Außerdem kann man eine derart essenzielle Entscheidung wie den Abschuss einer Rakete besser und ausgewogener treffen, wenn man sich nicht direkt in der Kampfhandlung befindet. Angst ist nämlich nie ein guter Ratgeber. Wir dürfen außerdem auch nicht vergessen, dass es sich bei unseren Gegnern um Terroristen handelt, deren Hemmschwelle ohnehin ungemein niedriger ist als die unserer Soldaten. Zuletzt möchte ich noch auf den Vorwurf eingehen, mit Drohnen werde gezielt getötet. Ja was denn sonst? In welcher Welt leben sie, meine Damen und Herren von den Linken? Wollen Sie mit großflächigen Bombardements in Afghanistan die Zivilbevölkerung auslöschen, nur damit Sie danach behaupten können, unsere Soldaten würden nicht gezielt töten? Wer nicht will, dass wir Unbeteiligte gefährden, der muss Waffensysteme entwickeln und einsetzen, die nicht flächig, sondern gezielt wirken. Natürlich verlangen wir von unseren Soldaten, dass sie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit agieren. Damit sind wir auch schon bei dem weiteren Kritikpunkt, bewaffnete Drohnen seien völkerrechtlich problematisch. Drohnen unterscheiden sich zunächst rechtlich in keiner Weise von anderen fliegenden Plattformen. Ob Sie eine Rakete am Boden oder von einer Drohne aus abfeuern, unterliegt den gleichen Regeln. Natürlich ist es so, das zeigt auch die Realität, dass jedes Waffensystem auch völkerrechtswidrig eingesetzt werden kann, auch eine Drohne. Sie sollten jedoch nicht von der Einsatzart und der Einsatzmethode anderer Staaten auf das Einsatzmittel selbst schließen. Es ist ausschlaggebend, für welchen Zweck und mit welcher Legitimierung wir eine Drohne nutzen. Grundlage für jeden deutschen Einsatz sind die Einsatzregeln und letztlich unser Grundgesetz. Und daran halten wir uns. Ich denke, meine Darlegung der Argumente für die Anschaffung bewaffneter Drohnen haben Sie teilweise und in anderer Form auch schon von unserem Minister gehört. Ich kann mich da nur wiederholen: Die Zukunft der Fliegerei wird in den nächsten 50 Jahren auch von der unbemannten Luftfahrt geprägt sein. Der Krieg der Zukunft wird vermehrt durch bewaffnete Drohnen geführt werden. Wir können es uns nicht leisten, als Anlehnungsmacht im europäischen Gefüge auf die Drohnentechnologie zu verzichten. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dass wir unsere deutschen und europäischen Kompetenzen für die zukunftsweisende Forschung und Entwicklung in diesem Bereich nutzen. Es liegt an uns, ob wir uns fortschrittspessimistisch und technologiefeindlich gegen alles Neue verwehren oder ob wir neue Technologien als Chance für unsere Zukunft und für die Sicherheit unseres Landes begreifen. Rainer Arnold (SPD): Den unbemannten Flugzeugen - zivil und militärisch - gehört die Zukunft: Sie sind verhältnismäßig preiswert, brauchen weder fliegendes Personal noch teuren Eigenschutz. Die Vorteile von Drohnen sind unbestritten, gerade im Bereich der Aufklärung haben sie einen besonders großen Nutzen. Auf der ILA in Berlin konnten Besucher unlängst Drohnen verschiedenster Größe und Bauart gleich in zweistelliger Zahl betrachten. Wer hier vonseiten der Industrie nicht mithält, ist aus dem Rennen. Das heißt aber nicht, dass die Politik deshalb unter Zugzwang steht. Das Vorhaben der Bundesregierung, jetzt bewaffnete Drohnen zu beschaffen, macht politisch überhaupt keinen Sinn. Die Bundeswehr hat weder eine Fähigkeitslücke noch verfügt die Luftwaffe über ein Konzept, in welchen Szenarien Drohnen -notwendig sind und wie sie eingesetzt werden sollen. Es gibt derzeit in Europa nicht einmal Regularien, wie Drohnen in den Luftraum integriert werden können. Deshalb gilt gerade hier der Satz: Eile mit Weile. Bevor über solche Systeme entschieden wird, brauchen wir eine gesellschaftspolitische Debatte darüber, ob, wann und wie wir bewaffnete Drohnen einsetzen wollen. Hier stehen völkerrechtliche und ethische Fragen im Vordergrund. Die illegalen Drohnenangriffe der USA in Jemen und Pakistan verdeutlichen, wie notwendig es ist, solche Einsätze einzugrenzen, ob im Völkerrecht oder durch Instrumente der Rüstungskontrolle. Bewaffnete Drohnen sind eben keine unbemannten Flugzeuge, sie sind mehr. Sie sind der Einstieg in eine vollautomatisierte Kriegsführung. Wir müssen uns doch fragen, ob Parlamente und Regierungen ohne das Risiko, die eigenen Soldaten zu gefährden, nicht schneller über Auslandseinsätze entscheiden. Werden militärische Befehlshaber nicht rascher einen tödlichen Einsatz anordnen nach dem Motto "kill before capture", verändert sich nicht auch die Kriegsführung der Militärs? Die Gefahr, dass am Ende dieser technologischen Entwicklung automatisierte Systeme stehen, die vom Schreibtisch aus auf bestimmte Merkmale hin programmiert und eingesetzt werden, sehe ich mit großer Besorgnis. Zu dieser Debatte gehört deshalb eine klare völkerrechtliche Ächtung von vollautomatisierten -Systemen. Wenn die Bundesregierung glaubt, sich diese Fragen nicht stellen zu müssen, ermuntert sie uns Sozialdemokraten, hier ganz genau draufzuschauen. Sollte sich am Ende dieser Debatte erweisen, dass bewaffnete oder waffenfähige Drohnen einen wichtigen und angemessenen Beitrag zu einer umfassenden Sicherheits- und Verteidigungspolitik darstellen, kann immer noch eine gezielte Entwicklungskooperation zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland eingeleitet werden. Ein Kauf von der Stange auf dem amerikanischen Markt würde den Weg für eine mögliche europäische Lösung erschweren, wenn nicht gar verbauen. So lange kann die Bundeswehr ohne Schwierigkeiten die bislang geleasten Aufklärungssysteme Heron weiterverwenden. Weil Frankreich über die gleichen Systeme verfügt, ist eine europäische -Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich bei der Entwicklung von Drohnen auch später immer noch möglich. Das würde auch industriepolitisch Sinn machen. Was die Fraktion Die Linke allerdings zu diesem Thema beiträgt, ist fern aller Wirklichkeit. Wenn ich den Kopf in den Sand stecke, lösen sich Probleme nicht von selbst. Rainer Erdel (FDP): Es ist nicht ganz drei Wochen her, da haben Sie, liebe Kollegen von der Linken, das Thema Ausrüstung der Bundeswehr mit bewaffneten sogenannten Drohnen in einer aktuellen Stunde im Bundestag diskutieren lassen. Alle Fraktionen haben die Möglichkeit genutzt, ihre jeweiligen Positionen auszutauschen. Mehrfach wurde betont, dass die Debatte über den Einsatz von bewaffneten unbemannten Luftfahrzeugen noch am Anfang steht. Ich bin daher sehr verwundert, dass Sie mit Ihrem Antrag die Debatte bereits beenden wollen, bevor wir sie überhaupt richtig angefangen hat. Unsere Position als FDP ist klar: Wir wollen und werden uns der Debatte nicht verschließen, weil wir davon überzeugt sind, dass sie im Sinne unserer Parlamentsarmee genau hier im Bundestag geführt werden muss. Wir sind aber auch der Meinung, dass die Debatte über die Beschaffung von bewaffneten Drohnen für die Bundeswehr auch auf der richtigen Grundlage geführt werden sollte. Diese Grundlage kann nur in einer -klaren sicherheitspolitischen Begründung des Verteidigungsministeriums zur Beschaffung und Nutzung solcher Systeme bestehen. Fakt ist, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von den Linken: Unbemannte Systeme stellen einen wesentlichen Technologiesprung in der Luftfahrt dar. Dabei ist es unwesentlich, ob es sich um eine kleine Drohne oder ein unbemanntes Luftfahrzeug von der Größe eines A319 handelt. Unabhängig von einem militärischen Einsatz sind unbemannte Luftfahrzeuge in der Lage, eine langandauernde und großräumige Überwachung sicherzustellen und dabei sehr detaillierte Informationen zu liefern. Bereits heute werden unbemannte Systeme bei großen Menschenansammlungen in Deutschland genutzt, um tragische Ereignisse wie etwa bei der Loveparade in Duisburg vermeiden zu helfen. Auch bei der Meereserkundung und speziell der Verschmutzungskontrolle der Meere werden unbemannte Systeme bereits genutzt. Die Technologie bietet eben gerade durch den Verzicht auf lebenserhaltende Systeme im Flugzeug kostengünstige Chancen. Die Bedienung sowie die zeitnahe Auswertung der Daten vom Bodenpersonal ist besser zu gestalten, als dies vom fliegenden Personal zu leisten ist. Aus diesen Erkenntnissen heraus bietet sich eine militärische Nutzung an. Im Einsatz werden die unterschiedlichen Ausführungen von unbemannten Luftfahrzeugen bereits genutzt. Ob Aladin oder Heron 1: Alle Systeme haben ihre Leistungsfähigkeit und ihren Mehrwert für die Bundeswehr bewiesen. Und es stellt sich natürlich die Frage, ob nicht dort, wo heute bemannte Flugzeuge, wie zum Beispiel bei der Unterstützung aus der Luft, künftig unbemannte Systeme zum Einsatz kommen können. Ihren Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken, vom Drohneneinsatz der US-Streitkräfte als auch des US-Geheimdienstes auf den Einsatz der Bundeswehr mit solchen Systemen zu schließen, kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Sie schreiben zum Beispiel in Ihrem Antrag, dass unbemannte Luftfahrzeuge konzipiert seien, um über neutralem Gebiet eingesetzt zu werden. Alleine die Tatsache, dass diese Systeme im Einsatz sind, bedeutet doch nicht, dass sie sich in einem rechtsfreien Raum bewegen. Sie unterliegen den Rules of Engagement. Auch führen Sie das Thema "gezielte Tötungen" ins Feld. Auch hier wird offenbar angenommen, dass sich die Bundeswehr ebenso wie die US-Streitkräfte verhalten würde, wenn sie in den Besitz solcher Systeme käme. Ich frage mich, woher Sie diese Gewissheit nehmen. Bereits heute können präzise Schläge durch die Bundeswehr ausgeführt werden. Dies geschieht immer auf der Basis unseres Grundgesetzes und deshalb sind Einsätze wie Sie sie unterstellen, auch heute durch den Bundestag nicht mandatierbar. Ich frage mich daher: Warum fehlt Ihnen das Vertrauen in das Parlament? Ich bin der festen Überzeugung, dass das Thema unbemannte Luftfahrzeuge uns in Zukunft noch stärker als bisher beschäftigen wird. Gerade auch mit Blick auf die enormen zivilen Nutzungsmöglichkeiten sollten wir nicht den Fehler machen, uns hier Denkverbote zu verordnen. Die bisherigen Erfahrungen mit dem Einsatz unbewaffneter Drohnen in Afghanistan sind darüber hinaus überaus positiv. Sie bieten unseren Soldatinnen und Soldaten letzten Endes ein deutliches Plus an Sicherheit. Gerade bei der militärischen Nutzung muss aber klar sein, was wir mit bewaffneten Systemen im Einsatz machen wollen. Hier muss eine klare sicherheitspolitische Begründung stehen, die letztendlich auch mit dem humanitären Völkerrecht im Einklang stehen muss. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Um es gleich vorwegzunehmen: Drohnen sind nicht per se Teufelszeug. Das behauptet hier auch keiner. Und natürlich ist in erster Linie der Mensch bzw. die Regierung verantwortlich, die den Einsatz von bewaffneten Drohnen befiehlt. Aber tun wir doch auch nicht so, als ob Technologie und insbesondere Waffentechnologie immer nur neu-tral ist. Unsere Auffassung ist, dass bewaffnete Drohnen als neue Waffentechnologie in ähnlicher Weise wie Atomwaffen, Landminen oder Streumunition nur nachteilige Konsequenzen haben werden. Zudem ändert sich der Blick der politischen und militärischen -Führung auf den Waffeneinsatz. Drohnen schaffen neue, vermeintlich attraktive Optionen für den Einsatz von Gewalt und senken damit die Hemmschwelle. Die Bundesregierung sollte deswegen auf die Beschaffung solcher Waffensysteme verzichten. Nach einem Jahrzehnt Kampfdrohnen im Einsatz - vor allem der US-Drohnen in Afghanistan, Pakistan oder Jemen - sieht man doch ganz klar, wohin die Reise geht: Kampfdrohnen braucht man nicht zur Landesverteidigung, auch nicht zur Grenzsicherung. Nein, bewaffnete Drohnen machen vor allem Sinn für offensive klandestine Operationen in Drittstaaten, das heißt also in der Regel unter Verletzung der Souveränität des Staates. Wichtiger noch: Bewaffnete Drohnen verleiten die Streitkräfte zu einer Form von Menschenjagd, die immense zivile Opfer in Kauf nimmt und sich oft genug außerhalb des Rechts abspielt. Akkurate Zahlen sind leider nicht bekannt - die -Geheimhaltung macht einen Strich durch die Rechnung. Außerdem machen es sich USA und NATO leicht, indem sie pauschal jede männliche Person im kampffähigen Alter den Terroristen oder Aufständischen zurechnen. Die pakistanische Regierung geht davon aus, dass in den vergangenen vier Jahren 22 al-Qaida-Kommandeure und 800 Zivilisten durch Drohnenangriffe in ihrem Land getötet wurden. Das Bureau of Investigative Journalism kommt zu dem Ergebnis, dass zwischen 2 500 und 3 300 Menschen in Pakistan seit 2004 durch Drohnen getötet worden sind, davon zwischen 470 und 880 Zivilisten, inklusive 176 Kinder. Hinzu kommen noch mehr als tausend Verletzte. Jetzt kann man zynisch mit den Schultern zucken und sagen: So ist das eben im Krieg und bei der -Bekämpfung des Terrorismus. Damit liegt man aber falsch: Zum einen herrscht weder in Pakistan, Jemen oder Somalia völkerrechtlich gesehen Krieg. Zum -anderen gilt Terrorismus hoffentlich auch noch bei den anderen Fraktionen hier im Bundestag als krimineller Akt, der vor Gericht zu ahnden ist und nicht per ferngesteuerter Rakete. Das Problem liegt doch auf der Hand: "Gelegenheit macht Diebe" gilt eben auch für die Militärs. Im Kern dominiert bei den USA, aber auch den anderen NATO-Staaten die Einstellung "Wir tun es, weil wir es können". Aus militärischer Sicht scheint sich eine -Automatisierung der Kriegsführung zu rechnen: Die Waffensysteme kosten weniger, man kann Personal einsparen, und es ist sicherer für die eigene Armee. Das ist eine Milchmädchenrechnung - und das wissen Sie. Diese geht nur auf, solange die Asymmetrie bestehen bleibt. Hier die USA, die NATO und ihre -Verbündeten, die alles können und dürfen, dort die Aufständischen und anderen Streitkräfte, die mit ein paar Raketenwerfern und Gewehren zurückschießen. Es wird ein böses Erwachen geben, wenn andere Staaten anfangen, bewaffnete Drohnen nach dem gleichen Muster einzusetzen wie die USA und die NATO-Staaten. Andere Staaten sind schon dabei, aufzurüsten und mehr in Drohnentechnologie zu investieren. Das führt zu einer gefährlichen Aufrüstungsspirale vor der Haustür. Das mag gut für die Rüstungsindustrie sein; es ist aber schlecht für die Menschen. Und dabei sollte nicht vergessen werden, dass Drohnen auch Massenvernichtungswaffen transportieren können. Auf sämtliche dieser Risiken hat im Übrigen auch der Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages aus dem Jahr 2011 hingewiesen. Leider haben wohl weder die Regierungsfraktionen noch das BMVg den Bericht gelesen. Das sollte nachgeholt werden. Bewaffnete Drohnen stehen für eine unheilvolle Automatisierung der Kriegsführung. Verteidigungsminister de Maiziére kann noch so oft betonen, dass immer ein Mensch die Entscheidungen treffen wird: Allein die steigende Informationsflut und die Leistungsfähigkeit der Computer wird zur Verselbstständigung der Drohnen führen. Im Englischen bereits so griffig als "man in the loop", "man on the loop", "man out of the loop" bezeichnet. Am Ende steht der Waffeneinsatz aufgrund einer automatischen Computerauswertung von Bewegungsprofilen. Klingt bekannt, klingt nach moderner Variante der Selbstschussanlage an der Mauer. Für mich klingt das erschreckend. Ungeachtet dessen hat Verteidigungsminister de Maiziére klargestellt, dass die Bundeswehr jetzt auch hier mitspielen will. Deutsche Firmen stehen schon in den Startlöchern. Rheinmetall, Diehl und EADS haben entsprechende Vereinbarungen mit ausländischen Drohnenherstellern getroffen. Mit Hunderten von Millionen Euro soll mitgerüstet werden, egal ob man für die Sicherheit Deutschlands diese Drohnen braucht oder nicht. Denn auch dem Verteidigungsminister sind außer Sicherung von Geiselbefreiungen oder Patrouillen in besetzen Gebieten keine sinnvollen Szenarien eingefallen. Unsere Position als Linke ist klar: Statt mitzurüsten, ist es an der Zeit, über Rüstungskontrolle, Abrüstung und vertrauensbildende Maßnahmen nachzudenken. Deswegen fordern wir die Bundesregierung auf, jetzt ein klares Zeichen zu setzen und auf die Beschaffung von Kampfdrohnen zu verzichten. Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bislang nutzt die Bundeswehr Drohnen ausschließlich zu Aufklärungszwecken. Der Verteidigungsminister hat jedoch angekündigt, bald über die Beschaffung waffenfähiger Drohnen entscheiden zu wollen. Dabei zeichnet sich klar ab, in welche Richtung diese Entscheidung gehen soll. Wiederholt hat Minister de Maizière erklärt, dass er bewaffnete Drohnen für ethisch neutral hält und ihr Einsatz nur Vorteile bringe. Über die Risiken, die mit diesem neuen Waffensystem verbunden sind, verliert er kein Wort, ebenso wenig wie über die Möglichkeiten und den Bedarf an internationalen Regeln, obwohl diese dringend geboten wären. Ein lapidarer Verweis auf bestehendes Völkerrecht entschuldigt diese Ignoranz keinesfalls. Vor der Beschaffung eines neuen bewaffneten Systems muss genau geprüft werden, ob dieses wirklich erforderlich ist und welche Folgen sein Besitz und möglicher Einsatz nach sich ziehen. Die gegenwärtige Praxis zeigt: Der zunehmende Einsatz ferngesteuerter Waffensysteme hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Kriegsführung, fordert zahlreiche zivile Opfer und führt zu einer Entgrenzung der Kriege. Die USA verüben mithilfe bewaffneter Drohnen "gezielte Tötungen" außerhalb von bewaffneten Konflikten, die - und das muss man doch auch mal klipp und klar sagen - völkerrechtswidrig sind! Gleichzeitig fördert der zunehmende Einsatz von Kampfdrohnen die Eskalation bewaffneter Konflikte und treibt die Rekrutierung neuer Kämpfer in terroristischen Netzwerken voran. Die von den USA durchgeführten Drohneneinsätze in Pakistan, in Somalia und im Jemen machen deutlich, wie schnell die Hemmschwelle zur Anwendung bewaffneter militärischer Gewalt bei den politischen Entscheidungsträgern sinkt, wenn die eigenen Streitkräfte dabei kein Risiko eingehen müssen. Vor dem 11. September 2001 erklärte die damalige US-Administration die von Israel durchgeführten gezielten Tötungen mit bewaffneten Drohnen noch für illegitim. Heute steigt die Zahl der völkerrechtswidrigen Drohnenangriffe unter US-Präsident Obama rasant an. Deutschland sollte sich für eine Beendigung dieser gezielten Tötungen einsetzen. Wo Völkerrecht gebrochen wird, erwarte ich klare Worte und nicht Stillschweigen von dieser Bundesregierung! Diese höchst bedenkliche und gefährliche Entwicklung in den USA muss uns zum Nachdenken über die grundsätzliche Frage bewegen, welchen Einfluss die Verfügbarkeit bestimmter Waffensysteme und Fähigkeiten auch auf die politischen Entscheidungen über den Einsatz militärischer Mittel haben kann. Denn bewaffnete Drohnen werden de facto eben nicht wie gewöhnliche Waffensysteme eingesetzt, sondern immer wieder wird bei ihrem Einsatz gegen geltendes Völkerrecht verstoßen. Diese Realität kann man nicht ausblenden! Dem völkerrechtswidrigen Einsatz von bewaffneten Drohnen muss endlich entgegengewirkt werden. Die klaffenden Lücken in der Rüstungskontrolle müssen geschlossen werden. Anstatt sich in eine riskante Spirale des Wettrüstens zu begeben und schwammige Lippenbekenntnisse zur Rüstungskontrollpolitik zu machen, erwarte ich von der Bundesregierung klare Initiativen auf internationaler Ebene. So müssen wir auch verbindliche Regeln finden, die die Gefahr einer Proliferation unbemannter waffen-fähiger Systeme an Staaten oder substaatliche Akteure eindämmen. Und wir müssen dem Problem begegnen, dass die technische Entwicklung zu immer komplexeren Systemen führt, bei denen mehr und mehr Entscheidungsprozesse auf Basis von Programmierungen ablaufen, in die der Mensch nicht mehr involviert ist. Stimmen aus den USA zeigen, dass die Entwicklung dort genau in diese Richtung gehen soll. Aber damit wird es zunehmend schwieriger, Verantwortlichkeiten beim Verstoß gegen geltendes humanitäres Völkerrecht zuzurechnen und schließlich auch zu ahnden. Hier tun sich also völlig neue Risiken auf, wie mühsam errungene Regeln zur Einhegung der Kriegsführung ausgehebelt werden können. Das kann und darf in niemandes Interesse sein. Deshalb setzten wir uns dafür ein, auf Ebene der Vereinten Nationen Regeln und Restriktionen für den Einsatz von bewaffneten unbemannten Systemen zu setzen, um die Aufrüstung einzudämmen und einer Zunahme bewaffneter Gewalt vorzubeugen. Der Einsatz bewaffneter unbemannter Systeme muss international so reguliert werden, dass das Gebot des Schutzes der Bevölkerung, das Unterscheidungsgebot und das Verhältnismäßigkeitsgebot in vollem Umfang erfüllt sind - das gilt ganz besonders für weitere technologische Entwicklungen. Diese schwarz-gelbe Bundesregierung hat nur unkritisch den eigenen Beschaffungswunsch im Blick und verschließt ihre Augen vor den gravierenden Verletzungen von wichtigen völkerrechtlichen Normen, die nur durch die neue Technologie von unbemannten bewaffneten Systemen in diesem Ausmaß möglich geworden sind. Das finde ich unerträglich! Meine Damen und Herren von der Koalition, eine solche Politik, die vor allem von einer Logik des Wettrüstens getrieben ist und die gravierenden negativen Folgen des Einsatzes bewaffneter Drohnen ausblendet, tragen wir Grüne nicht mit. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/12437 an den Verteidigungsausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 33 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes - Drucksache 17/12370 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Kultur und Medien (f) Rechtsausschuss Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Das zukünftige Filmförderungsgesetz ist ein Fortschritt für das Filmland Deutschland, darüber sind sich die Beteiligten wie Betroffenen einig. Es stärkt das Kino, es gibt dem Kinderfilm wieder eine Perspektive, es verbessert grundlegend die Teilhabe behinderter Menschen, es konzentriert die Förderschwerpunkte wie die Absatzstrategie und es sorgt für die Aufnahme der Digitalisierung des Filmerbes in das Aufgabenspektrum der FFA. Der Verwaltungsrat der FFA, gewissermaßen "das Filmparlament" der Bundesrepublik, hat die Novellierung für gut befunden, weil damit den Filmschaffenden wie dem Kino eine Perspektive gegeben wird. Begrüßt wird von diesem Gremium auch die Aufstockung des Deutschen Filmförderfonds, DFFF, von 60 auf 70 Millionen Euro. Ein Erfolg von Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Seine Absicht den DFFF zu verstetigen, ihm keine zeitliche Befristung mehr zu geben, wird von uns nachdrücklich unterstützt. Dieser Fonds ist ein Erfolgsmodell für den Produktionsstandort Deutschland geworden. Von 2007 bis Ende 2012 wurden 642 "Zelluloid-Initiativen" mit fast 360 Millionen Euro gefördert; davon etwa zwei Drittel nationale Vorhaben und ein gutes Drittel internationale. Diese Gelder haben Gesamtinvestitionen von knapp 3 Milliarden Euro ausgelöst. Ein eingezahlter Euro hat sich versechsfacht. Das sind Leistungen für die Sicherung von circa 50 000 Arbeitsplätzen, eine gute Botschaft für alle Filmbeschäftigten. Erfolge bei der diesjährigen, gerade beendeten -Oscar-Verleihung in Los Angeles hatte unsere Film-gemeinde dagegen nicht. Dafür aber unser Nachbarland Österreich, gleich zweimal, mit Haneke und Christoph Waltz. Wir gratulieren herzlich. Vielleicht sollten wir doch ab und zu mehr über den Tellerrand sehen: denn unsere Nachbarn, ob im Süden oder Norden mit Dänemark, abgesehen von Frankreich und Polen, warten regelmäßig bei Filmfestivals mit aufsehenerregenden Produktionen von hoher Qualität auf. Uns sollte auch beunruhigen, dass der Marktanteil deutscher Filme im vergangen Jahr von rund 22 auf 18 Prozent gegenüber 2011 gesunken ist. Im Durchschnitt der vergangenen 10 Jahre sind wir bis auf wenige Ausreißer über diesen Anteil nie hinausgekommen. Das ist in Frankreich anders. Dort macht die nationale Filmproduktion mindestens 40 Prozent aus. Das wäre auch für die Bundesrepublik anzustreben. Wir haben großartige Schauspielerinnen und Schauspieler und eine hohe Kompetenz bei allen Filmschaffenden, von den Drehbuchautoren bis hin zu den Produzenten. Wenn wir deren Arbeitsplätze sichern und ausbauen wollen und auch unsere Werte, die wir vertreten, und unsere Filmkultur in die erste Reihe -befördern wollen, sind offensichtlich auch bei uns Zielvorgaben notwendig. Allein auf den Markt zu setzen, reicht nicht aus. Hollywoods Macht reicht weiter. Es wäre durchaus angemessen, wenn sich die Filmszene selbst, von der Filmakademie über das "Filmparlament" bis hin zu den Produzenten, mit der Frage einer Quote für den deutschen Film befassen würde. Dazu sollte auch der Tatbestand Anlass geben, dass es von den insgesamt 19 Filmen im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale nur einen deutschen Film gegeben hat. In den Vorjahren war das Resultat nicht wesentlich besser. Die Berlinale entwickelt sich immer mehr zu einem Bürgerfest für den Film. 400 000 Besuche und 404 Filme aus 70 Ländern beweisen, dass das Kino als Kulturereignis angenommen wird. Für das Filmland Deutschland ist das Berlinale-Filmfest eine Visitenkarte ersten Ranges. Dass erstmals in vielen Städten der Bundesrepublik zeitgleich ein Berlinale-Film -vorgeführt wurde, macht das Filmvergnügen zu einem Republikereignis. Dieses gilt es weiter auszubauen. 4 000 Journalisten haben weltweit von diesem Festival berichtet. Was Dieter Kosslick mit seinem Team auf die Beine gestellt hat, wird mit Respekt und Lob von den Filmemachern anerkannt, und auch von uns, der Union. Trotz allen Lobs bleibt das Hauptstadt-Februar-Event bei Schnee, Frost und Schietwetter ein Wagnisfestival. Kurz vor der Oscar-Verleihung, gleichfalls im Februar, kommt selten eine wirkliche Filmsensation an die Spree. Viele Produktionen haben bereits wegen des vorgezogenen Starts in anderen Ländern ihre Unschuld verloren. Die gebrauchte Ware nimmt zu, damit auch das Risiko, den Status als ein A-Festival zu verlieren. Es muss ernsthaft eine Verlegung der Berlinale in einen geeigneteren Monat erwogen werden. Dabei geht es nur vordergründig um das Berlinale-Wetter, sondern um die Zukunft dieses Filmfestivals. Das Kino wird immer stärker zu einem kulturellen Freizeiterlebnis für Millionen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Im Durchschnitt besucht jeder Bewohner unseres Landes viermal im Jahr einen "Filmtempel". Den größten Anteil hat dabei die Altersgruppe von 20 bis 29 Jahren. Kein Kulturbereich schafft -derzeit jährlich durchschnittlich 130 Millionen Besucher - nicht einmal die Fußballbundesliga oder die Museen. Die Kinobranche selbst hat gut davon. -Erstmals, das gilt für 2012, übersteigt ihr Umsatz 1 Milliarde Euro. Die Betreiber der Kinos wissen sehr wohl die Politik, ob auf Bundes- oder Landesebene, auf ihrer Seite - noch. Ob die reduzierte Mehrwertsteuer, die Unterstützung bei der Digitalisierung, allein vom Bund mit 20 Millionen Euro, oder auch die staatliche Förderung des Filmerbes: alle drei Maßnahmen sind Beispiele -einer umsichtigen direkten wie auch indirekten Kulturkinoförderung. Umso unverständlicher ist es, dass seit Jahren einige große Kinounternehmen, die ihren Hauptsitz im Ausland haben, gegen diese Förderer zu Felde ziehen, Jahr für Jahr die Gerichte auf allen Ebenen mit Klagen konfrontieren, um sich ihrer Abgaben an die FFA zu entziehen. Fachkritiker sehen darin den Versuch, aus Profitgier die mittelständische Kinostruktur in der Bundesrepublik zu zerstören. Damit schadet man unserem Kinoland. Gleichzeitig stellt man damit das Selbsthilfeprinzip der FFA infrage, und schließlich gräbt man der Filmförderung das Wasser ab. Es ist hoch anzuerkennen, dass die anderen Einzahler in den FFA-Fördertopf, die Videoprogrammanbieter, das öffentlich-rechtliche wie das private Fernsehen an ihrer grundsätzlichen Einstellung, den Film in unserem Land zu stabilisieren, sich durch die Kinofreibeuter nicht irritieren lassen. In der Debatte um das neue FFA darf das Thema Raubkopien nicht unerwähnt bleiben. Eine Geißel für alle Filmschaffenden, für alle Kreativen! Die Internetpiraterie ist unverändert eines der Hauptprobleme der Filmwirtschaft. Der Film in Deutschland erleidet durch Piraterie bittere Einnahmeverluste in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro jährlich, weil "schwarz" kopiert wird mit hoher krimineller Energie. Vor allem Special-Interest-Filme bzw. Filme mittlerer Größe sind davon betroffen. Auf jeden zahlenden Kinobesucher kommt nach Erkenntnissen der SPIO mittlerweile ein illegaler Download. Die Kreativen werden dadurch besonders geschädigt. Diese Einschätzung von Manuela Stehr, der -Vorsitzenden des Verbandes, teilen wir. Wir von der Union anerkennen das Engagement der SPIO für ein modernes Urheberrecht, das die Leistung der Kreativen würdigt. Wir erwarten, dass der 3. Korb zur Urheberrechtsreform endlich umgesetzt wird. Die Initiativen dazu vonseiten des Staatsministers Neumann wie vom Parlamentarischen Staatsekretär Hans Joachim Otto finden unsere volle Unterstützung. Wer auch von der Filmförderung gut hat, neben anderen Institutionen, ist auch das Flaggschiff der Filmgeschichte unseres Landes, die Deutsche Kinemathek. Sie konnte jetzt ihren 50. Geburtstag feiern. Seit 1963 kümmert sie sich um die Archivierung und Vermittlung der deutschen Filmgeschichte. Sie trägt in hervorragender Weise unter Leitung von Rainer Rother und seinen Mitarbeitern zum Erhalt unseres kulturellen Erbes bei. Die Deutsche Kinemathek ist Filmmuseum, Archiv, Verleih und vieles mehr. 2006 eröffnete die Kinemathek die Ständige Ausstellung zum Fernsehen. Seit 1977 erstellt sie die Retrospektive-Reihen der -Berlinale. Der Bundestag fördert die Stiftung Deutsche Kinemathek mit 8,7 Millionen Euro. Weitere Mittel fließen in den Erhalt und die Digitalisierung des filmischen Erbes. Dieser Aufgabe widmet sich der Kinematheksverbund, in dem die Deutsche -Kinemathek zusammen mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv und dem Deutschen Filminstitut Frankfurt hervorragende Arbeit leistet. Auch die FFA beteiligt sich an der Sicherung des Filmerbes. Ihre Kernkompetenz ist jedoch die jährliche Filmförderung mit mehr als 100 Millionen Euro. Ihr Präsidium wie der Verwaltungsrat entscheiden über die Umsetzung der Filmabgabe. Wir halten eine flexiblere Handhabung der Sperrfristen ebenso für notwendig wie die Berücksichtigung der Kreativen im Präsidium sowie eine Stärkung des Vorstandes. Es muss in Zukunft sichergestellt werden, dass das Präsidium, demokratisch vom Filmparlament gestützt, bei Konfliktfragen die abschließende Entscheidung haben muss. Wer will, dass der Film in Deutschland als Kultur- wie auch als Wirtschaftsgut eine gute Perspektive bekommen soll, der wird aufgefordert, dem neuen FFG zuzustimmen. Marco Wanderwitz (CDU/CSU): An den deutschen Kinokassen klingelte es 2012 wie nie zuvor. Leider trug der deutsche Film anders als 2011 weniger dazu bei. Dass aber auch das Filmgeschäft zyklischen Einflüssen unterliegt, beweist der Start ins Jahr 2013, der sehr verheißungsvoll stimmt: Den "Schlussmacher" wollten in sieben Wochen fast zweieinhalb Millionen Zuschauer sehen. Mit Til Schweigers "Kokowääh II" steht aktuell ein deutscher Film auf Platz 1 der Kinocharts. Die internationalen Festivalerfolge deutscher Filme in den vergangenen Jahren, das gestiegene ausländische Interesse an deutschen Filmen und Serien, vor allem aber das wachsende Engagement von deutschen Produzenten und Schauspielern in internatio-nalen Koproduktionen zeugen grundsätzlich von einem selbstbewussten und erfolgreichen Filmstandort Deutschland. Diese Erfolge sind unmittelbare Folge des über Jahrzehnte fortentwickelten nationalen Förderungsrahmens, der in Europa seinesgleichen sucht. Er ist gerade in jüngeren Jahren Folge der zusätzlichen gezielten Förderung durch die christlich-liberale Bundesregierung. Die Deutsche Filmförderung ist eine langfristige, kontinuierliche Unterstützung, die sich von zyklischen Betrachtungen kurzfristig nicht beeinflussen oder beirren lässt. Dafür sorgen die verschiedenen Säulen, die sie tragen. Neben dem Deutschen Filmförderfonds und der beachtlichen Länderförderung ist die Filmförderanstalt, eine Organisation der Filmwirtschaft, das Kernelement, weil der wirtschaftliche Garant der Filmförderung. Dank der in wirtschaftlicher wie in technischer Hinsicht fortschreitenden Dynamik der Branche muss jedoch regelmäßig hier und dort nachjustiert werden. Wir diskutieren daher heute den Entwurf eines 7. Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes, der Rechtsgrundlage für die Einrichtung der FFA. Das FFG nimmt alle beteiligten Branchenbereiche, die das Produkt "Film" verwerten, in die Pflicht, einen angemessenen Beitrag zur Erhaltung und Förderung des deutschen Films zu leisten. Die FFA finanziert sich autark mittels einer Filmabgabe durch die beteiligten Verwerter. Das sind die Kinos, Unternehmen der Videowirtschaft einschließlich Onlineanbieter, Fernsehveranstalter und Vermarkter von Pay-TV-Programmen. Diese Abgabe ist nach dem geltenden FFG bis zum 31. Dezember 2013 befristet. Mit dem vorliegenden Entwurf wollen wir deren Erhebung fortführen, um hierdurch die Finanzierung der FFA weiterhin zu sichern. Gerne hätten wir die aktuelle Novelle bereits für eine grundsätzliche Überarbeitung des gesamten Abgabensystems genutzt, um hier für noch mehr Gerechtigkeit zu sorgen. So war beispielsweise eine Heranziehung auch der Telekommunikationsanbieter, der sogenannten Access Provider, die Filminhalte durchleiten, angedacht, mit den gegenwärtigen Vorgaben der Europäischen Kommission jedoch nicht vereinbar. Auch vor dem Hintergrund der ausstehenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Abgaben-system sind tief greifende Änderungen mit einem unkalkulierbaren und daher zu vermeidenden Risiko verbunden. Sowohl diese juristisch unsichere Entwicklung, aber auch die zu erwartenden dynamischen wirtschaftlichen und technischen Marktentwicklungen lassen es sinnvoll erscheinen, das ab 2014 geltende FFG zunächst auf nur zweieinhalb Jahre statt bisher fünf zu befristen. Auf diese Weise können wir kurzfristige Ereignisse schneller und sachgerechter aufbereiten und das System gegebenenfalls flexibler anpassen. Die Dynamik der Marktentwicklung hängt zweifelsohne auch mit der fortschreitenden Digitalisierung im Filmbereich zusammen. Standen in den vergangenen Jahren insbesondere die Kinos im Fokus unserer Digitalisierungsoffensive, so nehmen wir mit der heutigen Novelle nun auch die Digitalisierung des Filmerbes explizit in den Aufgabenkatalog der FFA auf. Bei der Weiterentwicklung der technischen-digitalen Abspielmöglichkeiten dürfen wir nicht vergessen, die Klassiker des deutschen Films so zu formatieren, dass diese auch in Zukunft noch wirtschaftlich ausgewertet und öffentlich zugänglich gemacht werden können. Hier besteht seitens des Publikums weiterhin ein großer Bedarf. Damit nehmen wir aber auch die Filmbranche in die Verantwortung, einen substanziellen Beitrag dazu zu leisten, damit das Filmerbe nicht nur in den auf digitales Abspiel umgerüsteten Kinos, sondern auch auf den weiteren Verwertungsstufen, insbesondere Video und Fernsehen, weiterhin gezeigt werden kann. Mit der Novelle des FFG wird ferner die Teilhabe behinderter Menschen an geförderten Filmen verbessert. Künftig - und dafür hatten wir bereits in einem entsprechenden Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP geworben - muss von allen FFA-geförderten Filmen auch eine barrierefreie Fassung mit Audio-deskription für sehbehinderte Menschen und Untertiteln für hörgeschädigte Menschen hergestellt werden. Trotz Sensibilisierung der relevanten Akteure der Filmbranche, der Videowirtschaft und der Rundfunkanstalten für eine Notwendigkeit der barrierefreien Ausstattung von Filmen ist die aktuelle Zahl der entsprechend ausgestatteten Filme übersichtlich. Die bestehenden Fördermöglichkeiten, unter anderem seit der letzten Novelle des FFG, wurden fast überhaupt nicht genutzt. Angesichts des Anteils der mit einer Behinderung lebenden Menschen in Deutschland von über zehn Prozent ist dies ein unhaltbarer Zustand. Mit dem neuen Entwurf wird jeder Produzent, der öffentliche Förderung erhält, verpflichtet, barrierefreie Fassungen seines Films zu erstellen. Die Einführung dieses gesetzlichen Zwangs begrüßen wir ausdrücklich. Ebenso stärkt die FFG-Novelle den Bereich des deutschen Kinderfilms. Schon heute können Kinderfilme im Rahmen der allgemeinen Förderung durch die FFA unterstützt werden. Aber auch hier ist die tatsächliche Inanspruchnahme von Förderungen wenig ausgeprägt. Um künftig ein größeres Augenmerk auf -Kinderfilmprojekte, die sich der Gegenwart und Lebenswirklichkeit von Kindern in besonderem Maße widmen, zu richten, sollen im Rahmen der Projektfilmförderung in angemessenem Umfang auch Kinderfilme, die auf originären Stoffen beruhen, gefördert werden. Angesichts der großen Qualität des deutschen Kinderfilms hatten wir die Forderung nach einer grundsätzlichen Stärkung des Kinderfilms bereits in einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP formuliert. Die Verfilmungen bekannter Kinderbücher und Märchen sind auch heute noch an den -Kinokassen erfolgreich und im Fernsehen zu sehen. Allerdings werden Filme mit zeitgenössischen Stoffen immer seltener. Die FFA hat in den vergangenen drei Jahren 31 Kinderfilme gefördert. Von diesen hatten jedoch nur vier einen originären Stoff zum Thema. Das FFG schafft an dieser Stelle wichtige neue Anreize. Ich freue mich auf das parlamentarische Verfahren. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Das Kinojahr in Deutschland hat ausgezeichnet -begonnen. Gerade was den deutschen Film betrifft, können wir sehr zufrieden sein. Es gibt schon zwei -Besuchermillionäre und zahlreiche andere deutsche Produktionen mit beeindruckenden Zahlen. Die -Palette reicht von gut gemachter Unterhaltung bis zu anspruchsvollem Arthouse-Film. Das ist echte Kinovielfalt. Aber nicht nur der ökonomisch orientierte Blick auf den Kinomarkt stimmt zuversichtlich. Auch auf internationalem Parkett hält der Erfolg des deutschen Films an. Bei der Oscar-Verleihung am vergangenen Sonntag hat er wieder einen glänzenden Auftritt hingelegt. Die deutsch-österreichisch-französische Koproduktion "Liebe" von Regisseur Michael Haneke unter Beteiligung der deutschen X-Filme von Stefan Arndt hat den Oscar für den besten nicht englischsprachigen Film bekommen. Auch von dieser Stelle meinen herzlichen Glückwunsch zu diesem Erfolg! Diese beeindruckende Zwischenbilanz für den deutschen Film ist aber nicht vom Himmel gefallen. Sie ist natürlich zuallererst der Kreativität, dem Ideenreichtum und auch dem unternehmerischen Mut in der Filmbranche zu verdanken. Aber möglich wurde das letztlich erst durch unser Filmförderungssystem in Deutschland. Das steht mit den Standortförderungen der Länder, dem Deutschen Filmförderungsfonds, DFFF, der BKM-Förderung und der Filmförderungsanstalt, FFA, auf mehreren Beinen. Unbestritten ist, dass die FFA-Förderung dabei ein unverzichtbarer Pfeiler in diesem System ist. Es ist kein Geheimnis, dass die Filmförderung in den vergangenen Jahren in unruhige Gewässer geraten ist. Immer noch ist das sichere Ufer nicht erreicht; denn wir warten auf das ausstehende Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Kinoklage. Davon hängt nichts weniger als die Zukunft der FFA ab. Egal wie der Richterspruch ausfällt, dann wird ein Neuanfang nötig sein; denn unübersehbar hat die Solidarität in der Branche durch die jahrelangen Klagen und Vorbehalte gelitten. Viel Unzufriedenheit hat sich aufgestaut. Wenn Karlsruhe gesprochen hat, werden wir das FFG auf neue Füße stellen müssen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir mit der siebten FFG-Novelle diese Phase der Ungewissheit überbrücken und schon ein paar Pflöcke für die Zeit nach dem Urteil einschlagen. Unter dieser Maßgabe kann der Vorschlag der Bundesregierung, den wir heute beraten, nicht zufriedenstellen. Da wäre mehr möglich gewesen. Uneingeschränkt zu begrüßen ist es, dass künftig auch Video-on-Demand-Anbieter, die ihren Sitz im Ausland haben, zur Abgabe herangezogen werden -sollen. Das ist dringend erforderlich, um die Marktverzerrungen zuungunsten der deutschen Anbieter endlich zu korrigieren. Ich kann nur hoffen, dass die Vereinbarkeit mit der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste nicht in Zweifel gezogen wird. Dann ist die angedeutete Klagebereitschaft der betroffenen Unternehmen gegenstandslos. Denn wir wollen doch dem Prinzip, auf dem das FFG beruht, weiterhin Geltung verschaffen, wonach sich jeder an den Abgaben beteiligen muss, der am deutschen Film verdient. Genau aus diesem Grund bleibt die Novelle in einem entscheidenden Punkt hinter dem Erforderlichen zurück. Denn die rasanten technologischen Veränderungen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass sich neue Anbieter auf den Kommunikationsmärkten etabliert haben, national wie international. Dabei profitieren die großen Plattformen, die Internet- und Kabelzugangsanbieter direkt oder indirekt davon, dass sie deutsche Kinofilme durch ihre Netze leiten und damit Umsatz machen. Deshalb lautet die Forderung meiner Fraktion: Auch diese neuen Akteure müssen mit einer Abgabe für die Filmförderung in Deutschland herangezogen werden. Frankreich ist da bereits deutlich weiter als wir und hat entsprechende Abgaben vorgesehen. Auch Portugal hat solche Pläne. Mir ist nicht entgangen, dass Brüssel die Notifizierung für Frankreich seit über einem Jahr hinauszögert, weil die Wettbewerbskommission ihre schützende Hand über die Access-Provider hält. Dagegen hat die EFAD, die Vereinigung der europäischen Filmförderungseinrichtungen, darunter auch die FFA, geschlossen Protest bei der Kommission eingelegt. Selbst wenn Brüssel noch kein grünes Licht gibt, halte ich es für erforderlich, dass man mit den Zugangsanbietern Gespräche aufnimmt, die zumindest einen freiwilligen Beitrag an die FFA zum Ziel haben. So haben wir es doch auch mit den Sendern gehalten. Inzwischen sind sie in die gesetzliche Abgabe einbezogen. Mit der letzten, der sogenannten kleinen FFG--Novelle, haben wir das beschlossen. In einem weiteren Punkt nutzt der vorliegende Gesetzentwurf nicht die Gelegenheit zu einer Verbesserung, die mir und meiner Fraktion besonders wichtig ist: Immer wieder kommt es bei den Dreharbeiten zu Verstößen gegen soziale und tarifliche Standards. Vorgeschriebene Ruhezeiten werden nicht eingehalten, Überstunden bleiben unbezahlt, und immer wieder werden den Filmschaffenden Dumpinglöhne zugemutet. Wenn das da passiert, wo öffentlich gefördert wird, dann ist es unsere politische Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das abgestellt wird. Um es ganz klar zu sagen: Bei öffentlich geförderten Produktionen müssen die sozialen Standards eingehalten werden. Schon bei der letzten großen FFG-Novelle habe ich mich für eine entsprechende Regelung eingesetzt. Da waren wir in der Großen Koalition, und herausgekommen ist ein Kompromiss, der in der Praxis nicht funktioniert hat, wie wir heute wissen. Die Verstöße gab es nicht nur bei Low-Budget-, Nachwuchs- oder Kurzfilmproduktionen, wie immer wieder angenommen wird. Deshalb müssen wir bei der laufenden Novelle nachlegen. Beim FFG ist das allerdings gar nicht so einfach. Hier werden auch deutsche Koproduktionen mit internationaler Beteiligung gefördert. Das EU-Recht - genauer gesagt: die Entsenderichtlinie und die zu erwartende neue Kinomitteilung - verbietet, dass nationale Standards auch für ausländische Produzenten verbindlich gemacht werden. Ich bin in Gesprächen, einen Weg zu finden, bei dem zwar keine Sanktionen greifen, der aber doch für eine große Transparenz sorgen könnte und damit den Druck auf das Einhalten von Standards deutlich erhöht. Wir werden einen entsprechenden Änderungsantrag einbringen. Änderungen halten wir auch im Bereich des Filmerbes für erforderlich. Das FFG ist ein zentrales Instrument, um auch die Branche stärker für den Erhalt unseres Filmbestandes zu motivieren. Der Gesetzentwurf sieht auch eine Beteiligung der Branche an der Digitalisierung des alten Filmerbes vor; das ist gut, reicht aber nicht aus. Denn ungelöst bleibt weiter die Frage der Langzeitsicherung der geförderten und zu hinterlegenden Gegenwartsproduktionen. Das muss gemeinsam mit der Branche geleistet werden. Deshalb muss die Sicherung geförderter Filme in den Förderrichtlinien von Anfang an mitgedacht werden. Ein weiterer wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang: Die nachhaltige Bewahrung der geförderten Filme setzt voraus, dass nicht nur, wie bisher, eine archivfähige Kopie hinterlegt wird, sondern gesichert werden muss auch das digitale Master, das alle Daten der Produktion ohne Abstriche umfasst; natürlich erst nach einer gewissen Auswertungsfrist. Eine eher technische Änderung am Gesetzentwurf halten wir für geboten, was die vorgesehene Laufzeit der Novelle betrifft. Nach jetzigem Stand soll das Gesetz statt der üblichen fünf Jahre nur zweieinhalb Jahre gelten; das hängt mit dem ausstehenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zusammen. Das ist für die Antragsteller aus der Branche abrechnungstechnisch äußerst ungünstig, weil hier mit Jahresabschlüssen operiert wird. Die Beantragung von Fördermitteln würde also unnötig kompliziert gemacht. Wir empfehlen also dringend, die Laufzeit auf zwei oder drei Jahre festzulegen. Auch mit der Kinoförderung werden wir uns im -Zusammenhang mit der Novelle noch einmal beschäftigen müssen. Hintergrund ist das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, das erfreulicherweise -unsere Digitalisierungsförderung für die Kriterien-kinos bestätigt hat. Allerdings hat es zugleich die -Kinoförderung nach § 56 FFG auch für die digitale Zweitausstattung geöffnet. Das werden wir uns noch einmal genau anschauen und gegebenenfalls bei der Novellierung mit berücksichtigen. Wir sehen: In der Novelle steckt noch ein ganzes Stück Arbeit. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält viele sinnvolle Ansätze. Da sind vor allem zu nennen: die Verpflichtung der geförderten Produzenten und Verleiher, barrierefreie Fassungen der geförderten Produktionen bereitzustellen, also Filme mit Untertitelungen für hörgeschädigte und mit Audiodeskription für sehbehinderte Mitmenschen zu versehen. Ausdrücklich zu begrüßen ist die verbesserte Förderung von Kinderfilmen, die auf originären Stoffen beruhen. In anderen Punkten muss allerdings noch nachgelegt werden; ich habe das oben ausgeführt. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten und hoffen, am Ende im Interesse der Filmförderung in Deutschland wieder zu einer einvernehmlichen Novellierung unseres Filmförderungsgesetzes zu kommen. Dr. Claudia Winterstein (FDP): Die 63. Berlinale war wieder einmal ein überwältigender Erfolg für das Publikumsfestival. Die langen Schlangen vor den Kinokassen belegten erneut, dass die Internationalen Filmfestspiele Berlin nach wie vor das Publikum begeistern. Mit etwa 300 000 verkauften Eintrittskarten wurde eine neue Rekordmarke auf-gestellt; ganz Berlin war zehn Tage regelrecht im -Kinorausch. Das Drama "Child's Pose" von Calin Peter Netzer erhielt zu Recht den Goldenen Bären für den besten Film. Auch der deutsche Film war wieder zahlreich und mit herausragenden Produktionen auf dem Festival vertreten. Wir können insgesamt auf ein erfolgreiches Kinojahr 2012 zurückblicken. Die Kinos haben mit über 1 Milliarde Euro Umsatz die höchsten Einnahmen ihrer Geschichte erzielt; so die Zahlen der Filmförderungsanstalt, FFA, die kurz vor der Berlinale veröffentlicht wurden. Nach Aussagen der FFA hat die von Bund und Ländern getragene Digitalisierungsförderung der Kriterienkinos zu diesem Erfolg beigetragen. Aktuell hat die FFA 1 000 Anträge auf Digitalisierungsförderung mit einem Gesamtvolumen von 10 Millionen Euro bewilligt. Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes hat das Ziel, die Leistungsfähigkeit und die Strukturen der deutschen Filmwirtschaft weiter zu verbessern und das Gesetz den neuesten technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen anzupassen. Wir werden die Erhebung der Filmabgabe zunächst einmal auf zweieinhalb Jahre befristen und nicht wie bei vorhergehenden Verlängerungen auf fünf Jahre. Damit tragen wir den sich durch den technischen Wandel abzeichnenden hochdynamischen Marktveränderungen Rechnung. Eine zeitnahe Evaluation in eineinhalb Jahren wird nötig werden und, sofern die Überprüfung dies ergeben sollte, gegebenenfalls eine Anpassung des Abgabensystems bei der nächsten Novelle notwendig machen. Ein ganz wichtiger Punkt im vorliegenden Gesetzentwurf ist für die Koalition, aber auch fraktionsübergreifend die bessere Teilhabe behinderter Menschen an den geförderten Filmen. Circa 1,2 Millionen blinde und sehbehinderte Menschen sowie weitere Millionen gehörlose, schwerhörige und ertaubte Menschen in Deutschland können das Filmerlebnis nur eingeschränkt erleben, da das Angebot von barrierefreien Filmen in Deutschland bisher leider sehr gering ist. Aus Art. 30 der UN-Behindertenrechtskonvention ergibt sich, dass Kunst und Kultur sich ohne Abstriche auch für Menschen mit Behinderungen erschließen lassen müssen. Das schließt den Film mit ein. So ist es nur folgerichtig, dass in den Katalog der zwingenden Fördervoraussetzungen durch § 15 Abs. 1 Ziffer 7 die Anfertigung einer barrierefreien Fassung - Audio-deskription und mit deutschen Untertiteln - aufgenommen wurde. Positiv ist auch zu bewerten, dass Kino-modernisierungsmaßnahmen, die der Herstellung von Barrierefreiheit dienen, zukünftig als Zuschüsse und nicht als Darlehen vergeben werden. Zu begrüßen ist auch, dass der fraktionsübergreifende Wunsch nach der neuen Aufgabenfestschreibung der FFA hinsichtlich des Filmerbes im Gesetzentwurf festgeschrieben ist. Es ist gut, dass Maßnahmen zur Digitalisierung und zur Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes als neue Kernaufgabe der FFA in den Katalog aufgenommen wurden, und zwar in § 2 Abs. 1 Ziffer 3. Bereits im Jahr 2012 förderte die FFA die -Digitalisierung des Filmerbes mit 1 Million Euro im Jahr. Auch die neuen Regelungen zum Kinderfilm in § 32 Abs. 1 FFG passen gut zu den Forderungen der Koalitionsfraktionen, wonach im Rahmen der Projektfilmförderung auch Kinderfilmprojekte, die auf Originalstoffen beruhen, in angemessenem Umfang gefördert werden sollten. Des Weiteren erachten wir eine Flexibilisierung der Sperrfristen für die Video-on-Demand-Auswertung, die mit den Sperrfristen für die Verwertung auf DVD gleichgesetzt wurde, als äußerst positiv. Wichtig ist aber, dass an der Exklusivität der Kinoauswertung festgehalten wurde und beide Produkte erst sechs -Monate nach der Erstaufführung im Kino heraus-gebracht werden dürfen. Im Ausschuss zu diskutieren ist gegebenenfalls noch über die angebrachten Kritikpunkte bei einigen -Gremienänderungen. Zudem sollte, entsprechend dem Antrag der Koalition mit dem Titel "Originäre Kinderfilme aus Deutschland stärker fördern" auf Drucksache 17/12381, eine Verlängerung des Zeitraums zur Erreichung von 25 000 Zuschauern von zwei auf drei Jahre in der Referenzfilmförderung in § 23 Abs. 1 FFG geprüft werden. Wir freuen uns auf die gemeinsame Beratung im Ausschuss und nehmen die Kritikpunkte der Kollegen aus den anderen Fraktionen zur Kenntnis. Lassen Sie uns all dies in einer Anhörung erörtern. Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Der Entwurf des Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes, FFG, wirft einige Fragen auf, die für die Fraktion Die Linke ungeklärt sind. Es -handelt sich dabei durchweg um Punkte, die von der Koalition entweder gar nicht mehr oder in merkwürdig geringschätzender Weise berücksichtigt werden. Filmförderung heißt ja nicht in erster Linie Marktförderung, sondern ohne Wenn und Aber Kulturförderung, die nun einmal als gesamtgesellschaftliche Maßgabe auch gesamtgesellschaftlichen Erfordernissen entsprechen muss. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzentwurf nicht hinreichend durchdacht oder offensichtlich bewusst fahrlässig konzipiert. Konkret geht es uns -dabei um Folgendes: In den Aufgaben der Filmförderungsanstalt, FFA, findet sich unter § 2 Abs. 1, 2, 5 und 6 - Förderung, Strukturverbesserung, gesamtwirtschaftliche Belange sowie internationale Zusammenarbeit und Kooperation mit Rundfunkanstalten - keine angemessene -Berücksichtigung der Beschäftigungssituation von Kreativschaffenden in der Filmbranche. Hier besteht die Linke, im Übrigen im Einklang mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und weiteren Inte-ressenverbänden der Beschäftigten, auf zusätzlichen Vereinbarungen im Rahmen des FFG, um eine signifikante Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. In der Antwort der Bundesregierung auf die Befragung zur Novellierung des FFG nach dem Kabinettsbeschluss führte der BKM, Staatsminister Neumann, hier im Plenum am 7. November 2012 mir gegenüber aus, dass meine Fraktion dahin gehend auf das falsche Gesetz abzielen würde. Das sehen wir definitiv anders. Das FFG als Steuerungsinstrument zur Förderung der Filmkultur in Deutschland kann nicht von denjenigen absehen, die überhaupt erst mit ihren Ideen, Fähig-keiten und professionellen Fertigkeiten das Produkt Film erzeugen, das dann der Verwertung zugeführt wird, um für Produzenten und Filmverleiher Gewinne abzuwerfen. Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit über die schlechte Bezahlung der Kreativen im Film- und Fernsehbereich debattiert. Auch, dass etwas Nachhaltiges für sie getan werden muss, ist eigentlich Konsens. Wenn dann aber, wie jetzt, die konkrete legislative -Umsetzung ansteht, bleiben die Beschäftigten wieder auf der Strecke. Das ist für die Linke untragbar und bedarf einer sofortigen Neujustierung im FFG. Das Gleiche gilt für den Wegfall der Förderung der filmberuflichen Weiterbildung, die in früheren Fassungen des FFG unter § 59 immerhin als strukturelle -Einzelregelung erkennbar war. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird lapidar die Aufhebung des Paragrafen verfügt. Der BKM begründete die Streichung bereits am 29. Juni 2012 nach der Vorstellung des -Referentenentwurfes damit, "dass die Förderung der Weiterbildung mit Blick auf die Kernaufgaben der FFA vergleichsweise wenig Wirkung zeigt, insbesondere wegen der starken Zersplitterung der für diesen Förderzweck zur Verfügung stehenden Mittel", vergleiche Begründung BKM-Referentenentwurf FFG 2014, 29. Juni 2012, Seite 24. Diese Begründung ist schwer einzusehen. Die Kernaufgaben der FFA bestehen doch nach § 2 FFG unter anderem in der Förderung des deutschen Films als Kulturgut und in der -Unterstützung der gesamtwirtschaftlichen Belange des Films, wobei unter die gesamtwirtschaftlichen Belange eben auch im Normalfall die Verpflichtung zum Angebot filmberuflicher Weiterbildungsmaßnahmen gefasst werden muss. Wir von der Linken sind jedenfalls davon überzeugt, dass die Weiterbildung Bestandteil der Filmförderung sein sollte, und halten daher die ersatzlose Streichung von § 59 für ein völlig falsches Signal. Das FFG ist darüber hinaus in Bezug auf die -Digitalisierung des Filmerbes deutlich zu stärken und viel präziser auszurichten. Eine bloße Aufnahme dieses Titels in den Aufgabenkatalog der FFA wird nicht genügen. Ebenso hat der Koalitionsantrag zum Thema "Originäre Kinderfilme" aufgezeigt, dass in den §§ 15, 23 und 53 FFG auf diesem Spezialfeld Nach-besserungen durchzuführen sind. Ich habe an anderer Stelle in Reden zu beiden Themen für meine Fraktion das Nötige gesagt und weise hier erneut auf unsere plausiblen Finanzierungsvorschläge hin. Letzten Endes wartet der Gesetzentwurf noch mit einer erstaunlichen Regelung auf: Der § 75 Abs. 1 legt das Auslaufen der jetzigen Novellierung des FFG auf den 30. Juni 2016 fest. Das bedeutet eine Verkürzung der Gültigkeitsdauer um die Hälfte von fünf auf zweieinhalb Jahre. Zusätzlich dazu soll spätestens bis zum 30. Juni 2015 ein Evaluierungsbericht zur Entwicklung des Abgabeaufkommens erarbeitet und veröffentlicht werden. Zur Begründung führt die Bundesregierung an, dass die Halbierung der Befristung sich abzeichnenden Marktveränderungen geschuldet ist, die vor allem durch den technischen Wandel bedingt sind und die gegebenenfalls eine Anpassung des Abgabesystems erforderlich machen. Auch die Folgen der neuen Rundfunkgebühr könnten danach Änderungen an den Abgabemaßstäben hervorrufen. Ich finde, dass diese Begründungszusammenhänge nicht überzeugend sind. Wenn man die beschriebenen möglichen Effekte bereits ahnt oder sogar voraussieht, dann hätte sich ihre Berücksichtigung doch im Gesetzentwurf selbst niederschlagen können. Evaluierungen sind ja gut und schön, sofern sie mit einer bestimmten Zielvorgabe ausgestattet werden. Hier jedoch wird höchst vage auf einen technischen Wandel zurück-gegriffen, der sich sowieso abspielt und der für mich eher als Ausrede erscheint, damit allein die Verwertungsmodalitäten in einem kürzeren Zeitabschnitt verfeinert werden können. Verräterisch wirkt der Hinweis auf die Folgen der Haushaltsabgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Offensichtlich ist sich die Koalition bewusst, dass die Rundfunkgebühr in ihrer derzeitigen Form unter Umständen keine positiven Rückkopplungen auf die Filmwirtschaft haben wird. Die Verkürzung des Geltungszeitraums ist aber unseres Erachtens auch ganz allgemein problematisch, weil Planungsunsicherheiten entstehen und der Novellierungsprozess unverhältnismäßig die verknappte Geltungsdauer überlagert. Ohne substanzielle Änderungen ist daher der vor-gelegte Entwurf des FFG für die Linke nicht zustimmungswürdig. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Filmförderung des Bundes ist ein unverzicht-bares Element in der deutschen Filmförderlandschaft. Bei allem Reformbedarf im Detail steht diese Filmförderung für uns Grüne nicht zur Disposition. Und ich möchte sehr betonen, dass wir hier in engem Schulterschluss mit den anderen Fraktionen des Hauses ste-hen - und auch mit den Ländern. Wir werden die Filmförderung des Bundes nicht kaputtmachen lassen, auch von einer Klagewelle nicht, die von großen Kinoketten losgetreten wurde. Dazu ist dieses Förderinstrument zu wichtig: als Faktor in einem Wirtschaftsbereich, der von besonderen Herausforderungen und Risiken geprägt ist und eine große Bedeutung für die kulturelle Identitätsbildung und die ästhetische Kommunikation hat. Wir sind für eine starke Filmförderung des Bundes und für eine Novellierung des FFG, die die Stellschrauben in Richtung Qualität und Nachhaltigkeit dreht. Und das heißt vor allem die Weiterentwicklung der eigenen Handschrift - für eine Unterscheidbarkeit des deutschen und europäischen Kinos in der internationalen Film- und Kinowelt. Deswegen stellen wir Qualitätsfragen nach vorne. Wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch wollen wir hochwertige Produkte, Filme, die anspruchsvollen Maßstäben genügen. Hier liegt die Zukunft und nicht in einer Nivellierung des Angebots. Hohe künstlerische und kulturelle Maßstäbe sind eine entscheidende Grundlage für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg des deutschen und europäischen Films. Deswegen halten wir die Absenkung der möglichen Referenzpunkte für Filme, die mit Auszeichnungen versehen wurden, für problematisch. Denn hiermit werden "Exzellenz"-Kriterien abgesenkt, was auch mit Blick auf den zuletzt schweren Stand deutscher Filme bei großen internationalen Filmfestivals falsche Anreize schafft. Problematisch ist auch, dass die von uns Grünen zusammen mit vielen Kreativen im Filmbereich geforderte Beteiligung der Kreativen an der Referenzfilmförderung nicht berücksichtigt wird. Eine solche Einbeziehung wäre wichtig, gerade um erfolgreiche Drehbuchautoren und Regisseure langfristig an den Kinofilm zu binden und ihre Abwanderung in Bereiche, die kontinuierlichere Verdienstmöglichkeiten bieten, zu verhindern. Ein Problem sehen wir auch in der Sperrfristverkürzung für die Fernsehauswertung von geförderten -Filmen von zwölf auf sechs Monate. Damit wird die Anzahl von sogenannten Amphibienproduktionen noch vergrößert. Mittel aus dem Bereich der Filmförderung werden noch stärker in den Bereich von Fernseh-produktionen abfließen. Der Wegfall der Förderungshilfen für die Fortentwicklung von Drehbüchern und auch von Fördermaßnahmen zur Weiterbildung sowie für Forschung, Ra-tionalisierung und Innovation sollte noch einmal überdacht werden, auch wenn die Nachfrage nach den entsprechenden Förderungen teilweise nicht ausreichend war. Angesichts der Qualitätsanforderungen und der großen Umbrüche im Filmbereich werden gerade diese Bereiche immer wichtiger. Wir sollten darüber nachdenken, wie diese Mittel sinnvoll für die vorgesehenen Zwecke eingesetzt werden können. Bei der Drehbuchförderung sollten die Kreativen die Möglichkeit erhalten, ihre Projekte selbstständig bei der FFA einzureichen. Auch interne Veränderungen in der FFA sind sinnvoll, etwa verstärkte Kompetenzen der Unterkommission "Drehbuch" bei der Drehbuchfortentwicklung. Wir begrüßen, dass die Novelle Maßnahmen zur Förderung der Digitalisierung und der Zugänglich-machung des Filmerbes beinhaltet. Auch das ist überfällig. Mit dem Antrag "Umfassende Initiative zur -Digitalisierung des Filmerbes starten", Bundestags-drucksache 17/8353, hat die grüne Fraktion ja eindringlich auf die Bedeutung des Themas hingewiesen. Während der Beratungen des Kultur- und Medienausschusses des Bundestags zum Thema im Dezember 2012, Bundestagsdrucksache 17/11933, zeigte sich, dass die Vorstellungen der Bundesregierung hier immer noch viel zu vage und unkonkret sind. Wir brauchen eine breite Digitalisierungsinitiative, die alle Gruppen und Akteure in die Verantwortung einbezieht - "Runder Tisch" -, so wie das etwa in den Niederlanden mit Erfolg geschehen ist. Die FFA muss hierzu einen Beitrag leisten. Nötig sind schlüssige Konzepte und ausreichende Finanzmittel, damit wir rasch vorankommen und nicht weiter hinter Nachbarländer zurückfallen. Wir begrüßen, dass nun auch eine Vertreterin bzw. ein Vertreter der Kreativen Mitglied im Präsidium der FFA sein soll. Auch das ist eine alte Forderung von uns Grünen. Diese positive Entwicklung wird allerdings durch die Streichung eines Sitzes der Kreativen in der Vergabekommission wieder konterkariert, wobei die AG "Kurzfilm" ganz aus der Vergabekommission herausfallen soll. Das kritisieren wir. Auch die Übernahme des Vorsitzes der Vergabekommission durch den FFA-Vorstand erscheint uns -fragwürdig, weil in dieser Kommission doch eher die filmpraktischen Kompetenzen im Mittelpunkt stehen sollen. Bei der Besetzung des Verwaltungsrates fordern wir eine Berücksichtigung aller Fraktionen des Bundestages, was über grundständige Mandate oder zumindest sprechberechtigte Stellvertreterinnen und Stellvertreter erreicht werden kann. Wir begrüßen schließlich, dass Audiodeskriptionen für Menschen mit Sehbehinderungen und Untertitelungen für Menschen mit Hörschäden nun verpflichtend werden. Das ist ein großer Erfolg auch für unsere grüne Initiative zum barrierefreien Film, Bundestagsdrucksache 17/8355, und die Initiative der filmpolitischen Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen, die in einem gemeinsamen Brief auf das Problem aufmerksam gemacht haben. Ebenso begrüßen wir die Verbesserungen bei der Herstellung von Barrierefreiheit von Kinos im Zuge von Modernisierungsmaß-nahmen. Die Ausnahmeregelungen zu den nun vor-gesehenen Regelungen dürfen allerdings zu keiner Aufweichung bei den angestrebten Verbesserungen führen. Ein Problembereich der Filmförderung sind die "originären" Kinderfilme, also Filme, die sich auf unsere Lebenswirklichkeit beziehen und dabei nicht nur Kinoadaptionen von bekannten Kinderbüchern oder Märchenstoffen sind. Nur 4 der über 30 FFA-geförderten Kinderfilme in den letzten drei Jahren waren in -dieser Weise "originär". Ein Antrag der Koalition hat gerade auf diesen Missstand hingewiesen, Bundestagsdrucksache 17/12381. Die dort vorgeschlagenen Problemlösungen sind jedoch sehr inkonsequent. In der FFG-Novelle könnte für den Kinderfilm einiges getan werden, wenn zum Beispiel auf die in § 23 beabsichtigte Verschlechterung bei den Aufstockungsmöglichkeiten für Referenzpunkte verzichtet wird. Denn diese Absenkung dürfte sich gerade für originäre Kinderfilme negativ auswirken. Besonders wichtig ist es, beim § 15 FFG, den allgemeinen Förderungsvoraussetzungen, anzusetzen. In der FFG-Novelle der Regierung taucht hier jedoch keine Verbesserung für den Kinderfilm auf. Eine bloße Klarstellung in § 32, wonach auch "Kinderfilm-projekte, die auf Originalstoffen beruhen", angemessen im Rahmen der Projektfilmförderung berücksichtigt werden sollen, ist viel zu unbestimmt. Was uns in der FFG-Novelle ganz fehlt, sind Ansätze zur Ökologisierung der Filmproduktion, "Green Film". Eine klimafreundlichere Filmproduktion mit deutlich abgesenkten CO2-Emmissionen ist möglich. In verschiedenen Staaten haben sich Initiativen zu diesem Thema gebildet; Firmen bieten ihre Dienstleistungen an. Auch Landesfilmförderanstalten sind hier schon aktiv, zum Beispiel die FFHSH in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die geplante Novelle des FFG versäumt es, Anreize zu schaffen, um die nötige Ökologisierung der Filmproduktion voranzutreiben. Insgesamt sehen wir einige gute Ansätze in der FFG-Novelle, aber auch eine Reihe von Problemen. Ich fände es gut, wenn wir in den parlamentarischen Beratungen gemeinsame Lösungen erarbeiten könnten. Wir Grünen sind jedenfalls bereit, starke gemeinsame Signale für die Filmförderung des Bundes auszusenden. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 17/12370 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Auch dazu gibt es offensichtlich keine anderweitigen Vorschläge. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 32 auf: Beratung des Antrags der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Energetische Quartierssanierung sozialgerecht voranbringen - Drucksache 17/11205 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f) Innenausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Auch hier nehmen wir die Reden zu Protokoll. Daniela Ludwig (CDU/CSU): Energetische Gebäudesanierung, hier auch Quartierssanierung genannt, ist uns allen ein großes Anliegen. Es ist aber scheinbar nicht groß genug, als dass sich die Länder im Vermittlungsausschuss mit uns hätten einigen wollen. Dass wir immer noch kein Gesetz zur Förderung der energetischen Gebäudesanierung haben, liegt nicht am Bund, sondern eindeutig an den SPD--regierten Ländern, die sich querstellen. Doch das ändert leider nichts an den Tatsachen. Der Energieverbrauch in unseren Städten ist hoch. Das Einsparpotenzial in unseren Häusern und Wohnungen ist hoch; der Sanierungsbedarf und die Kosten sind es ebenfalls. Sie fordern von der Bundesregierung, eine -sozial gerechte energetische Quartierssanierung als neuen Förderschwerpunkt mit soliden Finanzmitteln für die Kommunen, eine verstetigte Städtebauförderung unter stärkerer Berücksichtigung des Klimaschutzes und stärkere Nutzung von EU-Fördermitteln für diesen Bereich. Das sind gute Ideen. Die hatten auch wir. Deshalb machen wir ja all das auch schon. Fangen wir doch einmal bei einer grundlegenden Sache an: Wie soll man einen Hauseigentümer oder Vermieter, seien es Private oder Kommunen, dazu bewegen, in die energieeffiziente Sanierung ihrer Gebäude zu investieren, also Ausgaben zu tätigen, wenn sie diese nicht beispielsweise über die Miete wieder "reinholen" können? Da kann man nicht nur an den guten Willen, die gute Tat für die Umwelt und die Energiewende appellieren. Dazu gehört mehr, und das machen wir auch. Eine steuerliche Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen, zusätzlich zu den Programmen der KfW-Bankengruppe, hätte insbesondere für selbst -nutzende Eigentümer und für private Vermieter ein entscheidender Anreiz sein können, die energetische Sanierung ihrer Gebäude in Angriff zu nehmen. Aber der Bund konnte, wie eingangs schon gesagt, hier nicht auf die Mitwirkung der Länder zählen. Eine warmmietenneutrale Sanierung wird also schwierig. Insgesamt kommt es nicht nur darauf an, dass hier und da ein Eigentümer ein Haus energetisch saniert. Deshalb stehen wir auch städteplanerisch vor großen Herausforderungen. Es sind die Städte und Kommunen gefragt, entsprechende Schritte einzuleiten bzw. erfolgreich begonnene fortzuführen. Es geht dabei auch nicht nur um Bestandsimmobilien, sondern auch um die künftige soziale Wohnraumförderung. Erst in dieser Woche hat Minister Ramsauer angekündigt, dass, wenn es nach ihm ginge, die Bundesmittel auch 2014 wieder bei 518 Millionen Euro festgelegt werden sollten, unter der Bedingung, dass die Länder diese Mittel zweckgebunden einsetzen. Unsere jetzt schon vorhandenen zahlreichen Fördermittel dienen ganz klar dazu, genau diese Anreize zu setzen und dabei die Belastungen der Eigentümer, Nutzer und Mieter möglichst gering zu halten. Wir unterstützen die Kommunen dabei, die Quartierssanierung auf eine solide finanzielle und organisatorische Basis zu stellen. Dazu hat das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung ihnen zahlreiche Arbeitshilfen gegeben, zum Beispiel den "Handlungsleitfaden zur Energetischen Stadterneuerung", der bereits seit 2011 für die Kommunen eine gute Informa-tionsbasis für Energieeinsparmaßnahmen auf allen Gebieten darstellt und erfolgreich angewandt wird. Es ist außerdem bekannt, dass im Rahmen des Forschungsprojekts "Anforderungen an energieeffiziente und klimaneutrale Quartiere" des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus die Erkenntnisse aus diesem Leitfaden für die Quartiersebene stetig verfolgt, ausgewertet und verfeinert werden. Zu den jetzt schon sehr effizienten und erfolgreichen Fördermaßnahmen, die vom Bund aufgesetzt wurden, zählen zum Beispiel das bewährte CO2-Gebäudesanierungsprogramm, die Vor-Ort-Energieberatung, das Marktanreizprogramm sowie das KfW-Programm "Energetische Stadtsanierung". Es ist nämlich nicht nur wichtig, das Haus von außen zu dämmen, was momentan als einfachste Methode des Energieeinsparens angesehen wird. Es gibt ja noch viel mehr. Die Vor-Ort-Energieberatung, gefördert durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, zielt auf die Energieberatung für Wohnimmobilien ab. Dem -Immobilieneigentümer werden energetische Schwachstellen seines Objektes aufgezeigt, und es werden entsprechend passgenaue effiziente Modernisierungsmaßnahmen konzipiert, deren Wirtschaftlichkeit mittels einer Nutzen-Kosten-Analyse geprüft werden. Der Beratungsbericht der Vor-Ort-Energieberatung wird von der KfW-Bank als Nachweis für die Beantragung eines KfW-Kredits "Energieeffizient sanieren" akzeptiert, und so führt dann eines zum anderen. Viele der Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufzählen, sind also von uns schon in bestehendes Recht umgesetzt worden bzw. sind Teil des Energiekonzepts der Bundesregierung. Wir stehen ja nicht still. Es werden immer wieder bestehende Programme überprüft und verbessert, neue Programme ersonnen und neue Wege ermittelt, wie der Bund gemeinsam mit den Ländern oder diese unterstützend die Bezahlbarkeit von Energie und die Bezahlbarkeit von Wohnraum sichern kann. Wir alle können nicht leugnen: Wird energetisch saniert, so profitiert der Vermieter, weil seine Immobilie an Wert gewinnt. Gleichzeitig profitiert auch der Mieter: von sinkenden Nebenkosten und von einer Verbesserung der allgemeinen Wohnqualität. Aus diesem Grund hat der Mieter energetische Modernisierungsmaßnahmen auch zu dulden, sofern diese keine unbillige, nicht zu rechtfertigende Härte für ihn oder einen Angehörigen seines Haushalts darstellen. Es kann auch nicht immer sein, dass es sich überhaupt nicht auf die Mietkosten auswirkt; aber das muss sozialverträglich sein. Da stimme ich Ihnen zu. Wir schützen Mieter weiterhin vor unberechtigten Mieterhöhungen. Dies geschieht dadurch, dass nach § 559 Abs. 4 BGB-E eine Mieterhöhung ausgeschlossen wird, soweit sie auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen künftigen Betriebskosten für den Mieter eine nicht gerechtfertigte Härte darstellt. Benötigt ein Mieter dennoch Unterstützung bei der Mietzahlung, so besteht wie bisher die Möglichkeit, Wohngeld zu beantragen. Diese staatliche Hilfe sowie die Übernahme der Kosten der Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung federt im Rahmen der Höchstbeträge bei Menschen mit geringem Einkommen zum Beispiel Mieterhöhungen ab, die nach Modernisierungen entstehen können und die finanzielle Belastbarkeit des Mieters übersteigen. Bund, Länder und Kommunen wenden erhebliche Haushaltsmittel dafür auf, dass sich einkommensschwache Haushalte angemessenes Wohnen zu tragbaren Bedingungen leisten können. Da ist der Bund im Jahr mit 17 Milliarden Euro in der Pflicht, die soziale Wohnraumförderung der Länder mit 1 Milliarde Euro. Eines dürfen wir bei dieser Diskussion auch nicht vergessen: die Pflichten der Länder. Mit der Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Föderalismusreform I sind -Zuständigkeiten im Wohnungswesen, etwa die für die soziale Wohnraumförderung, vom Bund auf die Länder übertragen worden. Dies geschah aus dem einfachen Grund, dass angesichts zunehmend differenzierterer Wohnungsmärkte vor Ort am besten über die sachgerechten Maßnahmen entschieden werden kann. Der Bund hat daher weder die Möglichkeit, auf die Stärkung der öffentlichen Wohnungswirtschaft durch die Länder einzuwirken, noch kann er diese zum Erlass von Wohnraumschutzgesetzen veranlassen. Wir können lediglich Hilfestellungen geben, die zum Teil gerne angenommen werden. Die Einflussmöglichkeit des Bundes ist auch beim Einsatz der sogenannten EFRE-Mittel für Zwecke der Energieeffizienz im Wohnungsbestand begrenzt. Inwieweit also diese Mittel zulasten von Strukturförderungsmaßnahmen umverteilt werden, liegt allein bei den Ländern. Ich meine, die Ansätze der Bundesregierung und der Regierungskoalition sind überzeugend, vielseitig und erfolgreich. In diesem Sinne wollen wir fortfahren. Volkmar Vogel (Kleinsaara) (CDU/CSU): Die christlich-liberale Koalition hat Klimaschutz, Energiewende und Effizienzsteigerung zu zentralen Punkten der politischen Agenda gemacht. Dabei -haben wir stets die wirtschaftlichen und die sozialen Aspekte einfließen lassen. Deshalb haben wir das -Programm "Energetische Stadtsanierung - energie-effiziente kommunale Versorgung" gestartet. Es ist verbunden mit dem Programm "IKK - Energetische Stadtsanierung - Quartiersversorgung". Wir eröffnen damit die Möglichkeit, gezielt ganze Gebiete energetisch zu sanieren. Nicht das Einzelgebäude steht dabei im Fokus, sondern ein ganzes Quartier. Die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen fordern einen Energiesparfonds von 3 Milliarden Euro jährlich. Das klingt natürlich gut. Die Kollegen scheinen allerdings vergessen zu haben, dass es bei den Haushaltsverhandlungen großer Anstrengungen bedurfte, um die Mittel, die wir bereits bereitstellen, auch -weiterhin bereitzustellen. Ich frische aber gerne die Erinnerung weiter auf: Wir haben die energetische -Sanierung fortgeschrieben. 1,5 Milliarden Euro stehen jährlich aus dem Energie- und Klimafonds für 2013 und 2014 für die CO2-Gebäudesanierung zur Verfügung. Hieraus wird auch das bereits erwähnte Programm gespeist. Dieselben Grünen, die jetzt mehr Mittel fordern, waren es doch, die Sonderabschreibungen für die energetische Sanierung im Vermittlungsausschuss verhindert haben. Das wäre ein guter Anreiz für Selbstnutzer und kleine Vermieter gewesen. Stattdessen mussten wir unter größten Mühen über acht Jahre die bestehenden Programme zur CO2-Gebäudesanierung um 300 Millionen Euro jährlich aufstocken. In ihrem Antrag wollen die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen energetische Sanierungen mit sozialen Aspekten verbinden. Das leisten diese Programme bereits. Mit den erwähnten Programmen bezuschusst die KfW-Bankengruppe die quartiersbezogene Wärmeversorgung sowie Investitionen in energieeffiziente Wasserver- und Abwasserentsorgung. Damit ermöglichen wir ein technologieoffenes Vorgehen. Wir legen nicht bestimmte Formen der Effizienzsteigerung oder der Wärmeversorgung fest. Vielmehr soll mit den Akteuren vor Ort abgestimmt werden, was gemacht wird und sinnvoll ist. Somit eröffnen wir die Chance, stärker auf standortspezifische Gegebenheiten und Bedürfnisse der Anwohner einzugehen, als dies starre Vorgaben leisten können. Dies ist die Aufgabe des Sanierungsmanagers. Dieser wird durch das erstgenannte Programm ebenso wie der Erstellungsprozess des Sanierungskonzepts finanziert. Der Sanierungsmanager soll vor Ort in den Quartieren die unterschiedlichen Akteure zusammenführen. Dabei entwerfen sie gemeinsam das Sanierungskonzept. Er führt hierfür Wohnungsunternehmen, private Vermieter und Selbstnutzer zusammen. Die Herangehensweise, mit der wir nicht nur einzelne Gebäude betrachten, sondern ganze Quartiere, eröffnet neue Möglichkeiten und entspricht ganzheitlichen Grundsätzen. So sind beispielsweise Anlagen zur Nutzung von Erdwärme zur gebäudeübergreifenden Wärmeversorgung integrierbar. Solche Zusammenschlüsse und aufeinander abgestimmte Sanierungen führen zu einem besseren Kosten-Nutzen-Verhältnis. Die soziale Komponente vergessen wir nicht. Wohnwirtschaftliche Konzepte finden nämlich ebenso ihre Berücksichtigung in den jeweiligen Sanierungsplänen. Denn bei ihrer Erstellung sollen bereits vorhandene Quartierskonzepte oder Milieuschutzgebiete nach § 172 Baugesetzbuch Berücksichtigung finden. Dadurch sind die spezifischen Probleme einkommensschwacher Gebiete bereits beachtet und finden somit Eingang in das Sanierungskonzept. Wir wollen durch die energetische Sanierung keine Verdrängungseffekte erzeugen. Ganz im Gegenteil, wir tun etwas für das soziale Gleichgewicht. Denn energetische Sanierung bedeutet die Erhöhung der Energieeffizienz. Die Erhöhung der Energieeffizienz ist gleichzeitig gut für den Geldbeutel, denn die Nebenkosten sinken. Diese sind mittlerweile oftmals in Größenordnungen einer zweiten Miete angewachsen. Soziale Aspekte sind für uns zentral. Dies -äußert sich am eindrucksvollsten im Wirtschaftlichkeitsgebot. Aber das ist den Grünen offenbar nicht so wichtig. Energetische Sanierung geht nur dann sozial gerecht zu, wenn wir sie unter dem Aspekt der -Wirtschaftlichkeit betrachten. Eine nicht darstellbare Wirtschaftlichkeit ist für Vermieter und Mieter gleichermaßen schlecht. Gezielte Anreize zu eigenverantwortlichem Handeln stehen für uns über unwirtschaftlicher Zwangsbeglückung. In dem vorliegenden Antrag mahnen die Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen eine Verzahnung von energetischer Quartierssanierung mit anderen Bereichen wie altersgerechtem Umbauen an. Auch dies praktizieren wir bereits. Das von mir eben skizzierte Programm ist nämlich mit anderen Förderungen koppelbar. Die KfW bietet auch in diesem Bereich entsprechende Programme. Der Sanierungsmanager führt die unterschiedlichen Faktoren zusammen und bringt sie in das Sanierungskonzept ein. Auch an Barrierefreiheit und Denkmalschutz denken wir. Diese müssen bei der Erstellung des Konzeptes einfließen. Sie sehen also, dass die christlich-liberale Koalition das Sinnvolle aus dem Forderungskatalog bereits umsetzt. Die vorhandenen Mittel sollen planvoll, gezielt und effizient eingesetzt werden. Dies machen wir. Die sozialen Aspekte werden berücksichtigt. Dies machen wir. Andere Programme und Aufgabenstellungen einer vielfältigen Gesellschaft sollen einfließen. Dies machen wir. Der Antrag ist daher überflüssig, und deshalb lehnen wir ihn ab. Michael Groß (SPD): Die energetische Sanierung von Gebäuden ist ein wichtiger Baustein zur Erreichung der europäischen und nationalen Energieeffizienzziele. Wir als SPD-Bundestagsfraktion haben bereits frühzeitig festgestellt und thematisiert, dass neben der Sanierung einzelner Gebäude und Gebäudekomplexe dem ganzheitlichen Ansatz im Quartiersbezug stärker als bei früheren Maßnahmen und Programmen das Augenmerk gelten muss. Im Eckpunktepapier zur energetischen Gebäudesanierung der SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns bereits vor zwei Jahren mit den sozialen Aspekten der Maßnahmen intensiver beschäftigt. Erst jetzt - kurz vor der Wahl - entdeckt die Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen die sozialen Aspekte von energetischen Sanierungen. Bereits in anderen Plenardebatten habe ich mehrfach darauf hingewiesen, dass sich die energetische Sanierung in der heutigen Form nicht rechnet - weder für den Mieter und die Mieterinnen noch für den Vermieter oder die Vermieterinnen. Mit der Mietrechts-novelle hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Sanierungslasten noch einmal eindeutig in Richtung der Mietrinnen und Mieter geschoben. Bei ohnehin bereits regional sehr hohen Mietbelastungen führt dies zur finanziellen Überforderung nicht nur von Geringverdienern, sondern auch Familien mit mittleren Einkommen können sich qualitativ gute Wohnungen nicht mehr leisten. Die durchschnittlichen Bruttolöhne sind seit 2000 faktisch gesunken. Für die Wohngesamtkosten werden heute zwischen 30 und 50 Prozent vom Haushaltseinkommen aufgezehrt. Dabei sind lebenswerte und sozial ausgeglichene Städte die Grundlage für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Bezahlbare und gute Wohnungen sind ein grundlegendes Bedürfnis. Städte sind mehr als Stein und Beton. Lebenswerte Stadtquartiere zeichnen sich durch nachbarschaftliches Miteinander, durch soziale Infrastruktur, durch angenehmes Wohnumfeld, Angebote von Bildung, Kultur, Sicherheit und Inte-gration aus. In der jetzigen Politik steht dies nicht im Mittelpunkt. Unter der jetzigen Bundesregierung verkümmerte die Stadtentwicklungspolitik; Städtebauförderung besteht nur noch aus Investitionen und musste den ressortübergreifenden und sozialen Weg verlassen. Energetische Sanierung wird zum rein investiven Maßnahmenpaket. Dabei gilt es einerseits den steigenden Energiepreisen entgegenzuwirken, aber andererseits den Wohnanforderungen unserer heutigen Zeit gerecht zu werden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher -beschlossen, die Städtebauförderung zu stärken und verlässlich zu finanzieren. Das Programm "Soziale Stadt" wird zusammen mit den Ländern und Kommunen zum Leitprogramm ausgestaltet. Die positive Wirkung durch die ressortübergreifende Zusammenarbeit auf allen Ebenen machen den Erfolg der Programme der sozialen Stadt aus. Die energetische Stadtsanierung muss aus unserer Sicht in die Städtebauförderung integriert werden und finanziell verstärkt werden. Es gilt neben dem energetischen Ansatz auch demogra-fische Aspekte, regional extrem unterschiedliche Wohnungsmärkte, Barrierefreiheit sowie soziale Stadt- und Quartiersentwicklung unter einen Schirm zu bringen. Unsere Städte und Gemeinden leben durch und mit den Menschen und werden nicht alleinig durch Dämm-dicken bestimmt. Wir als SPD haben fest beschlossen, die Kommunen zu stärken, sie nicht im Stich zu lassen. Dies bedeutet auch, sie bei den unterschiedlichen -Wegen und Stadtentwicklungskonzepten mit den geeignetsten Maßnahmen zu unterstützen und unter anderem auch die Kommunen in Haushaltsnotlage in die Lage zu versetzen, an den Bund-Länder-Programmen der Städtebauförderung mithilfe eines Eigenanteilfonds teilzuhaben. Quartierssanierung wird niemals nur energetisch stattfinden. Die energetische Quartierssanierung bleibt trotzdem ein grundlegender Baustein für bezahlbaren Wohnraum. Hier gilt es dezentrale Strukturen für Energiegewinnung, -speicherung und -nutzung zu schaffen. Ich möchte hier ausdrücklich auch noch auf die heute Morgen in der Plenardebatte diskutierten Anträge "Bezahlbare Mieten in Deutschland" und "Bezahlbares Wohnen in der sozialen Stadt" verweisen. Jeder muss im Quartier motiviert werden, im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag zur Energieeinsparung beizutragen - wirtschaftlich sinnvoll und sozial gerecht. Petra Müller (Aachen) (FDP): Mit dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen scheint nun ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der quartiersbezogenen Betrachtung von Stadtentwicklungsprozessen auch in der Opposition Nachhall zu finden. Die christlich-liberale Koalition, insbesondere das liberale Konzept zur energetisch-dynamischen Stadtentwicklung, verfolgt den breiten Ansatz der Quartiers-betrachtung seit längerem. Denn eine der größten -Herausforderungen für den Klimaschutz und die Umsetzung der Energiewende liegen im Gebäudebestand. Um die Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen, müssen wir eine Politik der Energieeffizienz-steigerung im Gebäudebestand voranbringen und nicht nur auf das einzelne Gebäude, sondern auch auf quartiersbezogene Lösungen, beispielsweise bei der Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien, setzen. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt daher die Novellierung des BauGB und die enthaltene Ergänzung einer klimagerechten Stadtentwicklung und somit den energieeffizienten und klimaneutralen Quartiersumbau. Hier finden sich wichtige und inhaltlich abgestimmte Schritte, der Quartiersentwicklung einen gesicherten rechtlichen Rahmen zu geben. Wir schaffen damit einen funktionierenden Bau- und Wohnungsmarkt, der sich in einem stabilen und verlässlichen gesetzlichen Rahmen entwickelt. Die FDP-Bundestagsfraktion setzt hier aber auf Anreize und nicht auf Zwang, auf unternehmerische Initiative, nicht auf Staatswirtschaft. Es ist erstaunlich, dass SPD und Grünen nicht mehr einfällt, als wieder und wieder mehr Steuergeld in die Hand zu nehmen, um vermeintlich neue Subventionsprogramme oder Förderprojekte staatlich zu alimentieren. Die Höhe der neuerlichen Forderungen in den hier diskutierten Anträgen beläuft sich locker auf 430 Millionen Euro. Der Energiesparfonds, den Sie fordern, soll allein mit 1,8 Milliarden Euro jährlich ausgestattet sein. Für den, der fordert, liegt es dankbarerweise in der Natur der Sache, über die Quellen, aus denen die Mittel fließen sollen, nichts oder wenig sagen zu müssen. Nichtsdestotrotz sollten Forderungen einen Anspruch erfüllen: Sie sollten realistisch sein. Aber das sind die beantragten Forderungen von Bündnis 90/Die Grünen nicht. Aber auch seitens der SPD hört man keinen Widerspruch. Das deutet darauf hin, dass man sich gesamtwirtschaftlich schon längst mit einem Programm abgefunden zu haben scheint, das im Schuldenmachen seine einzige Kraftquelle sieht. Mit der FDP-Bundestagsfraktion wird eine so verantwortungslose Politik nicht zu machen sein. Wir werden weder den Bundeshaushalt noch die Haushaltskonsolidierung aus dem Blick verlieren, auch nicht angesichts noch so wünschenswerter Ziele. Wir dürfen aber auch nicht die Hausbesitzer und Kommunen überfordern, sondern müssen sie bei der Quartierssanierung unterstützen. Inhaltliche Forderungen, die der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen aufstellt, sind durchaus zu unterstützen. Jedes Quartier muss individuell betrachtet werden, da es in unterschiedlichen Bauphasen entstanden ist und somit unterschiedliche Gebäudestrukturen aufweist. Insoweit sind quartiersbezogene Konzepte erforderlich, die die unterschiedlichen Anforderungen eines energieeffizienten Quartiers miteinander verbinden. Auch hat der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bereits auf die Bedeutung der Energieberatung für Verbraucher hingewiesen. Dies sollte in der Stadtentwicklungspolitik verstärkt auch in den Bereichen Bauen, Sanieren und Wohnen in den Fokus genommen werden. Die Änderungen im Mietrecht sollten ebenfalls auf die klima-neutrale Quartierssanierung erweitert werden. Die FDP-Bundestagsfraktion ist zur inhaltlichen und sachbezogenen Zusammenarbeit bereit. Forderungen aber, die ungeachtet der Haushaltslage aufgestellt werden, müssen als vorgezogene Wahlkampfmanöver zurückgewiesen werden. Wer Systeme nicht in ihren Wirkungszusammenhängen sehen kann oder sehen will, hat in Regierungsverantwortung nichts zu suchen. Daher wird die christlich-liberale Koalition ihre erfolgreiche Politik fortsetzen und weiterentwickeln. Heidrun Bluhm (DIE LINKE): Der jetzt vorgelegte Antrag der Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen soll offenbar die Vielzahl der Anträge zur Energiewende, zur energetischen Sanierung weiter komplettieren und untersetzen. Er steht im -Kontext zu dem vor kurzem vorgelegten Antrag "Energiewende im Gebäudebestand sozial gerecht, umweltfreundlich, wirtschaftlich und zukunftsweisend umsetzen". Diesem Antrag haben wir als Fraktion bereits zugestimmt, weil wir die energiepolitischen Zielsetzungen für richtig halten. Da der neue Antrag im Wesentlichen die gleichen Ziele wieder aufgreift, werden wir uns hier nicht anders verhalten. Es ist richtig, dass die Energiewende im Gebäudebereich beschleunigt werden muss. Allerdings sei die Frage erlaubt, ob die geforderten finanziellen Mittel ausreichen, um mit der energetischen Sanierung im Gebäudebereich den erforderlichen Beitrag zu den international verpflichtenden Klimaschutzzielen zu leisten. Die Antragsteller verzichten leider darauf, darzulegen, was mit den eingeforderten Mitteln von 3 Milliarden Euro jährlich in einem neu zu schaffenden Klimafonds erreicht werden soll und welchen darüber hinausgehenden Beitrag die Akteure, die auch nicht näher bezeichnet werden, leisten sollen. "Sozial gerecht" heißt für uns nämlich nicht nur, dass mit den Kosten der Energiewende verbundene soziale Härten abgemildert werden, sondern auch, dass die sozialen Belange aller betroffenen Menschen von vornherein Bestandteil des Sanierungskonzepts sein müssen. Deswegen sind uns solche Formulierungen wie "ohne wesentliche Erhöhung der Warmmiete" oder "Ziel ist, wo immer möglich, die warmmietenneutrale Sanierung" nicht verbindlich genug. Was bedeutet "wesentlich"? Was passiert dort, wo nicht "warmmietenneutral" saniert werden kann? Der Erhalt des Gebietscharakters und der Schutz gewachsener sozialer Strukturen dürfen kein zufälliges Nebenprodukt der energetischen Quartierssanierung sein, auf das man gegebenenfalls auch verzichten kann. Wenn die Antragsteller dafür keine konzeptionelle und finanzierbare Lösung bereithalten, kann die energetische Quartierssanierung nicht sozial gerecht gelingen. Wenn "sozial gerecht" ernst gemeint sein soll und nicht nur als Feigenblatt, dann darf die Sozialverträglichkeit keinesfalls den energiepolitischen Zielen geopfert werden. Sie muss genauso konsequent in einem Quartierssanierungskonzept verankert sein. Sie muss als Zielsetzung den gleichen Stellenwert haben wie die energetische Sanierung. Wenn es daran nur den geringsten Zweifel gibt, verliert die energetische Sanierung an Akzeptanz und ist nicht durchsetzbar. Deshalb ist der Anspruch im Antrag richtig, dass das Programm zur Quartierssanierung von einer umfassenden Bürgerbeteiligung begleitet werden soll. Das muss aber mehr sein als die bisher übliche formale Akteneinsichtnahme im Planverfahren, wo sie Anregungen und Bedenken im Verfahren äußern können. In die Erarbeitung eines Quartierssanierungskonzepts müssen von Beginn an alle handelnden Akteure und die betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner einbezogen werden. Zu leisten wäre das nach meinem -Dafürhalten am ehesten durch eine kommunale Koordinierungsstelle oder einen Quartiersmanager. Die Finanzierung einer solchen Stelle oder einer solchen Funktion sollte aus dem Energiesparfonds, nicht zulasten der Kommunen, erfolgen. Aufgabe dieser Einrichtung wäre zum Beispiel vor Beginn einer Sanierungsmaßnahme die Definition eines Sanierungsquartiers, die Bestandsaufnahme und energetische Bewertung der Gebäude sowie die Aufnahme der Eigentümer- und Bewohnerstruktur. Daraus abgeleitet könnten dann im Weiteren Finanzierungspläne, Bauablaufpläne, Sozialpläne usw. erstellt werden. Es ist also nichts gewonnen, wenn der Bund einerseits anspruchsvolle Energiespargesetze erlässt und andererseits unzureichende Fördermittel bereitstellt. Das wäre der erste Anspruch an die Politik: Ziele und Mittel in Übereinstimmung zu bringen. Das müssen und können nicht allein Bundesmittel sein. Aber wenn man, wie in diesem Antrag, einen konkreten finanziellen Betrag einfordert, muss konsequenterweise auch weitergerechnet werden: Was müssen die Länder beisteuern, was die Kommunen, was muss aus der Immobilienwirtschaft selbst beigetragen werden? Was können die betroffenen Bürger leisten und wirtschaftlich tragen? Welche Auswirkungen werden die Sanierungskosten auf die Mietenentwicklung haben? Es ist wichtig, das von vornherein zu bedenken und nicht nach dem Motto zu verfahren: Erst mal schießen und dann gucken, was der Ball macht. Ebenso wie energetische Quartierssanierung sozial gerecht stattfinden muss, muss auch klar sein, dass eine Sanierungsmaßnahme effektiv, kostensicher und mit dem geplanten Ergebnis zu Ende gebracht werden kann und nicht auf halbem Wege verebbt. In dieser Hinsicht schwächelt der Antrag noch etwas; aber da die Zielrichtung stimmt, wollen wir gern dazu beitragen, ihn zum Leben zu erwecken. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit der Förderung der Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW, wurden 2011 etwa 200 000 Wohnungen energetisch saniert und der CO2-Ausstoß um 540 000 Tonnen reduziert. Die Zahlen belegen die Breitenwirkung und den Erfolg des Programms. Aber wir sind zu langsam. Bei diesem Tempo dauert es 100 Jahre, bis wir unsere Wohnungen zukunftsfähig umgebaut haben. Die Sanierungsquote ist noch deutlich zu niedrig, um die Klimaschutzziele bis 2050 zu erreichen. Eine Verdopplung ist notwendig. Es wird jedoch auch deutlich, dass der isolierte Einzelansatz der finanziellen Förderung auf einzelne Gebäude nicht ausreicht; denn die Widerstände sind sehr vielfältig. Denkmalschützer üben harsche Kritik an der Dämmung historischer Fassaden. Besonders Gebäude, die erhaltenswert sind, jedoch nicht unter Denkmalschutz stehen, sind gefährdet. Steigende Mieten nach der Sanierung führen zu Kritik durch Mieterinnen und Mieter sowie Verbände und teilweise sogar zu einer Verdrängung der Bewohnerinnen und Bewohner. Das hat nun auch die Regierung erkannt. Sie will steigende Mieten als Vorwand nutzen, um die Energiewende zu bremsen. Dabei gibt es Konzepte, mit denen Sanierung und Mieterschutz zielgenau betrieben werden können. Die finanziellen Mittel müssen da eingesetzt werden, wo sie gebraucht werden. Werden bei der energetischen Sanierung nur einzelne Gebäude betrachtet, werden im schlechtesten Fall Gebäude saniert, für die in wenigen Jahren schon kein Bedarf mehr auf dem Wohnungsmarkt besteht. Hier setzt die energetische Quartiers- bzw. Stadtteilsanierung an. Die Mittel werden da eingesetzt, wo sie wirklich gebraucht werden. Durch begleitende Planungen können Maßnahmen sozialverträglich umgesetzt werden. Löst man sich von dem jetzigen Ansatz der Energiewende in den Städten - "Mein Haus, mein Auto" etc. - und denkt an das Viertel, das Quartier, die Kleinstadt als Ganzes, ergeben sich weitere Vorteile: Der Mitteleinsatz im Quartierszusammenhang ist effektiver. Innovative Konzepte entstehen, wenn Maßnahmen auf Stadtteilebene geplant werden und alle Akteure wie Bürgerinnen und Bürger, Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer, Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorger, Vereine und Fachämter mit dabei sind. Maßnahmen wie Nahwärmenetze, Wärmerückgewinnung im Abwassersystem, die Erzeugung erneuerbarer Energien und dezentrale Wärmespeicher können die Gebäudedämmung sinnvoll ergänzen. Durch gezielte Beratungsangebote erfahren die Bürgerinnen und Bürger, welche Maßnahmen für sie die besten sind. Es findet eine Bündelung von Wissen statt, die bei der Einzelsanierung nicht zu leisten wäre. Maßnahmen, die für einen einzelnen Hausbesitzer nicht rentabel sind, rechnen sich für mehrere Häuser; so ergeben sich auch im Sanierungsprozess Synergien. Auch die Baukultur profitiert. Aus einem Mix von energetischen Sanierungen, effektiven und effizienten Gebäudetechniken und dem Einsatz von erneuerbaren Energien entstehen Gesamtenergiebilanzen eines Viertels. Profitieren sollen von diesem Ansatz besonders einkommensschwache Mieterinnen und Mieter oder investitionsschwache Eigentümerinnen und Eigentümer. Wir wollen für entsprechende Gebiete aus dem grünen Energiesparfonds 1,8 Milliarden Euro bereitstellen. Wir fördern Quartiersenergiekonzepte sowie entsprechende Investitionen in Wohngebäude, öffentliche Gebäude und Leitungen wie zum Beispiel Nahwärmenetze, mit dem Ziel, Warmmietensteigerungen nach einer Sanierung zu vermeiden. Dabei setzen wir auf die Qualitätsstandards der Städtebauförderung: starke Bürgerbeteiligung, vernetztes strategisches Handeln, Sozialpläne und eine starke Rolle der Kommunen. Eine solche ganzheitliche kommunale Betrachtung des Wohnungs- und Gebäudebestandes in Bezug auf den Klimaschutz ist bislang eher die Ausnahme. Bestehende Ansätze wie das von der Koalition ins Leben gerufene Programm zur energetischen Stadtsanierung sind in ihrer Ausgestaltung unzulänglich. Die geförderten Investitionen müssen nicht auf kommunalen Konzepten zur energieeffizienten Stadtsanierung basieren. Bürgerbeteiligung ist freiwillig. Die Förderung erfolgt nach dem Gießkannenprinzip. Sozialpläne sind Fehlanzeige. Es profitieren sogar fossile Energien. Die Finanzierungsbasis des Energie- und Klimafonds bricht weg. Wegen des geringen Preises für CO2-Zertifikate herrscht ein Förderstopp. Die Energiewende und eine sozialgerechte Stadtentwicklungspolitik dürfen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Sie müssen zusammengedacht werden. Ich hoffe, unser Antrag und die anschließenden Beratungen im Ausschuss tragen dazu bei. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/11205 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 34 a und b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen - Drucksache 17/12451 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Rechtsausschuss b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Edgar Franke, Christine Lambrecht, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen - Drucksache 17/12213 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Gesundheit (f) Rechtsausschuss Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, nehmen wir die Reden zu Protokoll. Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Wir beschäftigen uns heute zum wiederholten Mal mit dem Thema "Korruption im Gesundheitswesen". Gleichwohl darf ich Ihnen die Ausgangssituation nochmals in Erinnerung rufen. Im Jahr 2012 erregten mehrere Fälle von Fehlverhalten negatives öffentliches Interesse: Bei Organtransplantationen wurden Patientenakten verfälscht, um Wartezeiten zu beeinflussen, eine Studie des GKV-Spitzenverbandes zu Fangprämien wurde veröffentlicht, Ärzte nahmen Geld eines bekannten Generikaherstellers für das Verschreiben dieser Präparate an, und zahlreiche Gutachten lassen vermuten, dass in Krankenhäusern medizinisch nicht indizierte Operationen vorgenommen werden, um Umsatzquoten zu erfüllen. Besonders das unerwartete BGH-Urteil vom 22. Juni 2012, welches definierte, dass freiberufliche Ärzte keine Amtsträger oder Beauftragten der Krankenkassen sind, hat einige in der Gesundheitspolitik zu übereifrigen Forderungen verführt. Sowohl die Opposition im Bundestag als auch Politiker einiger Bundesländer haben im Skandalklima voreilig die Schaffung eines gesonderten Straftatbestandes für freiberufliche Ärzte im Strafgesetzbuch gefordert. Eines haben bei diesen Vorfällen die Opposition, die Regierungskoalition, die Ärzte- und Zahnärzteschaft und sonstige Leistungserbringer, Krankenkassen und die Patienten gemeinsam: Sie ärgern sich zu Recht massiv über diese Vorfälle von Fehlverhalten. Bei der Bewertung und den Schlussfolgerungen kommen die Beteiligten zu unterschiedlichen Ergebnissen, weshalb wir heute über den Antrag der Fraktionen von SPD und Linken diskutieren. Als Conclusio aus dem BGH-Urteil und den Vorfällen sofort ein Sondergesetz für Ärzte zu schaffen, ist allerdings nicht zwangsläufig der richtige Weg. So würde die Berufsgruppe der freiberuflichen Ärzte, die sich überwiegend korrekt verhält, zu Unrecht kriminalisiert. Auch ordnungspolitisch halte ich dies für problematisch. Natürlich muss Fehlverhalten konsequent verfolgt und geahndet werden. Wie ich bereits in mehreren Reden deutlich gemacht habe, bedeutet der BGH-Beschluss nicht, das dies nicht möglich war oder in der Zukunft sein wird. Zunächst betrifft der Beschluss ausschließlich den strafrechtlichen Bereich, nicht den berufsrechtlichen, nicht den wettbewerbsrechtlichen, nicht den Bereich des Heilmittelwerbegesetzes oder den sozialrechtlichen Bereich. Nach wie vor macht sich der Arzt, der dem Patienten einen Gesundheitsschaden zufügt, der Körperverletzung strafbar. Nach wie vor ist ein Verhalten des Arztes, das zu einem Vermögensschaden etwa der Krankenkasse führt, als Untreue nach § 266 StGB strafbar. Der BGH-Beschluss hat daran nichts geändert. Bedeutung entfaltet der BGH-Beschluss nur dort, wo weder ein Gesundheitsschaden noch ein Vermögensschaden eintreten. Der BGH-Beschluss bedeutet ebenfalls nicht, dass rechtsfreie Räume entstehen und etwa ein Pharmahersteller einem Kassenarzt für die Verschreibung seiner Produkte Vorteile gewähren darf. Vielmehr ist die Faktenlage auch und gerade durch die BGH-Entscheidung gleich geblieben: Fehlverhalten kann bestraft werden und wird bestraft. So bestimmt etwa die ärztliche Berufsordnung in § 31 Abs. 1, dass es Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet ist, Patientenzuweisungen oder Verordnungen durchzuführen und Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschrift der Berufsordnungen obliegt den Landesärztekammern. Bei Verstößen als Folge berufsunwürdigen Verhaltens kommen Maßnahmen wie Geldbußen bis 50 000 Euro oder Entzug der Approbation in Betracht. Sozialrechtlich sind die kassenärztlichen Vereinigungen durch § 81 a SGB V verpflichtet, Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen einzurichten. Sie haben dabei mit den Krankenkassen und ihren Verbänden zusammenzuarbeiten. Diese Stellen informieren die Staatsanwaltschaft, wenn es einen Anfangsverdacht auf strafbare Handlungen gibt. Weiter gibt es die Regelung im Arzneimittelgesetz, die in § 67 Abs. 6 die Anzeige jeder Anwendungsbeobachtung vorschreibt. Sozialrechtliche Sanktionen ergeben sich aus § 128 SGB V. Kassenärztliche Vereinigungen, Ärztekammern und Kassen können auf sinnvolle berufs- und sozialrechtliche Regelungen zurückgreifen. Die aktuellen Entwicklungen und der BGH-Beschluss geben jedoch Anlass, die bisherigen berufs- und sozialrechtlichen Regelungen, auf die die Kassenärztlichen Vereinigungen, Ärztekammern und Kassen zurückgreifen können, zu überarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit prüft und erarbeitet derzeit Vorschläge. Auch bei der konsequenten Umsetzung der bereits existierenden berufs- und sozialrechtlichen Regeln will und wird die Regierungskoalition unterstützen. Ich darf nun auf die vorgelegten Anträge eingehen: Zunächst zum Antrag der SPD. Die Kollegen der Opposition haben bereits mit einem Antrag vom November 2012 als Konsequenz aus dem BGH-Urteil unter anderem die Schaffung eines Sonderstraftatbestandes gefordert. Der nun vorliegende Antrag beinhaltet keine neue Erkenntnis oder setzt sich mit diskussionswürdigen Vorschlägen für die Änderung im Berufsrecht auseinander. Der SPD-Antrag wiederholt nur stoisch die Forderung an die Bundesregierung, einen Gesetzentwurf zur Schaffung eines Straftatbestandes im StGB vorzulegen. Dass dies jedoch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Freiberuflichkeit und Therapiefreiheit zumindest nicht unproblematisch und -diskussionswürdig ist, lassen die Kollegen außer Acht. Die SPD ist scheinbar nicht gewillt, die Vorschläge des Gesundheitsministeriums abzuwarten. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, beachtet man, dass zwischen dem ersten und dem heute vorliegenden Antrag gerade einmal gut drei Monate und ein Jahreswechsel liegen. Auch wenn der Antrag keine konkreten neuen Forderungen enthält, so finden sich doch im Feststellungsteil erwähnenswerte Punkte. Zunächst dokumentiert die SPD ganz richtig, dass es aktuell einen intensiven Dialog zwischen Bundesregierung, Regierungskoalition, den Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen gibt. Die Ergebnisse dieser Auswertung und Aufarbeitung sollte man abwarten. Die SPD formuliert weiter: "Es ist notwendig, in unserer rechtlichen Werteordnung klar zum Ausdruck zu bringen, dass Bestechung und Bestechlichkeit hinter dem Rücken von Patientinnen und Patienten und zulasten des Gesundheitssystems kein Kavaliersdelikt ist ...". Damit wird suggeriert, das Gegenteil sei gelebter Normalfall im deutschen Gesundheitssystem. Diesem Gedanken muss ich an dieser Stelle vehement widersprechen. Das wird der Realität des Arbeitsall-tags der Mehrheit von Ärzten, Zahnärzten und Pflege- und Sprechstundenpersonal schlicht nicht gerecht. Da nützt auch ein Folgesatz, es werde "kein Spezialgesetz gegen Ärzte, wohl aber eine spezielle Regelung, die für alle Leistungserbringer im Gesundheitswesen gilt", angestrebt, nichts. Im Gegenteil, das offensichtliche Spezialgesetz, das Sie wünschen, soll noch ausgeweitet werden. Damit würden dann ein Sondergesetz und ein Generalverdacht auf eine noch größere Personengruppe ausgedehnt. Der Angestellte in der Apotheke, im Sanitätsfachgeschäft, der Pflasterhersteller und die Nachtschwester werden sich fragen, weshalb ihre Berufsgruppe ein Sondergesetz benötigt. Der Antrag der Fraktion Die Linke erkennt hingegen wenigstens im Titel schon die Problematik. Er lautet "Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen". Es ist richtig, dass die Bundesregierung nur wenig Datenmaterial von den Stellen zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen hat. Die Forderung, die Berichtspflichten in §§ 81a und 197 a SGB V zu konkretisieren, ist sinnvoll. Hilfreich wäre selbstverständlich ein genauer Vorschlag im Hinblick auf die Form der Konkretisierung gewesen. Darüber hinaus fordert die Linke dann ebenfalls die Schaffung eines Sonderstraftatbestandes im StGB. Dieser jedoch solle dann ebenfalls für alle Ärzte, alle selbstständigen und angestellten Ärzte gelten. Auch die Linke holt also zum Generalverdacht gegen alle im Gesundheitswesen Tätigen aus. Ebenso wolle man über den § 130 OWiG die Haftung der Unternehmen für Fehlverhalten der Mitarbeiter absichern. Spätestens durch die unpräzise Formulierung, was ein angenommener Vorteil überhaupt sei, ist diese Forderung, juristisch betrachtet, jedoch nur ein zahnloser Tiger. Mehr noch: Die Auslegung im Wortsinn des Punktes 1 a würde bedeuten, dass ein Arzt gar keine Vergütung mehr annehmen darf. Wie wird nun weiter vorgegangen? Die Bundesregierung prüft derzeit, welche sinnvollen Möglichkeiten für den Gesetzgeber bestehen, die aktuellen Rahmenbedingungen zu verbessern. Ich halte es für absolut richtig, das ärztliche Berufsrecht zu stärken und den Kammern mehr Möglichkeiten zu geben, Fehlverhalten zu verfolgen. Einzelne Harmonisierungen im Berufsrecht der Bundesländer sind nach meiner Auffassung ebenfalls eine sinnvolle Möglichkeit. Die bereits bestehenden weitreichenden Vorgaben wie berufsgerichtliche Maßnahmen und Verfahren, Befugnisse im berufsrechtlichen Ermittlungsverfahren, Verjährungsvorschriften oder Rügerechte der Kammern sind derzeit innerhalb der Länder sehr unterschiedlich. Die Forderung der KBV nach einer öffentlich zugänglichen Datenbank beim BfArM zu Anwendungsbeobachtungen muss genauer geprüft werden. Allerdings erhält die KBV schon heute umfangreiche Daten zu den Anwendungsbeobachtungen. Den von der Ärztekammer vorgebrachten Vorschlag, die Befugnisse bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaften zu erweitern, ist ordnungspolitisch verfehlt und in der Umsetzung abwegig. Es ist nicht Aufgabe der Ärztekammern, staatsanwaltliche oder polizeiliche Ermittlungen durchzuführen. Die Ärztekammern, denen die Ausübung der Berufs-aufsicht obliegt, beklagen, dass mitunter viel Zeit vergeht, bis Sachverhalte hinreichend vorliegen oder die Staatsanwaltschaft ermittelt, um berufsrechtlich vorzugehen. Hier sollten allerdings Mechanismen zur Verbesserung geschaffen werden. Wechselseitige Informationspflichten können hier ausgebaut werden. Die Kammern und KVen sind wie die Krankenkassen aufgefordert, in der Organisation der Selbstverwaltung Regeln und Mechanismen zu entwickeln, die Fehlverhalten erkennen und im Ergebnis unterbinden können. Diesen Anspruch haben sowohl die Ärzte selbst als auch Patienten und GKV-Beitragszahler. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens kann die Politik hier unterstützen. Man darf die Schaffung eines Sonderstraftatbestandes allenfalls als Ultima Ratio in Betracht ziehen, wenn sich alle anderen Möglichkeiten, die eindeutig noch nicht ausgeschöpft wurden, als wirkungslos gezeigt haben. Voraussetzung hierfür wäre allerdings die hinreichende Begründung eines tatsächlichen und rechtlichen Bedürfnisses, bestimmte Handlungen der Strafbarkeit zu unterstellen. Diese sehe ich derzeit noch nicht. Zusammenfassend darf ich festhalten, dass beide hier vorliegenden Anträge daran kranken, nachvollziehbare, umsetzbare und verfassungsrechtlicher Prüfung standhaltende Vorschläge zu liefern. Als Gesundheitspolitiker der Union setze ich mich mit meinen Kollegen für den Erhalt und die Weiterentwicklung der freiberuflichen Selbstverwaltung ein. Mit ihren Rechten und auch Pflichten ist die eigenverantwortliche freiberufliche Selbstverwaltung ein wichtiges Merkmal der sozialen Marktwirtschaft. Mit der christlich-liberalen Koalition im Deutschen Bundestag möchte ich rein staatlich organisierte Systeme weiterhin verhindern. Aus der Geschichte haben wir lernen können, dass der Staat berufsständische Mechanismen noch nie besser regulieren konnte. Es ist unumstritten, dass sich die überwiegende Mehrheit der Ärzte in Deutschland korrekt verhält. Der niedergelassene Arzt ist aus gutem Grund Freiberufler; denn er muss unabhängig sein. Aus dieser Unabhängigkeit generiert sich das Vertrauen, das die Patienten in Deutschland ihrem Arzt täglich entgegen-bringen. Nicht nur die Patienten sind darauf angewiesen, sondern auch die Ärzteschaft ist darauf angewiesen, dass die Basis dieses Vertrauens nicht durch ein Spezialgesetz gegen Ärzte zerstört wird. Wir werden deshalb die Anträge von SPD und Linken ablehnen. Dr. Edgar Franke (SPD): Korruption im Gesundheitswesen beschäftigt seit langem nicht nur die Fachleute, sondern auch die Gesellschaft insgesamt - bis hin zum Boulevard. Die Gründe sind ganz einfach: Das Gesundheitssystem ist ein hochkomplexes, ausdifferenziertes und vor allen Dingen auch intransparentes System. So rechnen bekanntlich bspw. Ärzte mit der Kassenärztlichen Vereinigung ab und kein Patient sieht im Regelfall eine Abrechnung. Dass in einem solchen System, in dem bei Fehlverhalten keine erheblichen Sanktionen drohen, dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet ist, versteht sich von selbst. Zumindest ist die Hemmschwelle, rechtswidrig Geld zu kassieren, relativ gering. Die weiteren Gründe sind auch ganz einfacher Natur: Die Gefahr, entdeckt zu werden, ist klein. Und weder standes- bzw. berufsrechtliche Sanktionen drohen in der Praxis noch greift das Strafrecht. Im Übrigen: Ein Kassenarzt löst durch sein Tun vom Rezept bis zur Krankenhauseinweisung im Schnitt locker rund fünfmal so hohe Kosten aus, wie er an Honorar bekommt. Die Liste der Abhängigen ist lang: vom orthopädischen Schuhmachermeister über den Augenoptiker bis zum Sanitätshaus oder dem Hörgeräteakustiker. Dass hier Geld fließt, ist bekannt und bestreitet zumindest hinter verschlossenen Türen niemand mehr. Und all das geschieht oft genug ohne jedes Unrechtsbewusstsein. Zuweisungen gegen Entgelt konnte auch die -Bussmann-Studie der Uni Halle-Wittenberg vom 24. Oktober 2012 nochmals ausdrücklich belegen. Aus all diesen Gründen hat die SPD Bundestagsfraktion schon im Jahr 2010 den Antrag "Korruption im Gesundheitswesen wirksam bekämpfen" eingebracht. In unserem Antrag haben wir bereits damals unter anderem einen speziellen Korruptionstatbestand gefordert. Wir haben vorgebracht, dass durch Korruption und Abrechnungsbetrug jedes Jahr Milliardenverluste bei der Versichertengemeinschaft, also letztlich der Solidargemeinschaft, eintreten. Ich habe persönlich 2010 betont, dass eine Regelungslücke im StGB besteht und deshalb Schmiergeldzahlungen nicht strafrechtlich sanktioniert werden können. Zudem folgen weder aus dem Berufsrecht der Ärzte noch aus den Spezialnormen des SGB V tatsächliche Sanktionen; in der Praxis gibt es im Vergleich zu den prognostizierten Schäden nur wenig Verfahren. Im Übrigen werden so gut wie nie Approbationen durch die zuständigen Landesbehörden entzogen. Nachdem uns auch hier neuere Daten vorliegen, wissen wir: Auch hier hatten wir recht. Zwar hat die Mehrheit im Bundestag unseren Antrag mit den Stimmen der Regierungskoalition sowohl in der 1. als auch in der 2./3. Lesung vor allem mit der Begründung abgelehnt, dass korruptives Verhalten insbesondere bei Ärzten nur ganz selten auftrete und insofern der Antrag diesen Berufsstand unter Generalverdacht stelle und damit Ärzte pauschal diffamiere. Das Gegenteil aber ist richtig. Wir haben immer wieder deutlich gemacht, dass korrupte Ärzte gerade die ehrlich abrechnenden Ärzte schädigen, da es eine Gesamtvergütung gibt. Wir wollen und wir müssen die ehrlich abrechnenden Ärzte vor den schwarzen Schafen schützen. Wer dagegen untätig bleibt, riskiert den guten Ruf der Ärzteschaft. Wir brauchen eine Abschreckung, eine Generalprävention gegenüber denjenigen, die ganz bewusst das System ausnutzen. Ferner wurde auch insbesondere vonseiten der Rechtspolitiker der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vorgetragen, ein spezieller Korruptionstatbestand sei entbehrlich, da ein Vorlagebeschluss beim Großen Strafsenat des BGH in Karlsruhe vorläge und dort sicherlich eine Strafwürdigkeit bejaht werden würde. Doch in 2012 kam es dann, wie wir es vorausgesagt und in unserem Antrag bereits zwei Jahre vorher formuliert hatten. Der BGH hat im Frühjahr 2012 nicht nur bestätigt, dass es eine Regelungslücke im Strafgesetzbuch gibt. Er hat sogar Bezug genommen auf unseren Antrag von 2010 und wie folgt in der Presseerklärung (Nr. 97/2012) formuliert: "... darüber zu befinden, ob Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers." Hieraus kann man eindeutig erkennen, dass auch aus Sicht des BGH gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. Eins darf allerdings nicht vergessen werden: Dass die Ärzte bzw. die Pharmavertreter nicht bestraft werden konnten, hatte allein rechtsdogmatische Gründe. Die in Rede stehenden Vorschriften der §§ 299, 331 ff. StGB sind in erster Linie Wettbewerbsvorschriften. Bei Schmiergeldzahlungen an Ärzte zum Beispiel im Bereich der Onkologie, also in der Krebsbehandlung, wo es um Leben und Tod geht, muss aber der Patientenschutz an erster Stelle stehen. Auch hier kann ein freiberuflicher Arzt bisher nicht bestraft werden, wenn er Schmiergeldzahlungen annimmt. Er kann nicht einmal dann bestraft werden, wenn er aus diesem Grund Medikamente verschreibt, die schlechter wirken und im Vergleich zu Konkurrenzprodukten auch noch teurer sind. Patientensicherheit ist ein hohes Gut. Hier geht es gerade auch um das Vertrauensverhältnis behandelnder Arzt - Patient. Der Patient muss immer sicher sein, dass allein medizinische und nicht monetäre Gründe für eine Behandlung, Therapie oder Verordnungsentscheidung des Arztes maßgebend sind. Insofern muss auch ein Spezialstraftatbestand für das Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch diesen Schutz gewährleisten. Wir brauchen eine Norm, die nicht nur den Wettbewerb, sondern insbesondere auch den Patienten schützt. Was passiert aber dagegen jetzt? Über Tausend Verfahren wegen Bestechlichkeit gegen niedergelassene Vertragsärzte und wegen Bestechung gegen Mitarbeiter von Unternehmen der Gesundheitsbranche werden aufgrund der höchstrichterlichen Entscheidung aus Karlsruhe nunmehr eingestellt. Da kann man nur sagen: Na, bravo! Den Handlungsbedarf hat ja selbst unser Gesundheitsminister erkannt, als er Anfang diesen Jahres darauf hingewiesen hat, dass gesetzgeberische Maßnahmen drohen könnten. Aus all diesen Gründen haben wir unseren Antrag von 2010 noch einmal erneuert und präzisiert. Mit Erstaunen haben wir zur Kenntnis genommen, dass nun auch die Fraktion der Linken einen Antrag vorgelegt hat. Dieser deckt sich aber inhaltlich weitgehend mit unseren beiden Anträgen. Dass Deckungsgleichheit der beiden Anträge besteht, lässt sich schon daran erkennen, dass der Antrag der Linken nach dem Spiegelstrich "Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen" heißt. Unser erster Antrag hieß: "Korruptives Verhalten wirksam bekämpfen". Das hätte zu Guttenberg nicht besser abschreiben können. Also, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ihr hättet einfach nur mit uns stimmen sollen. Uns Sozialdemokraten ist wichtig: Wir wollen nicht pauschal alle Ärzte oder andere Berufsgruppen und schon gar nicht die Pharmaindustrie verunglimpfen. Wir wollen alle im Gesundheitssystem ehrlich Abrechnenden vor den schwarzen Schafen des Systems schützen. Und wir wollen Rechtsklarheit. Insofern sollte man dem Original und nicht der Kopie zustimmen. Heinz Lanfermann (FDP): Wir alle im Deutschen Bundestag sind uns einig, dass wir uns entschieden gegen jedes korruptive Verhalten im Gesundheitswesen stellen und wirksame Sanktionsmechanismen brauchen. Wir sollten uns aber auch alle einig sein, dass ein Generalverdacht gegenüber allen Ärzten nicht gerechtfertigt ist. Von den gut 450 000 Ärzten in Deutschland arbeitet die ganz große Mehrheit im besten hippokratischen Sinne. Das von Ihnen angesprochene BGH-Urteil hat klargestellt, dass neben den bereits bestehenden Regelungen im SGB V und im Berufsrecht nicht auch noch ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch vorliegt, wenn ein Arzt Zahlungen von Dritten erhält. Das liegt darin begründet, dass niedergelassene Ärzte eben keine Amtsträger und Beauftragte von Krankenkassen, sondern unabhängige und nur ihren Patienten verpflichtete Dienstleister sind. Wer daraus den schnellen Schluss zieht, man müsse nur einen passenden Strafrechts-paragrafen formulieren, läuft ebenso schnell Gefahr, die Freiberuflichkeit der Ärzte und die Therapiefreiheit zu gefährden. Das gilt es auf jeden Fall zu vermeiden. Dieses BGH-Urteil hat natürlich auch eine breite Diskussion darüber angestoßen, welche Maßnahmen erforderlich sind. Die Standesvertretung der Ärzte hat die Debatte aufgenommen und unterstützt die Forderungen nach besserer Durchsetzbarkeit der vorhandenen Regelungen wie auch ihre Weiterentwicklung. Die KBV setzt sich beispielsweise für eine stärkere Sensibilisierung der niedergelassenen Ärzte ein, um nicht ausreichendes Problembewusstsein zu schärfen. Die von Pharmaunternehmen bzw. -verbänden angekündigten Maßnahmen und Selbstverpflichtungen wie zum Beispiel Transparenzkodizes sind positiv zu werten. Der Bundesminister für Gesundheit hat die Prüfung eingeleitet, welche Rechtsänderungen sinnvoll sind, um besser gegen Verfehlungen vorgehen zu können bzw. sie zu verhindern. In einem ersten Schritt haben wir im Krebsregistergesetz dafür gesorgt, dass der wichtige Datenfluss zwischen Ärztekammern und -kassenärztlichen Vereinigungen möglich wird. Im Übrigen ist festzuhalten, dass die Sachlage und die zu bedenkenden Rechtsfragen durchaus kompliziert sind. So gilt es auch zu klären, wie mit den anderen freien Berufen zu verfahren wäre. Deshalb werden wir Schnellschüsse vermeiden und lehnen Ihre Anträge ab. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Im letzten Jahr hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass Korruption von niedergelassenen Ärzten nach derzeitigem Recht nicht bestraft werden kann. Das halte ich für ein fatales Zeichen: Viele Pharmareferenten verstehen dieses Urteil als Freibrief, den Ärzten Geld und Sachwerte zukommen zu lassen, um sie damit zur Verschreibung besonders neuer und teurer Produkte zu motivieren. Die vorhandenen Regelungen im Berufs- und Sozialrecht gegen Bestechlichkeit von Ärzten gleichen zahnlosen Tigern. Deswegen meint Die Linke: Es führt kein Weg an neuen und wirksamen Regelungen vorbei. Warum ist das so wichtig? Zum einen, weil Korruption im Gesundheitswesen erheblichen finanziellen Schaden anrichtet. Laut einer Studie aus dem letzten Jahr gehen in Europa 3 bis 10 Prozent der Gesundheitsbudgets für Korruption, Betrug und Falschabrechnung drauf. In Deutschland wären das pro Jahr allein bei den gesetzlichen Kassen 5 bis 18 Milliarden Euro - Geld, das wir lieber für Prävention oder für bessere Bezahlung von Pflegekräften einsetzen würden. Aber es geht um mehr. Ein Drittel aller neu zugelassenen Medikamente sind Scheininnovationen. Sie sind teurer, aber auch weniger erprobt und daher möglicherweise für die Patientinnen und Patienten unsicherer als bewährte Mittel. Wenn Ärztinnen und Ärzte von der Industrie dafür bezahlt werden, vor allem solche Mittel zu verschreiben, kann es sein, dass Patientinnen und Patienten die optimale Therapie vorenthalten wird. Die möglichen gesundheitlichen Folgen von Korruption im Gesundheitswesen halten wir für Grund genug, energisch und wirkungsvoll dagegen vorzugehen. Außerdem ist es schlicht ungerecht, wenn ein angestellter Klinikarzt für dasselbe Vergehen vor den Kadi zitiert werden kann, bei dem seine niedergelassene Kollegin vollkommen straffrei davonkommt. Darum fordert die Linke, korruptes Verhalten in Praxen und Kliniken konsequent unter Strafe zu stellen. Weniger schwere Fälle sollen mit einer Geldbuße geahndet werden. Da der juristische Straftatbestand "Bestechung" oft schwer nachzuweisen ist, fordern wir, dass auch die Annahme und die Gewährung von Vorteilen belangt werden. Dann muss die Staatsanwaltschaft nicht im Einzelfall nachweisen, dass die Verschreibung eines Medikaments einer bestimmten Firma ursächlich auf den Umschlag mit Geld zurückzuführen ist, den ein Vertreter dieses Unternehmens in der Arztpraxis freundlicherweise liegengelassen hat. Insbesondere wollen wir aber nicht nur die Zuwendungsempfänger, also die Ärztinnen und Ärzte, belangen, sondern vor allem diejenigen, die aktiv bestechen und Vorteile gewähren. Neben den Beauftragten der Pharma- und Medizinprodukteindustrie sollen auch die Unternehmen selbst und deren Management in Haftung genommen werden können. Es geht uns übrigens an dieser Stelle, das möchte ich in Richtung der Ärzteschaft sagen, nicht um Stimmungsmache und Vorverurteilungen. Jeder Arzt und jede Ärztin, die ihren Beruf gewissenhaft im Sinne der Patientinnen und Patienten ausübt, muss doch ein Interesse daran haben, dass Korruption unterbunden wird. Leider glauben noch viel zu viele Medizinerinnen und Mediziner daran, dass die Annahme von Geschenken und Vergünstigungen ihre therapeutische Unabhängigkeit nicht beeinflusst - darin ähneln sie vielleicht Politikerinnen und Politikern. Weil die Bundesregierung trotz gelegentlicher Ankündigungen bisher untätig geblieben ist, drängen wir mit unserem Antrag zum Handeln; denn wir wollen noch in dieser Legislaturperiode Fortschritte sehen. Der SPD ist dazu leider nichts anderes eingefallen als die sehr allgemeine Forderung, "Korruption im Gesundheitswesen generell unter Strafe stellen." Wie das konkret aussehen soll, bleibt bei Ihnen im Nebel. Der Kollege Lauterbach hat nun in der Presse kritisiert, die Linke wolle die SPD immer überbieten. Ich gebe zu: Es fällt uns schwer, die Substanzlosigkeit Ihres Antrags nicht zu überbieten. Das ist ja, als wollte man bei eBay ein Einstiegsgebot von einem Euro mit 99 Cent kontern. Im Nachhinein erklärte Lauterbach dann noch, dass bei der SPD privat praktizierende Ärzte nicht gemeint seien, weil dies juristisch angeblich nicht möglich sei. Diese Behauptung ist natürlich Humbug, und auch Ihr Antrag gibt das nicht her. Die Linke will erreichen, dass alle Ärztinnen und Ärzte genau das verschreiben, was den Patientinnen und Patienten wirklich hilft, dass sie Therapieentscheidungen unabhängig nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und im Sinne des Patientenwohls treffen, statt von gut geschulten Pharmavertretern manipuliert und im Sinne der Industrie geschmiert zu werden. Ich finde, dass unser Antrag da gute Ansatzpunkte bietet, und freue mich auf die weitere Beratung im Ausschuss. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Fraktionen von SPD und den Linken legen heute jeweils Anträge zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vor. Auch meine Fraktion wird in Kürze dazu einen Antrag einbringen. Diese Anträge sind notwendig, weil diese Regierungskoalition seit einem halben Jahr untätig geblieben ist. Kern des politischen Streits ist seit Verkündung des BGH-Urteils im Juni letzten Jahres die Frage, ob der Gesetzgeber eine gesetzliche Strafnorm schafft, die Korruption und Vorteilsnahme von niedergelassenen Ärzten und anderen Leistungserbringern im Gesundheitswesen auch strafrechtlich ahndet. Denn der BGH hat mit seinem Urteil abschließend dargelegt, dass sich Kassenärzte anders als ihre angestellten Kollegen nicht strafbar machen, wenn sie als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln von einem Pharma-unternehmen Vorteile wie Geldzuwendungen oder -Geschenke annehmen. Dabei hat das höchste Gericht aus-drücklich darauf verwiesen, dass es Sache des Gesetzgebers sei, entsprechende Straftatbestände zu schaffen, die eine strafrechtliche Ahndung ermöglichen. Minister Bahr hatte anlässlich der Debatten im letzten Jahr angekündigt, zu prüfen, ob und welche Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung im Lichte dieses Urteils zu ergreifen sind. Diese Prüfung ist mehr als ein halbes Jahr nach Verkündung des Urteils, wie es scheint, noch immer nicht abgeschlossen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der politische Wille zum Handeln nicht vorhanden ist. Wir erinnern uns an die Diskussion im Dezember: Die Vertreterinnen und Vertreter der Koalition sahen keinen rechtlichen Handlungsbedarf und warfen der Opposition dagegen einseitige Diffamierung der Ärzteschaft vor. Mit Erstaunen konnten wir dann nur wenige Wochen später nach der Jahreswende einen Sinneswandel innerhalb der CDU registrieren, als der gesundheitspolitische Sprecher Jens Spahn öffentlich strengere Regelungen gegen Korruption einforderte. Wir begrüßen diese späte Einsicht; denn es ist Aufgabe des Gesetzgebers, durch geeignete Normen sicherzustellen, dass es bei einer Behandlung ausschließlich um das Wohl des Patienten und nicht um materielle Vorteile des Behandlers geht. Aber wir fordern, diesen Ankündigungen vonseiten der CDU noch in dieser Wahlperiode auch konkrete gesetzliche Regelungen durch die noch amtierende Regierungskoalition folgen zu lassen. Denn es wäre ein schweres Versäumnis der Politik, nicht klar und entschlossen Maßnahmen zu ergreifen, die das sensible und für die Heilbehandlung so grundlegende Vertrauensverhältnis zwischen Arzt oder sonstigen medizinischen Leistungserbringern und dem Patienten schützen. Wir wissen, dass es Handlungsbedarf gibt. Der Bundesgerichtshof hat den Gesetzgeber aufgefordert, die Strafrechtslücke zu schließen. Die Anträge vonseiten der SPD und der Linken enthalten beide eine entsprechende Forderung, der wir uns anschließen. Des Weiteren werden wir Vorschläge zur stringenteren Handhabung der berufsrechtlichen Regelungen und zu mehr Transparenz über Zuwendungen aller Art zwischen Leistungserbringern, Herstellern und Hilfsmittelerbringern vorlegen. Wir hoffen, dass die Schaffung einer datenschutzrechtlichen Grundlage zur Übermittlung von approbationsrechtlich oder berufsrechtlich relevanten Daten zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesärztekammern im Krebsregistergesetz nicht das Einzige bleibt, was diese Koalition zum Schutz der Patienten, der korrekt handelnden Ärzte und sonstigen Leistungserbringer und der Versichertengelder zuwege bringt. Vizepräsidentin Petra Pau: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/12451 und 17/12213 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Sie sind damit einverstanden. Dann ist so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 35 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gunkel, Heinz-Joachim Barchmann, Gabriele Fograscher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Übermittlung von Fluggastdaten nur nach europäischen Grundrechts- und Datenschutzmaßstäben hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG zum Richtlinienvorschlag KOM(2011) 32 endg. - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Wolfgang Wieland, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten - Richtlinienvorschlag über die Verwendung von Fluggastdatensätzen KOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG - Drucksachen 17/6293, 17/5490, 17/12473 - Berichterstattung: Abgeordnete Clemens Binninger Wolfgang Gunkel Gisela Piltz Jan Korte Dr. Konstantin von Notz Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Clemens Binninger (CDU/CSU): Ich habe volles Vertrauen in die Bundesregierung, und ich habe volles Vertrauen, dass sich Deutschland unter Federführung des Bundesinnenministers auf EU-Ebene erfolgreich für eine Fluggastdaten-Richtlinie einsetzt, die praktikabel ist, die unserer Sicherheit dient und die gleichzeitig angemessene Datenschutzstandards gewährleistet. Die Auswertung von Fluggastdaten ist nämlich unverzichtbar. Terrorismus und organisierte Kriminalität machen nicht an Landesgrenzen halt, sondern sind immer stärker international vernetzt. Wenn wir Sicherheit unter diesen sich verändernden Voraussetzungen gewährleisten wollen, müssen wir unseren Behörden auch Instrumente an die Hand geben, um angemessen Gefahren abwehren und Straftaten verfolgen zu können. Fluggastdaten geben hier Auskunft über Reiserouten von Tatverdächtigen und Terrorverdächtigen. Das sind Erkenntnisse, die von enormer Bedeutung sind und die in dieser Form nicht anders in Erfahrung gebracht werden können. Die Erkenntnisse aus diesen Daten tragen auch entscheidend dazu bei, Kriminelle oder Terroristen zu identifizieren. Immer mehr Staaten - darunter auch viele unserer Partner - nutzen Fluggastdaten zur Verfolgung und Abwehr von Terrorismus und schweren Straftaten wie etwa Menschenhandel oder Drogenschmuggel. Heute schon profitieren Sicherheitsbehörden in Europa von entsprechenden Rückmeldungen. Die EU-Staaten und unsere Partnerländer können auf Erfolge bei der Aufdeckung und Bekämpfung terroristischer und krimineller Netzwerke verweisen, für die Fluggastdaten von großer Bedeutung waren. Deshalb ist die Verwendung von Fluggastdaten unverzichtbar. Und deshalb diskutieren wir über die Fluggastdaten-Richtlinie der EU auch im Deutschen Bundestag. Es freut mich, dass SPD und Grüne das genauso sehen und die Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdaten in ihren Anträgen nicht grundsätzlich ablehnen. Alles andere wäre auch unglaubwürdig, schließlich waren es SPD und Grüne, die die Fluggastdatennutzung in Deutschland eingeführt haben. 2004 hat die damalige rot-grüne Bundesregierung dem ersten PNR-Abkommen mit den USA zugestimmt, das als eine der Grundlagen für den Richtlinienentwurf, den wir heute debattieren, gelten darf. Es handelte sich dabei allerdings um ein Abkommen, das in keiner Weise den Datenschutzanforderungen genügt hat, die SPD und Grüne heute in ihren Anträgen fordern. Insofern dokumentieren die vorliegenden Anträge auch einen gewissen Lernprozess, was man auch einmal positiv festhalten darf. Alle Verbesserungen im Bereich des Datenschutzes, die es auf diesem Feld seither gab - also im Abkommen mit den USA 2007, im neuen Abkommen mit den USA, das im letzten Jahr vom Europäischen Parlament verabschiedet wurde, in den Abkommen mit weiteren Staaten -, wurden von Bundesinnenministern der CDU/CSU auf europäischer Ebene verhandelt. Das gilt auch für den Richtlinienentwurf, über den wir heute sprechen. Deshalb braucht diese Bundesregierung keine formale Aufforderung von SPD und Grünen und auch keinen Parlamentsvorbehalt für die Verhandlungen. Daher werden wir die beiden Anträge ablehnen. Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung für Sicherheit und Grundrechtsschutz auch ohne solche Hinweise sehr wohl bewusst. So hat sie sich im Zuge der Beratungen neben vielen anderen datenschutzrechtlichen Verbesserungen insbesondere dafür eingesetzt, die erhobenen PNR-Daten so weit wie möglich nur in anonymisierter oder pseudonymisierter Form vorzuhalten und auszuwerten, die Speicherfristen deutlich zu reduzieren und für die sogenannte reaktive Nutzung hohe Eingriffsschwellen vorzusehen. Im Europäischen Parlament liegen noch etliche Änderungsanträge zur PNR-Richtlinie auf dem Tisch, die debattiert werden müssen und die sich teilweise mit dem decken, was die beiden Anträge fordern. Ich möchte dabei nur auf drei zentrale Punkte eingehen. Mir stellt sich die Frage, ob die Speicherdauer - 30 Tage offen, dann pseudonymisiert für fünf Jahre - notwendig oder zu lange ist. Hier muss sehr genau überlegt und begründet werden, ob es wirklich fünf Jahre sein sollen. Aus meiner Sicht könnten es auch weniger sein. Ehrlicherweise ist aber auch festzuhalten: Diese Daten werden nicht gespeichert, weil der Staat es will. Diese Daten sind alle schon heute bei den Fluggesellschaften vorhanden und werden dort auch heute schon mehrere Jahre gespeichert. Es geht also in erster Linie um die Frage, ob wir unter bestimmten Voraussetzungen den Sicherheitsbehörden diese Daten zur Verfügung stellen, um Anschläge zu verhindern, schwere Straftaten aufzuklären oder Verdächtige zu identifizieren. Eine weitere Frage: Sollen nur Flüge von außerhalb in die EU erfasst werden oder auch Flüge innerhalb der EU? Letzteres lehnen SPD und Grüne ab. Diese Argumentation ist unlogisch, denn wir müssen uns darüber klar sein, dass die Gefährlichkeit etwa von Terrorverdächtigen nicht geringer wird, weil sie von Barcelona nach Berlin fliegen statt von Beirut nach Berlin. Die Beantwortung dieser Frage muss sich meiner Einschätzung nach deshalb an der Gefährlichkeit der Personen orientieren. Aus gutem Grund hat das Vereinigte Königreich - unterstützt von einer ganzen Reihe EU-Mitgliedstaaten wie Frankreich, Spanien, Italien, Tschechien, Irland, Niederlande, Estland oder Dänemark und Zypern - eine Einbeziehung inner-europäischer Flüge gefordert. Für mich ganz persönlich stellt sich auch eine dritte Frage, bei der ich auch Bedenken, die in den beiden Anträgen angesprochen werden, ein Stück weit aufgreifen möchte. Das oberste Ziel ist, zu verhindern, dass ein Terrorverdächtiger ein Flugzeug besteigt. Daran kann es keinen Zweifel geben. Auch um schwere Straftaten aufzuklären, ist die Verwendung der Daten absolut berechtigt. Deshalb ist es eine wesentliche Zielrichtung bei der Nutzung von Fluggastdaten, Kriterien zu erkennen, mit denen Verdächtige identifiziert werden können, was am Ende einer Art Rasterfahndung gleichkommt. Hier hat uns das Bundesverfassungsgericht ganz klar aufgegeben: Die Rasterfahndung ist zulässig, sie muss aber an eine konkrete Gefahr geknüpft sein. Das heißt, eine pauschale Ermächtigung, diese Daten quasi jede Woche auf irgendwelche Auffälligkeiten hin zu durchleuchten, ist rechtlich nach unserem Verständnis schwer abzubilden. Deshalb ist es notwendig, dass ein Bezug zu einer konkreten Gefahr, dem begründeten Verdacht auf Terrorismus oder schwere Straftaten besteht. Diese und andere Fragen müssen noch auf europäischer Ebene gemeinsam geklärt werden. Wir müssen dabei auch akzeptieren, dass unsere Partner in Europa dabei teilweise unterschiedlicher Ansicht sind. An den Grundzielen der PNR-Richtlinie gibt es aber nichts mehr zu rütteln. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass mit dieser PNR-Richtlinie eine echte Chance verbunden ist, weil damit ein einheitlicher Rahmen geschaffen werden kann, in dem einheitliche Standards definiert werden. Es gab und gibt zurzeit zwischen einzelnen Staaten einen Wildwuchs bilateraler Abkommen. Es war in der Vergangenheit und teilweise bis heute völlig unklar, wer wie viele Daten aus welchen EU-Staaten bekommt, wie lange sie gespeichert werden, wie sie genutzt werden und ob sie an Dritte weitergegeben werden. Insofern ist die Richtlinie, durch die Einheitlichkeit hergestellt wird, sehr zu begrüßen. Und ich bin sicher, dass wir am Ende auch zu einem guten Ergebnis kommen werden. Wolfgang Gunkel (SPD): Einmal mehr, aber bestimmt nicht zum letzten Mal diskutieren wir die Problematik der Fluggastdaten. Auch der Innenausschuss des Europäischen Parlaments wollte im vergangenen Dezember kurz vor der Weihnachtspause den Vorschlag der Europäischen Kommission für die Fluggastdaten-Richtlinie debattieren. Die Debatte wurde nun auf unbestimmte Zeit verschoben, da diese Richtlinie im Parlament höchst umstritten ist. Es bleibt also zu hoffen, dass die Parla-mentarier mehr datenschutzrechtlichen Weitblick besitzen als die Regierungsvertreterinnen und -vertreter, die auf dem Rat der Justiz- und Innenminister im April 2012 die Richtlinie billigten. Auch wenn die Bundesregierung in dieser Frage ähnlich zerstritten ist wie bei der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, können wir davon ausgehen, dass die Speicherung von Fluggastdaten innerhalb Europas kommen wird. Pauschale Ablehnung nutzt an dieser Stelle nicht viel. Vielmehr ist es geboten, die datenschutzrechtlichen Belange so zu stärken, dass die Speicherung mit geringstmöglichen Eingriffen erfolgt. Die SPD fordert deshalb die Bundesregierung auf, unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes einige Punkte in den Beratungen zu dem Richtlinienentwurf dringend nachzuverhandeln. In dem heute hier von der SPD-Fraktion eingebrachten Antrag werden diese Punkte konkret aufgeführt. Ich möchte noch einmal betonen, dass für mich Maßstab für Art und Umfang der erhobenen Daten die API-Daten sind. § 31 a Bundespolizeigesetz beschreibt völlig ausreichend, wann welche Daten erhoben werden und vor allem, wie lange sie gespeichert werden. Es handelt sich dabei um zehn Datensätze, wie persönliche Angaben, aber auch Abflugsort und -zeit sowie Details über die Reisedokumente. Gespeichert werden diese Daten 24 Stunden, außer sie werden für Grenzkontrollen oder zur Strafverfolgung wegen illegaler Einreise benötigt. Diese Daten können ohne Weiteres auch für die Terrorismusbekämpfung oder Fälle schwerer Kriminalität anwendbar gemacht werden. Die Europäische Kommission hat nicht ausreichend begründet, warum dieser Datenbestand ungenügend sein soll. Zwar erlaubten es die API-Daten der KOM zufolge nicht, ",unbekannte' Verdächtige so zu identifizieren wie dies mit einer Auswertung von PNR-Daten möglich ist" - KOM(2011) 32 endg., S. 5. Diese Aussage wird jedoch nicht näher belegt. Ich dagegen denke nicht, dass der Verwendung der API-Daten ein plausibler Grund entgegensteht. So ist auch der Bundesrat in seinem Beschluss zum Richtlinienvorschlag vom 18. März 2011 zu dieser Schlussfolgerung gekommen. Die Speicherfrist ist zu lang und sollte aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verändert werden. Sie beträgt grundsätzlich 30 Tage und soll dann noch einmal mit Verschlüsselung um fünf Jahre verlängert werden. Tatsächlich kann aber auf diese Daten unter bestimmten Voraussetzungen im Klartext zugegriffen werden. Die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse der auf europäischer Ebene erfolgten Evaluierung haben ergeben, dass eine Speicherfrist von sechs Monaten zur Strafverfolgung nicht erforderlich ist. Circa 70 Prozent der Abfragen von Daten erfolgen in den ersten drei Monaten; der Anteil steigt auf 85 Prozent, wenn die Daten maximal sechs Monate alt sind. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Erfahrungen auf nationaler Ebene. In den USA, wo die Speicherung der PNR-Daten nun schon seit einigen Jahren erfolgt, gab es genau einen Fall, in dem die Überprüfung sämtlicher Passagiere zu einem Gerichtsverfahren führte. Wenn man das an den Millionen Daten misst, die seitdem abgespeichert wurden und weiterhin werden, muss man die Sinnhaftigkeit dieses Verfahrens stark bezweifeln. Da in der Richtlinie bisher nicht eindeutig erkennbar ist, wie die Übermittlung der Daten erfolgt, stellt unser Antrag klar, dass die Beantwortung individueller Anfragen der zuständigen Sicherheitsbehörden anhand des sogenannten Push-Systems zu erfolgen hat. Bei diesem hat die anfragende Behörde keinen direkten Zugriff auf die Daten. Vielmehr werden ihr diese auf Anfrage von der speichernden Behörde übermittelt. Ich habe einige Punkte, die der SPD-Bundestagsfraktion wichtig sind, herausgegriffen. Die Fluggastdaten werden kommen. Fraglich ist, wie sie gestaltet werden. Eine grundsätzliche Ablehnung, so wie im Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beschrieben, teilen wir nicht. Dieser Antrag ist abzulehnen. Für den Antrag der SPD-Fraktion bitte ich um Zustimmung. Gisela Piltz (FDP): In meiner Rede zur ersten Lesung zum Antrag der SPD-Fraktion habe ich versprochen, dass die FDP-Fraktion hier im Bundestag wie schon bisher auch künftig gemeinsam mit der Bundesregierung und der liberalen Fraktion im Europaparlament die Entwicklungen in Sachen Fluggastdaten kritisch und genau betrachten wird und zugleich die Bundesregierung darin unterstützen wird, im Falle einer Mehrheit in Europa sich mit aller Kraft für ein hohes Niveau an Datenschutz und Rechtsschutz einzusetzen und so wenigstens das, was nach dem rot-grünen Sündenfall in Sachen PNR noch zu retten ist, auch tatsächlich im Sinne unseres Rechtsstaates zu retten. Denn das muss an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betont werden: Wer hat's erfunden? Die Antwort ist ganz klar und eindeutig: Rot-Grün. Denn zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung wurde erstmals ein PNR-Abkommen, damals zwischen EU und USA, beschlossen. Damit war der Damm gebrochen - und heute stehen wir vor dem Scherbenhaufen und müssen uns mit dem Vorschlag der Kommission, auch innereuropäisch auf Vorrat die Daten von Flugpassagieren zu sammeln und zu speichern, auseinandersetzen. Deshalb ist es schon erstaunlich, dass ausgerechnet SPD und Grüne heute so tun, als seien sie besonders kritisch. Sie sind es nicht. Sie haben den Grundstein gelegt für diese verfehlte Politik der EU. Die Bundesregierung hat sich bei der - allerdings noch nicht abschließenden - Abstimmung im Rat für Justiz und Inneres der Stimme enthalten, zum einen, weil es generelle Zweifel an der Verhältnismäßigkeit gibt, zum anderen, weil die Gesamtspeicherdauer von fünf Jahren zu lang erscheint. Eine Mehrheit für Fluggastdatenspeicherung gab es unter den Mitgliedstaaten dennoch. Leider, muss man sagen. Besonders -bedauerlich ist, dass sich die Mitgliedstaaten mehrheitlich sogar für ein Weniger an Datenschutz aus-sprechen als die Kommission. Statt wie von der Kommission vorgeschlagen für 30 Tage, sollen die Passagierdaten nun für ganze zwei Jahre im Klartext und ohne Anonymisierung oder Pseudonymisierung gespeichert werden. Neu ist zudem, dass die Mitgliedstaaten entscheiden können sollen, ob oder ob sie nicht Daten für innereuropäische Flüge erheben. Der Vorschlag der Kommission hatte innereuropäische Flüge außen vor gelassen. Beide Mehrheitsvorschläge widersprechen diametral dem Ziel der schwarz-gelben Koalition, im Falle, dass es überhaupt eine EU-Fluggastdatenspeicherung gibt, wenigstens ein hohes Datenschutzniveau zu verankern. Für die FDP-Fraktion sage ich an dieser Stelle ganz klar: Für Deutschland lehnen wir eine Speicherung von Daten auch inner-europäischer Flüge strikt ab. Wann der Rat endgültig entscheiden wird, ist nicht absehbar. Auch ist nicht absehbar, wie es im Europaparlament weitergeht. Der Ausschuss für bürgerliche Freiheiten hat noch nicht entschieden und auch noch keinen abschließenden Zeitplan vorgelegt. Die deutschen Liberalen im Europaparlament - allen voran der deutsche Vizepräsident Alexander Alvaro, dem ich an dieser Stelle nach einem schweren Autounfall die besten Genesungswünsche übermitteln möchte, ebenso wie den anderen, die bei dem schrecklichen Unfall verletzt wurden - haben sich kritisch zu den Vorschlägen geäußert. Wie auch die Liberalen im Bundestag sehen sie das anlasslose Sammeln von Fluggastdaten als höchst problematisch an. Ich will auch gar nicht verhehlen, dass wir in vielen Punkten die Kritik in den hier zu beratenden Anträgen durchaus teilen. Wenn es nach der FDP-Fraktion ginge, würden wir auf diese neuerliche Vorratsdatenspeicherung insgesamt gut und gerne verzichten. Wir müssen nur leider anerkennen, dass die Mehrheiten in der EU anders sind. Daran ändert leider auch die Stimme der Bundesregierung im Rat nichts. Damit müssen wir umgehen. Und es muss uns mindestens ein Anliegen sein, dann das zu retten, was zu retten ist und eine verfehlte Maßnahme mit hohen Datenschutzstandards zu flankieren. Im aktuellen Vorschlag gibt es da noch viel zu tun. Die Speicherfristen sind zu lang. Die Weiterleitung an Drittstaaten muss deutlich restriktiver geregelt werden. Die Einbeziehung innereuropäischer Flüge und erst recht die Schaffung eines Präzedenzfalls für andere Verkehrsmittel muss unter allen Umständen verhindert werden. Die FDP-Fraktion ist deshalb froh, dass die Bundesregierung im Rat auf ein hohes Datenschutzniveau dringt. Aber zugleich muss ich doch feststellen, dass der Antrag, den die SPD hier vorlegt, an Heuchelei kaum zu überbieten ist. Die SPD, die sich für die Vorratsdatenspeicherung einsetzt, hat auch kein grundsätzliches Problem mit der Fluggastdatenspeicherung auf Vorrat, und das, obwohl das Bundesverfassungsgericht, als es das Gesetz der damaligen SPD-Justizministerin Zypries für nichtig erklärte, ausführte, dass "die Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nicht als Schritt hin zu einer Gesetzgebung verstanden werden" darf, "die auf eine möglichst flächendeckende vorsorgliche Speicherung aller für die Strafverfolgung oder Gefahrenprävention nützlichen Daten zielte". Wenn die SPD fordert, sich an dem Urteil zu orientieren, dann sollte sie auch konsequent sein. Im Mai 2004 haben die Grünen gegen einen Antrag der FDP-Fraktion gestimmt, in dem wir rechtstaatliche Garantien und Datenschutz bei dem Abkommen zu Fluggastdaten, das damals von der rot-grünen Regierung in Brüssel abgenickt worden war, gefordert haben. Heute erinnern sich die Grünen daran nicht mehr und wollen uns hier Nachhilfe in Bürgerrechten erteilen. Das haben wir nicht nötig. Unsere Bundesjustizministerin hat in Brüssel nicht zugestimmt und wird dies auch nicht tun. Wir haben - auch das haben Sie ohnehin alle geahnt - in Sachen Fluggastdatenspeicherung unterschiedliche Haltungen zwischen FDP und Union. Das kommt ja durchaus vor, dass auch Wunschkoalitionspartner nicht immer ein und derselben Meinung sind; man sieht ja beispielsweise auch, dass die SPD Fluggastdatenspeicherungen nicht grundsätzlich ablehnt, die Grünen aber genau das in ihrem Antrag fordern. Aber in der schwarz-gelben Koalition halten sich alle Koalitionspartner an den Koalitionsvertrag. Und dort heißt es, dass wir im Falle eines EU-Vorschlags für ein hohes Datenschutz- und Rechtschutzniveau eintreten werden. Das ist - vor dem Hintergrund der nicht zu leugnenden Realität in der EU - immerhin richtig. Und da sind wir auch auf dem richtigen Weg, wenn die Bundesregierung im Rat ihre Zustimmung verweigert zu Vorschlägen, die diesem Anspruch nicht gerecht werden. Mit unserer Justizministerin erreichen wir da sicherlich mehr, als Rot-Grün es in vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit getan hat. Um zum anfänglichen Versprechen zurückzukommen: Wir haben das eingehalten. Und deshalb kann die Koalition den Anträgen von SPD und Grünen nicht zustimmen. Viele Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion haben jedoch, wie auch ich, eine persönliche Erklärung abgegeben, in der wir deutlich machen, dass unsere Haltung zu Fluggastdatenspeicherung unverändert ablehnend ist. Jan Korte (DIE LINKE): Der Vorschlag für eine Richtlinie über die Verwendung von Fluggastdaten soll die anlass- und verdachtsunabhängige Erfassung der Daten aus den -Buchungssystemen der Fluggesellschaften an eine deutsche Zentralstelle der Sicherheitsbehörden ermöglichen, die dort fünf Jahre gespeichert werden. Vorrangiges Ziel soll dabei die Identifizierung in terroristische Straftaten oder schwere Kriminalität verwickelter, bisher aber unerkannter Verdächtiger sein. Das in der Richtlinie gewählte Verfahren führt - wie die 81. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zu Recht und nachdrücklich festgestellt hat - zu einem systematischen Zusammenspiel von Vorratsdatenspeicherung und Rasterfahndung. Die Datenübermittlung, wie auch die Länge der Speicherfristen, verstoßen gegen die EU-Grundrechtecharta und das in der Bundesrepublik Deutschland verfassungsmäßig garantierte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Das ist nicht hinnehmbar und zumindest für meine Fraktion auch schon im Ansatz nicht diskussionsfähig. Denn: Die Richtlinie verstößt insbesondere gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 2. März 2010, 1BvR 256/08, zur Vorratsdatenspeicherung. Das erklärt nämlich Speicherfristen von maximal sechs Monaten nur unter bestimmten Bedingungen für zulässig und fordert zudem kategorisch, dass die Bundesregierung sich auf europäischer Ebene für die Wahrung der verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürgerinnen und Bürger einzusetzen hat. Ein konkreter Nachweis über die Effektivität und die Notwendigkeit einer Fluggastdatenvorratsspeicherung bei der Vorsorge und Bekämpfung von Terrorismus wurde bisher nicht erbracht; eine konkrete Evaluierung der existierenden Abkommen mit den USA, Kanada und Australien liegt nicht vor. Eine Evaluierung der Änderungen im Bundespolizeigesetz, wie sie im Dritten Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes, BGBl. Teil I 2007 Nr. 70, 31.Dezember 2007, zur Ein-führung einer kleinen PNR-Regelung vorgenommen wurden, liegt ebenfalls nicht vor. Eine Ausweitung im Sinne der Richtlinie kann also auch nicht mit mög-lichen Defiziten dieser Regelungen begründet werden. In der Antwort auf meine Schriftliche Frage im März 2011, Arbeits-Nr. 3/243, wurde bereits eine viel zu passive Rolle der Bundesregierung in der Diskussion zur Ausweitung der PNR-Regelungen auf innereuropäische Flüge oder gar auf Bahn- und Schiffsverkehr deutlich, die unverzüglich korrigiert werden muss. Den Bedenken, die der Bundesrat für die Länder in seiner Pressemitteilung vom 18. März 2011 zu dem Richtlinienvorschlag geäußert hat und mit denen er eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Vorschlags einleuchtend begründete, kann nur sinnvoll stattgegeben werden, wenn die Bundesregierung dem Richtlinienvorschlag auf keinen Fall zustimmt. Es müsste hier und heute also darum gehen, dass der Deutsche Bundestag die Bundesregierung auffordert, erstens dem Vorschlag auf Ratsdok.-Nr. 6007/11 vom 4. Februar 2011 auf keinen Fall zuzustimmen und das Inkrafttreten zu verhindern und zweitens jeglichen Überlegungen auf europäischer Ebene nach einer Ausweitung von PNR-Verfahren auf innereuropäische Flüge und auf den Bahn- und Schiffsverkehr aktiv entgegenzutreten. Was bieten uns in dieser Hinsicht die vorgelegten Anträge von SPD und Grünen? Der Antrag der Grünen fordert die Bundesregierung unter anderem auf, die in der Richtlinie der EU-Kommission zur Fluggastdatenerfassung angelegte Vorratsdatenspeicherung ab-zulehnen, einen staatlichen Datenpool nicht zuzulassen und die Speicherfristen von anfallenden Daten drastisch zu kürzen. Geltend gemacht werden dazu eine Reihe verfassungsmäßiger Bedenken, darunter Verstöße gegen das von mir schon erwähnte Urteil des Bundesverfassungs-gerichts in Sachen Vorratsdatenspeicherung sowie gravierende Lücken im zugrunde gelegten Rahmenbeschluss 2008/977/JI bei den Datenschutzvorschriften. Dieser Analyse des Antrags ist wenig hinzuzufügen, und auch der Antragstitels lässt eigentlich hoffen: "Keine Vorratsspeicherung von Fluggastdaten". Wäre dies also tatsächlich im Forderungsteil umgesetzt, könnte man dem ja ohne Wenn und Aber zustimmen. Der Sieben-Punkte-Forderungskatalog des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird dem Titel leider nicht mehr gerecht. Im Gegenteil: Der grüne Antrag ist eine Demonstration des schrittweisen Rückzugs mit vollen Backen. Sehen wir uns Punkt 6 an: Falls ein Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung nicht durchsetzbar ist, soll deren Ausdehnung auf inner-europäische Flüge abgelehnt werden. Oder Punkt 7: Falls ein Verzicht einer Vorratsdatenspeicherung bei Flügen nicht durchsetzbar ist, sollen jedenfalls die Passagierdaten, die bei Nutzung anderer Verkehrsmittel anfallen, verschont werden. Hier wird zwar der zu Recht geringe Glaube in den Verhandlungswillen der Bundesregierung deutlich, trotzdem klingt es doch sehr nach der Bestellung der Henkersmahlzeit: Nun auch jeweils schon die nächste Verhandlungslinie vorzuschlagen, ist im Rahmen einer solchen Stellungnahme nicht besonders sinnvoll. Nun zum Antrag der SPD: Wie die Grünen wendet sich auch die SPD mit ihrer Stellungnahme gegen den Richtlinienvorschlag, da die Richtlinie eine klassische Vorratsdatenspeicherung fordere. Da die dafür vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen strengeren Vorgaben nicht berücksichtigt sind, fordert die SPD eine datenschutzrechtliche Nachbesserung. Daneben wird zu Recht auch der Umfang der zu speichernden und zu übermittelnden Daten kritisiert. Des Weiteren werden Speicherfristen, rasterfahndungsähnliche Abgleichverfahren und die drohende Einführung eines solchen Verfahrens für innereuropäische Flüge und andere Verkehrsmittel kritisiert. So sinnvoll einzelne Forderungen der SPD in ihrem Katalog sind, so problematisch ist ihre Grundannahme, die uns hier wieder einmal begegnet, nämlich dass es eine datenschutz- und grundrechtskonforme Vorratsdatenspeicherung überhaupt geben kann. Und dieser naiven Vorstellung schließt sich die nicht belegte Annahme an, dass die Passagierdatenspeicherung tatsächlich ein wirkungsvolles Mittel im Kampf gegen den Terrorismus oder andere schwere Kriminalität sei. Wenn alle hier im SPD-Antrag vorgelegten Verbesserungsvorschläge in der Richtlinie aufgenommen werden würden, würde sich überhaupt nichts daran ändern, dass jeder und jede, der und die in ein Flugzeug steigt, einem Generalverdacht ausgesetzt und datenschutzrechtlich diskriminiert wird. Sie ändern rein gar nichts an der Tatsache, dass hier eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung stattfindet, deren Nutzen sachlich nicht nachgewiesen ist. Wir werden weder einer Vorratsdatenspeicherung light zustimmen, noch der sicherlich nett gemeinten Verhandlungsstrategie der Grünen für die Bundesregierung, die aber wenigstens verstanden zu haben scheinen, dass die Vorratsdatenspeicherung ein Problem ist. Den Antrag der SPD-Fraktion lehnen wir ab. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Vorratsspeicherung von Fluggastdaten, ihre Verwendung zu Zwecken der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung in ganz Europa und ihre Weiterleitung in die USA und Australien haben uns hier schon mehrfach beschäftigt. Heute diskutieren wir zum zweiten Mal über den grünen Antrag zum EU-Richtlinienentwurf zur Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten. Mit diesem Antrag fordern wir die Bundesregierung schlicht auf, ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht nachzukommen, bei den Verhandlungen in Brüssel eine verfassungskonforme Position zu vertreten. Die einzig verfassungskonforme Position zu diesem Richtlinien-entwurf ist seine Ablehnung, da der Richtlinienentwurf den EU-Grundrechten widerspricht und weil er auch nicht verfassungskonform umsetzbar ist. Denn es sind keine behebbaren Kleinigkeiten, die im Richtlinienentwurf falsch liegen; es ist das Gesamtkonzept des Vorhabens, das völlig konträr zu deutschen und europäischen Grundrechten liegt. Noch nicht einmal die Erforderlichkeit der Fluggastdatenspeicherung für die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus und der schweren Kriminalität ist nachgewiesen, geschweige denn, dass die enorm hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an Vorratsdatenspeicherungen und präventive Rasterung von Daten auch nur annähernd erfüllt wären. Sie finden eine eingehende rechtliche Argumentation zur EU-Grundrechtswidrigkeit und zur Verfassungswidrigkeit dieses Richtlinienentwurfs in unserem Antrag. Wir haben diese übrigens auch gegenüber Vertretern der Bundesregierung in den Ausschüssen des Bundestages mehrfach vorgetragen. Ich spare mir die Mühe, diese Argumente hier alle noch einmal vorzutragen; denn sie sind ja, auch bei CDU/CSU und FDP, durchaus bekannt. Wir haben es schon seit zwei Jahren schwarz auf weiß, dass ein Teil der Bundesregierung beim Richtlinienentwurf ebenfalls massive verfassungsrechtliche Bedenken hat. Ich spare mir auch die Mühe der weiteren verfassungsrechtlichen Argumentation, weil ich zu dem Schluss gekommen bin, dass diese schwarz-gelbe Merkel-Regierung gar kein Interesse daran hat, den Schutz der Grund- und Bürgerrechte des Grundgesetzes als Maßstab der EU-Politik durchzusetzen. Die Argumente müssten ja sonst langsam zu allen durchgedrungen sein. Nicht nur der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, sondern auch die europäischen Datenschutzbeauftragten und die EU-Grundrechteagentur, selbst der juristische Dienst des Rates der EU - ja, genau des Organes der EU, in dem die Regierungen der Mitgliedstaaten vertreten sind - halten den Richtlinienentwurf für grundrechtswidrig. Auch der Bundesrat ist, im Wesentlichen wegen datenschutzrechtlicher Bedenken, dagegen. Dennoch: Schwarz-Gelb mit Merkel an der Spitze setzt offenbar lieber auf den Grundrechteabbau durch die europäische Hintertür. Man glaubt es kaum: Da wird in Brüssel eine Richtlinie verhandelt, die allem widerspricht, was das Bundesverfassungsgericht uns zum Datenschutz aufgegeben hat. Und was macht die schwarz-gelbe Merkel-Regierung im Wissen um diese verfassungsrechtlichen Probleme? Wie immer: Sie sitzt aus, sie schweigt, sie enthält sich - das haben wir dank einer Kleinen Anfrage der Linken nun öffentlich und schriftlich - in der entscheidenden Frage der Stimme. Es geht hier nicht um ein Detail oder eine kleine Besonderheit des deutschen Datenschutzrechts, die es zu schützen gilt. Es geht um den elementaren, in der Menschenwürde begründeten Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor Rundumüberwachung. Es geht um eine anlasslose Überwachung und Rasterung von Daten, die höchst anfällig ist für unzulässig diskriminierende Praktiken der Sicherheitsbehörden. Berührt sind hier die Grundfesten unseres Verfassungsstaates. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht deutlich gemacht, dass weitere Vorratsdatenspeicherungen gegen das zentrale Gebot des Grundgesetzes verstoßen - ich zitiere -: "Die Freiheitswahrnehmung der Bürger darf nicht total erfasst und registriert" werden. Da das Gericht die unsichere Haltung der Bundesregierung in derartigen Fragen kennt, hat es versucht, ihr die Folgen ganz deutlich zu machen: Für die Wahrung dieses Grundsatzes hat sich - Zitat - "die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einzusetzen". Die Stimmenthaltung in Brüssel ist also nicht nur politisch ein verheerendes Signal, sondern sie ist auch verfassungswidrig. Leider müssen wir auch bei der laufenden Diskussion über die Harmonisierung des EU-Datenschutzes berücksichtigen, dass die Bundesregierung sich nicht für den Datenschutz einsetzt und die Schaffung starker Datenschutzstandards eher blockiert, als sie zu befördern. Es gibt also in Wirklichkeit auch keine Abstufung des Handelns dieser Bundesregierung in Sachen Datenschutz der Wirtschaft und Datenschutz der öffentlichen Verwaltung. In beiden Fällen versucht sie, zugunsten der Bürgerinnen und Bürger bestehende rechtliche Bindungen aufzuweichen. Dabei geht es ihr wechselweise um die öffentliche Sicherheit oder die Interessen der Unternehmen. Das Allgemeinwohl oder die Grundrechte werden stets nachrangig eingestuft. Dass die Bundesregierung die Verhandlungen über die Vorratsspeicherung von Fluggastdaten so geschehen lässt, erzeugt ein politisches Klima, das es der EU-Kommission ermöglicht, schon vor Verabschiedung der Fluggastdatenrichtlinie eine Ausschreibung in Höhe von 50 Millionen Euro zu veröffentlichen, um die Schaffung der staatlichen Fluggastpools, die die Richt-linie vorschreibt, zu fördern. In diesem politischen Klima hat die International Air Transport Association, die IATA, nun auch ein Konzept für eine New Distribution Capability, NDC, entwickelt. Hinter diesem Projekt verbirgt sich eine private Vorratsspeicherung von Fluggastdaten, die dazu dienen soll, maßgeschneiderte Preisangebote je nach Geldbeutel des Kunden zu machen. Die Pläne der IATA widersprechen dem geltenden europäischen Datenschutzrecht. Aber wen stört das, wenn die Mitgliedstaaten im Rat seelenruhig über grundrechtswidrige Richtlinien beraten? Die Enthaltung der Bundesregierung bei der Fluggastdatenrichtlinie zeigt ihre Handlungsunfähigkeit und ihre mangelnde Sensibilität für Grund- und Bürgerrechte. Sie zeigt aber vor allem auch eine erschreckende europapolitische Blindheit. Müsste das Bundesverfassungsgericht über ein Gesetz zur Umsetzung der Fluggastdatenrichtlinie entscheiden, könnte das massive Folgen für den rechtlichen Zusammenhalt in der Europäischen Union haben. Denn das Bundesverfassungsgericht stünde dann vor der Wahl, entweder erstmals das Europarecht direkt anzugreifen, weil es keinen angemessenen Grundrechtsschutz gewährleistet, oder aber sich in Widerspruch zu seiner eigenen jüngsten Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung und zur präventiven Rasterfahndung zu setzen. Ersparen Sie sich und uns diese Niederlage für die Grundrechte des Grundgesetzes und die europäische Harmonisierung! Für die Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus und der schweren Kriminalität brauchen wir sie nicht, diese Speicherung von 19 Datenkategorien von mehr als 1 Milliarde Flugpassagieren in der EU in einem staatlichen Datenpool. Wir brauchen auch nicht den Zugriff unzähliger Sicherheitsbehörden aus allen 27 EU-Staaten auf deutsche Datenpools, schon gar nicht, solange es für diese keine adäquaten EU-Datenschutzstandards gibt. Wir brauchen ihn nicht, diesen präventiven Abgleich mit anderen Datenbeständen. Und wir wollen sie nicht, diese zusätzliche anlasslose Überwachung zulasten des Datenschutzes und um den Preis der Diskriminierung. Noch ist die Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Fluggastdaten nicht verabschiedet. Deswegen heute noch einmal mein Appell an die schwarz-gelbe Merkel-Regierung: Tragen Sie die Maßstäbe des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus dem Grundgesetz nach Europa, statt den politischen Grundrechteabbau durch die europäische Hintertür zu betreiben! Positionieren Sie sich klar gegen diesen Richtlinienentwurf, und setzen Sie Ihre Verhandlungsmacht ein. Hinter Ihnen steht nicht nur das Bundesverfassungsgericht, sondern hinter Ihnen stehen auch die Verfassungsgerichte anderer EU-Mitgliedstaaten, zum Beispiel von Österreich und Rumänien. Vizepräsidentin Petra Pau: Mir liegt eine Vielzahl von Erklärungen zur Abstimmung nach § 31 der Geschäftsordnung vor.23 Wir nehmen all diese zu Protokoll und kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 17/12473. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/6293. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/5490. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenommen. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich danke Ihnen für die gute Zusammenarbeit bei unserem Ritt durch nahezu alle Politikbereiche am Ende unserer Sitzung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Freitag, den 1. März 2013, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 22.41 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Bartels, Hans-Peter SPD 28.02.2013 Behrens, Herbert DIE LINKE 28.02.2013 Brunkhorst, Angelika FDP 28.02.2013 Burchardt, Ulla SPD 28.02.2013 Canel, Sylvia FDP 28.02.2013 Dagdelen, Sevim DIE LINKE 28.02.2013 Gabriel, Sigmar SPD 28.02.2013 Dr. Götzer, Wolfgang CDU/CSU 28.02.2013 Gottschalck, Ulrike SPD 28.02.2013 Gruß, Miriam FDP 28.02.2013 Hardt, Jürgen CDU/CSU 28.02.2013 Hinz (Herborn), Priska BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Hofmann (Volkach), Frank SPD 28.02.2013 Keul, Katja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Kilic, Memet BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Klamt, Ewa CDU/CSU 28.02.2013 Korte, Jan DIE LINKE 28.02.2013 Krestel, Holger FDP 28.02.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Lange (Backnang), Christian SPD 28.02.2013 Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine FDP 28.02.2013 Dr. von der Leyen, Ursula CDU/CSU 28.02.2013 Liebich, Stefan DIE LINKE 28.02.2013 Dr. Lotter, Erwin FDP 28.02.2013 Dr. h. c. Michelbach, Hans CDU/CSU 28.02.2013 Möhring, Cornelia DIE LINKE 28.02.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 28.02.2013 Müller (Aachen), Petra FDP 28.02.2013 Nahles, Andrea SPD 28.02.2013 Neumann (Bremen), Bernd CDU/CSU 28.02.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 28.02.2013 Rawert, Mechthild SPD 28.02.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 28.02.2013 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 28.02.2013 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 28.02.2013 Schreiner, Ottmar SPD 28.02.2013 Schulz, Jimmy FDP 28.02.2013 Staffeldt, Torsten FDP 28.02.2013 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 28.02.2013 Wieczorek-Zeul, Heidemarie SPD 28.02.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 28.02.2013 Anlage 2 Namensverzeichnis der Mitglieder des Deutschen Bundestages, die an der Wahl eines Mitglieds des Parlamentarischen Kontrollgremiums teilgenommen haben (Tagesordnungspunkt 6) CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Peter Hintze Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Volker Kauder Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Dr. Angela Merkel Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Martin Burkert Petra Crone Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Daniel Bahr (Münster) Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Ernst Burgbacher Marco Buschmann Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Dr. Max Stadler Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Sevim Dagdelen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Caren Lay Sabine Leidig Ralph Lenkert Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Susanne Kieckbusch Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Arfst Wagner (Schleswig) Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Anlage 3 Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Meister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Begleitung der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (SEPA-Begleitgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 4 b) Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am 26. Februar 2013 mache ich darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung eine Protokollerklärung abgegeben hat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: Protokollerklärung der Bundesregierung zum SEPA-Begleitgesetz Die Bundesregierung wird weiter das Ziel verfolgen, die Risikotragfähigkeit und Stabilität der Lebensversiche-rer zu erhalten und weiter zu stärken, damit die Verpflichtungen gegenüber den Versicherten dauerhaft erfüllbar bleiben. Die anhaltend niedrigen Zinsen haben auf Dauer erhebliche Auswirkungen auf Lebensversicherungsunternehmen, die langlaufende Garantien abgeben. Die Lebensversicherer müssen verstärkt Vorsorge betreiben, um Zinsgarantien auch künftig bedienen zu können. Die Bundesregierung hält es für geboten, die aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen der Versicherer an die -besonderen Bedingungen eines Niedrigzinsumfelds anzupassen. Sie wird daher die gesetzgeberischen Handlungsmöglichkeiten auf nationaler und europäischer Ebene im Zusammenhang umfassend prüfen und unter Berücksichtigung bereits laufender Initiativen wie dem Vorhaben Solvency II der Europäischen Kommission Vorschläge unterbreiten. Anlage 4 Erklärung des Abgeordneten Dr. Michael Meister (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20. Oktober 2011 in der Rechtssache C-284/09 (Zusatztagesordnungspunkt 4 c) Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am 26. Februar 2013 mache ich darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung eine Protokollerklärung abgegeben hat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: Protokollerklärung der Bundesregierung zu einer künftigen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz Der Vermittlungsausschuss schlägt in seiner Beschlussempfehlung die künftige Besteuerung des Streubesitzes vor. Der Vorschlag sieht zunächst nur eine Besteuerung von Dividendenerträgen und keine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen vor. Durch die Erstattung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer für die Vergangenheit und die Besteuerung von Streubesitzdividenden für die Zukunft wird als Reaktion auf das EuGH-Urteil vom 20.10.2011 in der Rs. C-284/09 ein unionsrechtskonformer Zustand hergestellt. Dabei sieht der Vermittlungsausschuss, dass mit der unterschiedlichen Besteuerung von Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen die bisherige Systematik der Besteuerung von Beteiligungserträgen verlassen wird. Die Folgen sollten daher im Hinblick auf das Gestaltungspotenzial sorgfältig beobachtet werden. Die Bundesregierung wird im Zusammenhang mit der grundlegenden Reform der Investmentbesteuerung die künftige steuerliche Behandlung von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitz erneut ergebnisoffen aufgreifen und die notwendigen Folgerungen ziehen. Dabei soll vor allem für den Bereich der Business Angels und Start-ups nach Lösungen für besondere Belastungseffekte für den Fall gesucht werden, dass sich der Investor von seinem Engagement trennt. Anlage 5 Erklärung der Abgeordneten Jutta Krellmann (DIE LINKE) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 a) Ich habe versehentlich mit Ja gestimmt. Mein Votum lautet Nein. Anlage 6 Erklärungen nach § 31 GO zu den namentlichen Abstimmungen: - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission EUTM Mali auf Grundlage des Ersuchens der Regierung von Mali sowie der Beschlüsse 2013/34/GASP des Rates der Europäischen Union (EU) vom 17. Januar 2013 und vom 18. Februar 2013 in Verbindung mit den Resolutionen 2071 (2012) und 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkte 5 a und b) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Den oben genannten Anträgen der Bundesregierung stimme ich, trotz meiner grundsätzlich ablehnenden Position den Auslandseinsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten -betreffend, zu. Meine Zustimmung zu den Anträgen ist -daran gebunden, dass ein Kampfeinsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten im Kriegsgebiet Mali ausgeschlossen ist und bleibt. Unter den Prämissen der Versorgungshilfestellung ohne Kampfeinsatz und des Ausbildungscharakters im Rahmen der Partnerschaft innerhalb der Vereinten Nationen sowie der europäischen Partnerschaft stimme ich den Anträgen zu. Dennoch bleibe ich bei meiner Auffassung, dass nur politische Verhandlungen und diplomatische Lösungen und keine Militäreinsätze zu einer anhaltenden Befriedung führen. Frank Schäffler (FDP): Ich verstehe diejenigen, die sich aus ehrenwerten Motiven für ein internationales militärisches Eingreifen in Mali ausgesprochen haben. Ich verstehe die Verzweiflung vieler Menschen in der Region angesichts der Entwicklungen in Mali in der letzten Zeit. Doch der Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte stimme ich nicht zu. Meine Ablehnung bezieht sich sowohl auf die Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung, AFISMA, als auch auf die Beteiligung an der EU-geführten militärischen Ausbildungsmission European Training Mission Mali, EUTM MALI. Ich habe es mir nicht leicht gemacht. Ich weiß, dass es niemandem leichtfällt, sich hierüber eine Meinung zu bilden. Aber für mich ist klar: In der Abwägung der Argumente bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns mit deutschen Soldaten an einem solchen Kampfeinsatz in Mali nicht beteiligen sollten. Der Konflikt in Mali ist nicht neu. Sein erneutes Aufflammen deutet auf die tiefer liegenden historischen Ursachen hin. Diese Ursachen können nicht durch eine zweifellos gut gemeinte militärische Intervention beseitigt werden. Im Gegenteil hat die jüngste militärische Intervention in Libyen das Gewaltpotenzial der Region erneut entzündet. Es ist an der Zeit, die Interventionsspirale der Gewalt zu durchbrechen. Seine Wurzeln hat der Konflikt in der Staatsentstehung Malis. Mali ist - mit Zwischenstationen - aus Französisch-Sudan entstanden. Als Mali seine Unabhängigkeit erlangte, übernahm es überwiegend seine am Reißbrett gezogenen Außengrenzen aus der Kolonialzeit. Frankreich hatte die Verwaltung seiner Kolonialgebiete mehrfach neu aufgeteilt. Seit 1920 hatte Französisch-Sudan die Grenzen des heutigen Mali. Frankreich richtete sich bei der Grenzziehung nach militärischen und verwaltungspraktischen Überlegungen und nahm keine Rücksicht auf die gewachsenen ethnischen Strukturen des malischen Gebiets. Mali ist daher heute ein Vielvölkerstaat 30 verschiedener Ethnien, darunter auch das Nomadenvolk der Tuareg. Deren Siedlungs- und Stammesgebiet umfasst Teile von Mali, Niger, Algerien, Libyen und Burkina Faso. Die Tuareg leisteten bereits im 19. Jahrhundert Widerstand gegen die Expansion der Kolonialmacht Frankreich. Sie revoltierten auch von 1990 bis 1995 gegen Unterdrückung und Ausgrenzung durch die jeweiligen Regierungen. Die eigenen Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen kulminierten in der Proklamation dreier Regionen im Nordteil Malis als unabhängigem Staat Azawad am 6. April 2012. Die Mission in Mali dient - unter anderem - dazu, die "Regierung [Malis] zur effektiven Kontrolle über das gesamte Land zu befähigen", "die effektive Kontrolle des Staates Mali über sein gesamtes Hoheitsgebiet wiederherzustellen" und "die Einheit und territoriale Unversehrtheit Malis zu wahren". Diese Ziele kann ich vor dem Hintergrund der Natur und historischen Tiefe des Konflikts nicht teilen. In erster Linie haben wir es hier mit einem Bürgerkrieg zu tun. Es ist nicht richtig, sich auf die eine Seite der Konfliktparteien zu stellen und dieser militärisch beizustehen, um dann "die malische Regierung bei der Aufnahme eines Dialogs mit den Bevölkerungsgruppen des Nordens [zu] unterstützen." Wie ausgewogen kann ein politischer Dialog sein, wenn man dem einen Dialogpartner zuvor zu einem militärischen Sieg verholfen hat? Ich verkenne nicht die furchtbare humanitäre Lage in Mali, die Menschenrechtsverletzungen und Gewalthandlungen gegen Zivilpersonen. Krieg ist eine schreckliche und leidvolle Angelegenheit, ein Bürgerkrieg nicht weniger. Beendet wird ein Bürgerkrieg jedoch nicht, indem man den früheren Zustand militärisch wiederherstellt, sondern indem man die Anliegen beider Parteien ernst nimmt. Besser wäre es, erst Abstimmungen im nördlichen Teil "Azawad" herbeizuführen, um herauszufinden, ob die Bevölkerung mehrheitlich Teil Malis bleiben möchte. Denn "wenn die Bewohner eines Gebietes, sei es eines einzelnen Dorfes, eines Landstriches oder einer Reihe von zusammenhängenden Landstrichen, durch unbeeinflusst vorgenommene Abstimmungen zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht in dem Verband jenes Staates zu bleiben wünschen, dem sie augenblicklich angehören, sondern einen selbständigen Staat bilden wollen oder einem anderen Staate zugehören wollen, so ist diesem Wunsche Rechnung zu tragen. Nur dies allein kann Bürgerkriege, Revolutionen und Kriege zwischen den Staaten wirksam verhindern [...] Wenn es irgend möglich wäre, jedem einzelnen Menschen dieses Selbstbestimmungsrecht einzuräumen, so müßte es geschehen." (Ludwig von Mises, Liberalismus, Jena 1927, S. 96). Eine militärische Intervention zur Wahrung des Status quo hätte darüber hinaus Folgen, die wir heute nicht absehen können. Ich muss deswegen darum bitten und darf daran erinnern, dass wir die Lehren aus der jüngeren Geschichte, auch aus jüngeren Militäreinsätzen, immer mitberücksichtigen müssen, wenn wir heute vor Entscheidungen stehen. Auslöser des aktuellen Konflikts war die militärische Intervention in Libyen. Ungewollter Nebeneffekt dieser Intervention der Staatengemeinschaft - an der Deutschland aus guten Gründen und mit Recht nicht teilgenommen hat - war die Bewaffnung derjenigen, die sich heute gegen die malische Zentralregierung auflehnen. Der Norden Malis wurde eingenommen durch erfahrene Kämpfer, die mit schweren Waffen aus Gaddafis umfangreichem Waffenlager ausgerüstet waren. Zusätzlich sind Teile der malischen Armee desertiert, die schon früher von amerikanischen Ausbildern trainiert worden waren. Sie haben ihre Ausrüstung und Fähigkeiten mitgenommen und kämpfen nun auf der anderen Seite. Unter diesen Ausgebildeten befinden sich sogar Tuareg-Generäle. Absehbar waren diese Folgen nicht. Wenn wir nun in Mali erneut Truppen trainieren und militärisch intervenieren, um den Nachwehen der vorigen Intervention zu begegnen, so muss man sich schon heute fragen, welche Konsequenzen dieser erneute Eingriff haben wird. Werden wir nächstes Jahr erneut Beschlüsse über eine militärische Intervention fassen müssen, mit denen wir versuchen, die Folgen unseres heutigen Tuns zu beherrschen? Alles, was wir erreichen werden, ist, dass wir uns neue Feinde schaffen. Endlich bewerkstelligen wir den Abzug aus Afghanistan, wo unsinnigerweise "Deutschland am Hindukusch verteidigt" wurde. Angebliche Brutstätten für Terroristen hat die Staatengemeinschaft seit Afghanistan im Jemen, in Somalia und anderswo bekämpft. Einen Erfolg dieser militärischen Interventionspolitik kann ich nicht erkennen. Ich erwarte auch keinen Erfolg, wenn wir Deutschland nun in Timbuktu verteidigen. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Antrag der Bundesregierung, Bundeswehrsoldaten zur Ausbildung und Beratung der dortigen Armee nach Mali zu entsenden, lehne ich ab und stimme mit Nein . Es ist nicht zu verantworten, einer Armee Ausbildungshilfe zu leisten, die gegen ihre legitime Regierung gemeutert, den Regierungschef durch einen Putsch gestürzt und verjagt hatte. Bis vor kurzer Zeit war das auch die Auffassung der Bundesregierung und ebenso der -internationalen Gemeinschaft. Auch Deutschland hatte im März 2012 die langjährige Ausbildung der malischen Armee abgebrochen, weil Soldaten gegen Präsident Touré geputscht hatten. Hilfen für die Regierung Malis wurden ebenfalls eingestellt. Jetzt, ein knappes Jahr später, soll dieselbe Armee mit den Putschisten unter Hauptmann Sanago ausgebildet werden, obwohl inzwischen noch viel mehr gegen diese Unterstützung spricht. Das malische Militär ist mehr Teil des Problems als Teil der Lösung. Noch vor wenigen Tagen haben sich Soldaten dieser malischen Armee in einem Lager in der Nähe von Bamako gegenseitig beschossen. Malische Soldaten sollen außerdem im Januar an mehreren Dutzend Hinrichtungen und Racheakten an der Zivilbevölkerung im Norden beteiligt gewesen sein, wie die Internationale Vereinigung für Menschenrechte berichtete. Vorher waren Soldaten dieser Armee zu Tausenden zu den zunächst erfolgreichen Islamisten im Norden übergelaufen. Die Elitesoldaten, die letzte Woche offenbar Anhänger der gestürzten Regierung in der Armee angegriffen haben, werden den Putschisten zugerechnet. Sie haben weiterhin viel Einfluss innerhalb der Übergangsregierung und des Sicherheitsapparats. Ihr Hauptmann Sanago war angeblich Koordinator der aufzubauenden Armee und könnte es wieder werden. Diese desolate und in sich verfeindete Armee soll nun von der Bundeswehr ausgebildet werden. Diese ist es, der beigebracht werden soll - so Minister de Maizière im Bundestag -, "was rechtsstaatlich geführte Streitkräfte leisten können". Er sagt nicht, warum derselben Armee in der jahrelangen Ausbildung durch die Bundeswehr zuvor nicht das alles schon beigebracht worden ist. Es wird auch nicht gesagt, was diesmal anders und besser gemacht werden kann, ja nicht einmal, welche Streitkräfte und welche Teile der Armee überhaupt ausgebildet werden sollen; Teile der "alten" Armee oder erst neu zu rekrutierende Soldaten. In dieser unübersichtlichen Lage und mit diesem ungeklärten Auftrag kann man doch nicht einfach Soldaten der Bundeswehr schon in zwei Wochen nach Mali schicken. Hinzu kommt, dass die schwache und beinahe handlungsunfähige Übergangsregierung es bisher nicht geschafft hat, Verhandlungen mit den verschiedenen Akteuren im Norden oder einen politischen Prozess wirklich voranzutreiben, Einer Ausbildungsmission, bei der vorab nicht eindeutig geklärt ist, wer ausgebildet wird und ob damit nicht Verantwortliche für Gewalttaten und Übergriffe unterstützt werden, kann ich nicht zustimmen. Auch den Antrag der Bundesregierung zur Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung - AFISMA - halte ich nicht für zustimmungsfähig. Ich stimme mit Enthaltung. Unterstützung der ECOWAS-Truppen halte ich grundsätzlich für richtig. Die Probleme in Afrika sollten möglichst von Afrikanern und der afrikanischen Staatengemeinschaft gelöst werden. Dabei können wir helfen. Aber das Mandat für die Bundeswehr sieht auch den Einsatz von Transport- und Tankflugzeugen zur Unterstützung der französischen Interventionstruppen vor. Die Bundeswehr soll durch Betankung in der Luft also insbesondere auch Bombardierungen durch französische Militärflugzeuge direkt unterstützen. Bis heute ist nicht bekannt, welche Ziele die französische Luftwaffe in den letzten Wochen bombardiert hat und wie groß die Zahl der Opfer dieser Einsätze gerade auch in der Zivilbevölkerung war. Ebenso unbekannt sind die Ziele der Bombardierungen in Zukunft. Die Bundesregierung hat dazu auf mehrfache Fragen von mir immer wieder und noch gestern erklärt, das wisse sie auch nicht. Diese Kriegführung sei allein Sache der französischen Streitkräfte. Nach Meldungen der Gesellschaft für bedrohte Völker sollen im Januar mehrere Zehntausend Zivilpersonen aus dem Volk der Tuareg aus der Stadt Kidal im Norden geflüchtet sein aus Angst vor Luftangriffen der Franzosen. Mitte Februar sollen circa 6000 Tuareg-Zivilisten aus dem Bergmassiv Adrar des Ifoghas im Nordosten geflohen sein und an der Grenze zu Algerien festsitzen. Vorausgegangen seien Dutzende Luftangriffe auf das Bergmassiv. Solange wir nicht wissen, wie die französische Armee Krieg führt und welche Ziele bombardiert werden, müssen wir befürchten, dass mit deutscher Hilfe Bomben geworfen werden, die Zivilisten treffen und in die Flucht treiben. Eine direkte Unterstützung der französischen Kriegsführung ist daher nicht verantwortbar. Die beiden von der Bundesregierung vorgelegten Mandate sind zur Lösung des Konflikts so nicht geeignet und nicht ausreichend geklärt. Auch ich bin dafür, dass Deutschland in Mali hilft, vor allem der malischen Bevölkerung, den vielen Flüchtlingen und Hungerleidenden. Dabei sollte sich die Bundesregierung neben humanitärer Hilfe auf die Unterstützung des politischen Prozesses konzentrieren. Ich bin auch dafür, eine neue und vor allem legitime Regierung und den Aufbau neuer Sicherheitskräfte zu unterstützen. Die Durchführung von fairen und freien Wahlen, an der alle, auch die Menschen im Norden und die in die Nachbarländer geflüchteten Malier, teilnehmen können, kann die Voraussetzung dafür schaffen. Aber diesen Mandaten stimme ich nicht zu. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl und Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 b) Wir zitieren aus einem Antrag meiner Fraktion vom September 2012: Die Sahel-Region ist eines der ärmsten Gebiete der Welt. Seit Jahren kommt es in den Ländern dieser Region durch Dürren und Misswirtschaft zu Lebensmittelkrisen. Ernteausfälle, politische Umbrüche in den Staaten Nordafrikas, die Rückkehr -bewaffneter Söldner aus Libyen und der Elfenbeinküste, organisierte Kriminalität, islamistischer Terrorismus sowie Kampfhandlungen im Norden -Malis haben die Ernährungskrise und fragile Sicherheitslage in der Sahel-Region dramatisch verschärft ... Auch im Norden Malis hatten in den letzten Jahren islamistische Gruppen im Umfeld der AQiM verstärkt Zulauf ... Mit dem Sturz des Regimes von Muammar al-Gaddafi konnten diese Gruppierungen ihre Schlagkraft verstärken: Zum einen durch Söldner, die zuvor im Dienste ... Gaddafis standen. Zum anderen durch schwere Waffen, die seit der Endphase der Kämpfe in Libyen bis heute über die nahezu unkontrollierten Wüstengrenzen geschmuggelt werden. Die Erfolge der Aufständischen in Nord-Mali führten am 22. März zu einem Staatsstreich putschender Offi-ziere ... Die Staatsgewalt in Mali ist seit dem Staatsstreich geschwächt, auch wenn am 22. August 2012 eine Regierung der nationalen Einheit gebildet werden konnte... Humanitäre Hilfe, Übergangshilfe und vor allem langfristige Ernährungssicherung sind wichtige Elemente zur Stabilisierung der Region. Sie reichen alleine aber nicht aus, um strukturelle Probleme wie schwache staatliche Institutionen, Rechtsstaats-, Demokratie- und Sicherheitsdefizite, Korruption und organisierte Kriminalität wirksam anzugehen. Der VN-Sicherheitsrat hat den VN-Generalsekretär vor diesem Hintergrund aufgefordert, eine umfassende Sahel-Strategie vorzulegen, die die Bereiche Sicherheit, humanitäre Hilfe, Entwicklung und Menschenrechte umfasst (S/Res/2056 (2012)). (Antrag Bündnis 90/Die Grünen vom 26.9.2012, "Sahel-Region stabilisieren - Humanitäre Katastrophe eindämmen", Drucksache 17/10792) Der Antrag unserer Fraktion vom Herbst letzten Jahres beschreibt die Situation in der Sahel-Region und in Mali und fordert die Bundesregierung auf, endlich zu handeln. Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, auf Konfliktlösung innerhalb der Region hinzuwirken, Staaten der Sahel-Region langfristig beim nachhaltigen Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zu unterstützen, in der Sahel-Region tätige internationale Organisationen zu unterstützen, unterstützend an einer politischen Lösung des Konflikts mit den Tuareg-Rebellen und Islamisten im Norden Malis zu arbeiten, Flüchtlingen zu helfen, Nothilfe zu leisten, EZ-Gelder zu erhöhen - zusammengefasst: zivile Konfliktlösungshilfe zu bieten. Zusätzlich wird eine Friedensmission zur Ausbildung und Reorganisation malischer Streitkräfte im Rahmen eines VN-Mandates gefordert, die von Deutschland finanziell und logistisch unterstützt wird. Der Antrag wurde von der Koalition abgelehnt. Der Umgang mit Konflikten in fragilen Staaten ist fast immer derselbe: Die westliche Staatengemeinschaft, auch die Bundesregierung, bietet keine oder unzureichende Hilfestellung an, um den Konflikt zu entschärfen. Erst wenn die Situation so eskaliert, dass nur noch militärisches Eingreifen zu helfen scheint, dann findet sich die Bereitschaft zu einer finanziell und personell angemessen großzügigen Unterstützung. Die Bundesregierung ist jetzt bereit, neben der logistischen Unterstützung bis zu 150 deutsche Soldatinnen und Soldaten zur Unterstützung von AFISMA einzusetzen, bis zu 180 für die Ausbildungsmission EUTM Mali. Die Ausbildungsmission hätte bereits mindestens vor einem halben Jahr beschlossen werden können und hätte zusammen mit anderen Hilfsmaßnahmen die Eskalation der letzten Monate eventuell verhindern oder zumindest verringern können. Diesem - verspäteten - Mandat stimmen wir heute zu. Auch das Mandat zur Unterstützung von AFISMA kritisieren wir nicht im Grundsatz. Die Entsendung der Soldaten erfolgt auf der Grundlage der Resolution 2085 (2012) der Vereinten Nationen unter Berufung auf Kapitel VII der Charta der UN. Wenn wir diesem Mandat heute trotzdem nicht zustimmen, so wollen wir damit einer Kritik Ausdruck geben, die sich auf den grundsätzlichen Umgang mit solcherart Konflikten bezieht. Unsere Fraktion hatte gute Vorschläge zur zivilen Konfliktbearbeitung in Mali vorgelegt. Die Bundesregierung hat sie abgelehnt, abgewartet und will heute unsere Zustimmung zur Entsendung von Soldaten mit dem unvermeidbaren Gefahrenpotential für die Soldaten selbst, aber auch für weitere Eskalation des Konflikts. Dem stimmen wir, weil wir jeglichen Willen zum präventiven Handeln der Bundesregierung vermissen, nicht zu. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) zur namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Internationalen Unterstützungsmission in Mali unter afrikanischer Führung (AFISMA) auf Grundlage der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 5 b) Zu meinem Abstimmungsverhalten zum heutigen Tage erkläre ich Folgendes: Der Bundestag berät am Donnerstag, den 28. Februar 2013 abschließend über die Entsendung von Bundeswehrsoldaten nach Mali. Das Mandat umfasst zum einen die Unterstützung französischer Streitkräfte durch Lufttransport und Luftbetankung bei ihrer Unterstützungsoperation. Die Mandatsobergrenze beträgt 150 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten. Das Mandat ist auf zwölf Monate begrenzt. Die völkerrechtliche Grundlage ist durch eine Resolution des UN-Sicherheitsrats gegeben. Zum anderen umfasst das Mandat die Entsendung von circa 40 Pionierausbilderinnen und -ausbildern und eine etwa gleich große Zahl an Sanitätskräften. Die Mandatsobergrenze beträgt hier 180 Soldatinnen und Soldaten. Das Mandat soll im April 2013 beginnen und ist ebenfalls auf zwölf Monate begrenzt. Insgesamt werden von EU-Mitgliedstaaten circa 450 Ausbilder und Kräfte entsandt. Ziel der Mission soll es sein, die militärischen Fähigkeiten der malischen Armee zu verbessern und die malische Regierung bei der Stabilisierung des Landes zu unterstützen. Ich unterstütze die Position der SPD, die Bundesregierung aufzufordern, sich mit Nachdruck für eine politische Lösung des Konflikts einzusetzen. Auch der Einsatz für mehr humanitäre Hilfe und die Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit sind ebenfalls von besonderer Wichtigkeit. Ich sehe jedoch bestimmte Punkte an diesem Einsatz kritisch, die erst umfassend diskutiert werden müssten, bevor ich solch einem eventuell folgenschweren Einsatz zustimmen könnte. Diese möchte ich nachfolgend stichpunktartig auflisten: Ich halte es für gefährlich, wenn deutsche Soldatinnen und Soldaten erneut in Kriegseinsätze hineingezogen werden. Das Betanken der alliierten Flugzeuge ist bereits Teil des militärischen Eingreifens. Selbst der Deutsche Bundeswehr Verband hat die Sorge, dass die Bundeswehr "wieder einmal unüberlegt und verantwortungslos in einen Einsatz entsendet wird, der Teil einer nur lückenhaften politischen Konzeption ist". "Der Begriff ‚Ausbildung' verschleiert das, was auf die Bundeswehr auch in Mali zukommen kann, nämlich eine direkte Verwicklung in kriegerische Auseinandersetzungen", so der Deutsche Bundeswehrverband weiter. Die deutschen Soldatinnen und Soldaten sind nicht genügend für solche Einsätze ausgebildet und ausgerüstet. Es gibt kein klares Ziel und auch keine Exit-Strategie bei diesem Einsatz. Durch den militärischen Eingriff wird die Region destabilisiert. Das kann zu einer Eskalation führen. Es ist nicht transparent, welche ökonomischen und politischen Interessen die USA und auch die Bundesregierung bei diesem Einsatz verfolgen. Welche Rolle spielen zum Beispiel Rüstungsverkäufe und Bodenschätze? Die Informationspolitik der Bundesregierung war mangelhaft. Eine differenzierte Diskussion über diesen Einsatz gab es leider nicht. Wir müssen alles dafür tun, damit dieser Konflikt auf diplomatischem Weg gelöst wird. Insgesamt liegen mir viel zu wenige Informationen vor. Zudem gab es keine ausreichende Debatte über die Situation, sodass ich nicht guten Gewissens zu einer eindeutigen Entscheidung kommen kann. Ich werde mich deshalb bei der Entscheidung enthalten. Die notwendige Debatte und Diskussion muss dringend nachgeholt werden. Anlage 9 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes -(Zusatztagesordnungspunkt 6) Die Umsetzung der EU-Holzhandelsverordnung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Holzhandels-Sicherungs-Gesetzes ist notwendig und bringt einen Fortschritt für den internationalen Waldschutz. Als Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hatten wir dem Gesetz aus diesen Gründen nach einer kurzfristig vorzunehmenden Gesamtwertung des Gesetzes in der letzten Sitzungswoche zugestimmt. Allerdings hatte ich bereits in der letzten Sitzungs-woche darauf hingewiesen, dass wir es sehr kritisch sehen, dass die Koalition per Änderungsantrag die Strafbarkeit auf Fälle beschränkt hat, in denen große Vermögensvorteile erzielt wurden oder beharrliche Wiederholungen erfolgten. Wenn Vorsatz vorliegt, dann sollte der Import von illegalem Holz aus unserer Sicht auf jeden Fall strafbewehrt sein. Gerichte müssen auf jeden Fall die Schwere des Falles abwägen und werden in minderschweren Fällen allenfalls Geldstrafen verhängen. Den Befürchtungen der Waldbesitzer vor Strafe für den Fall, dass sie versehentlich einen falschen Baum oder einen Baum zu viel einschlagen, wäre ausreichend Rechnung getragen worden, wenn allein die Strafbarkeit der Fahrlässigkeit aus dem Gesetz gestrichen worden wäre, wobei zu bedenken ist, dass auch dies die Wirkung des Gesetzes deutlich abschwächt. Denn die Herausforderung bei der Strafverfolgung des illegalen Holzhandels wird sein, den Nachweis zu führen. Dieser Nachweis wird durch die zusätzliche Einschränkung auf schwere Fälle und auf Wiederholungsfälle erheblich erschwert. Wenn man jedoch selbst für den Fall des Vorsatzes mit Straffreiheit rechnen kann, dann wird die Wirkung des eingeführten Import- und Handelsverbots für illegales Holz in der Praxis stark -leiden. Nach erneuter Abwägung des Gesamtgesetzes mit der vorgenommenen Änderung im Vorfeld der heutigen -Abstimmung haben wir uns daher entschlossen, dem -Gesetz heute die Zustimmung zu verweigern und uns zu enthalten. Ansonsten entstünde der falsche Eindruck, wir würden diese erhebliche Einschränkung der Wirkung des Gesetzes billigen. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Rainer Erdel und Horst Meierhofer (beide FDP): - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Die Anträge der Opposition zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe halten wir hinsichtlich der Forderung einer Bereichsausnahme zur Trinkwasserversorgung für richtig. Die Wasserversorgung in Deutschland ist ausgezeichnet. Deshalb soll sie in kommunaler Hand bleiben, wenn die Kommunen dies wünschen. Die Wasserversorgung in Deutschland ist auf einem sehr hohen Niveau. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist unübertroffen. Das zeigen alle Studien. Die ursprünglich von der EU vorgesehene systemfremde Überregulierung hätte Qualitätskriterien eher behindert als geschaffen. Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seite mit ihm geführt worden sind, hat EU-Kommissar Barnier bei diesen Fragen jetzt sein Einlenken signalisiert. Dies ist zu begrüßen. Daher sind wir sicher, dass es bei den bald beginnenden Trilog-Verhandlungen zu einer endgültigen Lösung kommen wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltung der bewährten kommunalen Trinkwasserversorgung erfüllt wird. Auch zukünftig würde dann keine Kommune zur -Privatisierung der Wasserversorgung gezwungen. Noch vor kurzem sah die Richtlinie allerdings eine andere -Regelung vor. Sofern Stadtwerke im Verbund zu großen Teilen auch noch andere Versorgungsfunktionen übernommen hätten, hätten sich diese bei der Neuvergabe der Konzession auf ein bürokratisches, europäisches Ausschreibungsverfahren einlassen müssen. Zudem ließen die Vorgaben keinen Raum für die Besonderheiten der deutschen Wasserversorgung. Die Wasserversorgung ist Kernbestandteil der Daseinsvorsorge. Die Oppositionsanträge gehen über die Fragen zur Wasserversorgung allerdings hinaus. So wird von der SPD eine Rekommunalisierung in allen Bereichen angestrebt, von Grünen und Linken wird des Weiteren gefordert, die Dienstleistungsrichtlinie generell abzulehnen. Diese Forderungen halten wir für falsch. Transparente Verfahrensregeln können überall dort helfen, wo wett-bewerbliche Strukturen Preis- und Leistungsvorteile mit sich bringen. Wegen der besonderen Strukturen der -Wasserversorgung und der Einordnung als natürliches Monopol sehen wir diese Nutzen dort aber gerade nicht. Da wir die Forderungen der Oppositionsparteien nach einem Bereichsausschluss der Wasserversorgung für richtig halten, aber die darüber hinausgehenden Forderungen nicht teilen, werden wir uns zu den Anträgen enthalten. Anlage 11 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Max Stadler, Stephan Thomae und Marina Schuster (alle FDP): - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Die Anträge der Opposition zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe sind überflüssig. Die Wasserversorgung in Deutschland ist ausgezeichnet. Deshalb soll sie in kommunaler Hand bleiben, wenn die Kommunen dies wünschen. Dies ist durch die Konzessionsrichtlinie nicht infrage gestellt. Auch zukünftig wird keine Kommune zur Privatisierung der Wasserversorgung gezwungen. Wenn eine Kommune aus eigenem Antrieb privatisieren will, muss sie allerdings ausschreiben. Das führt zu mehr Transparenz und ist daher wünschenswert. Genau dies ist der Kerninhalt der Konzessionsrichtlinie. Allerdings gab es bis vor kurzem Detailprobleme. Es stellte sich die Frage, wie bei der interkommunalen -Zusammenarbeit vorzugehen ist. Ferner bestand die -Gefahr, dass Mehrsparten-Stadtwerke die Wasserversorgung in eine eigene Gesellschaft auslagern müssten, was zu unnötigen Bürokratiekosten geführt hätte. Dagegen habe ich mich stets gewandt. Nach mehreren Gesprächen, die auch von FDP-Seite mit ihm geführt worden sind, hat EU-Kommissar -Barnier bei diesen Fragen nunmehr die Position der Kommunen in vollem Umfang übernommen. Dieses Einlenken ist zu begrüßen. Daher sind wir sicher, dass es bei den bald beginnenden Trilog-Verhandlungen zu einer endgültigen Lösung kommen wird, mit der unser Interesse an der Beibehaltung der bewährten kommunalen Trinkwasserversorgung erfüllt wird. Der Anträge der Opposition bedarf es hierzu nicht; wir lehnen die Anträge daher ab. Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ingrid Fischbach, Cajus Caesar und Dr. Norbert Röttgen (alle CDU/CSU): - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen, Die Linke und SPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt: Wir sprechen uns ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus unserer Sicht evident. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfall-entsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen aus-geschrieben werden, in denen das kommunale Unter-nehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Norbert Barthle, Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen), Veronika Bellmann, Klaus Brähmig, Helmut Brandt, Heike Brehmer, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Dr. Maria Flachsbarth, Alexander Funk, Dr. Thomas Gebhart, Peter Götz, Reinhard Grindel, Michael Grosse-Brömer, Anette Hübinger, Andreas Jung (Konstanz), Hans-Werner Kammer, Steffen Kampeter, Bernhard Kaster, Volkmar Klein, Jens Koeppen, Rüdiger Kruse, Maria Michalk, Michaela Noll, Rita Pawelski, Ulrich Petzold, Sibylle Pfeiffer, Beatrix Philipp, Anita Schäfer (Saalstadt), Nadine Schön (St. Wendel), Karl Schiewerling, Patrick Schnieder, Bernhard Schulte-Drüggelte, Carola Stauche, Erika Steinbach, Volkmar Vogel (Kleinsaara) und Sabine Weiss (Wesel I) (alle CDU/CSU) - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt: Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und wir persönlich sprechen uns ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzes-sionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus unserer Sicht evident. Die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrspartenstadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfall-entsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen -ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU/CSU- Bundestagsfraktion. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden, Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung. Anlage 14 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Reinhard Brandl, Herbert Frankenhauser, Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof), Michael Frieser, Florian Hahn. Gerda Hasselfeldt, Karl Holmeier, Alois Karl, Hartmut Koschyk, Ulrich Lange, Paul Lehrieder, Stephan Mayer (Altötting), Stefan Müller (Erlangen), Franz Obermeier, Eduard Oswald, Albert Rupprecht (Weiden), Dr. Andreas Scheuer, Johannes Singhammer, Stephan Stracke, Dr. Hans-Peter Uhl, Dagmar G. Wöhrl und Wolfgang Zöller (alle CDU/CSU) - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD können wir in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Unsere Position in der Sache erklären wir wie folgt: Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und wir persönlich sprechen uns ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus unserer Sicht evident. Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung von einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallenzulassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen -Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen -ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU--Landesgruppe. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung. Anlage 15 Erklärungen nach § 31 GO - zu den namentlichen Abstimmungen: - Antrag: Keine Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür - Antrag zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Wasser ist Menschenrecht - Privatisierung verhindern - zu der Abstimmung: zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (KOM(2011) 897 endg.; Ratsdok. 18960/11) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Kommunale Versorgungsunternehmen stärken - Formale Ausschreibungspflicht bei Dienstleistungskonzessionen insbesondere für den Bereich Wasser ablehnen (Tagesordnungspunkte 9 a und 9 b, Zusatztagesordnungspunkt 7) Gitta Connemann (CDU/CSU): Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Ich persönlich spreche mich ausdrücklich gegen eine Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident. Teile der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und ich haben sich deshalb auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallenzulassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen -Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen -ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Damit sind aus meiner Sicht die Anträge obsolet. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der Bundeskanzlern. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Ich zähle auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der -interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Zu den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen erkläre ich Folgendes: Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und ich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus . Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident. Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfallentsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Pro-zent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU-Landesgruppe. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung. Ingbert Liebing (CDU/CSU): Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bünd-nis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Ich spreche mich persönlich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident. Die CDU im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Ab-fallentsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasser-versorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen ausgeschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CDU im Deutschen Bundestag. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Wir zählen auf Barniers Wort, dass die Besonderheiten der interkommunalen Zusammenarbeit in Deutschland berücksichtigt werden. Jetzt steht die Bundesregierung in den anstehenden Trilog-Verhandlungen in besonderer Verantwortung. Daniela Ludwig (CDU/CSU): Zu den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD erkläre ich Folgendes: Ich spreche mich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Wasser ist das Lebensmittel Nummer eins. In Deutschland bestehen höchste Maßstäbe an die Sauberkeit und Sicherheit unseres Trinkwassers, die wir auf keinen Fall gefährden dürfen. Niemand anders kann die Gewährleistung dieser Maßstäbe besser garantieren als die Wasserversorgung in öffentlicher Hand. Diese bewährte öffentliche Wasserversorgung in Deutschland muss uneingeschränkt bestehen bleiben und gegen faktische Privatisierungs- und Liberalisierungsvorhaben geschützt werden. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident. Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat sich daher auch gegenüber der Bundesregierung wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Zwischenzeitlich hat EU-Kommissar Barnier eine grundlegende Überarbeitung des bisherigen Entwurfs der Konzessionsrichtlinie zur Wasserversorgung angekündigt. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung in vollem Umfang zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht -zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasser-versorgung darf nicht gefährdet werden. Der Barnier-Vorschlag ist daher nach wie vor ungenügend. An einer vollständigen Herausnahme der Wasserversorgung aus dem Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie führt meines Erachtens kein Weg vorbei. Dr. Gerd Müller (CDU/CSU): Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bünd-nis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Ich persönlich spreche mich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Als Abgeordneter spreche ich mich entschieden gegen eine Einschränkung der Handlungsspielräume der Kommunen aus. Eine Liberalisierung der Wasserversorgung in Deutschland würde bewährte gewachsene Strukturen zerstören. Dies ist im Interesse der Bürger in Deutschland nicht akzeptabel. Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Den heute zur Beratung vorliegenden Anträgen der Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD kann ich in der vorliegenden Form nicht zustimmen, wenngleich ich die inhaltliche Grundausrichtung teile. Meine Position in der Sache erkläre ich wie folgt: Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag und ich persönlich sprechen sich ausdrücklich gegen jegliche Privatisierungs- oder Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung aus. Dienstleistungskonzessionen berühren viele Leistungen der Daseinsvorsorge. Schon heute ist die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen kein rechtsfreier Raum. Die europäischen Regeln sehen vor, dass die Konzessionsvergaben unter Einhaltung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und der Transparenz zu erfolgen haben. Das stellt auch der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 10. März 2011 klar. Die im ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie vorgeschlagene europaweite Ausschreibungsverpflichtung würde nicht nur zu einer erheblichen Einschränkung der Handlungsspielräume der kommunalen Selbstverwaltung führen, sondern auch de facto zu einer Liberalisierung insbesondere der Wasserversorgung in Deutschland durch die Hintertür. Damit würden bewährte, gewachsene Strukturen zerstört werden. Dies ist im Interesse der Menschen in Deutschland nicht akzeptabel. Die EU-Kommission hat ihre Kompetenzen mit der Vorlage dieses Richtlinienvorschlags klar überschritten. Ein Verstoß gegen das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in Art. 5 Abs. 3 verankerte Subsidiaritätsprinzip ist aus meiner Sicht evident. Die CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag hat sich daher wiederholt dafür eingesetzt, bei den Verhandlungen auf EU-Ebene dem Vorschlag der EU-Kommission für eine Konzessionsrichtlinie keine Abstimmungsmehrheit zu verschaffen oder zumindest darauf hinzuwirken, dass der sensible Bereich der Wasserversorgung aus einer solchen Regelung ausgenommen bleibt. Der massive Druck auf die EU-Kommission, die geplante Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung fallen zu lassen, hat nun endlich Wirkung gezeigt. EU-Kommissar Barnier hat in der vergangenen Woche eine grundlegende Überarbeitung der bisherigen Kommissionspläne zur Wasserversorgung angekündigt. In der Sitzung des Binnenmarktausschusses des Europäischen Parlaments am 21. Februar 2013 hat der Kommissar erklärt, dass bei der Entscheidung über die Ausschreibungspflicht bei einem Mehrsparten-Stadtwerk die Wasserversorgung zukünftig getrennt von anderen Sparten - zum Beispiel der Stromversorgung oder der Abfall-entsorgung - betrachtet werden kann. Die Wasserversorgung müsste dann nur noch in solchen Fällen aus-geschrieben werden, in denen das kommunale Unternehmen weniger als 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Dieses Einlenken der Kommission ist nicht zuletzt Ergebnis der beharrlichen Bemühungen der CSU-Landesgruppe. Nach wie vor gilt aber, dass eine europaweite Ausschreibungspflicht bei der öffentlichen Wasserversorgung zu verhindern ist. Bewährte Versorgungsstrukturen in Deutschland dürfen nicht zerschlagen und die erstklassige Qualität der Wasserversorgung darf nicht gefährdet werden. Der neue Vorschlag von Kommissar Barnier ist ein Schritt in die richtige Richtung, auf dem in den weiteren Verhandlungen in Brüssel aufgebaut werden muss. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Konzessionsrichtlinie, der eine EU-weite Ausschreibungspflicht für die öffentliche Wasserversorgung vorsieht, stößt zu Recht auf breiten Widerstand. Das Trinkwasser ist unser wertvollstes Lebensmittel. Die Trinkwasserversorgung ist nach meiner Überzeugung nirgendwo so gut aufgehoben wie bei unseren Städten und Gemeinden. Sie bürgen für höchste Qualität und bezahlbare Preise. Im EU-Binnenmarktausschuss des Europäischen Parlaments konnte bislang erreicht werden, dass kommunale Zweckverbände und kommunale Eigenbetriebe von der Ausschreibungspflicht der Trinkwasserversorgung ausgenommen werden und Stadtwerke die Möglichkeit erhalten, durch Abspaltung der Wassersparte eine europaweite Ausschreibungspflicht zu vermeiden. Der zuständige Kommissar Michel Barnier hat zwischenzeitlich ein weiteres Entgegenkommen in Aussicht gestellt, das eine Abspaltung der Wassersparte in Stadtwerken entbehrlich machen kann. Danach kann bei Stadtwerken die Wasserversorgung getrennt von anderen Sparten -betrachtet werden, wenn das kommunale Versorgungsunternehmen mindestens 80 Prozent seiner Wasserdienstleistungen für die Gebietskörperschaft erbringt. Jede Kommune muss es weiterhin in der Hand haben, die Trinkwasserversorgung auch künftig selbst zu erbringen. Der beste Weg dahin ist es, die kommunale Wasserversorgung ganz vom Anwendungsbereich der Konzessionsrichtlinie auszunehmen. Die Bundesregierung bleibt aufgefordert, in den Verhandlungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken. Anlage 16 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Michael Paul (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II (Tagesordnungspunkt 8) Zur Abstimmung des unter Tagesordnungspunkt 8 der heutigen Plenardebatte aufgerufenen Gesetzes zur Beschleunigung der Rückholung radioaktiver Abfälle und der Stilllegung der Schachtanlage Asse II in der Fassung der Drucksache 17/11822 erkläre ich: Im ehemaligen Salzbergwerk Asse lagern seit den 1970er-Jahren circa 126 000 Fässer und andere Gebinde mit radioaktiven Abfällen. Mit dem überfraktionell von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Gesetz, über das heute, am 28. Februar 2013, im Deutschen Bundestag in zweiter und dritter Lesung abgestimmt wird, soll ein rechtlicher Rahmen dafür gesetzt werden, dass diese Abfälle schneller als nach geltendem Recht aus dem Bergwerk wieder herausgeholt werden können. Wie auch die Sachverständigenanhörung im Umweltausschuss am 20. Februar 2013 ergeben hat, wird die Rückholung frühestens 2024 beginnen können, da ein zusätzlicher Schacht errichtet werden muss. Unter optimalen Bedingungen dauert die Rückholung mindestens 25 Jahre, sodass sie frühestens 2049 abgeschlossen sein kann. Zugleich machte die Anhörung deutlich, dass im Bergwerk Asse erhebliche Probleme bestehen, die sogenannte "Gebrauchstauglichkeit" des Bergwerks, also letztlich seine Stabilität, aufrechtzuerhalten. Für die Zukunft droht, dass die Grube durch unkontrollierten Wassereinbruch "absäuft". Diese Gefahr wird größer, je mehr Zeit vergeht. Deshalb müssen schon heute Vorsorge- und Notfallmaßnahmen vorbereitet werden, um die Grube zu stabilisieren und im Fall eines unmittelbar bevorstehenden Einsturzes noch handlungsfähig zu sein. Zum Beispiel müssen Hohlräume wie Stollen und Schächte verfüllt werden, damit die Grube länger gebrauchstauglich ist. Solche Maßnahmen können zu der Absicht im Zielkonflikt stehen, zügig alle Abfälle aus dem Bergwerk zu holen. Deshalb ist aus meiner Sicht notwendig, trotz des Ziels der Rückholung in das Gesetz die Klarstellung aufzunehmen, dass Vorsorgemaßnahmen und Vorbereitungen von Notfallmaßnahmen vorrangig durchzuführen sind. Erstens, um langwierige Diskussionen über die Auslegung des Gesetzes zu vermeiden, also letztlich um zu beschleunigen. Und zweitens, um den handelnden Personen vor Ort eine sichere Entscheidungsgrundlage zu geben. In den Verhandlungen mit den anderen Fraktionen konnte mein Vorschlag nicht durchgesetzt werden. Teile der Opposition weigerten sich, diese Ergänzung aufzunehmen. Meine Fraktion hat - gegen meine Stimme - entschieden, den Gesetzentwurf ohne die Ergänzung zu beschließen. Damit droht aus meiner Sicht die dringende Gefahr, dass für die Sicherheit des Bergwerks notwendige Maßnahmen unterlassen oder verzögert werden. Das könnte im schlimmsten Fall bedeuten, dass im Falle eines unkontrollierten Wasserzutritts die radioaktiven Abfälle nicht mehr beherrschbar, eine Gefahr für Mensch und Umwelt nicht auszuschließen und der Schutz von Leben und Gesundheit der dort Beschäftigten nicht mehr gewährleistet wäre. Da ich dies nicht verantworten kann, stimme ich dem Gesetzentwurf - anders als meine Fraktion - nicht zu. Anlage 17 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Gisela Piltz, Christine Aschenberg-Dugnus, Florian Bernschneider, Sebastian Blumenthal, Nicole Bracht-Bendt, Ernst Burgbacher, Marco Buschmann, Bijan Djir-Sarai, Rainer Erdel, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, Manuel Höferlin, Michael Kauch, Sebastian Körber, Sibylle Laurischk, Oliver Luksic, Horst -Meinerhofer, Patrick Meinhardt, Petra Müller, Burkhard Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Jörg von Polheim, Dr. Birgit Reinemund, Dr. Peter Röhlinger, Björn Sänger, Christoph Schnurr, Jimmy Schulz, Marina Schuster, Dr. Hermann-Otto Solms, Joachim Spatz, Manfred -Todtenhausen, Serkan Tören, Johannes Vogel (Lüdenscheid), Dr. Claudia Winterstein (alle FDP) zur Ab-stimmung über die Beschlussempfehlung zu dem Antrag: Keine Vorratsdatenspeicherung von Fluggastdaten - Richtlinienvorschlag über die Verwendung von Fluggastdatensätzen (KOM(2011) 32 endg.; Ratsdok. 6007/11) - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Art. 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 EUZBBG (Tagesordnungspunkt 35) Wir lehnen den Aufbau eines europäischen Systems zur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten mit aller Entschiedenheit ab. Die staatlich veranlasste anlasslose Speicherung von Daten auf Vorrat ist für uns nicht nur im Bereich der Telekommunikation, sondern auch im Passagierverkehr nicht akzeptabel. Daher haben wir die Vorratsdatenspeicherung im Bereich der Telekommunikation abgelehnt und auch die Abkommen der EU mit anderen Staaten zur Übermittlung von Fluggastdaten stets kritisch begleitet. Auch wenn die Datenschutzstandards gegenüber dem ersten Abkommen mit den USA spürbar gestiegen sind, sind wir der festen Überzeugung, dass die weitreichenden Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht im Verhältnis zu dem angestrebten Nutzen der Datensammlung stehen und mithin nicht gerechtfertigt sind. Dies ist nicht nur unsere Position, sondern auch die Position der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag. Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich bereits gegen das erste Abkommen der EU mit den USA, das unter rot-grüner Regierungszeit geschlossen wurde und über keine nennenswerten Datenschutzvorkehrungen verfügte, gewandt - Drucksache 15/3120. Der Richtlinienvorschlag der Kommission über die Verwendung von Fluggastdatensätzen - KOM(2011) 32 - sieht sich großer Kritik ausgesetzt. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die darin vorgeschlagenen Regelungen mit dem europäischen Grundrecht auf Datenschutz - Art. 8 Grundrechtecharta - vereinbar sind. Eine deutsche Umsetzung der Richtlinie müsste sich an den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung messen lassen. Insbesondere im Hinblick auf die in der Richtlinie geforderte zentrale Speicherung der Daten in den Mitgliedstaaten, die lange Speicherdauer von insgesamt fünf Jahren und den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Ausnahmecharakter einer Vorratsdatenspeicherung bestehen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Wir müssen jedoch leider erkennen, dass in der Europäischen Union sowohl in der Kommission als auch im Rat mehrheitlich eine Vorratsdatenspeicherung von Flug-gastdaten begrüßt wird. Wir begrüßen, dass sich die Bundesjustizministerin gegen den Richtlinienvorschlag der Kommission gewandt hat und dass auch der Bundesrat einen kritischen Beschluss gefasst hat. Wir erinnern daran, dass die FDP in der Koalitionsvereinbarung eingebracht hat, dass im Falle eines solchen Vorschlags eine Ausweitung auf innereuropäische Flüge abgelehnt wird, und wir begrüßen, dass der Bundesinnenminister dem auf europäischer Ebene bereits gefolgt ist. Den Bundesinnenminister fordern wir auf, bei den Verhandlungen über den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission im Rat auf eine breite Ablehnung des Richtlinienvorschlags hinzuwirken und, für den Fall, dass eine mehrheitliche Ablehnung nicht erreichbar ist, sich für höchste Datenschutzstandards, besonders im Hinblick auf die Speicherdauer, die zentrale Datenspeicherung, die Zugriffsmöglichkeiten auf die Fluggastdaten sowie die Beschränkung auf den Luftverkehr, einzusetzen. Da es in der Koalition keine wechselnden Mehrheiten geben soll, können wir dem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen am heutigen Tage nicht zustimmen. Anlage 18 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz - StAblG) (Tagesordnungspunkt 7) Dr. Maria Flachsbarth (CDU/CSU): Es geht um Kompensation - nicht um Subvention. Wir sprechen hier nicht über Geschenke oder über eine "Bevorzugung der Kirchen", wie Sie es formulieren, sondern es geht um Entschädigungen: um einen finanziellen Ausgleich für die Enteignungen von Kirchengütern durch den Staat im Rahmen der Säkularisation, die teils während der Reformation, vor allem aber infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 erfolgt sind. In diesem Zusammenhang über Gleichbehandlung der Religionen zu sprechen, die Sie hier vermeintlich gefährdet sehen, ist einfach historisch falsch, weil eben nur die beiden großen christlichen Kirchen betroffen waren. Außerdem weise ich in aller Deutlichkeit Ihre Behauptung zurück, dass mit den Staatsleistungen gegen die Trennung von Staat und Kirche verstoßen würde: Wir leben in einem säkularen Staat, unsere Verfassung sieht aus gutem Grund vor, dass Staat und Kirche getrennt sind. Doch zugleich ist richtig, dass das deutsche Staatsmodell nicht laizistisch ist, sondern vielmehr ein Verhältnis der "wohlwollenden Neutralität" ist, wie es der ehemalige Bundesverfassungsrichter Udo di Fabio formuliert. Der weltanschaulich-neutrale Staat muss den Religionsgemeinschaften gegenüber nicht indifferent sein; die Kooperation in bestimmten Bereichen ist durch das Grundgesetz dezidiert erwünscht. Davon sind auch -finanzielle "Belange" nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wie es beispielsweise beim Religionsunterricht der Fall ist. Dafür gibt es staatliche Zuschüsse. Ich erinnere aber auch daran, dass eben auch der Humanistische Verband für die Erteilung des Lebenskundeunterrichts beispielsweise in Brandenburg staatliche Zuschüsse für -Personal- und Sachkosten erhält. Vielleicht ist es aber vielfach nicht bekannt, dass der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg im vorigen Jahr seine Finanzierungsvereinbarung mit dem Land Berlin aus dem Jahr 2002 gekündigt hat, weil diese vorsahen, dass das Land Berlin "nur" 90 Prozent der Personalkosten für diesen Unterricht übernimmt. Im Übrigen ist es wichtiger Bestandteil der Religionsfreiheit, dass der Staat Rahmenbedingungen gewährleistet, innerhalb derer seine Bürgerinnen und Bürger ihre Religion auch ausüben können. Gegen die weltanschauliche Neutralität würde der Staat umgekehrt genau dann verstoßen, wenn er sich einseitig auf die Seite jener schlagen würde, welche die Religionen aus dem öffentlichen Bereich herausnehmen wollen. Das wäre nämlich eine einseitige Bevorzugung der atheistischen Welt-anschauung. Dies widerspräche im Übrigen auch den -Interessen der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, die sich zu einer Religionsgemeinschaft bekennen. Darüber hinaus erinnere ich auch Sie daran, dass jene Subventionen, die Sie in ihrem Entwurf zwar aktuell nicht regeln wollen, aber doch als "sogenannte Privilegierung" der Kirchen bezeichnen, selbstverständlich verfassungskonform sind: Die Kirchen erhalten bei den Leistungen, die sie im Rahmen der Subsidiarität für den Staat erledigen, Zuschüsse, wie jeder andere Träger auch, wenn er dieselben Leistungen bereithält, beispielsweise bei Kindergärten oder Krankenhäusern. Lassen Sie mich aber zurückkommen auf die Staatsleistungen im engeren Sinne, die auf den Enteignungen der Säkularisation beruhen. Anders als Sie stehen wir Christdemokraten ausdrücklich zu unseren historischen Verpflichtungen in Rechtsnachfolge der Staaten auf deutschem Boden genauso wie zu den völkerrechtlichen Verpflichtungen aus dem Konkordat mit dem Heiligen Stuhl, das ausdrücklich vorsieht, dass die Grundsätze für eine Ablösung der "auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholische Kirche" rechtzeitig im freundschaftlichen Einvernehmen mit dem Heiligen Stuhl herbeizuführen sind. Gesprächen, die eine solche Ablösung im freundschaftlichen Einvernehmen intendieren würden, würden wir uns nicht entziehen - nur ist mir nicht bekannt, dass insbesondere die Länder mit einer Bitte nach einem Grundsätzegesetz für die Ablösung an den Bund herangetreten wären. Eher umgekehrt werte ich das Vorgehen der Länder, die den Spielraum, den die geltende Rechtslage ihnen bietet, ja aktiv nutzen, gerade als Signal, dass sie mit den geltenden Regelungen einverstanden sind: Sie wissen, dass beispielsweise Bayern erst jüngst Änderungen bei der Besoldung der Bischöfe und Geistlichen auf Landesebene vorgenommen oder auch Hessen Kirchenbaulasten abgelöst hat. Ich meine auch, dass Föderalismus falsch verstanden wäre, wenn der Bundesgesetzgeber nun per Gesetz den Ländern fixe Zahlungen vorschreiben und möglicherweise den Spielraum nehmen würde, die Landesgesetzgebung, die dann die Ablösung gegenüber den jeweiligen Diözesen oder Landeskirchen regeln müsste, den örtlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten anzupassen. Deshalb sage ich Ihnen: Mit der Union wird es eine einseitige Ablösung ohne solide Rechnungsbasis, ohne Einbeziehung der Länder und der Kirchen, die damit in Wahrheit ein zweites Mal enteignet würden, nicht geben. Wenn es eine Ablösung gibt, müsste sie in dem Sinne erfolgen, wie die Staatsleistungen gedacht sind: Als faire Entschädigung für enteignete Kirchengüter, die ja die wirtschaftliche Grundlage der Kirchen gesichert haben, aus denen sie also ihren Unterhalt bestreiten können. Ich erinnere gern daran, dass der Staat ein genuines Interesse hat, dass die Kirchen finanziell so stabil sind, ihre Angebote - für übrigens alle Menschen in unserer Gesellschaft, und nicht nur für Kirchenmitglieder - aufrechterhalten zu können, denn der Staat könnte ihre vielfältigen professionellen, vor allem aber ehrenamtlichen Angebote kaum schultern. Wir brauchen dazu starke Kirchen und Religionsgemeinschaften, mit entsprechender personeller und materieller Ausstattung, deren Werte wesentliche Motivation sind für das ehrenamtliche Engagement, das sehr viele Menschen in unserem Land leisten, das unsere Gesellschaft erst lebenswert macht. Die christliche Nächstenliebe und Barmherzigkeit sind dafür ganz sicher nicht die einzige, aber eine starke Quelle. So möchte ich quasi den Spieß unserer heutigen Debatte umdrehen und zum Ende meiner Rede den Kirchen ausdrücklich für diesen Dienst an unserer Gesellschaft danken. Norbert Geis (CDU/CSU): Wir leben in einem säkularisierten Verfassungsstaat, und niemand von uns möchte in einem anderen Staat leben. Es war, wie wir aus der Geschichte wissen, ein langer Weg dorthin. Zwar gab es schon sehr früh nach dem Investiturstreit (1067/1122) die Trennung von Staat und Kirche, aber erst in der Zeit der Aufklärung kam es auch zur Trennung von Staat und Religion. In erster Linie war dies eine Folge der Religionskriege. Der Staat musste Neutralität bewahren, um den Frieden zu sichern. Dem Verfassungsstaat ist es verwehrt, in der Auseinandersetzung um die letzte Wahrheit Partei zu ergreifen. Nur so kann er "Heimstatt" aller Bürger werden, wie das Verfassungsgericht in einem sehr frühen Urteil ausgeführt hat. Das heißt aber nicht, dass der Staat die Religion als geistige Kraft des gesellschaftlichen Lebens ignorieren muss. Religiöse Neutralität bedeutet nicht eine sture Trennung von Staat und Religion, wie es die laizistische Ideologie fordert. Das Christentum hat unsere deutsche Geschichte und die Geschichte des europäischen Kontinents nachhaltig geprägt. Das kann niemand leugnen. Wir können nicht einfach aus unserer zweitausend-jährigen Geschichte des Abendlandes aussteigen. Die christliche Religion bleibt eine wichtige Voraussetzung unseres freiheitlichen Gemeinwesens. Auf diesen vom Christentum gelegten kulturellen und ethischen Grundlagen ruht der Staat. Unter diesem Blickwinkel sind die Staatsleistungen, die Weimar von dem vorkonstitutionellen Staat übernommen und die auch in der Bonner Verfassung ihren Niederschlag gefunden haben, zu sehen. Mit den Staatsleistungen decken die Kirchen einen großen Teil ihres Aufwandes. Sie sind auf diese Leistungen angewiesen. Diese Leistungen sind keine Subventionen, sondern Ersatz dafür, dass der Staat sich in der Säkularisation die Kirchengüter angeeignet und damit den Kirchen die Existenzgrundlage entzogen hat. Die laizistische Forderung, dass für die beiden großen christlichen Kirchen keine staatlichen Mittel aufgewendet werden sollen, hat sich weder in der Weimarer Nationalversammlung noch in der Bonner Republik durchgesetzt. Sowohl Weimar als auch Bonn und jetzt Berlin wollen nicht die gewaltsame Trennung, sondern wollen die Kooperation zwischen Staat und Kirche. Darin sind sich die großen Parteien einig. Dieses kooperative Verhältnis zwischen Staat und Kirche war wohl ein Grund dafür, dass die Staatsleistungen bis heute noch nicht abgelöst wurden. Das heißt aber nicht, dass dieser Verfassungsauftrag inzwischen erloschen ist. Die Kirchen können sich nicht darauf berufen, dass diese Staatsleistungen jetzt schon so lange gezahlt werden. Es gibt in dieser Frage kein Gewohnheitsrecht. Die Ablösung ist nach wie vor möglich. Allerdings muss der Staat bei einer eventuellen Ablösung wissen, dass er durch die Staatsleistungen die Autonomie der Kirchen zu gewährleisten hat. Die Staatsleistungen bewirken, dass die Kirchen nicht als Bittsteller vom Staat abhängig werden, sondern dass sie selbstständig und frei von weltlichen Zwängen ihren Auftrag erfüllen können. Die Aufforderung des Papstes zur Entweltlichung hat viele Aspekte. Sie hat vor allem aber auch den Aspekt, dass es keine Abhängigkeit der Kirche vom Staat geben darf. Die Staatsleistungen dienen der Unabhängigkeit der Kirchen von der Welt. Voraussetzung für die Ablösung der Staatsleistungen ist deshalb, dass die Kirchen auch künftig im gleichen Maße wie bisher ihren Aufwand finanzieren können. Eine solche Ablösung hat in der Atmosphäre der Freundschaft zu erfolgen. Dazu sind Verhandlungen notwendig mit dem Ziel, eine einvernehmliche Regelung zu finden. Der vorliegende Entwurf entspricht diesen Voraussetzungen nicht, sondern er stellt ein einseitiges Diktat dar. Dies widerspricht dem Grundsatz der Kooperation zwischen Staat und Kirche. Wir werden deshalb den Entwurf ablehnen. Beatrix Philipp (CDU/CSU): Es sieht so aus, als ob die Linke beabsichtigt, einen Beitrag zur Aufarbeitung von Geschichte zu leisten in einem für sie ungewohnten Bereich. Sie legt heute ein Gesetz über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften vor und bezieht sich darin auf einen Verfassungsauftrag von 1919, der wiederum sich auf "Vorgänge" von 1803 bezieht. Dass dieser vorgelegte Entwurf aber kein Beitrag zur Aufarbeitung ist, stellen wir fest, wenn wir uns vor Augen führen, um was es tatsächlich geht. Bund, Länder und Kommunen leisten finanzielle Unterstützung an die Kirchen in verschiedenster Form. Eine Besonderheit der Unterstützungsleistung stellen die sogenannten Staatsleistungen dar, und um die geht es heute. Staatsleistungen haben ihren historischen Ursprung in der Zeit der Säkularisierung, geregelt im Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803. Im Rahmen dieser Säkularisierung wurden zahlreiche kirchliche Güter enteignet; insofern versteht die Linke etwas davon. Diese Güter sind meistenteils noch heute in staatlichem Eigentum; "meistenteils" daher, weil es in den vergangenen Jahren immer wieder einmal auf Landesebene Verhandlungen mit dem Abschluss von Ablösevereinbarungen gegeben hat. 1803 übernahmen die damaligen Landesherren die Verpflichtung, im Gegenzug die Besoldung und Versorgung der Pfarrer sicherzustellen. Es handelte sich also ursprünglich um eine Art Pachtersatzleistung. Staatsleistungen stellen auch heute noch keine Förderung der Kirchen durch den Staat dar. Vielmehr handelt es sich immer noch um die Wiedergutmachung für erlittene Rechtsverluste infolge der säkularisationsbedingten Vermögensverluste der Kirchen. Wie bereits angedeutet, sind diese Staatsleistungen durch Art. 140 Grundgesetz mit dem dadurch geltenden Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung verfassungsrechtlich verbürgt. Gleichzeitig gibt es einen Auflösungsauftrag für die vor dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 begründeten Staatsleistungen. Danach sollen die regelmäßigen Zahlungen gegen eine angemessene Entschädigung aufgehoben werden. Ich zitiere Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung: Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. In Art. 18 Satz 3 des Staatskirchenvertrags vom 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich, dem sogenannten Reichskonkordat, heißt es ausdrücklich: Die Ablösung muss den Ablösungsberechtigten einen angemessenen Ausgleich für den Wegfall der bisherigen staatlichen Leistungen gewähren. Unbestritten ist also, dass es einen Auftrag gibt. Aber der Teufel steckt im Detail. Was ist "angemessen"? Wer kann "angemessen" definieren? Seit Jahren wird diese Problematik immer wieder thematisiert. Dabei verschließen sich die Vertreter der Kirchen auch nicht möglichen Lösungsvorschlägen. Doch wie könnten diese Lösungsvorschläge aussehen? Die Linken rechnen in ihrem Antrag hin und her, um die Wertigkeit der abschließenden Staatsleistungen auf das 10-Fache des zeitlichen Jahreswertes zu beziffern. Dies scheint mir aus der Luft gegriffen. Andere Meinungen gehen von einem 25-Fachen des zeitlichen Jahreswertes aus. Wieder andere halten es für angemessen, die Zahlungen komplett einzustellen, da in den vergangenen Jahren umfangreiche Zahlungen bereits erfolgt seien. Zurzeit belaufen sich die jährlichen Zahlungen auf circa 460 Millionen Euro. Das bedeutet, das Spektrum der im Zweifelsfall erforderlichen Mittel reicht von 0 über 4,6 Milliarden bis hin zu 115 Milliarden Euro. Als besonderes Schmankerl: Wir bestellten hier die Musik, und die Länder müssten zahlen. Die Freude dort wäre übergroß, wie sich denken lässt. Ich bin zwar keine Verfassungsrechtlerin, aber Ihre Forderungen lassen doch erheblich an der Verfassungsmäßigkeit des vorgestellten Gesetzestextes zweifeln. Darauf geht aber sicher Herr Geis noch besonders ein. Ein weiterer Aspekt: Zur Ablösung dieser Staatsleistungen ist ein Grundsätzegesetz erforderlich; das heißt, ein Gesetz, das die Grundsätze zwischen den Religionsgemeinschaften und den Ländern neu regelt. Dabei soll seitens des Bundes ein Rahmen für die Ablösung vorgegeben werden, den die Länder ausfüllen. Die Linken hingegen machen in ihrem Entwurf den Ländern bereits konkrete Vorgaben. Welcher Spielraum bei der Ausgestaltung verbliebe den Ländern dann noch? Denn von einer verbleibenden Regelungsautonomie der Länder kann bei den Vorgaben in diesem Gesetzentwurf nicht mehr die Rede sein. Gerade im Hinblick auf die unterschiedlichen Entwicklungen im Verhältnis Länder und Religionsgemeinschaft in den zurückliegenden Jahren - sogar Jahrhunderten - ist es wichtig, dass den Ländern entsprechende Gestaltungsspielräume für eine eventuelle Ablösung überlassen werden. Auch bleibt anzumerken: Unabhängig von der Verpflichtung aus Art. 138 Weimarer Reichsverfassung haben bereits zahlreiche Bundesländer vertragliche Regelungen gegenüber den Religionsgemeinschaften für eine Ablösung der Staatsleistungen getroffen. So hat zum Beispiel Bayern ehemals kirchliche Liegenschaften wie Kirchen und andere kirchliche Gebäude bereits an die Kirche zurückübereignet, was zur Folge hatte, dass staatliche Unterhaltsleistungen weggefallen sind. Gleichzeitig hat Bayern mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Bezüge der Erzbischöfe, Bischöfe und Mitglieder der Domkapitel sowie über die Zuschüsse zum Personalaufwand des Landeskirchenrates Ende 2012 die Leistungen an Geistliche beider Konfessionen neu geregelt. Ein Eingreifen des Bundes, wie Sie es wollen, würde die Länder vor erhebliche finanzielle Probleme stellen. Wir wollen den Ländern im Hinblick auf ihre spezifische Situation bzw. Interessenslagen und ihre finanziellen Gestaltungsspielräume nicht vorschreiben, ob und bis wann sie die Staatsleistungen ablösen, sondern verweisen gerne auf Bayern und die dort gefundenen Lösungen. Und noch einmal: Wie Sie auf den 10-fachen Jahresbeitrag kommen, bleibt Ihr Geheimnis. Jedenfalls entbehrt es jeder Seriosität, etwa einer Berechnung anhand nachvollziehbarer Kriterien, mal so einfach den 10-fachen Jahresbeitrag zu fordern. Sie nennen dies zwar Kompromisslösung zwischen Allgemeininteresse in Bezug auf eine Schonung des Haushaltes und den Vermögenswahrungsinteressen der betroffenen Kirchen. Aber auch das trifft nicht den Kern. Ich verweise auf Art. 18 Satz 1 des Reichskonkordates. Dort heißt es: Falls die auf Gesetz. Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die katholische Kirche abgelöst werden sollten, wird vor der Ausarbeitung der für die Ablösung aufzustellenden Grundsätze rechtzeitig zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Reich ein freundschaftliches Einvernehmen herbeigeführt werden. Zitat Ende. So pfleglich ging man damals jedenfalls miteinander um. Ihr 10-facher Jahresbeitrag, auf den Sie sich wohl untereinander geeinigt haben, scheint mir weit weg von einem "freundschaftlichen Einvernehmen" zu sein. Schließlich widerspreche ich mit Nachdruck, wenn es im vorliegenden Gesetzentwurf heißt, dass die gewährten Staatsleistungen zu einer Bevorzugung der Kirchen gegenüber anderen Bekenntnisgemeinden führten. Ich erinnere an dieser Stelle nur daran, dass wir im März vergangenen Jahres das Gesetz zum Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Zentralrat der Juden in Deutschland gelesen und verabschiedet haben. Kaum jemand - außer Ihnen - empfindet das als "Bevorzugung". Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erkennt das Prinzip der Trennung von Staat und Kirche an. Eine Veränderung der rechtlichen Stellung der Kirchen hätte weitreichende verfassungsrechtliche Auswirkungen. Und deshalb bleibt nur noch festzustellen, dass der Gesetzentwurf nicht im Ansatz hält, was der Titel verspricht. Der Überweisung in den Innenausschuss stimmen wir zu. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie meistens, wenn wir uns hier im Hohen Haus mit dem Verhältnis von Kirche und Staat beschäftigen, wird es historisch. Der Anlass unserer heutigen Debatte ist der Ablösungsauftrag für die sogenannten Staatsleistungen, der bereits seit 1919 in der Verfassung steht. Die Linksfraktion hat dazu den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht, der aus unserer Sicht - das sage ich gleich vorweg - reichlich unausgegoren ist, denn der Teufel, falls diese Bemerkung erlaubt ist, steckt wie so oft im Detail. Im Gesetzentwurf wird die Notwendigkeit einer Ablösung damit begründet, dass dadurch eine stärkere Entflechtung des Staat-Kirche-Verhältnisses vorangetrieben werde. Diese stärkere Entflechtung ist aus Sicht meiner Fraktion auch durchaus wünschenswert. Die höchste Hürde ist hierbei allerdings, dass die allermeisten Juristen den kompletten Wertersatz der Staatsleistungen als Ablösung veranschlagen, also in etwa die 25-fache Summe des von den Ländern jeweils gezahlten Jahresbetrags. In Anbetracht dessen wirkt die zehnfache Summe als einmalige Abfindung, wie er im Gesetzentwurf der Linken steht, doch ziemlich willkürlich gewählt und ist auch nicht nachvollziehbar begründet. Und dann leuchtet da noch etwas nicht so recht ein: Warum haben Sie es eigentlich so eilig, die Länder zur Gesetzgebung zu drängen? Sie wollen, dass die Länder innerhalb eines Jahres nach Erlass des bundesrechtlichen Ablösungsgesetzes tätig werden müssen; so steht es im Entwurf. Dies aber halte ich für äußerst knapp bemessen, wenn wir daran denken, dass einem solchen Landesgesetz umfangreiche Verhandlungen mit den Kirchen vo-rausgehen müssten - von der Zeit, die die parlamentarische Befassung inklusive der möglicherweise notwendig werdenden Haushalts- bzw. Nachtragshaushaltsberatungen dann noch in Anspruch nimmt, mal ganz abgesehen. Die Frage, ob die Länder das überhaupt wollen, ist dabei vollends aus dem Blick geraten. Denn in der Staatslehre herrscht Dissens über die Frage, ob ohne ein bundesrechtliches Ablösungsgesetz die Länder überhaupt Ablösungen vornehmen dürfen. Egal, wie man die Frage beantwortet, so steht doch fest, dass die Länder nur dann abzulösen brauchen, wenn sie dies für richtig halten, also entweder unabhängig vom Bundesgesetz oder aber erst nach dessen Erlass. Aber - und das ist in diesem Zusammenhang der springende Punkt - sie können durch dieses Gesetz nicht zur Ablösung gezwungen werden, wie Sie dies verlangen. Das ist das eine. Zum anderen habe ich den Eindruck, Sie haben eine falsche Vorstellung vom Charakter dieses "Grundsätze-Gesetzes", wie es laut Weimarer Reichsverfassung heißt. Es heißt nämlich deshalb so, weil es die Grundsätze aufstellen soll, denen die Länder dann zu folgen haben. Sie aber stellen im Gesetz nicht die Grundsätze auf, sondern regeln detailliert, was im Einzelnen zu geschehen hat. Da stellt sich doch die Frage, wo da der Spielraum der Länder ist. Wozu braucht es ein Landesgesetz, wenn die bundesrechtlichen Vorgaben so präzise sind? Zum Schluss noch drei Anmerkungen zu Ihrer Begründung, der heute aus dem Amt scheidende Papst habe dies selbst so gewollt. Erstens ist selbst innerhalb der katholischen Kirche umstritten, wie die Freiburger Rede Benedikts von der "Entweltlichung" der Kirche zu verstehen ist. Zweitens werden sich die genauso von dem Gesetz betroffenen evangelischen Landeskirchen fragen, warum sie von Ihnen von der Linkspartei in ökumenische Mithaftung für Äußerungen des Papstes genommen werden. Und drittens ist im Gesetzentwurf viel die Rede davon, dass die Trennung von Staat und Kirche endlich vollständig durchgesetzt werden müsse. Unabhängig von der Frage, was das konkret bedeutet, stellt die Exegese von Papstworten diesen Grundsatz auf den Kopf. Denn zur Trennung von Staat und Kirche gehört auch, dass der Staat eben nicht bewerten kann und darf, was kircheninterne Äußerungen bedeuten sollen und was nicht. Insofern fehlt dem Vorstoß die notwendige argumentative Konsistenz. Wir sollten die Auseinandersetzung über Sinn und Zweck der Staatsleistungen und die rechtlichen Möglichkeiten ihrer Ablösung führen, da bin ich ganz bei Ihnen. Die von Ihnen vorgeschlagene Lösung indes sagt mehr aus über Ihr Verständnis bzw. Mißverständnis des Religiösen als über die Problematik selbst. Mit Ihrem Antrag bürden Sie den Ländern eine praktisch nicht zu leistende Gesetzgebungslast auf und demonstrieren ein eklatantes Desinteresse an den rechtlichen Detailproblemen der Ablösung. Sie sind nicht an einer sinnvollen -Lösung interessiert, sondern nur an der Konfrontation. Genau deshalb können wir Ihren Antrag nicht mittragen. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - Neue Flusspolitik - Ein "Nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften" - Umfassendes Elbekonzept erstellen (Tagesordnungspunkt 15) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Der Schutz der Umwelt steht sowohl bei der Bundesregierung als auch bei der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf der politischen Agenda ganz weit oben. Ein wichtiger Aspekt ist in diesem Zusammenhang auch die Wasserpolitik. Da wir uns dessen Bedeutung bewusst sind, verfügt Deutschland hier über ein im internationalen Vergleich vorbildliches Umweltschutzniveau. Dies gilt auch für viele andere Bereiche. Deutschland hatte von Anfang an ein vorrangiges Interesse an der Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb war die Beteiligung der Bundesrepublik auf -europäischer Ebene im Vorfeld auch so intensiv und erfolgreich. Wir haben die Herausforderungen ernst genommen und gehören deshalb zu den wenigen Staaten, die fristgerecht Ende 2009 die notwendigen Bewirtschaftungspläne für die Flussgebietseinheiten mit deutschem Anteil vorgelegt haben. Wir haben viel gelernt bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, und wir verfolgen damit sehr ehrgeizige Ziele, die nicht ohne erheblichen finanziellen Aufwand zu erreichen sind. Darüber hinaus arbeiten wir eng mit unseren europäischen Nachbarn zusammen. Die Linken behaupten in ihrem Antrag, dass die Europäische Kommission ein umfassendes Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlerhafter Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie eingeleitet hat. Hier geht es um eine unterschiedliche Interpretation von Rechtsbegriffen der Europäischen Kommission, die sich im Bereich des Kostendeckungsprinzips von den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten unterscheidet. Konkret geht es hier um die Definition des Begriffs der Wasserdienstleistungen und die Deckung der Kosten der Wasserdienstleistungen der Wasserrichtlinie. Alle Fristen wurden von der Bundesregierung eingehalten, und die Klage wurde zum 31. Januar 2013 gegenüber dem Europäischen Gerichtshof erwidert. Das Verfahren ist damit offen. Lassen Sie uns abwarten, wie der Europäische Gerichtshof entscheiden wird. Die restriktive inhaltliche Auslegung der Bestimmungen wird übrigens von rund elf weiteren Mitgliedstaaten geteilt. Sie sehen also, Deutschland steht hier nicht alleine, und die Klage gegen uns wird als Musterprozess der Europäischen Kommission für ähnlich gelagerte Fälle gesehen. Und wir alle wissen ja: "Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand". Der Antrag der Linken fordert, neben der Wasserrahmenrichtlinie ein nationales Rahmenkonzept für naturnahe Flusslandschaften als zweites Instrument zu schaffen. Aber das brauchen wir nicht. Offensichtlich kennen Sie die grundgesetzliche Zuständigkeitsverteilung zwischen dem Bund und seinen Ländern immer noch nicht: Der Bund ist nicht für die Bewirtschaftungsplanung oder Maßnahmenprogramme zuständig; dafür sind die Bundesländer zuständig. Die Realisierung der Programme erfolgt durch die Bundesländer. Diese Phase wurde bis Ende 2012 erfolgreich abgeschlossen. Nach der Wasserrahmenrichtlinie werden die Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme alle sechs Jahre überprüft und nötigenfalls angepasst sowie aktualisiert. Also findet hier eine Evaluierung statt. Eine Verkürzung der Überprüfungsphasen macht wegen der meist langsamen Reaktionen der Gewässer auf erfolgte Maßnahmen keinen Sinn, wie es der Antrag der Linken suggeriert. Die Bewirtschaftungspläne sind wesentliche -Elemente zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Deshalb ist die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe auf Bundesebene nicht notwendig. Die zuständigen Ministerien auf Bundes- und Länderebene befinden sich in engem Austausch. Darüber hinaus wurden Vertreter interessierter Kreise frühzeitig in die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie eingebunden. Die Wasserrahmenrichtlinie - wie übrigens auch die im Antrag zitierte Hochwasserrisikomanagement-Richtlinie - verlangen bereits heute nach einer intensiven -Kooperation aller beteiligten Akteure und einer aktiven Beteiligung der Öffentlichkeit. Dem ist die Bundesregierung selbstverständlich umfassend nachgekommen. Dabei hat sie zugunsten einer möglichst breiten Einbindung der Öffentlichkeit zum Teil innovative Wege beschritten, gerade auch im Sinne einer aktiven Beteiligung. Besonders der gerade angelaufene Ideenwettbewerb des Deutschen Naturschutzpreises ist hier ein gutes Beispiel. Für das Jahr 2013 steht er unter dem Thema "Lebensraum Wasser - Vielfalt entdecken, erleben, erhalten". Bürgerinnen und Bürger sind dazu aufgerufen, Ideen einzureichen, die die biologische Vielfalt hervorheben sowie die Lebensräume in, an und auf Seen, Bächen und Flüssen erlebbar machen. Gerade die Zusammenarbeit von verschiedenen Interessengruppen bietet hier eine hervorragende Möglichkeit, um nicht nur das Naturerlebnis, sondern auch Naturbildung und -schutz nachhaltig zu unterstützen. Durch dieses und ähnliche Projekte ist die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Erarbeitung der Wasserrahmenrichtlinie berücksichtigt und auch umgesetzt worden. Aber auch weitere Forderungen des Antrages zeigen die Unkenntnis der Linken von der föderalen Kompetenzverteilung deutlich: Die Forderung, räumlich zusammenhängende Gewässerrandstreifen mittelfristig auf 15 Meter festzulegen, muss ich zurückweisen. Die Diskussion hatten wir schon vor Jahren mit den Bundesländern, als es um den Hochwasserschutz ging. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz 2010 muss der Gewässerrandstreifen im Außenbereich bereits 5 Meter breit sein. Aber Länder und Behörden können durchaus abweichende Regelungen treffen und flexibel handeln. Eine bundeseinheitliche Vorgabe ist daher auf Dauer nicht möglich und auch nicht gewollt. Darüber hinaus fördert das BMU im Rahmen der Förderrichtlinie für Naturgroßprojekte zahlreiche Gewässerrandstreifenprojekte. Dann möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass nach § 38 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes die Umwandlung von Grünland in Ackerland verboten ist. Des Weiteren sind Überschwemmungsgebiete als Rückhalteflächen zu erhalten. Auch sollen frühere Überschwemmungsgebiete, soweit möglich, wiederhergestellt werden. All dies fällt in die Länderzuständigkeit, worüber wir ausgiebigst in den entsprechenden Gremien diskutiert haben. Zur Forderung der Linken, die Gewährleistung einer öffentlichen Finanzierung, die vorrangig auf Synergien zwischen dem Hochwasserschutz und dem Erhalt bzw. der Entwicklung frei fließender Flüsse mit naturnahen Auen ausgerichtet ist, kann ich nur sagen: Die geltenden finanzverfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen sagen, dass auch hier die Länder die finanzielle Verantwortung haben. Trotzdem engagiert sich die Bundesregierung im Hochwasserschutz. Auch auf EU-Ebene setzt sie sich dafür ein, dass der Hochwasserschutz in den einschlägigen europäischen Förderprogrammen berücksichtigt wird. Eine Kooperation zum Gewässerschutz in den internationalen Flussgebieten bzw. an Grenzflüssen findet schon lange statt. Dazu wurden internationale Flussgebietskommissionen und Grenzgewässerkommissionen gegründet, die mit ihren Arbeitsstrukturen sämtliche Themen des Gewässerschutzes abdecken, wie Hochwasserschutz, chemische und ökologische Aspekte des Gewässerschutzes, Warnung bei Unfällen, inzwischen auch Fragen der Biodiversität und des Klimaschutzes. Diese Gremien dienen als Koordinationsplattformen zur internationalen Abstimmung der Umsetzung europäischer Gewässerschutzrichtlinien. Auch im Bereich der Forschung ist die Bundesregierung engagiert. So sind Vorhaben regelmäßig im Rahmen des Umweltforschungsplans des Bundesumwelt-ministeriums gefördert worden. Zusammenfassend stelle ich fest: Die Bundesregierung setzt sich aktiv ein für die Harmonisierung des Gewässerschutzes und die Verbesserung des Zustands der Gewässer innerhalb der EU. Dazu dient als zentrales Instrument die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in nationaler Verantwortung. Das Herzstück der EU-weit verbindlichen Richtlinie ist es, bis 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand bei oberirdischen Gewässern und einen guten quantitativen und chemischen Zustand beim Grundwasser herzustellen. Zur -Realisierung dieses ambitionierten Ziels werden wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion nach Kräften beitragen. Den uns vorliegenden Antrag der Linken lehnen wir ab. Dieser Antrag strotzt vor Unkenntnis, fordert Dinge, die längst erledigt oder auf den Weg gebracht sind, und er verfolgt ein falsches Ziel: Anstatt über die Erstellung neuer theoretischer Rahmenkonzepte nachzudenken, setzen wir uns lieber ganz praktisch für eine optimale Umsetzung bereits beschlossener Konzepte ein. Wir verzetteln uns nicht; wir handeln. So leisten wir einen aktiven Beitrag zum Schutz der Umwelt und unterstützen die Bundesregierung auf nationaler und europäischer Ebene bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie. Ulrich Petzold (CDU/CSU): Auch wenn ich mich stärker auf den Elbe-Antrag konzentrieren möchte, doch zunächst einige Worte zum Flusspolitikantrag: Bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie hängt es nicht, wie Sie es in Ihrem Antrag zu suggerieren versuchen, an irgendeiner Gewässerverunreinigung, dass ein Verfahren beim EuGH anhängig ist, sondern es dreht sich einzig und allein um die juristische Fragestellung und Definition des juristisch unbestimmten Begriffes der "Wasserdienstleistungen". Die Klärung einer solchen Rechtsfrage über ein juristisches Verfahren ist ein ganz normaler Vorgang. Die Differenzen, die es hier zwischen Bund und EU gibt, entzünden sich an der Frage, ob zum Beispiel die Nutzung von Wasser durch eine Wasserkraftanlage eine Wasserdienstleistung ist und damit kostenpflichtig gemacht werden kann. Diese Problematik sprechen Sie in Ihrem Antrag jedoch nicht einmal im Entferntesten an. Den Bund hier einseitig zu kritisieren, geht deswegen vollständig fehl. Doch nun zu dem Elbe-Antrag, den Sie uns trotz langer Debatten darüber in der Vergangenheit heute erneut unverändert vorlegen: Welch eine wunderschöne Vorstellung - der frei fließende Fluss in einer natürlichen Landschaft. Wirklich wunderschön? Wenn man die beiden Anträge, die wir heute beraten, in Verbindung miteinander liest, könnte man sich an dem Idealbild begeistern. Doch leider ist Natur nicht ideal, und das Schäferidyll des Barock ist keine reale Welt im Hier und Jetzt. Deshalb wird es Zeit, liebe Kollegen von der Linken, endlich in der Wirklichkeit anzukommen. Die fruchtbaren Elbniederungen, in denen wir heute leben und die wir als wunderschöne Naturlandschaft erleben, sind Kulturlandschaft und in jahrhundertelangen Kämpfen von unseren Vorfahren der Natur abgetrotzt worden. Nur als Beispiel: Bis zum 11. Jahrhundert stellte sich die Elbe als weit verzweigtes Gewässersystem dar und floss zum Beispiel im Raum Stendal zeitweise fast 30 Kilometer östlich vom heutigen Verlauf. Nach vielen Flutkatastrophen sicherten unsere Vorfahren das Siedlungsgebiet zwischen Havel und Elbe, und es wäre wohl unvorstellbar, die über Jahrhunderte entstandenen Flussbauwerke und damit die Kulturlandschaft und Siedlungen aufzugeben. Der frei fließende Fluss ist eine Illusion und für viele Anwohner nicht einmal eine schöne Illusion. Damit werden viele der Forderungen in den beiden Anträgen von vornherein Makulatur. Auf der anderen Seite ist der in den Anträgen kritisierte Eintrag von Chemie und Nährstoffen auch an der Elbe in einem ungemein bemerkenswerten Umfang zurückgegangen. So wurde in der Elbe die Jahresfracht von Schwermetallen um bis zu 90 Prozent verringert. Gleichzeitig hat sich die Sauerstoffkonzentration jetzt im Mittel von 8 Prozent eingepegelt und hat seit 1993 die zu DDR-Zeiten übliche Sauerstoffkonzentration von 3 Prozent nie wieder unterschritten. Aquatische Lebensgemeinschaften, die nicht mehr existierten, konnten wieder angesiedelt werden. 36 von 41 potenziellen Fischarten leben wieder in der Elbe. Lachs, Meeresforelle und Wels sind wieder anzutreffen. 1980 waren es noch ganze 26 Fischarten. Die Behauptung eines zunehmenden Artenrückgangs und eines zunehmenden Eintrags von Nähr- und Schadstoffen ist demzufolge politischer Unsinn und sollte gerade von den Linken unterlassen werden. Denn gerade ihre Vorgängerpartei trägt an dem ökologischen Desaster der DDR wesentliche Verantwortung. Die positive Entwicklung bei den aquatischen Lebensgemeinschaften ist aber auch solchen Flussbauwerken wie Buhnenfeldern oder Leitwerken zuzurechnen. Dadurch sind Stillgewässer entstanden, in denen sich Fischbrut gut entwickeln kann. Regulierungsbauwerke können sich bei richtiger Gestaltung also durchaus ökologisch positiv auswirken. Wer aber jede Veränderung an Flussbauwerken gleich und von vornherein als Ausbaumaßnahmen verteufelt, verhindert auch ökologische Verbesserungen. Das Gleiche trifft auch auf die Sohlenstabilisierung zu. Alle wissen, dass sich die Elbe seit Jahrhunderten im Bereich Wörlitz/Coswig eingräbt und dadurch die -Auwälder dieser Region trockenzufallen drohen. Selbst das Biosphärenreservat Elbe hat vorgeschlagen, durch Sohlschwellen das Eingraben der Elbe zu stoppen. Durch die Kampfbegriffe "Kanalisierung" und "Steinigung der Elbe" ist eine vernünftige Debatte über diese Rettungsmaßnahmen bisher unterblieben. Wenn die Linke in ihrem Antrag einen Schwerpunkt Sohlstabilisierung fordert, wäre es schon spannend, wie sie sich in der Praxis dazu stellt. Hier im Bundestag die eine For-derung zu stellen und in den Ländern oder vor Ort ent-gegengesetzte Forderungen aufzumachen, geht einfach nicht. Auch in einem Antrag einen einheitlichen Gewässerrandstreifen von 15 Metern einzufordern und beim Hochwasserschutzgesetz mehr Landeskompetenzen in dieser Angelegenheit zu verlangen, passt nicht zusammen. Es ist ja durchaus nachvollziehbar, dass Gewässerrandstreifen bei Gewässern erster Ordnung anders gehandhabt werden als bei Gewässern dritter Ordnung oder dass bei den Festlegungen zu Gewässerrandstreifen die Geländeneigung mitberücksichtigt werden muss. Deswegen war eine einheitliche Festlegung des Gewässerrandstreifens schon in der Vergangenheit falsch und wird es auch in Zukunft sein. Gerade im Hochwasserschutz wird von den Ländern die Subsidiarität hochgehalten. Es ist zwar richtig, dass der Bund die Länder bei solchen Maßnahmen wie der Deichrückverlegung unterstützt, aber es macht Sinn, den Hochwasserschutz in der Kompetenz der Länder und Kommunen zu lassen. Wie wollte auch der Bund einen Hochwasserschutz zum Beispiel an Gewässern dritter Ordnung organisieren? Das können Länder und Kommunen vor Ort viel besser; denn gerade hier liegen oft Wissen und Erfahrung der Menschen vor Ort vor. Nicht große Forschungsprogramme sind vonnöten, sondern Umsetzung von Erfahrungen. Wenn ich mir da den Umgang des Landes Brandenburg mit den Erfahrungen mit dem Hochwasserschutz an der Elbe im Bereich Mühlberg ansehe, kann ich Ihnen nur sagen: Nicht viel Papier beschreiben mit noch mehr Forderungen, sondern auf die Erfahrungen der Menschen in Mühlberg eingehen und etwas für den Hochwasserschutz in der Praxis tun! Damit ist die Forderung nach Übertragung von Kompetenzen, die zurzeit bei den Landesämtern liegen, an die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes geradezu grotesk. Ich kann es mir jedenfalls nicht vorstellen, dass Sie das in Brandenburg durchsetzen. Mit der bevorstehenden Flussgebietskonferenz in Magdeburg am 5. März werden wir sachgerechte Antworten auf viele Fragen zur weiteren Entwicklung an der Elbe geben. Diese Flusskonferenz ist ein Teil unseres Gesamtkonzeptes Elbe. Das Gesamtkonzept Elbe soll nach dem Willen des Runden Tisches von Bund, Ländern und Institutionen aus dem Umweltbereich bis spätestens 2015 das derzeitige Unterhaltungskonzept an der Elbe ablösen. Dabei handelt es sich um einen ergebnisoffenen Prozess, bei dem auf die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen einerseits sowie den sich verändernden Wasserabfluss andererseits reagiert werden soll. Ebenso soll eine Lösung gefunden werden für die bisher ungelösten Probleme an den Reststrecken. Im Vordergrund stehen die aktuellen Rahmenbedingungen, die das Umweltrecht vorgibt, aber auch das mit den Ländern entwickelte Sohlenstabilisierungskonzept für die Erosionsstrecke von Mühlberg bis zur Saalemündung bei Barby. Schließlich geht es um die in Niedersachsen gelegene Reststrecke bei Dömitz/Hitzacker. Sowohl aus naturschutzfachlichen Gründen als auch zur Umsetzung des Hochwasserschutzes werden dabei Maßnahmen erforderlich, die die Grenzen der Unterhaltung erreichen. Ohne diese Maßnahmen lässt sich jedoch die Erosionsstrecke nicht wirkungsvoll sanieren und kein verlässlicher Hochwasserschutz herstellen, die Schifffahrtsverhältnisse lassen sich nicht nachhaltig konsolidieren. Das derzeitige Geschiebemanagement ist kostenintensiv und mit ständigen Eingriffen in die Natur verbunden. So ist es nur sinnvoll, dass durch Maßnahmen im Uferbereich und Rückbau sowie Veränderungen an Buhnen die Fließgeschwindigkeit der Elbe verringert wird. Diese Maßnahmen sind jedoch derzeitig bei den Umweltverbänden nicht durchsetzbar, weil sie als Ausbaumaßnahmen gelten. Genauso ist der Schiffstransport auf der Elbe ideologisch belastet, doch: Insgesamt wird die Elbe von rund 150 verladenden oder transportierenden Unternehmen genutzt. Sowohl Containerverkehre als auch Projektladungs- und Schwerlastverkehre gewinnen hier zunehmend an Bedeutung. Dabei handelt es sich oftmals um Transporte mit einer wesentlich höheren lokalen Wertschöpfung, als dies bei den früher dominierenden Massen- und Schüttguttransporten der Fall war. Siemens produziert am Standort Görlitz Industrieturbinen. Das sind zum Beispiel Dampfgeneratoren, die heute in einer Länge von 12 bis 13 Metern hergestellt werden und 230 bis 250 Tonnen schwer sind. Die nächste Generation wird eine Länge von 14 bis 15 Metern aufweisen und bis zu 500 Tonnen wiegen. Ein anderer Transport als über die Elbe ist nicht denkbar. Ähnlich sieht es bei der Schuler AG in Erfurt aus. BMW-Werke in ganz Deutschland und darüber hinaus werden mit den in Erfurt hergestellten Pressen ausgerüstet. Das Kopfteil einer Presse wiegt allein über 158 Tonnen. So ein Schwerlasttransport kann nicht allein über die Straße erfolgen. Der Weg von Erfurt ins BMW-Werk nach Regensburg beträgt auf der Straße 326 Kilometer. Das Kopfteil der Presse war aber gut 1 600 Kilometer unterwegs, 1 000 Kilometer davon in elf Tagen auf dem Binnenschiff. Die Verladung erfolgte im Elbhafen in Aken in Sachsen-Anhalt. Sowohl Siemens in Görlitz als auch die Schuler AG in Erfurt sind Beispiele für Betriebsstätten von Unternehmen, für die der Wegfall des Transports auf der Wasserstraße deren Existenz infrage stellen würde. Ein weiteres Thema sind Windkraftanlagen. Rotoren von Schwachwindanlagen erreichen heute einen Durchmesser von über 120 Metern. Rotoren dieser Größenordnung können nur mit sehr großem Aufwand und meist intermodal unter anderem auf der Wasserstraße transportiert werden. Rotoren für Windkraftanlagen von Enercon werden von Magdeburg aus in Richtung Westen bis -Rotterdam und in Richtung Süden bis nach Wien transportiert. In Mühlberg an der Elbe ist es der Hersteller Vestas, für den die neue Kaianlage gebaut worden ist. Es ist also eine durchaus positive Entwicklung, die es hier zu begleiten gilt. Nicht überkritische Anträge, sondern die sachlichen Gespräche auf unserer Elbe-Konferenz führen zu Fortschritten, und es wäre dramatisch, wenn sich die neue niedersächsische Regierung diesen Gesprächen verschließen würde. Unsere Antworten bieten einen guten Ansatz für die weitere Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie bei einer gleichzeitig guten Entwicklung für unsere Flusslandschaften. Horst Meierhofer (FDP): Ihr erster Antrag zur Flusspolitik hat zwar ein paar gute Ansätze. Insgesamt ist er trotzdem an einigen Stellen falsch in der Sache und trifft eine Reihe von merkwürdigen Aussagen. Sie behaupten zum Beispiel, dass seit dem 19. Jahrhundert der Zustand der Flüsse immer schlechter geworden sein soll. Ich bitte Sie. Gerade die Linke müsste doch wissen, dass sich an Elbe und Saale seit der Wiedervereinigung der Zustand doch ganz wesentlich verbessert hat. Und dass die Elbe und andere Flüsse vor allem von Schifffahrt und Industrie geprägt sein sollen, halte ich für eine maßlose Übertreibung. Setzen Sie sich doch einmal ein paar Stunden in Dessau an die Elbe! Wenn Sie Glück haben, erwischen Sie vielleicht einmal ein Schiff. Das sieht im Hamburger Hafen natürlich anders aus. Oder auch, dass man im Rhein wieder baden kann. Das ist ein Riesenerfolg, der in den 70ern und 80ern nie und nimmer denkbar gewesen wäre. Dann bringen Sie 27 Forderungspunkte voll von Selbstverständlichkeiten, aber auch verqueren Ansichten: Es ist zwar richtig, ein Hochwasserwarnsystem mit bundeseinheitlich verbindlichen Standards zu fordern. Flüsse machen nun einmal nicht an den Ländergrenzen halt. Dabei übersehen Sie aber, dass genau die von Ihnen geforderten Standards in Form von Hochwasserrisikokarten und Hochwassermanagementplänen schon längst in der Bearbeitung sind. Ein Blick in die Unterlagen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser aus dem Jahr 2010 wirkt Wunder. Sie fordern auch die Entwicklung neuer Beteiligungsverfahren. Dass beispielsweise an der Donau eine unabhängige Monitoringgruppe aus Wissenschaft, Gesellschaft, Umwelt- und Wirtschaftsvertretern bereits im Vorfeld des Donauausbaus eingesetzt wurde, müsste Ihnen eigentlich bekannt sein. Und vielleicht haben Sie auch vom Ergebnis schon einmal gehört: An der Donau wird es einen sanften ökologischen Ausbau ohne Staustufen geben. Gerade wir als FDP haben hier dafür gesorgt, dass vor allem der bayerische Koalitionspartner zur Vernunft gekommen ist. Ein anderer Punkt: Ihre Vorstellungen eines Rahmenkonzepts der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung sind nicht durchdacht. Die 13 000 Angestellten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung wollen Sie komplett erhalten. Die Angestellten sollen sich aber nicht mehr um Schiffe kümmern, sondern Bäume pflanzen, Vögel schützen und ähnlich schöne Dinge machen. Gleichzeitig soll die WSV dabei nicht nur für Bundeswasserstraßen, sondern für alle Flüsse zuständig sein. Von der Verfassungswidrigkeit der Mischverwaltung abgesehen schaffen Sie damit eine Monsterbehörde voller "Umwelt-Ranger", ohne in irgendeiner Form die Aufgabenverteilung weiter zu konkretisieren. Der erste Antrag geht an zu vielen Punkten in der Sache vorbei. Deshalb lehnen wir ihn ab. Ihr zweiter Antrag befasst sich mit der Erstellung eines Elbekonzepts. Beim Lesen Ihres Antrages entsteht der Eindruck, dass die Koalition eine Flusspolitik auf Kosten der Ökologie betreibt und anstrebt. Das ist sachlich falsch. Ich kann nur empfehlen, sich anhand der von Umwelt- und Verkehrsministerium beschlossenen Eckpunkte des Gesamtkonzepts Elbe ein Bild über die geplanten Maßnahmen zu machen. Das Konzept betrachtet neben den erforderlichen Maßnahmen zur Aufrecht-erhaltung der schifffahrtlichen Nutzung gleichrangig die Anforderungen an den Gewässer-, Auen- und Naturschutz. Hierzu gehört zum Beispiel auch die zu erwartende Auswirkung des Klimawandels auf die Elbe. Aufrechterhaltung der schifffahrtlichen Nutzung meint dabei gerade nicht die Durchführung eines verkehrsbedingten Ausbaus oder ähnlicher Schwersteingriffe in den Fluss. Damit sind Sohlstabilisierungskonzepte oder ähnliche Maßnahmen gemeint, die nicht nur Vorteile für die Umwelt, sondern auch für den Verkehr mit sich bringen. Schließlich ist das Binnenschiff als solches auch eines der umweltfreundlichsten Transportmittel. Darum sollte man nicht nur Schlauch- und Luftkissenboote im Blick haben, wenn es um die Belange der Elbe geht. Das Elbehochwasser von 2002 hat auch den Schiffsverkehr erschwert, so dass nicht nur die ökologischen Schäden, sondern auch die dadurch verkehrsbedingten Probleme auf umweltverträgliche Lösungen warten. Deshalb war die von der Koalition ergriffene Initiative eines Gesamtkonzeptes zur Elbe seit langem überfällig. Man muss sich aber auch darüber klar werden, dass die Ziele, die wir im Gesamtkonzept verfolgen, nicht von einem auf den anderen Tag erreicht werden können. Durchgängigkeit, Auenschutz, Naturschutz, Sohlstabilisierung und die Nutzung der Unterhaltungsmöglichkeiten zur Verbesserung der ökonomischen, ökologischen und verkehrlichen Belange sind große Aufgaben. Die dafür erforderliche Koordinierung zwischen Bundes- und Landesbehörden und anderen Beteiligten ist anspruchsvoll genug. Insofern geht mir Ihr -Ansatz, in diese Koordinierung gleichzeitig die Nachbarstaaten einzubinden, zu weit. Gerade wenn man sich die tschechischen Pläne mit der von der FDP abgelehnten Staustufe in Decin betrachtet, wird klar, dass zwischen Deutschland und Tschechien große Differenzen über die Prioritäten in der Flusspolitik bestehen. Diese Differenzen kann man nicht auch noch im Gesamtkonzept lösen. Hier ist ein separater Dialog notwendig. Ich halte deshalb den Vorschlag der Linken an dieser Stelle nicht für sachgerecht. Auch die von Ihnen angestrebte Förderung von flussangepassten Schiffstypen ist nicht Aufgabe der Politik. Diese Fortentwicklung im Interesse der Schiffbaubranche ist zwar sinnvoll und richtig, aber verdient dennoch keine staatliche Förderung. Solide Haushaltspolitik kann man nicht verfolgen, wenn man immer wieder versucht, jede erdenkliche Branche mit Subventionen aufzupäppeln. Aus welchem Grund die Schifffahrt das nicht selbst leisten soll, verstehe ich nicht. Wir verschleudern im Gegensatz zu Ihnen gerade nicht mit geöffnetem Füllhorn Staatsmittel. Wohin die bekannten Haushaltslöcher im Saarland oder in Berlin führen, wo marode Verwaltungen nicht einmal mehr Mittel für die notwendigsten staatlichen Aufgaben haben, müssten Sie eigentlich wissen. Es freut mich, dass Sie es als gutes Zeichen anerkennen, dass in unserem Gesamtkonzept die Elbe ab Lauenburg nicht weiter ausgebaut werden soll. Dass Sie dennoch jegliche Flussbettvertiefung auch im Bereich des Hamburger Hafens ablehnen, halten wir für nicht sachgerecht. Es handelt sich hier um einen globalen Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt, wo zwar jede Ausbaumaßnahme genauestens abgewogen werden muss; Totalablehnung führt allerdings zu einer merklichen Schwächung des Wirtschaftsstandorts. Es ist aber natürlich leichter, gegen jedes größere Infrastrukturprojekt populistisch zu hetzen. Ihre Masche ist uns leider nur zu gut bekannt. Wir sind mit dem Gesamtkonzept Elbe auf einem sehr guten Weg. Ihr Antrag teilt die Welt in Gut und Böse und wird der Realität nicht gerecht. Deshalb lehnen wir auch diesen Antrag ab. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters sowie zur Änderung weiterer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 16) Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Was nützt die beste stationäre Versorgung nach einem Notfall, ob -Unfall oder Herzinfarkt, wenn der Patient nicht durch einen qualifizierten Rettungsdienst noch am Ort des -Geschehens und beim Transport kompetent versorgt wird. Es käme jede Hilfe zu spät. Um genau dies zu vermeiden, verfügt unser Gesundheitssystem über eine Notfallversorgung, die verlässlich ist und getragen wird von gut ausgebildeten Notärzten und bisher Rettungsassistenten, künftig Notfallsanitätern. Trotzdem war es nötig, dieses System weiterzuentwickeln, vor allem die nichtärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch besser auszubilden. Es ist an der Tagesordnung und liegt in der Natur der Sache, dass der nichtärztliche Rettungsdienst oft vor -einem Notarzt an Ort und Stelle ist, so ein Notarzt -überhaupt angefordert wurde. Die Verlängerung der Ausbildungsdauer von zwei auf drei Jahre mit erheblich weiter gesteckten Ausbildungszielen ist deshalb die logische Konsequenz. Die nun formulierten Ausbildungsziele spiegeln die vielfältige und anspruchsvolle Aufgabenstellung auch des nichtärztlichen Personals wider. Der entscheidende Punkt ist deshalb die Kompetenz, die ein Notfallsanitäter mitbringen muss, wenn er auf sich alleine gestellt ist. Insbesondere in ländlichen Gebieten kann es dauern, bis ein Notarzt vor Ort ist. Die Rettungsassistenten waren in der Vergangenheit mit dem Dilemma konfrontiert, helfen zu müssen, ohne hierfür ausreichend ausgebildet und damit auch abgesichert zu sein. In § 4 Abs. 2 Nr. 1 ist genau beschrieben, zu welchen Maßnahmen die Notfallsanitäter befähigt werden. § 4 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe C beschreibt außerdem, für welche Einsatzsituationen die Notfallsanitäter zu qualifizieren sind und welche invasiven Maßnahmen sie ausführen dürfen. Es geht um die Situation bis zum Eintreffen des Arztes oder dem Beginn weiterer ärztlicher Versorgung. Hier kommt es entscheidend und damit oft lebensrettend darauf an, Atemwege bzw. Beatmung sicherzustellen, den Kreislauf zu stabilisieren, Schmerzen zu bekämpfen. Bei der praktischen Ausbildung wird sichergestellt, dass die Schülerinnen und Schüler Zug um Zug an die Übernahme von Verantwortung herangeführt werden. Bei entsprechendem Ausbildungsstand gehört hierzu auch der Einsatz als zweites Besatzungsmitglied. Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine qualifizierte, -bedarfsgerechte, hilfsfristorientierte, flächendeckende notfallmedizinische Versorgung auf dem aktuellen Stand der Technik auch in der Zukunft. Die Kompetenz des Bundes erstreckt sich auf die Zulassung des Notfall-sanitäters zum Heilberuf. Der Notfallsanitäter soll dazu beitragen, die Versorgung angesichts der demografischen Entwicklung sicherzustellen. Es geht um Anforderungen des Rettungsdienstes auch in einer älter werdenden Gesellschaft. Es geht darum, den Beruf des Rettungsassistenten in Konkurrenz zu einer Vielzahl anderer Ausbildungs-berufe - auch im Gesundheitswesen - attraktiv zu gestalten. Die dreijährige Ausbildung im dualen System mit einer Ausbildungsvergütung trägt dazu erheblich bei. Mechthild Rawert (SPD): Mit dem "Gesetz über den Beruf der Notfallsanitäterin und des Notfallsanitäters" sowie zur Änderung des Hebammengesetzes erfolgt ein richtiger Schritt zur Professionalisierung von Gesundheitsfachberufen. Das Notfallsanitätergesetz ist ein Baustein auf dem langen Weg zur notwendigen -Modernisierung der Zusammenarbeit der Professionen im Gesundheitswesen, ein weiterer Schritt hin zur stärkeren interdisziplinären und kooperativen Zusammenarbeit der Gesundheitsfachberufe und der Medizinerinnen und Mediziner "auf Augenhöhe". Geschaffen wird ein neues Berufsbild, von dem alle profitieren: sowohl die im Rettungswesen Tätigen als auch die neuen Auszubildenden und vor allem die Patientinnen und Patienten. Mit dem Mehr an Wissen und Kenntnissen, mit dem Mehr an Kompetenzen für die künftigen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter erfolgt eine Attraktivitätssteigerung und gesellschaftliche Aufwertung dieses Berufes. Das ist ein wichtiger Schritt zur künftigen flächendeckenden Sicherstellung unseres Rettungswesens, unserer Gesundheitsversorgung und Patientinnen- und Patientensicherheit. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten begrüßen dieses. Im Vergleich zum Rettungsassistentengesetz von 1989 gibt es deutliche Verbesserungen, unter anderem hinsichtlich der Ausbildungsfinanzierung, der nun eingeführten Ausbildungsvergütung, der Anhebung von einer zweijährigen auf eine dreijährige Ausbildungsdauer - womit auch eine stärkere Durchlässigkeit zu anderen Gesundheitsfachberufen verbunden ist -, der Neuformulierung des Ausbildungszieles entsprechend dem allgemeinen Stand rettungsdienstlicher und medizinischer Kenntnisse, des neuen Ausbildungsansatzes und der Ausbildungsstruktur, die nun auch verstärkt geeignete Krankenhäuser einbezieht. In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Gesundheit am 30. Januar zum Notfallsanitätergesetz -haben die Sachverständigen dennoch auf viele Schwachpunkte des Gesetzentwurfes der Bundesregierung hingewiesen. Erstens wurde beispielsweise sehr deutlich verwiesen auf die nach wie vor bestehende unklare Rechtslage auch der neuen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter vor Ort, wenn (noch) kein Notarzt und keine Notärztin anwesend ist. Während die Vertreterinnen und Vertreter des ärztliches Standes eine "viel zu weitgehende Freigabe" ärztlicher Maßnahmen befürchteten - Äußerungen, die im Kontext der Professionalisierung und Aufwertung von Gesundheitsfachberufen immer wieder zu hören sind und wohl dazu dienen, grundsätzliche "rote Linien" hinsichtlich Delegation und Substitution ärztlicher Tätigkeiten zu ziehen -, verwiesen andere Sach-verständige auf die im Rettungsdienst längst gegebene Einsatzpraxis. Es müsse ermöglicht werden, dass -Notfallsanitäterinnen und -sanitäter Maßnahmen zur Verbesserung des Patientenzustandes beispielsweise bei schwerster Luftnot oder stärksten Schmerzen durchführen, ohne sich im "rechtlichen Graubereich" zu befinden. Weiterhin wurde zweitens auf dringend gebotene bundeseinheitliche Regelungen der immer noch regional stark unterschiedlichen rettungsdienstlichen Versorgung und drittens auf die Unklarheiten in der Finanzierung verwiesen. Dass wesentliche Änderungen am Regierungsentwurf dieses Berufszulassungsgesetzes notwendig sind, haben auch meine CDU/CSU- und FDP-Kolleginnen und -Kollegen erkannt. Folglich haben sie gestern im Gesundheitsausschuss acht Änderungsanträge zur Nach-besserung des Regierungsentwurfs eingebracht. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten arbeiten sachorientiert. Da alle acht Änderungsanträge in die richtige Richtung gingen und damit Bestandteil des heute zu beschließenden Gesetzes sind, haben wir diesen Nachbesserungen zugestimmt. Alle Änderungsanträge greifen angemahnte Änderungsbedarfe aus der Anhörung auf, beispielsweise beim praxisorientierten Einsatz der Auszubildenden auf den Rettungsfahrzeugen, bei der Berücksichtigung der besonderen Belange von Beamtenanwärterinnen und -anwärtern, bei den notwendigerweise zu verlängernden Fristen für den Übergang vom Rettungsassistentengesetz zum Notfallsanitätergesetz. Folglich ist heute ein guter Tag für das Rettungs-wesen - er hätte allerdings noch wesentlich besser werden können, wenn Schwarz-Gelb die Änderungsanträge der sozialdemokratischen Gesundheitspolitikerinnen und Gesundheitspolitiker nicht abgelehnt, sondern ihnen -zugestimmt hätte. Hier hat Schwarz-Gelb wesentliche Verbesserungen und Chancen im Interesse der Tätigen im Rettungswesen, der neuen Auszubildenden und der Patientinnen und Patienten ausgeschlagen. Unsere Kritikpunkte sind vor allem erstens, die -Widerrufung der Erlaubnis des Führens der Berufs-bezeichnung Notfallsanitäterin oder Notfallsanitäter aus gesundheitlichen Gründen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist nicht hinnehmbar, dass die Berufsbezeichnung -Notfallsanitäterin/Notfallsanitäter, das heißt die Berufszulassung, beim zwischenzeitlichen Wegfall der gesundheitlichen Eignung aberkannt werden soll. Das ist ein Novum. Diese Regelung stößt nicht nur auf unsere Gegenwehr, sondern auch auf die der Gewerkschaften. Wir sind der Meinung, dass erworbene und ausgeübte -Kompetenzen und Qualifikationen durch gesundheit-liche Beeinträchtigungen nicht verloren gehen. Die vorhandenen und anerkannten Qualifikationen sind schließlich Grundlage für einen anderweitigen Einsatz im Rettungswesen oder für eine anderweitige berufliche Neuorientierung. Mit dieser Regelung wird Durchlässigkeit zwischen Gesundheitsberufen verhindert, und den Betroffenen werden weitreichende arbeits- und sozialrechtliche Konsequenzen aufgebürdet. Zweitens, Klarheit bei der bundeseinheitlichen Befugnis zur Ausübung von Heilkunde. Wir wollen - ebenso wie die Bundesländer es im Bundesrat beschlossen -haben - bundeseinheitlich ausgeübte Standards für das eigenständige Durchführen von heilkundlichen Maß-nahmen ermöglichen und damit eine in ihren Grund-lagen gleichwertige Versorgung aller Notfallpatientinnen und -patienten gewährleisten. Die Durchführung heilkundlicher Maßnahmen soll an die in der Ausbildung erworbenen Qualifikationen gebunden sein. Das den Bundesländern obliegende Rettungswesen ist schließlich nicht nur zwischen den Bundesländern, sondern auch zwischen einzelnen Regionen und Kommunen verschieden ausgestaltet. Eine über diesen Standard hinaus-gehende weitergehende Kompetenzzuweisung liegt dann im Ermessen des/der Ärztlichen Leiters/Leiterin Rettungsdienst oder der entsprechend verantwortlichen Ärztinnen und Ärzte. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind der Meinung, dass es einer klaren gesetzlichen Regelung bedarf, die die zukünftige Notfallsanitäterin bzw. den zukünftigen Notfallsanitäter ausdrücklich berechtigt, die erlernten und beherrschten Ausbildungsziele bis zum Eintreffen einer Notärztin oder eines Notarztes auch tatsächlich auszuüben. Wir wollen Klarheit. Wir wollen nicht nur mehr Kompetenzen durch eine bessere Ausbildung, sondern auch Rechtssicherheit bei der Berufsausübung. In der Einsatzpraxis hat sich gezeigt, dass dieser Beruf wesentlich - und in Zukunft angesichts des demografischen Wandels noch weitaus mehr - von Einsätzen geprägt ist, in denen im Rahmen der Feststellung, -Heilung oder Linderung von Krankheiten Maßnahmen der Akutversorgung durchzuführen sind. Für diese nicht lebensbedrohlichen, das Patientenwohl aber sehr stark beeinträchtigenden Situationen bedarf es im Interesse aller Rechtssicherheit. Drittens. Übergangsvorschriften für die Kosten der weiteren Ausbildung von Rettungsassistentinnen und -assistenten zu Notfallsanitäterinnen und -sanitätern und weitere Mehrkosten der Ausbildung zur Notfallsanitäterin bzw. zum Notfallsanitäter. Bisherige Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten müssen für die Erlaubnis, die neue Berufsbezeichnung Notfallsanitäterin bzw. Notfallsanitäter führen zu dürfen, an einer entsprechenden Anpassungsqualifizierungsmaßnahme teilnehmen. Das finden wir auch richtig, umfasst das neue Berufsbild doch sowohl mehr als auch vertiefte Kompetenzen. Es stellt sich aber die Frage nach der Übernahme der weiteren Ausbildungskosten. Keinesfalls sind diese von den Auszubildenden selber zu bezahlen. Hohe und bundeseinheitliche Kompetenzen im Rettungsdienst sind keine Privatsache. Wir wollen, dass diese Kosten der weiteren Ausbildung von den -Kostenträgern, der gesetzlichen Krankenversicherung, zu einem kleineren Teil auch von den privaten Krankenversicherungsunternehmen bzw. der Beihilfe, übernommen werden. Wir wollen eine Ungleichbehandlung der beiden Berufsabschlüsse nach Inkrafttreten des Notfallsanitätergesetzes vermeiden. Niemand ist augenblicklich in der Lage, eine seriöse abschließende Schätzung der Mehrkosten vorzunehmen. Fakt ist aber, dass die Verbesserungen im Rettungsdienst wesentlich zur Verbesserung unseres Gesundheitswesens beitragen. Die Mehrkosten für die weitere Ausbildung der Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten wie auch für die grundständige Ausbildung von Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern fließen als Personalkosten in die Transportkosten ein. Wie hoch diese jeweils sind, obliegt den Bundesländern, da diese die Höhe der Transportkosten als Gebühren oder Entgelte festlegen und verhandeln. Zum Schluss noch einige Anmerkungen: Leider hat die Bundesregierung in allen beschriebenen Punkten die Vorschläge der SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt. -Daher wird die SPD-Bundestagsfraktion bei der Schlussabstimmung für Enthaltung stimmen. Nun bin ich gespannt auf die noch zu entwickelnde Ausbildungs- und Prüfungsverordnung. Ich erhoffe mir hier noch einige Verbesserungen und Klarstellungen. Ich würde es auch sehr begrüßen, wenn die Versorgung von Notfallpatientinnen und Notfallpatienten Bestandteil der Gesundheitsberichterstattung des Statistischen Bundesamtes wird. Das ist einem für die Zukunft bundesweit geregelten Ausbildungsberuf und der darauf basierenden Berufsausübung angemessen. Das hilft uns auch sicherlich in der Bewertung und Evaluation des Rettungswesen und der Notfallmedizin. Empört haben mich Äußerungen der Bundesregierung, wonach eine Kompetenzerweiterung für Notfall-sanitäterinnen und Notfallsanitäter dazu führen könnte, dass diese Notfallärzte und Notfallärztinnen erst später zum Notfallpatienten rufen würden. Für mich spricht daraus ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber nichtärztlichen Gesundheitsfach berufen. Dieses Denken muss im Interesse der vielen Beschäftigten in den Gesundheitsberufen, ganz konkret im Rettungswesens, abgestellt werden. Es ist unangebracht und unangemessen. Sorgen wir gemeinsam für mehr Patientinnen- und Patientensicherheit - jede und jeder an entsprechender Stelle. Bedanken möchte ich mich im Namen der SPD--Bundestagsfraktion bei den vielen Lebensretterinnen und Lebensrettern, bei den vielen Beschäftigten im Rettungswesen für ihre Tag für Tag und Nacht für Nacht verantwortungsvoll ausgeübte Tätigkeit. Und als Letztes: Ich appelliere an die jungen Menschen: Ausbildungen im Gesundheitswesen sind spannend und abwechslungsreich. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten arbeiten mit hohem Engagement daran, dass sich die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen verbessern, dass "Gute Arbeit" und auch eine höhere Entlohnung möglich wird. Ich ermutige dazu, eine Ausbildung zum neuen Berufsbild Notfallsanitäterin/Notfallsanitäter zu beginnen. Jens Ackermann (FDP): Ich freue mich persönlich sehr, dass wir heute endlich das Notfallsanitätergesetz zum Abschluss bringen können. Wer profitiert eigentlich von den neuen Regelungen, die wir für die Ausbildung im Rettungsdienst schaffen? In erster Linie sind das die Bürgerinnen und Bürger, die im Falle eines Notfalls künftig bis zum Eintreffen des Notarztes von besser ausgebildeten Notfallsanitätern versorgt werden. Andererseits profitiert auch der Rettungsdienst selbst, da das Berufsbild aufgewertet wird. Dies ist auch zwingend erforderlich, um auch in Zukunft genügend Fachkräfte für den Rettungsdienst gewinnen zu können. 2007 hatte die FDP-Bundestagsfraktion in einem -Antrag die Einrichtung einer Expertengruppe gefordert; diese sollte sich mit der Neuausrichtung der Ausbildung im Rettungsdienstwesen beschäftigten. In einer damals durchgeführten Anhörung wurden die eklatanten Mängel des seit 1989 gültigen Rettungsassistentengesetzes sehr deutlich. Es war und ist reformbedürftig. Das Ausbildungsgesetz wurde den aktuellen Anforderungen, die an einen modernen und zukunftsfähigen -Rettungsdienst gestellt werden, einfach nicht mehr gerecht. Das kann ich Ihnen aus persönlicher Erfahrung so auch bestätigen. Der medizinische Sektor ist ein hochinnovativer Bereich mit stetigen Verbesserungen für die Menschen. Nun legen wir endlich auch im scheinbar in Vergessenheit geratenen Bereich der Notfallversorgung nach. Mittlerweile sind sechs Jahre vergangen - eine sehr, sehr lange Zeit. Doch ich bin froh, dass wir heute ein aus meiner Sicht sehr gutes Gesetz für die Bürgerinnen und Bürger und die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter beschließen können. Ein großer Dank gilt allen Beteiligten, die dieses -Gesetz in den vergangen Jahren in Gesprächsrunden, Diskussionen, Expertenrunden und Stellungnahmen gemeinsam gestaltet haben. Die Bundesregierung mit Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr legte im Oktober letzten Jahres einen guten Gesetzentwurf vor, den man im Vergleich zum aktuellen, noch gültigen Rettungsassistentengesetz als Quantensprung bezeichnen muss. Mein Dank gilt auch der Parlamentarischen Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz und dem Ministerialrat im BMG Ralf Suhr. Das Gesetz bietet für die künftige Ausbildung der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter drei zentrale Kernpunkte: so wird die Ausbildungszeit von zwei auf drei Jahre verlängert. Das entspricht der Ausbildungsdauer in vergleichbaren Gesundheitsfachberufen. Zudem werden die Auszubildenden in Zukunft eine Ausbildungsvergütung erhalten. Außerdem wird die Notfallkompetenz in eine Regelkompetenz umgewandelt. An dieser Stelle wird den heute schon alltäglichen Gegebenheiten im Rettungsdienst ein rechtlicher Rahmen gegeben. Wir beseitigen damit eine Grauzone in der Notfallversorgung. Hiervon werden vor allem die Patientinnen und -Patienten profitieren. Die Notfallsanitäterinnen und -Notfallsanitäter erhalten endlich Rechtssicherheit und können so die Patientinnen und Patienten bis zum Eintreffen des Notarztes besser versorgen. Diesem Anspruch wird das vorliegende Gesetz auch gerecht. Die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter sind wichtige Partner von Notärzten. Wir halten fest am Notarztsystem. Das ist wichtig und richtig. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen, da in der Diskussion in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren häufig argumentiert wurde, dass der Notfallsanitäter den Notarzt ersetzen könnte. Das wird es nicht geben. Deshalb erhalten die Notfallsanitäterinnen und -Notfallsanitäter auch keine volle Heilkundeerlaubnis. Denn so würde die Gefahr steigen, den Notarzt länger fernzuhalten. Auch wenn ich mich jetzt wiederhole: Das wollen wir nicht, und das wird es nicht geben! Ich möchte auch noch einmal klarstellen, dass der Bund nach Art. 74 Abs. 1 GG zwar die Möglichkeit hat, die Ausbildung von Heilberufen zu regeln, nicht aber die Kompetenzen, die den einzelnen Heilberufen zustehen. Auch das sollte man bei der Betrachtung und Beurteilung des Gesetzes im Hinterkopf behalten. Die christlich-liberale Koalition sah nach der Anhörung mit den betroffenen Verbänden und den Anregungen aus den Bundesländern noch Potenzial für ein paar feine Korrekturen am Entwurf, die heute auch zur -Abstimmung vorliegen. Wir haben deutlich gemacht, welche invasiven -Maßnahmen von den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern in entsprechenden Einsatzsituationen erwartet werden. Das gibt den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern Sicherheit bei der Ausübung ihres Berufes und nimmt den Patientinnen und Patienten die Angst vor "möglichen Hilfsärzten ohne Approbation". Damit die Ausbildung ab einem bestimmten Zeitpunkt mehr praktische Teile beinhaltet, haben wir die Möglichkeit der Mitnahme eines Auszubildenden als zweiten Mann oder Frau im Gesetz verankert. Jedoch muss dieser über einen entsprechenden nachgewiesenen Ausbildungsstand verfügen. Außerdem haben die Koalitionsfraktionen Vorschläge für eine bessere Übergangsphase gemacht. Hier gab es im Vorfeld Kritik, die Fristen seien sehr kurz gehalten. Für die Schulen schlagen wir deshalb die Verlängerung der Frist für die Sicherstellung von genügend qualifiziertem Lehrpersonal von fünf auf zehn Jahre. Das ist aus unserer Sicht ein realistischer Wert, der nun umzusetzen ist. Zudem soll die Möglichkeit der Ausbildung nach dem Rettungsassistentengesetz um ein Jahr bis zum 31. Dezember 2014 verlängert werden, um genügend Absolventen für die Sicherstellung von Fachkräften für den Rettungsdienst zu gewährleisten. Was lange währt, wird endlich gut. Nun liegt der Ball bei den Ländern und im Bundesrat. Ich hoffe sehr, dass sie die Chance im Interesse der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter wahrnehmen und das Gesetz beschließen. Ich appelliere auch an die Oppositionsfraktionen, die das Gesetz in den Arbeitsgremien und auf Veranstaltungen begrüßt haben, sich bei ihren Länderkollegen für die Zustimmung im Bundesrat einzusetzen. Wir sollten uns noch einmal vergegenwärtigen: Es geht um eine bessere medizinische Versorgung der Bevölkerung in Notfällen und um eine Stärkung der Einsatzkräfte vor Ort. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Die Linke begrüßt ausdrücklich, dass das Rettungsassistentengesetz von 1989 endlich überarbeitet wird. Schade nur, dass am Ende so viele gute und notwendige Forderungen von -Gewerkschaften und von Rettungskräften keinen Eingang in dieses Gesetz gefunden haben. Die Defizite des bisherigen Gesetzes werden schon seit langem von allen Beteiligten beklagt; eine Lösung der Probleme ist überfällig. Die Linke unterstützt die Verlängerung der Aus-bildung auf drei Jahre, die Erweiterung der Kompetenzen für die Sanitäterinnen und Sanitäter und vor allem auch die Streichung des Schulgelds. Wir hätten aber gerne noch mehr Gutes für die professionellen Lebensretter getan. Zur Abschaffung des Schulgelds: Es ist richtig, dass diejenigen, die sich für diesen schwierigen und anstrengenden Beruf ausbilden lassen, nicht auch noch die Kosten der Ausbildung tragen müssen. Schade nur, dass Schwarz-Gelb im Gesetzentwurf lediglich festgehalten hat, dass Vereinbarungen zu Schulgeldzahlungen nichtig seien. Ein ausdrückliches Verbot von Schulgeld würde den Auszubildenden mehr Schutz bieten. Zu den erweiterten Kompetenzen: Hier macht die Koalition zwei Schritte nach vorne und gleich wieder zwei Schritte rückwärts. Einerseits möchte sie wohl, dass die neuen Rettungskräfte am Unfallort gleich mehr für die Verletzten tun können, statt erst einmal auf den Notarzt zu warten. Andererseits scheint sie wieder einmal vor der mächtigen Ärztelobby zu buckeln. Anders lässt sich nicht erklären, warum die Koalition zum Thema "Übertragung ärztlicher Tätigkeiten" und zur selbstständigen Ausübung heilkundlicher Tätigkeit derart ungenaue Formulierungen in den Gesetzentwurf geschrieben hat. So werden die Rechtsunsicherheit für die Rettungskräfte und das föderale Kuddelmuddel weiter bestehen. So wird ein Notfallsanitäter im münsterländischen Hopsten in seiner Ausbildung möglicherweise nach anderen Vorgaben Kompetenzen zu bestimmten notfallmedizinischen Situationen erwerben als seine Kollegin direkt nebenan im niedersächsischen Spelle. Das ist nicht nur unbefriedigend für die Rettungskräfte, sondern vor allem auch für die Patientinnen und Patienten. Für Die Linke gibt es noch weitere kritische Punkte: So soll das Recht zum Führen der Berufsbezeichnung nachträglich entzogen werden können, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen die Ausübung des Berufs unmöglich machen. Dies darf so nicht umgesetzt werden; stattdessen muss für andere Einsatzmöglichkeiten gesorgt werden. Auch die Übergangsregelungen insbesondere für -Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten mit langjähriger Berufserfahrung werden diesen erfahrenen Menschen nicht gerecht. Es fehlt auch eine vernünftige Regelung für die Beamtinnen und Beamten des feuerwehrtechnischen Dienstes. Ohne diese könnte dieser wichtige Zweig der -Ausbildung für Rettungskräfte wegbrechen. Hier hat die Koalition per Änderungsantrag nachzubessern versucht, doch leider nicht alle wunden Punkte für die Feuerwehrleute geheilt. Um die Beantwortung der noch offenen Frage, welchen Teil der Ausbildung die Kassen und welchen die Länder bezahlen sollen, hat sich die Bundesregierung leider gedrückt. Wir meinen: Die Kosten für die neue dreijährige Ausbildung sollten sich Krankenkassen und die Bundesländer teilen, da der Rettungsdienst sowohl der Gesundheitsversorgung als auch der öffentlichen Gefahrenabwehr zugerechnet werden kann. Es handelt sich wohlgemerkt nicht um unerschwingliche Summen: Mit einem einzigen Promille der Kassenüberschüsse und im Durchschnitt 1 Million Euro pro Bundesland können die circa 40 Millionen Euro aufgebracht werden. Das neue Wahlrecht mit dem Ausgleich der Überhangmandate kommt die öffentliche Hand wahrscheinlich deutlich teurer. Die Linke wird sich bei diesem Gesetzentwurf enthalten; denn wir wollen trotz aller Kritik die darin enthaltenen Verbesserungen nicht blockieren. Deswegen möchte ich zum Schluss noch an alle Beteiligten appellieren, dass sie bei der Klärung der Finanzierungsfragen im Blick haben, wie wichtig die Arbeit der hauptberuflichen Lebensretter überall im Land für die Menschen ist. Ein Aufhalten im Bundesrat oder durch die Krankenversicherungen wäre ein Schlag ins Gesicht dieser Menschen. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor nahezu zwanzig Jahren, 1996, wurde das Reisensburger Memorandum verabschiedet. Dort wurden erstmals die Probleme des bis heute geltenden Rettungs-assistentengesetzes benannt. Die Ausbildungsinhalte bilden die gestiegenen Anforderungen an die Rettungsassistentinnen und -assistenten am Unfallort weder in rechtlicher noch in fachlicher Hinsicht ab. Überhaupt ist es fraglich, ob die Ausbildung der Rettungsassistenten mit zwei Jahren nicht viel zu kurz bemessen ist. Es gibt bis heute keine bundeseinheitlichen Mindeststandards für die Ausbildung. Und die Kosten der Ausbildung müssen von den künftigen Rettungsassistenten bislang selbst getragen werden. Schon in meinem ersten Jahr im Deutschen Bundestag, das war 2006, hat mich diese unzulängliche Situation bei den Rettungsassistenten beschäftigt. Auch die damalige Regierung, die große Koalition, hatte in Gestalt des damaligen Staatssekretärs Rolf Schwanitz fast im Jahresrhythmus gesetzliche Neuregelungen angekündigt Es freut mich daher, dass wir nach so vielen Jahren nun endlich über einen Gesetzentwurf abstimmen, der zumindest von der Intention her die vorhandenen Probleme angeht, die Tätigkeit des Rettungsassistenten zu einem eigenständigen Gesundheitsberuf aufwertet, die Ausbildungsinhalte deutlich erweitert und auch die Ausbildungsvergütung besser regelt. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir diesen Gesetzentwurf grundsätzlich. Aber wo Licht ist, da ist häufig auch Schatten. Auch wenn die Koalition noch auf den letzten Drücker ein paar sinnvolle Änderungsvorschläge des Bundesrates aufgegriffen hat, sind doch Defizite geblieben. Erstens sind die heilkundlichen Maßnahmen, die Notfallsanitäter eigenständig übernehmen sollen, sehr unklar definiert. Es kann nicht angehen, dass dies somit von Rettungsstelle zu Rettungsstelle unterschiedlich gehandhabt wird. Das schafft gerade nicht die nötige Rechtssicherheit für die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Das betrifft im Übrigen auch die nach wie vor unglücklich formulierte Regelung zu den medizinischen Maßnahmen der Erstversorgung. Hier hoffe ich darauf, dass es im Zuge der Beratungen mit dem Bundesrat noch zu Änderungen kommen wird. Zweitens ist dieser Gesetzentwurf auch in einigen Details immer noch verbesserungswürdig. So ist es zum Beispiel nicht einzusehen, warum Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter das Recht verlieren sollen, ihre Berufsbezeichnung zu führen, wenn sie gesundheitlich nicht mehr geeignet sind. Das gibt es in anderen Berufen nicht. Die Koalition hatte da zwar mit einem Änderungsantrag nochmal nachgebessert. Das Problem bleibt dennoch bestehen. Auch hier hoffe ich auf den Bundesrat. Auch die Schwächen des Gesetzentwurfs bei der Finanzierung der Aus- und Weiterbildung von bereits berufstätigen Rettungsassistenten sowie bei den Übergangsregelungen für Rettungsassistenten bzw. zur Fort-geltung des Rettungsassistentengesetzes sind leider bis zum Ende der Beratungen im Ausschuss nicht vernünftig angepackt worden. Insgesamt ist das nun zur Abstimmung stehende Notfallsanitätergesetz zwar ein erheblicher Fortschritt. Wegen der vorhandenen Probleme vor allem im Hinblick auf die Kompetenzen der künftigen Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter können wir dem Gesetzentwurf allerdings nicht zustimmen und enthalten uns deswegen. Annette Widmann-Mauz, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Gesundheit: Uns alle kann -jederzeit und überall ein Unfall oder eine plötzliche -Erkrankung treffen. Wie selbstverständlich rufen wir dann den Rettungsdienst und erwarten schnell sachgerechte Hilfe und Versorgung. Dabei steht uns in der Regel eine notärztliche Versorgung zur Verfügung - wenn wir dies benötigen. Es kann aber auch zu Situationen kommen, in denen die Notärztin oder der Notarzt nicht sofort greifbar ist, zum Beispiel, wenn diese bei einem anderen Einsatz sind. Auch dann darf sich die Situation einer Patientin oder eines Patienten nicht dramatisch verschlechtern, auch wenn das nächste Krankenhaus weit entfernt ist. Das Beispiel zeigt, dass wir neben den Notärztinnen und Notärzten einen medizinischen Fachberuf brauchen, der im "Notfall" kompetent agieren und den unterschiedlichen situativen Anforderungen auf aktuellem Stand gerecht werden kann. Das geltende Rettungsassistentengesetz stammt aus dem Jahr 1989. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass die darin vorgesehene Ausbildung diesen Anforderungen nicht mehr in vollem Umfang genügt. Deswegen benötigen wir eine neue Ausbildung, deswegen benötigen wir das Notfallsanitätergesetz. Sein Kernpunkt ist das Ausbildungsziel. Es beschreibt einen modernen Gesundheits- und Heilberuf, der in der Lage ist, seine Arbeit selbst zu organisieren und sie an den Aufgaben auszurichten, die anstehen. Es beinhaltet eine angemessene Arbeitsaufteilung zwischen der Ärzteschaft und den Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitätern am Ort des Geschehens. Das Ausbildungsziel, das in der Ärzteschaft - meines Erachtens zu Unrecht - zu Kritik geführt hat, weist aus, über welche Kenntnisse und Fähigkeiten die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter verfügen müssen, um auch kritischen Einsatzsituationen gerecht zu werden. Dabei sage ich ausdrücklich: Wir wollen das bewährte System des notarztgeleiteten Rettungsdienstes erhalten, aber auch weiterentwickeln. Und darum wollen wir, dass die Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter in Situationen, in denen kein Notarzt zur Verfügung steht, von ihren erweiterten Kenntnissen und Fähigkeiten auch Gebrauch machen. Sie sollen Leben retten oder Patientinnen und Patienten helfen, wenn diese unter unerträglichen Schmerzen leiden. Hierfür werden wir die Berufsangehörigen durch die neue Ausbildung qualifizieren. Außerdem führen wir eine Ausbildungsvergütung ein. Schon in der Ausbildung sollen die Schülerinnen und Schüler eine angemessene Wertschätzung ihrer Arbeit erfahren. Das haben sie verdient. Zudem wird die -Ausbildung durch ihre Vergütung attraktiver. Denn wir konkurrieren im Gesundheitswesen mit anderen Berufen, die um qualifizierten Nachwuchs kämpfen. Auch die Feuerwehr, die ein wesentlicher Akteur im Rahmen des Rettungsdienstes ist, haben wir berücksichtigt. So haben wir die Forderung, die im Beamten-verhältnis stehenden Schülerinnen und Schüler zu -berücksichtigen, aufgegriffen. Fragen nach Anrechnungsmöglichkeiten der Feuerwehrausbildung über die allgemeine Anrechnungsregelung hinaus werden wir im Rahmen der Abstimmung der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung erörtern. Daneben sieht das Gesetz eine Änderung der Hebammenausbildung vor. Sie bildet die veränderte Tätigkeit der Hebammen und Entbindungspfleger ab, denn das Wochenbett verlagert sich zunehmend aus dem -Krankenhaus in das häusliche Umfeld. Die Wochenbettbetreuung gehört zu den vorbehaltenen Aufgaben der Hebammen. Deshalb sollen sie dort qualifiziert werden können, wo sie am meisten lernen. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf modernisieren wir einen wichtigen Beruf im Gesundheitswesen und leisten einen Beitrag zur Sicherstellung der guten medizinischen Versorgung der Menschen in Deutschland. "Der Worte sind genug gewechselt, lass mich endlich Taten sehen!" Mit diesen Gedanken von Goethe verfolgen die vielen Beteiligten am Rettungswesen Deutschlands heute unsere Debatte. Sie wollen sehen, dass ihre einhelligen Forderungen nach einer Novellierung der Rettungsassistentenausbildung endlich umgesetzt -werden. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung zu dem Gesetz. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Zusammenarbeit mit China intensivieren - China-Kompetenzen in Deutschland ausbauen (Tagesordnungspunkt 17) Manfred Grund (CDU/CSU): Der Aufstieg Chinas verlangt uns Veränderungen ab. Die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Deutschland und China haben sich kontinuierlich vertieft. Zugleich aber ist die Wahrnehmung Chinas in Deutschland wie in der übrigen EU noch immer oft von Stereotypen geprägt. Deutschland und seine Eliten werden sich intensiver als bisher mit China auseinandersetzen müssen. Wir werden sonst weder die Chancen nutzen können, die sich aus der Zusammenarbeit mit China ergeben, noch werden wir den strategischen Herausforderungen gewachsen sein, die sich aus einem Aufstieg Chinas ergeben. Der vorliegende Antrag geht auf eine Reihe dieser Chancen und Herausforderungen ein. Er würde damit durchaus Ansatzpunkte für eine konstruktive Diskussion bieten. Nur nutzt er das Thema oft als Anlass für eine unsachgemäße Kritik an der Bundesregierung. Napoleon wird gelegentlich - möglicherweise zu -Unrecht - der Ausspruch zu geschrieben, mit dem -Erwachen Chinas würde die Welt erzittern. Heute ist China erwacht; doch stellt sich die Frage, ob Europa die Konsequenzen ausreichend wahrnimmt. Die Große Mauer ist heute nicht mehr Symbol eines Landes, das sich von der Außenwelt abschließt. Im Gegenteil: Europa ist heute eher Teil des chinesischen Gesichtskreises, als China umgekehrt Teil des europäischen Horizonts ist. Für zu viele Deutsche ist China auch im übertragenen Sinn noch immer ein fernes Land. Es ist richtig: Chinesische Gesprächspartner sind oft besser über die Verhältnisse in Europa informiert als ihre europäischen Kollegen über die Verhältnisse in China. Das hat weniger damit zu tun, dass unsere Gesellschaften offener sind als die chinesische. Chinesische Eliten studieren Europa in der Regel intensiver als europäische Eliten China. In den europäischen Institutionen kommt hinzu, dass die Komplexität der Entscheidungsprozesse Zeit und Energie absorbiert. Wir sind auch in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik oft so sehr mit uns selbst beschäftigt, dass die Wahrnehmung der Außenwelt darunter leidet, von konkretem Handeln oder Strategie gar nicht zu reden. Das heißt, wir brauchen mehr Kohärenz und Strategie in Brüssel. Wir werden aber auch auf der nationalen Ebene mehr tun müssen. Wir sollten die China-Kompetenz in Deutschland deutlich ausbauen. An unseren Schulen und Universitäten müssen wir Kenntnisse über China stärker vermitteln. Das gilt auch und vor allem für Sprachkenntnisse. Wir werden in unserer Außenpolitik künftig sehr viel mehr auf eine gute Expertise über China angewiesen sein. Auch die deutsche Wirtschaft wird diese Expertise dringend brauchen. Hier sind aber vor allem die Bundesländer gefordert, mehr zu tun. Der Aufstieg Chinas zur Weltmacht stellt die grund-legendste machtpolitische Umwälzung nicht nur unserer Zeit dar. Sie markiert das abschließende Ende von mehreren Jahrhunderten europäisch-westlicher Dominanz in der Weltpolitik. Unser eigenes Gewicht wird deutlich sinken. Wir sollten daher auch unsere eigenen Einflussmöglichkeiten nicht überschätzen. Doch stellt der Aufstieg Chinas für uns keinen Anlass für vordergründige Ängste dar. Um die Folgen konstruktiv mitgestalten zu können, brauchen wir vielmehr ein realistisches Verständnis für die komplexen Strukturen und Interessen der chinesischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei sind die gemeinsamen Handlungsfelder auch heute schon erheblich. Das gilt sicherlich auch für den Bereich der Klima- und Energiepolitik. Mit Recht -verweist der Antrag auf die großen Anstrengungen -Chinas um den Ausbau erneuerbarer Energien und eine Reduzierung von Treibhausgasen. Diese Anstrengungen werden oft weit weniger gesehen als die Auseinander-setzungen um die Festlegung verbindlicher Klimaziele oder Handelsstreitigkeiten wie die Anti-Dumping--Verfahren der EU gegen die chinesische Solarindustrie. Dabei ist die Subventionierung erneuerbarer Energien allerdings auch nicht auf China begrenzt. Wir haben durchaus selbst Anlass, die Nachhaltigkeit unserer Politik in dieser Hinsicht zu hinterfragen. Richtig ist aber, dass wir die Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik fortsetzen und ausbauen sollten. Ich selbst war dafür, auch die traditionelle Entwicklungszusammenarbeit mit China fortzusetzen, und zwar nicht deshalb, weil China nicht über die Mittel verfügen würde, solche Projekte selbst zu finanzieren, sondern weil die Entwicklungszusammenarbeit auch für uns eine wichtige Quelle unseres Verständnisses für Entwicklungsprozesse in Chinas und ein wichtiges Instrument zum Erfahrungsaustausch ist. Jetzt geht es aber darum, die Kooperation in der Entwicklungszusammenarbeit gegenüber Drittländern auszubauen. Das BMZ hat mit seinen chinesischen Partnern einen strategischen Dialog zur Entwicklungszusammenarbeit eröffnet, den es konsequent zu vertiefen gilt. Das ist ein Beispiel dafür, dass Intentionen des Antrags bereits Bestandteil der Politik dieser Bundesregierung sind. Es gibt hier zwar auch strittige Akzentsetzungen und Bewertungen. In vielen Punkten markiert der Antrag aber keine Differenzen zwischen Koalitions- und Oppositionsfraktionen. Er beschreibt vielmehr eine ganze Reihe von Anliegen und Herausforderungen, die wir sehen und bereits verfolgen. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Der rasante Aufstieg Asiens hat sich in den vergangenen Jahren unverändert fortgesetzt. Motor ist dabei insbesondere die -Entwicklung in der Volksrepublik China. Rekordwachstumsraten in zweistelliger Höhe und gesellschaftliche Umbrüche stellen nicht nur China selbst und seine Bevölkerung vor gewaltige Herausforderungen. Vielmehr haben die Entwicklungen in China in unserer globalisierten Welt auch direkte Auswirkungen auf die Europäische Union und Deutschland. China hat sich zu einem der wichtigsten Handelspartner Deutschlands außerhalb der Europäischen Union entwickelt. Deutsches Know-how und deutsche Wertarbeit genießen in China den besten Ruf und werden entsprechend nachgefragt. Der Export nach China hat mit dazu beigetragen, dass deutsche Unternehmen die Wirtschaftskrise in den Jahren 2008 und 2009 weitaus besser bewältigen konnten, als dies in vielen unserer europäischen Nachbarstaaten der Fall war. Der wirtschaftliche Erfolg Chinas hat allerdings auch seine Schattenseiten. Der immense Rohstoffhunger des chinesischen Wachstums hat direkten Einfluss auf -unsere Märkte und Preise. Die Klimaschutzziele zur Reduzierung der weltweiten CO2-Emmissionen sind ohne Mitwirkung Chinas nicht realisierbar. Es ist daher unerlässlich, den Dialog und die Zusammenarbeit mit China zu suchen und zu intensivieren. Sowohl auf der politischen als auch auf der wirtschaftlichen, kulturellen und zivilgesellschaftlichen Ebene findet ein reger Austausch statt. Die politischen Kontakte setzen bei den Regierungen an und ziehen sich durch alle Ebenen bis hin zu kommunalen Partnerschaftsprogrammen. Bilaterale Kabinettssitzungen verdeutlichen den besonderen Stellenwert der deutsch--chinesischen Beziehungen. Flankiert wird dies durch weitere regelmäßige bilaterale Kontakte wie den deutsch-chinesischen Rechtsstaats- und Menschenrechtsdialog. Unser Leitbild von universellen Menschenrechten und einer stabilen internationalen Ordnung ist dabei stets Gesprächsgrundlage. Im Rahmen der Dialogprogramme leisten wir einen Beitrag, um rechtsstaatliches Denken und Handeln zu fördern. Dabei gilt es, Diskussionen mit erhobenem Zeigefinger zu vermeiden. Aber zum Diskurs auf Augenhöhe gehört es schon auch, Missstände in Menschenrechtsfragen offen anzusprechen. Die Bundeskanzlerin hat dies in ihren Gesprächen mit der chinesischen Staatsführung stets getan. Dafür gebührt ihr unser Respekt. Wir werden uns auch weiterhin auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass in China die universellen Menschenrechte für alle Menschen gewährleistet werden. Bildung und Forschung spielen eine wichtige Rolle, um ein gesellschaftliches Bewusstsein für Rechtsstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte zu schaffen. Deshalb wurden in die laufenden Programme konkrete Vorhaben zur Hochschulzusammenarbeit mit aufgenommen. Neben der Fortführung und Intensivierung der -Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China gehören dazu auch Stipendien- und Austauschprogramme. Erfreulich ist, dass in Deutschland das Interesse an Asienwissenschaften und Sinologie stetig wächst. So sind in den vergangenen zehn Jahren klar ansteigende Studierendenzahlen in diesen Bereichen zu verzeichnen. Den Weg des gegenseitigen Austauschs sollten wir auch in den kommenden Jahren weitergehen und intensivieren. Abschließend darf ich noch eine Thematik zur Sprache bringen, bei der von einem - jedenfalls einvernehmlichen - gegenseitigen Austausch keine Rede sein kann. Die Berichterstattung der vergangenen Tage hat wieder einmal vor Augen geführt, wie akut Hackerangriffe unsere Netzinfrastrukturen von Politik, Verwaltung und Unternehmen gefährden. Es ist kein Geheimnis, dass die Angriffe auf unsere Informationssysteme allzu oft von Servern ausgehen, die in der Volksrepublik China stehen. Neben der eigenen Aufklärung und Abwehr solcher Angriffe im Cyberraum müssen wir im Rahmen der -Kooperation mit China sicherstellen, dass diese Attacken auch im Herkunftsland mit allem Nachdruck verfolgt und unterbunden werden. Die chinesische Führung hat hier bereits Zugeständnisse gemacht. So hat China mit der Europäischen Union vereinbart, eine Cyber Task Force ins Leben zu rufen. Es liegt nun an der chinesischen Regierung, die Schlagkräftigkeit ihrer Bemühungen unter Beweis zu stellen. Johannes Pflug (SPD): Im letzten Jahr feierten wir vierzig Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und China. "China und Deutschland sind ideale Partner...", so bezeichnete Altbundeskanzler Gerd Schröder bereits im Jahr 2010 die deutsch-chinesischen Beziehungen. Dem kann ich nur zustimmen: Die Beziehungen zwischen Deutschland und China sind freundschaftlich, vertrauensvoll und erstrecken sich auf alle Politikfelder. Innerhalb der Staaten der Europäischen Union spielt Deutschland im Verhältnis zu China eine herausragende Rolle. Auf fast allen politischen Feldern gibt es eine enge - institutionalisierte - Zusammenarbeit: Seit 1999 existiert der deutsch-chinesische Menschenrechtsdialog und im deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog tauschen sich die Juristen beider Länder aus. Aber auch Kunst und Kultur spielt in den deutsch-chinesischen Beziehungen eine wichtige Rolle. So fand letztes Jahr das chinesische Kulturjahr in Deutschland anlässlich des 40. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen statt. Besonders wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang das gemeinsame Kommuniqué zur umfassenden Förderung der Strategischen Partnerschaft, das im Jahr 2010 verfasst wurde; diese Partnerschaft dient vor allem dazu, die Millenniumsziele zu erreichen. All solche Verbindungen helfen, sich gegenseitig kennenzulernen, Vertrauen zu schaffen und Verständnis füreinander zu entwickeln. Jedoch erweisen sich vor allem die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen als eine große Erfolgsgeschichte: Im Jahre 1972 exportierten deutsche Unternehmen Waren für gerade mal 270 Millionen Dollar nach China - im Jahr 2011 hatten die deutschen Ausfuhren nach China einen Warenwert von 64,8 Milliarden Euro; die Einfuhren aus China hatten einen Wert von 79,2 Milliarden Euro. Seit 2002 ist China nach den USA und noch vor Japan der zweitwichtigste deutsche Exportmarkt außerhalb Europas: Deutschland ist mit Abstand Chinas größter Handelspartner in Europa und steht in der Rangfolge der weltweiten Handelspartner Chinas auf Platz fünf. Eine beachtliche Entwicklung in vierzig Jahren! Zudem ist China das größte Lieferland Deutschlands. Deutschland importiert vor allem elektrotechnische Erzeugnisse, Spielwaren, Textilien, Bekleidung sowie Maschinen und Anlagen. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen gibt es innerhalb der Wirtschaftsbeziehungen der beiden Länder auch Probleme und Unstimmigkeiten: Deutsche Unternehmen kämpfen in China mit langwierigen Zertifizierungsverfahren für ihre Zulassung und für ihre Produkte, immer wieder haben sie es mit Technologienklau von chinesischer Seite zu tun. Auch müssen sich deutsche Firmen mit Zugangsbeschränkungen für den chinesischen Markt auseinandersetzen, dies gilt insbesondere bei Ausschreibungen für Aufträge der öffentlichen Hand. Es gilt die Beschränkung bei Kapitalbeteiligungen deutscher Unternehmen von mehr als 50 Prozent. Jedoch kämpft auch die chinesische Seite mit Misstrauen aus Deutschland, bei deutschen Firmen geht die Sorge vor chinesischen Kapitalbeteiligungen und Mehrheitsanteilseigentum um. Sie sehen, hier gibt es noch erheblichen Klärungsbedarf. Bei aller Freude über die deutsch-chinesischen Beziehungen, die auf politischer und wirtschaftlicher Ebene trotz aller eben geschilderten Schwierigkeiten ausgezeichnet sind, möchte ich ein Problem benennen: Die deutsche (politische) Sonderrolle, nämlich dass Deutschland von China als der europäische Ansprechpartner angesehen wird, kann als schwierig angesehen werden. Dringend notwendig wäre eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik gegenüber beziehungsweise mit China - leider mangelt es der EU an einer solchen gemeinsamen Politik. Auch wären regelmäßige institutionalisierte Gespräche zwischen der NATO und China erforderlich, um mäßigend auf die sich verschärfenden Konflikte im Gelben Meer, aber auch auf die zunehmende Konkurrenz und Rivalität zwischen den USA und der Volksrepublik zu wirken. Damit hier kein Missverständnis aufkommt: Die NATO hat als transatlantisches Verteidigungsbündnis nichts im asiatisch-pazifischen Raum zu suchen. Jedoch sind die USA führendes NATO-Mitglied und das Bündnis kann auch der Konfliktprävention dienen. Bei der Betrachtung der deutsch-chinesischen Beziehungen im Besonderen, aber auch des Landes China im Allgemeinen, muss man erkennen, dass sich China in -einer Phase des Umbruchs befindet, vor allem im innenpolitischen Bereich. Hier hat China mit großen -Schwierigkeiten und Disparitäten zu kämpfen: Eine aufstrebende Mittelschicht verlangt nach mehr demokratischen Mitspracherechten, die Unterschiede zwischen Arm und Reich sowie die Unterschiede in der Infrastruktur zwischen den Küstenstädten, ländlichen Regionen und Provinzen werden immer größer. Es bestehen immense Umwelt- und Klimaprobleme, Ressourcenverschwendung und Unterschiede in den Lebensverhältnissen. Die sozialen Sicherungssysteme sind kaum entwickelt und in den meisten Behörden herrscht Korruption. Deutschland kann hier als Partner und "ehrlicher Makler" wichtige Hilfestellungen geben, diese Probleme zu lösen. Da hierfür eine gute, vertrauensvolle Beziehung das Fundament bildet, plädiere ich im Sinne des Antrags: Es ist unerlässlich, die Kontakte zwischen Deutschland und China auf allen Ebenen und allen Bereichen zu intensivieren und zu verfestigen. Hierzu zählen Kontakte zwischen zivilgesellschaftlichen Einrichtungen, der Jugendaustausch, Sport-, Kultur- und Wissenschaftsaustausch sowie persönliche Freundschaften; insbesondere aber auch institutionalisierte Kooperation von Institutionen, wie zum Beispiel dem Goethe- oder Konfuzius-Institut zum gegenseitigen Sprachenlernen und Stiftungskooperationen. In diesem Geiste besteht die sehr gute Chance, die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und China in den nächsten vierzig Jahren noch weiter zu entwickeln und krisenfest und freundschaftlicher zu machen. Dr. Rainer Stinner (FDP): Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie der vorliegende Antrag entstanden ist. Da hat irgendjemand in der grünen Fraktion gesagt: Wir müssen mal was zu China machen - und dann haben Sie angefangen, alles, was Ihnen einfällt, mal zusammenzuschreiben. Dann muss natürlich irgendwo auch der Bundesregierung ans Bein gepinkelt werden. Dann haben Sie aber vergessen, die Dinge etwas zu ordnen. Und so haben wir hier ein Dokument wie Kraut und Rüben. Der Chinese würde vielleicht "hong he feng" sagen, wenn er das deutsche Wortspiel verstünde. In dem Feststellungsteil benennen Sie die Komplexität Chinas, handeln dann Entwicklungspolitik und Low Carbon ab. Dann wird die angebliche Wirtschaftslastigkeit der deutschen China-Politik beklagt, bevor über Klima geredet wird. Dann wird betont, dass man gegenüber China strategisch richtig aufgestellt sein muss. Zum Schluss wird auf die mangelnde China-Kompetenz in Deutschland verwiesen. Den Buhmann der Bundesregierung muss Minister Niebel spielen. Er wird kritisiert, dass er die längst überfällige Reorientierung der Entwicklungszusammenarbeit vorgenommen hat. In diesem Zusammenhang interessiert die Grünen-Fraktion vielleicht, dass über 200 Mitarbeiter der GIZ heute in China an sinnvollen und von China bezahlten Projekten arbeiten. Ein Fortschritt, der Lob statt Tadel verdient hätte. Bemerkenswert ist auch, was in dem Antrag nicht erwähnt ist. Nicht erwähnt ist die sehr umfangreiche Regierungskooperation, bei der zum Beispiel 13 chinesische Minister nach Deutschland gekommen sind. Nicht erwähnt wird, dass China mit keinem anderen Land der Welt eine solche enge und intensive Kooperation über viele Fachfragen eingegangen ist. Nicht erwähnt wird die Bedeutung der engen wirtschaftlichen Beziehungen für Beschäftigung und Wohlstand in Deutschland. Vielmehr werden diese wirtschaftlichen Beziehungen eher abschätzig als zu dominant beschrieben. Nicht erwähnt und gewürdigt wird der sehr intensive Rechtsstaatsdialog mit China, der zu vielen ganz konkreten Projekten der Zusammenarbeit geführt hat. Nicht erwähnt wird der Menschenrechtsdialog, der zwar manchmal zäh verläuft, der aber immer noch aufrechterhalten und der mit großem Engagement vom Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung betrieben wird. Nicht erwähnt werden die umfangreichen Bildungskontakte mit circa 30 000 chinesischen Studenten in Deutschland und die vielfältigen kulturellen Beziehungen wie zum Beispiel die spektakuläre Ausstellung über die Aufklärung in Peking. Nicht erwähnt in dem Antrag werden die Notwendigkeit und die Anstrengungen, mit China auf dem Gebiet der Außenpolitik zusammenzuarbeiten. Das betrifft die UNO, die Iran-Gespräche 3 plus 3, die Bemühungen zu Syrien usw. usw. Der bunte Strauß der Beliebigkeit und des Zufalls setzt sich im Forderungsteil nahtlos fort. Als Erstes stellt die Grünenfraktion die heroische Forderung auf, "einen klaren, kohärenten und langfristig orientierten strategischen Gesamtansatz gegenüber China zu entwickeln und diesen in Form eines Strategiepapiers zu veröffentlichen". Gut gebrüllt, eine solche Forderung macht sich immer gut. Dann folgt ein Sammelsurium von Forderungen, zum Teil mit Kosten verbunden, denen es gerade an "einem strategischen Gesamtansatz" gebricht. Es werden weitere neue Stellen gefordert, es sollen Mittel verstärkt für asienbezogene Forschung ausgegeben werden, ohne zu sagen, wo sie denn gestrichen werden sollen. In Afrika etwa? Es sollen die strategischen Partnerschaften der EU gestärkt werden. Welche? Wozu? Wie? Keine Aussage. Es wird unter 10 a gefordert, einen Neustart der Entwicklungszusammenarbeit vorzunehmen. Offensichtlich ist den Verfassern die Projektvielfalt der Arbeit der GIZ nicht bekannt. Dieses Informationsdefizit wäre schnell zu beheben, wenn man denn wollte. Auch in dem Forderungsteil kommt die Außenpolitik nicht vor. Offensichtlich haben die Außenpolitiker, obwohl im Rubrum vorne stehend, nicht an dem Antrag federführend mitgearbeitet. Oder sie sehen die außenpolitischen Dimensionen der Kooperationsmöglichkeiten und -notwendigkeiten nicht als so wichtig an. Ich weiß nicht, welche Variante für die Grünenfraktion schmeichelhafter ist. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion, dieser Antrag wird der Bedeutung der deutsch-chinesischen Beziehungen nicht gerecht. Wir lehnen ihn ab. Stefan Liebich (DIE LINKE): Bündnis 90/Die Grünen haben mit ihrem Antrag den für Deutschland so wichtigen Beziehungen zu China nach langer Zeit mal wieder die Möglichkeit verschafft, im Parlament eine Rolle zu spielen. Dafür gebührt ihnen ein Dank. Der Antrag benennt eine Kritik, die ich unterstütze: Eine kohärente Strategie für die Beziehungen zu China haben weder die Bundesregierung noch die Europäische Union. Wenn wir uns das Agieren der Bundesregierung in den letzten Jahren anschauen, aber auch die Arbeit der EU, dann kann man nur sagen: Mit einer gemeinsamen Politik hat das nichts zu tun, hier macht lieber jeder seins. Da wächst am Pazifik eine neue Supermacht heran, die ernsthaft mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts ringt, und das Einzige, was der Bundesregierung einfällt, ist: Kauft euch mal mit euren Devisenreserven beim Euro ein und kauft mehr deutsche Autos, die wir auch gleich billig bei euch produzieren! - Das ist armselig. Beim zweiten Blick auf die Politik der Bundesregierung und der EU wird deutlich: Die VR China wird noch immer als Gegenüber verstanden und nicht als ernsthafter Partner. Die Situation der Menschenrechte wird gern als Indiz herangezogen. Es ist nur wenig glaubwürdig, wenn unser Land gleichzeitig Waffen nach Saudi-Arabien und andere "Demokratien" des Nahen Ostens exportiert. Und auch die Stimme der Bundeskanzlerin gegenüber China ist in dieser Frage leiser geworden. Offenbar sind die wirtschaftlichen Interessen wichtiger. Der wirtschaftliche Aufschwung Chinas ist in der Tat atemberaubend, und - auch wenn hierüber wenig gesprochen wird - es gibt bei etlichen in der chinesischen Führung Sorgen über die zunehmende soziale Spaltung des Landes. Nicht nur das, sie versuchen auch, gegenzusteuern. Gut so. Das Ziel von Deng Xiaoping war: "Einigen Menschen soll es früher als anderen möglich sein, reich zu werden. Die KP Chinas wird eine Polarisierung der Gesellschaft jedoch nicht zulassen." Reich geworden sind mittlerweile manche. Nun muss auch der zweite Teil noch energischer in Angriff genommen werden. Zugenommen haben aber auch Probleme, die eine rasante wirtschaftliche Entwicklung mit sich bringt: Umweltschäden zum Beispiel. Andererseits ist China, und der grüne Antrag verweist darauf, ein Land, das sich damit nicht nur konfrontiert sieht, sondern auch versucht, gegenzusteuern. Hier, aber auch bei sozialen Standards haben Deutschland und China gemeinsame Interessen. Doch wo ist die entschlossene Kooperation? Wieder Fehlanzeige! Chinas Engagement in der Welt nimmt zu. Im eigenen Namen, aber auch in der internationalen Gemeinschaft. Und wieder schaut Europa, schaut Deutschland einfach nur zu. Kritik an den USA, die eine offensivere Strategie gegenüber China verfolgen, zum Beispiel durch Truppenverlagerungen, hört man nur sehr leise. Warum eigentlich? Wir erleben im pazifischen Raum ein beispielloses Wettrüsten. China investiert in seine Flotte, auch als Reaktion auf die Verlagerung größerer amerikanischer Flottenverbände in den Pazifik. Und China entwickelt, wen wundert es, nun auch eigene Drohnen und eigene Transportflugzeuge, um seine strategischen Fähigkeiten auszubauen. Ist das in unserem Interesse? Ich meine, nein. Wir brauchen, da legt der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen den Finger in die Wunde, eine konsistente Strategie für unsere Beziehungen zu China, nicht nur als Bundesrepublik Deutschland, sondern auch als Europäische Union. Wir müssen China nicht nur als Billigproduzenten und Absatzmarkt begreifen, sondern in der Tat als ebenbürtigen Partner in einer sich dramatisch verändernden Welt. Klimawandel und die Folgen der Globalisierung betreffen uns gleichermaßen und können nur gemeinsam beantwortet werden. Dazu ist Sensibilität und die Fähigkeit zum Zuhören von unschätzbarer Bedeutung. Viele Ansätze im Antrag der Grünen sind aus meiner Sicht zu begrüßen. Austausch, Ausbau des Verständnisses und der interkulturellen Kompetenz durch Sprache, Kultur und Geschichte sind gut und wichtig. Zusammenarbeit der Menschen in der Zivilgesellschaft ist zu fördern. Herausforderungen, wie gesellschaftlicher Wandel, Wertewandel und Klimawandel, zu beantworten. In Worten und besser noch in Taten. Diese Debatte sollten wir hier im Parlament beginnen, weil die Bundesregierung die Zeichen der Zeit verschläft. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Focus hat diese Woche verdeutlicht, welches Niveau Debatten zu China bei uns häufig haben: In der Hoffnung, seine Verkaufszahlen nach oben zu treiben, zeigt er einen hungrigen Drachen auf der Frontseite und titelt "China macht Angst" - es sollte heißen "Unwissenheit macht Angst". Fakt ist: China wird für uns sowohl wirtschaftlich als auch geopolitisch bald einen ähnlichen Stellenwert wie die USA einnehmen. Es gibt eine erhebliche Verschiebung der Machtverhältnisse, und dennoch ignoriert es die Bundesregierung gekonnt und trägt damit zu vorurteilsbehafteten Diskussionen bei. Mit 711 Milliarden US-Dollar pro Jahr für ihre Militärausgaben liegen die USA noch weit vor der Volksrepublik mit 148 Milliarden US-Dollar - warum also -haben wir Angst vor China, nicht aber vor den USA? Ich wage eine Vermutung: weil wir deutlich besser mit den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen in den USA vertraut sind - zu wenig aber immer noch über die heranwachsende Weltmacht im Osten wissen. Auch der Bundestag bildet da keine Ausnahme. Der vom Focus betitelte "Unheimliche Partner" ist deshalb so unheimlich, weil wir uns dem Land immer noch aus der Ferne nähern. Wir wissen gar nicht in der gesamten Breite, was dort im Einzelnen passiert, welche Debatten geführt werden oder welche Akteure das Land lenken. Nur wenige Menschen in Deutschland lernen Chinesisch; im Geschichts- oder Politikunterricht spielt China keine Rolle, und nur wenige Privilegierte haben die Möglichkeit, an einem Schüleraustausch mit China teilzunehmen. Das macht es einigen Journalisten leicht, mit einer billigen Titelgeschichte Ängste zu schüren, anstatt das Kind beim Namen zu nennen: Wir werden die globalen anstehenden Probleme ohne China kaum lösen und können uns diese Nichtbeachtung auf Dauer schlicht nicht mehr leisten. Im Klimaschutz, bei der Armutsbekämpfung und der Wirtschaft wird ohne China kein nachhaltiger Wandel möglich sein. Dies mag uns gefallen oder nicht, aber es handelt sich um einen Fakt. Entgegen der populären Meinung ist China sicher vieles - aber kein monolithischer Block. Wie wollen wir diese politische Herausforderung angehen? Wir sagen: Nur mit kompetenten Personen und dem nötigen Fachwissen können wir dieser systematisch begegnen. Nur, wie sieht die Realität bei uns aus? Unser Außenminister begrüßte den neuen chinesischen Botschafter mit den Worten "wo ai ni" was so viel heißt wie "Ich liebe dich", und versucht damit seine China-Kompetenz unter Beweis zu stellen. Wie bitte ist das denn zu verstehen? Nicht nur hier wäre eine kompetente Beratung des Außenministers wertvoll gewesen, um den anwesenden China-Kennern nicht die Schamesröte in die Gesichter zu treiben. Dagegen parieren der chinesische Botschafter und seine Mitarbeiter jede Gesprächssituation im nahezu akzentfreien Deutsch. Wir setzen uns mit unserem Antrag für die Stärkung von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein. Noch immer werden gewaltfreie Regimekritikerinnen und Regimekritiker und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger verhaftet und schikaniert. Konkrete menschenrechtspolitische Ankündigungen der chinesischen Führung müssen auch Taten folgen. -Wirtschaftsinteressen dürfen kein Grund sein, darauf zu verzichten. Doch die Bundesregierung hat leichtfertig Instrumente der Zusammenarbeit aus der Hand gegeben. So gab es im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit zukunftsweisende Konzepte. Minister Niebel hat es -geschafft, mit seinem abrupten Abbruch gut installierter Projekte in China unter Beweis zu stellen, wie wenig er von einer funktionieren Zusammenarbeit mit der -Volksrepublik China auf wichtigen Feldern wie dem internationalen Klimaschutz, der Verkehrspolitik, der Rechtsstaatsentwicklung oder der Finanzsektorberatung hält: leider gar nichts. Er zeigte sich beratungsresistent. Zwei konkrete Beispiele also für unseren dringenden Nachholbedarf in Sachen China-Kompetenz. Somit ist eines klar: Wir werden auch in Zukunft von China an vielen Stellen nicht unbedingt pfleglich behandelt werden. Der an politischem Einfluss wachsende Partner lässt sich immer weniger gern kritisieren, straft Partner ab, die das dennoch tun, und tritt im wirtschaftlichen Wettbewerb zunehmend selbstbewusst auf. So leidet etwa die Solarindustrie in Deutschland unter dem harten direkten Wettbewerb mit China. Die Antwort muss hier Kooperation statt Marktabschottung lauten. Und gerade deswegen ist es uns Grünen wichtig - weil wir trotz unserer kritischen Haltung gegenüber China die Zusammenarbeit intensiver wollen. Ziel muss es sein, das Land und seine Menschen und vor allem die politisch Handelnden besser zu verstehen. "China-Versteher" darf kein Schimpfwort mehr sein. Es geht nicht um kritikloses Abnicken, sondern um eine ernst gemeinte Auseinandersetzung mit der politischen Situation in China. Das wird nur mit soliden China-Kompetenzen in Deutschland funktionieren. Unsere Fraktion will deshalb vorangehen, um diese Lücke zu schließen. Wir fordern deshalb nicht nur einen kohärenten Gesamtansatz, sondern eine echte "China-Offensive" - ohne dabei unkritisch im Umgang mit der Regierung zu sein. Aber um auf Augenhöhe in Zukunft mit China -zusammenzuarbeiten, fordern wir neben mehr China--Kompetenz in Ministerien und Behörden auch einen -Koordinator für deutsch-chinesische Beziehungen im Auswärtigen Amt, wie es ihn für die transatlantischen Beziehungen bereits lange gibt. Ohne eine kohärente Gesamtstrategie in Deutschland werden wir uns weiterhin mit der erfolglosen Symbol-politik der Bundesregierung abgeben müssen. Dabei ist eine konsequente, kohärente Politik für Menschenrechte und Nachhaltigkeit unabdingbar, um substanzielle Veränderungen zu erreichen. Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes - Entwurf der Bundesregierung eines Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes (Tagesordnungspunkt 18) Michael Brand (CDU/CSU): Vorab können wir mit Genugtuung feststellen: Die große Gemeinsamkeit zwischen den großen Volksparteien beim Thema Bundeswehr ist bewahrt und hat sich einmal mehr bewährt. Nach den tiefgreifenden strukturellen Umstellungen für die Bundeswehr und dem damit verbundenen Aussetzen der Wehrpflicht haben wir uns schon damals vorgenommen, die entsprechenden rechtlichen Anpassungen vorzunehmen, um vom Wehrpflichtgesetz überzuleiten und die nach der Aussetzung der Wehrpflicht gebotene einheitliche Rechtsgrundlage für alle diejenigen zu schaffen, die gemeinsam ihren Dienst in der Bundeswehr tun. Diese Grundlage liegt nun vor, und wir sind als CDU/CSU froh, dass wir dieses Gesetz gemeinsam mit dem Koalitionspartner und auch der Volkspartei SPD beschließen können. Dass die Grünen ein noch immer nicht komplikationsfreies Verhältnis zur Parlamentsarmee haben und die Linke eine fast schon feindlich-negative Einstellung - um einmal einen SED-Jargon zu benutzen - tut der Tatsache keinen Abbruch, dass wir als Deutscher Bundestag diese gesetzliche Grundlage mit einer Mehrheit größer als die Verfassungsmehrheit, also von über zwei Dritteln der im Parlament vertretenen Mandate, verabschieden können. Dieses Signal ist wichtig für die Parlamentsarmee, der wir uns - nahezu alle hier im Hohen Hause - in besonderer Weise verpflichtet fühlen. Wir sind den Soldatinnen und Soldaten, den kurz Dienenden, den länger Dienenden und den Berufssoldaten, für ihren Dienst am Vaterland in schwieriger und gefährlicher Mission sehr dankbar. Ich möchte sehr persönlich, auch aus eigener Erfahrung mit den Risiken des Einsatzes, hinzufügen: "Ehre, wem Ehre gebührt" - und denen, die sich für den Frieden und für die Freiheit unter Einsatz ihres Lebens einsetzen, Frauen und Männern, gebührt die Ehre, auch dieses Parlaments. Die gesetzliche Regelung, die wir heute beraten, enthält im Kern keine Neuregelungen. Insofern kann allen denjenigen Entwarnung gemeldet werden, die wegen der Umstellung die Ungewissheit hatten, was denn nun Neues auf sie zukommt. Mit dem neuen, angepassten Soldatengesetz schaffen wir nun ein einheitliches Dienstrecht für alle Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr. Darum geht es, um nicht mehr und nicht weniger. Es ist gut, dass wir diese einheitliche Regelung gefunden haben. Es ist gut, dass wir dies hier mit sehr breiter Mehrheit beschließen. Und es ist gut, dass wir die Bundeswehr als Parlamentsarmee haben. Für meine Fraktion der CDU/CSU danke ich dem Ministerium für die Zuarbeit und versichere den Soldatinnen und Soldaten, dass wir als CDU/CSU auch in Zukunft an ihrer Seite stehen und unserer Verantwortung für die Bundeswehr gerecht werden. Markus Grübel (CDU/CSU): Vor fast genau zwei Jahren - am 24. Februar 2011 - stand ich vor diesem Hohen Hause und habe zu zwei Gesetzestexten gesprochen, die vor allem für junge Menschen in unserem Land und ihrem Verhältnis zur Gesellschaft eine ganz neue Chance eröffnet haben. Gemeint sind das Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 und das Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes. Mit beiden Gesetzen wurde freiwilliges Engagement in unserer Gesellschaft auf ein vollkommen neues Fundament gestellt und der Grundstein für eine neue Freiwilligenkultur gelegt. Vor dem Hintergrund einer veränderten sicherheitspolitischen und demografischen Lage haben wir uns mit dem Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 für die Aussetzung der Wehrpflicht, die über Jahrzehnte ein Sicherheitsgarant der Bundesrepublik Deutschland war, entschieden und einen neuen freiwilligen Wehrdienst eingeführt. Diese Entscheidung fiel vielen von uns, zu denen ich mich auch zähle, sehr schwer. Aber: Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit, wie mein Kollege Volker Kauder einmal treffend formulierte. Und die sicherheitspolitische Wirklichkeit hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges gewandelt. Die Aufrechterhaltung der Wehrpflicht war angesichts eines veränderten Aufgabenspektrums für unsere Streitkräfte nur schwer begründbar. Neben der Veränderung der sicherheitspolitischen Lage war auch aus Gerechtigkeitsgründen die immer geringer werdende Zahl an eingezogenen Männern nur schwer zu rechtfertigen. Zuletzt betrug die Dauer des Wehrdienstes außerdem nur noch 6 Monate. Fraglich ist, ob sowohl die Bundeswehr als auch der Wehrpflichtige von einem derart kurzen Zeitraum profitieren konnten. Wir haben daher die Wehrpflicht durch einen freiwilligen Wehrdienst ersetzt, den Männer und Frauen bis zu 23 Monaten absolvieren können. Mit diesem Dienst -ermöglichen wir jungen Menschen, staatsbürgerliche Verantwortung zu übernehmen und ihrem Land in besonderem Maße zu dienen - getreu dem Motto "Wir.Dienen.Deutschland". Das Pendant zur Wehrpflicht war über viele Jahr -hinweg der Zivildienst als Wehrersatzdienst. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht wurde dieser Dienst vom Bundesfreiwilligendienst abgelöst, den wir von starren Altersgrenzen gelöst und als generationen- und geschlechterübergreifenden Freiwilligendienst etabliert haben. Schon heute hat sich der Bundesfreiwilligendienst als Erfolgsgeschichte erwiesen. Wir haben den Bundesfreiwilligendienst als Nachfolge für den Zivildienst neu konzipiert. Und wir haben die Jugendfreiwilligendienste auf eine neue Grundlage gestellt. Von einem Teil der Verbände wurden diese Vorhaben kritisch begleitet. Aber es ist ein großer Erfolg geworden. Die Nachfrage übersteigt inzwischen die Zahl der Plätze. Über 100 000 Freiwillige sind derzeit in Deutschland tätig. 50 000 junge Menschen machen ein FSJ zum Beispiel in der Altenpflege, der Krankenpflege und der Behindertenarbeit. 35 000 Menschen leisten den Bundesfreiwilligendienst, der nun auch für über 27-Jährige geöffnet ist. 7 000 Bufdis sind über 27. 5 000 junge Menschen machen einen Freiwilligendienst im Ausland. Und knapp 10 000 leisten einen freiwilligen Wehrdienst neuer Art. Die große Zahl der Freiwilligen ist ein gutes Zeichen für die Einstellung der jungen und auch älteren Menschen in Deutschland. Die große Zahl der Freiwilligen zeigt, dass wir die Freiwilligendienste richtig konzipiert haben. Lassen Sie mich nun zum freiwilligen Wehrdienst kommen. Mittlerweile sind knapp eineinhalb Jahre vergangen. Wenn wir einen Blick auf das vergangene Jahr werfen, können wir zweifellos eine positive Bilanz ziehen: Vom 1. Januar 2012 bis zum 1. Januar 2013 wurden rund 11 000 Männer und Frauen für einen freiwilligen Wehrdienst gewonnen. 5 000 junge Frauen und Männer haben am 1. Januar 2013 einen freiwilligen Wehrdienst angetreten. An dieser Stelle möchte ich kurz anmerken, dass allein aus Baden-Württemberg 236 Freiwillige kamen. Unsere Zielmarke haben wir insofern erreicht. Der Minister hatte folgende Formel vorgegeben: 5000 plus X, das heißt 5 000 freiwillig Wehrdienstleistende werden fest eingeplant. Für weitere bis zu 10 000 freiwillig Wehrdienstleistende pro Jahr werden Platz und Ausbildung angeboten. Mit rund 11 000 freiwillig Wehrdienstleistenden im Jahr 2012 liegt die Bundeswehr sogar mehr als im Soll. Damit wir viele junge Männer und Frauen für einen freiwilligen Wehrdienst gewinnen können, müssen wir uns aber auch weiterhin um attraktive Rahmenbedingungen bemühen und für den Dienst werben. Änderung des Soldatengesetzes: Mit den vorliegenden von den Fraktionen CDU/CSU und FDP sowie der Bundesregierung eingebrachten wortgleichen Entwürfen eines Fünfzehnten Gesetzes zur Änderung des Soldatengesetzes gehen wir nun einen letzten wichtigen Schritt: Wir übertragen den freiwilligen Wehrdienst in das Soldatengesetz und verankern ihn somit im richtigen Gesetz. Mit der Gesetzesänderung schaffen wir eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Dienst in den Streitkräften. Der freiwillige Wehrdienst wird aber abgegrenzt von dem Dienst der Berufssoldatinnen und -soldaten sowie den Soldatinnen und Soldaten auf Zeit. Er bildet insofern ein eigenständiges, wesentliches Element innerhalb der Bundeswehr. Die geplante Gesetzesänderung sieht konkret vor, die bisher im Wehrpflichtgesetz enthaltenen Regelungen zum freiwilligen Wehrdienst inhaltsgleich in die Systematik des Soldatengesetzes zu integrieren. Diese Änderung führt vor allem zu einer Rechtsvereinfachung. Darüber hinaus wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf der freiwillige Wehrdienst als besonderes staatsbürgerliches Engagement im Soldatengesetz normiert. Ich lade alle Fraktionen dieses Hauses ein, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen und dem freiwilligen Engagement in unseren Streitkräften die Anerkennung zu verleihen, die es verdient. Lars Klingbeil (SPD): Das Soldatengesetz wird heute um einige Punkte ergänzt. Um den freiwilligen Wehrdienst und um die im Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 hierzu beschlossenen Änderungen. Auch wenn es sich bei der heutigen Gesetzesänderung mehr um eine Formalität handelt, ist es mir wichtig, nochmal auf das Gesamtkonstrukt Bundeswehrreform aufmerksam zu machen. Erst war die Schuldenbremse der Hauptantrieb dieser Reform. Ziel war es, möglichst viel zu sparen. Die eigentlich selbstverständliche und zwingend notwendige sicherheitspolitische Debatte im Vorfeld wurde nicht geführt. Mit dem Wechsel im Ministeramt wurde dann der Anspruch an die Reform heruntergeschraubt. Unter zu Guttenberg wurde noch von der tiefgreifendsten Reform in der Geschichte der Bundeswehr gesprochen. Mittlerweile bekommt man jedoch den Eindruck, dass möglichst wenig verändert und dabei möglichst viel gespart werden soll. Das an sich halte ich schon für sehr problematisch. Hinzu kommt aber, dass Sie bei dieser Reform von Anfang an kaum die Interessen der Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigten berücksichtigt haben. Die vielen Ankündigungen, möglichst breite Diskussionen zu führen und möglichst viele Meinungen einzuholen, wurden nicht erfüllt. Im Mittelpunkt einer jeden Reform der Bundeswehr stehen die Menschen. Sie haben es aber nicht geschafft, diese Menschen mitzunehmen und zu informieren. Sie haben sie im Unklaren gelassen. Noch immer wissen viele der Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigten nicht, wie ihre Zukunft bei der Bundeswehr aussieht, ob sie überhaupt eine haben, und wenn ja, wo diese an welchem Standort sein wird. Die Art und Weise wie Sie die Wehrpflicht ausgesetzt haben, zeigt, wie undurchdacht und unstrategisch diese Reform umgesetzt wurde und wird. Ich begrüße, dass Sie die Wehrpflicht ausgesetzt haben. Aber Sie hätten sich zuerst Gedanken machen sollen, was dadurch eigentlich passiert. Es gab im vorhinein kein Konzept, wie man auf den Wegfall des stetigen Pools der Wehrpflichtigen reagiert. Es gab kein Konzept, wie man die jungen Menschen in diesem Land richtig anspricht, wie man sie über die Bundeswehr angemessen informiert und wie man sie für den Dienst interessiert. All das hätte vor der Aussetzung der Wehrpflicht passieren können und müssen. So hatten wir quasi ab dem Tag der Aussetzung ein Rekrutenproblem. Die hohen Abbrecherquoten bei den freiwillig Wehrdienstleistenden sind erschreckend. 30,4 Prozent beenden vorzeitig ihren Dienst. Das ist deutlich höher als bei den sozialen Diensten. Wenn fast ein Drittel den Dienst frühzeitig abbricht, müssen bei uns doch die Alarmglocken schrillen. Irgendwas kann dann nicht stimmen. Haben die jungen Menschen die falsche Vorstellung vom Dienst bei der Bundeswehr? Inwieweit werden ihre Vorstellungen überhaupt erfüllt? Und vor allem: Wie werden die Rekruten im Vorfeld informiert? Das sind alles Fragen der Konzeptionierung und der Kommunikation. Nach über zwei Jahren Reform ist es endlich an der Zeit, dass Sie diese Zahlen analysieren, die Nachwuchsgewinnung grundlegend evaluieren und dann ganz schnell nachbessern. Durch die doppelten Abi-Jahrgänge der letzten Jahre wird dieses Problem bisher noch überlagert. Nur durch die zusätzlichen Schulabgänger haben wir eine Zahl von 11 150 Freiwilligen erreicht. Wenn wir so weiter machen, werden wir jedoch langfristig ein Problem haben. Wir brauchen dringend ein wettbewerbsfähiges Konzept für die Nachwuchsgewinnung. Wir müssen jetzt auf die Veränderungen bei der Bundeswehr und in der Gesellschaft reagieren, damit wir die Bundeswehr aufstellen können, die wir in Zukunft benötigen. Deswegen haben wir als SPD auch gefordert, dass sich die Anhebung der Planstellenanteile für Unteroffiziere in der Besoldungsgruppe A9 an den Vorgaben für den mittleren Polizeidienst orientieren soll. Dann könnten Unteroffiziere endlich leistungsgerecht befördert werden. Aber auch der Dienst als Soldat auf Zeit muss attraktiver ausgestaltet werden, SaZ8 und SaZ12+ werden durch die Veränderungen der Berufsförderung und der Dienstzeitversorgung benachteiligt. Deswegen fordern wir, dass die wegfallenden Freistellungsphasen durch eine Erhöhung der Übergangsbeihilfen ausgeglichen werden müssen. Darüber hinaus müssen Sie zwingend beim Personalmodell nachsteuern. Das aktuelle Konzept löst weder den Beförderungs- noch den Verwendungsstau auf. Wir brauchen bei der Bundeswehr schnellstmöglich ein transparentes und nachvollziehbares Personalmanagement. Bei meinen Gesprächen mit den Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigen spielt ein Thema immer wieder eine zentrale Rolle: die Vereinbarkeit von Familie und Dienst. Mittlerweile ist das Thema auch in allen Sonntagsreden angekommen. Aber es tut sich viel zu wenig bei der Bundeswehr. Soldatinnen und Soldaten beschweren sich nicht, sie wissen, dass sie einen anspruchsvollen Job voller Herausforderungen ausüben. Was sie sich jedoch wünschen, ist ein Arbeitgeber, der sie auch bei der Bewältigung der Herausforderungen im privaten Bereich unterstützt. Oft sind die Ehepartner auch berufstätig, viele Soldatinnen und Soldaten haben Kinder, Familie und Beruf sind nicht immer einfach unter einen Hut zu bringen. Wir brauchen daher endlich umfassende Angebote der Kinderbetreuung bei der Bundeswehr. Es kann nicht sein, dass immer nur etwas passiert, wenn sich die Bediensteten vor Ort einsetzen. Wir brauchen auch bei den Streitkräften, die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung und der Telearbeit. Die vielen Pendler sind ein fester Bestandteil unserer heutigen Bundeswehr. Akzeptieren Sie diese Realität und stellen Sie deswegen ausreichend Pendlerwohnungen zur Verfügung und halten Sie die Wahlmöglichkeit zwischen Trennungsgeld und Umzugskostenvergütung aufrecht. Ich werbe dringend dafür, dass wir uns Gedanken machen darüber, welche Bundeswehr wir wirklich wollen. Dass finanzielle Zwänge bestehen, ist haushaltspolitische Realität. Dies sollte aber trotzdem nicht dazu führen, dass wir eine Bundeswehr zusammenbauen, die den Anforderungen der Zukunft nicht genügt. Was wir jetzt nicht nachhaltig auf den Weg bringen, können wir in der Zukunft nur schwer wieder ändern. Grundvoraussetzung für die Bundeswehr der Zukunft ist es, dass wir die besten Hände und Köpfe gewinnen. Und dies geht nur, wenn die Bundeswehr die attraktive Anlaufstelle ist, die wir uns alle vorstellen. Die SPD hat hierzu mehrfach Vorschläge gemacht. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Bundeswehr auch in Zukunft ein attraktiver und interessanter Arbeitgeber bleibt. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Mit der Aussetzung der Wehrpflicht ist der Bundestag im Jahr 2011 einen mutigen und historischen Schritt gegangen. Die Wehrpflicht war sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar und auch durch die immer geringer werdende Zahl an eingezogenen jungen Männern mit Blick auf die Wehrgerechtigkeit nicht mehr haltbar. Mit der Unterschreitung der Zwölfmonatsgrenze im Jahr 1996 gehörte der Grundwehrdienst auch hinsichtlich seiner militärischen Sinnhaftigkeit bereits schon viel früher auf den Prüfstand. Die Wehrpflicht prägte nicht nur über viele Jahrzehnte unsere Streitkräfte, sondern im gleichen Maße auch die Biografie jedes jungen Mannes in unserem Land. Mit der persönlichen Entscheidung zwischen Wehr- oder Zivildienst war, wenn auch nur für einen kurzen Moment, die Bundeswehr als mögliche berufliche Zukunft für jeden Einzelnen präsent. Wir sind mit der Aussetzung der Wehrpflicht bewusst den Schritt weg vom Zwang und hin zur Freiwilligkeit gegangen. An dieser Stelle möchte ich hier all denjenigen Kollegen im Hause danken, von denen ich weiß, wie außerordentlich schwer ihnen dieser Schritt gefallen ist. Nun mit zwei Jahren Abstand dürfen wir alle gemeinsam sagen: Die Aussetzung der Wehrpflicht hat sich gelohnt. Aber - und das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren -: Die Bundeswehr erlebt aktuell einen doppelten Umbruch. Nicht nur die Aussetzung der Wehrpflicht, sondern vor allem die tief greifende Reform ruft bei vielen Soldatinnen und Soldaten Unsicherheit hervor. Wir Parlamentarier sollten offen dazu stehen, dass die Bundeswehrreform den Soldatinnen und Soldaten und ihren Familien viel zumutet. Manche Entscheidungen waren - leider - intransparent und wurden nicht optimal kommuniziert. Für viele Angehörige der Bundeswehr gab und gibt es noch immer viele Unklarheiten, was ihre berufliche und persönliche Zukunft angeht. Dabei denke ich nicht nur an die einzelne Soldatin oder den einzelnen Soldat, sondern auch an den Lebenspartner und Kinder, also das ganze familiäre und soziale Umfeld. Ich kann dem Wehrbeauftragten nur zustimmen, dass hier in diesem Jahr dringend nachgebessert werden muss. Manches Vertrauen, welches verspielt wurde, muss nun durch klares und transparentes Handeln zurückgewonnen werden. Die Bundeswehr wird nicht zu einem attraktiven Arbeitgeber durch Hochglanzplakate und YouTube-Spots, sondern in erster Linie durch unsere Soldatinnen und Soldaten, die aktiv nach außen mit Stolz in ihrem persönlichen Umfeld für eine Tätigkeit bei den Streitkräften werben. Wir Liberalen stehen seit vielen Jahren für das Prinzip der Freiwilligkeit und für positive Motivation durch Anreize. Auch das Vertrauen in die Bereitschaft unserer Bürgerinnen und Bürger, sich für die Gemeinschaft ohne staatlichen Zwang zu engagieren, gehört zu den Grundüberzeugungen unseres liberalen Denkansatzes. Unser Vertrauen in die Bürgerinnen und Bürger wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil hat sich unsere Entscheidung als mehr als gerechtfertigt erwiesen. Ohne Frage würde ich mir einen größeren Ansturm auf eine Tätigkeit bei der Bundeswehr wünschen, so wie wir es eindrucksvoll beim Bundesfreiwilligendienst erleben dürfen. Aber: Die Zeichen deuten in die richtige Richtung und sollten uns motivieren, weiter gemeinsam daran zu arbeiten, dass die Bundeswehr attraktiver wird. Die Vereinbarkeit von Dienst und Familie, klar kommunizierte Aufstiegschancen und eine Ausbildung, die der zivilen Wirtschaft mindestens ebenbürtig ist, sind für mich der Schlüssel für unsere Bundeswehr der Zukunft. Die Aussetzung der Wehrpflicht markiert für mich daher nicht den Endpunkt, sondern viel mehr den Beginn eines Paradigmenwechsels in der Gestaltung des Berufsbildes unserer Soldatinnen und Soldaten. Harald Koch (DIE LINKE): Im Jahr 2011 wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Dies hat die Linke stets als einen Schritt in die richtige Richtung begrüßt, auch wenn wir gern den Schönheitsfehler "Aussetzung der Wehrpflicht" durch eine endgültige Abschaffung ausmerzen würden. Den mit dem neuen Wehrrechtsänderungsgesetz eingeführten freiwilligen Wehrdienst lehnen wir hingegen strikt ab. Daher müsste man, wenn es nach uns ginge, auch gar nicht über diesen nun vorliegenden Gesetzentwurf reden; denn damit wird lediglich der freiwillige Wehrdienst im Soldatengesetz zementiert. Und das finden wir grundlegend falsch. Der freiwillige Wehrdienst wurde nur eingeführt, weil Sie nach dem Wegfall der Wehrpflicht von der Angst getrieben wurden, dass sich nicht mehr genügend junge Menschen für einen Dienst bei der Bundeswehr finden. Sie haben alles der Einsatzeffizienz und dem Umbau der Bundeswehr zu einer schlagkräftigen, weltweit einsetzbaren Interventionsarmee untergeordnet. Dies wollen die jungen Leute aber nicht, da ihnen klar ist, dass sie jeden Einsatz im Ernstfall auch mit ihrem eigenen Leben bezahlen könnten. Also musste die Bundeswehr ein Konstrukt schaffen, mit dem sie die jungen Leute ködern kann. Dies ist der freiwillige Wehrdienst, welcher fälschlicherweise im Gesetzentwurf als "besonderes staatsbürgerliches Engagement" deklariert wird. Im Gegensatz zu jeder wirklichen Form des staatsbürgerlichen Engagements oder Freiwilligendienstes wird er auch noch unverhältnismäßig hoch vergolten. Ein freiwillig Wehrdienstleistender bekommt im Schnitt das Dreifache des Geldes, was zum Beispiel ein Jugendlicher als Taschengeld erhält, der ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert. Das ist nicht nur ungerecht, sondern inakzeptabel. Der freiwillige Wehrdienst hat in meinen Augen absolut nichts mit Gemeinnützigkeit oder staatsbürgerlichem Engagement zu tun. Er dient einzig und allein der Rekrutierung junger Menschen für die Bundeswehr. Was aber ein wirklicher Skandal in diesem Gesetzentwurf ist, ist der § 58 c. Damit sichert sich die Bundeswehr weiterhin den Zugang zu allen Jugendlichen, die kurz vor der Volljährigkeit stehen, indem die Meldebehörden verpflichtet werden, automatisch die personenbezogenen Daten der Jugendlichen an die Bundeswehr weiterzuleiten. Die Bundeswehr nutzt die Daten dann für Werbe- und Rekrutierungszwecke. Das ist nicht nur ein nicht legitimer Eingriff in die Grundrechte der Jugendlichen, es verschafft der Bundeswehr auch noch erhebliche Vorteile gegenüber Trägern von Freiwilligendiensten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und Unternehmen. Denn diese können beim Finden geeigneter Jugendlicher nicht auf das Privileg der Mithilfe der Meldebehörden bauen. Aus diesen Gründen fordern wir, dass diese Praxis sofort abgeschafft wird. Wenn die Bundeswehr - wie sie das vorgibt - ein ganz normaler Arbeitgeber sein will, dann darf sie gegenüber Mitkonkurrenten auch nicht bevorteilt werden. Und bis dahin raten wir jedem Jugendlichen, rechtzeitig von seinem Widerspruchsrecht gegen diese Praxis Gebrauch zu machen. Zusammenfassend kann ich nur sagen: Schaffen Sie den unsinnigen freiwilligen Wehrdienst wieder ab! Denn es hat sich in den vergangenen Monaten gezeigt, dass er trotz aller Anstrengungen und Privilegien weder als Instrument der Nachwuchswerbung geeignet ist noch von den Jugendlichen angenommen wird. Lediglich die doppelten Abiturjahrgänge im letzten Jahr haben Sie vor desaströsen Verpflichtungszahlen bewahrt. Hinzu kommen immense Abbrecherquoten von mehr als 30 Prozent. Aus dem freiwillen Wehrdienst ergeben sich so gut wie keine Weiterverpflichtungen, und er ist mit hohen Kosten und einem unwahrscheinlichen Bürokratieaufwand verbunden. Das ganze Konstrukt des freiwilligen Wehrdienstes war von Anfang an schlecht durchdacht und ist gescheitert. Ziehen Sie daraus endlich die Konsequenzen! Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dieses Gesetz schafft rechtliche Klarheit für den Status des freiwilligen Wehrdienstes. Der Abschied von der Wehrpflicht wird damit weiter vollzogen, und dafür war es allerhöchste Zeit. Es bleibt dabei: Mit dem Ende des Kalten Krieges war die allgemeine Wehrpflicht nicht mehr verfassungsgemäß zu rechtfertigen, für die Abschaffung haben wir Grüne uns daher schon lange eingesetzt. Andere, und gerade Sie, meine Damen und Herren in der Union, haben für diese Einsicht ziemlich lange gebraucht. Aber besser spät als nie. Es handelt sich heute also um ein wichtiges Gesetz. Dennoch ist die Abstimmung keine reine Formsache. Das Gesetz enthält eine Regelung, der wir heute nicht zustimmen wollen: die Weitergabe der Meldedaten Siebzehnjähriger an das Amt für Personalmanagement der Bundeswehr zum Zwecke der Nachwuchswerbung. Dieser Eingriff in die Grundrechte der Jugendlichen ist nicht gerechtfertigt; darum werden wir uns bei diesem Gesetz enthalten - der Entscheidung zur Aussetzung der Wehrpflicht haben wir Grüne ja bereits an anderer Stelle zugestimmt, gerade weil es eine jahrelange grüne Forderung war. Grundsätzlich schaffen wir mit Rechtsakten wie diesen nur das rechtliche Gerüst für den Umbau der Bundeswehr. Dieser Umbau verlangt aber viel mehr als nur einen ordentlichen rechtlichen Rahmen. Er ist weder mit dieser Gesetzgebung getan noch mit der Gestaltung der Stationierung, der Struktur des Ministeriums und der Teilstreitkräfte und der Verteilung der Zuständigkeiten. So müssen wir auch über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr und die Beziehung zwischen Gesellschaft und Bundeswehr sprechen. Als ein rein rechtliches und strukturelles Gerüst wird diese Reform nicht gelingen. Aus aktuellem Anlass will ich mein Augenmerk heute besonders auf die Beziehung zwischen Gesellschaft und Bundeswehr richten. Gegen die Aussetzung der Wehrpflicht wurde immer wieder die Sorge um die gesellschaftliche Anbindung der Bundeswehr angeführt. Das war natürlich Quatsch. Die Wehrpflicht war nicht der letzte Anker, der die Bundeswehr in der Gesellschaft gehalten hat. Jede Soldatin und jeder Soldat ist auch Teil der Gesellschaft. Die Öffentlichkeit schaut vor allem dann genau auf die Bundeswehr, wenn einerseits - wie in dieser Woche auf dem Schnellboot Hermelin - massive Verfehlungen bekannt geworden sind, und andererseits, wenn es im Einsatz zu einem tödlichen Ereignis kam. Das ist beides auch richtig, aber nicht genug. Wie ist es um die alltägliche Beziehung zwischen Bundeswehr und ziviler Gesellschaft bestellt? Geht es nach dem Verteidigungsminister, erwartet die Bundeswehr derzeit zu viel von der Gesellschaft. Herr de Maizière hat diese These von der Gier der Soldatinnen und Soldaten nach Anerkennung in den Raum gestellt. Wenig glückliche Worte hat er für seine Kritik -gewählt, und ich glaube, er hat das Bedürfnis der Soldatinnen und Soldaten auch nicht richtig verstanden. Die grüne Bundestagsfraktion hat in der vergangenen Woche mit Vertreterinnen und Vertretern ziviler und militärischer Organisationen über ihre Erfahrungen und die Frage der Anerkennung nach durchaus auch gefährlichen Einsätzen im Ausland diskutiert. Bei dieser gut besuchten Veranstaltung ist etwas sehr deutlich geworden: Wenn von Anerkennung die Rede ist, geht es nicht um schillernde Symbole wie Gedenktage oder Medaillen und ganz sicher auch nicht um unkritischen Jubel. Reine Symbolpolitik gerät ohnehin schnell zu hohlen Floskeln. Angemessene Absicherung und Fürsorge sind dagegen wichtige und entscheidende Elemente, aber allein treffen sie auch noch nicht den Kern. Der Begriff, den viele - Zivile wie Militärs - in unserem Fachgespräch genannt haben, lautet "Wahrnehmung". Die Menschen, die in Auslandseinsätze gehen, machen besondere Erfahrungen, die unserer Gesellschaft hier völlig fremd sind. Diese Erfahrungen sind oft persönlichkeitsprägend, und die Einsatzkräfte bringen sie mit zurück. Wenn von Anerkennung die Rede ist, geht es erst mal darum, das überhaupt wahrzunehmen. Leider gibt es in der Tat Beispiele dafür, dass das nicht hinreichend stattfindet. Im Falle der Bundeswehrangehörigen bekomme ich zum Beispiel immer wieder erzählt, dass die Bundeswehrführung ihre Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Einsatz aus ihrer Sicht gar nicht nutzen will. Und wie lang hat es gedauert, bis die Bundesregierung bereit war, anzuerkennen, dass der Einsatz auch psychische Folgen bis hin zum Ausbilden einer posttraumatischen Belastungsstörung nach sich ziehen kann! Davon wollten viele in der Bundeswehrführung erst gar nichts hören. Wenn der Umbau der Bundeswehr zu einer kleineren Freiwilligenarmee gelingen soll, wenn wir die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft halten wollen, müssen wir auch an der Beziehung zwischen Bundeswehr und ziviler Gesellschaft arbeiten. Eine solche Auseinandersetzung kann sicher nicht ersetzt werden durch leere Symbolpolitik, vielmehr geht es um einen ehrlichen, offenen und kritischen Diskurs. Wir brauchen eine breite und kritische Auseinandersetzung über die Einsätze, die künftigen Aufgaben der Bundeswehr und die Grenzen des Militärischen - auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt und nicht irgendwelchen Beleidigungen. Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu dem Antrag: Rechte indigener Völker stärken - ILO-Konvention 169 ratifizieren (Tagesordnungspunkt 20) Anette Hübinger (CDU/CSU): Denkt man an indigene Völker, kommen einem direkt Bilder des Amazonas-Regenwaldes und der dort lebenden Indianervölker oder Bilder der Aborigines in den Weiten Australiens in den Sinn. Das sind schöne Bilder, doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Die Gesellschaft für bedrohte Völker weiß zum Beispiel zu berichten: In Zentralafrika werden die Pygmäen wie "Untermenschen" behandelt. In Borneo gefährdet der Raubbau am Regenwald die Lebensgrundlage ethnischer Minderheiten, und die Diskriminierung von Minderheiten in Vietnam hält weiter an. Gerade Indigene waren und sind weltweit der Gefahr von Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Sie kämpfen darum, ihre eigene Lebensweise und ihre Sicht der Welt gegenüber äußeren Zwängen und Einflüssen zu erhalten. In den meisten Fällen gelang und gelingt es ihnen aber nicht, sich in ihrem Heimatland den notwendigen Respekt und Freiraum für ihre Lebensweise zu verschaffen. Deshalb hat sich die internationale Gemeinschaft den Schutz ihrer Rechte, ihrer Kultur und ihres Lebensraums zur Aufgabe gemacht. So hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2007 mit großer Mehrheit eine Erklärung über die Rechte indigener Völker verabschiedet. Nur vier Staaten haben dagegen gestimmt. Elf waren der Abstimmung ferngeblieben. Die Erklärung hat verbindliche Standards im Umgang mit Indigenen festgelegt und damit nationalem Handeln einen Rahmen vorgegeben. Art. 46 beinhaltet einen umfassenden Katalog an Schutzrechten. Vor dem Hintergrund der überwältigenden Akzeptanz durch die internationale Gemeinschaft ist die Erklärung als Erfolg für die Kodifizierung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen zu sehen. Die Bundesregierung hat bei den Verhandlungen eine aktive Rolle eingenommen. Um diesem völkerrechtlichen Text Nachdruck zu verleihen, wurde das "Permanente Forum für indigene Angelegenheiten" gegründet. In diesem Gremium arbeiten 16 Experten - unter ihnen auch viele Indigene - daran, den Anliegen der Indigenen innerhalb der VN-Strukturen Gehör und Durchschlagskraft zu verschaffen. Innerhalb des Mandats des Menschenrechtsrats können -Mitglieder des Forums die Situation Indigener in bestimmten Ländern untersuchen, über Probleme berichten und die nationalen Regierungen und Akteure mit ihrem unabhängigen Bericht konfrontieren. Auch diese Arbeit wird von Deutschland genauso unterstützt wie die Aktivitäten weiterer pro-indigener Foren innerhalb der Vereinten Nationen. Neben den Vereinten Nationen war es die Internationale Arbeitsorganisation, die bereits 1989 ein Übereinkommen zum Schutz indigener Völker verabschiedete. Sinn und Zweck dieser Resolution Nummer 169, deren Ratifizierung durch Deutschland wir heute diskutieren, ist es, den Indigenen die gleichen Rechte zu sichern wie der Mehrheitsbevölkerung des jeweiligen Staates. Kurzum: Es geht um Gleichbehandlung und die Wahrung der sozialen und kulturellen Identität, um Bräuche und Überlieferungen der Indigenen. Wesentlich für unsere Debatte im Bundestag ist die Zielrichtung dieser Resolution, der sogenannten ILO 169. Sie richtet sich an Staaten, auf deren Gebiet indigene und sich in Stämmen organisierende Bevölkerungsgruppen leben. Auf Deutschland trifft dies aber nicht zu, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wir haben auf unserem Staatsgebiet nun einmal keine ethnische Gruppe im Sinne der ILO 169. Das ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb der Gesetzgeber bislang davon abgesehen hat, das Übereinkommen zu ratifizieren. Mit dieser Haltung steht Deutschland keineswegs alleine. Denn von 183 Mitgliedstaaten der Internationalen Arbeitsorganisation haben nur 20 die ILO 169 ratifiziert. Soll man jetzt etwa daraus folgern, dass 163 Staaten nicht bereit wären, sich für die Rechte Indigener einzusetzen? Doch wohl kaum. Denn im Umkehrschluss sind es ja gerade die Staaten mit einem hohen Anteil Indigener, die fast allesamt zu den Unterzeichnern gehören - die Regierungen Lateinamerikas an vorderster Front. In Europa hingegen sind es mit Norwegen, Dänemark, Spanien und den Niederlanden gerade einmal vier Staaten, die sich aufgrund ihrer speziellen Geschichte für die Ratifizierung des Abkommens entschlossen haben. Bleibt die Frage: Ist die Ratifizierung der ILO 169 zum Schutz der Indigenen eine zwingende Voraussetzung für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit oder für unsere Politik überhaupt? Die deutsche Entwicklungspolitik ist entlang menschenrechtlicher Standards so ausgerichtet, dass die Stärkung und Unterstützung Indigener nicht aus dem Blickfeld geraten kann. Konzeptionell verankert ist dieses Anliegen unter anderem im Grundsatzpapier "Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern in Lateinamerika und der Karibik". Die Grundsätze der ILO-Konvention 169 sind hier wesentlicher Bestandteil und schlagen sich in den einzelnen Projekten nieder. Das Portfolio an Projekten ist thematisch und geografisch natürlich sehr breit gefächert. So fördert das BMZ finanziell die Aktivitäten indigener Vereinigungen und unterstützt das Engagement der Organisation Amerikanischer Staaten, OAS, zur Förderung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen. Unter dem Stichwort "Gute Regierungsführung" setzt sich das BMZ darüber hinaus dafür ein, dass sich Indigene ihrer Rechte bewusst werden und sie auch vor Ort innerhalb des bestehenden politischen und rechtlichen Systems wahrnehmen können. Sehr häufig sind Indigene auch indirekt von Projekten betroffen, etwa beim Schutz natürlicher Ressourcen und somit auch in ihrem traditionellen Lebensraum. Ich erinnere hier an das umfangreiche deutsche Engagement für Yasuni in Ecuador. An anderer Stelle nehmen Indigene an Ausbildungsprogrammen zu Management- und Governance-Fragen teil. Ihnen wird unter anderem vermittelt, wie sie sich politisch organisieren, um mit einer möglichst einheitlichen und starken Stimme zu sprechen. Das ist essenziell in ihrem Verhältnis zu den Regierungen der Länder, in denen sie leben. Denn leider muss man feststellen, dass das bisweilen problematische Agieren einiger Staaten die Frage aufwirft, wie ernst es ihnen mit der Einhaltung der ILO 169 wirklich ist, beispielsweise in Bolivien und Brasilien, wo große Bauvorhaben in den Lebensraum von Indigenen eingreifen. Laut ILO 169 ist hier zwingend eine Beteiligung der Indigenen am Genehmigungsverfahren zu beachten. Das bedeutet, der Staat ist verpflichtet, die Rechte der Indigenen zu achten und ein ordnungsgemäßes Verfahren durchzuführen. Darauf müssen sich nicht nur, aber ganz besonders ausländische Unternehmen, vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die nicht die Kapazitäten haben, das ganze Verfahren nochmals juristisch zu überprüfen, verlassen können, wenn sie in Staaten, die die ILO 169 ratifiziert haben, investieren wollen. Diesen Grundsatz der Rechtssicherheit stellen Sie nach Ansicht der christlich-liberalen Koalition mit Ihrem Antrag infrage. Denn unserer Einschätzung nach beinhaltet das Papier eine Haftungs- und Risikoverlagerung. Diese könnte dazu führen, dass Unternehmen für Versäumnisse des Staates haftbar gemacht würden. Mit dieser Unsicherheit konfrontiert, steht zu befürchten, dass Unternehmen von einer möglichen Investition abgeschreckt werden. Das schadet dem Unternehmen, aber in erster Linie dem Zielland. Dabei ist es doch gerade erklärtes Ziel deutscher EZ, auch privates Unternehmertum zu fördern. Auch beim EU-CELAC-Gipfel vor nicht einem Monat wurde die Wichtigkeit von Direktinvesti-tionen für die Entwicklung der lateinamerikanischen Länder betont. Eine Annahme dieses Antrags würde diesem Ziel aber wohl eher zuwiderlaufen als es zu befördern. Liest man den Forderungskatalog Ihres Antrages, kann man den Eindruck gewinnen, die Bundesregierung setze sich nicht für die Belange der Indigenen ein. Die Berücksichtigung der Interessen indigener Bevölkerungsgruppen ist aber seit Jahren eben nicht nur fester Bestandteil deutscher Entwicklungspolitik, sondern auch fester Bestandteil der Außen- und Wirtschaftspolitik. Ich denke zum Beispiel an die OECD-Umweltleitlinien für öffentlich unterstützte Exportkredite, die seit 2004 in Kraft ist. Demnach kann ein Kredit nur gegeben werden, wenn die von der Weltbankgruppe aufgestellten Safeguard Policies eingehalten werden. Bei Entscheidungen über größere Exportvorhaben spielen demnach nicht zuletzt die Rechte Indigener eine Rolle. Deutschlands außenpolitisches Engagement im Rahmen der Vereinten Nationen hatte ich bereits erwähnt. Und natürlich wird bei Regierungskonsultationen und weiteren diplomatischen Vorgängen auf die schwierige Situation der Indigenen hingewiesen. In persönlichen Gesprächen weisen auch wir Abgeordnete darauf hin, Verbesserungen durchzuführen und die verbrieften Rechte zu achten. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass der Schutz Indigener bereits fester Bestandteil der deutschen EZ ist und weiter sein wird. Gerade auch im Hinblick auf die Verhandlungen des Post-MDG-Prozesses wird sich Deutschland verstärkt dafür einsetzen, dass die Rechte der Indigenen ihren berechtigten Platz finden. Die Ratifizierung der ILO 169 durch Deutschland ist dazu allerdings nicht notwendig. Der Schutz indigener Bevölkerungsgruppen berührt aber noch einen viel größeren Themenkomplex, nämlich die Frage nach guter Regierungsführung vor Ort. Es besteht kein Zweifel darin, dass auswärtige Akteure auf menschenrechtliche Probleme in anderen Ländern hinweisen und auf ihre Verbesserung hinwirken sollen. Mittel- und langfristig aber sind die Lösungen bestehender Konflikte die Angelegenheit lokaler Akteure. Sie müssen letztendlich den Weg zu einem Ausgleich der Interessen beschreiten und sich auf eine Lösung einigen, die auch Bestand hat. Sicher, auch hier können wir unterstützend tätig werden. Die Programme zur guten Regierungsführung sind Ausdruck dieses Bestrebens. Jedoch sollten wir im Dialog als Partner auftreten und nicht als die ewig Besserwissenden. Ein gutes Beispiel dieser Politik ist ein Vorstoß Chiles vom Januar diesen Jahres: Präsident Piñera will Medienberichten zufolge die Rechte der Indigenen in der Verfassung verankern. Ein neu einzusetzender Rat der Indigenen soll ihnen in der nationalen Politik eine stärkere Stimme verleihen. Vorausgegangen waren nicht immer friedliche Konsultationen zwischen Regierungsvertretern und Gemeinden der Mapuche-Indianer. Doch scheint es, als habe man sich auf Entschädigungen und einen geordneten politischen Prozess verständigen können. Ob es bei diesen Verhandlungen eine Rolle gespielt hat, ob Deutschland die ILO 169 ratifiziert hat oder nicht, das darf ich doch sehr bezweifeln. Aus diesem und den genannten anderen Gründen lehnen wir von CDU/CSU den Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ab. Karin Roth (Esslingen) (SPD): Weltweit leben fast 400 Millionen Menschen in über 70 Ländern in rund 5 000 indigenen Völkern. Das sind 6 Prozent der Weltbevölkerung und mehr Menschen als die Einwohnerzahl der USA. Es ist ein Skandal, dass diesen Menschen in zahlreichen Ländern die elementarsten gesellschaftlichen und politischen Teilhaberechte ganz oder teilweise verwehrt werden. Mehr noch: Sie werden zum Teil offen diskriminiert und gesellschaftlich ausgegrenzt. Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen indigener Volksgruppen sind an der Tagesordnung. Ich nenne hier zwei ganz konkrete Beispiele. Erstens Mexiko: Einem Bericht von Amnesty Inter-national zufolge haben Angehörige indigener Gemeinschaften keinen gleichberechtigten Zugang zu Justiz, Gesundheit, Bildung und anderen öffentlichen Dienstleistungen. Das führt beispielsweise dazu, dass die unzureichende medizinische Versorgung zu einer überproportional hohen Müttersterblichkeit unter indigenen Frauen im Süden Mexikos beiträgt. Zweitens Bangladesch: Uns wird berichtet, dass die Regierung nach wie vor nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Sicherheit der in den Chittagong Hill Tracts lebenden indigenen Bevölkerungsgruppe der Jumma zu gewährleisten. Angriffe bengalischer Siedler, die ihr Land in Besitz nehmen, und sexualisierte Gewalt an indigenen Frauen sind keine Seltenheit. Auf demonstrierende Jumma, die gewaltlos Schutz einfordern, wird seitens der Armee geschossen. Menschen sterben. Eine strafrechtliche Verfolgung erfolgt nicht. Im August 2011 hat die Regierung Bangladeschs zudem entschieden, indigene Völker nicht mehr anzuerkennen. Jetzt wird argumentiert: Da indigene Völker in Bangladesch offiziell ja nicht existieren, könne es auch keine Gräueltaten gegen indigene Völker in Bangladesch geben. Dies zeigt den internationalen Handlungsbedarf. Die völkerrechtlichen Grundlagen sind vorhanden. Mit der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO, aus dem Jahr 1989 werden die Rechte der indigenen Völker international verbindlich verankert. Damit werden spezifische Mindestrechte mit dem Ziel der uneingeschränkten Teilnahme am gesellschaft-lichen Leben anerkannt. Die Menschen erhalten das Recht auf traditionelles Land und Territorien sowie die Gewährleistung der örtlichen Kontrolle über natürliche Ressourcen. Entscheidend ist auch das Recht auf kulturell selbstbestimmte Entwicklung. Dazu gehören der Anspruch auf Selbstverwaltung, Partizipation und Demokratisierung. Und schließlich: Das Recht auf die Aufrechterhaltung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Systeme indigener Völker. Dazu gehören Arbeitnehmerrechte, die Förderung lokaler Produktionen, eine angemessene soziale Absicherung und der Zugang zu Ausbildung sowie zum Gesundheitswesen. Allerdings haben bis heute erst 22 Länder diese Konvention ratifiziert. Es ist allerhöchste Zeit, dass sich hier etwas ändert. Allein Amnesty listet 18 Länder auf, in denen Angehörige indigener Völker diskriminiert und ausgegrenzt werden, darunter Länder wie Argentinien, Australien, Brasilien, Chile, Indien, Kolumbien, Peru, Philippinen - aber auch Neuseeland, Kanada und die USA. Dies zeigt deutlich, dass die Rechte indigener Völker nicht nur ein Thema für Schwellen- und Entwicklungsländer sind. Im Gegenteil: Es ist - und es muss noch viel stärker sein als bisher - ein Thema für alle Staaten, - ganz besonders auch für die entwickelten Industriestaaten, und somit auch für uns. Denn eines ist klar: Die wirtschaftlichen Aktivitäten deutscher Unternehmen und die Außen-, Wirtschafts-, Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik der Bundesregierung haben konkreten Einfluss auf die Lebensverhältnisse indigener Völker. So sind deutsche Firmen an Großbauprojekten in Ländern mit indigener -Bevölkerung beteiligt, ebenso wie die staatlichen Durchführungsorganisationen in der Entwicklungszusammenarbeit: Die Gesellschaft für internationale Zu-sammen-ar-beit, GIZ, und die Kreditanstalt für Wiederaufbau, KfW. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass gerade indigene Völker einen großen Beitrag zu Klimaschutz und Biodiversität leisten. Ein konkretes Beispiel dafür ist die Initiative zur Rettung des Regenwaldes im Yasuni-Nationalpark in Ecuador, bei deren Umsetzung die dort lebenden indigenen Völker eine wichtige Rolle spielen. Dies macht klar: Der Schutz der Rechte indigener Völker ist schon längst nicht mehr ein innerstaatliches, nationales Anliegen. Die Globalisierung hat Industrie-nationen, Schwellen- und Entwicklungsländer und somit auch die dort lebenden indigenen Völker näher denn je zusammengebracht. Dennoch weigert sich die Bundesregierung weiterhin, dem Deutschen Bundestag die ILO-Konvention 169 zur Ratifizierung vorzulegen. Als Begründung werden fadenscheinige Argumente vorgebracht. Vor allem das Argument, dass angeblich deutsche Unternehmen durch eine Ratifizierung Nachteile zu befürchten hätten, ist erschreckend und zynisch zugleich. Hier wird eine internationale Konvention bewusst nicht umgesetzt; den Angehörigen indigener Völker werden minimale Standards verweigert, und offensichtlich wird dem Profit Vorrang vor den Menschenrechten eingeräumt. Der sogenannte Aktionsplan Menschenrechte der Bundesregierung ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. An dieser Stelle könnte die Bundesregierung zeigen, dass es ihr ernst ist mit den Menschenrechten. Deshalb fordern wir die Bundesregierung mit unserem Antrag auf, die ILO-Konvention 169 endlich dem Deutschen Bundestag zur Ratifizierung vorzulegen. Damit würde die Bundesregierung endlich international verbindlich handeln und Verantwortung übernehmen. Dies wäre auch ein wichtiges Signal an die internationale Staatengemeinschaft. Ende letzten Jahres wurde Deutschland wieder in den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen gewählt. Der Außenminister interpretiert dies - wörtlich - als "Vertrauensbeweis für Deutschland und eine Bestätigung -(einer) konsequenten Menschenrechtspolitik weltweit". Dazu gehört übrigens auch, dass die Bundesrepublik Deutschland internationale Abkommen und Vereinbarungen auf nationaler Ebene umsetzt. Anfang dieser Woche sprach Bundespräsident Joachim Gauck im Menschenrechtsrat in Genf. Zu Beginn seiner Rede zitierte er den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan mit den Worten: "Der wirkliche Test für die Glaubwürdigkeit des Menschenrechtsrates wird der Gebrauch sein, den die Mitgliedstaaten davon machen." Und er erinnerte daran, dass Menschenrechte universell gelten und unterteilbar sind. Schließlich appellierte Joachim Gauck an die Mitglieder des Menschenrechts-rates, immer die Menschen vor Augen zu haben, die unter Menschenrechtsverletzungen zu leiden haben. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, enttäuschen Sie nicht erneut internationales Vertrauen, nehmen Sie endlich Ihre internationale Verantwortung wahr, machen Sie sich zu Anwältinnen und Anwälten der Menschenrechte und verstecken Sie sich nicht hinter den Interessen der Wirtschaftslobby! Der vorliegende Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen ist dafür eine ausgezeichnete Grundlage. Daher fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu, und machen Sie den Weg frei für eine Ratifizierung der ILO-Konvention 169! Pascal Kober (FDP): Der Antrag der Opposition hat zum Ziel, das Bewusstsein für die Bedürfnisse und Belange indigener Völker zu schärfen. Gegen dieses Ziel ist zunächst einmal nichts einzuwenden. Im Gegenteil, diese christlich-liberale Koalition setzt sich seit Beginn ihrer Regierungszeit nachhaltig und erfolgreich dafür ein, dass die Rechte der indigenen Völker gestärkt werden. Und daher begrüße ich in dieser Hinsicht ausdrücklich auch das Anliegen der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Es ist jedoch überaus fraglich, ob die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 durch die Bundesrepublik Deutschland auch die Situation der indigenen Völker verbessern würde. Auch ist es wichtig, auf den Wortlaut dieser Konvention zu achten. Denn dann wird deutlich, dass sich Inhalt und Schutzzweck dieser Konvention an Staaten richten, auf deren Gebiet in der Folge von Kolonisation indigene Bevölkerungsgruppen leben. Unter Berücksichtigung dieser besonderen historisch gewachsenen Verantwortung zielt diese Konvention darauf ab, indigenen Bevölkerungsgruppen spezifische Beteiligungsrechte zuzusprechen, die ihre soziale und kulturelle Identität, ihre Bräuche und Überlieferungen sowie ihre Einrichtungen wahren sollen. Dementsprechend sind unter den 22 Staaten, die bislang die Konvention ratifiziert haben, viele südamerikanische Staaten mit einem nicht unerheblichen Bevölkerungsanteil indigener Herkunft. Außerdem gehören unter anderem Dänemark und Norwegen zu den Ratifizierern, auf deren Staatsgebiet ebenfalls ein beachtlicher Bevölkerungsanteil indigener Herkunft lebt. Deutschland aber gehört nicht zu den Staaten, auf deren Staatsgebiet in der Folge von Kolonisation Bevölkerungsgruppen indigener Herkunft leben. Dessen ungeachtet ist mit Bezug auf Deutschland jedoch wichtig, festzuhalten, dass aufgrund des Wortlauts der Konvention zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese Konvention auch auf Deutschland Anwendung finden könnte, und zwar auf in Deutschland lebende Bevölkerungsgruppen wie etwa die Sinti und Roma, die Wenden und Sorben, die Dänen und Friesen. Die ILO-Konvention 169 verfolgt einen segregierenden Ansatz und verfolgt das Ziel, die indigenen Bevölkerungsgruppen unter anderem mit der Errichtung von Reservaten zu schützen. Dahingegen verfolgt die Bundesrepublik im Innern seit Jahrzehnten einen stark inte-grativen Ansatz, sodass diese Konvention der deutschen Minderheitspolitik widerspricht. Lassen Sie mich aber nun zu der deutschen Entwicklungspolitik kommen. Diese christlich-liberale Regierungskoalition sieht keinen Grund, warum eine Ratifizierung der ILO-Konvention 169 notwendig ist, um weiterhin wirksam und nachhaltig Entwicklungspolitik zu betreiben. Bundesminister Dirk Niebel setzt sich im Rahmen der deutschen Entwicklungspolitik für die Menschenrechte weltweit ein und unterstützt die Lösung der Probleme der indigenen Bevölkerungsgruppen. Dabei sieht die Bundesregierung das Prinzip aktiver Partizipation als unabdingbar für die Verwirklichung der Anerkennung der Menschenrechte an. In diesem Zusammenhang macht sich diese christlich-liberale Koalition auch für die Errichtung eines permanenten Forums für indigene Angelegenheiten bei den Vereinten Nationen stark. Überdies berücksichtigt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in seinem Konzept zur Zusammenarbeit mit indigenen Völkern in Südamerika und den karibischen Staaten explizit die ILO-Konvention 169. So ist Südamerika gerade aufgrund des hohen Anteils der indigenen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung - geschätzt auf etwa 10 Prozent - ein regionaler Schwerpunkt der bilateralen entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zur Stärkung der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen. Letztlich möchte ich darauf verweisen, dass der Bundestag schon einmal zu diesem Thema diskutiert hat. Damals wurde der Antrag von der damals herrschenden rot-grünen Mehrheit im Bundestag beschlossen und anschließend von einer rot-grünen Regierung mit Recht nicht ratifiziert. Niema Movassat (DIE LINKE): Bei der Konvention Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation, die wir heute diskutieren, handelt es sich um das "Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern". Sie stammt aus dem Jahr 1989 und ist somit heute fast ein Vierteljahrhundert alt. Die Konvention soll indigenen Völkern grundlegende kulturelle, wirtschaftliche und partizipative Rechte garantieren. Sie ist bis heute das einzige rechtsverbindliche Dokument der Vereinten Nationen zum Schutz und zur Förderung indigener Gemeinschaften. Und dabei handelt es sich bei weitem nicht um ein Nischenthema: Laut den Vereinten Nationen zählen rund 400 Millionen Menschen in über 70 Ländern zu den indigenen Völkern. Bis heute sind sie überdurchschnittlich oft von Menschenrechtsverletzungen betroffen; meist gehören sie zu den politisch, wirtschaftlich und sozial am meisten benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Deutschland hat diese für Millionen Menschen auf der Welt so wichtige Konvention bis heute nicht unterzeichnet, obwohl auch das Europaparlament die Mitgliedstaaten der Europäischen Union mehrfach dazu aufgerufen hat. Die Linke begrüßt selbstverständlich den vorliegenden Antrag von SPD und Grünen, der die Bundesregierung dazu aufruft, endlich die Konvention zu unterzeichnen. Wir werden ihm zustimmen. Jedoch müssen die Antragsteller auch die Frage beantworten, warum sie während ihrer immerhin siebenjährigen Regierungszeit diesbezüglich nicht selbst aktiv geworden sind. Leider liegt die Vermutung nahe, dass auch Rot-Grün damals den Interessen der deutschen Wirtschaft einen größeren Stellenwert eingeräumt hat als den Anliegen der indigenen Völker. Denn deutsche Unternehmen sind in zahlreichen Ländern an Verstößen gegen die Rechte von Indigenen aktiv beteiligt - etwa an Vertreibungen. In meiner ersten Rede zum vorliegenden Antrag habe ich die zwei Beispiele bereits näher ausgeführt: Den Bau des Belo-Monte-Staudamms in Brasilien und die Kohleabbauprojekte in Kolumbien. In beiden Fällen kam und kommt es zu massiven Verletzungen der Rechte indigener Völker, und in beiden Fällen sind deutsche Unternehmen mitverantwortlich. Keine Bundes-regierung seit 1989 hat die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass diese Firmen in Deutschland dafür zur Verantwortung gezogen werden können. Ich finde, das ist ein Armutszeugnis für alle im Bundestag vertretenen Parteien, die bereits an einer Regierung beteiligt waren. Denn Deutschland hat auch extraterrito-riale Pflichten. Solange aber die Politik deutsche Unternehmen auch bei ihren Aktivitäten im Ausland nicht mithilfe verbindlicher Regeln in die Pflicht nimmt, werden diese sich auch weiterhin an Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung beteiligen, wenn es der Steigerung ihres Profits dient. Bis heute kommen die Rechte der indigenen Gemeinschaften vor Ort bei der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen sowie bei der Vergabe von Landrechten zu kurz. Die Bundesregierung schielt mithilfe von "Rohstoffpartnerschaften" jedoch weiter nur auf die Bereitstellung ausreichender Rohstoffe für die deutsche Wirtschaft. Eine Unterzeichnung der ILO-Konvention 169 durch Deutschland wäre hingegen ein überfälliges Signal auch an andere Industrieländer, dass die Rechte der Indigenen uns ein ernsthaftes Anliegen sind. Spanien etwa hat kürzlich diesen Weg eingeschlagen, obwohl es wie Deutschland auf seinem Staatsgebiet keine indigenen Gemeinschaften im klassischen Sinne beherbergt. Die Bundesregierung sollte endlich aufhören, dies weiter als Scheinargument zu missbrauchen. In immer mehr Ländern des globalen Südens organisieren indigene Gemeinschaften sich und treten für ihre Rechte ein. Die Linke unterstützt ihre Kämpfe um gesellschaftliche Teilhabe. Das Bundesentwicklungsministerium unter Dirk Niebel hingegen legt zwar schöne Hochglanzbroschüren vor, die den hohen Stellenwert der Zusammenarbeit mit indigenen Gruppen etwa in Lateinamerika bekräftigen. In der Realität aber verweigert das Ministerium jede konstruktive und gleichberechtigte Zusammenarbeit mit der indigenen Regierung in Bolivien aus ideologischen Gründen. Und die Bundesregierung wird auch diesmal wieder die für Millionen von benachteiligten Menschen so wichtige Konvention dem Parlament nicht zur Ratifizierung vorlegen. Konkret bedeutet dies, dass Deutschland auch im 21. Jahrhundert den indigenen Völkern der Welt die nötige Unterstützung und Anerkennung ihrer Rechte verweigert, obwohl gerade die europäischen Staaten aufgrund ihrer kolonialen Vergangenheit eine besondere historische Verpflichtung haben. Ehrlich gesagt: Man kann dies nur als Schande bezeichnen. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unser Antrag auf Ratifizierung der ILO-Konvention 169 ist bereits der vierte derartige Vorstoß, den ich in meiner Zeit als Abgeordneter aktiv vorantreibe. Wäre die vorgezogene Bundestagswahl 2005 den damaligen großen Bremsern und Bedenkenträgern - Wolfgang Clement und Otto Schily - nicht in letzter Minute zu Hilfe gekommen, dann hätte es noch unter Rot-Grün geklappt, diese wichtige Konvention zu ratifizieren. Unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel gab es dann leider keine Chance mehr. Obwohl die Gefahr droht, dass auch dieser Antrag an den Koalitionsfraktionen - CDU/CSU und FDP - scheitert, markiert er doch einen Meilenstein: Denn zum ersten Mal macht auch die SPD-Fraktion geschlossen mit. Bei den letzten beiden Anläufen hatten nur wir Grüne und die Linke die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 unterstützt. Jetzt ist es die gesamte Opposition, die sich mit Nachdruck für die Stärkung der Rechte der indigenen Völker einsetzt. Und sollte unser Antrag diesmal nicht durchkommen, dann holen wir ihn nach der nächsten Bundestagswahl gleich wieder aus der Schublade und werden ihn eben dann - bei hoffentlich anderen Mehrheitsverhältnissen - zum Erfolg führen. In unserem aktuellen Antrag haben wir gemeinsam mit der SPD erneut deutlich gemacht, wie Indigene sowohl in ihren Grundrechten, aber auch in ihren kulturellen Rechten in vielen Regionen der Welt bedroht sind und welchen wichtigen Beitrag die ILO-Konvention zu ihrem Schutz leisten kann. Ich erlebe in den Debatten aber immer die gleichen vorgeschobenen Argumente, die gegen eine Ratifikation ins Feld geführt werden. Die ILO-Konvention würde sich gar nicht an Deutschland richten, weil es selbst keine indigene Bevölkerung hätte. Es sei deshalb allein die Verpflichtung von Ländern mit indigener Bevölkerung, die Konvention umzusetzen und für Rechtssicherheit zu sorgen. Hinter dieser Argumentation stehen natürlich handfeste Wirtschaftsinteressen, nämlich nach größtmöglicher Investitionssicherheit deutscher Firmen im Ausland. In der Debatte über unseren Antrag im Entwicklungsausschuss hat eine Kollegin der Union sogar unverhohlen zugegeben, dass man eine Ratifizierung der ILO-Konvention ablehne, weil sie die Aktivitäten von deutschen Investoren in Gebieten mit indigener Bevölkerung einschränken könnte. Oft sind es aber gerade die Interessen ausländischer Konzerne, zum Beispiel an den Bodenschätzen unter den Stammesgebieten indigener Gruppen, die die Lebenswelt der dort lebenden Menschen bedrohen. Auch das Interesse privater Akteure an CO2-Zertifikaten kann den Lebensraum Indigener gefährden. So ist nach Berichten aus Asien, Afrika und Lateinamerika die Einbeziehung des Waldes in den Emissionshandel durch REDD+ ein Anreiz für Firmen, Waldgebiete zu erwerben und in manchen Fällen, wie beispielsweise in Indonesien, die in ihm lebende Bevölkerung zu vertreiben. Noch ist die Partizipation der Waldbewohnerinnen und Waldbewohner bei der Umsetzung von REDD+ unzureichend, und es fehlen die Governance-Strukturen, inklusive Sanktions- und Beschwerdemechanismen, die in der Lage wären, Vertreibung Einhalt zu gebieten. Auch Landnutzungskonkurrenzen im Agrarbereich führen zu Verstößen gegen die Rechte Indigener beispielsweise aufgrund des ausgeweiteten Anbaus von Ölpalmen, Zuckerrohr, Bioethanol oder Soja für die Biodieselproduktion. Ein prominentes Beispiel dafür, wie Großprojekte, die unter anderem durch ausländisches Kapital finanziert werden, indigene Lebensräume zerstören und wie diese über Jahre und bis an den Rand ihrer Möglichkeiten -dagegen kämpfen, ist das Ringen um das Belo-Monte-Projekt am Xingu-Fluss im brasilianischen Amazonas-Becken. Hier soll der drittgrößte Staudamm der Erde gebaut werden. Die in Brasilien gegen das Staudammprojekt kämpfenden Kayapó-, Assurini- und Juruna-Indigenen warnen seit Jahren vor der Zerstörung von Schutzgebieten und Regenwaldflächen und davor, dass die Lebensweise und -grundlage indigener Völker bedroht sind. Zu befürchten ist, dass die Bevölkerung nicht profitiert, sondern die Schäden den Nutzen bei weitem übersteigen. Beim Bau sind deutsche und europäische Firmen beteiligt, wie beispielsweise Voith Hydro, ein Joint Venture von Voith und Siemens, der französische Alstom-Konzern, Österreichs Andritz, die Daimler AG und die Münchener Rückversicherung. Zwar haben viele Länder mit indigener Bevölkerung, vor allem in Zentral- und Südamerika, die ILO-Konvention bereits ratifiziert. Zwischen der Ratifizierung einer Konvention und ihrer tatsächlichen Umsetzung klafft aber gerade in ärmeren Ländern eine Lücke, die sich ausländische Unternehmen nicht selten zunutze machen, um ihre wirtschaftlichen Interessen gegen Indigenenrechte durchzusetzen. Deshalb ist es so wichtig, dass auch andere Länder die ILO-Konvention 169 ratifizieren. Hätte Deutschland sie bereits ratifiziert, wären auch Geschäfte wie das der Westdeutschen Landesbank, die Finanzierung einer Öl-Pipeline in Ecuador mit gravierenden Auswirkungen auf die Lebensbedingungen indigener Gruppen, sicher erschwert worden. In der Diskussion im Entwicklungsausschuss kam vonseiten der Koalition auch das Argument, dass man über die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ja bereits viel für den Schutz indigener Völker täte und eine Ratifizierung der Konvention schon aus diesem Grund überflüssig sei. Ich finde, wir Entwicklungspolitikerinnen und Entwicklungspolitiker sollten die Wirkung unseres Politikfeldes nicht überschätzen. Solche punktuellen Willensbekundungen zum Schutz indigener Gruppen im Menschenrechtskonzept des Entwicklungsministeriums sind zwar gut und wichtig - internationale Verpflichtungen, die dann für die gesamte deutsche Außenpolitik handlungsleitend wären, also auch für die Außenwirtschaftsförderung und die deutsche Handelspolitik, sind besser. Die Niederlande und Spanien, Länder in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, in denen es auch keine indigenen Gruppen gibt, haben es uns vorgemacht und die ILO-Konvention längst ratifiziert. Seit Januar 2013 ist Deutschland für die kommenden drei Jahre Mitglied des UN-Menschenrechtsrates und damit zur Einhaltung und Umsetzung höchster Menschenrechtsstandards verpflichtet. Es stünde uns in dieser wichtigen Funktion gut zu Gesicht, wenn wir diese wichtige Menschenrechtskonvention durch eine Ratifizierung im deutschen Bundestag unterstützen würden. Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren (PlVereinhG) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Helmut Brandt (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir das Gesetz, über das wir augenblicklich sprechen, heute - jedenfalls auf Bundestagsseite - zum Abschluss bringen. Deutschland ist als Industriestandort und Export-nation auf eine moderne, leistungsfähige Infrastruktur angewiesen. Die dafür notwendigen Großvorhaben können nur gelingen, wenn sie auf eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung stoßen und von einem Planungsrecht begleitet werden, das eine möglichst zügige Umsetzung der Vorhaben ermöglicht. Spätestens die Ereignisse rund um Stuttgart 21 haben die Frage aufgeworfen, ob das geltende deutsche -Planungsrecht noch zeitgemäß ist und ob es die Anforderungen erfüllt, die an ein Verfahren zur Planung von Großvorhaben berechtigterweise gestellt werden. Trotz langwieriger Planungsverfahren, die den gesetzlichen Vorgaben entsprochen haben, und trotz zahlreicher -Behörden und Institutionen, die sich mit dem Vorhaben beschäftigt haben, bildete sich eine Protestbewegung, die von breiten - und keineswegs nur unmittelbar betroffenen - Teilen der Bevölkerung getragen wurde. Über eines sind wir uns sicherlich alle einig: Insbesondere die Art, wie und wann die Öffentlichkeit an dem Verfahren beteiligt wird, ist nach der derzeit geltenden Rechtslage nicht ausreichend. Diese sieht zwar eine -Öffentlichkeitsbeteiligung als wichtiges Verfahrensins-trument bereits bei vielen Vorhaben vor. Allerdings werden die Bürgerinnen und Bürger oft erst im förmlichen Verwaltungsverfahren beteiligt, also erst dann, wenn der Vorhabenträger den bereits fertigen Plan bei der Behörde eingereicht hat, die Planung des Vorhabens folglich schon in wesentlichen Teilen abgeschlossen ist. Darüber hinaus sind die bisherigen Beteiligungsformen vor allem darauf ausgerichtet, die unmittelbar Betroffenen vor -vermeidbaren Rechtsbeeinträchtigungen zu bewahren. Aspekte außerhalb dieser unmittelbaren Rechtsbetroffenheit spielen dagegen kaum eine Rolle. Vor allem bei Großvorhaben, die sich nicht nur auf ihre unmittelbare Umgebung auswirken und die oft Bedeutung über ihren Standort hinaus haben, werden die bestehenden Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren verständlicherweise als nicht mehr ausreichend empfunden. Hier ist ein zunehmendes Interesse der Bürgerinnen und Bürger an frühzeitiger Beteiligung und Mitsprache festzustellen. Diesem Bedürfnis tragen wir mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der -Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren Rechnung. Die neue "frühe Öffentlichkeitsbeteiligung" wird künftig bereits vor dem eigentlichen Verwaltungsverfahren stattfinden und einem möglichst großen Personenkreis offenstehen. Das jeweilige Vorhaben wird durch diese neue Form der Beteiligung frühzeitig öffentlich -bekannt gemacht, um einen Dialog zu ermöglichen. Der Vorhabenträger kann so bereits in einem frühen -Planungsstadium auf mögliche Bedenken und Anregungen aufmerksam gemacht werden. Er wird in die Lage versetzt, seine Planung bei Bedarf und nach Möglichkeit rechtzeitig zu modifizieren, um Konflikte zu vermeiden oder zu beseitigen. Durch die vorgesehene Mitteilung des Ergebnisses der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung an die zuständige Behörde und an die Bürger können wichtige Erkenntnisse in das anschließende formelle Verfahren einfließen und dort Berücksichtigung finden. Das nachfolgende Genehmigungs- oder Planfeststellungsverfahren soll dadurch entlastet und die gerichtliche -Anfechtung von Behördenentscheidungen reduziert werden. Selbstverständlich wird eine so frühe Öffentlichkeitsbeteiligung nicht alle Konflikte lösen können. Die Chance, es bei einem Großvorhaben allen Beteiligten und Betroffenen recht zu machen, tendiert gegen null. Jemand, der grundsätzlich gegen ein Projekt eingestellt ist, wird aller Wahrscheinlichkeit auch nach dem Verfahren nicht restlos von dem Projekt überzeugt sein. Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit möglichen Einwänden bietet aber in jedem Fall bessere Chancen, dass diese Einwände noch Berücksichtigung finden und aus-geräumt werden können als zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Planungen bereits abgeschlossen sind. Deshalb vermag mich auch die Besorgnis, das Vorverfahren könne zu einer Verfahrensverlängerung von -mehreren Monaten führen, nicht zu überzeugen. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt davon, dass die Unternehmen durch die frühe Auseinandersetzung mit Einwänden Zeit sparen, Rechtsmittelverfahren mit entsprechend langer Zeitverzögerung verhindert werden können und damit die Gesamtverfahrensdauer abgekürzt wird. Mir ist bewusst - dies ist auch in der Anhörung am 18. Februar dieses Jahres noch einmal deutlich geworden -, dass vielen meiner Kolleginnen und Kollegen in der Opposition die Freiwilligkeit einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung durch Behörden und private Unternehmen nicht weit genug geht. Nach der vorgesehenen Regelung muss die zuständige Behörde beim Vorhabenträger auf eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung hinwirken. Eine Verpflichtung des Vorhabenträgers zur Durchführung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung wollen wir jedoch nicht einführen. Deshalb lehnen wir auch den Änderungsantrag der SPD ab. Die Kritik verkennt, dass eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung im wohl-verstandenen Interesse des Vorhabenträgers selbst liegt. Und ich bin überzeugt, dass gerade Träger von Großvorhaben eine frühe Öffentlichkeitsbeteiligung als Chance begreifen und die Öffentlichkeit in ihrem eigenen Interesse bereits in einem frühen Stadium in ihre Planungen mit einbinden werden, und zwar gerade, um die Akzeptanz ihres Vorhabens zu sichern. Zum anderen geht es in diesem Gesetzentwurf auch darum, einen Kompromiss zwischen dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an einer möglichst frühen Beteiligung einerseits und dem Interesse des Vorhabenträgers nach Planungs- und Rechtssicherheit andererseits herzustellen. Denn eines ist doch auch klar: Je mehr -Verpflichtungen und Zwänge wir Behörden und Unternehmen auferlegen, desto mehr öffnen wir Tür und Tor für Verfahrensfehler und damit die Gefahr langwieriger Prozessverfahren. Bei allem Verständnis für das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit nach möglichst viel Transparenz: Wir müssen auch Behörden und privaten Unternehmen Planungs- und Rechtssicherheit geben und sie davor schützen, womöglich noch Jahre später mit Einwendungen und Klagen überhäuft zu werden. Denn dann wird es hier keine großen Infrastrukturprojekte mehr geben. Das kann nicht im Interesse des Industrie-standortes Deutschland sein. Auch den Einwand der Opposition, die Bevölkerung würde nicht aktiv informiert, lasse ich nicht gelten. Die Medien berichten über Großvorhaben nicht nur einmal, sondern oft über Monate hinweg. Ich bin sicher, dass -jeder interessierte Bürger, der hierüber von einem Vorhaben erfährt, gegen das er Bedenken hat, sich erkundigen wird, wo und bis wann er diese Bedenken vorbringen kann. So viel Mündigkeit traue ich unseren Bürgern zu. Überdies hat die Koalition sich ja zwischenzeitlich -darauf verständigt, dass als weitere Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung die öffentliche Bekanntmachung von Planunterlagen im Internet vorgesehen ist. Wann immer eine öffentliche Bekanntmachung vorgeschrieben ist, soll dann die Unterrichtung auch zusätzlich über das Internet einschließlich der zur Einsicht auszulegenden Pläne erfolgen und ohne Gang zum Amt erreichbar sein. In der Sachverständigenanhörung wurde gerade dieser Änderungsantrag von CDU/CSU und FDP begrüßt. Dabei muss selbstverständlich darauf geachtet werden, dass keine Betriebsgeheimnisse der Vorhabenträger offen-gelegt werden müssen. Die "Soll-Regelung" trägt dem Umstand Rechnung, dass noch nicht alle Behörden über die erforderliche Technik verfügen und nicht alle Unterlagen in brauchbarer Form im Internet dargestellt werden können. In der Anhörung kam zum Ausdruck, der vorgelegte Gesetzentwurf sei nicht sensationell. Das mag richtig sein. Allerdings weiß ich nicht, ob das unbedingt -notwendig ist. Sensationelle Gesetze haben häufig das Problem, dass sie nicht praxistauglich sind. Ziel dieses Gesetzentwurfs ist es, Bürgerinnen und Bürgern die notwenigen Informationen zu vermitteln, und zwar so, dass sie sich ein eigenes Urteil bilden können und mitreden können. Die Betroffenen sollen in die Lage versetzt -werden, noch etwas bewegen zu können, bevor bereits alle Entscheidungen getroffen wurden. Zugleich soll der Gesetzentwurf der Rechtsvereinheitlichung und Verfahrensbeschleunigung dienen. Diesen Zielen wird der von uns vorgelegte Gesetzentwurf gerecht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf haben wir einen Kompromiss gefunden, um rechtssicher und trotzdem beschleunigt zu einer Entscheidung aufseiten der Behörden und Träger der Vorhaben zu kommen. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Großvorhaben mit noch größerer Akzeptanz bei unseren Bürgerinnen und Bürgern und zugleich zügig realisiert werden können. Um dieses wichtige Anliegen umzusetzen, bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Kirsten Lühmann (SPD): Kennen Sie Analogkäse? Der vorliegende Gesetzentwurf erinnert mich ein bisschen daran: Sieht aus wie Käse, ist aber keiner. Der Titel des Gesetzentwurfs, den wir hier beraten, verspricht uns eine Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Vereinheitlichung des Rechts bei Bau- und Infrastrukturprojekten. Schön wär's! Wenn wir die Packung aufmachen, müssen wir aber leider feststellen, dass das ein Etikettenschwindel ist. Dabei trickst die Bundesregierung wie manche Hersteller aus der Lebensmittelindustrie: So wie in vielen Käse-Imitat-Produkten eine Minimenge Käse drin ist, damit auf der Verpackung der Begriff verwendet werden kann, ist auch in diesem Gesetzentwurf eine Miniportion der beworbenen Zutaten drin. Schauen wir uns die fraglichen Inhalte einmal an: Im Gesetzentwurf finden wir eine laue Empfehlung, die Öffentlichkeit frühzeitig zu beteiligen - keine Pflicht, keine Sanktionen. Ob die zuständige Behörde die Bürger und Bürgerinnen frühzeitigt beteiligt oder nicht - egal; es hat keine rechtlichen Folgen. Das Urteil von Sachverständigen in der Expertenanhörung, dass diese Regel "zahnlos" und "enttäuschend" ist, wundert mich daher überhaupt nicht. Verwunderlich finde ich nur, wie wenig die Bundesregierung aus den Erfahrungen mit Großkonflikten wie bei Stuttgart 21 gelernt hat. Wir brauchen eine frühe Beteiligung der Öffentlichkeit, um Konflikte frühzeitig lösen zu können und so den Bau zum Beispiel von wichtigen Infrastrukturprojekten zu beschleunigen. Wir brauchen größere Transparenz schon vor Beginn des eigentlichen Planverfahrens. Hier setzt die wahre Bürgerbeteiligung an, weil nämlich die Menschen an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Die Bürger und Bürgerinnen sollten auch darüber informiert werden, wo sie Einfluss auf die Planung nehmen können. Das geht nicht, wenn der eigentliche Plan schon steht und eine Erörterung nur noch stattfindet, um Widersprüche abzuschmettern. Deshalb, das haben wir in unserem Änderungsantrag gefordert, sollte die frühe Beteiligung der Öffentlichkeit zur Pflicht werden - es nutzt allen Beteiligten. Und es steht nicht zu befürchten, dass dann lauter sinnvolle und notwendige Projekte unnötig verzögert werden. In Hannover zum Beispiel hat man ganz andere Erfahrungen gemacht. Dort gibt es ein Bürgerpanel, das der neue niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil noch als Oberbürgermeister eingeführt hat. Es besteht aus mehreren Tausend repräsentativ ausgewählten Bürgern und Bürgerinnen, die von der Stadtverwaltung online befragt werden. Dabei können die Bürger und Bürgerinnen ihre Wünsche äußern, die in konkrete Planungen einfließen. Die erste Umfrage zum "Masterplan Mobilität 2025" zeigte: Das Urteil der Teilnehmenden war nicht nur von persönlichen Interessen geleitet, also nach dem Sankt-Florians-Prinzip, sondern hatte durchaus das Allgemeinwohl im Auge. So urteilten Fahrradfahrer positiv über Verbesserungen für Autofahrer usw. Wir sehen in der Öffentlichkeitsbeteiligung ein bedeutsames Instrument, für Infrastrukturprojekte einen größtmöglichen Konsens herzustellen. In diesem Zusammenhang ein Wort zum Antrag der Kollegen und Kolleginnen von den Grünen: Der Antrag enthält eine ganze Reihe von Forderungen, denen wir voll und ganz zustimmen und die sich mit unseren Forderungen decken. Auch wir wollen direktdemokratische Elemente auf Bundesebene zulassen. Diese können natürlich auch für Bauvorhaben gelten. Aber so etwas sollte nicht im Planfeststellungsverfahren verankert werden. Aus diesem Grund werden wir uns bei Ihrem Antrag enthalten. Einig sind wir uns aber darin, dass die Beteiligung der Öffentlichkeit gestärkt werden muss und nicht geschwächt. Die Bundesregierung sieht das offenbar anders. Denn der vorliegende Gesetzentwurf bewirkt - wenn Sie, meine Herren und Damen von CDU/CSU und FDP, ihn heute so absegnen -, dass in Zukunft mehr Verfahren durchgeführt werden können, bei denen weniger Öffentlichkeitsbeteiligung stattfindet. Anstatt die Beteiligung zu verbessern, wie der Titel des Gesetzentwurfs verspricht, verschlechtern Sie also die Einspruchsmöglichkeiten für die Bürger und Bürgerinnen. Hier wird nämlich der Anwendungsbereich des Plangenehmigungsverfahrens ausgedehnt. Das ist ein vereinfachtes Verfahren, das nicht mehr, sondern weniger -Öffentlichkeitsbeteiligung vorsieht als das reguläre Planfeststellungsverfahren. Das ist ein klarer Widerspruch zu dem Anspruch, den Sie formulieren, liebe Kollegen und Kolleginnen von Union und FDP. Wir halten das nicht für sinnvoll und haben deshalb gefordert, diese Ausweitung zu streichen. Leider haben Sie das durch die Bank abgelehnt. Auch bei dem Versuch, das Genehmigungsverfahren zu vereinheitlichen, also die vielen widersprüchlichen Vorgaben in den unterschiedlichen Fachgesetzen auf eine Linie zu bringen, hält der Gesetzentwurf nicht, was sein Titel verspricht. So gilt zum Beispiel laut Verwaltungsverfahrensgesetz ein Planfeststellungsbeschluss fünf Jahre lang. Auf der Seite der Fachgesetze dagegen - da haben wir unter anderem das Bundesfernstraßengesetz, das Eisenbahngesetz, das Luftverkehrsgesetz und vieles mehr - gilt so ein Beschluss zehn Jahre. Und dann kann er auch noch einmal um fünf Jahre verlängert werden. 15 Jahre zwischen Beschluss und Realisierung - in einem so langen Zeitraum können sich die Verhältnisse und der Kreis der Betroffenen gravierend geändert haben. Da sind Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Aus unserer Sicht wäre es sinnvoll gewesen, die Geltungsdauer einheitlich festzulegen. Die Verlängerungsmöglichkeit von 10 auf 15 Jahre lehnen wir ab. Dass der vorliegende Gesetzentwurf unzureichend ist, liebe Kollegen und Kolleginnen von Union und FDP, haben Sie selbst eingesehen. Mit Ihrem Änderungsantrag gehen Sie einen ersten zaghaften Schritt in die richtige Richtung. Mit unseren Verbesserungsvorschlägen hätte aus dem Analogkäse ein gut gereifter Bergkäse werden können. Die Beratungen in den Fachausschüssen legen den Schluss nahe, dass Sie dies nicht wollen. Daher bleibt es bei einer Mogelpackung, und die werden wir ablehnen. Denn dieser Gesetzentwurf ist immer noch geprägt von einem paternalistischen Staatsverständnis, nach dem die Bürger und Bürgerinnen ein Projekt vor die Nase gesetzt bekommen und bei eventuellen Einwänden eines Besseren belehrt werden müssen. Das ist nicht geeignet, die anstehenden Herausforderungen in der Infrastruktur sowohl bei der Energiewende als auch beim integrierten Verkehrskonzept anzugehen. Manuel Höferlin (FDP): Ich freue mich sehr, dass wir heute das Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung in Planfeststellungsverfahren verabschieden können. Das Gesetz bringt eine Reihe von Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger, die wir bereits in der Anhörung im Innenausschuss vergangene Woche diskutiert haben. Lassen Sie mich die wichtigsten Änderungen noch einmal kurz zusammenfassen. Wir schaffen mit dem Planungsverfahrenvereinheitlichungsgesetz die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung - ein zeitgemäßes und geeignetes Instrument. Warum? Ganz einfach: Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist so konzipiert, dass sie möglichst schon vor der Antragstellung und dem Start eines Planfeststellungsverfahrens durchgeführt werden soll. So können viele Aspekte in die Debatte eingebracht werden, die sonst erst deutlich später aufgetaucht wären und die nun schon erörtert werden können, bevor mit einem Planfeststellungsverfahren vollendete Tatsachen geschaffen werden. Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung ist außerdem so konzipiert, dass sie sehr flexibel eingesetzt werden kann. Je nachdem, welches Projekt ein Vorhabenträger durchführt, ist er in der Lage, die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung mit verschiedenen Maßnahmen durchzuführen und zu begleiten. Er ist also frei in Art, Form und Umfang der Öffentlichkeitsbeteiligung. Es gibt eben keine Festlegungen im Gesetz. Und dass genau diese Vorgehensweise richtig ist, wurde uns auch in der Anhörung -vergangene Woche bestätigt. Kommunikation auf Augenhöhe wird dadurch wesentlich besser dargestellt als bei starren, bürokratischen Maßnahmen. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, den zusätzlichen bürokratischen Aufwand niedrig zu halten. Ein komplexes und übertrieben formalisiertes Verfahren, wie es sich zum Beispiel die Grünen in ihrem Entschließungsantrag wünschen, halte ich nicht für hilfreich. Es erhöht den Verwaltungsaufwand. Es sorgt für enorme zusätzliche Risiken hinsichtlich möglicher Verfahrensfehler und macht damit das gesamte Planungsverfahren und die vorgelagerte frühe Öffentlichkeitsbeteiligung unsicher. Genau das haben wir mit unserem Antrag vermieden. Das Planungsvereinheitlichungsgesetz ist eine Vereinfachung - für Vorhabenträger und für Bürgerinnen und Bürger. Sie von den Grünen scheinen überhaupt nicht zu wissen, was Sie wollen. Man soll bereits im Vorverfahren prüfen, ob eine Mediation - gemeinhin ein unbürokratisches Verfahren - eingeführt werden soll. Doch als wäre es damit nicht genug, verlangen Sie außerdem, dass das Mediationsverfahren dann auch noch formalisiert wird. Ich frage mich dann, liebe Grüne: Warum nicht gleich vor Gericht gehen? So läuft das nicht. Darum haben wir im Entwurf des Planungsverfahrenvereinheitlichungsgesetzes festgelegt, dass die Bürokratie weder dem zügigen Abschluss eines Planungsverfahrens noch einer effektiven Bürgerbeteiligung im Wege steht. Wir verbessern die Transparenz von Planfeststellungsverfahren. Die christlich-liberale Koalition hat mit ihrem Änderungsantrag klargestellt, dass Transparenz sowohl im Rahmen der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung als auch im Planungsverfahren selbst klar verbessert wird. Die Ergebnisse der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der Vorhabenträger unserem Wunsch gemäß nicht nur gegenüber der Behörde, sondern auch gegenüber der Öffentlichkeit bekannt machen. Aber das ist noch nicht alles, was wir erreicht haben: Zukünftig sollen die Unterlagen, die in Planfeststellungsverfahren ohnehin schon vor Ort ausgelegt werden, auch im Internet veröffentlicht werden. Für mich als Netzpolitiker bedeutet das ein Mehr an Transparenz und ein Mehr an Open Government, und ich freue mich, dass sogar Teile der Opposition uns an dieser Stelle im Innenausschuss beigepflichtet haben. Aber auch hier haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, Ihre Hausaufgaben wieder schlecht gemacht. Sie fordern die umfassende Veröffentlichung aller "planungsrelevanten Daten und Dokumente". Und natürlich vermeiden Sie es dabei, auf die Frage einzugehen, was eigentlich relevant ist. Unser Antrag stellt klar, dass alle Informationen, die zu veröffentlichen sind, nicht nur in den Verwaltungsstuben ausgelegt werden, sondern auch im Internet veröffentlicht werden. Persönliche Daten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden durch diese Regelung geschützt, so wie dies durch die bestehende Rechtslage in § 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes bereits festgelegt ist, und das finde ich auch in Ordnung so. Die Behörde muss ihre Arbeit im Kontext dieser Regelungen sehen: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind auch zukünftig zu schützen. Insgesamt haben Bürgerinnen und Bürger einen leichteren Zugang zu einer Vielzahl von Informationen und so die Möglichkeit, sich umfassend über die Vorhaben und deren Auswirkungen für ihre Belange zu informieren. Denn darum geht es, wenn man die Transparenz verbessern möchte. Wie Sie sehen können, haben wir mit dem Entwurf des Planungsverfahrenvereinheitlichungsgesetzes die schwierige Aufgabe gemeistert, mehr Transparenz und mehr Beteiligung mit weniger Bürokratie zu verbinden. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung. Thomas Lutze (DIE LINKE): Stuttgart 21 hat Deutschland verändert. Die von Großprojekten betroffenen Bürgerinnen und Bürger nehmen es nicht mehr hin, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird. Das stellt Politik vor große Herausforderungen. Wir brauchen neue Formen der Beteiligung, die sich nicht darin erschöpfen, alle vier oder fünf Jahre ein Parlament zu wählen. Die Betroffenen fordern zu Recht, dass ihre Bedenken ernst genommen werden, man ihre Kenntnisse und Erfah-rungen vor Ort wahrnimmt und nutzt, sie wollen auf Augenhöhe eingebunden werden. Darin sollten wir eine Chance für die Demokratie sehen: Denn wo die Bürgerbeteiligung funktioniert und Transparenz herrscht, steigt die Akzeptanz für geplante Projekte. Darin liegt weiter die Chance, dass zukünftig nicht mehr an den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger vorbeigeplant wird, Unsinnige Großprojekte wie Stuttgart 21 würden uns erspart bleiben. Eine Reform des Planungsrechts, die diesen Ansprüchen gerecht wird, muss die Bürgerinnen und Bürger von der Bedarfsprüfung bis zur Umsetzung einbinden Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung leistet dies nicht. Er macht die Einbindung der Öffentlichkeit weder obligatorisch, noch schafft er direktde-mokratische Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb des Verfahrens. Ebenso Fehlanzeige bei der Transparenz. Im 21. Jahrhundert sollten die wichtigen Dokumente stehen und nicht unter Hinweis auf Betriebsgeheimnisse einer beteiligten Firma willkürlich verweigert werden können. Wieder einmal hat die Bundesregierung die Zeichen der Zeit verkannt und eine Chance vergeben. Die Linke lehnt den Gesetzentwurf deshalb ab. Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dieses Gesetz war eine besonders schwere Geburt. Wenn man einerseits überlegt, wie lange dieses Gesetz schon diskutiert wird, wie oft die Zeitpläne für dieses Gesetz über den Haufen geworfen wurden und welche Abstimmungen erforderlich waren, dann ist der Aufwand enorm. Und wenn man andererseits betrachtet, welche Inhalte in dem Gesetz Platz gefunden haben, dann ist die Enttäuschung groß. Also in der Nutzen--Kosten--Betrachtung müsste dieses Gesetz der Bundes-regierung glatt durchfallen. Was steht in diesem Gesetz? Der Ansatz, verwaltungsrechtliche Festsetzungen aus den Fachgesetzen auszulagern und im Verwaltungsverfahrensgesetz zentral zu regeln, ist vernünftig. Die Bundesregierung setzt -allerdings darauf, dass auch die Verwaltungsverfahrensgesetze der Bundesländer entsprechend geändert werden sollen. Stellt sich die Frage, ob die Länder überhaupt mitziehen. Das Gesetz wurde unter anderem mit der Begründung auf den Weg gebracht, Verfahren zu verkürzen. Ich sehe nur einen einzigen Punkt, der tatsächlich dieses Ziel verfolgt. Es handelt sich um die Regelung, dass Erörterungstermine innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein sollen. Diese Frist ist jedoch weltfremd; bei größeren Verfahren und einer großen Zahl von Einwendern wird diese Frist regelmäßig überschritten werden müssen. Ganz abgesehen davon, sieht der Gesetzentwurf keine Strafen oder andere Konsequenzen für eine Überschreitung der Frist vor. Das heißt, diese Regelung ist nicht nur sinn-, sondern auch zahnlos. Das Gesetz wurde - so lautet der Name des Gesetzes - zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung geschaffen. Ich bezweifle jedoch, dass sich die Öffentlichkeitsbeteiligung durch dieses Gesetz verbessert. Einerseits bleibt die lange diskutierte Fakultativstellung des Erörterungstermins weiter erhalten. Das heißt, dass die Behörde von dem Termin absehen kann. Davon hat sie im Verkehrssektor bereits häufig Gebrauch gemacht. Neu ist die Vorerörterung vor dem eigentlichen Verfahren. Die ist jedoch ebenfalls fakultativ. Wenn eine Anhörungs- oder Planfeststellungsbehörde nicht auf Augenhöhe mit Betroffenen reden will, braucht sie das nicht. Außerdem sind die Ergebnisse der Vorerörterung unverbindlich und haben dadurch allenfalls Informationscharakter. Die Bundesregierung vergibt eine große Chance, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Planfeststellungsverfahren vom Kopf auf die Füße zu stellen. Beflügelt von den öffentlichen und Fachdiskussionen wäre ein großer Wurf möglich gewesen. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat ein umfassendes Konzept für eine zukunftsfähige Öffentlichkeitsbeteiligung erstellt und wesentliche Inhalte in einem Entschließungsantrag zusammengefasst. Das Konzept beinhaltet eine frühzeitige, verbindliche Öffentlichkeitsbeteiligung in Planungsverfahren. Dabei denken wir insbesondere an eine Beteiligung am Scopingtermin bzw. der Antragskonferenz in Raumordnungsverfahren. Wir fordern transparente verfahrensführende Behörden, sodass Interessierte Zugriff auf sämtliche Planungsunterlagen haben. Wir wollen das Raumordnungsverfahren stärken. Es soll nicht mehr nur empfehlenden Charakter haben, sondern verbindlich sein. Wir wollen alternative Konflikt-lösungsverfahren bei größeren Interessengegensätzen in die Planungsverfahren einbeziehen. Und nicht zuletzt fordern wir verbesserte rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten, da dadurch ein Mindestmaß an Planungs-qualität gesichert werden kann. Abschaffen wollen wir die mögliche Gültigkeit von Planfeststellungsbeschlüssen von bis zu 15 Jahren. Diese derzeitige Regelung -ermöglicht, dass weiter Planungen auf Halde produziert werden, die nicht mehr den aktuellen Verkehrsbedin-g-ungen und räumlichen Situation entsprechen. Vielmehr wollen wir beim Rechtsschutz eine Revisionsinstanz für alle Verfahren sichern. Dadurch wird ein Verfahrensstau vor dem Bundesverwaltungsgericht vermieden. In dieser Legislaturperiode ist wohl nicht mehr mit -einem Gesetz zu rechnen, das ernsthaft die Öffentlichkeitsbeteiligung stärkt. Auch wenn die öffentliche mediale Diskussion um Partizipation leicht nachgelassen hat, sehe ich einen sehr großen Bedarf an verbesserter Teilhabe an Planungsentscheidungen. Und daher setze ich auf einen Politikwechsel zum Ende dieses Jahres. Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 9) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Das Bundesverwaltungsgericht spricht ein Urteil. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt noch gar nicht vor. Nur eine Woche später legen die Sozialdemokraten einen Gesetzentwurf vor. Schnell gearbeitet, werte Kollegen! Aber heißt "schnell" auch "gut"? Worum ging es in dem Verfahren? Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage befasst, ob Bundesbehörden auf Grundlage der Landespressegesetze zur Erteilung von Auskünften verpflichtet werden können. Es hat in einem Verfahren wegen presserechtlicher Auskunft am 20. Februar 2013 entschieden, dass die Pressegesetze der Länder auf den BND als Bundesbehörde nicht anwendbar sind, weil die Regelung der Auskunftspflicht von Bundesbehörden in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fällt. Geklagt hatte ein Journalist des Verlags Axel Springer, der jedoch unterlegen ist. Die Auskunft wurde ihm mit der Begründung verweigert, es handele sich nicht um aktuell verfügbare Informationen, sondern diese müssten erst beschafft werden. Die Medien haben in der Demokratie eine wichtige Kontrollfunktion: Sie genießen einen grundrechtlichen Status und schaffen die für unsere demokratische Gesellschaft unverzichtbare Transparenz, die staatliches Handeln und die diesem vorausgehenden Entscheidungsprozesse für den Bürger nachvollziehbar macht. Damit sind sie ein wichtiger Mittler im Dialog zwischen Bürger und Staat. Nicht umsonst nennt man sie auch die ‚Vierte Gewalt'. Eine Demokratie lebt von der investigativen -Recherche von Journalisten und einer kritischen Berichterstattung der Presse und des Rundfunks. Einschränkungen der Arbeit von Journalisten sind auch ein Angriff auf die Demokratie. Wie es um die Pressefreiheit in einem Land bestellt ist, zeigt, wie es dort um die Demokratie steht. Die Vielfalt und Qualität der freien Presse und Medien in Deutschland ist international vorbildlich. Dies haben auch die jüngsten Debatten zum sogenannten Zeitungsterben wieder gezeigt. Eine solche Qualität wäre aber nicht möglich ohne die entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Würden diese die freie Presse behindern, könnte diese gar nicht in einem so hervorragenden Zustand sein, wie ihr auch von den Sozialdemokraten, die über die Medienholding DDVG selbst an einer Reihe von Zeitungen beteiligt sind, immer wieder attestiert wird. Schlecht kann es also um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Pressefreiheit nicht bestellt sein, es ist vielmehr gut um sie bestellt. In der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit der Organisation "Reporter ohne Grenzen" liegt Deutschland 2013 auf Platz 17 (von 179 Ländern). Sieht das Bundesverwaltungsgericht nunmehr die Gefahr einer Beschränkung oder gar Aushöhlung unserer Pressefreiheit? Nein! Das Gericht hat vielmehr festgestellt, dass angesichts des Fehlens einer bundesgesetzlichen Regelung Auskunftsansprüche unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt werden können. Das Grundgesetz erkenne somit einen einklagbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer bestimmten Information zu, soweit ihm nicht berechtigte schutzwürdige Interessen Privater oder öffentlicher Stellen an der Vertraulichkeit von Informationen entgegenstehen, wie sie beispielhaft in den Landespressegesetzen aufgeführt sind, so das Gericht. Das Recht der Presse auf Auskunft hat das BVerwG direkt aus dem Grundgesetz abgeleitet. Für mich ist das eine Stärkung der Pressefreiheit, keine Schwächung. Hinzu kommen noch die Rechte von Journalisten aus dem Informationsfreiheitsgesetz. Damit hat das BVerwG den Rahmen abgesteckt, den Bundesbehörden bei Auskunftsbegehren von Journalisten zu beachten haben. Dies wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion als "Minimalstandard" angesehen. Ich glaube nicht, dass man damit den weitgehenden und vielfältigen Rechten, die das Grundrecht der Pressefreiheit Medienschaffenden einräumt, gerecht wird. In dem jetzigen Verfahren vor dem BVerwG ging es nicht um eine Beschränkung der Pressefreiheit, sondern um die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern. Das sieht die SPD-Fraktion offenbar anders. Wenn in dem Gesetzentwurf zu lesen ist, dass "der gegenwärtige Rechtszustand keinesfalls weiter hingenommen werden kann", klingt dies, als sei die Presse bisher vollkommen rechtlos. Die Presse ist natürlich weder vor noch nach dem Urteil des BVerwG rechtlos. Doch das Gericht hat deutlich gemacht, dass sich der Auskunftsanspruch nur auf Informationen bezieht, die bei der auskunftspflichtigen Behörde aktuell vorhanden sind. Das Auskunftsrecht von Journalisten kann nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht der Behörde führen. Auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überlässt das Grundgesetz den Gesetzgebern von Bund und Ländern, in Abwägung der betroffenen privaten und öffentlichen Interessen zu regeln, ob und unter welchen Voraussetzungen derartige Ansprüche bestehen. Weder die Pressefreiheit noch die Informationsfreiheit geben einen Anspruch auf Eröffnung einer Informationsquelle. Diese Aspekte etwa lässt der Gesetzentwurf der SPD völlig außer Acht. Auch bisher werden Presseanfragen von Bundesbehörden beantwortet, obwohl die Pressegesetze der Länder nur die jeweiligen Landesbehörden verpflichten. Es ist auch nicht zu erwarten, dass die Praxis von Bundesbehörden zu Presseanfragen sich nach der Entscheidung des BVerwG ändert. Das hat Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich nach dem Gerichtsurteil noch einmal bestätigt. Es besteht also keinerlei Notwendigkeit, mit einem übereilten Schnellschuss wie dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, allzu offenkundig allein Wahlkampfzwecken geschuldet, auf die Entscheidung des BVerwG zu reagieren. Zunächst einmal muss die schriftliche Entscheidung des BVerwG abgewartet und sorgfältig auswertet werden. Das werden wir tun. Anschließend werden wir darüber entscheiden, ob und in welcher Art und Weise sich daraus Handlungsbedarf für den Gesetzgeber ergibt. Es fragt sich, ob die Kollegen der SPD in diesem sensiblen Bereich ganz korrekt vorgehen. Sie haben ihren Gesetzentwurf federführend beim Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eingereicht, wohl wissend, dass für die allgemeinen Fragen des Verwaltungsverfahrens von Bundesbehörden und den Zugang zu Informationen der Behörden, namentlich auch des Informationsfreiheitsgesetzes, das BMI zuständig ist. Das BMI ist über das Informationsfreiheitsgesetz hinaus auch federführend für die Gemeinsame Geschäftsordnung der Behörden, in dessen §§ 14 Abs. 3, 4 und § 25 Abs. 4 sich Regeln zu Auskünften von Bundesministerien gegenüber der Presse finden. Warum gehen die Sozialdemokraten daher diesen Weg? Hofft man, mit dieser Zuschreibung der Federführung auf eine ‚pressefreundlichere' Behandlung des Themas, die gleichzeitig die berechtigten Sicherheitsinteressen unseres Staatswesens tangiert? Möchte man die unterschiedlichen Ministerien gegeneinander ausspielen? Die christlich-liberale Bundesregierung hat in dieser Wahlperiode die Arbeitsbedingungen von Journalistinnen und Journalisten bereits einmal verbessert. 2012 hat sie das Gesetz zur Stärkung der Pressefreiheit verabschiedet. Damit hat sie den Informations- und Quellenschutz gestärkt. Medienangehörige machen sich nicht mehr strafbar wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und Geheimhaltungspflichten. Ob sich aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts weiterer gesetzgeberischer Handlungsbedarf ergibt, werden wir sorgsam und in Ruhe prüfen. Wir rufen die Journalistenverbände und Gewerkschaften auf, Vorschläge in unsere Fraktion einzureichen, wie mit dem BVerwG-Urteil umzugehen ist. Der direkte Dialog mit den Betroffenen ist uns sehr wichtig. Wir könnten uns gut vorstellen, dass der zuständige Bundesminister alle Beteiligten zu einem Expertengespräch einlädt, um über Konsequenzen aus der entstandenen Lage zu beraten. Wir halten es für ein Bürgerrecht aller, an der Sicherung der Pressefreiheit aktiv mitzuwirken. In einen Wettbewerb, wer schneller schießt, werden wir hingegen nicht eintreten. Martin Dörmann (SPD): Wir beraten heute in erster Lesung den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse. Hiermit wollen wir sicherstellen, dass Presseorgane ihr grundgesetzlich geschütztes Auskunftsrecht nicht nur gegenüber Landesbehörden, sondern auch gegenüber Bundesbehörden wahrnehmen können. Der Gesetzentwurf ist aufgrund eines kürzlich ergangenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts notwendig geworden. Dieses hatte festgestellt, dass die Landespressegesetze Bundesbehörden kompetenzrechtlich nicht verpflichten können, obwohl es jahrelang gängige Praxis war, dass sich auch Bundesbehörden an ihrem jeweiligen Sitz entsprechend den einschlägigen Landespressegesetzen behandeln lassen. Zugleich hat das Gericht aber betont, dass der Presse auf Grundlage von Art. 5 des Grundgesetzes Auskunftsrechte garantiert sind. Allerdings ist es so, dass es ohne eine konkrete bundesgesetzliche Regelung unklar bleibt, wie weit dieser Anspruch geht. Die Presse wäre somit lediglich auf einen minimalen Grundstandard verwiesen und müsste ihre Rechte in langwierigen Gerichtsverfahren erstreiten. Diese Unsicherheit wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schnell beseitigen. Leider hat sich die Bundesregierung sowohl im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als auch danach nicht als Verfechterin der Pressefreiheit erwiesen. Zwar behaupten der Bundesinnenminister und die Bundesregierung zwischenzeitlich, sie hätten nie die Absicht gehabt, das Auskunftsrecht von Bundesbehörden gegenüber Journalistinnen und Journalisten zu beschränken und die Pressefreiheit einzuschränken, obwohl es gerade die Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht, VBI, gewesen ist, aus der - von der Bundesregierung unwidersprochen - eine sehr restriktive Haltung deutlich wurde und die die Position vertreten hat, dass Bundesbehörden weder auf Grundlage der Landespressegesetze noch aus Art. 5 Abs. 1 GG zur Erteilung von Auskünften verpflichtet werden können. Noch in der Woche vor der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat die Bundesregierung auf die parlamentarische Frage meines Kollegen Lars Klingbeil geantwortet, dass - ich zitiere - "rechtliche Ansprüche auf Auskunft von Bundesbehörden für Journalisten diesen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Bundes" zustehen und dass auf der Grundlage von Art. 5 des Grundgesetzes "in gewissem Umfang auch Auskunftspflichten der Behörden gegenüber der Presse anerkannt" seien, über "deren Umfang und Modalitäten die staat-lichen Stellen eigenverantwortlich bestimmen" könnten. Es darf aber nicht vom Gutdünken der Behörden abhängen, ob und welche Informationen der Presse gegeben werden. Und das Jedermannsrecht des Informationsfreiheitsgesetzes wird der besonderen Stellung der Presse und ihrer öffentlichen Aufgabe nicht ansatzweise gerecht. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht am vergangenen Mittwoch entschieden, dass die Pressegesetze der Länder auf Bundesbehörden nicht anwendbar seien. Zugleich hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass "mangels einer bundesgesetzlichen Regelung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs dieser aber unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gestützt werden kann". Dies ist eine enorme Stärkung der Pressefreiheit in Deutschland; denn bislang haben das Bundesverwaltungsgericht wie das Bundesinnenministerium diese Frage eher verneint. Das Gericht hat damit einen verfassungsunmittelbar -garantierten "Minimalstandard an Auskunftspflichten" festgeschrieben und festgestellt, dass es damit einen klagbaren Rechtsanspruch auf Erteilung einer bestimmten Information gebe, soweit nicht besondere Geheimhaltungstatbestände entgegenstehen, wie sie etwa in den Landespressegesetzen aufgeführt sind. Eine bundesgesetzliche Regelung ist nun dringend geboten, um schnell Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten zu schaffen. In der gestrigen Fragestunde haben wir die Bundesregierung befragt, welche Schlussfolgerungen sie aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum grundgesetzlich garantierten Auskunftsrecht für Medienvertreter gegenüber Bundesbehörden ziehen wird und ob sie die Einschätzung teilt, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, um den verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Auftrag der Presse sicherzustellen. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort erwartungsgemäß erklärt, dass sie diese Frage sorgfältig prüfen wird. Diese Antwort bekommt die Opposition ja immer dann, wenn sich die Bundesregierung nicht auf eine gemeinsame Linie verständigen kann. Zudem haben sich die Verfassungsorgane, Behörden und Einrichtungen des Bundes in ihrer bisherigen Auskunftspraxis gegenüber Medienvertretern in der Sache an den Pressegesetzen der Länder orientiert, sodass in der Praxis keine Änderungen zu erwarten seien. Das Ergebnis wird aber vielmehr sein, dass sich Pressevertreter nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes zwar unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können. Sie werden sich aber angesichts der zweifelhaften "Auskunftsfreudigkeit" der Bundesregierung ihre konkreten Rechte - etwa zur Reichweite des Auskunftsanspruchs, zu den Fristen oder Kosten - in langwierigen Rechtsstreitigkeiten vor Gericht erstreiten müssen. Eine solche Rechtsunsicherheit ist aus unserer Sicht mit dem öffentlichen Auftrag der Presse und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht vereinbar, das den Staat schon mit der Spiegel-Entscheidung verpflichtet hat, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus Art. 5 zu schaffen. Es ist daher zwingend geboten, schnell eine bundesgesetzliche Regelung zu schaffen, die den Journalistinnen und Journalisten die gleichen Auskunftsrechte gegenüber dem Bund einräumt wie gegenüber den Ländern aufgrund der Landespressegesetze. Dies soll mit dem Gesetzentwurf zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gewährleistet werden. Es ist bedauerlich, dass der Beauftragte für Kultur und Medien offensichtlich kein Interesse an diesem so zentralen Thema hat. So wie er die Beantwortung der an ihn adressierten Fragen, wie er die Erfüllung des öffentlichen Auftrages der Presse und die Wahrung der Pressefreiheit sicherstellen wolle, dem Bundesinnenministerium überlassen hat, so soll auch jetzt die Federführung an den Innenausschuss gehen, worüber wir heute strittig abstimmen werden. Wir hätten es der grundsätzlichen Bedeutung für angemessen gehalten, wenn das Thema Pressefreiheit federführend auch bei dem zuständigen Beauftragten für Kultur und Medien und dem Bundestagsausschuss für Kultur und Medien behandelt würde. Offensichtlich möchte der Bundesinnenminister seine restriktive und presseunfreundliche Position auch im Innenausschuss durchsetzen. Sie sollten sich aber keine Hoffnung machen, dass die Verhandlung dieser Position in den Verhandlungen mit den Innenpolitikern der SPD im Innenausschuss einfacher oder erfolgversprechender wäre als mit den Medienpolitikern im Ausschuss für Kultur und Medien. Wir sind natürlich jederzeit bereit, über weitere Verbesserungen der Auskunftsverpflichtungen zu reden. Was es aber mit den Innen-, Rechts- und Medienpolitikern der SPD nicht geben wird, ist eine Beschränkung der Auskunftsverpflichtungen, wie dies zumindest in Teilen der Bundesregierung vertreten wird. Ich freue mich, dass die beiden Journalistenverbände DJV und dju unsere Initiative unterstützen und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gestern aufgefordert haben, diesem Entwurf zuzustimmen. Ich möchte daher bei allen Fraktionen um Zustimmung zu unserem Entwurf für ein Presseauskunftsgesetz werben. Für uns steht fest: Wir brauchen eine schnelle Regelung für die Auskunftsverpflichtungen von Bundesbehörden. Die Bundesregierung darf sich nicht im Hinterzimmer einschließen; sie ist der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig. Die Koalition hat die Chance, sich mit uns für die Pressefreiheit zu entscheiden. Wir sind gespannt auf die parlamentarischen Beratungen. Michael Hartmann (Wackernheim) (SPD): Nach -einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von vergangener Woche sind die Pressegesetze der Länder auf Bundesbehörden nicht anwendbar. Deshalb haben Journalistinnen und Journalisten jetzt keinen einfachgesetzlichen, klar bestimmten Auskunftsanspruch gegen Bundesbehörden. Das kann nicht sein. Eine funktionierende Berichterstattung in der Presse über das Regierungshandeln ist ein konstitutives Moment einer freiheitlichen Demokratie. Über welches Regierungshandeln eine freie Presse berichten kann, steht nicht im freien Ermessen der Bundesregierung, wie das Bundesinnenminister Friedrich zu glauben scheint. In der sogenannten Spiegel-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht am 5. August 1966 das Fundament für unser heutiges Verständnis von Pressefreiheit gelegt. Damals ging es um die Abwehr von Übergriffen des Staates, namentlich des CSU-Politikers Franz Josef Strauß. Das Bundesverfassungsgericht hat damals Pflöcke eingeschlagen: "Der Staat ist - unabhängig von subjektiven Berechtigungen Einzelner - verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen." Bereits damals hatten die Richter erkannt, dass die Pressefreiheit nicht nur ein Abwehrrecht ist, sondern den Staat auch aktiv verpflichtet, dazu beizutragen, dass die Berichterstattung der Presse über die Vorgänge im Staat funktioniert. Deshalb sind - so das Bundesverfassungsgericht - auch "Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden ... prinzipielle Folgerungen" aus der grundgesetzlich garantierten Freiheit der Presse. Das Bundesverwaltungsgericht hat anerkannt, dass die Auskunftspflichten der Behörden aus der Pressefreiheit des Grundgesetzes notfalls direkt eingeklagt werden können. Das ist begrüßenswert. Aber es ist nicht genug. Denn aus dem Grundgesetz ist nur ein Minimalstandard ableitbar, der zudem unbestimmt ist. Deshalb enthalten die Pressegesetze der Länder selbstverständlich Auskunftsansprüche der Presse gegen Landesbehörden. Nur im Bund soll man das nicht brauchen? Bundesinnenminister Friedrich braucht offensichtlich Nachhilfe in Sachen Pressefreiheit. Ist das auch Ihr Verständnis von Pressefreiheit, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus CDU/CSU und FDP? Journalistinnen und Journalisten müssen selbstverständlich Auskünfte von Bundesbehörden verlangen können. Die Bundesregierung kann sich nicht im Hinterzimmer einschließen, sondern ist der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig. Wir haben deshalb umgehend einen Gesetzentwurf vorgelegt: Er garantiert Journalistinnen und Journalisten die gleichen Rechte gegenüber Bundesbehörden, wie sie es in den Ländern gegenüber Landesbehörden haben. Unser Gesetzentwurf stellt den Rechtszustand wieder her, der seit Jahrzehnten gute Staatspraxis war. Der Deutsche Journalisten-Verband, DJV, und die Deutsche Journalistinnen- und Journalistenunion, dju, haben unseren Entwurf bereits begrüßt. Jetzt muss der Bundestag zeigen, dass es uns ernst ist mit Transparenz und Pressefreiheit. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Die heutige Debatte erweckt fälschlicherweise den Eindruck, die Pressefreiheit sei in Gefahr, weil investigativ tätigen Journalisten die Auskunft verweigert werden könnte. Das Gegenteil ist der Fall: Durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird die Pressefreiheit gestärkt. Ich möchte dies gleich zu Beginn betonen, weil die SPD-Fraktion mit dem vorliegenden Gesetzentwurf den Eindruck erweckt, der gegenwärtige Rechtszustand könne keinesfalls weiter hingenommen werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, vielleicht hätten Sie die Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts abwarten sollen, bevor Sie derartige Schreckgespenster an die Wand malen und in hektischen Aktionismus verfallen. So schüren Sie nur Misstrauen gegenüber den Behörden und Gerichten, was sich in der Praxis -sogar als Bärendienst an der Pressefreiheit erweisen könnte. Als FDP-Fraktion begrüßen wir das Urteil ausdrücklich. Erstmals hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass Journalisten einen eigenen, unmittelbaren Auskunftsanspruch gegen Bundesbehörden haben. Dass sich dieser Anspruch nicht aus Landesrecht ergeben kann, erscheint auf den ersten Blick schlüssig, und so hat das Gericht überzeugend einen Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz bejaht. Hierdurch wird auch zusätzliche Rechtssicherheit geschaffen, weil die bisherige Auskunftspraxis der Bundesbehörden nun auf einer sicheren, höchstrichterlich bestätigten Basis steht. Journalisten dürfen sich durch dieses Urteil also ermutigt fühlen, ihren Auskunftsanspruch einzufordern. Dass das Urteil in der Sache abweisend war, ändert nichts an seiner Bedeutung. Im Streitfall muss eine Einzelfallbetrachtung vorgenommen werden, die einen Ausgleich der -widerstreitenden Interessen schaffen muss. Im vorliegenden Sachverhalt trat das Auskunftsinteresse angesichts des erheblichen Ermittlungsaufwands und der bereits eingesetzten Historikerkommission zurück. Ohne der Urteilsbegründung vorgreifen zu wollen, sehen wir als FDP-Fraktion deshalb keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Sollte sich diese Situation aber verändern - zum Beispiel weil die Urteilsbegründung Raum für zukünftige Unsicherheiten lässt, - werden wir umgehend von unserem Initiativrecht Gebrauch machen. Für uns Liberale ist die Freiheit Leitmotiv. Unter den Grundfreiheiten ist die Pressefreiheit unentbehrliche Voraussetzung der freien Meinungsbildung und damit - in den Worten des Bundesverfassungsgerichts - ein "unentbehrliches Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die Demokratie". Der Schutz und die Gewährleistung der Pressefreiheit sind deshalb unsere vorrangigen Ziele. Jimmy Schulz (FDP): Die Presse ist eine der wichtigsten Säulen eines jeden demokratischen Staats. Sie erfüllt mannigfaltige Aufgaben und wird nicht nur deswegen auch "die vierte Gewalt" genannt. Sie hat auf der einen Seite die Aufgabe, die Bevölkerung umfassend und objektiv über alles zu informieren. Sie wirkt damit an der Meinungsbildung der Bürger mit und schafft für jeden Einzelnen die Grundlage, nicht nur am politischen Geschehen, sondern auch am täglichen Leben teilzunehmen. Sie hat aber auch eine wichtige Kritik- und Kon-trollfunktion gegenüber der Politik. Wo sonst ist es möglich, dass immer alle Seiten gleichzeitig zu einem Thema gehört werden? Die Verantwortungsträger müssen sich hier nicht nur alle paar Jahre in Wahlen verantworten, sondern jeden Tag, und das ist auch gut so. Wie wichtig eine wirklich freie Presse ist, zeigt sich vor allem in den Ländern, in denen es eben keine freie Presse gibt. Und deswegen bin ich froh, dass wir in der Bundesrepublik Deutschland die Pressefreiheit hochhalten. Ein wichtiger Teil der Arbeit von Journalisten ist die Recherche. Hierfür müssen Journalisten alle Möglichkeiten haben, um die eben genannten Funktionen voll auszufüllen. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass die Behörden und Verwaltungen auf den unterschiedlichen Stufen der Presse gegenüber Auskünfte erteilen, soweit dem keine wichtigen Gründe entgegenstehen. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht in der letzten Woche ein Urteil vorgelegt, das sich mit der Rechtsgrundlage solcher Auskunftsansprüche beschäftigt. Demnach können sich Journalisten nicht länger auf die Landespressegesetze und die darin normierten Auskunftsansprüche berufen, wenn sie Informationen von Bundesbehörden erhalten wollen. Der Auskunftsanspruch ergibt sich in diesem Fall aus der verfassungsrechtlich normierten Pressefreiheit in Art. 5 Abs. 1 unseres Grundgesetzes. Eine bundesgesetzliche Regelung muss also her. Schön, dass die Fraktion der SPD nun so schnell einen mit heißer Nadel gestrickten Gesetzentwurf dazu vorlegen konnte. Hier geht es offenkundig nicht um die Sache an sich, sondern darum, als Erster durchs Ziel zu laufen. Die erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) muss jedoch aufpassen, an dieser Stelle nicht der Hase zu sein, während der Igel schon im Ziel wartet. Schon die Tatsache, dass sich offenbar noch nicht einmal die Mühe gemacht wurde, einen geeigneten Ort für die zu schaffende Anspruchsgrundlage zu suchen, und nur ein neues Gesetz mit substanziell einem Paragrafen geschaffen werden soll, zeigt, dass auch die SPD-Fraktion mit ihrem Antrag vor allem Aktionismus vortäuschen will und an einer ernsthaften Regelung nicht interessiert ist. Falscher Aktionismus ist auch deswegen fehl am Platz, da noch nicht einmal die Urteilsgründe vorliegen, ohne die eine seriöse Bewertung überhaupt nicht möglich ist. Bevor eine neue Regelung geschaffen werden kann, müssen viele Punkte erst einmal geklärt werden. In dem Gesetzentwurf möchte die SPD den Auskunftsanspruch für die Presse "zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben". Hier sieht man schon den ersten handwerklichen Fehler, der nur passieren kann, wenn blind Texte kopiert werden. Die Legaldefinition für die "öffentlichen Aufgaben der Presse" findet sich nur in den jeweiligen Landesgesetzen. Soll das von der SPD-Fraktion gewünschte Bundesgesetz dann etwa auf die Landesgesetze verweisen? Auch das Verhältnis zu anderen Informationszugangsansprüchen wird kurz mit einem Satz abgetan; nähere Gedanken zur Systematik wurden sich hier offensichtlich nicht gemacht. Warum wurde denn nicht ein Standort im Informationsfreiheitsgesetz, IFG, gesucht? Hier hätten wir den Vorteil, dass wir bestimmte Regelungen schon vorfinden, die im vorliegenden Entwurf komplett fehlen. Dazu zählen mögliche Versagungsgründe beim Schutz von besonderen öffentlichen Belangen und die Klarstellung des Schutzes personenbezogener Daten. Aber auch eine Einfügung in das Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVG, wäre denkbar gewesen. Warum ist das alles in dem Antrag nicht drin? Weil hier schnell irgendetwas vorgelegt werden sollte und für Nachdenken offensichtlich keine Zeit war. Ohne das Abwarten der Begründung durch das Gericht ist das Schaffen von neuen Gesetzen ein Blindflug. Aber das schnelle Beschließen von Gesetzentwürfen, die dann vom Verfassungsgericht kassiert werden müssen, haben Sie ja schon praktiziert, als Sie noch selber auf der Regierungsbank saßen. Wir werden diese Hektik jedenfalls nicht an den Tag legen. Manchmal macht einen das Abwarten und vernünftige Abwägen dann zum Igel. Liebe Kollegen von der SPD-Fraktion, da Sie sich anschicken, ab September in diesem Haus das Zepter übernehmen zu wollen, sollten Sie doch lieber in den nächsten Monaten zumindest versuchen, glaubhaft zu machen, dass Sie dazu in der Lage sind, anstatt sich mit Schnellschüssen in die Nesseln zu setzen. Aber offensichtlich ist ja nicht nur Ihr Kanzlerkandidat für unsubstantiierte Schnellschüsse gut. Ich kann deswegen nur für die Ablehnung des Antrags plädieren. Jan Korte (DIE LINKE): Eine Voraussetzung für eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist der freie Zugang zu historisch und politisch relevanten Informationen: für die Presse, die Öffent-lichkeit und für die Wissenschaft. Jeder Versuch, die Überprüfbarkeit des historischen und aktuellen Regierungshandelns einzuschränken, stellt auch eine nicht hinzunehmende Einschränkung der Grundlagen der Demokratie dar. Der Anlass für die hier vorliegende Gesetzesinitiative, auf den wir noch ausführlicher zu sprechen kommen werden, nämlich der Versuch der Bundesregierung in der letzten Woche, das Presserecht auszuhebeln, hat viele in diesem Land zu Recht maßlos geärgert. Und trotzdem muss ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, zunächst einmal Folgendes sagen: Das ist mal wieder ein Schnellschuss, den ich in die Ecke Wahlkampfpopulismus einordne und der der Bedeutung der Sache nicht wirklich gerecht wird. Schon das Prozedere, auf eine Entscheidung eines Gerichtes zu reagieren ohne Kenntnis der schriftlichen Urteilsbegründung - die liegt nämlich noch nicht vor -, aus der sich wichtige Erkenntnisse, Umfang und Grenzen eines solchen Anspruches ableiten ließen, ist wenig seriös. Hier wäre stattdessen in intensiver Auseinandersetzung und sorgfältiger Arbeit die Chance zu ergreifen, der vierten Gewalt ernstzunehmende Instrumentarien an die Hand zu geben. Aber das kann ja und wird hoffentlich auch in den nächsten Wochen noch kommen. Nun aber zum ärgerlichen Anlass des Ganzen. Nachdem sich die Bundesregierung wieder einmal geweigert hatte, einem Journalisten darüber Auskunft zu erteilen, wie viele hauptamtliche sowie inoffizielle Mitarbeiter der Bundesnachrichtendienst, BND, zwischen 1956 und 1980 hatte und wie viele davon zuvor Mitglied der NSDAP, der SA, der SS, der Gestapo oder der Abteilung "Fremde Heere Ost" waren, mussten am 20. Februar die Richter des Bundesverwaltungsgerichts über das Auskunftsrecht der Presse entscheiden. Und das Mauern hat bei Ihnen ja eine unendlich lange und schlechte Tradition. Anstatt endlich, fast 68 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, die Akten über die alten Nazis, die überall in der jungen Bundesrepublik wieder in Amt und Würden kamen, zu öffnen, rücken Sie immer nur das an Information heraus, wozu Gerichte Sie verdonnern, oder wenn der öffentliche Druck zu groß wird. An diesem Punkt muss ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, auch noch einmal vorhalten, dass Sie, zumindest was das Auskunftsrecht bei allen Akten mit NS-Bezug angeht, schon längst für Transparenz und Freiheit hätten sorgen können. Dafür hätten Sie einfach nur unsere Initiativen zur Freigabe unterstützen und sich nicht im trauten Bunde mit der Koalition weiter der Geheimniskrämerei verschreiben müssen. Dann wären wir an diesem Punkt schon einen wichtigen Schritt vorangekommen. Aber okay, auch das kann sich ja noch ändern. Ich baue da weiter auf die Kraft der Vernunft. Nun aber zurück zum eigentlichen Problem. Leider haben die Richter in Leipzig diesmal die Bundesregierung nur sehr zurückhaltend in die Schranken gewiesen. Ihrer skandalösen Rechtsauffassung, Bundesbehörden wären nicht verpflichtet, Journalisten Auskunft zu erteilen, da sie nicht den Pressegesetzen der Länder unter-lägen, hat das Bundesverwaltungsgericht die im Grundgesetz verbriefte Pressefreiheit, Art. 5 Absatz 1 Satz 2, entgegengehalten: "Mit der Gewährleistung der Pressefreiheit trägt das Grundgesetz der besonderen Bedeutung der Presse in einem freiheitlichen demokratischen Staatswesen Rechnung. Hieraus folgt die Pflicht des Staates zur Erteilung von Auskünften." Doch dann machten die Richter eine Einschränkung, mit der sie zu begründen versuchen, warum der Journalist und damit die Öffentlichkeit, trotz seines Grundrechts, doch keinen Anspruch darauf haben, zu wissen, wie viele Mitarbeiter eine Bundesbehörde wie der BND hatte. Ich zitiere: "Der Auskunftsanspruch bezieht sich nur auf Informationen, die bei der auskunftspflichtigen Behörde aktuell vorhanden sind. Das Auskunftsrecht führt nicht zu einer Informationsbeschaffungspflicht der Behörde. Bezogen auf den Anteil früherer Beschäftigter mit NS-Vergangenheit, stehen dem Bundesnachrichtendienst gegenwärtig keine auskunftsfähigen Informationen zur Verfügung." Nun ja. Dieser Teil des Urteils ist für jeden, der sich etwas mit dem Thema auskennt, nur schwer nachzuvollziehen. Vor über zwei Jahren wurde eine Unabhängige Historikerkommission beim BND damit beauftragt, unter anderem genau dieser Frage nachzugehen. Laut Angaben der Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage meiner Fraktion zum "Umgang mit der NS-Vergangenheit", Drucksache 17/8134, verfügt der BND über Personaldatensätze von über 5 900 ehemaligen Mitarbeitern der für eine "NS-Belastung" infrage kommenden Geburtsjahrgänge 1879 bis 1928. Für den Verantwortungsbereich des BND ist aus öffentlich zugänglichen Unter-lagen der Central Intelligence Agency, CIA, von Anfang 1954 bekannt, dass damals mindestens 50 Mitarbeiter der Organisation "Gehlen" zuvor der Waffen-SS, der Allgemeinen SS oder dem SD der SS angehört haben. Außerdem ist -inzwischen bekannt, dass der BND sich infolge der Ermittlungen einer auf Anordnung des damaligen BND-Präsidenten Reinhard Gehlen im Herbst 1963 einge-richteten internen Ermittlungsgruppe, der sogenannten Dienststelle 85, von 71 Mitarbeitern wegen der Beteiligung an NS-Verbrechen getrennt haben soll. Die interne Ermittlungsgruppe des BND überprüfte damals rund 200 hauptamtliche Mitarbeiter im Hinblick auf ihre NS-Vergangenheit. Unter den befragten Mitarbeitern waren 146 in der NSDAP, der SS, im Reichssicherheitshauptamt oder in der Geheimen Feldpolizei gewesen. Seit langem besitzt darüber hinaus der BND die Information, dass 1960 2 450 Mitarbeiter bei ihm beschäftigt waren, von denen etwa 200 zuvor im Reichssicherheitshauptamt gearbeitet hatten. Warum die Bundesregierung sich nach eigenen Angaben aber "gegenwärtig" nicht für "auskunftsfähig" hält, versteht kein Mensch. Die Angaben sind, trotz Ihrer regelmäßigen Schredderei, offensichtlich vorhanden, man müsste sich also nur die Mühe machen, sie zusammenzuschreiben. Erklären Sie doch einmal, warum Sie und die seit zwei Jahren mit vier Professoren und etlichen Mitarbeitern tätige Kommission nicht längst herausgefunden hat, wie viele Mitarbeiter der BND zu welcher Zeit hatte und welche davon im NS-Vernichtungsapparat tätig waren? Da das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, dass der verfassungsunmittelbare Anspruch auf Information lediglich einen "Minimalstandard" gewährleistet, besteht selbstverständlich dringender Handlungsbedarf. Die jetzige Situation, in der die Presse, wenn sie von einer Bundesbehörde Auskunft verlangt, sich jedes Mal auf das Grundgesetz berufen und gegebenenfalls einen Verfassungsrechtler einschalten muss, ist eines demokratischen Rechtsstaats nicht würdig und muss schnell, aber eben auch parlamentarisch sauber und sorgfältig beendet werden. Dass die Entscheidung deshalb, wie die FAZ am 25. Februar zu berichten wusste, angeblich nun im Justizministerium geprüft wird und selbst dem Innenminister das Ganze etwas unangenehm ist, beweist doch eins: Ihre Verschlusshaltepolitik ist gescheitert und muss schnellstens beendet werden. Nun aber noch einmal zum vorliegenden SPD-Entwurf. Es ist ja zutreffend, dass bisher die weitgehend einhellige Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass gegenüber Bundesbehörden ein Auskunftsanspruch aus Landespressegesetzen resultiert. Dem hat das Bundesverwaltungsgericht, BVerwG, soweit aus der Pressemitteilung erkennbar, jetzt aber einen Riegel vorgeschoben. Da das BVerwG nun offenbar einen Auskunftsanspruch unmittelbar aus dem Grundgesetz ableiten will, liegt jetzt, im Gegensatz zum allgemeinen Auskunftsanspruch, ein Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber vor, für die Presse einen Zugang zu eröffnen. Die Gründe hat das OVG Berlin 1995 - 8 B 16/94 - schon wunderbar prägnant ausgeführt: Damit die Medien andere informieren können, was ja ihr Daseinszweck in einer Demokratie ist, müssen sie selbst informiert sein. Um diesen Zustand zu erreichen, müssen sie sich - so das OVG Berlin - "Einblick auch in nicht allgemein zugängliche Quellen verschaffen können, also auch in das Innere der Verwaltung und die dortigen Vorgänge." Oder in Kurzform: kein Einblick, keine Informationsmöglichkeit, keine informierten Bürgerinnen und Bürger gleich keine richtige Demokratie. Nimmt man diese klare Aussage des OVG, kombiniert sie mit dem vom Bundesverwaltungsgericht erkannten Minimalauskunftsanspruch als Rechtslage und vergisst für einen Augenblick die Vorlagengeschwindigkeit und das Wahlkampfgedöns als Qualitätsnachweis, ergibt sich: Der Entwurf der SPD liefert substanziell nicht mehr als das, was wir haben, plus die Demonstration des Willens, einen Verfassungsauftrag, wo immer es geht, in einem Gesetz zu regeln. Das alleine macht aber noch kein gutes Gesetz. Um nicht zu sehr auf Details einzugehen, möchte ich hier exemplarisch nur ein den Verfassern ganz wichtiges Ziel nennen: die Rechtssicherheit. Gerade das für die Praxis ja enorm wichtige Auskunftsverweigerungsrecht ist im Abs. 2 des Gesetzentwurfs so unbestimmt formuliert, dass selbst das viel allgemeinere Informationsfreiheitsgesetz, IFG, dagegen ein Ausbund an Klarheit ist. Damit verfehlt der Gesetzentwurf aber genau den Punkt, der für seine Geburt sozusagen Erzeuger war: "Es ist von besonderer Bedeutung" - heißt es im Entwurf -, "Rechtssicherheit für die Presse hinsichtlich des Umfangs des verfassungsrechtlich verbürgten Auskunftsanspruchs und insbesondere bezüglich der Ausnahmen zu schaffen. Es ist mit dem verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Auftrag der Presse nicht vereinbar, dass das Spektrum vermeintlicher Ausnahmen erst im Wege langwieriger Rechtsstreitigkeiten erkennbar wird." Genau diese Auseinandersetzungen verhindert der Entwurf mit seiner Scheinklarheit gerade nicht. Er kodifiziert den jetzt vom BVerwG zum allgemeinen Status quo erklärten Minimalzustand. Die Begründung zu dem Entwurf erschöpft sich in Floskeln allgemeiner Art, als wären sie aus der Zeitung abgeschrieben. Da gibt das weitaus allgemeinere IFG mehr Rechtssicherheit. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Pressefreiheit ist ein sehr hohes Gut. Diesen Satz würden vermutlich fast jeder und jede meiner Kolleginnen und Kollegen unterschreiben. Wer würde diese Feststellung schon bestreiten? Aber in der Praxis zeigt sich dann, wer es ernst meint mit der Pressefreiheit und wer sie lediglich in Sonntagsreden hochhält. Der Bundesnachrichtendienst hat den Begriff auf jeden Fall sehr eng - ich meine, zu eng - ausgelegt und bei der Herausgabe von Informationen an einen Journalisten gemauert. Damit wurde mit einem doch meist gepflegten Brauch der Auskunft von Bundesbehörden an Journalisten gebrochen. Vergangene Woche wurde deshalb vor Gericht um die Pressefreiheit in Deutschland gerungen. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hatte die Klage eines Journalisten abgewiesen, der etwas über die NS-Vergangenheit des Bundesnachrichtendienstes wissen wollte. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht vertrat bei der Verhandlung die Auffassung, dass Bundesbehörden Journalistinnen und Journalisten solche Auskünfte nicht geben müssen. Denn zur Herausgabe solcher Daten verpflichten lediglich die Landespressegesetze, die aber nicht für Bundesbehörden gelten, so sein Argument. Das Gericht hat dazu ein zweischneidiges Urteil gefällt. Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Versuch des Bundes, der Presse keine Auskünfte mehr erteilen zu müssen, einen Riegel vorgeschoben und auf die Verfassung verwiesen. Ich bin erleichtert, dass das Gericht für die Medien einen verfassungsrechtlich gedeckten Anspruch auf ein Auskunftsrecht festgestellt hat. Wie genau dieser aber ausgestaltet sein soll, da hat sich Leipzig jedoch vornehm zurückgehalten. Das Gericht hat jedoch auch festgestellt, dass die Landespressegesetze nicht für Bundesbehörden gelten, und es deshalb auf Bundesebene eine Regelungslücke gibt. Mit dem Urteil hat sich also faktisch wenig geändert. Die Behörden dürfen Informationen zurückhalten, solange nicht dagegen geklagt wird. Das Presserecht darf aber nicht zum stumpfen Schwert verkommen. Es ist absurd, wenn Journalisten in Bundesbehörden etwas verweigert wird, was ihnen in Landesbehörden zusteht. Und mit den Regelungen in den Landespressegesetzen ist für die Bundesbehörden ganz offensichtlich kein Zugriff gegeben. So wird Journalistinnen und Journalisten aber die Arbeitsgrundlage gegenüber Bundesbehörden entzogen. Denn es ist richtig und wichtig, dass Journalisten Fakten finden und offenlegen können, die für Bundesbehörden manchmal unbequem sind. Es ist für Journalisten nicht ausreichend, nur auf eine Minimalauskunft zurückgreifen zu können. Akten dürfen Journalisten deshalb nicht grundsätzlich vorenthalten werden. Ein vages Auskunftsrecht ist meines Erachtens ungenügend. Journalisten dürfen nicht auf das Wohlwollen oder den Fleiß der Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen angewiesen sein. Ich gehe davon aus, dass wir deshalb eine Alternative auf Bundesebene benötigen, damit diese Rechtsun-sicherheit geklärt wird. Die Journalistinnen und Journalisten brauchen jetzt Klarheit, ihre Informationsansprüche müssen klar geregelt werden. Die SPD hat deshalb ein Presseauskunftsgesetz vorlegt. Das ist ein gutes Signal - wenn auch etwas schnell. Wir werden diesen Gesetzesvorschlag wohlwollend prüfen. Wir möchten uns aber die Zeit nehmen, um sicher zu sein, ob der Vorschlag kompetenzrechtlich belastbar ist oder ob eine Regelung auf anderer Ebene schlagkräftiger ist. Dazu braucht es auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Volltext. Zudem muss entschieden werden, ob der Vorschlag der SPD ausreichend ist oder noch ausgeweitet werden muss. Wir sehen, dass Handlungsbedarf gegeben ist, wollen aber eine solide Lösung, die den Journalistinnen und Journalisten Rechtssicherheit gibt. 1Anlage 3 2Anlage 4 3Anlagen 6 bis 8 4Ergebnisse Seite 27974 C und 27976 D 5Anlage 9 6Ergebnis Seite 27979 C 7Ergebnis Seite 27984 B 8Namensverzeichnis der Teilnehmer an der Wahlsiehe Anlage 2 9Anlagen 10 bis 15 10Ergebnisse Seite 27993 C und 27995 D 11Anlage 16 12Anlage 18 13Anlage 18 14Anlage 18 15Anlage 19 16Anlage 19 17 Anlage 20 18Anlage 21 19Anlage 22 20Anlage 23 21Anlage 24 22Anlage 25 23Anlage 17 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 28136 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 225. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 225. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28137 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 28160 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 225. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 225. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 28. Februar 2013 28161