Plenarprotokoll 17/227 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 227. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. März 2013 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Dr. Erik Schweickert (FDP) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Caren Lay (DIE LINKE) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Petra Crone (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Stephan Thomae (FDP) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Manuel Höferlin (FDP) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Kerstin Tack (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Caren Lay (DIE LINKE) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Ulrich Kelber (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Dr. Erik Schweickert (FDP) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Stephan Thomae (FDP) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Ulrich Kelber (SPD) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Caren Lay (DIE LINKE) Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin BMJ Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksache 17/12647) Mündliche Frage 3 Inge Höger (DIE LINKE) Beteiligung der Bundeswehr an der Erstellung eines UAV-Demonstrators und der Entwicklung einer Kampfdrohne Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Inge Höger (DIE LINKE) Mündliche Frage 5 Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einführung des Familiensplittings Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 6 Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gesetzliche Quoten für mehr Frauen in Aufsichtsräten Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Zusatzfragen Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 10 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für die Schleusensperrung des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel am 6. März 2013 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 11 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Finanzierung der Mehrkosten des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 durch Fahrpreiserhöhungen Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Heike Hänsel (DIE LINKE) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inge Höger (DIE LINKE) Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 12 Heike Hänsel (DIE LINKE) Einpreisung der Mehrkosten des Bahnprojekts Stuttgart 21 in den Haushaltsentwurf 2014 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Inge Höger (DIE LINKE) Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 13 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen des Urteils des Bundes-verwaltungsgerichts zum Bau der Berliner U-Bahn-Linie 5 auf den Lückenschluss von Berlin-Südkreuz nach Mahlow Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 17 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schlussfolgerungen aus dem Appell des Bündnisses "Klima-Allianz Deutschland" vom 6. März 2013 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 18 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ökologische und soziale Dimension der Energiewende Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 19 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Transparenz und Gründe des erneuten Förderstopps des Mini-Kraft-Wärme-Kopplung-Impulsprogramms Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Verhalten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundesrat beim Fiskalpakt Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Dr. Florian Toncar (FDP) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) Winfried Kretschmann, Ministerpräsident (Baden-Württemberg) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU) Michael Roth (Heringen) (SPD) Otto Fricke (FDP) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) Rolf Schwanitz (SPD) Antje Tillmann (CDU/CSU) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Verpflichtende elektronische Einzeltierkennzeichnung von Schafen und Ziegen Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 3 Mündliche Frage 2 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Kennzeichnung der Herkunft von Eiern und Eierprodukten in verarbeiteten Lebensmitteln Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 4 Mündliche Frage 4 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützungsleistung der deutschen Streitkräfte bei AFISMA Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 5 Mündliche Frage 7 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Optimierung der Versicherungsstruktur der gesetzlichen Krankenkassen durch Wahltarife Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 6 Mündliche Frage 8 Gustav Herzog (SPD) Stand des Fahrtenmanagementprojekts "ASS-Online" und Einführung der elektronischen Abgabenerhebung in der Binnenschifffahrt Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 7 Mündliche Frage 9 Gustav Herzog (SPD) Variantenunabhängige Untersuchung zum Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 8 Mündliche Frage 14 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der Forderungen auf Rückerstattung von Mautbeiträgen wegen der gerichtlich festgestellten Ungültigkeit der Mauthöheverordnung in den Jahren 2003 und 2007 Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 9 Mündliche Frage 15 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anzahl der für Beteiligungsverwaltung bzw. Bundesbeteiligung zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMVBS Antwort Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 10 Mündliche Frage 16 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Regelungen im Betriebshandbuch des Atomkraftwerks Gundremmingen zum Abfahren der Anlage im Fall der Nichtverfügbarkeit von Notkühlsystemen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 11 Mündliche Fragen 20 und 21 Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einstellung des Programms "Akademikerinnen und Akademiker qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt" (AQUA) zum Februar 2013 und weitere Fördermaßnahmen mit dem Ziel der Anerkennung von Berufsabschlüssen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 12 Mündliche Frage 22 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf zur Befreiung der Industrie von den Netzentgelten nach § 19 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 13 Mündliche Frage 23 Niema Movassat (DIE LINKE) Gefährdung eines bezahlbaren Zugangs zu Medikamenten durch das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Thailand Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 14 Mündliche Frage 24 Niema Movassat (DIE LINKE) Beschluss des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zur Integration der humanitären Hilfe in Somalia in die dortigen militärischen Strukturen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 15 Mündliche Frage 25 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterrichtung der britischen Botschaft zum Atomkraftwerksvorhaben Hinkley Point C; Bitte zur Notifizierung bzw. grenzüberschreitenden Beteiligung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 16 Mündliche Frage 26 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Formulierung von Ausnahmen in den Sanktionen gegenüber Syrien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 17 Mündliche Frage 27 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Runderlass vom 6. Dezember 2012 über den zu erbringenden Spracherwerbsnachweis Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 18 Mündliche Frage 28 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Schlussfolgerungen der Bundesregierung aus der jüngsten Entscheidung der Schweizer Regierung zu einem geplanten Rüstungsgeschäft der Schweiz mit Saudi-Arabien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 19 Mündliche Frage 29 Heike Hänsel (DIE LINKE) Einladung des paraguayischen Außenministers durch die Bundesregierung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 20 Mündliche Frage 30 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Zukünftige Aufgaben der afghanischen -Polizeikräfte und der im bilateralen Polizei-Projektteam eingesetzten Kräfte Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 21 Mündliche Frage 31 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Schengen-Vollbeitritt von Rumänien und Bulgarien Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 22 Mündliche Frage 32 Andrej Hunko (DIE LINKE) Stand der Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Mexikanischen Staaten über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 23 Mündliche Frage 33 Andrej Hunko (DIE LINKE) Gründe für die Einigung in den Verhandlungen betreffend Zypern über Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 24 Mündliche Fragen 34 und 35 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Belastungen der Sparerinnen und Sparer durch die Finanztransaktionsteuer; Haltung der Bundesregierung zur entsprechenden Stellungnahme von Prof. Dr. Max Otte Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 25 Mündliche Frage 36 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Ermittlung des Anrechnungshöchstbe-trages nach § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 26 Mündliche Frage 37 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Sachgerechte Zerlegung der Kapitalertragsteuer nach dem Einkommensteuergesetz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 27 Mündliche Frage 38 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Rechtliche Beschränkungen bei grenzüberschreitenden Organschaftstrukturen nach der Neuregelung durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 28 Mündliche Frage 39 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Quantifizierung der Steuermehrbelastung von Einkommenszuwächsen infolge von Inflationsausgleichen; Steuermehraufkommen durch die kalte Progression in den Jahren 2011 bis 2014 Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 29 Mündliche Fragen 40 und 41 Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ausgestaltung und Einführung eines geplanten Familiensplittingmodells Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 30 Mündliche Frage 42 Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Studien zu berufsbedingten Erkrankungen des Bewegungsapparats von Seeleuten und Eintrag in die Berufskrankheiten-Verordnung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 31 Mündliche Fragen 43 und 44 Anette Kramme (SPD) Vorbereitung und Durchführung der Leitungsklausur des BMAS am 7. und 8. März 2013 durch die Beratungsgesellschaft McKinsey Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMAS Inhaltsverzeichnis 227. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 13. März 2013 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat die Bundesministerin der Justiz Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Bundesregierung hat heute im Kabinett den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken beschlossen. Dieses Gesetz wird den Schutz von Verbraucherinnen, Verbrauchern und Gewerbetreibenden in den Bereichen Inkasso, Telefonwerbung und Abmahnwesen verbessern. Uns hat die Tatsache zum Handeln veranlasst, dass es gerade in diesen Bereichen immer wieder Beschwerden über bedenkliche Geschäftspraktiken gab. Lassen Sie mich in aller Kürze die wichtigsten Regelungen vorstellen. Erster Bereich: Telefonwerbung. Werbeanrufe sind bereits jetzt nur erlaubt, wenn der Verbraucher ausdrücklich vorher einwilligt. Dennoch gibt es mit dem Gesetz aus dem Jahre 2009 weiter Probleme. Mit diesem Gesetzentwurf erfassen wir auch die automatischen Anrufmaschinen, die bisher nicht von dem Gesetz erfasst sind. Sie sind ein großes Ärgernis für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Wir wollen die Bußgeldobergrenze um das Sechsfache erhöhen, von 50 000 Euro auf 300 000 Euro. Und wir sehen ausdrücklich schriftliche Bestätigungsregelungen vor, wenn es um Gewinnspieldiensteverträge geht. Hier können nämlich sehr hohe Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher entstehen. Zweiter Bereich: Abmahnungen. Abmahnungen sind ein sinnvolles Instrument in unserer Rechtsordnung. Hier können berechtigte Forderungen in kürzeren Zeiten als in einem Gerichtsverfahren durchgesetzt werden. Dies ist also wichtig für die Gläubiger. Es gibt aber auch überzogene Anwendungen der Möglichkeiten dieses Instituts der Abmahnung. Darauf konzentriert sich unser Gesetzentwurf im Urheber- und Wettbewerbsrecht. Man kann sich ja des Eindrucks nicht ganz erwehren, dass der ein oder andere hiermit ein gewinnbringendes Geschäftsmodell für sich entwickelt hat. Deshalb schaffen wir im Urheberrecht eine andere Regelung, um die Kosten für den Anwalt zu begrenzen. Wir sehen erstmals einen Regelstreitwert von 1 000 Euro vor. In § 97 a Urheberrechtsgesetz gibt es eine Regelung, die bisher nicht zur Anwendung kam. Dort wollte man die Kosten bei einfach gelagerten Sachverhalten auf 100 Euro beschränken. Dies spielte in der Realität überhaupt keine Rolle. Aber der Wille des Gesetzgebers war schon damals, eine Beschränkung vorzusehen. Wir wollen jetzt einen Regelstreitwert umsetzen, der in bestimmten Einzelfällen, nach einer Einzelfallprüfung, nach oben oder unten geändert werden kann. Wir sehen auch die Verpflichtung vor, darzulegen, welche Handlungen ein Urheberrecht von wem verletzt haben. Es gibt also hier konkrete Anforderungen an die Anspruchsbegründung. Auch im Wettbewerbsrecht werden die Gegenstands- und Streitwerte angepasst. Es bleibt zwar dabei, dass dies im Ermessen des Gerichts liegt; aber in bestimmten Fällen kann ein Streitwert von 1 000 Euro angenommen werden. Zum dritten Bereich - Inkasso - nur in aller Kürze: Forderungen werden ja durch Inkassounternehmen eingefordert und durchgesetzt. Das ist natürlich durchaus legitim. Wir wollen, dass es auch künftig Inkassounternehmen gibt. Diese Inkassounternehmen treiben natürlich auch Forderungen aus dem Bereich der unlauteren Telefonwerbung oder anderen Bereichen ein. Man sieht also: Hier kommt alles zusammen; es wird auch da versucht, Forderungen aus überzogenen, unberechtigten Abmahnungen, soweit es der Sachverhalt hergibt, über ein Inkassobüro einzutreiben. Hier erweitern wir die Darlegungs- und Informationspflichten der Inkasso-unternehmen, damit der Empfänger weiß: Welche Forderung von wem wird hier in Form einer Geldzahlung durch ein Inkassobüro eingetrieben? - Das ist bisher nicht immer der Fall. Alle seriösen Unternehmen legen dies dar; die Unternehmen, die einfach mal ihre Forderungen rausschicken, tun dies nicht. Der Gesetzentwurf fordert eine solche Information jetzt zwingend ein. Über die Inkassoregelsätze werden wir auf dem Wege der Verordnung entscheiden; dafür ist eine Ermächtigung vorgesehen. Und die Sanktionsmöglichkeiten werden erweitert: Das maximale Bußgeld wird von 5 000 auf 50 000 Euro angehoben. So viel in der Kürze zum Inhalt des Gesetzentwurfs. Vielen Dank. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Gibt es Nachfragen? - Herr von Notz. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! - Frau Ministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen. Zunächst eine Frage zum Streitwert. Ein früherer Entwurf sah eine Deckelung des Streitwerts bei 500 Euro vor, nach § 49 GKG. Nun ist eine Deckelung bei 1 000 Euro vorgesehen. Was ist denn die inhaltliche Begründung dafür, dass die Deckelung nicht, wie ursprünglich vorgesehen, bei 500 Euro, sondern nun bei 1 000 Euro liegen soll? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Wir haben in der Koalition natürlich über diesen Punkt verhandelt. Da gab es unterschiedliche Vorstellungen über die Höhe des Regelstreitwertes. Am Ende haben wir uns vor dem Hintergrund, dass Abmahnungen letztendlich ein gerechtfertigtes und erlaubtes Instrument sind, das man nutzen können muss, im Wege der Konsensfindung auf eine Deckelung bei 1 000 Euro verständigt. Vielleicht eine Anmerkung dazu: Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf eine Deckelung des Streitwerts bei 700 Euro vorgesehen. Aktuell gibt es im Rechtsausschuss eine Anhörung zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz. Demnach wird es Stufen zur Berechnung der Anwalts-gebühren geben: Da gibt es die Stufe bis 500 Euro und die Stufe bis 1 000 Euro. Dann würde ein Streitwert von 700 Euro der Stufe bis 1 000 Euro zugerechnet. Es gab also eine Konsensfindung in der Koalition, weil dort unterschiedliche Vorstellungen über die Notwendigkeit der Einschränkung der Zahl der Abmahnungen bestanden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt der Kollege Schweickert. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich keine Nachfrage? Okay!) Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Ministerin, vielen Dank. Ich freue mich sehr, dass dieses Gesetz jetzt ins Plenum kommt. Man hat zu Recht vor dem Hintergrund der unerlaubten Telefonwerbung bei Verträgen mit Gewinnspieleintreibungsdiensten - eine richtige Seuche - das Textformerfordernis gewählt. Meine Frage: Warum hat man diese nicht bei allen am Telefon geschlossenen Verträgen vorgesehen? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Wir haben schon mit dem Gesetz, das Ende der letzten Legislaturperiode in Kraft trat, eine stärkere Stellung des Verbrauchers geschaffen. Aber es gibt auch einfache Bestellungen, die am Telefon getätigt werden. Wir wollten nicht für jeden Lebensbereich hier ausdrücklich die Textform vorschreiben. Daher haben wir uns auf die Gewinnspieldiensteverträge, die Sie zu Recht als wirklich sehr belästigend bezeichnet haben - sie sind ja auch mit hohen finanziellen Folgen verbunden -, konzentriert und für diese ausdrücklich das Textformerfordernis vor-gesehen. Das wurde gerade auch aus dem Bereich Verbraucherzentrale Bundesverband und von Verbraucherschutzorganisationen an uns herangetragen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt die Kollegin Lay. Caren Lay (DIE LINKE): Herzlichen Dank. - Auch wir freuen uns, dass es einen Gesetzentwurf gibt, doch wir denken, dass seine Reichweite im doch sehr langwierigen Verfahren leider zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher verwässert wurde. Ich möchte die Aufmerksamkeit auf die Frage der Kontrolle der Inkassobüros lenken, die über dieses Gesetz sozusagen reguliert werden sollen. In diesem Bereich ist die Aufsicht auf fast 80 unterschiedliche Behörden verteilt. Diesen Punkt kritisieren zum Beispiel die Verbraucherzentralen scharf und sagen, dass eine zersplitterte Aufsicht in dieser Form nichts bringen wird. Meine Frage ist: Warum haben Sie diese Entscheidung getroffen? Wie begegnen Sie diesem Vorwurf? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Durch den Gesetzentwurf werden die Möglichkeiten, Aufsicht auszuüben und wahrzunehmen, deutlich verbessert bzw. aus Sicht anderer verschärft, indem wir das Widerrufsrecht in Bezug auf die Registrierung erweitern. Es ist vorgesehen, dass die Landesjustizverwaltungen der Länder darüber entscheiden, welche Behörden die Aufsicht ausüben. Dieser Bereich fällt in die Zuständigkeit der Länder. Wir wollen den Ländern nicht vorschreiben, wie sie das zu organisieren haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Crone. Petra Crone (SPD): Danke schön, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, Sie wurden eben schon gefragt, warum es nur bei Gewinnspielverträgen eine schriftliche Bestätigung geben soll. Andere untergeschobene Verträge, zum Beispiel Zeitschriftenabonnements, bleiben außen vor. Der Bundesrat hat aber schon 2008 gefordert, dass eine schriftliche Bestätigung für alle Vertragsabschlüsse, die durch unerlaubte Werbeanrufe zustande kommen, erfolgen soll. Warum haben Sie diesen Vorschlag nicht aufgegriffen? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Dieser Vorschlag lag ja den Gesetzgebungsarbeiten der damaligen Regierung aus CDU, CSU und SPD zugrunde. Auch meine Vorgängerin im Amt, Frau Zypries, hat ausdrücklich keine Erweiterung der Bestätigungs-regelung vorgesehen. Wir haben 2009 - so wie im Gesetz vorgesehen - evaluiert, also Umfragen gestartet, um zu erfahren, wie sich dieses Gesetz zur Eindämmung unerlaubter Telefonanrufe auswirkt. Aufgrund der daraus gewonnenen Erkenntnisse sind wir im Bundesjustizministerium überzeugt, dass es richtig ist, nur für den Bereich, der mit finanziellen Auswirkungen ziemlich großen Ausmaßes verbunden ist, die Textform vorzusehen, aber eben nicht für alle Bereiche der geschäftlichen Betätigung, die über das Telefon erfolgt. Das geht aus unserer Sicht letztendlich zu weit. Das ist auch nicht unbedingt im Interesse des Verbrauchers. Wir möchten mit diesem Gesetzentwurf eben bestimmten Auswirkungen Einhalt gebieten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Thomae. Stephan Thomae (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Minister, die Intention bzw. die Zielsetzung des Gesetzentwurfs ist sehr zu begrüßen. Es ist geradezu notwendig, Missbrauch einzudämmen, nicht zuletzt auch, um die Akzeptanz des Urheberrechts zu erhöhen. Bei der Lektüre des Gesetzentwurfs entsteht aber mitunter der Eindruck, dass Rechteinhaber als Feindbild betrachtet bzw. Abmahnungen zu sehr verteufelt werden, obwohl Rechteinhaber doch auch die Chance haben müssen, ihre Rechte zu verteidigen und wahrzunehmen. Abmahnungen sind dabei ein Instrument, um Streit außergerichtlich beizulegen und Gerichtsverfahren zu vermeiden. Daher meine Frage an Sie: Könnte es nicht sein, dass der Entwurf in dem einen oder anderen Punkt etwas über das Ziel hinausschießt und dadurch vielleicht Missverständnisse befeuert werden? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Natürlich soll hier keinerlei falsches Feindbild erzeugt werden. Es gibt Urheberrechte, die im Urheberrechtsgesetz geregelt sind. Unmittelbar der Urheber, aber auch Rechteinhaber - das sieht unsere Rechtsordnung ja ausdrücklich vor - haben den Anspruch, ihre Rechte durchzusetzen. Deswegen gehen wir nicht den Weg, Abmahnungen per se als ein unseriöses Instrument zu verteufeln, das genutzt wird, um Nutzer zu drangsalieren. Andererseits gibt es eine Regelung für - so sage ich das einmal - Fälle von nicht erheblichem Ausmaß. Für besondere Einzelfälle haben wir eine Öffnungsklausel vorgesehen. Da geht es überwiegend um junge Internetnutzer ab 14 Jahren. Nach Erkenntnissen, die uns von Verbraucherschutzzentralen und -vereinen zugetragen worden sind - ich erwähne das hier, ohne damit zu sagen, dass das alles bis ins Letzte repräsentativ und rechts-tatsächlich untersucht ist -, sehen sich häufig gerade junge Menschen, die ein- oder zweimal etwas aus dem Internet heruntergeladen haben, ohne zu wissen, dass sie dabei Urheberrecht verletzen, umfassenden Forderungen gegenüber. Deshalb haben wir für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche einen Regelstreitwert vorgesehen. Diese Regelung gilt nicht für Schadenersatzansprüche selbst. Daher ist auf der einen Seite die Rechtedurchsetzung nach wie vor sehr wohl möglich, auf der anderen Seite wird aber auch der Nutzer, den wir für das Urheberrecht gewinnen wollen, geschont. Ihm soll das Urheberrecht nicht allein in Form von Abmahnungen zur Durchsetzung von Rechten, die er in dem Moment vielleicht gar nicht bewusst verletzt hat, begegnen. Ich glaube, in diesem Spannungsfeld haben wir einen richtigen Weg gefunden. Wir sind den Weg gegangen, den der Gesetzgeber schon ursprünglich vorgesehen hatte. Wir mussten aber einfach konstatieren, dass die derzeit geltende Regelung nicht die Wirkung entfaltet hat, die der Gesetzgeber damals beabsichtigt hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Maisch, bitte. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin, danke für den Bericht. Ich habe eine Frage zum Thema Inkasso. In den vorherigen Fragen ist schon deutlich geworden, dass die Aufsicht sehr wichtig ist. Daneben ist aber sicher auch die Frage der Inkassokosten zentral. Diese Frage wird nicht im Gesetzentwurf geregelt, sondern es soll eine Verordnung geben. Sie haben sich mit Ihren Kollegen im Kabinett sehr viele Monate lang über dieses Thema unterhalten. Mich würde -interessieren, in welche Richtung Sie bei der Inkassokostenverordnung gehen wollen. Wird diese Verordnung an die Verordnung über die Anwaltskosten angelehnt? Welche Höhe stellen Sie sich vor? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Es gibt noch keine fertige Verordnung, die Inkasso-regelsätze und Höchstsätze vorsieht. Wir werden den Blick natürlich auch auf bestehende Regelungen in anderen Rechtsbereichen richten. Ich kann Ihnen hier und heute aber keine Beträge nennen. Wenn wir absehen können, dass dieses Gesetz nach Beratungen im Bundestag und intensiven Gesprächen mit Experten, die sicherlich stattfinden werden, ins Gesetzblatt kommt, werden wir das ausgestalten; das werden wir dann sehen. Wir werden dabei natürlich Regelungen, die es in anderen Bereichen gibt, im Blick haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Drobinski-Weiß, bitte. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Ministerin, gemeinhin sagt man: Was lange währt, wird endlich gut. Das können wir bei diesem Gesetzentwurf überhaupt nicht sagen. Ein Beispiel: Sie haben die Regelstreitwerte auf 1 000 Euro festgelegt. Das heißt, dass bei einer einmaligen Abmahnung für einen der jungen Menschen, die ein Foto aus dem Internet he-runtergeladen und auf ihre Homepage gestellt haben, 155 Euro fällig werden. Ich finde, das ist eine stolze Summe. Sie können sich natürlich vorstellen, dass wir diese Summe für viel zu hoch halten. Mich würde interessieren, wie hoch die Kosten einer auf solche Fälle spezialisierten Anwaltskanzlei für eine solche Standardabmahnung sind. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie dazu Daten haben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Wir haben natürlich keine Daten dazu, welche Kosten in Anwaltsbüros entstehen. Die Anwaltsbüros müssen selbst entscheiden, was sie investieren wollen, um Rechtsansprüche durchzusetzen, und ob das Verhältnis zwischen dem Aufwand und der Einnahme, die auf Basis der gesetzlich festgelegten Regelungen zur Berechnung von Vergütungen erzielt werden kann, stimmt. Wenn man aber berücksichtigt, wie Streitwerte derzeit festgesetzt werden, dass die Streitwerte in diesen Verfahren häufig bei weit über 1 000 Euro liegen, dann sieht man, dass der vorgesehene Regelstreitwert eine deutliche Verbesserung darstellt. Damit ändern wir übrigens das gesamte System. Wir kommen weg von dem derzeitigen System, in dem 100 Euro festgeschrieben waren, und legen einen Regelstreitwert zugrunde. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Jeder muss selbst entscheiden, welchen Aufwand er betreiben will, um Ansprüche durchzusetzen. Die Frage, ob sich das dann für jede Tätigkeit des Anwalts rechnet oder nicht, hat uns nicht beschäftigt. Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf eine Regelung vorsehen, die für die Verbraucherinnen und Verbraucher nachvollziehbarer ist als diejenige, die bisher im Gesetz verankert ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Höferlin, bitte. Manuel Höferlin (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, die Bundesregierung möchte ja mit dem Gesetzentwurf den sogenannten fliegenden Gerichtsstand ein Stück weit eindämmen oder sogar abschaffen. Es gibt durchaus Einwendungen - diese wurden auch vorgetragen -, etwa, dass Verfahrenskonzentrationen zu Spezialisierungen geführt haben. Vielleicht können Sie kurz erklären, welche Abwägungen da stattgefunden haben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Der sogenannte fliegende Gerichtsstand ist ja in unserer Rechtsordnung derzeit vorgesehen. Es geht dabei darum, dass der Ort, an dem die Verletzungshandlung wahrgenommen wird, dann auch Gerichtsstand ist und nicht, wie es die Regelannahme in unserer Rechtsordnung ist, der Sitz des Beklagten. Dieser Regelannahme liegt natürlich die Überlegung zugrunde, dass der Beklagte, der sich einer Forderung vor Gericht erwehren muss, nicht so weite Wege haben soll und sein Recht entsprechend wahrnehmen können soll. Das ist zum Beispiel im Wettbewerbsrecht anders. Wir ändern das jetzt im Wettbewerbsrecht und lassen diesen sogenannten fliegenden Gerichtsstand nur noch zu, wenn der Beklagte keinen Wohnsitz in Deutschland hat; sonst soll sein Wohnsitz als Gerichtsstand gelten. Im Wettbewerbsrecht sind - das ist streitwertunabhängig - immer die Landgerichte die zuständigen Gerichte. Dadurch haben wir schon eine Konzentration. Von daher sagen wir: Es gibt eine Konzentration auf Gerichte, die mehr mit diesen Verfahren befasst sind. Aber wir kommen davon weg, dass sich der Kläger den Gerichtsstand selbst aussucht; denn je mehr das Internet eine Rolle spielt, umso mehr könnte man sich in ganz Deutschland einen Gerichtsstand suchen. Damit gehen wir jetzt im Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, also in Wettbewerbssachen, einen ersten Schritt zur Eindämmung des Instruments des sogenannten fliegenden Gerichtsstandes. Ich denke, dass die Argumente dafür sprechen, diesen Weg jetzt zu gehen und im Sinne des Beklagten zu versuchen, für ihn eine etwas bessere Rechtslage zu schaffen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Tack, bitte. Kerstin Tack (SPD): Schönen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe eine Frage zu den datenschutzrechtlichen Einwilligungen. In dem Gesetzentwurf, den Sie vor einem Jahr vorgelegt hatten, war ja vorgesehen, dass es nicht mehr ausreicht, nur allein in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Einwilligung zur Weitergabe von Daten vorzusehen. Jetzt, nachdem Sie in der Koalition ein Jahr lang beraten haben, haben Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, in dem das nicht mehr so enthalten ist. Jetzt muss man nicht mehr aktiv sagen: Ja, ich bin damit einverstanden, dass mit meinen Daten gearbeitet wird. Vielmehr reicht es weiterhin aus, diese Einwilligung ausschließlich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorzusehen. Ich würde Sie bitten, uns zu erklären, warum Sie das jetzt aus dem Gesetzentwurf herausgenommen haben. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Ja, wir hatten ursprünglich solch eine Überlegung angestellt. Aber in den intensiven Beratungen, nicht nur in der Bundesregierung zwischen den Ressorts, sondern natürlich auch mit Verbänden und Experten ist deutlich geworden, dass das Ausmaß, die Auswirkungen und die Wirkungsbreite dieser Regelung nicht voll überschaubar waren. Es hätte Bereiche betroffen, in denen man immer jeweils neu hätte darüber nachdenken müssen, weil es ja nicht begrenzt gewesen wäre. Ursprünglich war ja eine sehr weite Regelung angedacht, die viele Bereiche betroffen hätte. Letztendlich hätten wir eine zu weit gehende Regelung gehabt. Da wir nicht wollten, dass es zu weit geht, haben wir diese Regelung wieder herausgenommen und uns auf die vier Punkte, die jetzt enthalten sind, konzentriert. Ich glaube, dass es richtig ist, sich losgelöst von diesem Gesetzgebungsvorhaben einmal mit dieser Frage, vor allem auch mit den Auswirkungen auf alle möglichen Berufe, intensiv zu befassen und eine konkretere Einzelregelung hierfür zu finden. Deshalb haben wir es hier wieder herausgenommen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr von Notz, bitte. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Ministerin, ich nehme noch einmal Bezug auf die Höhe des Streitwertes. Wir sind uns in der Bestrebung - zumindest verbal, glaube ich - einig, die Zahl der Abmahnungen wesentlich einzudämmen. Die Verbraucherschutzzentralen sagen, dass es in den letzten Jahren 4,3 Millionen Abmahnungen gegeben hat. Es stellt sich also die Frage, wie man sie effektiv eindämmen kann. Sie haben den Streitwert jetzt nicht bei 500 Euro, sondern bei 1 000 Euro gedeckelt. Ursprünglich hatten Sie gesagt, dass Sie den sogenannten fliegenden Gerichtsstand vollständig abschaffen wollen. Das haben Sie gerade relativiert und verbrämt dargestellt, dass selbst der sogenannte fliegende Gerichtsstand nicht abgeschafft wird. Warum sind Sie nicht an das eigentliche Problem, den Drittauskunftsanspruch für nichtgeschäftlichen Verkehr, herangegangen? In dem ursprünglichen Gesetzentwurf, auf den heute mehrfach Bezug genommen wurde, war nicht eigentlich vorgesehen gewesen, dass Menschen, die nicht geschäftsmäßig im Netz unterwegs sind, überhaupt in der Form abgemahnt werden können und man an deren Daten über die Provider so einfach herankommen kann. Warum haben Sie nicht den effektivsten Weg gewählt und den Drittauskunftsanspruch gestrichen, damit nur diejenigen verfolgt werden können, die ein Geschäft betreiben bzw. mit Rechteverletzung Geld verdienen? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Der Auskunftsanspruch hinsichtlich des Rechteverletzers, was Dritte anbelangt, ist in § 101 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz geregelt. Sie wissen, dass das eine generelle Vorgabe ist, die sich aus europäischer Gesetzgebung ergibt. Wir haben uns schon in der letzten Legislatur-periode, als die Gesetzesänderung zu §§ 97 a und 101 verabschiedet wurde, sehr intensiv über dieses neue -Institut des Anspruchs gegen Dritte unterhalten. Das ist damals ins Gesetz aufgenommen worden. Inzwischen gibt es zum § 101 auch höchstrichterliche Rechtsprechung. Wir werden uns den § 101 einmal insgesamt - immer mit Blick darauf, was europarechtlich überhaupt geht - anschauen. Es gibt dazu sehr viele Forderungen, auch solche in der Richtung, wie Sie sie aufstellen. Es gibt aber auch Forderungen, die in eine ganz andere Richtung gehen, nämlich den Auskunftsanspruch noch viel, viel weiter zu fassen, als es derzeit der Fall ist. Sie haben in Ihrem Entwurf die Begriffe "geschäftlich" und "gewerblich" verwendet sowie die Anforderungen genannt. Das ist auch im Hinblick auf die europäische Vorgabe, um es vorsichtig zu sagen, nicht unproblematisch. Deshalb haben wir bewusst den § 101 - mit ihm verbinden sich sehr viele Punkte und Forderungen in die eine wie in die andere Richtung - nicht geändert, sondern das System in Richtung auf eine Streitwertregelung umgestellt. Damit haben wir - so sehen wir das - eine deutlich bessere Chance, Abmahnübertreibungen oder "Abzocke" einzudämmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Lay, bitte. Caren Lay (DIE LINKE): Ich möchte gerne noch einmal auf die Frage der Begrenzung der Inkassogebühren zu sprechen kommen. Das ist ein Thema, welches die Öffentlichkeit bewegt; denn es kommen immer noch Pressemeldungen, dass eine 87-Jährige wegen 5 Cent nicht bezahlten Geldes später Inkassogebühren in Höhe von 35 Euro zahlen muss. Genau deshalb haben wir als Linke in unserem Antrag gefordert, eine Begrenzung der Inkassogebühren in der Form vorzunehmen, dass sie sich an der Hauptforderung zu orientieren haben. Deswegen verstehe ich, ehrlich gesagt, nicht, warum das nicht im Gesetz geregelt werden soll, sondern nur in einer Verordnung. Vielleicht können Sie mir das erklären. Können Sie mir außerdem erklären, warum es statt einer Orientierung an der Hauptforderung eine Gebührenpauschale geben soll? Mit einer Orientierung an der Hauptforderung könnten diese Fantasiegebühren endlich einmal begrenzt werden. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Wir wollen die Inkassoregelsätze in einer Verordnung - ich glaube, da sind sie auch richtig aufgehoben - aufwandsbezogen und unter Berücksichtigung angemessener Gewinnanteile festlegen. Ich denke, es ist richtig, diese Kriterien dort zugrunde zu legen. Wir wollen eine realistische Kostenerstattungsregelung und nicht, dass über Gebühr Forderungen gegenüber demjenigen erhoben werden, der eine Hauptforderung zu begleichen hat. Damit wirken wir auch der heute bestehenden uneinheitlichen Praxis entgegen. Ich denke, es ist richtig, diese Einzelheiten - da kann man nicht nur einen Satz oder einen Betrag hineinschreiben - in einer Verordnung entsprechend zu regeln. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kelber, bitte. Ulrich Kelber (SPD): Frau Ministerin, Sie hatten auf die Frage der Kollegin Crone hin geäußert, es sei den Verbraucherschutzverbänden fast ausschließlich um die schriftliche Bestätigung von Gewinnspielverträgen gegangen. Ich darf das kurz korrigieren. In der Stellungnahme vom Verbraucherzentrale Bundesverband zu Ihrem Entwurf heißt es wörtlich: Das Erfordernis der Bestätigung muss generell gelten, nicht nur für Gewinnspieldienste. Ich möchte auf den Kern zurückkommen. Pro Jahr werden Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende von Familien von spezialisierten Abmahnanwälten wegen kleiner, oft unabsichtlicher Urheberrechtsverstöße - oft geht es um ein Bild, das verwendet wird - mit -Abmahnungen überzogen. Da Sie der Kollegin Drobinski-Weiß geantwortet haben, dass Sie nicht wissen, wie hoch die Kosten sind, die einer spezialisierten Abmahnkanzlei, die ja hochautomatisiert arbeitet, entstehen, frage ich Sie: Können Sie ausschließen, dass eine Verringerung der Gewinne mit einer Erhöhung der Zahl der Fälle einhergeht? Wie können Sie ausschließen, dass die von Ihnen geplante Ausnahmeregelung, nach der unter bestimmten Umständen doch mehr Geld verlangt werden kann, massenhaft Verwendung finden wird? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Zunächst einmal habe ich nicht gesagt, dass die Verbraucherverbände gefordert haben, nur bei Gewinnspieldiensteverträgen eine Bestätigungsregelung vorzusehen, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass uns gerade dieser Fall immer wieder geschildert wurde. Unser Vorschlag zur Bestätigungsregelung liegt übrigens ganz auf der Linie, die die damalige Bundesregierung in der letzten Legislaturperiode entwickelt hat. Mit einem Regelstreitwert von 1 000 Euro, der nach den geltenden Regelsätzen Anwaltsgebühren in Höhe von 155,30 Euro verursacht - wenn das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in Kraft ist, werden es 139 Euro und ein paar Cent sein -, werden wir den Sachverhalten, die Sie geschildert haben, gerecht. Unseren Überlegungen lag zugrunde, dass gerade junge Menschen, aber auch ältere, die sich keine Gedanken machen und einfach ein oder zwei Titel herunterladen, erhebliche Schwierigkeiten bekommen können. Sie sehen sich nicht nur mit einem Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung konfrontiert, sondern auch mit finanziellen Forderungen, vor allem in Form von Anwaltsgebühren. Ich denke, gerade diesem Problem werden wir mit der geplanten Regelung entgegentreten. Im Vorfeld ist immer wieder kritisiert worden, dass wir an dieses Thema überhaupt herangehen. Man hatte sich ja mit dem geltenden § 97 a des Urheberrechtsgesetzes, mit dem man das Ziel verfolgt hat, hier für eine Eindämmung zu sorgen, gut eingerichtet; damit war man allerdings nicht auf der Erfolgsspur. Ich denke, mit der vorgesehenen Umstellung wird uns das gelingen. Wir können zwar nicht hellsehen und wissen nicht, wie sich die Akteure verhalten werden. Aber ganz eindeutig -beseitigen wir die Anreize, hier entsprechend tätig zu werden. Natürlich gibt es auch sehr umfangreiche, schwerwiegende Urheberrechtsverletzungen. Dazu kann es schon dadurch kommen, dass man einen Film ins Internet stellt, bevor er in einer Premiere gezeigt worden ist; ich glaube, jeder weiß, dass das nicht erlaubt ist. Es ist richtig, für einen solchen Einzelfall - es wird vielleicht nur ein einziger Fall sein - eine Öffnungsklausel zur Verfügung zu haben, die es ermöglicht, einen höheren Betrag zu fordern. Aber ich denke, die Masse der Fälle wird durch die geplante Regelung erfasst. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt noch drei Fragen, die ich von der Zeit her noch zulassen kann. - Zunächst Herr Schweickert, bitte. Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Präsidentin, vielen Dank. - Frau Ministerin, uns liegt der Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken vor. Es gibt zwar unseriöse Inkasso-firmen, aber es gibt auch sehr viele seriöse Inkassofirmen, die außergerichtlich Forderungen für Unternehmen oder Handwerksbetriebe eintreiben; das tun sie übrigens für beide Seiten sehr kostengünstig. Meine Frage an Sie lautet: Wird es seriösen Inkassofirmen in Zukunft weiterhin möglich sein, Forderungen kostengünstig außergerichtlich beizutreiben, oder wird dann besonders viel Bürokratie anfallen? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Wir haben Informations- und Darlegungspflichten vorgesehen. Die allermeisten Firmen, die das Inkassogeschäft seriös betreiben - es ist ein legales und legitimes Anliegen, das zu machen -, geben in ihren Forderungsschreiben schon heute die Informationen bekannt, die wir auch im Gesetz verlangen. Aber es gibt eben auch Fälle, in denen ein Verbraucher ein Schreiben bekommt, in dem die Hauptforderung nicht beziffert ist, in dem nicht genannt ist, wer der Inhaber der Forderung ist, von wann sie ist oder auf welchen Sachverhalt sie zurück-zuführen ist. Wir wollen verlangen - auch im Interesse der Nachprüfbarkeit durch den Verbraucher, also durch denjenigen, der Geld bezahlen soll -, dass diese Informationen in einem Forderungsschreiben kundgetan werden. Dadurch wird Inkassofirmen, die Massenschreiben herausschicken, natürlich ein Stück weit das Geschäft erschwert bzw. vermasselt. Das ist ja auch unsere -Absicht. Für die Unternehmen, die seriös arbeiten - das ist die überwältigende Mehrheit -, sind diese Anforderungen ja kein Problem. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt kommt Frau Drobinski-Weiß, und weil wir keine sehr volle Fragestunde haben, würde ich noch Herrn Thomae, Herrn Kelber und Frau Lay zulassen und dann übergehen in die Fragestunde. - Frau Drobinski-Weiß. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, mir ist nicht ganz klar, warum die Deckelung der Abmahngebühren beispielsweise für kleine Selbstständige nicht gelten soll; da hätte ich gerne eine Antwort von Ihnen. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Meinen Sie Urheberrechts- oder Wettbewerbsabmahnungen? (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Urheberrecht!) - Urheberrecht. - Wir befassen uns hier - und das ist auch richtig - ausschließlich mit den privaten Nutzern, dem Einzelnen, der natürlichen Person, die wegen -Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen abgemahnt wird. Gerade private Nutzer geraten häufig in solche -Situationen; denn sie befassen sich nicht mit dem Urheberrecht, sie kennen es nicht. Ein Gewerbetreibender muss sich mit diesen Dingen befassen, er muss mit den normalen Regelungen umgehen können. Dazu gehört, sich zu erkundigen, wo das Urheberrecht zu beachten ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Thomae. Stephan Thomae (FDP): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Minister, eine Frage zum Inkassoteil des Gesetzes, und zwar zum -Kapitel Aufsicht über die Inkassounternehmen. Wäre es, um bei den Inkassounternehmen die Spreu vom Weizen zu trennen, nicht ein Ansatz, die Aufsicht effektiver zu gestalten und sie vielleicht bei den Landgerichten zu konzentrieren? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Wir haben uns bei den Aufsichtsregelungen an die derzeitige Verteilung Bund/Länder gehalten. Es obliegt den Ländern, das festzulegen. Wir wissen aus anderen Gesetzgebungsvorhaben aus ganz anderem Zusammenhang: Wenn wir versuchen, den Ländern nähere Vorgaben zu machen, stößt das in den allermeisten Fällen nicht auf breite Zustimmung. - Von daher belassen wir diesen Punkt in der Kompetenz der Länder und ändern das materielle Recht, zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Widerruf einer Registrierung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kelber. Ulrich Kelber (SPD): Frau Ministerin, ich würde gern noch einmal auf diese Ausnahmeregelung zurückkommen, die Regelung, wann die Begrenzung nicht gültig ist. Ich befürchte, dass diese Ausnahmeregelung wieder zum Schlupfloch für die spezialisierten, industriell arbeitenden Abmahnkanzleien wird. Sie haben ein Beispiel dafür genannt, wo Sie die Ausnahmeregelung für notwendig halten. Wäre bei diesem Beispiel tatsächlich eine Aufweichung notwendig? Beim Inverkehrbringen eines noch nicht im Kino gezeigten oder auf DVD veröffentlichten Films ist doch nicht die Abmahngebühr das Entscheidende, sondern die Höhe der zivilen Entschädigungszahlung. Warum soll ein Rechtsanwalt dafür eine beliebig höhere Gebühr von einer Familie zum Beispiel eintreiben können? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Dieser Regelstreitwert bezieht sich nicht auf Schadensersatzforderungen, sondern auf Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche. Im Zusammenhang mit der Begrenzung von Entwicklungen, die wir zu Recht übereinstimmend kritisieren, wäre es, denke ich, nicht der richtige Maßstab, so vorzugehen. Deswegen beschränken wir es darauf. (Ulrich Kelber [SPD]: Deswegen auch die Frage!) Die Schadensersatzforderungen bleiben; sie werden nicht eingeschränkt. Niemand denkt daran, zu sagen: "Es gibt nie einen höheren Schadensersatz als ..." oder "Man macht einen Regelschadensersatz". Das ist unserem Recht in dieser Form nicht bekannt. Wenn man da herangehen wollte, müsste man sich das gesamte Schadensersatzrecht vornehmen. Ich würde einmal sagen, das ist ein Reformvorhaben für mindestens eine, wenn nicht mehr Legislaturperioden. (Ulrich Kelber [SPD]: Das war aber nicht die Frage!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Lay. Caren Lay (DIE LINKE): Vielen Dank. - Frau Ministerin, ich möchte auch noch einmal auf urheberrechtliche Massenabmahnungen und die Ausnahmeregelungen, die hier vorgesehen sind, zu sprechen kommen. Diese Ausnahmeregelungen sind nicht zuletzt der Grund dafür, dass die Verbraucherzentralen sagen: Dieser Gesetzentwurf bringt eine Verschlechterung gegenüber der bisherigen Regelung, nämlich wenn formuliert wird, dass von dem Regelstreitwert von 1 000 Euro dann eine Ausnahme gemacht werden kann, wenn er nach den besonderen Umständen des -Einzelfalls unbillig ist. Die Verbraucherzentralen befürchten, dass der schützende Gebührendeckel dadurch aufgeweicht wird, und fordern eine Streichung dieser Ausnahmeregelung. Wie sehen Sie das? Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Bundesministerin der Justiz: Der Streitwert kann genauso nach unten gehen - bei Forderungen, die so gering sind, dass der Regelstreitwert von 1 000 Euro zu hoch ist -; auch das wird mit dieser Möglichkeit eröffnet. Gegenüber der jetzigen Regelung ist diese Änderung der Systematik in jedem Fall eine deutliche Verbesserung, weil die bisherige Begrenzung überhaupt nicht gegriffen hat. Dass manche mehr wollen und darüber hinausgehen wollen, ist in der politischen Diskussion normal. Ich denke aber, wir legen hier wirklich ein in sich sehr überzeugendes Verbraucherschutzpaket vor. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir am Ende der Befragung der Bundes-regierung zur heutigen Kabinettssitzung. Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde - Drucksache 17/12647 - Ich rufe die mündlichen Fragen auf Drucksache 17/12647 in der üblichen Reihenfolge auf. Die Fragen 1 und 2 der Kollegin Dr. Tackmann, die den Geschäftsbereich des Bundesministeriums für -Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz betreffen, werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Christian Schmidt bereit. Ich rufe die Frage 3 der Kollegin Inge Höger auf: Ist das Bundesministerium der Verteidigung bzw. die Bundeswehr direkt oder indirekt (zum Beispiel durch Forschungskooperationen) an dem Projekt "SAGITTA - Open Innovation" von Cassidian, der Rüstungssparte der Firma EADS, beteiligt, und, wenn ja, in welcher Weise unterstützt sie die im Rahmen dieses Projekts geplante Erstellung eines UAV--Demonstrators und damit die Entwicklung einer Kampfdrohne? Herr Schmidt, bitte. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Höger, Ihre Frage -beantworte ich wie folgt: Das Bundesministerium der Verteidigung ist an dem Technologiedemonstrator -SAGITTA der Firma Cassidian ausschließlich indirekt beteiligt, also nicht direkt. Die Universität der Bundeswehr München hat in Bezug auf dieses Projekt einen Drittmittelauftrag der Firma Cassidian eingeworben. Eine darüber hinausgehende Beteiligung der Bundeswehr findet nicht statt. Mit dem Technologiedemonstrator sollen anhand -eines Nurflügelkonzeptes innovative Antriebs- und Flugsteuerungskonzepte untersucht werden. Schon aus dem Begriff SAGITTA - lateinisch für Pfeil - ergibt sich ja, dass hier gerade dieses Spezifikum eines Nurflügelkonzeptes untersucht werden soll. Darüber hinaus soll der wissenschaftliche Nachwuchs an die Projektarbeit herangeführt und gefördert werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, das Bundesministerium für Verteidigung gibt keine Gelder für die Forschung in Bezug auf dieses Projekt. Gibt es Forschungsgelder aus dem Forschungsministerium? Wenn es so ist: Wie sieht es mit Zivilklauseln an Universitäten aus - ich weiß nicht, ob die TU München eine -Zivilklausel hat -, wenn für ein militärisches Projekt -geforscht wird? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, bezüglich Ihrer Frage zu den Drittmitteln kann ich jetzt nur im Hinblick auf die Universität der Bundeswehr München berichten. Die Frage, ob -andere Universitäten außerhalb der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Verteidigung oder andere -Forschungseinrichtungen hierfür auch Drittmittel eingeworben haben, kann ich Ihnen nicht beantworten. Die Antwort auf diese Frage müsste ich, soweit sie die Bundesregierung betrifft, nachreichen. Die Leistungen, die die Universität der Bundeswehr München mit den Drittmitteln in diesem Projekt -erbringt, umfassen die Untersuchung von neuartigen Flugführungs- und Missionsmanagementkonzepten und beziehen sich auf die Schnittstelle Mensch/Maschine in der Bodenkontrollstation zur intelligenten Führung, auf die Missionssensorik und auf den Missionscomputer. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger, Sie haben eine zweite Nachfrage. Bitte sehr. Inge Höger (DIE LINKE): Herr Schmidt, wir haben hier ja schon eine Aktuelle Stunde zur eventuellen Anschaffung von Kampfdrohnen durch die Bundeswehr gehabt. Ist bei dieser Forschung an Tarnkappendrohnen die Priorisierung vorweggenommen, dass man diese Drohnen später anschaffen möchte? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das kann ich ausschließen. Eine Priorisierung im Sinne einer Beschaffung oder einer Beteiligung an einem entsprechenden Projekt für UAV, dem englischen Begriff für unbemanntes Fluggerät - Unmanned Aerial Vehicle -, und einer entsprechenden Nutzung in einem nationalen oder perspektivisch wohl eher europäischen Projekt ist damit nicht verbunden. Das bewegt sich hier im Rahmen der allgemeinen Forschung und Forschungsunterstützung - natürlich auch in Bezug auf die Wehrtechnik -, die die Universität der Bundeswehr München unterstützt. Eine Auswahl oder Entscheidung ist hiermit nicht verbunden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Frage 4 der Kollegin Katja Keul wird schriftlich beantwortet. Damit sind wir beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Hermann Kues zur Verfügung. Ich rufe die Frage 5 der Kollegin Ekin Deligöz auf: Haben Erkenntnisse aus der von der Bundesregierung veranlassten Evaluation der Familienleistungen zu der öffentlich erklärten Absicht beigetragen, ein Familiensplitting einzuführen, und, wenn ja, welche Untersuchungsergebnisse genau wurden hierzu herangezogen? Herr Staatssekretär. Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Frage, inwieweit in der politischen Debatte über Familiensplitting die Evaluation der Familienleistungen eine Rolle spielt, kann ich so beantworten, dass sie keine Rolle spielt. Die Debatte über Familiensplitting, die gegenwärtig geführt wird, ist eine politische Debatte darüber, wie man künftig Familienleistungen meint gestalten zu sollen. Bei der Gesamtevaluation dieses Projektes, das vom Familienministerium und vom Finanzministerium in Auftrag gegeben worden ist, spielt das keine Rolle. Sie kennen, Frau Deligöz, die elf Module, die fertiggestellt und zu einem großen Teil schon veröffentlicht worden sind. Das sind Versuche, Sachzusammenhänge herzustellen. Das ist, wenn Sie so wollen, ein umfängliches, letztlich wissenschaftlich abgesichertes Projekt. Aber dabei spielt die aktuelle Diskussion über Familiensplitting keine Rolle. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Deligöz, eine Nachfrage? - Bitte schön. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass in Ihrem Hause derzeit ein Modell des Familiensplittings überprüft wird? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das trifft nicht zu. Es gibt in unserem Hause natürlich Diskussionen, in denen man versucht, die politische Debatte, die in der Öffentlichkeit geführt wird, dahin gehend zu überprüfen, wie man damit umzugehen hat und mit welchen Zahlengerüsten diese Modelle verbunden sein könnten. Es gibt aber kein Konzept in irgendeiner Form. So weit ist die Debatte bislang nicht gediehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine zweite Nachfrage? - Bitte schön. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. - Das heißt, in dieser Wahlperiode werden wir mit der Einbringung eines solchen Modells nicht mehr rechnen können? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Das kann ich allein nicht beantworten. Das wird letztlich von der Koalition entschieden. Ich gehe nicht davon aus. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage von Frau Dörner. Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Ihre Antwort verwundert ein bisschen vor dem Hintergrund, dass wir den Medien entnehmen durften, dass Frau Dr. Schröder und auch Frau von der Leyen noch vor der Sommerpause mit dem Finanzminister über konkrete Modelle ins Gespräch kommen wollen. Meine Frage lautet, ob Sie uns etwas zu den finanziellen Planungen sagen können. Was würde ein Familiensplitting eventuell kosten? Wie würde sich das beispielsweise auf Familien mit einem, zwei oder drei Kindern auswirken? Inwiefern würden sie gegenüber dem heutigen Modell überhaupt profitieren? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen, weil es zunächst einmal grundsätzliche Debatten gibt. Die Kosten hängen von den Rahmenbedingungen eines möglichen Modells ab. Dazu kann man sich erst dann einlassen, wenn man einmal verschiedene Varianten durchgerechnet hat. Dass die entsprechenden Überlegungen - diese hat es immer schon gegeben - wieder intensiver geworden sind, ist, glaube ich, nachvollziehbar. Es wäre völlig unangemessen, zum jetzigen Zeitpunkt einzelne Zahlen zu nennen, zumal mir auch keine Zahlen vorliegen. Was ehe- und familienbezogene Leistungen angeht und was der Staat für diesen großen Komplex aufwendet, das wissen Sie. Es gibt in den verschiedenen Parteien unterschiedliche Überlegungen, wie man mit diesen Leistungen umgehen soll. Das ist bis jetzt nicht so konkret, dass man da Zahlen nennen könnte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir bei Frage 6, wiederum von der Kollegin Ekin Deligöz: Warum agiert die Bundesregierung gegen gesetzliche Quoten und die entsprechende EU-Richtlinie, obwohl Einigkeit darüber besteht, dass mehr Frauen in Aufsichtsräten gebraucht werden, und Erfahrungen der europäischen Nachbarn zeigen, dass Quotengesetze diesen Prozess beschleunigen? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Kollegin Deligöz, es geht nicht nur um die Einführung einer Frauenquote, sondern es geht um eine EU-Richtlinie, die von der EU-Kommission zur Diskussion gestellt worden ist. Dabei hat die Bundesregierung Position bezogen. Sie hat gesagt, dass man über die rechtliche Basis reden muss, weil die entsprechenden Regelungen jedes Mitgliedsland betreffen können. Die EU-Kommission ist dafür nicht zuständig, und zwar auch deshalb nicht, weil die Ausgangssituation in den Ländern völlig unterschiedlich ist. In Bezug auf eine starre Quote sagen wir: Das wird der völlig unterschiedlichen Situation in den einzelnen Wirtschaftsbereichen nicht gerecht. - Das ist der Grund, weshalb sich die Bundesregierung gegen diese EU-Richtlinie ausgesprochen hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Deligöz, eine Nachfrage? - Bitte schön. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, nur damit es klar wird: Hat sich die Bundesregierung gegen die Quote geäußert oder gegen das Verfahren, dass die EU eine Regelung machen will? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Die Bundesregierung hat sich gegen das Verfahren geäußert. Sie hat rechtliche Bedenken in Bezug darauf, dass die EU dafür überhaupt zuständig ist, geäußert und den Subsidiaritätsgesichtspunkt betont, indem sie sagt: Das ist Aufgabe der einzelnen Länder. Sie wissen aber auch, dass es inhaltliche Positionen innerhalb der Bundesregierung gibt. Dort gibt es Bedenken gegen eine starre Quote. Aber das ist hier nicht Gegenstand gewesen. Es ging darum, ob die Länder dieser EU-Richtlinie zustimmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Deligöz, Sie haben eine zweite Nachfrage? - Bitte schön. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn ich das richtig verstehe, haben Sie erst einmal gegen das Verfahren gestimmt und noch nicht per se gegen eine wie auch immer geartete Quote. Gestern hat die Ministerin wieder für die Flexi-Quote als das favorisierte Modell argumentiert. Können wir demnach davon ausgehen, dass das Engagement des Ministeriums und der Frau Ministerin in Form eines konkreten Vorschlags irgendwann einmal auch den Bundestag erreicht? Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Davon können Sie ausgehen. Sie sind lange genug dabei und wissen, dass es in den letzten Legislaturperioden schon viele Bundesregierungen gegeben hat, die sich mit dieser Frage beschäftigt haben. Bislang hat es keine gesetzliche Regelung gegeben. Sie ist auch sehr kompliziert, unter anderem aus Gründen, die ich eben genannt habe. Aber irgendwann wird es sicherlich eine Regelung geben, mit der auch Antworten auf die Fragen gegeben werden, die in diesem Zusammenhang gestellt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Frage 7 der Kollegin Dr. Martina Bunge wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Jan Mücke zur Verfügung. Die Fragen 8 und 9 des Kollegen Gustav Herzog werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zu Frage 10 der Kollegin Dr. Valerie Wilms: Aus welchen Gründen wurden am 6. März 2013 die Schleusen des Nord-Ostsee-Kanals in Brunsbüttel gesperrt, obwohl die Mittel zur Sanierung der Schleusen seit Anfang 2012 zur Verfügung stehen und der symbolische Spatenstich mit dem Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, bereits am 17. April 2012 erfolgte (vergleiche Hamburger Abendblatt vom 7. März 2013), und ab wann kann der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, den reibungslosen Verkehr auf dem Nord-Ostsee-Kanal wieder garantieren? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Frau Dr. Wilms, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Der gleichzeitige Ausfall beider großer Schleusenkammern am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel über mehrere Tage ist bedauerlich. Die aktuellen Sperrungen sind allerdings unvermeidlich, um gravierende Schäden an den Antrieben der Schleusentore zu vermeiden, die zu einem wesentlich längeren Ausfall der Kammern führen würden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt Brunsbüttel arbeitet mit aller Kraft an der Beseitigung der Schäden. Als Erstes wird schnellstmöglich eine große Kammer durch einen Torwechsel wieder funktionsfähig gemacht. Mit -einer Wiederinbetriebnahme einer der großen Schleusenkammern ist voraussichtlich Ende der zwölften Kalenderwoche zu rechnen. Die von Ihnen angesprochenen Mittel zur Sanierung der Brunsbütteler Schleusen aus dem Haushalt 2012 -betreffen das Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I, mit dem es gelang, zusätzliche Mittel in Höhe von insgesamt 300 Millionen Euro ausschließlich für den Bau der fünften Schleusenkammer am Nord-Ostsee-Kanal in Brunsbüttel bereitzustellen. Der vorlaufende Neubau einer dritten großen Schleuse, also dieser fünften Kammer, in Brunsbüttel ist die Voraussetzung, um bei der anschließend geplanten erforderlichen mehrjährigen Grundinstandsetzung der vorhandenen rund 100 Jahre alten großen Schleusen erhebliche Einschränkungen für den Schiffsverkehr zu vermeiden. Die Notwendigkeit einer Sanierung der beiden vorhandenen großen Kammern nach der Fertigstellung der fünften Kammer ist unstrittig. Bis dahin werden die vorhandenen Schleusen betriebsbereit gehalten, was planmäßige Sperrungen für Wartungen und Instandsetzung einzelner Kammern mit einschließt. Wegen des Alters der Anlagen und der Anfälligkeit der veralteten Technik, insbesondere der Laufapparatur der Schleusentore, kann dabei ein zeitweiliger gleichzeitiger Ausfall beider großer Kammern nicht definitiv ausgeschlossen werden. Kurzfristig notwendige Reparaturarbeiten zum Erhalt der Leistungsfähigkeit des Nord-Ostsee-Kanals und seiner Schleusenanlagen haben grundsätzlich absolute Priorität, und sie werden von den verantwortlichen Wasser- und Schifffahrtsämtern Brunsbüttel und Kiel schnellstmöglich und unter Minimierung der Beeinträchtigung der Schifffahrt durchgeführt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Wilms, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Staatssekretär Mücke. Das war eine erstaunlich ausführliche Antwort. Vielen Dank dafür. Ich habe eine Nachfrage zu der gesamten Situation, die wir dort haben. Die Tore rutschen auf Holzkufen herum, die die kaiserlichen Ingenieure vorgesehen haben, wobei abzusehen war, dass das Holz irgendwann verschlissen ist. Inwieweit ist dies auf den Investitionsstau bzw. die jahrelange Vernachlässigung der Infrastruktur des Nord-Ostsee-Kanals zurückzuführen? In den 80er-Jahren sind die Schleusen in Kiel gemacht worden. Aber danach ist am Kanal nichts mehr gemacht worden. Inwieweit ist die ganze Situation auf einen Investitionsstau zurückzuführen? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Dass die Verkehrsinfrastruktur generell unter großem finanziellen Druck steht, ist keine Überraschung. Ich gebe Ihnen recht, dass hier einige Bundesregierungen vor uns - Sie werden sicherlich zugeben, dass eine Schleusenreparatur nicht aus Gründen vorgenommen werden muss, die in den letzten drei Jahren entstanden sind, sondern aus Gründen, die schon älteren Datums sind, um es sehr freundlich auszudrücken - die zu geringe Mittelausstattung zu verantworten haben; das ist evident. Ich will dennoch darauf hinweisen, dass wir die Reparaturen an den beiden großen Kammern in Brunsbüttel schon länger vornehmen. Sie konnten bedauerlicherweise 2012 nicht vollständig abgeschlossen werden. So hat es beispielsweise bei der Ertüchtigung der kanalseitigen Torbahn der großen Südkammer aufgrund der schwierigen Untergrundverhältnisse einige Verzögerungen gegeben. Das alles ist sehr zeitaufwendig. Hinzu kommt, dass die schon im Jahr 2012 angelaufenen Unterwasserbetonierarbeiten nun wegen der zu niedrigen Wassertemperaturen - wie Sie sehen, ist der Winter zurückgekehrt, und das verzögert auch diese Reparaturarbeiten - unterbrochen werden mussten. In der Zwischenzeit wurde aber die Südkammer wieder provisorisch auf Holzkufen in Betrieb genommen. Es ist unser Ziel, die Schleuse in Brunsbüttel möglichst schnell wieder für den Alltagsbetrieb nutzbar zu machen. Wir stimmen sicher darin überein, dass wir mit dem Bau der fünften Kammer so schnell wie möglich beginnen müssen bzw. die laufenden Arbeiten fortsetzen müssen, damit eine Grundinstandsetzung der vorhandenen Kammern in Brunsbüttel stattfinden kann, wenn die neue Kammer in Betrieb gegangen ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Wilms, Sie haben eine weitere Nachfrage. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es ist sehr schön, zu hören, dass Sie möglichst schnell mit der fünften Kammer weitermachen wollen. Nichtsdestotrotz ist unklar, inwieweit die Ausschreibungen nun in Gang gesetzt werden. Deshalb lautet meine ergänzende Frage: Wie vereinbart die Leitung des Hauses, also Ihres Ministeriums, des BMVBS, dass einerseits eine Mitgliedschaft im neu gegründeten Arbeitskreis "Aktionsbündnis Nord-Ostsee-Kanal" - wenn man nicht weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis - angekündigt wird und dass andererseits die für eine Instandhaltung notwendigen Mittel nicht aufgebracht werden? Das zeigt sich gerade an der Ausschreibung für die fünfte Schleusenkammer, die noch immer nicht vorgenommen wurde. Diese europaweite Ausschreibung scheint in Ihrem Haus liegen geblieben zu sein und ist noch nicht an diejenigen gegangen, die sie wirklich brauchen. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, da möchte ich Ihnen ausdrücklich widersprechen. Ich schätze Sie sehr, wie Sie wissen, aber in diesem Fall sind Sie, glaube ich, falsch informiert. Die Verzögerung der Ausschreibung liegt ausschließlich an einem Vergabenachprüfungsverfahren. Aufgrund dieses Verfahrens vor der Vergabekammer bei der Teilmaßnahme "Verlängerung der Mole 2", in dem die Vergabeentscheidung der Verwaltung bestätigt wurde, konnten die für 2012 vorgesehenen Mittel nicht abfließen. Die Ausschreibung hat sich deshalb seit der Planung vom Frühjahr 2012 um mehrere Monate verzögert. Die Ausschreibungsunterlagen für die Vergabe der Hauptbaumaßnahmen des Schleusenbaus in Brunsbüttel sind jetzt fertiggestellt. Sie können also davon ausgehen, dass es hier in Kürze weitergeht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vielen Dank. Wir kommen nun zu Frage 11, ebenfalls von der Kollegin Dr. Valerie Wilms: Warum hat die Bundesregierung sich für den mindestens 2 Milliarden Euro teureren Weiterbau von Stuttgart 21 ausgesprochen, wenn damit nach Aussage von Bundesverkehrs-minister Dr. Peter Ramsauer gegenüber der Bild-Zeitung vom 7. März 2013 das Risiko von Fahrpreiserhöhungen verbunden ist, und inwiefern kann die Bundesregierung die Rechnung von Professor Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin bestätigen, wonach die Deutsche Bahn AG die Preise um 3 Prozent erhöhen muss, um die Mehrkosten von Stuttgart 21 zu finanzieren (welt.de, "Kretschmann empört über Ramsauers Preisdrohung")? Herr Staatssekretär, bitte. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Frau Kollegin Dr. Wilms, die Antwort auf Ihre Frage lautet: Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Verkehrsprojekt des Bundes. (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird immer erstaunlicher!) - Lassen Sie mich einfach ausreden. Ich erkläre es Ihnen gern. - Das Projekt ist nicht Teil des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes. Stuttgart 21 ist ein Projekt der Projektpartner Deutsche Bahn AG, Land Baden-Württemberg, Stadt Stuttgart, Verband Region Stuttgart und Flughafen Stuttgart GmbH. Nicht die Bundesregierung, sondern der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG hat dem Vorschlag des Vorstands zugestimmt, den Finanzrahmen für Stuttgart 21 um 2 Milliarden Euro von 4,526 Milliarden Euro auf 6,526 Milliarden Euro zu erhöhen. Aus Sicht des Aufsichtsrats hat der Vorstand plausibel dargelegt und in kritischen Diskussionen bestätigt, dass die Fortführung des Projektes für die Deutsche Bahn AG wirtschaftlich vorteilhafter ist als ein Abbruch des Projektes. Die von Ihnen in Ihrer Frage angesprochene Rechnung von Herrn Professor Dr. Christian Böttger liegt dem Bund nicht vor. Die Fahrpreisgestaltung im Schienenpersonenfernverkehr ist, wie Sie wissen, grundsätzlich Sache der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Wilms, Sie haben eine Nachfrage. Bitte sehr. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zu der Antwort habe ich natürlich Nachfragen. - Eine Bemerkung vorab, Herr Mücke, kann ich mir aufgrund Ihrer Ausführungen doch nicht verkneifen. Es ist schon erstaunlich, wie Sie die ganze Situation auch mit Blick auf den Aufsichtsrat darstellen. Wir alle wissen doch, dass bei dem Projekt eine negative Eigenkapitalrendite herauskommt. Jedes andere solide Unternehmen würde an der Stelle nicht mehr weitermachen. Jetzt aber zur Nachfrage: Inwieweit ist eine Quersubventionierung der Finanzierung von Eisenbahninfrastruktur durch Einnahmen aus höheren Fahrpreisen - meine Frage bezog sich schließlich ursprünglich auf die höheren Fahrpreise - mit geltendem Europarecht vereinbar? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Eine Quersubventionierung wäre nicht vereinbar, aber eine solche findet hier auch nicht statt. Kostensteigerungen, die im Rahmen des Projekts entstehen, sind von den Projektpartnern zu stemmen. Kostensteigerungen, die Bundesschienenwege betreffen, müssen natürlich vom Bund finanziert werden. Sie wissen sicherlich, dass die Kostensteigerungen andere Ursachen als die Bundesschienenwege haben. Beispielsweise sind durch den Filder-Dialog Mehrkosten entstanden. Es steht mir nicht zu, die Entscheidung des Aufsichtsrats zu bewerten. Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG musste eine Entscheidung treffen, wie er mit diesen Mehrausgaben umgeht. Wie Sie wissen, hat er diese Bewertung in der letzten Woche vorgenommen und eine Entscheidung getroffen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt gibt es noch eine zweite Nachfrage von Frau Wilms. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Das Thema ist einfach zu griffig. - Was Sie eben gesagt haben, ist wirklich erstaunlich. Ein Bahnhof zählt für Sie anscheinend nicht zur Eisenbahninfrastruktur, und eine Quersubven-tionierung durch Fahrpreiserhöhungen - das haben Sie gesagt - schließen Sie aus. Nun zu meiner Nachfrage: Es gibt noch andere Projekte, die sich mit Eisenbahninfrastruktur beschäftigen, und hier denke ich beispielsweise an Projekte, an denen die Deutsche Bahn AG mit einem Eigenmitteleinsatz beteiligt ist, oder Projekte aus dem Bedarfsplan. Inwieweit liegen der Bundesregierung Hinweise darauf vor, dass der höhere Eigenmitteleinsatz der Deutschen Bahn AG für Stuttgart 21 zur zeitlichen Verschiebung der Realisierung des Offenburger Tunnels oder anderer Projekte der DB AG führen könnte? Denn gerade der Offenburger Tunnel ist - das wissen Sie - aus Lärmschutzgründen sehr wichtig. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es gibt, wie Sie wissen, keinen Zusammenhang zwischen diesen Projekten. Deshalb trifft Ihre Vermutung nicht zu, dass es deshalb zu irgendwelchen Verzögerungen kommt. Ausschlaggebend ist, dass es ein eigenwirtschaftliches Projekt der Deutschen Bahn AG ist. Der entscheidende Punkt besteht darin, dass der Bund zum einen kein Projektpartner ist und dass es sich zum anderen nicht um ein Bedarfsplanprojekt des Bundes handelt. Insofern ist Ihre Frage schon beantwortet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit sind wir bei weiteren Nachfragen, und ich erteile zunächst der Kollegin Hänsel das Wort. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, auch ich möchte einmal nachfragen. Ich gehe wohl recht in der Annahme, dass die Deutsche Bahn AG zu 100 Prozent ein Unternehmen des Bundes ist und dass auch Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat sitzen. Das heißt, die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat müssen doch zugestimmt haben, dass weitergebaut wird. Meine Fragen lauten: Wie bewertet es die Bundesregierung, dass Vertreter der Bundesregierung einem Weiterbau zugestimmt haben? Was sind die Gründe? Was hat die Vertreter der Bundesregierung bewogen, für einen Weiterbau zu stimmen, obwohl die Finanzierung der zusätzlichen Kosten in Höhe von 2 Milliarden Euro jetzt völlig offen ist? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Über die Aufsichtsratssitzungen darf grundsätzlich nicht berichtet werden. Sie kennen das Aktienrecht. Die Sitzungen des Aufsichtsrats sind vertraulich. Aus diesem Grund kann ich Ihnen dazu keine Auskunft erteilen. Wir haben uns damals entschieden, dass die Deutsche Bahn eine Aktiengesellschaft sein soll. Deshalb gelten hier die aktienrechtlichen Regelungen. Ich kann Ihnen aus diesem Grund zu diesem Thema hier keine Auskunft erteilen; das wäre eine Verletzung dieser Vertraulichkeitsgrundsätze. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat die Kollegin Höhn eine Nachfrage. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Bundesrechnungshof arbeitet momentan an einem Sondergutachten zu Stuttgart 21. Wenn man das abgewartet hätte, hätte man ein unabhängiges Gutachten und eine Bewertung darüber, wie die Kostenentwicklung ist. Warum hat der Bund nicht abgewartet, bis dieses Gutachten vorliegt, sondern darauf gedrängt, dass die Entscheidung über die Erhöhung dieses Finanzrahmens schon jetzt getroffen wurde? Warum wurde die Veröffentlichung der Daten, die jetzt gerade erhoben und zusammengestellt werden - sie geben Auskunft darüber, welche Kosten überhaupt noch auf den Bund zukommen, und sie wären damit eine wichtige Grundlage für die Entscheidung -, nicht abgewartet? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Höhn, Ihrer Frage liegt eine falsche Annahme zugrunde. Sie haben unterstellt, dass der Bund darauf gedrängt habe, eine solche Entscheidung zu treffen. Das ist nicht der Fall. Der Aufsichtsrat entscheidet aufgrund von Vorlagen des Vorstandes der Deutschen Bahn AG. Zur Vertraulichkeit und zur Entscheidungsfindung in Aufsichtsräten habe ich schon Ausführungen gemacht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ebner, bitte. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. - Herr Staatssekretär, wir haben heute schon Interessantes bezüglich dieser Mehrkosten in Höhe von 2 Milliarden Euro, über die wir gerade diskutieren, gelernt, vor allem, dass die Bundesregierung und wohl auch die Bahn ein neues Geschäftsmodell erfunden haben, nämlich neues Geld ganz einfach durch einen langsameren Schuldenabbau zu generieren. Wenn dadurch tatsächlich keine neuen Zins- und Tilgungskosten anfallen - das soll mir aber erst einmal jemand bewei-sen -, dann wäre das ein schönes haushaltspolitisches Perpetuum mobile. Für diese Vorlage wäre sicher auch Finanzminister Schäuble dankbar. Ich möchte das Augenmerk kurz auf die restlichen Mehrkosten in Höhe von 0,3 Milliarden Euro lenken, über die noch nicht gesprochen wurde, nämlich die für die Schlichtung und den Filder-Dialog. Teilt denn die Bundesregierung die Meinung der Deutschen Bahn, dass etwaige Mehrkosten aus dieser Schlichtung und dem Filder-Dialog allein von den Projektpartnern zu tragen sind, obwohl diese Verbesserungen offenkundige Planungs- und Verfahrensfehler der Deutschen Bahn betreffen und zum Beispiel der Antragsbahnhof am Flughafen möglicherweise gar nicht genehmigungsfähig ist? Wenn ja, aus welchen Gründen? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir gehen davon aus, dass die Partner dieses Projekts ihren Anteil erbringen werden, um gemeinsam die vorgesehenen Maßnahmen umzusetzen. Sie wissen, dass aus dem Schlichtungsverfahren Lösungen entstanden sind, die zusätzliche Kosten verursachen. Diese zusätzlichen Kosten müssen durch die Projektpartner getragen werden. Ich wiederhole: Es handelt sich bei Stuttgart 21 nicht um ein Bedarfsplanprojekt des Bundes, sondern um ein Projekt dieser Projektpartner. Wir haben den Anteil des Bundes - dazu kann ich Ihnen Auskunft erteilen - auf 563,8 Millionen Euro inklusive der TEN-Fördermittel in Form eines Festbetrags gedeckelt. Das ist unser Beitrag dazu. Alle anderen Beiträge sind durch die Projektpartner zu erbringen. Deshalb bin ich für Ihre Frage der falsche Adressat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt die Kollegin Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Herr Staatssekretär, Ihre letzte Annahme könnte durchaus falsch sein; denn es steht im Raum, dass die Projektpartner nicht willens sein werden, die Mehrkosten zu tragen. Sie haben vorhin gesagt, es gebe keine Fahrpreiserhöhungen. - Dann haben wir Sie hier falsch verstanden. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wahrscheinlich, ja. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf alle Fälle gehe ich davon aus, dass das Wort des Ministers zählt. Er hat sich in der Bild-Zeitung so ge-äußert, dass die Mehrkosten von 2 Milliarden Euro durchaus mit dem Risiko von Fahrpreiserhöhungen verbunden sein könnten. Ich möchte jetzt gerne von Ihnen wissen - ich schicke voraus, hier geht es nicht um eine Auskunft über die Aufsichtsratssitzung, sondern um eine Auskunft über die Voraussetzung zu dieser Sitzung; diese Auskunft musste vom Bundesverkehrsministerium gegeben werden -, ob die Vertreter des Bundes im Aufsichtsrat Kenntnis über das Risiko der Fahrpreiserhöhung hatten. Wenn ja, warum haben sie dann trotzdem der Erhöhung des Finanzrahmens um 2 Milliarden Euro zugestimmt? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, ich habe es vorhin eigentlich sehr deutlich ausgeführt, aber ich wiederhole es gerne (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ich möchte gar keine Wiederholungen!) - ich befürchte, Sie kommen nicht drum herum; ich muss es wiederholen, damit das System klar ist -: Nicht die Bundesregierung entscheidet darüber, ob ein Eisenbahnverkehrsunternehmen Fahrpreise absenkt oder erhöht oder beibehält, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um das Risiko! - Ulrich Kelber [SPD]: Selbst wenn es der Bundesrepublik zu 100 Prozent gehört!) sondern das ist eine ausschließliche Entscheidung des jeweiligen Unternehmens im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrachtung seines Zustandes. Herr Minister Dr. Ramsauer hat auf ein Risiko hingewiesen, das eintreten kann - möglicherweise nicht eintreten wird -, wenn sich einer oder zwei oder drei der Projektpartner aus einem solchen gemeinsamen Projekt verabschieden. Aus diesem Grund hat der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, wie ich allen öffentlichen Verlautbarungen entnehmen konnte, entschieden, dass der Vorstand der Deutschen Bahn AG die anderen Projektpartner notfalls verklagen wird, falls diese eine Kostenbeteiligung verweigern. Ich gehe deshalb davon aus, dass alle Projektpartner vernünftig genug sind, dieses Projekt voranzubringen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum beantworten Sie denn meine Frage nicht?) - Ich habe Ihnen Ihre Frage gerade beantwortet: (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie haben sie nicht beantwortet!) Das ist ausschließlich eine Entscheidung des jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmens. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wussten die Bundesvertreter von dem Risiko? Das ist die Frage!) Der Aufsichtsrat kann sich dieser Entscheidung dann widmen, wenn der Vorstand der Deutschen Bahn AG eine Fahrpreiserhöhung vorschlagen sollte. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank. - Ich habe eine Nachfrage zu den ständigen Kostensteigerungen beim Projekt Stuttgart 21. Kritische Begleiter dieses Projekts haben ja schon immer davon gesprochen, dass eine Kostensteigerung zu erwarten ist. Bis vor einem Jahr wurde von der Bundesregierung immer behauptet: Nein, es bleibt alles im Rahmen; es bleibt bei den 4,5 Milliarden Euro, und mehr ist man auch nicht bereit zu zahlen. - Jetzt werden 2 Milliarden Euro zusätzliche Kosten, also fast 50 Prozent mehr, draufgesattelt, und Sie sagen immer noch: Es ist nicht unser Problem; wir haben nichts damit zu tun. Frau Merkel hat das Projekt Stuttgart 21 immerhin einmal zur Chefsache gemacht. - Ich sehe, Herr Staatssekretär Kampeter, der ja für den Haushalt zuständig ist, lacht gerade. - Angesichts der Mehrkosten in Höhe von 2 Milliarden Euro, die, auch wenn sie nicht direkt aus dem Bundeshaushalt stammen, mal eben nachgeschossen werden, wo doch ansonsten an allen Ecken und Kanten gespart wird, hätte man schon erwarten können, dass vor der endgültigen Beschlussfassung genauer hingeschaut und nachgerechnet wird oder dass man auf das Bundesrechnungshofgutachten wartet. Wie stehen Sie dazu? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Kostensteigerungen bei solch großen Bauprojekten sind ärgerlich, aber nicht immer vermeidbar. Es gibt einige Projekte, gerade im Bereich des Bundesbaus, die im Kostenrahmen bleiben. Dies gilt nach allem, was wir wissen, beispielsweise für den Neubau des BMBF hier um die Ecke. Er wird höchstwahrscheinlich, weil er als ein ÖPP-Projekt ausgeführt wird, im Kostenrahmen bleiben. Ich kann zwar Ihren Ärger über Steigerungen von Kosten bei großen Bauprojekten nachvollziehen. Aber ich würde Sie bitten, den Projektpartnern die Frage zu stellen, warum diese Kostensteigerungen entstehen. Wir ärgern uns ebenfalls darüber. Aber im Hinblick auf den Anteil, den der Bund zu finanzieren hat, der also aus dem Bundeshaushalt geleistet werden muss, habe ich Ihnen vorhin klar die Finanzierungssituation dargestellt: Wir haben einen Festbetrag zugesagt, der bei etwas über 563 Millionen Euro liegt, und bei diesem Betrag bleibt es. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Nachfrage hat die Kollegin Behm. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist schon interessant, zu sehen, welche Aussagen es gibt. Sie sagen: Bei dem Festbetrag bleibt es. - Gleichermaßen steht die Aussage von Minister Ramsauer im Raum, dass dann, wenn die Klagen gegen das Land Baden-Württemberg scheitern, mit Fahrpreiserhöhungen zu rechnen ist. Damit rechnen Sie nicht, aber es ist ja durchaus denkbar, dass das passiert; denn irgendwoher muss das Geld ja kommen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau!) Ich finde, das ist eine politische Frage. Wenn die Bundesregierung Verkehr von der Straße auf die Schiene bringen will - dieses Parlament will das mit Sicherheit -, dann sind Fahrpreiserhöhungen absolut kontraproduktiv. Das heißt, diese Regierung muss alles daransetzen, dass es nicht zu Fahrpreiserhöhungen kommt. Deswegen frage ich: Gibt es neben den Überlegungen und Äußerungen des Ministers zu Fahrpreiserhöhungen für den Fall, dass die Klagen scheitern, in der Bundes-regierung auch Überlegungen - zumindest Überlegungen! -, den Bundesanteil an der Finanzierung der Kosten zu erhöhen, um Fahrpreiserhöhungen eben zu vermeiden? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich habe deutlich gesagt: Wir finanzieren einen Festbetrag für die Infrastruktur, für die der Bund verantwortlich ist. Für Mehrkosten, die aus einem verbundenen Projekt der Projektpartner bei Stuttgart 21 entstehen, wird der Bund nicht aufkommen. Es sind die Projektpartner, die gefragt sind, und das sind die Deutsche Bahn AG, die Stadt Stuttgart usw.; ich habe vorhin alle Partner aufgezählt. Die Projektpartner sind aufgerufen, dieses Projekt umzusetzen. Wenn einer der Projektpartner aussteigt oder meint, dass er sich an gestiegenen Kosten nicht beteiligen muss, dann ist es Sache der Projektpartner, sich damit ausei-nanderzusetzen. Aus diesem Grund hat der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG entschieden, den Vorstand zu beauftragen, für den Fall, dass die Projektpartner nicht anteilig mitfinanzieren, Klage einzureichen. Die Bundesregierung wird mit Interesse beobachten, wie es weitergeht. Wir sind nicht diejenigen, die an diesem Prozess beteiligt sind. Entscheidend ist auch, dass eine Fahrpreiserhöhung, wie überhaupt die gesamte Fahrpreisgestaltung, Sache des jeweiligen Eisenbahnverkehrsunternehmens ist. Es gibt einige solcher Unternehmen in Deutschland. Sie alle bestimmen ihre Preise selber, so auch die Deutsche Bahn AG. Das ist keine Entscheidung, die der Deutsche Bundestag oder die Bundesregierung trifft. Das ist im Übrigen auch unser gemeinsamer Wille gewesen. Als die Bahnreform im Jahr 1992 beschlossen wurde, wollte man weg von der Behördenbahn, weg davon, dass die Politik bestimmt, was bei der Bahn passiert; man wollte, dass ein unternehmerischer Bahnbetrieb stattfindet. Deshalb werden Preise und Leistungen in den Unternehmen besprochen und nirgendwo sonst. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage stellt der Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär Mücke, ich habe verstanden: Stuttgart 21 ist kein Projekt des Bundes, und beim Unternehmen Bahn, das eine 100-prozentige Tochter des Bundes ist, nimmt der Bund keinen Einfluss. - Das erstaunt, aber gut; ich nehme diese Aussage einmal so hin. Nun zu meiner ganz konkreten Frage. Sie haben richtigerweise ausgeführt, dass Sie über Entscheidungen, die im Aufsichtsrat gefällt worden sind, und über die Gründe dafür nicht berichten können. Deshalb möchte ich meine Frage an die Bundesregierung richten - an die Bundesregierung! -: Hat die Bundesregierung im Vorfeld der Entscheidung die Deutsche Bahn AG gedrängt, mit der Entscheidung zu warten, bis das Sondergutachten des Bundesrechnungshofs vorliegt, ja oder nein? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Nein. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ott. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, Sie haben die schwierige Aufgabe, Entscheidungen Ihres Ministers zu erläutern. Sie haben gesagt: Die Fahrpreiserhöhungen sind Sache der Bahn. - Es sei einmal dahingestellt, in welchem Maß der Anteilseigner Bund in den Entscheidungsgremien der Bahn vertreten ist. - Gleichzeitig hat sich Herr Ramsauer zu Fahrpreiserhöhungen geäußert. Was hat er eigentlich damit zu tun? Nach Ihrer Lesart, was die Funktion des Ministers angeht, dürfte er sich dazu gar nicht äußern. Was stimmt denn nun? Darf sich der Bund, darf sich der Verkehrsminister, dürfen Sie sich zu den Fahrpreiserhöhungen äußern oder nicht? Ihr Minister hat es schon getan. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich finde, Herr Kollege, ich habe das schon sehr deutlich ausgeführt. Es ist eine Entscheidung der Eisenbahnverkehrsunternehmen, wie sie ihre Fahrpreise gestalten. Darauf hat der Bundesverkehrsminister keinen Einfluss. Diese Entscheidung trifft das jeweilige Verkehrsunternehmen selber. Gleichwohl ist es dem verantwortlichen Bundesminister unbenommen, auf Risiken hinzuweisen. Sie haben selber gesagt, dass Sie es als Risiko ansehen würden - die Bahn ist ein großes Verkehrsunternehmen in Deutschland -, wenn die Preise bei der Deutschen Bahn AG angehoben werden müssten. Insofern kann der Verkehrsminister darauf hinweisen, dass ein solches Risiko entstünde, wenn das Land Baden-Württemberg oder die Stadt Stuttgart sagt: Es ist uns völlig egal, was mit diesem gemeinsamen Projekt, das wir mit befördert und gewollt haben, passiert, wenn Mehrkosten entstehen. Ich finde, dass sich weder das Land Baden-Württemberg noch die Stadt Stuttgart aus ihrer Verantwortung stehlen können. Sie müssen bei diesem gemeinsamen Projekt, das in unser aller Interesse liegen muss, ihre gesamtgesellschaftliche Verantwortung sehen und mit zur Finanzierung beitragen. Sollte das nicht der Fall sein, dann wird die Deutsche Bahn AG - das hat sie klar angekündigt - ihre Projektpartner verklagen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die Frage 12 der Kollegin Heike Hänsel auf: Hat die Bundesregierung die Mehrkosten für den Weiterbau des Bahnprojektes Stuttgart 21 bereits im neuen Haushaltsentwurf für das kommende Jahr eingepreist? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich kann vieles von dem wiederholen, was ich bereits ausgeführt habe. Bei Stuttgart 21 handelt es sich nicht um ein Projekt des Bedarfsplans für die Schienenwege des Bundes, sondern um ein Projekt der Deutschen Bahn AG. Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind Vorhabenträger und Bauherr. Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart, der Verband Region Stuttgart und die Flughafen Stuttgart GmbH beteiligen sich an der Finanzierung. Der Bund übernimmt mit einem Festbetrag in Höhe von 563,8 Millionen Euro inklusive TEN-Fördermittel für das Projekt Stuttgart 21 den Anteil, der für die Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm in den Knoten Stuttgart auch ohne Verwirklichung von Stuttgart 21 erforderlich gewesen wäre. Darüber hinaus stellt er die Gesamtfinanzierung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ab 2016 sicher. Damit ist die Verantwortlichkeit des Bundes, die sich aus dem geltenden Bedarfsplan zum Ausbau der Bundesschienenwege ergibt, erfüllt. Zusätzliche Mittel stehen im Bundeshaushalt nicht zur Verfügung. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hänsel, Sie haben eine Nachfrage. - Bitte. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön. - Man kann davon ausgehen - Sie haben es mehrfach gesagt -, dass es vonseiten des Bundes keinerlei Erhöhung seines Anteils geben wird. Es bleibt bei dem Betrag von 563 Millionen Euro. Gleichzeitig hören wir von den anderen Projektpartnern Land und Stadt, dass es auch keine Erhöhung ihrer Anteile geben wird. Damit stellt sich mir die Frage: Wie soll dann solch ein Projekt finanziert werden, das ja von der Bahn durchgeführt wird, die zu 100 Prozent im Besitz des Bundes ist, woraus sich eine gesamtgesellschaftliche wie auch eine politische Verantwortung des Bundes ergibt? Sie sprechen von einer möglichen Klage der Deutschen Bahn AG. Herr Grube geht davon aus, dass vor 2016 nicht geklagt werden kann. Wie sollen bis dahin die Mehrkosten finanziert werden, wenn klar ist, dass keine Seite mehr zahlen wird? Gehen Sie davon aus, dass Sie jährlich 500 Millionen Euro vonseiten der Bahn überwiesen bekommen und diesen Betrag in den Haushalt einstellen können? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, Sie müssen zwischen den Bedarfsplanmaßnahmen - dazu habe ich Ausführungen gemacht, diese werden vom Bund mit 563 Millionen Euro finanziert - und dem Bahnhofsneubau - ein quasi zweites Projekt - mit allen baulichen Maßnahmen im Stadtgebiet Stuttgart unterscheiden. Dafür sind die Projektpartner verantwortlich; daran ist der Bund nicht beteiligt. Weil wir nicht beteiligt sind und wir keine finanziellen Mittel für dieses Projekt zur Verfügung stellen, brauchen wir uns im Bundesetat auch keine Gedanken darüber zu machen, wenn es Kostensteigerungen gibt. Das ist ein Projekt der Deutschen Bahn AG und ihrer Projektpartner. Deshalb müssen diese die Finanzierung sicherstellen; deshalb ist eine Einstellung von entsprechenden Mitteln in den Haushalt 2014 - Sie haben das in Ihrer Frage angesprochen - nicht notwendig. Wie gesagt: Es ist ein Projekt der Deutschen Bahn AG und ihrer Projektpartner. Heike Hänsel (DIE LINKE): Sie gehen aber davon aus, dass die Bahn die von mir angesprochenen 500 Millionen Euro überweist? Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das ist dann Ihre zweite Nachfrage. Heike Hänsel (DIE LINKE): Diese Frage hatte ich schon gestellt; er hat sie aber nicht beantwortet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das kann ich jetzt nur als Ihre zweite Nachfrage werten; denn Sie haben nachgefragt. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich nehme an, dass Sie mit den 500 Millionen Euro die Dividende meinen, die die Deutsche Bahn AG an den Bund auszahlt. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Genau!) Die Deutsche Bahn AG ist ein außerordentlich ertragsstarkes Unternehmen. Die Bahn hat auch im letzten Jahr wieder einen großen Gewinn gemacht, was zeigt, dass diese Dividende ohne Weiteres erwirtschaftet werden kann. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Dividende auch in den nächsten Jahren gezahlt wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kotting-Uhl. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, eine kurze Frage: Hätte die Deutsche Bahn AG einen Baustopp für Stuttgart 21 verhängen müssen, wenn es am 5. März keine Entscheidung über die Erhöhung des Finanzierungsrahmens gegeben hätte? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Das weiß ich nicht; das müssen Sie die Deutsche Bahn AG fragen. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So viel Interesse an einem Unternehmen, das zu 100 Prozent dem Bund gehört!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ebner. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben uns jetzt lang und breit - im Grunde war es aber eher kurz - erläutert, dass der Bund hier keinerlei Mehrkosten zu tragen habe. Uns wurden im Zusammenhang mit der Volksabstimmung in Baden-Württemberg ganz viele Vorteile dieses Projektes, das den Bund anscheinend nichts angeht, erläutert, unter anderem der Vorteil, dass man so viel schneller von Stuttgart nach Ulm fahren könnte. Das liegt aber nicht am neuen Bahnhof, sondern an einem Projekt, das nach weit verbreiterter Interpretation eng mit dem Bahnhofsprojekt zusammenhängt: der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm. Der Aufsichtsrat hat in seiner Sitzung vom 5. März festgestellt, dass die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht vor 2022 stattfinden wird. Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm macht aber nur dann Sinn, wenn sie zeitgleich mit diesem Bahnhof in Betrieb genommen wird, weil es sonst keinen Anschluss und damit keine Verwendung für diese Neubaustrecke gäbe. Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass die Verzögerung völlig kostenneutral ist, also keine weiteren Kosten auf Bahn und Bund zukommen, und, wenn ja, wie wollen Sie das begründen? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir gehen von den jetzigen Planungsansätzen aus, also - Sie haben selbst davon gesprochen - von einer Deckelung der Kosten für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bei 563 Millionen Euro. Das ist der Teil des Projekts Stuttgart 21, der sich auf die Infrastruktur des Bundes bezieht. Wenn es bei der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm im Laufe des Bauprozesses Mehrkosten geben sollte, dann müsste man das neu bewerten. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kostensteigerung ist doch bekannt!) Aber es gibt gegenwärtig keinen Hinweis darauf, dass es dort in irgendeiner Art und Weise Kostensteigerungen geben könnte. Ich kann verstehen, dass das Ergebnis des Volksentscheids, der in Baden-Württemberg zu diesem Projekt stattgefunden hat, Ihnen von den Grünen wehtut. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht's nicht! Es geht um die Kostensteigerung!) Sie versuchen jetzt natürlich, Ihre Niederlage wettzumachen. Aber die Bürger in Baden-Württemberg haben so entschieden, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auf der Basis von 4,5 Milliarden Euro!) und deshalb wird es auch so gebaut. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die nächste Frage kommt von der Kollegin Wilms. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, ich möchte auf die Finanzierung von Bahnverkehrsprojekten zurückkommen, auf die Frau Hänsel in ihrer Frage eingegangen ist. Sie haben uns sehr deutlich gesagt: Es gibt da einen feinen Unterschied zwischen dem eigenwirtschaftlichen Projekt zum Bau des neuen Bahnhofs - Stuttgart 21 genannt - und den Bedarfsplanprojekten, zu denen Sie hier eben den Bau der Strecke Wendlingen-Ulm gezählt haben. Hierzu möchte ich Ihnen ganz gezielt eine Frage stellen im Hinblick darauf, womit wir uns hier die ganze Zeit befassen. Auch in anderen Bereichen gibt es Bedarfsplanprojekte. Sollte aus Sicht des Verkehrsministers Ramsauer das Land Bayern nicht einen freiwilligen Eigenanteil in Höhe von 930 Millionen Euro für die Finanzierung der zweiten Stammstrecke der S-Bahn in München zuschießen, um anschließende Preiserhöhungen durch die Deutsche Bahn AG auszuschließen? (Heiterkeit des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Das ist eine hypothetische Frage. Ich weiß nicht, ob sich die Bayerische Staatsregierung Gedanken darüber macht. Wie ich schon sagte: Die Gestaltung von Fahrpreisen ist Sache der Eisenbahnverkehrsunternehmen. Das gilt insbesondere für den Nahverkehr, und die zweite Stammstrecke in München ist - wie Sie wissen, Frau Kollegin - ein Nahverkehrsprojekt. Sie werden doch nicht ernsthaft von mir erwarten, dass ich Auskunft darüber gebe, wie sich die Fahrpreise in diesem Bereich gestalten. Niemand im Bundesverkehrsministerium legt Fahrpreise fest. Ich würde Sie bitten, das endlich zur Kenntnis zu nehmen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Einer der wesentlichen Gründe, warum man sich für den Weiterbau von Stuttgart 21 entschieden hat, ist die Aussage des Vorstands der Deutschen Bahn, dass es zehn Jahre dauern kann, bis man eine andere Lösung gefunden hat. Das ist ein sehr langer Zeitraum. Ist von Ihrem Ministerium die Plausibilität der Aussage des Vorstands der Deutschen Bahn überprüft worden? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Es liegt in der Verantwortung der Aufsichtsratsmitglieder, im Aufsichtsrat eine Entscheidung zu treffen. Die Aufsichtsratsmitglieder haften für ihre Entscheidung, die sie in diesem Rahmen treffen. Sie persönlich müssen entscheiden, ob das Projekt im Interesse der Gesellschaft liegt. Eine Aktiengesellschaft funktioniert so, dass die Ak-tionäre in der Hauptversammlung Einfluss auf die Unternehmenspolitik nehmen können. Die Hauptversammlung wählt und bestellt die Aufsichtsräte, die dann Kontrolle auf das Unternehmen ausüben und Entscheidungen treffen müssen. Das heißt, jedes einzelne Mitglied im Aufsichtsrat - egal ob es von der Bundesregierung gestellt wird, ob es von den Aktionären oder vonseiten der Bank der Arbeitnehmer entsandt worden ist; es handelt sich um einen mitbestimmten Aufsichtsrat - muss für sich persönlich die Entscheidung treffen, ob der Vorschlag, den der Vorstand dem Aufsichtsrat vorlegt, für das Unternehmenswohl, für die Ertragschancen und die wirtschaftlichen Aussichten des Unternehmens gut ist. Der Aufsichtsrat hat die Entscheidung getroffen, dass der Weiterbau - im Verhältnis zum Abbruch des Projektes - die günstigere Lösung ist. In den Medien konnte man nachlesen, dass es im Aufsichtsrat 18 Jastimmen für die Fortführung des Projektes gab. Ich nehme an, dass sich sowohl die Arbeitnehmervertreter als auch die Vertreter, die vonseiten des Bundes bestellt wurden, intensiv darüber informiert haben und sie davon ausgehen, dass das Projekt langfristig wirtschaftlich ist und die Ertragschancen der Deutschen Bahn AG befördert. Das ist logisch nachzuvollziehen: Man kann die Flächen in dem fertiggestellten Bahnhof vermieten, der Bahnhof steht dem Verkehr zur Verfügung, und durch die Nutzung der geräumten Flächen, auf denen der alte Bahnhof stand, ist eine neue Stadtentwicklung in Stuttgart möglich. Unter dem Strich waren sie der Meinung, dass das insgesamt eine wirtschaftlich gute Entscheidung ist und auch für das Unternehmensinteresse die beste Entscheidung darstellt. Diese Entscheidung zu treffen, ist die Aufgabe der Aufsichtsräte, und dieser Aufgabe sind sie nachgekommen. (Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Minus 0,3 Prozent Kapitalverzinsung! Wirtschaftlich?) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höger, Sie haben eine Nachfrage. Inge Höger (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vor der entscheidenden Sitzung des Aufsichtsrates wurde angesichts der Kostensteigerung von 2 Milliarden Euro in den Medien eine intensive Debatte darüber geführt, ob es eventuell nicht doch wirtschaftlicher sei, Stuttgart 21 nicht zu bauen, sondern zurückzubauen und den alten Bahnhof weiter zu nutzen. Dann haben Verkehrsminister Ramsauer und auch die Kanzlerin Merkel gesagt, es sei aber sehr wichtig, dieses Projekt fortzuführen. Hat das Einfluss auf die Entscheidung der Regierungsvertreter im Aufsichtsrat gehabt? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Das weiß ich nicht. Es gibt drei Staatssekretäre, die Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG sind. Das sind die einzigen, die eine direkte Verbindung zur Bundesregierung haben. Aber als Aufsichtsräte müssen sie im Unternehmensinteresse entscheiden. Sie können nicht darauf Rücksicht nehmen, was in einer öffentlichen Diskussion geäußert wird, was der eine für wünschenswert und der andere für nicht wünschenswert hält. Entscheidend ist immer, was im Unternehmensinteresse ist. Die Aufsichtsräte sind dem Unternehmen verpflichtet. Ich gehe davon aus, dass die Aufsichtsräte dieser Pflicht nachgekommen sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ott. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Mücke, Sie haben gerade zwei Dinge getan: Sie haben einerseits zustimmend auf das Referendum verwiesen, in dem man sich für die Weiterführung des Projekts Stuttgart 21 ausgesprochen hat; andererseits haben Sie die Entscheidung der Bahn, den Kostenrahmen um 2 Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden Euro zu erhöhen, verteidigt. Nun basierte das Referendum aber auf der Annahme, dass dieser Bahnhof insgesamt nur 4,5 Milliarden Euro kostet. Beides zusammen geht doch nicht. Wie gehen Sie mit dieser Diskrepanz um? Ist dieses Referendum jetzt nichts mehr wert? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Nein, keinesfalls. (Inge Höger [DIE LINKE]: Aber es gilt doch nicht mehr!) Für uns ist Bürgerbeteiligung eine sehr wichtige Grundlage, gerade bei Entscheidungen über große Infrastrukturprojekte. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, möchten Sie selber mehr Bürgerbeteiligung - außer bei Stuttgart 21; da waren Sie, glaube ich, nicht so begeistert von der Bürgerbeteiligung. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) Sie fordern bei allen großen Infrastrukturprojekten Bürgerbeteiligung ein. Ihr Schicksal ist, dass Sie bei diesen Volksentscheidungen, bei Bürgerentscheiden gelegentlich auch einmal unterliegen. So ist das in einer Demokratie. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 4,5 Milliarden! Das stand drin!) Ich weiß, dass Sie das sehr schmerzt; (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie alles wissen!) aber diese Entscheidung, die die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger getroffen haben, gilt. Sie bindet vor allem die Landesregierung von Baden-Württemberg. Deshalb möchte ich Sie bitten, Ihre Frage einfach an die Landesregierung von Baden-Württemberg zu richten. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 4,5 Milliarden!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die Frage 13 der Kollegin Behm auf: Inwieweit führt das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2012 zum Bau der U-Bahn-Linie 5 in Berlin zu einer neuen Rechtslage und damit auch zu einer neuen Genehmigungssituation für den Lückenschluss von Berlin-Südkreuz nach Mahlow auf der sogenannten Dresdner Bahn, die deshalb nach Berichten in der Berliner Zeitung vom 7. März 2013 erst 2022 fertiggestellt sein könnte, und von welchem Zeitverzug geht die Bundesregierung derzeit aus? Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Behm, ich möchte Ihnen kurz antworten: Gemäß dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2012 ist ein Konzept zum Schutz vor Baulärm nach § 74 Abs. 2 und 3 Verwaltungsverfahrensgesetz nur entbehrlich, wenn die Immissionsrichtwerte der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Schutz gegen Baulärm - Geräuschimmissionen - eingehalten werden. Eine Anhebung dieser Werte und damit eine verminderte Schutzwürdigkeit sei nicht gerechtfertigt. Die frühere Rechtsprechung, wonach es nicht zu beanstanden sei, dass aktive und passive Schallschutzmaßnahmen erst bei Überschreitungen des für die jeweilige schutzwürdige Bebauung heranzuziehenden Richtwertes um mehr als 5 dB (A) angeordnet würden, ist damit überholt. In der Konsequenz dieser aktuellen Rechtsprechung ist es erforderlich, die Baulärmgutachten der drei Planfeststellungsabschnitte der sogenannten Dresdner Bahn zu überarbeiten. Ob bzw. in welchem Umfang sich dadurch zeitliche Verzögerungen für die laufenden Planfeststellungsverfahren ergeben, kann derzeit nicht zuverlässig abgeschätzt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Behm, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Möglichkeit zur Nachfrage nehme ich sehr gerne in Anspruch. - Das hört sich ja schon ein bisschen anders an als das, was man in der Berliner Zeitung lesen konnte, wonach sich die Fertigstellung bis 2022 verzögern könnte. In der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem eben von Ihnen zitierten Urteil steht aber auch, dass in der mündlichen Verhandlung am 28. Juni des vergangenen Jahres das beklagte Land Berlin den Planfeststellungsbeschluss auf Vorschlag des Gerichts zugunsten der Klägerin geändert und ergänzt hat. Alle weiteren Klagen der Anlieger wurden vom Gericht aufgrund dieses geänderten Planfeststellungsbeschlusses zurückgewiesen. Jetzt frage ich: Sie haben gesagt, dass Planänderungen notwendig geworden sind. Welche konkreten Folgen hatte das für Umplanungen bei der Dresdner Bahn? Warum musste überhaupt neu geplant werden? Hat es keine Variantenprüfungen bezüglich Lärmschutz- und Tunnellösungen gegeben? Man prüft doch üblicherweise verschiedene Varianten. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin, da sind Sie nicht ganz präzise gewesen. Ich will es noch einmal deutlich machen: Ich habe doch vorhin gesagt, dass es um die Baulärmgutachten geht. Es geht nicht darum, dass ein ganzer Planfeststellungsbeschluss oder ein ganzer Planfeststellungsantrag überarbeitet werden muss, sondern es geht darum, dass ein Baulärmgutachten überarbeitet werden muss. Das wird jetzt gerade getan; man sieht sich das an. Ob das Auswirkungen auf die Planfeststellungsverfahren für die drei Abschnitte haben wird, wird man sehen. Wir hoffen, dass das Eisenbahn-Bundesamt für den ersten Bauabschnitt, den Abschnitt 2 in Lichtenrade, noch im Jahr 2013 einen Planfeststellungsbeschluss erlässt. Aber selbstverständlich muss das Baulärmgutachten auch für diesen Abschnitt im Sinne der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überarbeitet werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben noch eine weitere Nachfrage, Frau Behm? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Ich würde gerne wissen, wie viel Zeit das Eisenbahn-Bundesamt bzw. die anderen beteiligten Behörden für die Prüfung dieser neuen Situation, also beispielsweise für die Überarbeitung des Baulärmgutachtens, haben. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Das Eisenbahn-Bundesamt hat alle Zeit der Welt. Es ist eine unabhängige Behörde. Es kann Planfeststellungsbeschlüsse erlassen oder auch nicht. Es kann und wird so lange prüfen, bis es zu einer Entscheidung gekommen ist. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Zeit der Welt dafür vorhanden ist. Im Übrigen ist es auch in unserem Interesse, dass diese Verfahren gründlich ablaufen; denn wir wollen vermeiden, dass diese Planfest-stellungsbeschlüsse in einem eventuell anstehenden -Verwaltungsrechtsverfahren aufgrund eines fehlerhaften Baulärmgutachtens möglicherweise aufgehoben werden oder in Schwierigkeiten geraten. Es ist unser Ziel, diese Infrastruktur, die Dresdner Bahn, möglichst schnell fertig zu bauen. Das ist eine wichtige Maßnahme für die Stadt Berlin, aber auch darüber hinaus. Es geht dabei auch um die schnellere Erreichbarkeit des neuen Flughafens. Es geht um die bessere Anbindung zwischen Berlin, Dresden und Prag. All das sind wichtige verkehrspolitische Ziele, die mit der Dresdner Bahn verbunden sind. Deshalb hoffen wir, dass sowohl die Planfeststellungsbeschlüsse als auch der Bau zügig vonstattengehen. (Cornelia Behm [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Danke!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter werden schriftlich beantwortet. Damit verlassen wir diesen Geschäftsbereich. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit. Zur Beantwortung steht zur Verfügung die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser. Die Frage 16 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl wird schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 17 des Kollegen Hermann Ott: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus dem am 6. März 2013 vorgestellten Appell des Bündnisses "Klima-Allianz Deutschland" (vergleiche www.die-klima- -allianz.de/wp-content/uploads/2013/03/Positionspapier_sozial_ gerechte_energiewende2013_SPERRFRIST06032013.pdf), in dem unter anderem die Bedeutung des Erfolges der Energiewende für die internationale Ebene verdeutlicht wird, und wie ist in diesem Zusammenhang der aktuelle Stand hinsichtlich des angekündigten, jedoch bislang nicht gegründeten Klubs der Energiewendestaaten? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Kollege Dr. Ott, die Bundesregierung nimmt den Appell der Klima-Allianz Deutschland zur Kenntnis. Die von der Klima-Allianz genannten - ich nenne es jetzt einmal so - Nutzenwirkungen des Ausbaus der erneuerbaren Energien, zum Beispiel 380 000 Arbeitsplätze brutto in der Branche der erneuerbaren Energien, die positiven Wirkungen auf heimische Wertschöpfung und Technologieführerschaft, Emissionsreduzierung, Verringerung der Abhängigkeit von Energieimporten und die Verringerung der externen Kosten, sind der Bundesregierung selbstverständlich bekannt. Sie werden auch regelmäßig kommuniziert und veröffentlicht. Die deutsche Energiewende - das wissen Sie selbst genau oder sogar noch genauer als ich - wird im Ausland aufmerksam verfolgt. An dem Ziel einer integrierten, langfristig angelegten ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Energiewende werden wir international -gemessen. Entscheidend ist aber auch, Herr Dr. Ott, die Akzeptanz der Bevölkerung und auch der Unternehmen. Deshalb muss die Energiewende für die Verbraucherinnen und Verbraucher, für Wirtschaft und Industrie bezahlbar bleiben. Neben Deutschland führen viele -verschiedene Länder derzeit Diskussionen über die Gestaltung ihrer künftigen Energieversorgung und messen den erneuerbaren Energien dabei eine bedeutende Rolle zu. Vorreiterstaaten in diesen Fragen möchte Minister Altmaier - darauf bezieht sich der zweite Teil Ihrer Frage - in seinem Klub der Energiewendestaaten zusammenbringen. Für seine Initiative hat Minister Altmaier im Rahmen seiner Teilnahme an der jährlichen Versammlung von IRENA in Abu Dhabi im Januar 2013 informelle Konsultationen mit verschiedenen Vorreiterstaaten geführt und mit ihnen über die Idee eines solchen Klubs diskutiert. Diese Konsultationen mit Staaten, die möglicherweise teilnehmen, werden zurzeit intensiv weitergeführt. In ihrem Rahmen wird auch über die nächsten Schritte und Aktivitäten beraten. Bitte haben Sie aus diesem Grund Verständnis, dass wir Ihnen erst dann Informationen zukommen lassen können, wenn die Konsultationen beendet sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ott, Sie haben eine Nachfrage? - Bitte schön. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. - Wir hatten heute im Umweltausschuss das seltene Glück, sowohl den Minister für Wirtschaft als auch den Minister für Umwelt - allerdings hintereinander - bei uns zu Gast zu haben. Es sind da doch einige Unterschiede deutlich geworden. Bei Ihrem Minister hatte man zumindest den Eindruck, dass man - trotz mancher Differenzen - eine ähnliche Sprache spricht. Nichtsdestotrotz ist auch deutlich geworden: Die Rolle, die Deutschland in der Welt bzw. auf europäischer Ebene spielt, wird im Moment durch Uneinigkeiten zwischen Wirtschafts- und Umweltministerium sehr beeinträchtigt. Es hat zwar gewisse Annäherungen gegeben. In Bezug auf das 30-Prozent-Ziel bzw. auf die Frage, ob sich Deutschland in Europa für die Erhöhung des europäischen Klimaziels einsetzen wird, besteht aber weiterhin keine Einigung. Oder können Sie uns dazu Neues berichten? Vielleicht können Sie aus den Kabinettssitzungen berichten: Ist das auch Thema in den Unterredungen mit der Bundeskanzlerin? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Herr Dr. Ott, ich war heute Morgen nicht im Umweltausschuss, als die beiden Minister dort zu Gast waren. Natürlich habe ich aufmerksam verfolgt, was dort besprochen wurde. Dankenswerterweise haben Sie über Ihren Twitter-Account die Öffentlichkeit darüber informiert, was dort besprochen wurde. Von daher herzlichen Dank für diese allgemeinen Informationen. In der Tat wird zurzeit erstens über das Thema 30-Prozent-Ziel diskutiert, zweitens natürlich auch über die Frage, wie es mit dem Emissionshandel weitergehen wird. Das ist eine der entscheidenden Fragen, die zurzeit auch das Europäische Parlament berühren. Wir werden demnächst einen Trilog über den Backloading-Vorschlag starten. Darüber wird es sicherlich interessante Diskussionen geben. Dass es Diskussionen zwischen zwei Häusern wie dem BMU und dem BMWi gibt, liegt in der Natur der Sache und ist sicherlich nicht erst seit dieser Legislaturperiode der Fall. Vielmehr ist das etwas, was es schon immer, in allen Koalitionen, gab. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ihre zweite Nachfrage, Herr Ott. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Appell der Klima-Allianz ist doch sehr außergewöhnlich. Es haben sich einerseits klassische Umwelt-organisationen wie der Naturschutzbund und andererseits die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, die AWO und Verbraucherschutzverbände zusammengetan und einen Appell an die Bundesregierung gerichtet. Zusammen mit Herrn Töpfer haben sie den Appell veröffentlicht, dass die Energiewende sozial ausgestaltet werden muss und man Ökologie und Soziales zusammen sehen muss. In ihrem Aufruf an die Bundesregierung stellen sie die Forderung nach einem Mindestlohn von 8,50 Euro auf. Meine Fragen lauten: Nimmt die Bundesregierung das zur Kenntnis? Wird das diskutiert? Werden Appelle, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen und ganz offensichtlich nicht in irgendeiner Weise parteipolitisch motiviert sind, in dieser Bundesregierung wahrgenommen? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Aber selbstverständlich, Kollege Dr. Ott, beschäftigen wir uns damit. Wir nehmen den an uns gerichteten Appell der Klima-Allianz und der Verbände sehr ernst; das ist überhaupt keine Frage. Dass wir über diesen Appell - und nicht nur über diesen; es gibt ja viele Stimmen aus der Gesellschaft bzw. aus der Bevölkerung - intensiv diskutieren, sehen Sie auch daran, dass Peter Altmaier vor einigen Wochen einen Vorschlag zur Strompreissicherung gemacht hat. Ich habe schon vorhin ausgeführt: Es ist entscheidend, dass wir genug Akzeptanz für unsere Energiewende in der Bevölkerung bzw. in der Gesellschaft haben. Deshalb brauchen wir hier auch eine Kostendiskussion. Des Weiteren müssen wir Überlegungen anstellen, wie wir da weiter vorangehen. Dem dienen auch die Gespräche mit den Ländern, in die wir eingetreten sind und die hoffentlich zu einem guten Ende geführt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt dazu eine Nachfrage der Kollegin Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade die Diskussion über die Strompreise angesprochen. Die Strompreise hängen extrem davon ab, wie sich der Börsenstrompreis entwickelt. Die Differenz zur Einspeisevergütung ist ja von den Verbrauchern zu zahlen. Wenn auf EU-Ebene kein ehrgeiziger Klimaschutz betrieben wird, wenn also die Zahl der Zertifikate weiter extrem hoch und der Zertifikatepreis deshalb im Keller ist, haben wir automatisch einen niedrigeren Börsenstrompreis; das heißt, je weniger ambitioniert der Klimaschutz auf EU-Ebene, desto teurer wird es für die Verbraucher, desto höher steigt der Strompreis. Wie wollen Sie eigentlich die unterschiedlichen Positionen der Minister Altmaier und Rösler in dieser Angelegenheit auflösen, damit die unsoziale Politik, die durch die Politik des Bundeswirtschaftsministers ausgelöst wird, endlich beendet wird? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Kollegin Höhn, dem ersten Teil Ihrer Frage hätte ich eigentlich zustimmen können; aber der zweite Teil macht es schwierig. Gestatten Sie mir zum ersten Teil Ihrer Frage die Anmerkung: Ich teile Ihre Auffassung, dass wir eine ambitionierte Klimaschutzpolitik benötigen, auch im Bereich des Emissionshandels. Das sieht auch Peter Altmaier so - sicherlich haben Sie heute Morgen im Umweltausschuss mit ihm darüber gesprochen -, beispielsweise im Hinblick auf das 30-Prozent-Ziel, das Thema Backloading etc. Um zum zweiten Teil Ihrer Frage zu kommen: Ich bin zuversichtlich, dass sich die Häuser in absehbarer Zeit einigen werden, wie wir mit dem gesamten Thema umgehen. Denn es ist schon wichtig - das wird gleich noch Teil einer Frage des Kollegen Krischer sein -, dass wir uns überlegen, wie wir auch national weiter vorankommen, beispielsweise beim Energie- und Klimafonds. Gestatten Sie mir noch den kurzen Hinweis darauf, dass es, was die EEG-Umlage und damit auch die Kosten für die Verbraucher und Verbraucherinnen angeht, natürlich verschiedene Schlüssel und Stellschrauben gibt. Dazu gehört sicherlich der Börsenstrompreis; dazu gehören aber auch die Zubaugeschwindigkeit der Erneuerbaren oder die Vergütungssätze, die ja für einen langen Zeitraum festgelegt sind und insofern auch eine Rolle spielen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Eine Nachfrage des Kollegen Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, ich habe gerade gehört, dass in absehbarer Zeit eine Verständigung zwischen den beiden befreundeten Ministerien erzielt werden soll, um dann vielleicht zu einer Position der Bundesregierung zu kommen. Wir hören aber schon seit vielen Monaten, dass man daran arbeitet. Meine Frage lautet: Glauben Sie nicht, dass es schwierig bis unmöglich ist, eine Entscheidung auf europäischer Ebene zu treffen, wenn das größte Land der Europäischen Union und der größte Emittent innerhalb der Europäischen Union in dieser entscheidenden Frage keine Position hat? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Ihre Auffassung teile ich nicht, Kollege Krischer. Wir werden eine gemeinsame Position finden. Auch Sie wissen, dass derzeit das Europäische Parlament gefragt ist, seinerseits eine Position zu finden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit kommen wir zur Frage 18 des Kollegen Ott: Teilt die Bundesregierung die Auffassung des Schirmherrn Professor Dr. Klaus Töpfer und anderer, dass die Energiewende mehr als eine Preisdebatte sei, Klimawandel und die Reaktorkatastrophe von Fukushima als die Auslöser der Energiewende nicht vergessen werden dürften und die ökologische und soziale Dimension der Energiewende nicht im Widerspruch zueinanderstünden (vergleiche www.die-klima-allianz. de/pressemitteilung-energiewende-ist-mehr-als-eine-preisdebatte- gemeinschaftswerk-sozial-gestalten-3), und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Kollege Ott, um die ökologische und soziale Dimension der Energiewende ausgewogen zu berücksichtigen, kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an; das habe ich vorhin schon gesagt. Vor diesem Hintergrund haben Bundesumweltminister Peter Altmaier und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler einen gemeinsamen Vorschlag zu kurzfristigen Maßnahmen zur Dämpfung der Kosten des Ausbaus der erneuerbaren Energien vorgelegt. Dieser Vorschlag wird derzeit intensiv mit den Bundesländern und den Ressorts beraten. Es ist das Ziel, ein abgestimmtes Konzept vorzulegen. Wie das Gesamtpaket am Ende aussehen wird, ist abhängig von den jetzt anstehenden Gesprächen mit den Bundesländern und zwischen den Ressorts. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ott, haben Sie eine Nachfrage? - Bitte schön. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Heinen-Esser, wir hören nun schon sehr lange, dass da Gespräche im Gange sind und dass man sich da abstimmt. Allerdings neigt sich die Legislaturperiode ihrem Ende zu - ihrem wohlverdienten Ende; so möchte ich das mal formulieren -, und wir hoffen alle auf Besseres und Neues. Die Zeit, die Ihnen noch bleibt, ist tatsächlich sehr eng. Es fällt auf, dass sich diese Diskussion - auch in der Bundesregierung - auf den Strompreis beschränkt, obwohl dieser nur zu einem winzigen Teil für die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger durch hohe Energiepreise verantwortlich ist. Meine Frage deshalb: Was macht die Bundesregierung, um dafür zu sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel bei den Heizkosten nicht unzumutbar belastet werden? Die zweite Miete drückt doch fast schon so sehr wie die erste Miete. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Ich beantworte Ihre Frage am besten Schritt für Schritt. Zum ersten Punkt: Natürlich müssen wir uns mit den Strompreisen beschäftigen. Wir haben in den letzten vier Jahren im Deutschen Bundestag erlebt, wie die EEG-Umlage Jahr für Jahr angestiegen ist. Wenn wir jetzt nichts unternehmen - an welcher Stellschraube auch immer -, wird die EEG-Umlage weiter steigen, und dann wird sie natürlich auch weiterhin spürbar für die Verbraucher sein. Dies ist dann nicht nur eine zusätzliche Belastung für die Verbraucher, sondern kann dazu führen, dass die Energiewende in der Bevölkerung auf Akzeptanzschwierigkeiten stößt. Das, Herr Dr. Ott, kann weder in Ihrem noch in unserem Interesse sein. Selbstverständlich muss man sich auch mit den weiteren Energiekosten intensiv beschäftigen, vom Mineralöl bis zum Gas. Bundesumweltminister Altmaier hat, beispielsweise mit den Sozialverbänden und mit den Verbraucherverbänden, Gespräche geführt, um zu überlegen, welche Möglichkeiten es hier gibt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ott, haben Sie eine weitere Nachfrage? - Bitte schön. Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der schlechte Eindruck, den die Bundesregierung im Hinblick auf die Umsetzung der Energiewende macht, liegt gar nicht so sehr an Ihrem Hause, sondern zum großen Teil daran, dass zwischen verschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung Uneinigkeit besteht. Nun hat ja Professor Töpfer, der den Appell der Klima-Allianz Deutschland vorgestellt hat, schon als Vorsitzender der Ethik-Kommission Sichere Energieversorgung, die im Auftrag der Bundeskanzlerin diese Energiewende, den Ausstieg aus der Atomenergie, vorgedacht hat und Vorschläge gemacht hat, gesagt und jetzt noch einmal wiederholt: Es braucht einen Energiewendemanager, es braucht jemanden, der die verschiedenen Bemühungen der Bundesregierung - formulieren wir es einmal sehr positiv - koordiniert, um nicht zu sagen: der zwischen unterschiedlichen Positionen vermittelt, damit endlich einmal etwas vorangeht. - Hat die Bundesregierung dazu irgendwelche Vorstellungen? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Die Behauptung, es gehe nicht voran, muss ich entschieden zurückweisen - die Energiewende kommt sehr gut voran. Sie wissen, dass wir im vergangenen Jahr erstmals erreicht haben, dass fast ein Viertel der gesamten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien gekommen ist. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können Sie sich ja wohl nicht selber zurechnen!) Das ist schon ein gewaltiger Fortschritt, Herr Dr. Ott. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie meinen: trotz Ihrer Bemühungen!) Damit können wir schon sagen, dass wir hier vorankommen. Wir haben uns die Kritik in der Tat zu Herzen genommen und uns damit befasst, wie wir die Energiewende besser koordinieren können. Aus diesem Grund gibt es verschiedene Ausschüsse und Plattformen innerhalb der Bundesregierung: Es gibt beispielsweise die Plattform Erneuerbare Energien mit drei Arbeitsgruppen und den Staatssekretärsausschuss mit allen beteiligten Ressorts, der regelmäßig tagt und in dem alle im Zusammenhang mit der Energiewende anstehenden Probleme besprochen werden. Dazu gehört die Frage - diese Frage ist entscheidend -, wie es mit den Kraftwerksplanungen weitergeht, wie wir es schaffen, dass Gaskraftwerke rentabel bleiben, auch wenn sie nur ab und zu unterstützend zugeschaltet werden, um die Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien zu gewährleisten. Das sind alles Fragen, die in diesem Ausschuss diskutiert werden. Wir haben damit ein exzellentes Instrument an der Hand, um die Energiewende zu managen. Darüber hinaus haben wir den Monitoringprozess, der uns immer sagt, ob wir mit der Energiewende auf dem richtigen Weg sind, ob wir bis zum Jahr 2050 die Ziele, die wir uns selber gesetzt haben, erreichen bzw. wo wir nachsteuern müssen. Der im Dezember 2012 veröffentlichte erste Monitoringbericht hat bestätigt, dass die Energiewende gut vorankommt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Höhn hat noch eine Nachfrage. - Bitte. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eben ist ja schon angesprochen worden, dass die Haushalte vor allen Dingen durch die Heizkosten belastet sind. Energiesparmaßnahmen werden vor allen -Dingen durch Projekte gefördert, die mit Mitteln aus dem Energie- und Klimafonds finanziert werden. Durch die niedrigen Preise für CO2-Emissionszertifikate, also durch einen unambitionierten Klimaschutz auf EU-Ebene, sind die Einnahmen des Energie- und Klimafonds, EKF, dramatisch gesunken. Damit können die Energieeffizienzmaßnahmen nicht mehr finanziert werden. Teilen Sie die Auffassung, dass wegen der sinkenden Einnahmen für den Energie- und Klimafonds - auch zum Beispiel im Wärmebereich - die Kosten für die Haushalte höher sind? Wäre es nicht besser, genügend Mittel bereitzustellen, um diese Energiesparmaßnahmen durchführen zu können? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Kollegin Höhn, zum Ersten muss ich sagen: Ich hätte mir natürlich gewünscht, wir hätten die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung hinbekommen. Damit hätten wir aus dem Bundeshaushalt einen guten Schritt in Richtung Energieeffizienz geleistet und müssten uns in diesem Punkt vielleicht gar nicht so intensiv mit dem Fonds beschäftigen. Ich darf das noch einmal sagen: Es wäre schön gewesen, wenn Sie und die SPD gesprungen wären und gesagt hätten: Dies ist eine gute Sache, die wir tatsächlich unterstützen wollen. Zweiter Punkt. Natürlich machen wir uns Gedanken über die Ausstattung des Energie- und Klimafonds. Wenn ich die Twitter-Meldungen richtig gelesen habe, dann ist das heute Morgen ja wohl auch im Ausschuss entsprechend behandelt worden. Wir sind hier in entscheidenden Gesprächen mit dem Bundesfinanzministerium über die Bewirtschaftung, und auch hier hoffe ich, dass wir zu einem guten Ende kommen werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir kommen zur Frage 19 unseres Kollegen Oliver Krischer: Welche Gründe hat der erneute Förderstopp beim Mini-Kraft-Wärme-Kopplung-Impulsprogramm, und warum wird dieser Förderstopp auf den Internetseiten der Bundesregierung nicht transparent gemacht? Bitte schön, Frau Staatssekretärin. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Kollege Krischer, seitens der Bundesregierung wurde kein Förderstopp verkündet. Dieser Schritt - das muss ich jetzt ausdrücklich sagen - wäre in der jetzigen Situation auch verfrüht. Das Mini-KWK-Programm wird aus Mitteln der Nationalen Klimaschutzinitiative finanziert, die primär aus dem Bundeshaushalt und zusätzlich aus dem Energie- und Klimafonds, EKF, bereitgestellt werden. Gegenwärtig - das habe ich auch auf die Frage der Kollegin Höhn gerade schon gesagt - laufen innerhalb der Bundesregierung, auf höchster politischer Ebene, Abstimmungen zum Thema Emissionshandel und zur Aufteilung der in 2013 verfügbaren Finanzmittel aus dem EKF, dessen Einnahmen eben von den Erlösen aus dem Emissionshandel abhängig sind. Das Ergebnis dieser Abstimmung gilt es abzuwarten. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, BAFA, ist für die Abwicklung des Mini-KWK-Programms zuständig. Um einen sofortigen Antragsstopp zu vermeiden, wurde das BAFA gebeten, bis zur Klärung der Mittelverteilung innerhalb des EKF die Anträge anzunehmen, jedoch noch keine Grundbescheide zu erlassen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ihre erste Nachfrage, Kollege Oliver Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Ausführungen. Mich wundert dann nur, dass die Antragsteller ein Schreiben des BAFA erhalten, wonach ihr Antrag entgegengenommen wurde und mit der Maßnahme begonnen werden kann, aber keine Entscheidung über eine Förderung getroffen wird. Diese völlige Unklarheit führt natürlich dazu, dass Antragsteller keine entsprechenden Investitionen tätigen. Ich habe mir die entsprechenden Seiten des BMU oder des BAFA noch einmal angeguckt: Darin findet man keinen Hinweis darauf, was Sie gerade gesagt -haben. Eine solche Kommunikation wäre natürlich wichtig, um die Branche darauf einzustellen, was dort möglicherweise kommen könnte. Ich frage Sie, was Sie tun wollen, um die Verunsicherung, die durch die Situation des Energie- und Klimafonds jetzt entstanden ist, zu beheben. Durch welche -Aktivitäten wollen Sie diese Verunsicherung beseitigen? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Kollege Krischer, ich nehme Ihren Hinweis, das noch einmal deutlicher und klarer zu kommunizieren, sehr gerne mit. Ich mache aber darauf aufmerksam, dass wir uns darauf verständigt haben, dass zurzeit keine neuen Vorhaben bewilligt werden können. Die Anträge, die eingegangen sind, sollen aber auf jeden Fall schon einmal bearbeitet werden, damit es nicht zu Verzögerungen kommen wird. Sie wissen - ich vermute, auch das haben Sie heute Morgen intensiv besprochen -, dass wir im Energie- und Klimafonds Rücklagen aus dem Jahr 2012 besitzen, die wir tatsächlich nutzen können. Zum Zweiten gibt es im Rahmen des EKF auch die Möglichkeit, Liquiditätsdarlehen bis zu einer Höhe von 10 Prozent des Gesamtvolumens des jeweiligen Wirtschaftsplans - in 2013 wären das bis zu 204 Millionen Euro - aus dem Bundeshaushalt zu erhalten. Auch hier haben wir gegebenenfalls noch Möglichkeiten. Ich weiß, dass die Antwort nicht sehr befriedigend ist und dass ich Sie damit bis auf die Zeit vertrösten muss, bis wir diese Angelegenheit endgültig geregelt haben. Aber, wie gesagt, unser Hauptziel in der jetzigen, nicht ganz einfachen Situation ist es, dafür zu sorgen, dass es dann, wenn der Finanzrahmen endgültig klar ist, nicht zu Verzögerungen bei der Mittelvergabe kommt und dass deshalb die Anträge schon jetzt bearbeitet werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Oliver Krischer, Sie haben jetzt die Möglichkeit zur zweiten Nachfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank für Ihre Ausführungen, Frau Staatssekretär. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Staatssekretärin. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Staatssekretärin, Entschuldigung, das habe ich verschluckt. Selbstverständlich Frau Staatssekretärin, damit hier keine Missverständnisse aufkommen. Ich freue mich über Ihre Ausführungen, dass an dieser Stelle noch nicht entschieden ist, dass das Förder-programm beendet wird. Deshalb noch einmal die Bitte, das nach außen klar zu kommunizieren. Sie müssen nicht mich, sondern eine Vielzahl von Antragstellern, die ein Problem haben, vertrösten. Bei ihnen herrscht eine Riesenunklarheit. Ich bitte Sie, zu versuchen, meine Frage an Sie im Rahmen Ihrer Erkenntnisse positiv zu beantworten: Wie beurteilen Sie denn die Chancen, dass dieses Programm im bisherigen Umfang weitergeführt werden kann? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Es tut mir leid, Herr Krischer, ich kann Ihnen dazu keine genaue Aussage machen. Ich möchte mich hier nicht auf Aussagen festlegen, die hinterher nicht haltbar sind. Ich bitte dafür um Verständnis. Ich kann Ihnen nur sagen, dass von BMU-Seite alles getan wird, dass dieses Programm entsprechend weiterlaufen kann und dass wir deshalb die Anträge weiter bearbeiten, wie ich eben ausgeführt habe, sodass man dann, wenn die Mittel da sind, zügig weiterarbeiten kann. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Eine Nachfrage der Kollegin Bärbel Höhn. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, Sie haben eben zu Recht gesagt: Das ist eine unsichere Situation, die auch bei den Antragstellern - das haben wir eben von Oliver Krischer sehr deutlich gehört - zu Verunsicherung führt. Ist im BMU schon einmal durchgerechnet worden, wie viel weniger Anträge in diesem Jahr bearbeitet werden können, wie viel weniger aufgrund der desolaten Einnahmesituation des Klima- und Energiefonds in diese Mini-KWK am Ende investiert werden kann? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Frau Höhn, das kann ich Ihnen hier leider nicht mündlich darlegen. Das müsste ich Ihnen schriftlich nachreichen. Ich glaube aber nicht, dass wir jetzt einfach pauschal sagen können: Soundso viel weniger Geld ist jetzt im EKF enthalten, und das hat eine direkte Auswirkung auf das KWK-Programm in dieser Höhe. - Ich glaube, dass wir darüber anders sprechen müssen. Wenn Sie erlauben, werde ich Ihnen das schriftlich nachreichen. (Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, danke!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Arfst Wagner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Frage 22 des Kollegen Oliver Krischer und die Frage 23 des Kollegen Niema Movassat werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Die Frage 24 des Kollegen Niema Movassat, die Frage 25 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl, die Fragen 26 und 27 der Kollegin Sevim Dagdelen, die Frage 28 der Kollegin Katja Keul und die Frage 29 der Kollegin Heike Hänsel werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 30 und 31 der -Kollegin Ulla Jelpke und die Frage 32 des Kollegen Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 33 des Kollegen Andrej Hunko, die Fragen 34 und 35 der Kollegin Lisa Paus, die Fragen 36 und 37 der Kollegin Dr. Barbara Höll, die Fragen 38 und 39 des Kollegen Dr. Axel Troost und die Fragen 40 und 41 der Kollegin Katja Dörner werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Frage 42 der Kollegin Dr. Martina Bunge und die Fragen 43 und 44 der Kollegin Anette Kramme werden schriftlich beantwortet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind am Ende unserer Fragestunde. Die Aktuelle Stunde soll um 15.35 Uhr beginnen. So ist es auch mit den Fraktionen vereinbart, da parallel der Haushaltsausschuss tagt und die Mitglieder, die jetzt dort arbeiten, dann in der Aktuellen Stunde gefordert sind. Ich unterbreche jetzt bis 15.35 Uhr. (Unterbrechung von 15.08 bis 15.35 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in unserer Aussprache fort, indem ich den Zusatzpunkt 1 aufrufe: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Verhalten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bundesrat beim Fiskalpakt Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat das Wort der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter. Bitte schön, Herr Kollege. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Bei dieser Aktuellen Stunde geht es darum, wie ernst wir es mit unserem Versprechen meinen, ausgeglichene Haushalte in den verschiedenen Gebietskörperschaftsebenen vorzulegen. Ich will mit dem Hinweis darauf beginnen, dass wir heute im Bundeskabinett die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2014 und die Finanzplanung bis 2017 beschlossen haben. Sie zeigen: Wenn man sich anstrengt, kann man sogar historische Leistungen in der Finanzpolitik vollbringen. (Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht ja schon wieder gut los heute!) Wir haben innerhalb einer einzigen Legislaturperiode, ausgehend von weit über 80 Milliarden Euro prognostizierter Nettokreditaufnahme, einen nachhaltig strukturell ausgeglichenen Haushalt vorgelegt. Dies ist eine starke Leistung in der Finanzpolitik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bevor der Kollege Schneider hier wieder die falsche Behauptung aufstellt, das sei lediglich ein konjunktureller Effekt, will ich ihn darauf hinweisen, dass er schon einige Jahrzehnte zurückgehen muss - wahrscheinlich länger, als er auf dieser Welt ist -, um in der Finanzgeschichte der Bundesrepublik Deutschland beim Bund einen solch strukturell ausgeglichenen Haushalt zu finden. Das ist ein Solitär, meine sehr verehrten Damen und Herren, und es ist ein großartiger Erfolg des Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Der Bundesfinanzminister hat zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt, dass wir die Vorgaben der Schuldenregel im Grundgesetz, die sich auch im Fiskalpakt wiederfindet, mit einem konsequenten Konsolidierungskurs einhalten wollen. Damals haben viele daran gezweifelt, dass das machbar ist. Aber wir haben die Vorgaben nicht nur erfüllt, sondern übererfüllt. Schon im Haushaltsvollzug 2012 haben wir die Vorgabe für 2016 erfüllt - vier Jahre früher als erforderlich! Die strukturelle Null ist nur die konsequente Fortsetzung dessen, was wir in der Fiskalpolitik erreicht haben. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun, Herr Kampeter?) Ich erinnere dieses Hohe Haus daran, dass wir im Jahr 2010 bei den Debatten um die Schuldenbremse im Grundgesetz, die ihre Entsprechung auf europäischer Ebene im Fiskalpakt hat, darüber gesprochen haben, ob der Abbaupfad überhaupt leistbar ist. Der Abbaupfad, den wir damals festgelegt haben, interessiert keinen mehr, weil wir deutlich darunter liegen. Wir haben unser Ziel der Haushaltskonsolidierung mit Disziplin verfolgt; wir haben es früher erreicht, als es möglich erschien und rechtlich notwendig war, und haben viele Pessimisten Lügen gestraft. Wir machen eine ehrliche, solide Finanzpolitik. Wir machen sie, orientiert am Ziel des Haushaltsausgleichs, an den nachfolgenden Generationen und an unseren europäischen Partnern, um ein Vorbild zu sein. Diese Haushaltspolitik wird beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende dieser Woche sicherlich Beachtung finden. Was sich die Menschen in Deutschland in der Finanzpolitik am meisten wünschen, ist ein Ende der staatlichen Verschuldungspolitik. Der Staat soll sich so verhalten, wie sich auch jede Privatperson und jeder Unternehmer langfristig verhalten muss: nur so viel ausgeben, wie man einnimmt. Das haben wir geschafft, und zwar ohne Erhöhung der großen Steuern, wie sie von der linken Seite dieses Hauses stets und ständig eingefordert wird. Haushaltspolitik ist Ausgabendiät. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben damit auch belegt, dass Konsolidierung und Wachstum kein Widerspruch sein muss; das diskutieren wir derzeit ja mit unseren europäischen Partnern. Konsolidierung ist Wachstumsförderung. Nur dann, wenn die Menschen in den Ländern Vertrauen haben, auch in die öffentlichen Finanzen, fördern wir private Investitionen. Die Erfolgsgeschichte, wie wir sie beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt haben, ist auch darauf zurückzuführen, dass wir konsequent konsolidiert haben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist allerdings nicht überall in Deutschland und nicht überall in Europa so. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Leider!) Während wir in dieser Woche im Bundeskabinett eine strukturelle Null für den Bundeshaushalt beschlossen haben, hat das Landesverfassungsgericht in Nordrhein-Westfalen die dortige rot-grüne Landesregierung zum dritten Mal innerhalb von zweieinhalb Jahren dadurch abgewatscht, dass es einen Landeshaushalt von Rot-Grün für verfassungswidrig erklärt hat. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Otto Fricke [FDP]: Pfui! - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Das kann Sie über die katastrophale Wahlniederlage nicht hinwegtrösten!) Wir orientieren uns am Grundsatz von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. In Nordrhein-Westfalen scheint Verfassungsbruch neuerdings zum Kerninstrument der Haushaltspolitik zu gehören. Das geht nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Da spricht der Schattenfinanzminister von Nordrhein-Westfalen!) In Niedersachsen, wo Grüne und Rote regieren, zeigt ein Blick in die Koalitionsvereinbarung, wie sie es mit der Konsolidierung halten. Das von David McAllister vorgegebene Ziel, auch in Niedersachsen 2017 einen Haushaltsausgleich zu schaffen, wird erst einmal in die nächste Legislaturperiode vertagt, (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Hört! Hört! - Otto Fricke [FDP]: Pfui!) damit man in dieser Legislaturperiode mit den Wählerinnen und Wählern keinen Ärger hat, Wahlgeschenke verteilen und hemmungslos Schulden zulasten der nachfolgenden Generationen machen kann. Das ist offenbar rot-grüne Finanzpolitik in Niedersachsen. Das geht so aber nicht. Es verstößt gegen das Grundgesetz, gegen den Geist des Fiskalpaktes. Das ist nicht unser Anliegen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: So spricht der nächste schlechte Wahlverlierer! Wieder ein schlechter Wahlverlierer!) Und wenn Sie, Herr Ministerpräsident Kretschmann, heute hier sind: Auch die Haushaltspolitik in Baden-Württemberg reiht sich hier ein. Dafür, dass Sie jetzt allerdings den Buckel für einen Verfassungsbruch in Nordrhein-Westfalen hinhalten müssen, tun Sie mir schon fast ein wenig leid. Mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses durch die rot-rot-grüne Verfahrensmehrheit im Bundesrat am 1. März 2013 versuchen Sie, die Pflichten, die Ihnen das Grundgesetz eh aufgibt, sich ein Stück weit vom Bund entgelten zu lassen. Sie fordern mehr Geld, weniger Verantwortung und weniger Achtung. Es kann auf Dauer nicht gut gehen, wenn ein Teil in diesem Land für Konsolidierung zuständig ist und ein anderer Teil für weniger Verantwortung, für weniger konsequentes Konsolidieren. Wir müssen wieder zusammenkommen. Deswegen fordere ich die Bundesländer auf, beim Fiskalpakt keine parteitaktischen Blockadespielchen zu machen, sondern auf die Sachebene zurückzukommen. Deutschland ist ein finanziell stabiles Land. Die Länder können das, der Bund kann das. Gemeinsam sollten wir dieses Signal nach außen setzen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr gut!) Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Behauptung der Länder nicht zutreffend ist, es gebe eine neue Verpflichtung. Nicht nur dass das Grundgesetz selbstverständlich auch die Länderhaushalte schon seit längerem bindet: Auch der präventive Arm des Stabilitäts- und Wachstumspakts verpflichtet zur Begrenzung des strukturellen gesamtstaatlichen Defizites schon seit dem Jahre 2005. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir stehen für stabile Finanzen in Deutschland. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aus welchem Wolkenkuckucksheim haben Sie den Satz herausgeholt? - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Für den Griff in die Sozialkassen stehen Sie!) Wir stehen dafür, dass wir auch von anderen in Europa verlangen, ihre Finanzen stabil zu halten. Es wirft ein recht seltsames Licht auf den Föderalismus, wenn ein Teil des Bundesrates hier ausbüxen will. Wer Regierungsverantwortung hat, muss sie wahrnehmen. Wer das Grundgesetz achtet, muss Haushalte konsolidieren. Das gilt für Bund und Länder, und das gilt für alle Länder, unabhängig von den parlamentarischen Mehrheiten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Damit es klar ist: Der Bund wird auch unabhängig von solchen taktischen Spielereien die finanzielle Entlastung der Länder und die in dieser Beziehung gegebenen Zusagen einhalten. Ich erwähne es einmal kurz und kursorisch: Allein in dieser Legislaturperiode haben wir Einnahmeverschiebungen zulasten des Bundes und zugunsten der Länder und Gemeinden durchgeführt, bei denen es um einen deutlich zweistelligen Milliardenbetrag geht. Ob es das Steuervereinfachungsgesetz oder die Übernahme der Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sind - ein wichtiges Thema gerade für die Kommunen, da es für die wohl nachhaltigste Entlastung der kommunalen Haushalte sorgt -, ob es der Ausgleich der Kosten der Umsetzung des Bildungspaketes oder die Festschreibung der Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft sind, ob es im Bereich der Bildung die Exzellenzinitiative, der Hochschulpakt oder der Qualitätspakt Lehre sind, ob es im Bereich der Familie der Ausbau der Kinderbetreuung, das Bundeskinderschutzgesetz oder die Kindergelderhöhungen sind, ob es - dieses Thema wurde von den Ländern als wichtig erachtet - die Übernahme der Verwaltungskosten beim Zensus 2011 ist: Das sind jährliche Überweisungen zugunsten von Ländern und Gemeinden - die bei uns zu Buche schlagen - von knapp 10 Milliarden Euro in der vollen Ausbaustufe. Das bekommen Länder und Gemeinden mehr, als zu Beginn der Legislaturperiode in ihren Planungen vorgesehen war. Das macht deutlich: Der Bund leistet dort, wo es möglich und nötig ist, solidarische Hilfe für Länder und Gemeinden. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Mehr als das!) Er kann aber zugleich seinen Haushalt konsolidieren. Wir sollten jetzt nicht versuchen, diese Konsolidierungserfolge im Vermittlungsausschuss politisch zu instrumentalisieren. Das Grundgesetz gilt, der Fiskalpakt gilt; die Länder sind aufgefordert, aktiv mitzuwirken, insbesondere die rot-rot-grünen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. - Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Carsten Schneider. Bitte schön, Kollege Carsten Schneider. (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man spürt geradezu den Phantomschmerz des Herrn Staatssekretärs, (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) der daher rührt, dass die Wähler in Nordrhein-Westfalen eine Entscheidung getroffen haben, die verhindert hat, dass er, der Schattenfinanzminister, und der damalige Umweltminister, Herr Röttgen, an die Regierung kommen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: So ist es!) Ich glaube, die Wähler in Nordrhein-Westfalen haben weise entschieden. (Otto Fricke [FDP]: Die Weisheit siegt am Ende, nicht am Anfang!) Es hilft auch nichts, diesen Phantomschmerz immer wieder hier im Deutschen Bundestag zu kühlen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schlechter Verlierer! - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Es geht um die Zahlen! Es geht um Haushalte! Zahlen lügen nicht!) Herr Kampeter, Sie haben jetzt hier über die Schuldenbremse gesprochen, aber auch über den Bundeshaushalt für 2014, den der Finanzminister heute im Kabinett vorgestellt hat (Otto Fricke [FDP]: Sagen Sie doch etwas zum Verfassungsbruch!) und den die nächste Bundesregierung und der nächste Deutsche Bundestag zu verantworten haben. Allerdings haben Sie dabei vergessen, zu sagen, wie es denn eigentlich im Jahre 2013 aussieht: Wir haben in Deutschland die höchsten Steuereinnahmen, die es jemals gab. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die kriegen auch die Länder! - Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Deshalb wollen Sie auch Steuererhöhungen!) Wir haben aufgrund der extrem guten Konjunktur die niedrigsten Sozialausgaben. (Otto Fricke [FDP]: Ja! Dank uns!) Gegenüber der Planung für 2013 sparen Sie allein bei den Zinsausgaben 10 Milliarden Euro. (Otto Fricke [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!) Trotz dieser extrem guten Zahlen machen Sie in diesem Jahr 17 Milliarden Euro neue Schulden. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Unglaublich!) Das, meine Damen und Herren, ist kein Ruhmesblatt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Schuldenmacherei! - Otto Fricke [FDP]: Sag mal, was baust du eigentlich für Phantome auf?) Sie schaffen es nicht einmal im Wahlkampfhaushalt für 2014, den Sie nicht mehr beschließen werden: Selbst darin sind noch über 6 Milliarden Euro neue Schulden vorgesehen - keine Tilgung. Wir haben uns hier im Deutschen Bundestag verpflichtet, die Mittel für die Konjunkturprogramme, die wir 2009 und 2010 aufgelegt haben, um die Konjunktur nach vorn zu bringen - das hat zum Glück funktioniert -, in guten Zeiten zurückzuzahlen. Keinen einzigen Cent tilgen Sie; vier Jahre danach haben Sie keinen einzigen Cent getilgt. Im Gegenteil: Sie machen noch neue Schulden. (Zuruf von der SPD: Hört! Hört! - Otto Fricke [FDP]: Du bist jetzt wohl bei Baden-Württemberg und nicht beim Bund!) Darauf wäre ich nicht stolz. An Ihrer Stelle hätte ich mir einmal die Subventionen angeschaut. (Otto Fricke [FDP]: Das sagen die Steinkohlesubventionäre!) Eigentlich hat man gedacht, dass Sie von den Liberalen da herangehen wollen. Herr Kampeter, Sie haben gerade gesagt, wie Sie den Ländern immer geholfen haben. Das Erste, das Sie in dieser Legislatur umgesetzt haben, als Sie noch die Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat hatten, war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. (Otto Fricke [FDP]: Hat geklappt! Das Wachstum hat sich beschleunigt!) Was steckte dahinter? Die Subventionierung der Hote-liers und sonstiger Industriebereiche. (Otto Fricke [FDP]: Die Erhöhung des Kindergelds!) Dafür haben Sie 1 Milliarde Euro jedes Jahr ausgegeben, Geld, das Sie den Ländern entzogen haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, zum Glück haben wir dem dank der neuen Bundesratsmehrheit etwas entgegengesetzt; das geht nicht mehr. (Otto Fricke [FDP]: Rede doch mal zum Fiskalpakt! - Gegenruf der Abg. Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Kampeter hat auch nicht zum Thema der Aktuellen Stunde geredet! Immer außen drum herum!) Der nächste Punkt: der Bundesbankgewinn. Der Bundesbankpräsident, Herr Weidmann, hat gestern eine sehr zurückhaltende Bewertung der Risiken aus der Euro-Krise im laufenden Jahr abgegeben. Ich sage: Es ist in Ordnung, dort für Rückstellungen zu sorgen; denn die wirkliche Lösung der Euro-Krise wird derzeit nicht im Deutschen Bundestag, sondern bei der Europäischen Zentralbank gemacht. Weil Sie nicht den Mut haben, den Leuten reinen Wein einzuschenken, springt die EZB ein und nimmt gemeinschaftliche Risiken in ihr Portfolio. Dafür trägt die Bundesbank jetzt Vorsorge. (Otto Fricke [FDP]: Wieso denn "jetzt"?) Man fragt sich aber: Was macht eigentlich der Bundesfinanzminister als ehrbarer Kaufmann? Wir haben auch Kredite direkt ausgereicht: an Griechenland, Irland und Spanien. Wie viel Vorsorge ist dafür eigentlich getroffen worden? Kein einziger Cent! (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wir haben Bürgschaften übernommen, keine Kredite ausgereicht! Das stimmt nicht!) Die Probleme werden in die nächste Legislaturperiode mitgenommen. Wir Sozialdemokraten sagen: Wir brauchen eine klare, solide Finanzpolitik. Deswegen haben wir - im Gegensatz zur FDP - die Aufnahme der Schuldenbremse in die Verfassung beschlossen. (Otto Fricke [FDP]: Ach!) Wir hätten es gut gefunden, wenn sie auch im europäischen Recht verankert wäre und nicht nur auf zwischenstaatlicher Ebene. (Otto Fricke [FDP]: Sag doch mal was zum Fiskalpakt!) Wir hätten vor allen Dingen auch gut gefunden, wenn Sie diejenigen im Bankensektor, die enorm von unserer Rettungspolitik profitiert haben, in die Verantwortung genommen hätten, nämlich diejenigen, die hohe Vermögen haben. Seit der Finanzkrise wurden über 300 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen, (Otto Fricke [FDP]: Versuchs doch mal mit Fiskalpakt!) davon entfallen 100 Milliarden Euro auf Ihre Regierungszeit in dieser Legislaturperiode. Davon haben Sie keinen Cent zurückgezahlt. (Otto Fricke [FDP]: Zur Sache, Carsten!) Wir wollen, dass diejenigen, die von der Rettung profitiert haben, einen Teil der Lasten tragen. Das ist gerecht, aber wenn Sie das als Steuererhöhung bezeichnen, Herr Staatssekretär: (Norbert Barthle [CDU/CSU]: In welchem SPD-regierten Land werden die zurückgezahlt?) Wissen Sie: In meinem Wahlkreis in Erfurt-Weimar sind über 95 Prozent der Menschen nicht betroffen. Die 5 Prozent, die über große Vermögen und hohe Einkommen verfügen, können einen Teil der Lasten tragen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ein Lehrer hätte gesagt: Thema verfehlt! Sechs!) Wir als Sozialdemokraten haben ein ausgewogenes Konzept: auf der einen Seite Subventionsabbau, auf der anderen Seite Konzentration darauf, dass die stärkeren Schultern sich an den Kosten der Rettung beteiligen, von der vor allem sie profitiert haben. Meine Damen und Herren, ich würde sagen: Das war ein Rohrkrepierer. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Carsten Schneider. - Nächster Redner für die Fraktion der FDP: unser Kollege Dr. Florian Toncar. Bitte schön, Kollege Dr. Toncar. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Florian Toncar (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derzeit erleben wir in Deutschland und in Europa eine Zeitenwende. Das überkommene Politik-modell, dass der Staat mehr ausgibt, als er sich leisten kann, stößt erkennbar an seine Grenzen. (Stephan Thomae [FDP]: Nicht bei der SPD!) Die meisten Industrieländer sind heute an einem Punkt angelangt, an dem weitere Schulden Wohlstand und Zukunftschancen kosten. Bei unseren Nachbarn in Südeuropa führt das Maß an Verschuldung mittlerweile zu einer Zerreißprobe für ganze Gesellschaften. Das ist der Befund. Das ist der Hintergrund, vor dem wir diese Debatte führen. (Norbert Barthle [CDU/CSU], an die SPD gewandt: Den Knall habt ihr nicht gehört!) Deutschland hat bereits 2010 eine Antwort auf diesen Befund gegeben. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Wir haben in Deutschland eine Haushaltssanierung vorgenommen, die beispiellos ist: von einer Rekordverschuldung, wie sie die Vorgängerregierung vorgeschlagen hat, zu einem Haushaltsentwurf 2014, der strukturell ausgeglichen ist und der die niedrigste Neuverschuldung seit Jahrzehnten vorsieht. Das ist das, was Deutschland auf Bundesebene in den letzten vier Jahren geleistet hat. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) In der Finanzplanung, die Ihnen vorgelegt wird, ist vorgesehen, dass 2015 und auch 2016 die alten Schulden des Bundes zunehmend getilgt werden. Wir im Bund sorgen für eine Schuldentilgung. Davon können einige Länder - Herr Kretschmann ist anwesend - wahrscheinlich nur träumen, wenn sie nichts ändern. Das Wort "Tilgung" kommt da in den Regierungserklärungen jedenfalls nicht vor; hier, auf Bundesebene, wird es ab 2015 gemacht. Das ist ein Unterschied, auf den man hinweisen muss. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) 2010 wurde die Bundesrepublik Deutschland für ihren eingeschlagenen Kurs zum Teil noch kritisiert. Aber die Euro-Krise brachte die Erkenntnis - und zwar nach und nach in ganz Europa -, dass es so nicht weitergehen kann. Eine der Konsequenzen, die Europa gezogen hat, war der Fiskalpakt, über den wir heute diskutieren. Der Fiskalpakt sieht vor, dass ein Land in der Euro-Zone zukünftig nicht mehr als 3 Prozent neue Schulden machen darf, sondern nur noch 0,5 Prozent, also wesentlich weniger. Der Fiskalpakt sieht ferner vor, dass die Euro-Länder und auch einige weitere ihre Verschuldung Schritt für Schritt auf 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts abbauen müssen. Zu diesen Verpflichtungen hat sich Europa bekannt, darunter Länder, die sich in einer weitaus schwierigeren Ausgangslage befinden als Deutschland. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Das war ein Erfolg dieser Bundesregierung, und das war auch die richtige Lösung, die wir hier für die durch die Euro-Krise verursachten Probleme gefunden haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Bundesrat, der diesem Fiskalpakt zustimmen muss, hat schon letztes Jahr mit einem Veto gedroht. In einer ganz kritischen Phase der Euro-Stabilisierung, als sich Menschen auf der Welt gefragt haben: "Gibt es den Euro bald überhaupt noch, oder zerfleddert die Euro-Zone, weil sich einige Staaten nicht darin halten können?", als wir eine politische Antwort geben mussten: "Wir schaffen es in Europa", hat der Bundesrat in Deutschland bei einer der wichtigsten Maßnahmen mit einem Veto gedroht. Das war schäbig, das war schädlich, und das dürfen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Unverantwortlich! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Unredlich war das! - Zuruf von der FDP: Pfui!) Heute liegt ein Gesetzentwurf zur innerstaatlichen Umsetzung dieses Fiskalvertrags vor, und die Opposition - das ist im Grunde kein Wunder - blockiert im Bundesrat erneut. Sie ruft den Vermittlungsausschuss an. Die Opposition aus Rot und Grün - das darf man noch einmal sagen -, (Otto Fricke [FDP]: Das muss man sagen!) die 2004 den Europäischen Stabilitätspakt überhaupt erst gebogen und gebrochen hat, (Otto Fricke [FDP]: Genau so ist es! - Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das hat euch doch den Hintern gerettet!) die daher Mitverantwortung dafür trägt, dass es in Europa zu dieser Schuldenkrise kommen konnte, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) stört heute beim Aufräumen. Das ist unredlich. Das, was Sie hier machen, ist nicht verantwortungsvoll. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Warum macht die Opposition das? Die Antwort ist einfach: weil sie weiter Schulden machen will, weil sie nicht mit Geld umgehen kann. In den Bundesländern, in denen Sie regieren, kann man sich das anschauen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Klar! Deshalb gewinnen wir auch jede Landtagswahl! Super!) In Baden-Württemberg beispielsweise steigen die Einnahmen, aber die Ausgaben steigen noch viel stärker. Die Ausgaben steigen in Baden-Württemberg um 15 Prozent in nur zweieinhalb Jahren. Das muss man überhaupt erst mal hinkriegen, so viel Geld auszugeben. Sie können einfach nicht mit Geld umgehen. Das ist der Grund, warum Sie diesen Vertrag blockieren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) In Nordrhein-Westfalen haben Sie gestern zum dritten Mal das Zeugnis bekommen: Haushalt verfassungswidrig und nichtig. Sie beschädigen damit nicht nur die Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen. Wenn dreimal hintereinander so etwas passiert, dann beschädigen Sie damit meines Erachtens allmählich auch das Rechtsbewusstsein. Auch das ist ein Schaden, der ganz erheblich ist. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ein Kraft-Schaden!) Sie wollen sich an Regeln nicht halten. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen touren durch Europa. Herr Steinbrück ist in fast allen Ländern gewesen. Fast überall hat er gesagt: Also, wenn wir drankommen, dann müsst ihr weniger sparen, dann lockern wir die Auflagen, dann wird das mit den Reformen nicht mehr so ernst genommen. Zuletzt hat er in Frankreich gesagt: Ob die Neuverschuldung 3 Prozent oder ein bisschen mehr beträgt, das ist alles nicht so tragisch. Sie stehen also nicht nur für Schulden in Deutschland, in den Bundesländern, sondern Sie stehen auch für eine Politik des lockeren Geldes in Europa. Könnten Sie das umsetzen, würden Sie die Krise verschlimmern. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Stephan Thomae [FDP]: Unverantwortlich!) Ihr Vorbild François Hollande ist Argument genug, warum das, was Sie in Deutschland und in Europa vorhaben, der falsche Weg ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Sehr wahr!) Was erreichen Sie mit der Blockade dieses wichtigen Gesetzentwurfs? Die Bundesregierung wird in Europa gefragt: Ihr habt den Fiskalpakt ausgehandelt, ihr wolltet ihn, warum kommt er jetzt eigentlich nicht? - Was Sie tun, ist, dass Sie die deutsche Position bewusst und absichtsvoll untergraben. Damit schaden Sie unserem Land. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Geht es nicht eine Nummer kleiner? - Otto Fricke [FDP]: Unverantwortlich!) Dafür gibt es kein Argument. Ich fordere Sie und insbesondere den Bundesrat auf, von dieser schädlichen Politik des leichten Geldes Abstand zu nehmen und das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit Deutschlands in Europa und das Vertrauen in die Euro-Zone wiederherzustellen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Toncar. - Nächster Redner für die Fraktion Die Linke: unser Kollege Dr. Dietmar Bartsch. Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gelesen, dass es hier um das Verhalten von SPD und Grünen im Bundesrat gehen soll. Jetzt habe ich aber verstanden, dass es um den Haushaltsentwurf geht, den Herr Schäuble heute im Kabinett vorgestellt hat. (Otto Fricke [FDP]: Nein! Das hat Herr Schneider gemeint! Damit kommst du nicht aus dem Schneider!) Ich will nur einige wenige Argumente nennen: Sie schildern hier eine Erfolgsgeschichte, Herr Kampeter. Fakt ist: Diese Koalition hat in dieser Legislatur circa 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das kann doch keine Erfolgsbilanz sein. Sie brüsten sich hier mit solchen Begriffen, obwohl das Gegenteil der Fall ist. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schauen wir uns einmal an, was Sie in diesem Jahr alles machen, obwohl Sie neue Schulden machen: Sie plündern die Sozialkassen, Sie fahren die Investitionen zurück, und Sie blenden sämtliche Risiken aus. Das ist Ihr Haushalt, den Sie vorlegen. Ich kann überhaupt nicht nachvollziehen, warum Sie darauf so stolz sind und sagen: Das ist alles wunderbar. Eines ist entscheidend: Sie kommen hier mit einer schwarzen Null an. Ich erinnere mich: Es gab schon einmal einen Finanzminister, der vor der Wahl von einer schwarzen Null gesprochen hat. Was daraus geworden ist, wissen wir. Sie machen das doch nur, weil Sie genau wissen: Diese Koalition wird nach der Wahl im September nicht weiterregieren. (Otto Fricke [FDP]: Hochmut kommt vor dem Fall!) Dann kann man darauf verweisen, dass man einen so hervorragenden Haushalt vorgelegt hat. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich auf das zu sprechen kommen, worum es hier eigentlich geht. In dieser Aktuellen Stunde geht es um SPD und Grüne. Als Linker bin ich da vollkommen neutral. (Otto Fricke [FDP]: Ihr habt doch mit-gemacht!) Wollen wir einmal die Frage stellen: Warum ist das im Bundesrat gescheitert? Das ist erst einmal eine reine Sachfrage. (Otto Fricke [FDP]: Weil ihr mitgemacht habt!) - Selbstverständlich hat die rot-rote Regierung in Brandenburg mitgemacht. (Otto Fricke [FDP]: Eben!) Für das Scheitern sind aber nicht die Bundesländer verantwortlich, sondern allein der Bund. (Otto Fricke [FDP]: Ach ja!) Es gab, wie Sie alle wissen, ein entsprechendes Eckpunktepapier aus dem Jahr 2012. Da ist etwas vereinbart worden. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Genau!) Die Bundesregierung hat sich daran aber nicht gehalten. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Im Gegenteil! Die Länder halten sich nicht daran!) Es gab eine Bringschuld. Wenn sich ein Partner nicht daran hält, dann wird der Vertrag selbstverständlich nicht geschlossen. Sie haben die Verantwortung. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist eine Dreistigkeit sondergleichen!) Die Bundesregierung ist nicht verlässlich. Sie trägt die Verantwortung dafür, dass diese Entscheidung im Bundesrat nicht zustande gekommen ist. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Nachlesen macht schlau!) Ich will noch einmal darauf hinweisen: Die Zustimmung zum Fiskalpakt haben Sie sich damals auf diese Art und Weise bei den Ländern erkauft. Wenn dem so ist, dann müssen Sie die Vereinbarungen doch auch einhalten. Es ist eher unverständlich, dass Länder wie Sachsen zustimmen. Das ist falsch. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Lassen Sie mich die Gelegenheit nutzen, noch über eines zu reden. Dass wir als Linke den Fiskalpakt abgelehnt haben, wissen Sie. Das ist auch richtig so. Dass wir logischerweise die innerstaatliche Umsetzung ebenfalls ablehnen, ist auch klar. Aber es ist notwendig, dass wir uns gemeinsam, und zwar nicht so sehr parteipolitisch, einmal Gedanken darüber machen, wie wir die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Kommunen regeln. Wir brauchen eine Föderalismusreform III. Jetzt ist nicht die Zeit dafür; aber wir sollten nach der Bundestagswahl darüber nachdenken, hier wirklich etwas zu tun, damit auch die Kommunen wieder Geld haben. Die Kommunen haben immer weniger Geld. Sie können nicht einmal mehr ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Da muss investiert werden. Das wäre notwendig. (Beifall bei der LINKEN) Das ist eine Aufgabe für uns alle hier im Haus, und zwar ohne Parteipolitik; denn Mehrheiten ändern sich. Man sieht es ja an Nordrhein-Westfalen: Immer wenn man nicht mehr regiert, schimpft man auf die Regierung davor. - Das kennen wir alle. Wo wir regiert haben, gab es immer eine ordentliche Finanzpolitik, so wie jetzt auch in Brandenburg. (Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) - Danke für den Beifall. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Der war gut! Da lachen die eigenen Leute!) - Nein, das ist einfach wahr. Das können Sie doch nachvollziehen. Es gibt einen ausgeglichenen Haushalt in Brandenburg. Schauen Sie sich einmal das Bundesland an, in dem Sie regiert haben. Dort ist das nicht der Fall. Lassen Sie mich noch einen Punkt zur Sache sagen. Es geht um die sogenannten Entflechtungsmittel. Der Bund hat versprochen, hier Planungssicherheit herzustellen. Das war Teil des Versprechens an die Länder. Real ist es so, dass diese Zusage aufgehoben wird. Was sind denn Entflechtungsmittel? Im Kern geht es da nur um investive Mittel. Schaut man sich den Bundeshaushalt an - er wurde im Übrigen heute vorgestellt -, sieht man, dass die Investitionen wirklich sehr bescheiden sind. Dies ist nach unserer Auffassung viel zu wenig. Bei den Entflechtungsmitteln geht es aber um die Zukunft. Es geht um Mittel für den Hochschulbau und für die Wohnraumförderung. Die Länder und die betroffenen Kommunen brauchen dafür Planungssicherheit. Deswegen ist das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, im Bundesrat völlig zu Recht gescheitert. Ähnlich ist es mit den Bund-Länder-Anleihen. Was ist denn daran verwerflich, wenn die Länder von der guten Bonität des Bundes profitieren? Das ist doch sehr sinnvoll. Es kann doch niemand dagegen sein. (Otto Fricke [FDP]: Weil einer profitiert, muss ein anderer zahlen!) Das verfassungsrechtlich korrekt zu klären, und zwar so, dass die Länder davon profitieren, ist doch einfach nur richtig. Warum macht die Bundesregierung das nicht? (Otto Fricke [FDP]: Weil ein anderer zahlt!) Die Bundesregierung ist dafür verantwortlich, dass die Umsetzung des Fiskalvertrags im Bundesrat gescheitert ist, weil sie nicht zuverlässig ist. In diesem Sinne richtet sich die Aktuelle Stunde im Kern nur gegen die Bundesregierung. Man kann sich bei der schwarz-gelben Koalition für die Beantragung dieser Aktuellen Stunde bedanken. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Bartsch. - Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist aus dem Bundesrat -Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Bitte schön, Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident (Baden-Württemberg): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundestag! Der Bundesfinanzminister und Abgeordnete der Koalitionsparteien haben am Wochenende schwere Vorwürfe gegen den Bundesrat erhoben. Von Verantwortungslosigkeit war die Rede, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist das!) von Schaden für die Interessen und das öffentliche Ansehen der Bundesrepublik im Ausland. Mit dieser Aktuellen Stunde soll das fortgeführt werden. Auch der Staatssekretär hat von Blockadepolitik gesprochen. Meine Damen und Herren, diese Vorwürfe sind haltlos. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Amnesie! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Leider nicht!) Sie zeugen von einem falschen Verständnis der Verfassungsorgane und deren Funktionen, wie sie im Grundgesetz vorgesehen sind. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das kann man in Nordrhein-Westfalen besichtigen! Wenn irgendwo die Verfassung gebrochen wird, dann von Rot-Grün! - Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Strobl, Sie laufen schon rot an!) Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: So können Verfassungsorgane nicht miteinander umgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Die Länder haben im Bundesrat ihre Verantwortung für Europa und die Bundesrepublik Deutschland sehr deutlich gemacht. Sie haben am 29. Juni 2012 den Fiskalpakt fast einstimmig ratifiziert. Nachdem die Bundesregierung erst gezwungen werden musste, die Länder und auch den Bundestag entsprechend der Verfassung zu beteiligen, gab es eine Vereinbarung, die eine Reihe von Maßnahmen für Länder und Kommunen enthält und auch enthalten muss, weil der Fiskalpakt auch für die Länder und vor allem für die Kommunen neue Belastungen mit sich gebracht hat. Das war für beide Seiten ein schwieriger, aber auch ein notwendiger Schritt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Es gab ganz klare Vereinbarungen!) Ich zitiere meinen Kollegen Bouffier aus der Debatte des Bundesrates: Wir sind nicht nur der Treuhänder der Kommunen. Auf Dauer wird es ohne starke Kommunen weder starke Länder noch einen starken Gesamtstaat geben. So verstanden haben wir nicht nur im Interesse der Kommunen, sondern im Interesse aller gehandelt. Insofern hat der Bund durch sein Entgegenkommen - wenn auch nicht aus Altruismus, so doch im Interesse des Ganzen -, wie ich finde, richtig gehandelt. Allerdings hat der Bund seine Zusagen nicht eingehalten. (Lachen bei der CDU/CSU - Zuruf von der SPD: So ist es!) Wir, Bund und Länder, haben damals gemeinsam vereinbart, dass wir bis zum Herbst 2012 eine Einigung über die Fortzahlung der Entflechtungsmittel bis 2019 treffen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Otto Fricke [FDP]: Darum geht es! Es geht um Entflechtung!) dass wir gemeinsam Bund-Länder-Anleihen auf den Weg bringen, dass die Länder von allen Haftungen freigestellt werden, die aus der Geltung des Fiskalpaktes erwachsen können, und dass wir festlegen, wie eventuelle Sanktionszahlungen aufgeteilt werden, die aus Verstößen gegen die Vereinbarungen des Fiskalpaktes resultieren. - Das war vereinbart. Die Länder sind in Vorleistung gegangen und haben am 29. Juni 2012 den Fiskalpakt mit 15 Stimmen ratifiziert. Wir haben also unseren Teil zur Stabilisierung Europas beigetragen. Der Bundesrat ist seiner Verantwortung gerecht geworden. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wieso blockiert ihr das denn jetzt?) Lassen Sie mich noch einen Aspekt hervorheben, der uns Ländern sehr wichtig ist. Wir haben in einem Entschluss des Bundesrates frühzeitig gefordert, dass wir die Bestimmungen zur Zusammenarbeit der Länder in EU-Angelegenheiten den neuen Erfordernissen nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil anpassen. So geschieht es derzeit auch beim Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union. Gestatten Sie mir den Hinweis und den Appell an dieses Hohe Haus, bei der anstehenden Beratung Ihres Zusammenarbeitsgesetzes auch den Gesetzentwurf der Länder zu berücksichtigen, damit beide Gesetze möglichst in einem Beratungsgang verabschiedet werden können. Es war uns damals klar, dass wir den Fiskalpakt nicht ausgerechnet in Deutschland scheitern lassen wollten oder konnten. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Konnten!) Wir brauchten ein starkes Signal aus Deutschland für die verunsicherten Finanzmärkte und die Euro-Partner; aber jetzt muss der Bund seine Verantwortung wahrnehmen und zu seinem Wort stehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Bei der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags erwarte ich, dass er seine Zusagen einhält. Dies ist ein Zeichen von Verlässlichkeit. Genau diese Verlässlichkeit lässt die Bundesregierung vermissen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD) Es wäre jetzt Ihre Aufgabe gewesen, für die Umsetzung der Vereinbarungen zu sorgen. Sie haben uns im Dezember 2012 ein Gesetz zur Umsetzung des Fiskalpaktes vorgelegt, das all die getroffenen Vereinbarungen nicht oder nicht wie vereinbart enthielt. Dem hat der Bundesrat nicht zugestimmt. Statt aber nun selbst den Vermittlungsausschuss anzurufen, um die inhaltlichen Fragen sachlich zu klären, legen Sie dasselbe Gesetz - jedenfalls in Bezug auf die wesentlichen noch zu klärenden Passagen - noch einmal vor. Darin waren nicht enthalten eine Vereinbarung zu der Fortzahlung der Entflechtungsmittel bis 2019, eine vereinbarte Aufteilung der Sanktionszahlungen und eine Haftungsfreistellung der Länder von Risiken aus dem Fiskalpakt. (Otto Fricke [FDP]: Immer nur mehr Geld wollen Sie!) Das ist mit der Bundesregierung vereinbart worden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Nun aber denunzieren Sie den Bundesrat als Blockierer, weil er das im Grundgesetz zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten vorgesehene Verfahren, nämlich die Anrufung des Vermittlungsausschusses, gewählt hat. Der Vermittlungsausschuss hat die Funktion, Streitfragen zu lösen. Darum heißt er so. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ja ganz was Neues!) Die Anrufung des Vermittlungsausschusses als Blockierung zu denunzieren, das geht einfach nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das ist ja wie in der Schulstunde hier!) Die Anrufung des Vermittlungsausschusses soll eine Blockade gerade verhindern. Das ist der Sinn des Verfahrens, das unser Grundgesetz, unsere Verfassung, vorsieht. Wir können nicht so miteinander umgehen, dass ein Verfassungsorgan, wenn es das im Grundgesetz vorgesehene Verfahren einleitet, um Blockaden zu verhindern, als Blockierer hingestellt wird. Meine Damen und Herren, das geht einfach nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie entwerfen wirklich ein Zerrbild des Bundesrates. Herr Abgeordneter Toncar, ich darf darauf hinweisen: Es gibt im Bundesrat keine Opposition und keine Fraktionen. Dort sind nur Länder vertreten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Oh! Jetzt geht die Schulstunde weiter!) Sie entwerfen aus Wahlkampfgründen - oder aus welchen Gründen auch immer - ein Zerrbild, das das Ansehen des Bundesrates beschädigt. So können wir nicht miteinander umgehen. Es ist unsere Aufgabe, die Probleme dieses Landes gemeinsam zu lösen; (Steffen Bilger [CDU/CSU]: Dann fangen Sie mal an damit!) dazu sind die Gesetzgebungsorgane und der Vermittlungsausschuss da. Ich fordere die Bundesregierung und Sie alle auf, zu einer konstruktiven Zusammenarbeit zurückzukehren. Herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ich glaube, die Rede haben Sie bei Lafontaine abgeschrieben! - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Diese Rede war die hohen Reisekosten nicht wert!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Kretschmann. - Wir fahren fort. Nächster Redner für die Fraktion von CDU und CSU ist unser Kollege Thomas Strobl. Bitte schön, Kollege Thomas Strobl. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Er spricht für die Wahlverlierer! - Uwe Beckmeyer [SPD]: Jetzt spricht ein Verlierer!) Thomas Strobl (Heilbronn) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um es klar zu sagen: Was wir derzeit im Bundesrat erleben, ist ein politisches Trauerspiel. Erneut wurde das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags aufgehalten. (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn hier "aufgehalten"? Das ist Demokratie! Schon mal was davon gehört?) Dieses Trauerspiel wird aufgeführt von der SPD, den Grünen und der extremistischen Linken. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der LINKEN) Es ist unerträglich, dass Rot-Rot-Grün die Länderkammer auf diese Art und Weise für parteipolitische Interessen und nichts anderes missbraucht. Diesen Missbrauch, diese Instrumentalisierung werden wir nicht akzeptieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß [SPD]: Sie Wahlverlierer! - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie sind ein Wahlverlierer! Da muss man doch ganz schön frustriert sein, oder? - Weiterer Zuruf von der SPD: Erfinder dieses Verfahrens war übrigens Helmut Kohl, als es damals um die Ostpolitik ging!) Europa, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in einer kritischen Phase der Krisenbewältigung. Deutschland und die deutschen Länder müssen mit gutem Beispiel vorangehen, um den Umsetzungsdruck in allen anderen Euro-Staaten aufrechtzuerhalten. Wir müssen zeigen, dass wir es dauerhaft ernst meinen. Ausdruck dieser Ernsthaftigkeit ist das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!) Die Bundesländer haben der Ratifizierung des Fiskalvertrags zugestimmt; das ist wahr. Damit sagen wir: Wir wollen die deutsche Schuldenbremse in Europa haben. - Dass die Bundesländer nun aber die nationale Folgegesetzgebung in Deutschland ablehnen, ist nicht konsistent. Herr Ministerpräsident Kretschmann, als Rechtfertigung sagen Sie, der Bund habe sich nicht an Absprachen gehalten. Aber Sie wissen genau: Das ist falsch. Erstens. Im Eckpunktepapier vom Juni 2012 ist dokumentiert, dass sich Bund und Länder noch über die Höhe der sogenannten Entflechtungsmittel in den Jahren 2014 bis 2019 einigen werden. Der Bund hat dazu einen vernünftigen Vorschlag vorgelegt. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Aus Ihrer Sicht vernünftig!) Es waren die Länder, die nicht auf die Gespräche eingegangen sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zweitens. Im Eckpunktepapier steht, dass der Bund bereit ist, für den Zeitraum bis 2019 das Risiko etwaiger Sanktionszahlungen zu übernehmen. Da steht nicht, dass er es auch danach machen wird. Drittens. Was die gemeinsamen Anleihen von Bund und Ländern anbelangt, so steht im Eckpunktepapier schon gar nichts von einer Schuldenvergemeinschaftung. Eine Vergemeinschaftung der Schulden, Euro-Bonds, das wollen Sie, die Grünen, die SPD, die Linke. Wir wollen die Vergemeinschaftung der Schulden, die Euro-Bonds, nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das sind drei Beispiele, die Ihre billige Blockadestrategie entlarven. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie müssen abgewählt werden!) Wenn es den Sozialdemokraten und den Grünen mit dem Thema Neuverschuldung ernst wäre, dann müssten sie auf europäischer Ebene im Hinblick auf die Verpflichtung, Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild umzusetzen, vorangehen. Außerdem, Herr Ministerpräsident, müssten Sie in den Ländern, in denen Sie mitregieren, mit gutem Beispiel vorangehen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das tut er leider nicht! - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenden Sie sich erst mal an die Bundesregierung! Wo geht die denn mit gutem Beispiel voran?) Meine Damen und Herren, schauen wir uns doch einmal das rote Flaggschiff Nordrhein-Westfalen und das grüne Flaggschiff Baden-Württemberg an! Baden-Württemberg hat im Vergleich zu anderen Bundesländern einen niedrigen Schuldenstand; 2011 hatte es mit den niedrigsten Schuldenstand in der Republik. Günstige -Voraussetzungen für eine ehrgeizige Haushaltspolitik wären das gewesen. Der baden-württembergische Ministerpräsident redet bei jeder Gelegenheit von Nachhaltigkeit. Doch im Doppelhaushalt 2013/2014 macht Herr Kretschmann 3,5 Milliarden Euro neue Schulden. (Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Hört! Hört!) Bis 2020 plant er jedes Jahr neue Schulden anzuhäufen - 7 Milliarden Euro -, und das, obwohl es Baden-Württemberg ökonomisch so gut geht wie noch nie, die Steuereinnahmen so hoch sind wie noch nie. Das zeigt: Das einzig Nachhaltige an grüner Finanzpolitik sind dauerhaft höhere Schulden, die uns die Grünen hinterlassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nachhaltigkeit, Herr Ministerpräsident, gibt es nicht nur in der Umweltpolitik und nicht nur beim Reden, Nachhaltigkeit gibt es auch in der Finanzpolitik. Was Sie in Baden-Württemberg in der Finanz- und Haushaltspolitik machen, hat mit Nachhaltigkeit nichts, aber auch gar nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nordrhein-Westfalen ist ein noch gravierenderer Fall: Verfassungsverstoß beim Haushalt zum dritten Mal, die Schuldenbremse nicht eingehalten; der Kollege Kampeter hat zu Recht darauf hingewiesen. Nachhaltige Verschuldung in Baden-Württemberg, fortgesetzter Verfassungsbruch in Nordrhein-Westfalen - das ist die real existierende Haushalts- und Finanzpolitik von Rot-Grün. Damit haben wir nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Wirklichkeit zeigt: Nicht in Baden-Württemberg und nicht in Nordrhein-Westfalen, sondern in den -unionsgeführten Ländern - in Bayern, in Sachsen, in Thüringen - werden keine neuen Schulden mehr gemacht. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In Bayern werden sogar Schulden zurückgezahlt. Die Koalition hat einen strukturell ausgeglichenen Bundeshaushalt vorgelegt. Die Union steht in den Ländern, im Bund und gerade auch in Europa für finanzpolitische Solidität und Verantwortung und Stabilität. SPD und Grüne stehen für immer höhere Schulden, immer weiter in den Schuldenstaat -hinein. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stuttgart 21!) Die SPD in Nordrhein-Westfalen und die Grünen in Baden-Württemberg beweisen: Rot und Grün können es nicht. Deswegen werden wir den Sozialdemokraten und den Grünen im Herbst nicht auch noch den Bundeshaushalt und die Verantwortung für Europa überlassen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Michael Roth. Bitte schön, Kollege Michael Roth. (Beifall bei der SPD) Michael Roth (Heringen) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mensch, was muss die Koalition gefrustet sein! (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Nein!) Ich kann ja verstehen, dass Sie enttäuscht sind, weil Sie in einem Bundesland nach dem anderen eine richtige Klatsche beziehen. Hier sitzen die Wahlverlierer auf der Landesebene: Schwarz-Gelb. Sie haben die Quittung bekommen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Und lassen ihren Frust raus! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Haben Sie auch etwas zur Sache zu sagen, Herr Kollege? - Zuruf von der FDP: Hochmut! Hochmut!) Es hat sich bis zu uns nach Hessen herumgesprochen: Da war doch etwas in Baden-Württemberg. War das nicht Ministerpräsident Mappus, dem im Zusammenhang mit EnBW Verfassungsbruch bescheinigt worden ist? (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Da sitzen die Verfassungsbrecher!) Und da blasen Sie sich hier auf, Herr Strobl, dass wir Angst haben müssen, Sie platzen gleich. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Es ist immer die gleiche Platte, die Sie auflegen!) Es war heute im Bundestag viel von Verlässlichkeit und von Blockade die Rede. Da wäre ich an Ihrer Stelle einmal ganz, ganz vorsichtig. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Lafontaine!) Sie haben nicht nur mit dem Bundesrat Verhandlungen geführt, Sie haben auch mit uns Verhandlungen geführt; Sie brauchten ja unsere Stimmen für den Fiskalvertrag. Einige von uns haben Tag um Tag zusammengesessen, um eines deutlich zu machen: (Dr. Florian Toncar [FDP]: Dass Sie den -Fiskalvertrag nicht wollen!) Es geht bei der Krise in der Europäischen Union nicht allein um Sparen, Sparen, Sparen; es geht auch um Wachstum und Beschäftigung, um den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit. (Otto Fricke [FDP]: Wie in Frankreich! - Dr. Florian Toncar [FDP]: Schulden, Schulden, Schulden!) Da haben Ihnen Rot und Grün etwas abverhandelt, von dem Sie jetzt nichts mehr hören wollen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Vom Sparen haltet ihr einfach nicht viel! Das könnt ihr nicht!) Ich will Sie einfach noch einmal daran erinnern: Wir haben - das ist auf Ihre Zustimmung gestoßen - einen Akt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung ausgehandelt. Wir haben ein Sofortprogramm gegen -Jugendarbeitslosigkeit ausgehandelt. Sie haben uns die zügige Einführung der Finanztransaktionsteuer zugesichert. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Das hätten wir auch ohne euch gemacht!) Sie haben uns zugesichert, dass es auf der EU-Ebene keinerlei Kürzungen im Bereich der Kohäsions-, Struktur- und Sozialfonds geben wird. (Otto Fricke [FDP]: Die gibt es auch nicht!) Schwarz-Gelb betreibt am laufenden Band Wortbruch: (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Otto Fricke [FDP]: Gibt es die Kürzungen?) Die FDP blockiert fortwährend die Verhandlungen zur Finanztransaktionsteuer. Den Bundesfinanzminister muss ich hier einmal außen vor lassen. Sie blockieren, wo Sie nur können. Wortbruch! (Otto Fricke [FDP]: Der Herrgott erhalte mir meine Vorurteile!) Im mehrjährigen Finanzrahmen auf EU-Ebene sind im Bereich der Kohäsions-, Struktur- und Sozialpolitik 30 Milliarden Euro gekürzt worden. (Otto Fricke [FDP]: Gegenüber was?) Wortbruch seitens der Bundeskanzlerin! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben mit wohlfeilen Worten ein Programm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit im Umfang von 6 Milliarden Euro in sieben Jahren angekündigt. Davon haben Sie die Hälfte aus dem Europäischen Sozialfonds geklaut. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Was heißt denn "geklaut"?) 6 Milliarden Euro in sieben Jahren für 5,7 Millionen arbeitslose Jugendliche, die auf der Straße stehen! Das macht im Jahr 150 Euro pro arbeitslosem Jugendlichen. (Heinz-Peter Haustein [FDP]: Wo stehen sie denn auf der Straße? - Gegenruf des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU]: In Spanien!) Sie wollen doch nicht allen Ernstes behaupten, dass Sie hier die Zusagen gegenüber dem Bundestag eingehalten haben. Dritter Wortbruch seitens Schwarz-Gelb und dieser Bundesregierung! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Florian Toncar [FDP]: Das sind doch alles europäische Themen! Das hat doch nichts mit Deutschland zu tun!) Wer ist also verlässlich, wenn es um den europäischen Fiskalvertrag geht? Wir sind verlässlich; Rot-Grün ist verlässlich. (Lachen bei der FDP) Der Bundesrat erinnert an seine Verhandlungsposition und an die Zusagen der Bundesregierung und des -Bundestages. Wer blockiert eine angemessene Beteiligung des Finanzsektors an der Krisenbewältigung? Wer blockiert Impulse für Wachstum und Beschäftigung auf der europäischen Ebene? Wer blockiert einen nachhaltigen und entschiedenen Kampf gegen die Massenjugendarbeitslosigkeit? (Otto Fricke [FDP]: Wo denn?) Schwarz-Gelb! Deswegen zeigen, wenn Sie auf uns weisen, mindestens 5,7 Millionen Finger auf Sie. Das sind die Finger der arbeitslosen Jugendlichen in der Europäischen Union, an denen Sie sich nachhaltig versündigen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Michael Roth. - Nächster Redner ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Otto Fricke. Bitte schön, Kollege Otto Fricke. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Otto Fricke (FDP): Geschätzter Herr Vizepräsident! Herr Bundesratspräsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesratspräsident, bei allem Verständnis, das ich für das Zusammenspiel zwischen Ländern, Kommunen, Bund und Verfassungsorganen habe, muss ich sagen: Ihre Rede war teilweise wortgleich mit dem, was Oskar Lafontaine 1997/1998 gesagt hat. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Winfried Lafontaine! - Axel Schäfer -[Bochum] [SPD]: Zitieren Sie doch bitte mal! Zitate bitte!) Herr Lafontaine hat uns auch erklärt: Es gibt gute staatliche Gründe, warum wir bei bestimmten Reformen und Dingen nicht mitmachen. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Sie können keine Zitate bringen!) Faktisch hat Herr Lafontaine nichts anderes gesagt als: Ich blockiere, weil ich das so will. - Sie haben das ebenfalls getan; ich werde das gleich aufzeigen. Vorher will ich den Zuhörern noch ein paar Hinweise geben: (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Für die Zuhörer? - Michael Roth [Heringen] [SPD]: Nicht für uns?) Hören Sie sich nicht immer nur an, was die Politiker im Inland sagen. Die von der Regierung sagen natürlich, dass die Regierung recht hat, und die von der Opposition sagen, dass die Regierung unrecht hat. Schauen Sie auch einmal, wie sich das europäische Ausland über das Haushaltswesen des Bundes in der Bundesrepublik Deutschland äußert. Sie werden sehen, dass es kein Land in Europa gibt, das sagt: Deutschland macht das schlecht mit dem Haushalt. Deutschland hält sich nicht an die Regeln. Die tun nicht das, was sie uns in Europa sagen, das wir tun sollen. - Diese Koalition ist der Garant dafür, dass der Fiskalpakt selbst dann, wenn Sie weiterhin dessen Umsetzung blockieren, vom Bund eingehalten wird. Das ist unsere Verpflichtung, das ist unser Versprechen, das wir gegenüber den Bürgern abgeben. Wir sorgen -dafür, dass ihre Kinder, ihre Kindeskinder und ihre Altersvorsorge nicht durch weitere neue Schulden und weiter steigende Zinsen in der Zukunft belastet werden. Das ist unser Versprechen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dieses Versprechen wollten wir als Bundesrepublik Deutschland durch eine Aufteilung mit den Ländern und Kommunen untermauern. Wir haben eine Rekordbeschäftigung und Rekord-überschüsse in den Sozialkassen. Ulla Schmidt hatte -niemals auch nur 1 Milliarde Euro zu viel. Wir haben Reserven auch für schlechtere Zeiten in zweistelliger Milliardenhöhe. All das haben wir geschafft. Vor allen Dingen haben wir es geschafft, die Ausgaben in dieser Legislaturperiode zu senken. (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch nicht Ihr Erfolg! Das ist doch eine Leistung von Rot-Grün! Ist doch unglaublich! Schämen Sie sich!) Herr Kretschmann, unabhängig von der Prozentrechnung ist für die Bürger eines klar erkennbar: Der Bund hat im Laufe der Legislaturperiode seine Ausgaben um 4 Milliarden Euro reduziert. Das Land Baden-Württemberg - auch nicht gerade klein - hat es in den letzten drei Jahren geschafft, bei Steuermehreinnahmen in Höhe von 3 Milliarden Euro die Ausgaben um 4 Milliarden Euro zu erhöhen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist es!) Jeder weiß, wer Ausgaben erhöht, spart nicht, und auch ein Bürger, der kein Geld hat, kann nicht einfach seine Einnahmen erhöhen, wie es ihm gefällt. Das ist der -Unterschied zwischen uns. Das, was wir machen, ist Konsolidierung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Schauen wir einmal nach Nordrhein-Westfalen! Dass Nordrhein-Westfalen inzwischen für 60 Prozent der Neuverschuldung der Länder verantwortlich ist, ist doch beachtlich. 60 Prozent der Neuverschuldung durch ein einziges rot-grün-geführtes Bundesland! Das hat es so noch nie gegeben. Auch daran kann man sehen, worin die Unterschiede bestehen zwischen Schwarz-Gelb im Bund und Rot-Grün in den Ländern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Jetzt kommt der wichtigste Punkt, Herr Kretschmann, und das zu sagen, gehört zu einem fairen Zusammenspiel zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Sie tun hier so, als ginge es um die armen kleinen Länder und die armen kleinen Kommunen - bei den Kommunen lasse ich das zum Teil noch gelten -, sodass die Bürger, die ihre Lohn- und Einkommensteuer zahlen und bei jedem Einkauf Mehrwertsteuer entrichten, glauben, die Einnahmen kämen hauptsächlich dem Bund zu. Herr Kretschmann, es hätte dazugehört, zu sagen: Liebe Bürger, der Bund bekommt von jedem Euro, den ihr zahlt, 42 Cent; die Länder und Kommunen bekommen 53 Cent. Das heißt, Länder und Kommunen zusammen haben höhere Steuereinnahmen als der Bund. - Gleichzeitig stellen Sie sich hier hin und sagen: Für Europa haften wollen wir auf gar keinen Fall. - Wer aber zahlt beim Fiskalpakt die Strafen? Doch nur der Bund. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch mit Ihren Bundesländern vereinbart, Herr Fricke! Was erzählen Sie denn für einen Quark? Sie haben doch zugestimmt!) Herr Kretschmann, Sie sind als Bundesratspräsident in einer besonders verantwortungsvollen Position. Ich verstehe deshalb nicht, dass Sie sagen "Wir sind die ganz Armen" und "Wir verraten nicht, dass wir den Menschen mehr Geld aus der Tasche ziehen als irgendjemand anderes", aber, wenn es ums Bezahlen geht, sagen: Das soll der Bund alleine tun. - Das ist keine Art von Zusammenarbeit, sondern der Versuch einer Erpressung. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Am besten war das mit Lafontaine! Winfried Lafontaine! - Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Strobl, seien Sie nicht so frustriert!) Ein Wort noch zu Herrn Roth. Herr Roth, Sie haben hier gesagt, wir hätten die Gelder des Europäischen -Sozialfonds gesenkt. - Gegenüber was denn gesenkt? Gegenüber den Vorjahren? (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ja!) - Ja? Ich würde mir überlegen, ob ich an dieser Aussage festhielte. Tatsächlich werden wir in diesem Bereich -gegenüber dem vorherigen Zeitraum - das wissen Sie genau, Herr Roth - sogar mehr ausgeben. Das genau ist die Art, wie man es nicht machen sollte, nämlich indem man falsche Vergleiche anstellt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will zum Schluss noch etwas Versöhnliches sagen. Ich hoffe, dass es dem Bundesrat am Ende nicht nur um Blockade geht. Ich hoffe, dass der Bundesrat erkennt, dass er seinen Teil dazu beitragen muss, dass wir die -Finanzen stabilisieren. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist im Vermittlungsverfahren! Da wird vermittelt!) Wenn da Bewegung vom Bundesrat kommt, dann - da bin ich mir sicher - wird auch von unserer Seite aus -Bewegung kommen. Aber diese Schuldzuweisungen sind bei der vorhandenen Finanzlage nicht die richtige Art der Verantwortung für die Zukunft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Uwe Beckmeyer [SPD]: Habt ihr das beantragt?) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Otto Fricke. - Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unsere Kollegin Priska Hinz. Bitte schön, Frau Kollegin Hinz. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Otto Fricke, du hast schon heute im Haushaltsausschuss gesagt, dass Europa auf Deutschland schaut und alle große Augen bekommen, weil die Politik in Deutschland so toll ist. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Freuen Sie sich doch mit!) Ich finde, die FDP sollte einmal in andere europäische Staaten fahren, um zu sehen, wie schlecht dort die Stimmung ist und wie schlecht inzwischen der Ruf Deutschlands ist. Gleiches gilt für die Europapolitik, die Deutschland verfolgt: Deutschland tritt im Europäischen Rat dauernd für Sparen ein, Sparen, bis es quietscht. Das führt dazu, dass es in anderen Ländern zu einer Rezession kommt und diese Länder auf keinen grünen Zweig mehr kommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE] - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Erst sparen wir zu wenig, jetzt sparen wir zu viel!) Wenn sich der Staatssekretär hier hinstellt und eine Anti-Schulden-Politik beschreit, dann kann ich nur daran erinnern, dass unter Merkel die gesamtstaatlichen Schulden um 500 Milliarden Euro angewachsen sind. 500 Milliarden Euro! Von wegen: Wir bauen die Schulden ab! - (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es werden jedes Jahr neue Schulden angehäuft. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Von Rot und Grün in den Ländern werden die Schulden gemacht! - Otto Fricke [FDP]: 500 Milliarden mit den Ländern!) - Wer hat denn hier immer für Steuersenkungen plädiert, nicht nur im Wahlkampf, sondern es hinterher auch durchgesetzt und die Länder damit weiter unterfinanziert? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Das war die FDP. Inzwischen reden Sie wieder über Steuersenkungen, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) weil Sie anscheinend weiterhin wollen, dass Kommunen und Länder in der Daseinsvorsorge nicht genügend Mittel haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Sie wissen gar nicht mehr, was Sie selbst gemacht haben!) Wir halten das für falsch. Wir glauben, dass man sehr wohl sparen muss. Das macht die Bundesregierung aber noch nicht einmal. Im Gegenteil: Die Eckwerte sagen uns wieder, dass eine unsoziale Politik fortgeschrieben wird, nämlich indem ein Griff in die Taschen der Beitragszahler stattfindet, die in die Sozialversicherungskassen einzahlen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ein Unsinn!) Das hat mit Sparen nichts zu tun, sondern das ist unsozial, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) weil ein Teil der Bevölkerung dazu hergenommen wird, den Haushalt zu konsolidieren. Sie haben keine Kraft, tatsächlich strukturelle Änderungen vorzunehmen. Sie betreiben keinen Subventionsabbau. Sie gehen nicht an den Wirtschaftsetat heran (Otto Fricke [FDP]: Der Wirtschaftsetat wird gesenkt!) und kürzen Programme nicht da, wo sie unnötig sind, weil sie nämlich Mitnahmeeffekte produzieren. Das alles wäre notwendig, aber Sie machen es nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Otto Fricke [FDP]: Er sinkt, Frau Kollegin! Nur zur Info! Er sinkt! - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Ganz schlechte Beispiele!) Ansonsten bieten die Eckwerte nur ein Wünsch-dir-was an Bundesbankgewinnen und Zinsgewinnen, die in den Haushalt eingestellt werden. Deswegen ist er ein Entwurf für den Reißwolf. Nach der Wahl kann man diesen Entwurf in den Reißwolf geben. Eine neue Regierung wird einen ordentlichen Haushalt mit strukturellen Veränderungen, Subventionsabbau und gerechten Steuererhöhungen aufstellen müssen. Denn diese brauchen wir, um tatsächlich Schulden abzubauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP: Steuererhöhungen!) Was ich an Otto Fricke in den letzten Monaten besonders interessant finde, ist, dass er permanent den Bundesrat "basht" und die Länder heranzieht, (Dr. Florian Toncar [FDP]: Sie sind dabei in der Verantwortung!) um davon abzulenken, dass die FDP mit der CDU/CSU eine schlechte Regierungspolitik macht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben bereits zweimal das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz als Entwurf in den Bundestag eingebracht. Einmal haben wir es hier entschieden. (Otto Fricke [FDP]: Es geht doch gar nicht um Fiskal! Es geht doch um Entflechtung! Das ist der Hintergrund!) - Darf ich jetzt meine Ausführungen machen? Ja? (Otto Fricke [FDP]: Aber immer!) Wir haben bereits bei der Debatte um das Fiskalvertragsumsetzungsgesetz darauf hingewiesen, dass die Länder es nicht mitmachen werden, wenn bezüglich der Entflechtungsmittel nicht das eingehalten wird, (Otto Fricke [FDP]: Aha!) was vereinbart wurde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich finde, so kann man mit den Verfassungsorganen nicht umgehen. Weder wollen wir, dass der Bundesrat so mit uns umgeht, noch sollten wir so mit dem Bundesrat umgehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Was wurde denn vereinbart? Was die Länder sich wünschen!) Es gibt Länderinteressen, und die Länderinteressen müssen legitimerweise - dafür ist der Bundesrat da - dort vertreten werden. Da geht es nicht um Parteien, sondern um Länderinteressen. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Kretschmann macht aber den Lafontaine! - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Es ist weit mehr als Länderinteressen, um die es da geht!) Das mag uns manchmal nicht so schmecken - das mag sein -, aber es ist legitim. Deswegen müssen die Vereinbarungen, die zwischen Bund und Ländern getroffen wurden, eingehalten werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es hilft überhaupt nichts, wenn Sie Aktuelle Stunden dafür missbrauchen, Ihren Frust darüber abzukippen, dass Sie in fast keinen Länderregierungen mehr vertreten sind. Die FDP ist nur noch in zwei Länderregierungen vertreten. Das werden wir im September auch noch kriegen. (Otto Fricke [FDP]: Was? Stimmt aber nicht! - Dr. Florian Toncar [FDP]: Stimmt nicht!) - Wenn es drei sind, dann kriegen wir sie alle drei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Nicht einmal bis drei zählen! - Otto Fricke [FDP]: Das ist arrogant!) - Nein, das ist nicht arrogant. Die Leute haben es vielmehr satt: diese FDP-Politik, diese Phrasen, dieses laute Gebrüll nach Steuersenkungen und die angebliche Antischuldenpolitik, die sich bei näherem Hinsehen als Luftballon erweist, und wenn man hineinsticht, dann platzt das Ganze. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Wer nicht merkt, dass er seinen Horizont überschritten hat, der ist arm dran!) Deswegen bin ich frohen Mutes, dass es im Vermittlungsausschuss ein gutes Ergebnis und im September gute Wahlergebnisse geben wird und die FDP das Nachsehen hat. Danke schön. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner für die Fraktion von CDU und CSU ist unser Kollege Bartholomäus Kalb. Bitte schön, Kollege Bartholomäus Kalb. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Hinz, weil Sie gerade ein so düsteres Bild von Europa und den Sanierungsländern gezeichnet haben: Wenn Sie heute dem Finanzminister im Ausschuss gut zugehört hätten, dann hätten Sie zur Kenntnis nehmen können, was er uns erfreulicherweise auch zu diesem Thema zu berichten hatte. Wenn Sie zudem die jüngsten Meldungen der Presse verfolgt hätten, dann wüssten Sie, dass selbst in den Sanierungsländern erhebliche Fortschritte bei der Umsetzung der strukturellen Reformen und der Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit bei gleichzeitig steigenden Exportchancen und leichten Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt gemacht werden. Das heißt, dieser Weg ist richtig. Bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise müssen wir mit guter Haushaltsdisziplin beispielhaft für Europa sein. Deswegen gilt es, die innerstaatliche Gesetzgebung umzusetzen. Auch die Bundesländer, Herr Ministerpräsident, stehen hier in der Verantwortung. Ich appelliere an alle Länder, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Wir haben uns mit den Ländern im Juni letzten Jahres auf Eckpunkte zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags geeinigt. Dafür hat der Bund wesentliche Leistungsverbesserungen zugunsten der Länder vorgenommen bzw. in Aussicht gestellt; Staatssekretär Kampeter hat bereits darauf hingewiesen. Die Länder, insbesondere die von SPD und Grünen geführten, verfolgen nun andere Absichten, betreiben eine Blockadepolitik, entziehen sich der Verantwortung, führen ein kurioses Schauspiel auf (Uwe Beckmeyer [SPD]: Bei der Wahrheit bleiben!) und geben, wie der Bundesfinanzminister gesagt hat, ein seltsames Signal in Richtung Europa. Wenn ich sehe, welche Verbesserungen wir Ländern und Kommunen bereits eingeräumt haben - ich nenne als Beispiel nur die Grundsicherung, die Kinderbetreuung sowie die Kosten der Unterkunft und der Verpflegung -, dann kann ich nur sagen, dass wir mehr als guten Willen gezeigt und viel Geld auf den Tisch gelegt haben. Der Bund hat in den Verhandlungen über den Fiskalvertrag zugesagt, mit den Ländern zu einer Lösung bei den Entflechtungsmitteln zu kommen; Dazu stehen wir, keine Frage. Wir haben sogar die Gewährung dieser Mittel in ungekürzter Höhe für das Jahr 2014 zugesagt. Aber über die weitere Gewährung muss vernünftig verhandelt werden. Der Bund geht bei der Haushaltskonsolidierung mit gutem Beispiel voran. Staatssekretär Kampeter konnte heute über die vorgelegten und beschlossenen Eckpunkte zum Bundeshaushalt 2014 berichten. Wir werden 2014 und für die Folgejahre einen strukturell vollständig ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Das ist ein gutes -Signal in Richtung Europa. Das ist auch gut im Hinblick auf den anstehenden Gipfel. Ab dem Jahr 2015 wird der Bund keine neuen Schulden mehr machen. Bereits ab dem Jahr 2016 steigt der Bund in die Schuldentilgung ein. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Diesen Weg der wachstumsorientierten Haushaltskonsolidierung müssen wir konsequent fortsetzen. Nur nachhaltiges Wachstum schafft Vertrauen und Verlässlichkeit. Wachstum ist dann stabil und zukunftsgerichtet, wenn es auf soliden Finanzen aufbaut; denn diese geben uns und den nachkommenden Generationen die notwendigen Handlungsspielräume. Bereits im Haushaltsvollzug 2012 und im Soll für das Jahr 2013 hat der Bund die ab 2016 geltende Obergrenze für die strukturelle Neuverschuldung unterschritten. Weil solch düstere Aussagen getroffen worden sind, möchte ich noch Folgendes sagen: Unsere Sozialkassen sind bestens in Ordnung. Da wird nicht abkassiert. Der Bund kann jetzt früher notwendige Leistungen bzw. Zuschüsse zurücknehmen; das ist richtig. Warum sind die Sozialkassen in bester Ordnung? Weil die Konjunktur gut ist und weil wir mit rund 29 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten einen Höchststand und einen absoluten Höchststand bei den Erwerbstätigen in dieser Republik seit der Wiedervereinigung zu verzeichnen haben. Daran sollten sich auch die Länder ein Beispiel nehmen. Man muss direkt dankbar sein, dass uns heute - Kollege Strobl hat es sehr eindrucksvoll geschildert - Beispiele aus den Bundesländern geliefert wurden, in denen Rot-Grün regiert. In Nordrhein-Westfalen, jetzt in Niedersachsen und in Baden-Württemberg wird vorgeführt, was in diesem Land und auch im Bund passieren würde, wenn Sie hier wieder an die Regierung kämen: (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Steuern würden angehoben werden. Die Schulden würden steigen, und mit dem Geld würde ein leichter und lockerer Umgang gepflegt. Das ist der Garantieschein für eine konjunkturelle Talfahrt, für den Verlust von Arbeitsplätzen, für den Verlust von Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit, für die Gefährdung von Wohlstand und für die Gefährdung von sozialer Sicherheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Kalb. - Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Rolf Schwanitz. Bitte schön, Kollege Rolf Schwanitz. (Beifall bei der SPD) Rolf Schwanitz (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Also, Aktuelle Stunden im Deutschen Bundestag sind in der Regel keine wissenschaftlichen Kolloquien, aber solche Nebelkerzen wie die, die ich hier heute gehört habe, hört man wirklich selten. (Otto Fricke [FDP]: Nebelkerzen sieht man, weil sie geworfen werden!) Lieber Otto Fricke, ich habe die ganze Zeit überlegt, welche Reform der FDP denn eigentlich den Gesundheitsfonds stabilisiert und reformiert hat. Mir ist keine eingefallen. Ich muss irgendwie nicht dabei gewesen sein. (Otto Fricke [FDP]: Und deswegen habt ihr auch immer Schulden!) Als Sozialdemokraten die Verantwortung für die gesetzliche Krankenversicherung übernommen haben, steckten 8 Milliarden Euro an rechtswidriger Verschuldung im System - übrigens aus der Zeit von Herrn Seehofer, lieber Bartholomäus. (Otto Fricke [FDP]: Und wie viel hat Ulla Schmidt hinterlassen?) Die Sozialkassen in diesem Land sind unter Rot-Grün stabilisiert und konsolidiert worden. Das ist die eigentliche Situation. (Beifall bei der SPD - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Um Gottes willen!) Ich will heute nicht groß zum Haushalt reden, aber dass Sie zum Zwecke der Haushaltskonsolidierung (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Märchenstunde!) einen tiefen Eingriff in die Sozialkassen vornehmen, (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Dem Rolf seine Märchenstunde!) ist meiner Meinung nach die größte Sünde, die Sie hier begehen. Als wir in der Finanzkrise steckten und Olaf Scholz in unserer gemeinsamen Verantwortung in der Großen Koalition das Kurzarbeitergeld auflegen konnte, mit dem viele Tausend Arbeitsplätze gerettet worden sind, (Otto Fricke [FDP]: Jetzt bin ich gespannt!) hat das 8 Milliarden Euro gekostet. (Otto Fricke [FDP]: Nein, das hat nicht 8 Milliarden Euro gekostet!) Damals hatten wir Rücklagen von ungefähr 17 Milliarden Euro in der Kasse. Am Ende des Jahres werden diese bei 2 Milliarden Euro liegen. (Otto Fricke [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Sie haben uns das mit einem Defizit übergeben!) Sie versündigen sich mit dem Haushaltskurs, den Sie verfolgen, an der Krisenfestigkeit dieses Landes, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: Der Rolf ist ein Märchenonkel!) Ich will nach den eindrücklichen Darstellungen und Ermahnungen des Ministerpräsidenten noch einmal etwas zum eigentlichen Thema, dem Fiskalpaktumsetzungsgesetz, sagen und bitte mir das als jemandem nachzusehen, der im Kanzleramt über mehrere Jahre die Bund-Länder-Koordinierung gemacht hat: Das, worüber wir hier reden - ich meine die Tatsache, dass dieses Gesetz im Vermittlungsausschuss landet -, hat ausschließlich damit etwas zu tun - und mit nichts anderem -, dass es von einem tiefen Dilettantismus im Kanzleramt gegenüber dem Bundesrat gemanagt wird. (Beifall bei der SPD) Dafür lassen wir uns nicht - das gilt auch für Rot-Grün - die politische Verantwortung zuschieben. Ich will das an ein paar Beispielen deutlich machen. Ich fange mit einem Punkt an, der heute noch gar keine Rolle gespielt hat. Das ist die Verständigung des Bundes mit den Ländern darüber, dass aufgrund des defizitären Kitaausbaus 30 000 zusätzliche Plätze geschaffen werden müssen. Das ist kein Almosen gewesen, sondern das war eine Verständigung in einem defizitären Politikaufgabenbereich des Bundes, meine Damen und Herren. (Otto Fricke [FDP]: Der Länder!) Dann hat die Bundesregierung im letzten Herbst einen Gesetzentwurf vorgelegt. Der strotzte vor Bürokratie und Kontrolldenken und hätte mehr behindert als dazu beigetragen, diese 30 000 Plätze zu schaffen. Der ist komplett gescheitert. Den haben Sie zurücknehmen müssen. Der ist gar nicht in die Endberatung gekommen. Dann haben Sie einen komplett neuen Entwurf vor-gelegt, und wir als Sozialdemokraten waren so zurückhaltend, dass wir dazu nicht einmal einen einzigen Änderungsantrag im parlamentarischen Verfahren gestellt haben. Das ist an Dilettantismus nicht mehr zu überbieten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der zweite Punkt - er ist schon angesprochen worden - hängt mit der schwierigen Frage zusammen, welche innerstaatliche Wirkung eigentlich vom Fiskalpakt unmittelbar für Deutschland ausgeht. Das war ein Punkt, über den wir uns schon im Zusammenhang mit dem Problem der Ratifizierung des Fiskalpakts hier heftig gestritten haben. Für einige war das so wichtig, dass sie sogar gegen den Fiskalpakt gestimmt haben. Dann hat der Bund den Ländern mit der Verabredung über die Eckpunkte vom 24. Juni letzten Jahres zugestanden - ich will das noch einmal sagen -, dass die Länder ihre Vorgaben aus der deutschen Schuldenbremse zu erfüllen haben und damit den Verpflichtungen aus dem Fiskalpakt entsprechen. Sie haben keine zusätzlichen Verpflichtungen aus dem Fiskalpakt. Das ist der Vertrag zwischen der Bundesregierung und den Ländern. Dass die Länder jetzt darauf bestehen, dass es nicht nur bei dieser verbalen Benennung bleibt, sondern dass das in einen verbindlichen Gesetzestext kommt, ist doch keine überzogene Erwartung; das ist vielmehr Vertragstreue. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]) Durch die Strategie des Kanzleramts, in dem die Bund-Länder-Koordinierung stattfindet, diese Eckpunktevereinbarung, die im Juni geschlossen wurde, jetzt einfach zu ignorieren, wird alles gegen die Wand gefahren. Bei den Entflechtungsmitteln ist es ganz genauso. Ich will das nicht wiederholen. Wir finden also dort Dilettantismus, wo wir eigentlich solides Handwerk und ein faires Miteinander zwischen den Verfassungsorganen erwarten sollten. Ich sage zum Schluss: Sie können die Dinge nicht aussitzen. So entsteht kein Konsens, auch nicht mit solchen parteipolitischen Mätzchen wie dieser Aktuellen Stunde. Deswegen mein Appell an das Kanzleramt: Gehen Sie endlich an die Arbeit und machen Sie Ihren Job! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Rolf Schwanitz. - Nächste Rednerin für die Fraktion der CDU/CSU ist unsere Kollegin Frau Antje Tillmann. Bitte schön, Frau Kollegin Antje Tillmann. (Beifall bei der CDU/CSU) Antje Tillmann (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Vertreter der Länder! Ich kann mich noch sehr gut an die Verhandlungen über die Schuldenbremse in der Föderalismuskommission erinnern, insbesondere an eine der letzten Sitzungen, als die Ländervertreter völlig überraschend aus einer Sitzung kamen und gesagt haben, sie wollten auf eine Verschuldungsmöglichkeit ab dem Jahr 2020 völlig verzichten. Sie wollten also eine Nullneuverschuldung. Wir alle waren beeindruckt, auch ich. Leider war es dieselbe Sitzung, in der die Länder in die Formulierung der Schuldenbremse das kleine Wörtchen "Haushalte" hineingeschummelt haben. Sie haben nämlich geschrieben, dass die Haushalte von Bund und Ländern ohne neue Schulden aufgestellt werden müssten. Lieber Kollege Kretschmann, Sie waren damals als Vertreter der Länder in der Sitzung dabei. Sie werden mir zustimmen, dass niemand von uns jemals beabsichtigt hatte, den Bund aus der Verantwortung für die So-zialversicherungssysteme zu entlassen und noch weniger die Länder aus der Verantwortung für die Kommunen. Ich unterstelle Ihnen persönlich gar nicht, dass Sie Ihre Kommunen bewusst verraten wollten, aber ganz offensichtlich wollten einige Länder das; denn nur so ist zu erklären, dass die Länder in der Zwischenzeit bis zum Fiskalvertragsgesetz geglaubt haben, sie könnten sich auf Kosten der Kommunen entschulden und die Kommunen dabei vor die Pumpe laufen lassen, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und das, obwohl die Situation in den Landesparlamenten selbstverständlich entscheidende Auswirkungen auf die kommunalen Haushalte hat. Nur so ist die unterschiedliche Entwicklung in den kommunalen Haushalten zu erklären. Schauen wir auf die Kassenkredite. Die Kassenkredite der Gemeinden bzw. Gemeindeverbände pro Kopf betragen in Nordrhein-Westfalen 1 237 Euro. Als Sie, Herr Ministerpräsident, Ihr Amt im Land Baden-Württemberg übernommen haben, hatten die Kommunen einen hervorragenden Kassenkreditstand von 13 Euro pro Kopf. (Thomas Strobl [Heilbronn] [CDU/CSU]: So ist das! Da hätte man was draus machen können!) Sie haben gesunde Kommunen übernommen, und Sie können nicht behaupten, dass das nichts mit der Landespolitik zu tun hätte. Die Länder, die glauben, sie könnten sich aus der Verantwortung stehlen, sind dann aber eines Besseren belehrt worden. Sie haben nämlich völlig überraschend festgestellt, dass im Fiskalvertrag diese Verantwortung, die auch in unserer Verfassung schon verankert ist, wieder steht. Dafür musste es sogar eine Protokollerklärung geben. In dieser steht - ich darf zitieren -: Die Länder tragen im Rahmen des Fiskalvertrags die Verantwortung für ihre Kommunen. Ja toll, das steht auch schon in unserer Verfassung. Ich zitiere weiter: Infolge der expliziten Einbeziehung der kommunalen Verschuldung in die Defizitobergrenze des -Fiskalpakts ... werden die Länder in ihrer Konsolidierungspolitik vor deutlich größere Herausforderungen gestellt. Völlig falsch, Herr Kollege Schwanitz, das ist keine neue Verantwortung; diese Verantwortung steht ihnen auch nach der Verfassung schon zu. Es gibt nämlich gar keinen dreigliedrigen Staatsaufbau. Das heißt, die Verantwortung der Länder für die Kommunen steht auch schon in unserer Verfassung. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, irgendwie auf Kosten des Bundes zu zocken; denn die Länder haben laut Fiskalvertrag genau dieselbe Verantwortung für die Kommunen, wie sie sie eigentlich auch nach unserer Verfassung haben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Sie wollen sich also Verpflichtungen abkaufen lassen, liebe Vertreter der Länder, die Sie sowieso gehabt hätten. Wir sind ja ganz großzügig: Wir haben an vielen Punkten nachgegeben. Wir bedanken uns dafür - auch das sage ich an dieser Stelle ganz ausdrücklich -, dass der Fiskalvertrag selbst gut durch die Parlamente gegangen ist. Leider haben Sie diese gute Zusammenarbeit nicht fortgesetzt, und das, obwohl der Bund in dieser Protokollerklärung zugesagt hat, eventuelle Strafzahlungen der Europäischen Union komplett zu übernehmen. Wenn Sie sich einmal die Haushalte von Bund und Ländern anschauen, dann sehen Sie, dass wir ausschließlich Strafzahlungen wegen der Länderhaushalte bekommen könnten und dass diese Strafzahlungen bisher von den Ländern zu 35 Prozent hätten gezahlt werden können. Das heißt, hier sind wir Ihnen finanziell massiv entgegengekommen. Wir sind Ihnen auch bei der Entlastung der Kommunen entgegengekommen. Was Ihre angeblich zusätzlichen Aufgaben angeht: Wir haben die größte Kommunalentlastung beschlossen, die es jemals in der Bundesrepublik Deutschland gegeben hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Staatssekretär Kampeter hat eben einige Punkte beschrieben: 5 Milliarden Euro Grundsicherung, 2 Milliarden Euro Kinderbetreuung, 1,6 Milliarden Euro Bildungspaket, 400 Millionen Euro Sprachförderung, 100 Millionen Euro Mehrgenerationenhäuser, 1,8 Milliarden Euro KfW-Gebäudesanierung. Ich könnte die Liste unendlich fortsetzen. (Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Nützt nichts! Amnesie auf der linken Seite!) Außerdem haben wir uns verpflichtet, im Rahmen dieser Protokollerklärung in der nächsten Legislaturperiode ein Bundesleistungsgesetz zu erlassen, weil wir nicht nur die Kosten der Unterkunft übernehmen wollen, sondern auch einen Einstieg in die Übernahme der Kosten für behinderte Menschen vollziehen wollen. Auch hier kommen wir Ihnen mit Bargeld massiv entgegen. Alles, was Sie an Verpflichtungen gegenüber den Kommunen gehabt hätten, ist über diese Entlastung der Kommunen vom Bund eigentlich schon bezahlt worden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Deshalb bleibt aus meiner Sicht auch kein Platz für weiteres Gezocke. Ich hoffe sehr, dass wir im Vermittlungsausschuss genau das so deutlich machen. Sie haben schon Gegenleistungen in unendlicher Höhe bekommen, und es gibt keinen weiteren Spielraum. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Letzte Bemerkung. Sie lassen die Kommunen nicht nur in diesem Punkt hängen, sondern auch dadurch, dass im Zusammenhang mit dem gleichen Gesetz verabredet ist, dass die Kommunen endlich ein Mitspracherecht im Stabilitätsrat haben. Die Kommunen, die von Landessparmaßnahmen natürlich betroffen sind, dürfen über diese Sparmaßnahmen im Rahmen des Stabilitätsrats im Moment gar nicht mitbestimmen. Wir wollen sie über einen Beirat mitspracheberechtigt machen. Sie wollen das offensichtlich nicht; sonst hätten Sie dem Gesetz zugestimmt. Ich hoffe, dass wir zumindest das im Vermittlungsausschuss noch einmal problematisieren können. Ich würde mir sehr wünschen, dass Sie zu der Kooperation zurückkehren, die Sie beim Fiskalvertrag gezeigt haben, und dass Sie diesem Umsetzungsgesetz zustimmen. Denn ich glaube, Sie haben uns in Europa bisher schon genug blamiert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Antje Tillmann. - Nächster und letzter Redner in unserer Aktuellen Stunde für die Fraktion von CDU/CSU: Kollege Andreas Mattfeldt. Bitte schön, Kollege Mattfeldt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Andreas Mattfeldt (CDU/CSU): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist schon eine sehr groteske Situation, vor der wir heute hier stehen. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!) Deutschland hat unter Führung unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel auf europäischer Ebene Enormes für die Zukunft des Euro geleistet. Angela Merkel war es, die die europäische Schuldenbremse nach deutschem Vorbild durchgesetzt hat, und sie war es, die damit ein wichtiges Fundament für einen stabilen Euro gelegt hat, um eine Wiederholung der Staatsschuldenkrise im Euro-Raum zu verhindern. Und jetzt kommen Sie von Rot-Grün und behaupten, der Bund halte seine im letzten Jahr im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Fiskalpakts gemachten Zusagen nicht ein. Sie blockieren sogar im Bundesrat die Ratifizierung des Fiskalpakts. Das ist schon eine sehr eigenwillige und, ich sage deutlich, schlichtweg falsche Interpretation der Fakten, Herr Kretschmann. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist der Herr Ministerpräsident! Ein bisschen mehr Respekt!) Vielleicht stellen Sie sich einmal vor, welch eine Signalwirkung Ihre Haltung auf die Mitgliedstaaten in der EU hat. (Beifall des Abg. Axel E. Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]) Weil hier anscheinend Amnesie vorhanden ist, lassen Sie uns einmal gemeinsam auf die getroffene Einigung und die Punkte, die Sie nun plötzlich bemängeln, zurückblicken. Meine Damen und Herren, der Bund hat sich seinerseits bereit erklärt, gemeinsame Bund-Länder-Anleihen einzuführen. Wir lagen bei den Entflechtungsmitteln richtig, und wir haben weitere Mittel für den Kitaausbau bereitgestellt und damit die Länder und die Kommunen zuzüglich zur Übernahme der Kosten für die Grundsicherung im Alter massiv entlastet. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Alle drei Forderungen hat der Bund erfüllt, und nun blockieren Sie die Ratifizierung, indem Sie ständig, permanent neue Forderungen stellen. Das ist unredlich und hat vor allen Dingen mit Vertragstreue - eben fiel das Wort - überhaupt nichts mehr zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, lange wurde verhandelt, damit die Umsetzung des Fiskalpakts auch im Bundesrat verabschiedet werden kann. Deshalb möchte ich die drei eben genannten Kernpunkte noch einmal darlegen: Erstens. Der Bund ist bereit zu gemeinsamen Bund-Länder-Anleihen. Doch Sie von Rot-Grün verlangen nun vom Bund eine verfassungswidrige Übernahme der Haftung für den Länderanteil bei derartigen Anleihen. Sie wissen ganz genau, dass das Grundgesetz - was Ihnen sonst, in vielen Bereichen, sehr wichtig ist - dem Bund nur erlaubt, die Haftung für den jeweiligen Bundesanteil zu übernehmen. Zweitens. Der Bund hat angeboten, dass die Entflechtungsmittel 2014 auf Höhe der bisher jährlich geleisteten Beträge fortzuschreiben sind. Jetzt verlangen Sie mal eben, quasi durch die Hintertür, eine Erhöhung um 1 Milliarde Euro für den Zeitraum von 2014 bis 2019. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Maßlos!) Drittens. Der Bund hat die zugesagten zusätzlichen 580 Millionen Euro für den Kitaausbau bereitgestellt. Das Geld für den Kitaausbau haben Sie dankend angenommen, (Dr. Florian Toncar [FDP]: Nein, nicht dankend! Ohne Dank!) bekommen sogar Bewirtschaftungskosten für noch nicht existierende Kitas, und dennoch krakeelen Sie hier lautstark, der Bund würde seine Zusagen nicht einhalten, und fordern erneut weiteres Geld vom Bund. Sie sollten sich schämen, hier so aufzutreten. Anscheinend haben Sie überhaupt keine Schmerzgrenze, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oje, oje!) Mit seriöser Politik hat das nicht das Geringste zu tun. Ich sage Ihnen: Die Menschen in diesem Land erwarten von uns Verlässlichkeit. Leider erleben wir aber, dass Sie von Rot-Grün mit klebrigen Fingern - das betrifft das Verhalten der Länder gegenüber den Kommunen - im Bundesrat den Pfad einer konstruktiven und seriösen Politik verlassen haben. Sie halten wieder und wieder gemachte Zusagen nicht ein. Nach dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung", Herr Schwanitz, werfen Sie dem Bund jetzt auch noch vor, dass die christlich-liberale Koalition ihre Zusagen nicht einhalten würde. Das ist schlichtweg der Gipfel der Unverschämtheit, und das ist an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das ist der Gipfel der Wahrheit!) Meine Damen und Herren, dieser christlich-liberalen Koalition geht es um das Wohl Deutschlands und vor allen Dingen um die Zukunft Europas. Gerade auch unsere Bundeskanzlerin tut alles dafür, dass es den Menschen in unserem Land gut geht und dass Europa eine gute Zukunft hat. Sie hingegen versuchen mit Ihrem rein auf Parteiinteressen ausgerichteten Agieren, (Lachen bei der SPD) eine gute Zukunft Deutschlands, aber auch Europas zunichtezumachen. Ich halte das für einen fatalen Weg - zulasten der Menschen in diesem Land, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen. Mich verwundert gerade bei Ihnen von der SPD, dass Sie bei den für Sie katastrophalen Wahlumfragen nicht einmal mehr mitbekommen, dass die Menschen Sie durchschaut und erkannt haben, welches Spiel Sie von Rot-Grün treiben. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Wählerinnen und Wähler am 22. September ihr Kreuz bei Schwarz-Gelb machen; denn sie wissen, dass sie von der christlich-liberalen Regierung unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel gut und seriös regiert werden. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahlkampf! Wahlkampf! Wahlkampf!) Bei uns, bei der christlich-liberalen Koalition, stehen die Menschen im Vordergrund. Bei Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, steht das reine Parteiinteresse an erster Stelle. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Mattfeldt war der letzte Redner in unserer Aktuellen Stunde, die damit beendet ist. Wir sind nun am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 14. März 2013, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist hiermit geschlossen. (Schluss: 16.59 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bleser, Peter CDU/CSU 13.03.2013 Canel, Sylvia FDP 13.03.2013 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 13.03.2013 Dyckmans, Mechthild FDP 13.03.2013 Dr. Enkelmann, Dagmar DIE LINKE 13.03.2013 Gabriel, Sigmar SPD 13.03.2013 Gerdes, Michael SPD 13.03.2013 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 13.03.2013 Groß, Michael SPD 13.03.2013 Herlitzius, Bettina BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Hörster, Joachim CDU/CSU 13.03.2013 Hoff, Elke FDP 13.03.2013 Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 13.03.2013 Kolbe, Manfred CDU/CSU 13.03.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Lanfermann, Heinz FDP 13.03.2013 Luksic, Oliver FDP 13.03.2013 Dr. Luther, Michael CDU/CSU 13.03.2013 Mast, Katja SPD 13.03.2013 Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU 13.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 13.03.2013 Montag, Jerzy BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Müller (Köln), Kerstin BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Nahles, Andrea SPD 13.03.2013 Neškovic, Wolfgang fraktionslos 13.03.2013 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 13.03.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 13.03.2013 Pronold, Florian SPD 13.03.2013 Rawert, Mechthild SPD 13.03.2013 Reinhold, Hagen FDP 13.03.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 13.03.2013 Schieder, Werner SPD 13.03.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 13.03.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 13.03.2013 Dr. Schmidt, Frithjof BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13.03.2013 Schreiner, Ottmar SPD 13.03.2013 Strothmann, Lena CDU/CSU 13.03.2013 Dr. Troost, Axel DIE LINKE 13.03.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 13.03.2013 Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 1): Welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung aus der Verhandlung vor dem Europäischen Gerichtshof am 7. März 2013 bezüglich der verpflichtenden elektronischen Einzeltierkennzeichnung von Schafen oder Ziegen, und welche Aktivitäten wird sie ergreifen, um zu einer Bestandskennzeichnung zurückzukehren? Für die Bundesregierung gelten die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 21/2004 des Rates vom 17. Dezember 2003 zur Einführung eines Systems zur Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 sowie der Richtlinien 92/102/EWG und 64/432/EWG. Mit der EG-Verordnung wurde die Kennzeichnung von Schafen und Ziegen nach dem Maul- und Klauenseuchezug im Vereinigten Königreich im Jahr 2001 auf eine neue Rechtsgrundlage gestellt. Das System zur Kennzeichnung und Registrierung von Schafen und Ziegen besteht seither aus dem Kennzeichen zur Identifikation jedes Tieres, einem zu führenden Bestandsregister, Begleitdokumenten und einer elektronischen Datenbank. Solange die Regelung dieser unmittelbar in jedem Mitgliedstaat geltenden Verordnung bezüglich elektronischer Einzeltierkennzeichnung nicht aufgehoben wird, wird die Bundesregierung daran festhalten. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 2): Wie positioniert sich die Bundesregierung zum Vorschlag des Agrarausschusses des Bundesrates vom 4. März 2013, eine verpflichtende Kennzeichnung der Herkunft von Eiern und Eiprodukten in verarbeiteten Lebensmitteln einzuführen? Die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 enthält einen umfassenden Prüfauftrag an die Europäische Kommission betreffend die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln. Dieser Prüfauftrag der EU-Kommission, der von der Bundesregierung begrüßt wird, steht in einem gewissen Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Eiern in verarbeiteten Produkten; denn er umfasst auch die Herkunftskennzeichnung von Erzeugnissen aus einer Zutat sowie von Zutaten, die über 50 Prozent eines Lebensmittels ausmachen. Das würde auch verarbeitete Produkte betreffen, die aus Ei hergestellt worden sind bzw. Ei enthalten. Der Kommissionsbericht muss bis zum 13. Dezember 2014 vorgelegt werden. Die Kommission hat die Arbeiten dazu bereits aufgenommen und für die Folgenabschätzungen Studien in Auftrag gegeben. Dieser Kommissionsbericht sollte abgewartet werden. Ebenso bleiben in Bezug auf die Kennzeichnung von verarbeiteten Eiern in sogenannter loser Ware, zum Beispiel in zubereiteten Speisen in Restaurants, zunächst die Ergebnisse dieses Berichts abzuwarten. Die schwierigen Beratungen zur Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel haben sich über dreieinhalb Jahre erstreckt. Der Unionsgesetzgeber hat während der gesamten Verhandlungsdauer keine Notwendigkeit einer Pflichtkennzeichnung der Haltungsform der Legehennen auf den Verpackungen von Lebensmitteln, die Eier als Zutaten enthalten, gesehen. Auch aus dem Kreis der Länder wurde eine solche Forderung seinerzeit nicht an die Bundesregierung herangetragen. Vor dem EU-rechtlichen Hintergrund sieht die Bundesregierung im Binnenmarkt eine nationale Sonder-regelung für die Kennzeichnung der Haltungsarten der Legehennen als nicht erforderlich an. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 4): Worin bestand die Unterstützung an AFISMA durch die von deutschen Streitkräften in der Luft betankten französischen Flugzeuge, und standen diese unter französischem Kommando oder dem von AFISMA? Die von den deutschen A310 MRTT betankten französischen Luftfahrzeuge leisten ihre Unterstützung für AFISMA durch Bereitstellen der Fähigkeit zur Luftaufklärung oder Luftunterstützung für Operationen zugunsten von AFISMA. Die französischen Flugzeuge stehen dabei unter nationalem Kommando und werden mit dem Ziel eingesetzt, die afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission in Mali nach Ziffer 14 des Beschlussteils der Resolution 2085 (2012) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 2012 vorzubereiten und zu unterstützen. Zur Sicherstellung -einer Beschränkung auf Unterstützungsleistungen zugunsten von AFISMA wurde ein deutsches Verbindungselement bei der zuständigen französischen Kommandobehörde, dem französischen Joint Force Air Component Commander, in Form eines Stabsoffiziers als nationaler "Red Card Holder" etabliert. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 7): Ist es nach Ansicht der Bundesregierung derzeit möglich, durch entsprechende Wahltarife oder andere Angebote der -gesetzlichen Krankenkassen die Versicherungsstruktur zu -optimieren - also durch Anlocken von Versicherten, für die weniger Ausgaben als Einnahmen zu erwarten sind - und so einen höheren Überschuss zu erzielen, und findet eine solche Optimierung durch Wahltarife derzeit statt? Durch die in § 53 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, SGB V, vorgesehene Berechtigung und teilweise Verpflichtung der gesetzlichen Krankenkassen, Wahl-tarife einzuführen, sollen die gesetzlichen Krankenkassen Spielräume erhalten, um spezifischen Nachfrage-interessen ihrer Versicherten - bzw. von Versicherten, die sie im Wettbewerb innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung gewinnen wollen - gerecht zu werden, -indem sie differenzierte Leistungsstandards innerhalb des GKV-Leistungskatalogs anbieten und so neue Wahlmöglichkeiten für die Versicherten schaffen. Durch den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich, Morbi-RSA, in der gesetzlichen Krankenversicherung wird berücksichtigt, dass Krankenkassen eine ungleiche Versichertenstruktur aufweisen. Der Morbi-RSA soll sicherstellen, dass Krankenkassen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Versicherten mit hohem Versorgungsbedarf keine Wettbewerbsnachteile befürchten müssen. Unterschiede in den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder der Krankenkassen werden zudem durch den Gesundheitsfonds ausgeglichen. Insoweit erscheinen etwaige Strategien zur Optimierung der Versichertenstruktur im Sinne der oben genannten Frage wenig Erfolg versprechend. Unabhängig davon enthält § 53 Abs. 9 SGB V die Vorgabe, dass Aufwendungen für jeden Wahltarif jeweils aus Einnahmen, Einsparungen und Effizienzsteigerungen aus diesen Wahltarifen auf Dauer finanziert werden müssen. Diese Regelung zielt darauf, eine Quersubventionierung von Wahltarifen aus den allgemeinen Haushalten der Krankenkassen zu verhindern. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/12647, Frage 8): Wie ist der Stand der Entwicklung des IT-Projekts "ASS-Online" zur internetgestützten Fahrtanmeldung, -verfolgung und -abrechnung für die Binnenschifffahrt, und wann beabsichtigt die Bundesregierung die Einführung der elektronischen Abgabenerhebung in der Binnenschifffahrt, um das laut Betroffenen sowohl für die Schifffahrt wie auch für die Verwaltung derzeit sehr aufwendige Abfertigungssystem abzulösen? Das IT-Projekt "ASS-Online" wird von der Bundes-regierung nicht weiter verfolgt. Die Einführung der elektronischen Abgabenerhebung erfolgt im Zuge der Strukturreform des Gebührenrechtes durch das Bundesgebührengesetz und den dann folgenden allgemeinen und besonderen Gebührenverordnungen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/12647, Frage 9): Wann hält die Bundesregierung das Verfahren zur variantenunabhängigen Untersuchung zum Ausbau der Donau zwischen Straubing und Vilshofen für abgeschlossen, und wann kommt die Bundesregierung zu einer abschließenden Entscheidung, wie dieser Flussabschnitt ausgebaut werden soll? Die unter der Leitung der Wasser- und Schifffahrts-direktion Süd in Würzburg durchgeführten variantenunabhängigen Untersuchungen sind abgeschlossen, die Abschlussberichte wurden bis auf den endgültigen -Bericht der Monitoringgruppe am 15. Januar 2013 der TEN-T Exekutivagentur übersandt. Die Entscheidung über die Art des Ausbaus der -Donau ist einvernehmlich mit dem Freistaat Bayern zu treffen. Dieser hat zum weiteren Vorgehen bereits Ende Februar dieses Jahres einen Kabinettsbeschluss gefasst. Wir werden die Vorschläge prüfen, sowie sie uns von der Bayerischen Staatsregierung übermittelt wurden. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 14): Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Forderungen nach Rückerstattung von Mautbeiträgen ein, die vor dem Hintergrund der Ungültigkeit der Mauthöheverordnung zwischen 2003 und 2007 entsprechend dem Gerichtsurteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Oktober 2012 zu erwarten sind, und aus welchen Titeln des Bundeshaushaltes beabsichtigt die Bundesregierung diese zu decken? Infolge des Gerichtsurteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster vom 25. Oktober 2012 (Az.: 9 A 2054/07) sind beim Bundesamt für Güterverkehr nunmehr insgesamt etwa 6 000 Anträge auf Rückerstattung von Maut eingegangen, die sich entweder unmittelbar auf das vorgenannte Urteil berufen oder auf die in dem Urteil angenommene Unzulänglichkeit der Achsklasseneinteilung. Zudem sind derzeit 27 Erstattungsklagen rechtshängig. Der Umfang der von den Antragstellern geltend gemachten Ansprüche könnte sich nach überschlägigen Hochrechnungen des Bundesamts für Güterverkehr auf Basis der eingereichten Klageforderungen auf bis zu jährlich 1,75 Milliarden Euro belaufen. Nach Auffassung des Bundes sind die Ansprüche nicht begründet. Der Bund hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht Münster hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Verfahrensakten Ende Januar 2013 an das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zur Entscheidung gesandt. Sollte der Fall eintreten, dass Rückforderungsansprüche rechtskräftig zugesprochen werden, müssten diese aus dem Haushaltstitel für die Mauteinnahmen beglichen werden. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Jan Mücke auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 15): Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung für Fragen der Beteiligungsverwaltung bzw. Bundesbeteiligung im Verkehrssektor tätig, und wie schlüsselt sich diese Mitarbeiterzahl auf die einzelnen Beteiligungen auf? Das Beteiligungsreferat im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung besteht derzeit aus 16 Mitarbeitern. Eine Aufstockung um zwei weitere Mitarbeiter wird zeitnah erfolgen. Es ist arbeitsteilig bei Bedarf auch mit Unterstützung der Fachabteilungen tätig. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 16): Für welche zulässigen Nichtverfügbarkeiten und Instandsetzungen eines der beiden Notkühlsysteme im Kernkraftwerk Gundremmingen, die gegen das Bemessungserdbeben ausgelegt sind, ist im Betriebshandbuch festgelegt, dass die Anlage nicht vorher abgefahren werden muss - also im Unterschied zu solchen, die die Bundesregierung im vorletzten Satz ihrer Antwort auf die mündliche Frage 56 im Plenarprotokoll 17/224, Anlage 31 nennt, bei denen die Anlage vorher abgefahren werden muss -, und insbesondere welche konkreten zeitlichen Bedingungen und Dauern regelt das Betriebshandbuch für diese Fälle? Bei Unverfügbarkeit eines der drei Notkühlstränge beträgt die zulässige Zeit für Instandsetzungen unabhängig von der Erdbebenauslegung sieben Tage, bei zwei unverfügbaren Notkühlsträngen zehn Stunden. Gelingt die Instandsetzung in diesen Zeiten nicht, muss die -Anlage abgefahren werden. Ist das Zusätzliche Nachwärmeabfuhr- und Einspeisesystem, ZUNA, bei Instandsetzungen eines Notkühlstranges nicht verfügbar, muss die Funktionsfähigkeit der intakten Nachkühlstränge nachgewiesen werden. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Fragen 20 und 21): Wurde das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Programm AQUA ("Akademikerinnen und Akademiker qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt") der Otto-Benecke-Stiftung e. V., welches Weiterbildungskurse für inländische und ausländische arbeitslose und arbeitsuchende Akademikerinnen und Akademiker anbietet, zu Mitte Februar 2013 eingestellt und, wenn ja, aus welchen Gründen? Welche konkreten Fördermaßnahmen wird die Bundes-regierung einleiten, um zu gewährleisten, dass - trotz der Beendigung des Programmes AQUA - im Ausland qualifizierte Akademikerinnen und Akademiker, die auf die finanzielle Förderung angewiesen sind, weiterhin an nachqualifizierenden Maßnahmen mit dem Ziel der Anerkennung ihres Berufsabschlusses in Deutschland teilnehmen können, und welche konkreten Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung für Ärzte mit Drittstaatsqualifikationen, die bisher über AQUA liefen, werden künftig alternativ angeboten? Zu Frage 20: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung beabsichtigt, die mit dem bisherigen Programm AQUA verbundenen Ziele und Förderschwerpunkte in einen größeren Programmkontext zu überführen. Hierzu werden Gespräche mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BMAS, geführt. Vor diesem Hintergrund soll das bisherige Programm AQUA zum 30. September 2013 auslaufen. Aus Sicht der Bundesregierung wird dem Anliegen der betreffenden Zielgruppen deutlich besser Rechnung getragen, wenn entsprechende Maßnahmen an einer Stelle gebündelt werden und damit sichtbarer und effektiver sein können. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales plant, ein umfassendes Programm zum Thema "Weiterbildung für Migranten" aufzulegen. Zu Frage 21: Das BMAS plant derzeit in Vorbereitung der nächsten ESF-Förderperiode ein Bundesprogramm zur Qualifizierung von Migrantinnen und Migranten im Kontext des Anerkennungsgesetzes. Im Vordergrund sollen dabei folgende Programmelemente stehen: Anpassungsqualifizierungen/-lehrgänge in reglementierten Berufen, Vorbereitung auf die Kenntnis- oder Eignungsprüfung in reglementierten Berufen, Anpassungsqualifizierungen im Bereich der dualen Berufsausbildung - nicht reglementierte Ausbildungsberufe - und Brückenmaßnahmen für Akademikerinnen und Akademiker im nicht reglementierten akademischen Bereich, Externenprüfung bei negativem Ausgang/Prognose des Anerkennungsverfahrens. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 22): Welche konkreten Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus den jüngsten Entscheidungen zur Befreiung der -Industrie von den Netzentgelten nach § 19 der Stromnetzentgeltverordnung, StromNEV - Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 6. März 2013 und die am gleichen Tag erfolgte Einleitung eines Beihilfeverfahrens durch die Europäische Kommission -, und welche konkreten Änderungen plant die Bundesregierung an der StromNEV vorzunehmen? Die Bundesregierung nimmt die Entscheidungen zur Kenntnis und prüft weitere Schritte. Am 5. März 2013 wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie die Ressortabstimmung über eine Änderung der Stromnetzentgeltverordnung eingeleitet, mit der auch für stromintensive Letztverbraucher Regelungen zu individuellen Netzentgelten eingeführt werden sollen. Die Diskussionen mit den Ressorts über diesen Vorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie dauern noch an. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 23): Wie steht die Bundesregierung zu möglichen Maßnahmen im Rahmen des geplanten Freihandelsabkommens zwischen der Europäischen Union und Thailand, die über die Schutzstandards des TRIPS-Abkommens der Welthandelsorganisation hinausgehen und den Handel und bezahlbaren Zugang zu Medikamenten, insbesondere Generika, gefährden können, und wie bewertet sie die mögliche Aufnahme sogenannter Investor-State Dispute Provisions in das geplante Freihandelsabkommen bezüglich deren einschränkenden Auswirkungen auf den legitimen Generikahandel? Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und Thailand sind erst am 5. März 2013 offiziell eröffnet worden. Daher lassen sich derzeit keine Aussagen über seine nähere inhaltliche Ausgestaltung treffen. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass die EU in dem Freihandelsabkommen mit Thailand keine Regelungen anstreben wird, die das Recht Thailands auf Nutzung der sogenannten TRIPS-Flexibilitäten zur Sicherung des Zugangs zu Arzneimitteln einschränken. Im Übrigen sehen die Verhandlungsleitlinien für die Europäische Kommission derzeit nicht vor, ein Investi-tionsschutzkapitel mit Thailand zu vereinbaren. Ob dies zu einem späteren Zeitpunkt geschehen wird, ist offen. Daher können auch noch keine Aussagen über ein mögliches Investitionsschutzkapitel getroffen werden. Bei den sogenannten TRIPS-Flexibilitäten handelt es sich um längere Umsetzungsfristen für Entwicklungs-länder und am wenigsten entwickelte Länder, so etwa Art. 65 Abs. 1, Art. 65 Abs. 2, Art. 65 Abs. 4 und Art. 66 Abs. 1, sowie Normen über technische Unterstützung durch Industrieländer, Art. 67. Darüber hinaus bekräftigt die Erklärung zum TRIPS-Übereinkommen und -öffentlichen Gesundheitswesen die grundsätzliche Zulässigkeit von Zwangslizenzen, Art. 31. Auf der Grundlage von Ziffer 6 dieser Erklärung und einer Entscheidung des Allgemeinen Rates vom 30. August 2003 ist - unter bestimmten Voraussetzungen - die Erteilung von Zwangslizenzen auch für den Export lebenswichtiger Medikamente in Entwicklungsländer zulässig, die über keine hinreichenden Produktionskapazitäten zur Herstellung von Generika verfügen. Diese Erweiterung der TRIPS-Flexibiläten hat die EU längst ratifiziert. Anlage 14 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 24): Wie bewertet die Bundesregierung den jüngsten Beschluss des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, in dem dieser unter anderem beschloss, die humanitäre Hilfe der internationalen Gemeinschaft in Somalia in die dortigen militärischen Strukturen zu integrieren und das Embargo auf den Export von Handfeuerwaffen nach Somalia zu lockern, und welche Haltung nimmt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang gegenüber der durch Ärzte ohne Grenzen geäußerten Kritik an einer derartigen Verzahnung dahin gehend ein, dass dadurch die "humanitären Organisationen" zu "Erfüllungsgehilfen zur Bekämpfung von Aufständen oder zur militärischen Stabilisierung zwangsverpflichtet werden" und hierdurch im Weiteren die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von internationalen Hilfsorganisationen massiv gefährdet wird (Pressemitteilung von Ärzte ohne Grenzen e. V., 28. Februar 2013, www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/pressemitteilungen/2013/pm-2013-02-28)? Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat am 6. März 2013 einstimmig die von Großbritannien, Frankreich, Togo und den Vereinigten Staaten von Amerika eingebrachte Resolution 2093 (2013) zu Somalia verabschiedet. Mit der Resolution 2093 (2013) wird die Mission der Afrikanischen Union in Somalia, AMISOM, bis zum 28. Februar 2014 verlängert. Ferner wird die Einrichtung einer neuen integrierten Mission der Vereinten Nationen in Somalia für Anfang Juni 2013 angekündigt. Das in Somalia aktive Länderteam der Vereinten Nationen, zu dem auch die humanitären Strukturen der Vereinten Nationen gehören, soll erst zum 1. Januar 2014 in die neue Mission integriert werden. Zuständig für die Umsetzung humanitärer Hilfsmaßnahmen der VN bleibt auch hier ein "Humanitärer Koordinator". Dieser untersteht der VN-Nothilfekoordinatorin und ist der Einhaltung humanitärer Prinzipien verpflichtet. In Resolution 2093 (2013) heißt es hierzu ausdrücklich, dass die Neu-tralität und Unabhängigkeit der humanitären Hilfe gewahrt bleiben soll. Mit der Integration aller Strukturen der Vereinten Nationen wird der neuen Mission mehr Gewicht im Koordinierungsprozess übertragen. Dabei geht es nicht darum, die humanitäre Hilfe der internationalen Gemeinschaft in militärische Strukturen zu integrieren - zumal die Präsenz der Vereinten Nationen in Somalia keine mili-tärische Komponente umfasst. Durch die mittelfristig vorgesehene strukturelle Integration des bisherigen Länderteams der Vereinten Nationen in die Mission sollen vielmehr Kohärenz und Effizienz der von den VN übernommenen Aufgaben verbessert werden. Dies entspricht dem von der Bundesregierung unterstützten Ziel der Vereinten Nationen, Hilfe und Unterstützung aus einer Hand zu leisten. Die Suspendierung des Embargos für leichte Waffen, die ebenfalls von der Resolution 2093 (2013) vorgenommen wird, betrifft lediglich die Lieferung an die somalischen Sicherheitskräfte sowie Kräfte, die an der AMISOM-Mission beteiligt sind oder mit AMISOM kooperieren. Es ist weiterhin eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Sanktionsausschuss des VN-Sicherheitsrates vorgesehen. Die Lockerung des Waffenembargos hat zum Ziel, den weiteren Aufbau der somalischen Sicherheitskräfte und ihre Ausstattung zu unterstützen. Dafür hat sich neben der neuen somalischen Regierung, die von der internationalen Gemeinschaft einhellig unterstützt wird, auch die Afrikanische Union ausgesprochen. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat diesem Anliegen durch Resolution 2093 (2013) Rechnung getragen und gleichzeitig festgelegt, dass darüber nach einem Jahr auf der Grundlage der Berichterstattung im Rahmen des Sanktionsregimes sowie angesichts der Lage vor Ort erneut befunden wird. Anlage 15 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 25): Welche Bundesbehörden wurden von der britischen Botschaft am 26. Oktober 2010 über das britische Atomkraftwerksvorhaben Hinkley Point C unterrichtet - bitte vollständige Angabe, falls mehrere; vergleiche hierzu Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 78, Plenarprotokoll 17/224, Anlage 50 -, und welche Bundesbehörden haben nach dieser Unterrichtung am 26. Oktober 2010 gemeinsam oder jeweils für sich darüber entschieden, ob die Bundesregierung Großbritannien um eine entsprechende Notifizierung bzw. grenzüberschreitende Beteiligung bittet oder nicht - bitte jeweils mit Angabe des Entscheidungsergebnisses? Das Auswärtige Amt wurde von der hiesigen Botschaft des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland in einer Informations-E-Mail unter anderem auch über den Standort Hinkley Point unterrichtet. Diese E-Mail geht inhaltlich nicht über bereits öffentlich bekannte Informationen zur britischen Energiepolitik und zu in der Diskussion befindlichen potenziellen Standorten für neue Kernkraftwerke in Großbritannien hinaus. Weitere Details enthielt die E-Mail nicht. Es wurde -darauf hingewiesen, dass noch keine Festlegung auf -einen bestimmten Reaktortyp für die jeweiligen in der Diskussion befindlichen Standorte stattgefunden habe und lediglich der Reaktortyp AP1000 der Firma -Toshiba-Westinghouse sowie der Europäische Druckwasserreaktor, EPR, der Firma Areva die generische -Designzulassung erhalten haben. Eine Unterrichtung weiterer Bundesbehörden durch die Bundesregierung hat aufgrund des geschilderten Charakters der E-Mail nicht stattgefunden. Anlage 16 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 26): Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass die Formulierung neuer Ausnahmen in den Sanktionen gegenüber Syrien, die es ermöglichen sollen, der bewaffneten Opposition militärische Ausrüstung zur Verfügung zu stellen, letztlich mit der Begründung erfolgt, dies diene dem "Schutz der Zivil-bevölkerung", und welche Maßnahmen wurden von der EU beschlossen, um - gerade vor dem Hintergrund der Entführung von UN-Kräften und der aus den Reihen der Opposition verübten terroristischen Anschläge - sicherzustellen, dass die gelieferten Güter allein "für die Zwecke des Schutzes der Zivilbevölkerung" (Beschluss 2013/109/GASP des Rates) verwendet werden? Die Bundesregierung ist überzeugt, dass der Konflikt in Syrien nur über eine Verhandlungslösung beendet werden kann. Ein Dialog zwischen den Konfliktparteien ist prioritäres Ziel der internationalen Gemeinschaft. Die begrenzte Lockerung der Sanktionen dient der Unterstützung der Nationalen Koalition ausschließlich mit nicht tödlichen Gütern. Die bestimmungsgemäße Verwendung internationaler Hilfen liegt in der Verantwortung der Staaten, die im Rahmen ihrer nationalen Gesetzgebung Hilfe zur Verfügung stellen. Anlage 17 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 27): Ist die Bundesregierung (Auswärtiges Amt) bereit, der Fragestellerin den Runderlass vom 6. Dezember 2012 an die Auslandsvertretungen zur Umsetzung des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts 10 C 12.12 als Ablichtung zur Verfügung zu stellen, bitte begründen, und stimmt sie mir zu, dass die entsprechende Weisung für eine korrekte Umsetzung des Urteils enthalten muss, dass von Sprachnachweisen von vorn-herein abgesehen werden muss, wenn sie absehbar aufgrund der persönlichen oder allgemeinen Umstände nicht innerhalb eines Jahres in zumutbarer Weise erworben werden können (Randnummer 28 des Urteils: "... in diesem Fall braucht die Jahresfrist nicht abgewartet zu werden"), sodass es fehlerhaft wäre, in jedem Fall Nachweise über einen vergeblichen mindestens einjährigen zumutbaren Spracherwerb zu verlangen, bitte begründen? Der Runderlass, mit dem die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 10 C 12.12 vom 4. September 2012 umgesetzt wird, weist ausdrücklich darauf hin, dass gemäß dem Urteil dem ausländischen Ehepartner eines Deutschen grundsätzlich nur zumutbare Bemühungen zum Spracherwerb abverlangt werden dürfen und dass hierzu ein zeitlicher Rahmen von einem Jahr nicht überschritten werden darf. Entscheidend ist, dass ernsthafte und nachhaltige Lernanstrengungen plausibel und nachvollziehbar dargelegt werden. Sind entsprechend zumutbare Bemühungen im Herkunftsstaat im Einzelfall nicht möglich, muss die Jahresfrist nicht abgewartet werden. Bei der Zumutbarkeitsprüfung sind insbesondere die Verfügbarkeit von Lernangeboten, deren Kosten, ihre Erreichbarkeit sowie persönliche Umstände, zum Beispiel Krankheit oder anderweitige Unabkömmlichkeit, zu berücksichtigen, die der Wahrnehmung von Lern-angeboten entgegenstehen können. Anlage 18 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Frage 28): Welche Schlussfolgerungen oder Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der jüngsten Entscheidung der Schweizer Regierung, ein geplantes Rüstungsgeschäft über Waffenbauteile zwischen einem Schweizer Unternehmen und Saudi-Arabien nicht zu genehmigen, und hält die Bundesregierung die Begründung, dass mit den Waffen Menschenrechtsverletzungen begangen werden können, für zutreffend? Die Bundesregierung kommentiert die Entscheidungen anderer Regierungen zu Rüstungsexporten nicht. Über Rüstungsexporte entscheidet die Bundesregierung nach Maßgabe der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern aus dem Jahr 2000 und des Gemeinsamen Standpunktes 2008/944/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2008 betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern. Bei jedem Antrag prüft die Bundesregierung sehr gründlich insbesondere die Bedeutung der beantragten Ausfuhr für die Achtung der Menschenrechte, Krite-rium 2 des Gemeinsamen Standpunkts, sowie die Einsatzmöglichkeiten der zu liefernden Rüstungsgüter im Empfängerland. Anlage 19 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 29): Wie begründet die Bundesregierung die Einladung des paraguayischen Außenministers der De-facto-Regierung Paraguays angesichts der Tatsache, dass Vertreter der De-facto-Regierung bisher von keinem anderen Land eingeladen worden sind bzw. beim Iberoamerika-Gipfel 2012 von Cadiz/Spanien als unerwünscht ausgeladen und von Mercosur (Gemeinsamer Markt Südamerikas) und UNASUR (Union Südamerikanischer Nationen) bis zur Wiederherstellung der Demokratie ausgeschlossen worden sind? Deutschland unterhält mit der Republik Paraguay langjährige und freundschaftliche Beziehungen. Die Regierung von Frederico Franco ist seit dem Amtsenthebungsverfahren gegen Ex-Präsident Lugo am 22. Juni 2012 im Amt. Die Regierung ist nach Einschätzung der Bunderegierung handlungsfähig und wird vom paraguayischen Volk akzeptiert. Präsident Franco hat unmittelbar nach der Amtsübernahme die Wahrung der Menschenrechte und die turnusmäßige Durchführung demokratischer Wahlen am 21. April 2013 zugesagt. Er selbst hat eine eigene Kandidatur bei diesen Wahlen ausgeschlossen. Die Bundesregierung bestärkt Paraguay in diesem Vorgehen. Außenminister Fernández Estigarribia wird auf der von Ihnen angesprochenen Reise Gespräche in Deutschland und Großbritannien führen, unter anderem mit dem Bundesminister des Auswärtigen Dr. Guido Westerwelle sowie dem britischen Außenminister William Hague. Zu der Entscheidung über die Suspendierung der Mitgliedsrechte in UNASUR und Mercosur, sowie die Nichteinladung Paraguays zum Iberoamerika-Gipfel nimmt die Bundesregierung keine Stellung. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die lateinamerikanischen Re-gionalorganisationen sehr unterschiedlich auf das Amtsenthebungsverfahren gegen Expräsident Lugo reagiert haben. So wurden die Mitgliedsrechte Paraguays zum Beispiel in der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten, CELAC und der Organisation Amerikanischer Staaten, OAS, nicht suspendiert. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Druck-sache 17/12647, Frage 30): Welche Aufgaben werden den afghanischen Polizeikräften, inklusive afghanischer lokaler Polizei und gegebenenfalls Milizen, für die zukünftige Operationsführung in Afghanistan im Einzelnen zugedacht, unter besonderer Berücksichtigung des Operationsplanes, der laut Unterrichtung durch die Bundesregierung ab 21. März 2013 in Kraft treten soll, und welche veränderten Aufgaben kommen in diesem Zusammenhang auf die im Rahmen von EUPOL Afghanistan oder dem bilateralen Polizeiprojektteam eingesetzten deutschen Polizistinnen und Polizisten zu? Der afghanische Operationsplan wird derzeit durch das Einsatzführungskommando der Bundeswehr aus-gewertet. Eine grundlegende Aufgabenänderung für die eingesetzten deutschen Polizistinnen und Polizisten ist nicht beabsichtigt. Die deutsche Polizei wird auch zukünftig nicht operativ tätig sein, sondern sich auf das Training und Mentoring der afghanischen Polizei konzentrieren. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 31): Was genau hat sich in den vergangenen neun Monaten an der Lageeinschätzung der Bundesregierung in Bezug auf Rumänien und Bulgarien zum Negativen verändert, sodass sich Deutschland auf EU-Ebene nicht mehr aktiv, wie noch Mitte letzten Jahres, für einen stufenweisen Schengen-Vollbeitritt der beiden Länder einsetzt, und was genau liegt der Bundesregierung an belastbaren Informationen zu angeblichen Mängeln bzw. Korruption im Bereich der Grenzkontrollen und Visumerteilung in beiden Ländern vor? Bei der Entscheidung über die Schengen-Vollanwendung von Bulgarien und Rumänien bedarf es einer Gesamtbetrachtung. Dabei spielen die nach wie vor bestehenden Defizite in beiden Ländern bei der Reform des Justizwesens und insbesondere bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität eine wesentliche Rolle. Die Europäische Kommission, KOM, führt hierzu seit dem EU-Beitritt von Bulgarien und Rumänien im Jahr 2007 ein Kooperations- und Kontrollverfahren durch, CVM - Mechanism for Cooperation and Verification. Auf die Zusammenhänge mit einer besonderen Relevanz für das Schengen-System hat Deutschland zusammen mit Frankreich schon Ende 2010 hingewiesen. Die im Bereich des CVM festgestellten Mängel in beiden Ländern geben nach wie vor Anlass zur Sorge. Zwar hat die Kommission in den Jahresberichten Mitte 2012 festgestellt, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen in beiden Ländern weitgehend erfüllt sind. Probleme bestehen aber insbesondere bei einer effizienten Implementierung. Die Kommission empfahl daher, für beide Länder das CVM-Verfahren beizubehalten. Eine Besonderheit des Berichts zu Rumänien war, das die Kommission auf die Verfassungskrise, "Amtsenthebungsverfahren Staatspräsident Basescu", und damit die Sorge hinsichtlich der Missachtung demokratischer Grundwerte und der Unabhängigkeit der Justiz deutlich hingewiesen hat. Die Kommission sah durch diese Krise in Rumänien die Nachhaltigkeit und die Unumkehrbarkeit der bisher erreichten CVM-Fortschritte bedroht und hat für Rumänien einen Sonderbericht angekündigt. In diesem Sonderbericht vom Januar 2013 benennt die Kommission zwar einige Fortschritte, verweist aber deutlich auf die nach wie vor bestehenden Defizite im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung und gibt der rumänischen Regierung mit neuen Empfehlungen konkrete Handlungsanweisungen bis zum nächsten Berichtszeitpunkt Ende 2013. Der mündliche CVM-Bericht der Kommission zu Bulgarien vom 4. Februar 2013 sieht ebenfalls noch erheblichen Handlungsbedarf angesichts zahlreicher Defizite. Die Bundesregierung teilt diese Bedenken und hat ihre Skepsis gegenüber einer insoweit verfrühten Schengen-Vollanwendung wiederholt auf zurückliegenden Sitzungen des JI-Rates und in den Vorbereitungsgremien des Rates dargelegt. Die Bundesregierung ist daher der Auffassung, dass die Schengen-Vollanwendung in beiden Ländern derzeit nicht entscheidungsreif ist. Die regulären CVM-Jahresberichte Ende 2013 sollen abgewartet und in die Entscheidung einbezogen werden. Auf dem JI-Rat am 7. März wurde diese Position von anderen Mitgliedstaaten unterstützt. Der Ratsvorsitz hat daraufhin festgestellt, dass der Rat Ende des Jahres auf die Frage der Schengen-Vollanwendung auf Grundlage des zweistufigen Verfahrens zurückkommen werde. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 32): Wie ist der Stand der Verhandlungen über das Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Mexikanischen Staaten über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich, und hat sich durch die Wahl von Enrique Pena Nieto zum Präsidenten etwas an der Verhandlungsposition der mexikanischen Seite verändert? Die Verhandlungen zu einem Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Vereinigten Mexikanischen Staaten über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich dauern an. Die Verhandlungsposition der mexikanischen Seite hat nach der Wahl von Präsident Nieto keine wesentliche Veränderung erfahren. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 33): Welche Kompromisse bzw. Positionsänderungen durch die neue Regierung Zyperns oder die Troika waren die Gründe für die Einigung in den Verhandlungen über Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus im Zuge des Euro-Gruppentreffens am 4. März 2013, und welche Rolle hat in den Verhandlungen die Frage gespielt, ob und inwieweit staatliche bzw. teilstaatliche zyprische Unternehmen privatisiert werden? Die Beratungen zum Hilfeantrag Zyperns dauern an. Eine Einigung ist bisher nicht erfolgt. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Fragen 34 und 35): Welche Berechnungen bilden die Grundlage für die Bedenken der Bundesregierung, die Finanztransaktionsteuer führe zu zusätzlichen Belastungen für durchschnittliche Sparerinnen und Sparer? Teilt die Bundesregierung die Berechnungen und Schlussfolgerungen von Professor Dr. Max Otte in seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages am 17. Mai 2010, denen zufolge die Einführung der Finanztransaktionsteuer zu sinkenden Gebühren durch weniger Umschichtungen im Portfolio führe und dadurch insgesamt geringere Belastungen für durchschnittliche Sparerinnen und Sparer entstünden - bitte ausführlich begründen? Zu Frage 34: Die Europäische Kommission hat am 14. Februar 2013 ihren Vorschlag für eine Richtlinie über die Umsetzung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionsteuer vorgelegt und ihn am 21. Februar 2013 den Mitgliedstaaten vorgestellt. Deutschland hat den Richtlinienvorschlag ausdrücklich begrüßt. Er enthält eine breite Bemessungsgrundlage, wie es die Bundesregierung stets gefordert hat. Damit entspricht der Vorschlag in diesem Punkt auch unseren gemeinsamen Vereinbarungen im Pakt für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung. Im Pakt wurden allerdings weitere wichtige Anforderungen niedergelegt, denen die Finanztransaktionsteuer genügen soll. Die Steuer ist danach so auszugestalten, dass negative Folgen auf Instrumente der Altersvorsorge, auf die Kleinanleger sowie die Realwirtschaft vermieden werden. In den Beratungen über den Richtlinienvorschlag, die gerade erst begonnen haben, werden diese Punkte eingebracht und genau zu erörtern sein. Zu Frage 35: Der Bundesregierung sind die Berechnungen und Schlussfolgerungen von Herrn Professor Otte bekannt. Wie zutreffend dargestellt, hat er seine Einschätzung im Mai des Jahres 2010 vorgelegt. Zu diesem Zeitpunkt waren weder der Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission vom 28. September 2011 für ein EU-weites Finanztransaktionsteuersystem noch der Vorschlag für die verstärkte Zusammenarbeit vom 14. Februar 2013 bekannt. Die Berechnungen von Herrn Professor Otte aus dem Jahr 2010 konnten demgemäß die konkreten Vorschläge für die Ausgestaltung der Finanztransaktionsteuer, die sich maßgeblich auf die Steuerbelastung auswirken, nicht berücksichtigen. Jedoch lässt sich generell sagen, dass Wertpapierportfolios, die ihren Bestand häufig umschlagen, höhere -Finanztransaktionsteuerzahlungen haben werden als langfristig investierende Fonds mit geringen Umschlagshäufigkeiten. Die Finanztransaktionsteuer könnte Anreize setzen, die Umschlagshäufigkeiten zu verringern. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 36): Stimmt die Bundesregierung mit der Sichtweise des Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 28. Februar 2013, C-168/11) überein, dass die Ermittlung des Anrechnungshöchst-betrags nach § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes, EStG, unter Bezugnahme auf den Quotienten aus ausländischen Einkünften und der Summe der Einkünfte gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt, und plant die Bundesregierung diesbezüglich eine Änderung des § 34 c Abs. 1 EStG? In seinem Urteil vom 28. Februar 2013 in der Rechtssache C-168/11 hat der Europäische Gerichtshof aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesfinanzhofs entschieden, dass die in § 34 c Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz vorgesehene Methode zur -Berechnung des Höchstbetrags für die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Arbeitsweise der Europäischen Union verstößt, weil sie die Kosten der persönlichen -Lebensführung sowie der personen- und familienbezogenen Umstände des Steuerpflichtigen nicht vollständig berücksichtigt. Die Bundesregierung ist deshalb gehalten, das nationale Einkommensteuerrecht in diesem Punkt entsprechend auszugestalten. Entsprechende Maßnahmen werden zurzeit vorbereitet. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 37): Aus welchem Grund erfolgt nach § 8 des Zerlegungsgesetzes lediglich eine Zerlegung der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6, 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 EStG und nicht auch nach den übrigen Komponenten der Kapitalertragsteuer nach § 43 EStG, zum Beispiel Kapitalertragsteuer auf Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, und inwieweit hält die Bundesregierung die derzeit praktizierte -Zerlegung sachgerecht für die regionale Zuordnung der Kapitalertragsteuer zwecks Aufteilung auf die Gebietskörperschaften? Mit der Zerlegung der Kapitalertragsteuer nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6, 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 Einkommensteuergesetz, EStG - also insbesondere der Kapitalertragsteuer auf Zinserträge -, wird berücksichtigt, dass die Steuererträge der Gebietskörperschaft zufließen, in der der Gläubiger der Kapitalerträge seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Diese Zuordnung war in der Vergangenheit bei der Kapitalertragsteuer auf Gewinnausschüttungen nicht möglich, da die Einbehaltung der Kapitalertragsteuer beim ausschüttenden Unternehmen erfolgte und dieses regelmäßig den Wohnsitz oder Sitz der Gläubiger der Kapitalerträge nicht kannte. So waren zum Beispiel den DAX-Unternehmen nicht die einzelnen Daten ihrer Aktionäre bekannt. Auch bei Einführung der Abgeltungsteuer durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 sah der Gesetz-geber keine Notwendigkeit, diese Verfahrensweise zu ändern. Entsprechendes gilt für das im Jahr 2011 ab-geschlossene OGAW-IV-Umsetzungsgesetz, bei dem die Frage der Zerlegung gleichfalls relevant wurde. Da es sich bei der vorliegenden Materie maßgeblich um Verteilungsfragen zwischen den Ländern handelt und der Bundesrat in beiden Gesetzgebungsverfahren seine Zu-stimmung erteilte, ohne eine Änderung der geltenden Zerlegungssystematik zu beantragen, sieht die Bundesregierung keine Veranlassung für eine Änderung der Rechtslage. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 38): Welche rechtlichen Beschränkungen existieren bei grenzüberschreitenden Organschaftstrukturen nach der Neuregelung durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts, da üblicherweise nach ausländischem Recht keine Gewinnabführungsverträge abgeschlossen werden können, und welche Pläne verfolgt die Bundesregierung bezüglich der Einführung einer Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage auf EU-Ebene? Die Frage besteht aus zwei eigenständigen Teilfragen, die ich gerne wie folgt beantworte: Erstens. Zur grenzüberschreitenden Organschaft: Für die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft ist - wie bisher auch - der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags notwendig. Entsprechend § 17 Körperschaftsteuergesetz ist dabei nicht erforderlich, dass der Gewinnabführungsvertrag direkt den -aktienrechtlichen Regelungen in §§ 291 ff. Aktiengesetz unterliegt, sondern es muss sich um einen Vertrag handeln, der den Wirkungen eines Gewinnabführungsvertrags nach dem deutschen Aktiengesetz entspricht. Für die Möglichkeit des Abschlusses eines solchen Vertrags kommt es bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft auch auf das ausländische Gesellschaftsrecht an. Inwieweit ausländisches Gesellschaftsrecht den Abschluss solcher Verträge ermöglicht, ist nicht bekannt. Zweitens. Zur Gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage - GKKB: Die Bundesregierung setzt sich in einem ersten Schritt für die Erörterung der Vorschriften über eine -Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage - zunächst also ohne Konsolidierung und Aufteilung - ein. Dies entspricht auch einem kürzlich unterbreiteten Vorschlag der irischen Ratspräsidentschaft. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 39): Welches Kriterium erachtet die Bundesregierung als ökonomisch zielführend, um bei Einkommenszuwächsen infolge von Inflationsausgleichen die individuelle Steuermehrbelastung zu quantifizieren, die auf die Effekte aus der kalten Progression entfallen, und mit welchem gesamtwirtschaftlichen Steuermehraufkommen durch die kalte Progression rechnet die Bundesregierung jeweils in den Jahren 2011 bis 2014? Zum ersten Teil der Frage, den individuellen Steuermehrbelastungen, nehme ich wie folgt Stellung: Aufgrund der Progression im Einkommensteuertarif steigt bei Einkommenszuwächsen die zu zahlende Steuer prozentual stärker als das Einkommen an, das heißt der Durchschnittssteuersatz steigt. Unter "kalter Progression" wird ein Anstieg des Durchschnittssteuersatzes verstanden, der bei einer Einkommenserhöhung zum Ausgleich der Inflation auftritt. Ökonomisches Kriterium zur Quantifizierung von Steuermehrbelastungen durch die kalte Progression ist daher der Anstieg des Durchschnittssteuersatzes. Die Berechnung der individuellen Steuermehrbelastung erfolgt somit durch einen Belastungsvergleich zwischen den Durchschnittssteuersätzen vor und nach einer infla-tionsausgleichenden Einkommenserhöhung. Gesamtwirtschaftliches Steuermehraufkommen: Das im zweiten Teil Ihrer Frage angesprochene gesamtwirtschaftliche Steuermehraufkommen in den Jahren 2011 bis 2014 aufgrund des Effekts der kalten Progression wird vom BMF auf jährlich knapp 3 Milliarden Euro beziffert. Dieses Resultat deckt sich mit der Faustregel des Sachverständigenrates, der von "heimlichen Steuererhöhungen" in Höhe von jährlich 3 Milliarden Euro ausgeht, so auch in seinem Jahresgutachten 2011/2012 auf Seite 211. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12647, Fragen 40 und 41): Wann legt die Bundesregierung Eckpunkte für ein Familiensplittingmodell vor - wie kürzlich von der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Kristina Schröder, und der Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Dr. Ursula von der Leyen, in Aussicht gestellt -, und mit -welchem zeitlichen Horizont plant die Bundesregierung die Einführung? Mit welchen Kosten rechnet die Bundesregierung für ein Familiensplitting, und ab welchem Einkommen profitieren beispielsweise Familien mit einem, zwei und drei Kindern im Vergleich zu heute? Zu Frage 40: Im Zusammenhang mit der Diskussion über das Ehegattensplitting wird auch erörtert, ob und wie Familien mit Kindern steuerlich bessergestellt werden können. Hierbei gibt es eine Reihe von Fragen zu bedenken, um in der nächsten Legislaturperiode einen Weg zu finden. Zu Frage 41: Die Frage nach den Kosten für die Einführung eines Familiensplittings lässt sich pauschal nicht beantworten. Die Bezifferung hängt von der konkreten Ausgestaltung des Modells ab. Auch die Frage, wann ein Familiensplitting für eine Familie im Vergleich zur heute geltenden Familienbesteuerung entlastend wirkt, lässt sich, da es noch keine endgültige Entscheidung über ein Ob und Wie eines Modells gibt, nicht beantworten. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) (Drucksache 17/12647, Frage 42): Welche nationalen und internationalen Studien liegen der Bundesregierung zu berufsbedingten Erkrankungen des Bewegungsapparates von Seeleuten, Hochsee, vor, und warum gibt es bislang keinen Eintrag zu Seeleuten in der Berufskrankheiten-Verordnung? Der Bundesregierung liegen weder nationale noch internationale Studien vor, die sich mit berufsbedingten Erkrankungen des Bewegungsapparates von Seeleuten, Hochsee, befassen. Eine Berufskrankheit ist nach § 9 Abs. 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch, SGB VII, eine Krankheit, welche die Bundesregierung in der Berufskrankheiten-Verordnung bezeichnet. Der Verordnungsgeber ist bei der Bezeichnung nicht frei, sondern an die Voraussetzungen gebunden, dass die Krankheit nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht ist, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Die Berufsgruppe der Seeleute, Hochsee, ist in der Berufskrankheiten-Verordnung nicht ausdrücklich genannt. Jedoch sind die in der Berufskrankheiten-Verordnung normierten Erkrankungen des Bewegungsapparates hinsichtlich des Kreises der Versicherten offen formuliert. Grundsätzlich kann also jede Berufsgruppe betroffen sein, soweit sie der in der Verordnung bezeichneten bzw. für die Berufskrankheit geforderten körperlichen Belastung während der versicherten Tätigkeit ausgesetzt war. Demzufolge ist es nicht erforderlich, die Personengruppe der Seeleute namentlich in der Berufskrankheiten-Verordnung zu nennen, da auch bei ihnen eine Erkrankung des Bewegungsapparates anerkannt werden kann, soweit die Tatbestandsvoraussetzungen einer in der Verordnung aufgelisteten Berufskrankheit vorliegen. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Fragen der Abgeordneten Anette Kramme (SPD) (Drucksache 17/12647, Fragen 43 und 44): Trifft es zu, dass die sogenannte Leitungsklausur des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales am 7./8. März 2013, auf der die inhaltlichen Schwerpunkte für das Kalenderjahr 2013 diskutiert worden sind, von der Beratungsgesellschaft McKinsey & Company, Inc. vorbereitet und durchgeführt wurde, und welche besonderen Vorteile hat sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales durch die Nutzung der Dienstleistungen von McKinsey & Company, Inc. versprochen? Welche genauen Dienstleistungen hat das Beratungsunternehmen McKinsey & Company, Inc. bei der sogenannten Leitungsklausur des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales am 7./8. März 2013 erbracht, und in welcher Höhe sind diese vergütet worden? Zu Frage 43: Am 7. und 8. März 2013 wurde die Leitungsklausur des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durchgeführt. Die jährlichen Leitungsklausuren sind wesentlicher Bestandteil der seit 2010 im Bundesministerium für Arbeit und Soziales eingeführten Zielsteuerung, mit der die politisch-strategische Schwerpunktbildung des Hauses unterstützt wird. Die Vorbereitung und Nachbereitung der Leitungsklausuren obliegt dem Referat LS 3 "Zielplanung, Zielsteuerung". Die Durchführungen der Leitungsklausuren sind stets durch externe Moderation begleitet worden. Es wurde bei jeweils drei Firmen wegen eines Angebots angefragt. In diesem Jahr wurde McKinsey & Company beauftragt. Die Bearbeitung besteht aus einer Vorphase, der Begleitung während der zweitägigen Klausur und einer Nachphase. In der Vorphase wird die Aufbereitung der Bilanz und der vorausschauenden Planung der Arbeit des Hauses mit Blick auf die Leitungsklausur unterstützt. In der Nachphase erfolgt die Sicherung der Ergebnisse der Leitungsklausur für die weitere zielorientierte Arbeit des Hauses. Dieses Vorgehen trägt zum Erfolg der Arbeit bei. Die Methode der Moderierung hat dazu den Vorteil, Fragestellung an die Abteilungen von unabhängiger dritter Seite zu entwickeln und zur Bearbeitung vorzubereiten. Zu Frage 44 : Leistungsgegenstand des Vertrages mit McKinsey & Company war die Moderation, Gesprächsführung und Dokumentation der Leitungsklausur - mit zwei Moderatoren - sowie die Unterstützung des zuständigen Referates LS 3 "Zielplanung, Zielsteuerung" im Bundesministerium für Arbeit und Soziales bei der Vorbereitung und Ergebnissicherung der Leitungsklausur. Die Vergütung von McKinsey & Company beläuft sich auf einen Festpreis von 14 500 Euro ohne Mehrwertsteuer. Das Vorgehen erspart kontinuierliche Personalkosten für die Bearbeitung. Ansonsten wäre dafür Personal in höherer Besoldungsgruppe erforderlich. Im Ergebnis ist diese Handhabung erheblich kostengünstiger. Anlagen II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 227. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. März 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 227. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. März 2013 V Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 28378 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 227. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. März 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 227. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 13. März 2013 28379