Plenarprotokoll 17/230 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 230. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 20. März 2013 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Bärbel Bas (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Karin Binder (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Jens Ackermann (FDP) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Harald Weinberg (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Mechthild Rawert (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Bärbel Bas (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Harald Weinberg (DIE LINKE) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Steffen-Claudio Lemme (SPD) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde (Drucksachen 17/12763, 17/12811) Dringliche Frage 1 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaiger Stopp von Förderprogrammen zur Elektromobilität, zur Entwicklung von Stromspeichern und für den Waldklimafonds Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Bärbel Kofler (SPD) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Matthias Miersch (SPD) Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ute Vogt (SPD) Frank Schwabe (SPD) Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dringliche Frage 2 Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Privatisierung zypriotischer Unternehmen Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Alexander Ulrich (DIE LINKE) Dringliche Frage 3 Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Erwähnung der Verpfändung von potenziellen zukünftigen Einnahmen aus der Ausbeutung von Gas und anderen Rohstoffen in Abkommen im Zusammenhang mit Kredithilfen für Zypern Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Dringliche Frage 4 Alexander Ulrich (DIE LINKE) Beteiligung von institutionellen Anlegern, Kapitalgesellschaften und Banken an der Zwangsabgabe auf Einlagen bei zyprischen Banken Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Alexander Ulrich (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Dringliche Frage 5 Alexander Ulrich (DIE LINKE) Etwaige Erstattung der Zwangsabgabe auf Einlagen bei zyprischen Banken für britische Staatsbürger Antwort Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatzfragen Alexander Ulrich (DIE LINKE) Dr. Diether Dehm (DIE LINKE) Mündliche Frage 2 Rainer Arnold (SPD) Auswirkungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie auf Einsatzzeit und Einsatzdauer von zivil besetzten Schiffen der Bundeswehr und die Einsatzfähigkeit der Flotte Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfrage Rainer Arnold (SPD) Mündliche Frage 3 Rainer Arnold (SPD) Lösungen für das Überschreiten der wöchentlichen Arbeitszeit bei zivil besetzten Schiffen der Bundeswehr Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Rainer Arnold (SPD) Mündliche Frage 4 Karin Evers-Meyer (SPD) Ausnahmeregelungen bezüglich der EU-Arbeitszeitrichtlinie für das Personal von zivil besetzten Schiffen der Bundeswehr Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Karin Evers-Meyer (SPD) Mündliche Frage 5 Karin Evers-Meyer (SPD) Sicherstellung des dauerhaften Betriebs auf zivil besetzten Schiffen beim Überschreiten der wöchentlichen Arbeitszeit wegen Einsatzgründen und Übungseinsätzen im Fall von Frankreich und Dänemark Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Karin Evers-Meyer (SPD) Fritz Rudolf Körper (SPD) Mündliche Frage 6 Lars Klingbeil (SPD) Steigerung der Attraktivität der Bundesfeuerwehr Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Lars Klingbeil (SPD) Mündliche Frage 7 Fritz Rudolf Körper (SPD) Auswirkungen der Wehrpflichtaussetzung auf die Personalgewinnung des Militärischen Abwehrdienstes Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Fritz Rudolf Körper (SPD) Mündliche Frage 8 Fritz Rudolf Körper (SPD) Konsequenzen des geplanten Afghanistan-Abzugs für die Arbeit des Militärischen Abschirmdienstes Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Mündliche Frage 18 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Qualifizierung von Hartmut Mehdorn für den Vorsitz der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Zusatzfragen Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 20 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kosten der Energiewende und Aussagen von Bundesminister Altmaier zur entsprechenden Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 21 Oliver Kaczmarek (SPD) Resultate der Kampagne "Lesen & Schreiben - Mein Schlüssel zur Welt" Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Oliver Kaczmarek (SPD) Mündliche Frage 25 Dr. Sascha Raabe (SPD) Inhaltliche Einflussnahme des BMZ auf von ihr geförderte Publikationen für Nichtregierungsorganisationen Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) Mündliche Frage 26 Dr. Sascha Raabe (SPD) Etwaiger Verzicht von Nichtregierungsorganisationen auf die Veröffentlichung von Publikationen wegen möglicher inhaltlicher Einflussnahme des BMZ Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Zusatzfragen Dr. Sascha Raabe (SPD) Mündliche Frage 29 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Treffen des Gemeinsamen Ausschusses der sogenannten Trilogstaaten des Vertrags von Almelo Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Probleme beim Nord-Ostsee-Kanal - Auswirkungen der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer auf den maritimen Wirtschaftsstandort Reinhard Meyer, Minister (Schleswig-Holstein) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister BMVBS Herbert Behrens (DIE LINKE) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gero Storjohann (CDU/CSU) Johannes Kahrs (SPD) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Bettina Hagedorn (SPD) Matthias Lietz (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Torsten Staffeldt (FDP) Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) Uwe Beckmeyer (SPD) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Mündliche Frage 1 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Auswirkungen fehlender Einnahmen beim Energie- und Klimafonds für Projekte des Waldklimafonds; Reformbedarf beim Emissionshandel Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 3 Mündliche Frage 9 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnisse der Bundesregierung über Tätigkeiten von AFISMA in Mali Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 4 Mündliche Frage 10 Christel Humme (SPD) Fortführung des Projekts "Schulverweigerung - Die 2. Chance" Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 5 Mündliche Frage 11 Christel Humme (SPD) Finanzierung des Projekts "Schulverweigerung - Die 2. Chance" Antwort Dr. Hermann Kues, Parl. Staatssekretär BMFSFJ Anlage 6 Mündliche Frage 12 Bärbel Bas (SPD) Beteiligung des Bundes zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen nach § 221 SGB V ab dem Jahr 2014 Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 7 Mündliche Frage 13 Bärbel Bas (SPD) Erbringung versicherungsfremder Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung Antwort Ulrike Flach, Parl. Staatssekretärin BMG Anlage 8 Mündliche Frage 14 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bearbeitungszeiten des Eisenbahn-Bundesamtes für die Zulassung von Fahrzeugen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 9 Mündliche Frage 15 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bedeutung des besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrages für Projekte des Fernstraßenausbaugesetzes Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 10 Mündliche Frage 16 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Umsetzung der Forderungen 3 bis 5 aus dem Entschließungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften (Bundestagsdrucksache 17/10859) Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 11 Mündliche Frage 17 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Erhöhung des Gewichts von Reisebussen durch die Ausrüstung mit barrierefreien Einstiegen Antwort Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 12 Mündliche Frage 19 Veronika Bellmann (CDU/CSU) Auswirkungen der Verordnung zur Än-derung der Vorschriften über elektroma-gnetische Felder und das telekommuni-kationsrechtliche Nachweisverfahren auf genehmigte Anlagen für den BOS-Digitalfunk in Sachsen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 13 Mündliche Frage 22 Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhalt der sogenannten Studienergänzungen als wesentliches Element von AQUA (Akademikerinnen und Akademiker qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt) Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 14 Mündliche Frage 23 Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zuordnung des Programms AQUA zur Weiterbildung von Migrantinnen und Migranten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 15 Mündliche Frage 24 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Integration des Ziels der Nichtdiskriminierung und Gleichheit in die Post-2013-Entwicklungsagenda Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 16 Mündliche Fragen 27 und 28 Niema Movassat (DIE LINKE) Bilaterale finanzielle Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia Antwort Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin BMZ Anlage 17 Mündliche Frage 30 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewährleistung der nuklearen Nichtverbreitung, Sicherung der Technologie und wirtschaftlichen Solidität beim Urananreicherungsunternehmen URENCO im Fall des anstehenden Verkaufs der deutschen Anteile Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 18 Mündliche Frage 31 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Änderung der Markscheider-Bergverordnung Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 19 Mündliche Frage 32 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung des lateinamerikanischen Netzwerks zur Prävention von Völkermord und Massenverbrechen und des afrikanischen Netzwerks zur Prävention schwerster Menschenrechtsverletzungen Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 20 Mündliche Frage 33 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Funktion von Hauptmann Amadou Sanogo als Vorsitzender des Komitees für die Reform der malischen Streitkräfte Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 21 Mündliche Frage 34 Heike Hänsel (DIE LINKE) Etwaige Waffenlieferungen an die Opposition in Syrien; Aussichten auf eine politische Lösung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 22 Mündliche Frage 35 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Transit von Kämpfern und Waffen aus dem Libanon nach Syrien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 23 Mündliche Frage 36 Andrej Hunko (DIE LINKE) Deutsche und europäische Unterstützung für die sogenannte Sicherheitssektorreform in Tunesien Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 24 Mündliche Frage 37 Andrej Hunko (DIE LINKE) Austausch mit den Behörden Belgiens von Informationen zu den diesjährigen Protesten gegen das Krisenmanagement der EU sowie von Informationen über die "Police Working Group on Terrorism" in den letzten fünf Jahren Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 25 Mündliche Frage 38 Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Zunahme des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit infolge der Optionsregelung des Staatsangehörigkeitsgesetzes Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 26 Mündliche Frage 39 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Koordination einer Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aus der Krisenregion um Syrien auf EU-Ebene Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 27 Mündliche Fragen 40 und 41 Gustav Herzog (SPD) Auswirkung der Novellierung des Bun-desgebührengesetzes auf die Binnen- und -Seeschifffahrt und Vereinbarkeit der Gebührenanlastung für die Nutzung der Bundeswasserstraße mit den Klimaschutzzielen der Bundesregierung Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 28 Mündliche Fragen 42 und 43 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Legislativvorschläge der Europäischen Kommission für ein Einreise-/Ausreise-System (EES) und ein Registrierprogramm für Reisende (RTP); Zugriff der Polizei auf die gesammelten Daten von EU-Ausländern Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 29 Mündliche Frage 44 Lars Klingbeil (SPD) Auswirkungen der geplanten Novellierung von § 79 des Bundesbesoldungsgesetzes auf die Beamten im Einsatzdienst der Bundesfeuerwehr Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 30 Mündliche Frage 45 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bestätigung der V-Leute-Freiheit des Materials für die am 7. Dezember 2012 beschlossene Beantragung eines NPD-Verbotsverfahrens durch die Innenministerinnen und Innenminister der Länder Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 31 Mündliche Frage 46 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte für ein erfolgreiches NPD-Verbotsverfahren Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 32 Mündliche Frage 47 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen NPD-Mitglieder unter anderem wegen Volksverhetzung und der Billigung von Straftaten Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 33 Mündliche Frage 48 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Umsetzung der gesetzlichen Deckelung von Managergehältern nach Schweizer Vorbild Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 34 Mündliche Frage 49 Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Angemessenheit der aktuellen Erteilungspraxis des Europäischen Patentamts Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 35 Mündliche Frage 50 Manfred Kolbe (CDU/CSU) Ermittlung einer ladungsfähigen Anschrift des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Sächsischen Landesbank Michael Weiss Antwort Dr. Max Stadler, Parl. Staatssekretär BMJ Anlage 36 Mündliche Frage 51 Manfred Kolbe (CDU/CSU) Vereinbarkeit der Gewährung eines Hilfspaketes für Zypern mit der Tatsache einer nicht erfolgreichen Vorladung des in -Zypern lebenden ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Sächsischen Landesbank Michael Weiss Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 37 Mündliche Frage 52 Manfred Zöllmer (SPD) Situation in Irland insbesondere im Bankensektor Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 38 Mündliche Frage 53 Manfred Zöllmer (SPD) Belastungsrisiko des Bundeshaushalts bei einer eigenständigen Refinanzierung Irlands nach Auslaufen des Hilfsprogramms Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 39 Mündliche Fragen 54 und 55 Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung Irlands bei einer eigenständigen Refinanzierung über den Kapitalmarkt nach Auslaufen des Hilfsprogramms Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 40 Mündliche Frage 56 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Anrechnung ausländischer Steuern Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 41 Mündliche Frage 57 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Verfassungsrechtliche Vorgaben bei der Einführung eines Familiensplittings; Fehlanreize des Ehegattensplittings hinsichtlich der Förderung von Familie und Kindern Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 42 Mündliche Frage 58 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Erbschaftsteuerliche Begünstigung sogenannter Cash-GmbHs Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 43 Mündliche Frage 59 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Unterbinden von Steuerstundungsmodellen mit dem Handel von wertvollen Wirtschaftsgütern im Umlaufvermögen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 44 Mündliche Fragen 60 und 61 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der Umsätze aus Transaktionen mit Derivaten als steuerliche Bemessungsgrundlage für den Kommissionsvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionsteuer in verstärkter Zusammenarbeit und erwartete Steuereinnahmen Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 45 Mündliche Frage 62 Klaus Ernst (DIE LINKE) Zusätzliche Mittel für den Bundeshaushalt durch die Senkung des Rentenbeitragssatzes bzw. der Zuschüsse seit 2005 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 46 Mündliche Fragen 63 und 64 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Regelbedarfsermittlung für die Anschaffung bzw. Ersetzung einer Brille; Brillen als Mehrbedarf in der Grundsicherung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Inhaltsverzeichnis 230. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 20. März 2013 Beginn: 13.00 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer Sitzung und rufe zunächst den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention. Dazu wird uns für einen einleitenden fünfminütigen Bericht der Bundesminister für Gesundheit zur Verfügung stehen, dem ich hiermit das Wort erteile. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskabinett hat sich heute mit einem weiteren gesundheitspolitischen Schwerpunkt aus dem Koalitionsvertrag beschäftigt. Im Rahmen der Demografiestrategie hat das Bundeskabinett heute einen Gesetzentwurf zur Förderung der Prävention beschlossen und damit eine langjährige Diskussion über ein sogenanntes Präventionsgesetz und Maßnahmen, um die Prävention in Deutschland zu stärken, auf den Weg gebracht. So nah wie durch den Kabinettsbeschluss heute waren wir noch nie einem Präventionsgesetz. Es ist damit noch Zeit genug, die Prävention im Rahmen eines Gesetzes zu stärken. Warum eigentlich? Im Gesundheitswesen gehören Solidarität und Eigenverantwortung untrennbar zusammen; denn die Solidargemeinschaft funktioniert nur, wenn sie sich auch darauf verlassen kann, dass der Einzelne in Eigenverantwortung für seine Gesundheit tut, was er für seine Gesundheit tun kann. Mir als Gesundheitsminister geht es dabei darum, nicht den Menschen mit dem Zeigefinger obrigkeitsstaatlich vorzuschreiben, was sie zu tun haben. Vielmehr wollen wir ihnen Anreize setzen, dass sich gesundheitsbewusstes Verhalten für sie unmittelbar lohnt. Prävention ist in einer alternden Bevölkerung umso wichtiger. Wir wissen, dass die Menschen in Deutschland älter werden. Normalerweise ist Alter auch verbunden mit der Zunahme von Krankheitsrisiken. Wer also frühzeitig etwas für seine Gesundheit tut, kann damit auch Krankheiten und Kosten für die Solidargemeinschaft vermeiden. Deshalb wollen wir die Menschen unterstützen, ein gesundheitsbewusstes Leben in jedem Alter und in jeder Lebensphase zu führen. Dass das möglich ist, wissen wir. Durch gesunde Ernährung, durch mehr Bewegung, durch das Beschäftigen mit Gesundheit können wir selbst Risiken, gerade die der großen Volkskrankheiten, vermeiden. Bei Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen Krankheiten wie Depression wissen wir, dass ein gesundheitsbewusstes Verhalten - Bewegung, richtige Ernährung, Beschäftigen mit Gesundheit - genau das verhindern kann. Insofern lohnt es sich. Wir wollen dafür werben und Anreize setzen. Der Gesetzentwurf setzt also im gesundheitspolitischen Bereich an. Wir verdoppeln das Ausgabevolumen der Krankenkassen für Leistung, Prävention und Gesundheitsförderung. Wir wollen noch mehr Betriebe und Beschäftigte erreichen, indem wir die betriebliche Gesundheitsförderung stärken. Gerade Menschen, die Präventionsangebote bisher kaum in Anspruch nehmen, wollen wir erreichen; genauso stellen wir Kinder und Jugendliche bei Maßnahmen der Krankenkassen und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in den Mittelpunkt. Ich freue mich jetzt auf die Fragen, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dann gucken wir einmal, was daraus wird. Frau Bunge stellt die erste Frage. Ich bedanke mich vorher noch für den beispielhaft knappen Bericht. Er wurde jedenfalls erkennbar innerhalb der Fünf-Minuten-Frist vorgetragen, die die Geschäftsordnung für den Bericht einräumt. Es gelingt nicht immer, das in dieser Weise zu bewerkstelligen. (Daniel Bahr, Bundesminister: Die Anzeige war schon rot! - Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Meine Minute Fragezeit ist jetzt schon fast abgelaufen, Herr Präsident!) - Das geht natürlich nicht auf Ihre Kosten. Bitte schön. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Dank auch Ihnen, Herr Minister, für die Information. Laut Ihrem Entwurf soll in den prominent vorangestellten § 1 SGB V, der die Aufgaben der Krankenversicherung als Solidargemeinschaft benennt, ein Satz eingefügt werden, den Sie einführend hier auch genannt haben, nämlich dass auch Aufgabe der Krankenkassen "die Förderung der gesundheitlichen Eigenkompetenz und Eigenverantwortung der Versicherten" ist; um diesen Passus soll laut Entwurf § 1 des Gesetzes ergänzt werden. Für mich bedeutet Eigenverantwortung, aus sich selbst heraus zu handeln mit dem Bewusstsein um die Konsequenzen. Das ist das Gegenteil von Handeln auf Basis von Belohnung und Bestrafung. Mich würde jetzt interessieren, wie Sie Eigenverantwortung mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung fördern möchten und wie viel finanzielle Mittel Sie speziell für diesen Punkt einsetzen möchten. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Der bisherige § 1 des Sozialgesetzbuchs V, des Gesetzbuchs für die gesetzliche Krankenversicherung, hat schon betont, dass die Versicherten für ihre Gesundheit mitverantwortlich sind, hat sich aber auf die Maßnahmen der Krankenkassen konzentriert. Wir betonen nun ausdrücklich, dass uns die Eigenverantwortung der Versicherten ein sehr wichtiges Element ist, also Solidarität und Eigenverantwortung kein Gegensatz sind, sondern zusammengehören. Alle Maßnahmen der Prävention stärken die Eigenverantwortung, weil es immer am Versicherten ist, etwas für seine Gesundheit zu tun. Wir bieten ihm entsprechende Maßnahmen an; es bleibt auch in der Entscheidung des Versicherten, ob er Präventionsmaßnahmen nutzt. Wir schreiben den Krankenkassen jetzt vor, dass sie konkret für betriebliche Gesundheitsförderung und für sogenannte Settingleistungen, das heißt Maßnahmen in sozialen Brennpunkten, Geld ausgeben müssen. Bisher war dies den Krankenkassen freigestellt, mit der Folge, dass sie kaum betriebliche Gesundheitsförderung und Settingmaßnahmen, sondern sehr viele individuelle Präventionsmaßnahmen finanziert haben und mit ihren gesundheitlichen Maßnahmen diejenigen nicht erreicht haben, die sich mit ihren Gesundheitsrisiken nicht so sehr beschäftigen; aber gerade diese müssen wir erreichen. Alle Maßnahmen sollen einen nachhaltigen Erfolg haben, das heißt, zu einer Verhaltensänderung beitragen, und nicht allein anhand von Vertriebsgesichtspunkten strukturiert sein. Insofern sind alle Maßnahmen, die wir unterstützen, immer auf Eigenverantwortung ausgerichtet: Sie richten sich an das individuelle Verhalten und sollen es ändern. Die zweite Frage war, wie viel wir dafür zur Verfügung stellen. Wir verdoppeln das Ausgabevolumen der Krankenkassen: Es werden 6 Euro pro Versichertem sein; bisher waren es nur etwa 3 Euro. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Aschenberg-Dugnus. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Minister, für Ihre Einführung. Ich hätte zwei Fragen an Sie. Die erste Frage: Welche speziellen Präventionsangebote für Kinder und Jugendliche bzw. ältere Menschen sieht der Gesetzentwurf vor? Die zweite Frage. Im Bereich der Prävention gibt es ja eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren. Wie wollen Sie eine bessere Verzahnung oder Koordinierung der unterschiedlichen Aktivitäten erreichen? Und vor allen Dingen: Wie wollen Sie die notwendigen Qualitätsstandards sichern? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das sind gleich drei Fragen in einer. Ich bemühe mich, das in der vorgegebenen Zeit zu beantworten. Zur ersten Frage. Kinder und Jugendliche wollen wir erreichen, indem wir die Versorgungslücke im Grundschulalter schließen. Bisher ist es so, dass es keine U-Untersuchung für Kinder im Grundschulalter gibt. Wir schaffen jetzt mit diesem Gesetz die Möglichkeit, dass im Grundschulalter eine zusätzliche Untersuchung stattfindet. Zweitens. Wir werden Modellvorhaben unterstützen und ausgehend von der erfolgreichen zahnmedizinischen Gruppenprophylaxe für Kinder prüfen, welche weiteren Maßnahmen dazu beitragen können, gerade auf jene Kinder und Jugendliche zuzugehen und sie zu erreichen, die nicht mit ihren Eltern zum Arzt gehen. Auch die sogenannten Settingmaßnahmen, das heißt Maßnahmen im Lebensumfeld, sollen sich schwerpunktmäßig an Kinder und Jugendliche und darüber hinaus an Senioren richten. Wir wollen also die Menschen in ihrem Lebensumfeld erreichen - in der Kita, in der Schule, im Seniorenheim -, um sie dort für Prävention und gesundheitsbewusstes Verhalten zu gewinnen. Dafür werden verpflichtend Gelder der Krankenkassen zur Verfügung gestellt. Es ist völlig richtig: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht allein eine Aufgabe der Gesundheitspolitik. Deshalb haben das Ernährungsministerium und das Gesundheitsministerium bereits gemeinsam mit IN FORM eine Kampagne für gesündere Ernährung initiiert und organisiert. Die Prävention ist und bleibt auch Aufgabe der Länder und Kommunen, der Sportvereine, der Bildungsträger und vieler anderer mehr. Deswegen werden wir eine Ständige Präventionskonferenz beim Bundesgesundheitsminister einsetzen, die über die Umsetzung der Präventionsziele wacht und weitere Maßnahmen vorschlägt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Graf hat die nächste Frage. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen. Angesichts Ihrer Antwort auf die Frage der Kollegin Bunge, nämlich dass Maßnahmen in sozialen Brennpunkten stattfinden sollen, stellt sich mir die Frage: Wie wollen Sie die breiten Strukturen bürgerschaftlichen -Engagements, die es in diesem Bereich gibt - ich denke an den Bereich Selbsthilfe, an Patientenorganisationen und Patenprojekte, an den Bereich der Pflege und des Sportes -, in Ihren gerade genannten Vorschlag einbeziehen? Ich kann in dem Gesetzentwurf keine Ansätze zum Zusammenwirken und zur Einbeziehung dieser wichtigen Strukturen erkennen. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Der Bereich Selbsthilfe, das bürgerschaftliche Engagement, die Patientenverbände, die Sportvereine und andere Gruppen, die Sie erwähnt haben, leisten im Gesundheitswesen einen ganz wichtigen Beitrag. Das zeigt, dass eben nicht nur Krankenkassen, nicht nur die Leistungserbringer im Gesundheitswesen, die Versicherten bzw. Patienten unterstützen. Im Übrigen haben wir mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz die Selbsthilfe in der Pflege noch einmal gestärkt und mehr Geld zur Verfügung gestellt. Deshalb bitte ich Sie, alle Maßnahmen im Zusammenhang zu sehen. Wir haben die unabhängige Patientenberatung gestärkt und anderes mehr. Man kann feststellen: In dieser Legislaturperiode hat die Bundesregierung eine Politik für die Patienten gemacht und gerade auch den Bereich Selbsthilfe und die Rechte der Patienten - Stichwort "Patientenrechtegesetz" - und anderes mehr gestärkt. Im vorliegenden Gesetzentwurf sehen wir erstens erstmals eine Ständige Präventionskonferenz vor, in der natürlich die Vertreter aus den genannten Vereinen und Verbänden beteiligt sind, um ihre Anregungen einzubringen und um Verantwortung in ihrem Bereich zu übernehmen. Zweitens. Wie über die vorgeschriebenen Gelder, die Krankenkassen für Settingmaßnahmen erhalten, verfügt werden soll, das sollen diese gemeinsam mit den Kooperationspartnern erörtern. Wir sagen bewusst: Es geht nicht um die einzelne Krankenkasse und ihre Versicherten, sondern es geht darum, gemeinsam in solche Brennpunkte hineinzugehen. Mit Unterstützung der Kooperationspartner und mithilfe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sollen die Verbände einbezogen werden, damit die entsprechenden Maßnahmen erfolgreich durchgeführt werden können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Scharfenberg. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. - Ich habe zwei Fragen zur betrieblichen Gesundheitsförderung. Erstens. Wie stellt sich die Bundesregierung die Arbeit der regionalen Koordinierungsstellen für betriebliche Gesundheitsförderung konkret vor? Zweitens. Der Nationale Normenkontrollrat bemängelt immer wieder den enormen bürokratischen Aufwand in der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Ausgestaltung der betrieblichen Gesundheitsförderung. Wie kann die Bundesregierung diese Bedenken entkräften? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Zunächst stellen wir fest, dass es in Deutschland nicht die Großunternehmen sind, die beim Thema "betriebliche Gesundheitsförderung" Nachhilfebedarf haben. Große Konzerne haben häufig schon gute Programme: richtige Ernährung, Betriebssport, Stressabbau, Physiotherapeuten, zum Beispiel gerade in Berufen, in denen man viel sitzt. Unsere Zielgruppe sind vielmehr die kleineren und mittleren Betriebe. Die kleinen und mittleren Betriebe bemängeln, dass sie häufig wenig Kapazitäten haben, um sich um betriebliche Gesundheitsförderung zu kümmern. Deswegen wollen wir mit den Koordinierungsstellen, mit den Verbänden, mit den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern gemeinsam mit den Krankenkassen solche Projekte unterstützen. Es geht dabei nicht darum, dass immer neue Projekte erfunden werden müssen; denn es gibt schon gute Projekte der betrieblichen Gesundheitsförderung. Diese können von kleinen und mittleren Betrieben übernommen werden. Sie brauchen aber die Hilfestellung, wenn es um die Fragen geht: Wie ist das zu organisieren? Wer kann mir helfen? Das ist die Aufgabe der Koordinierungsstellen. Aufgabe der Beteiligten ist es dann, konkrete Angebote zu machen. In der Diskussion über Präventionsmaßnahmen steht der bürokratische Aufwand immer wieder im Mittelpunkt. Deshalb ist im Gesetz die Verpflichtung vorgesehen, dass jede Präventionsmaßnahme evaluiert werden muss; denn nur so kann man ihren nachhaltigen Erfolg feststellen. Hierbei ist hinsichtlich des Verfahrens natürlich zu berücksichtigen, ob Aufwand und Ertrag im richtigen Verhältnis stehen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Vogelsang. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Minister, ich danke Ihnen für die Vorlage des Gesetzentwurfes. Es ist uns gelungen, in dieser Wahlperiode ein rundes Paket an gesundheitspolitischen Maßnahmen vorzulegen, die neben der Stabilisierung der Finanzen und der Sicherstellung der Versorgungsbreite jetzt insgesamt auch auf die Zukunft ausgerichtet werden, indem man gerade auf Vorbeugung einen besonderen Schwerpunkt legt. Sie haben in Ihrem Gesetzentwurf - ich möchte auf den Bereich der betrieblichen Prävention eingehen - das Setting "Arbeitswelt" vorgesehen. Dieses Setting umfasst über 40 Millionen Menschen, Sie haben also eine große Aufgabe vor sich. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Wir. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Wir. Ja, stimmt: Wir alle gemeinsam. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich mache es nicht alleine. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Zum ersten Mal werden nun in einem Gesetzentwurf der Bundesregierung ganz konkrete Ziele benannt. Wie wollen Sie sicherstellen - Stichworte: Qualitätscontrolling und Evaluierung -, dass im Bereich der betrieblichen Präventionsarbeit, die in Zusammenarbeit mit den Betriebsärzten, aber auch niedrigschwelliger in kleinen und mittleren Unternehmen organisiert werden soll, die Ziele erreicht werden? Wie wollen Sie das kontrollieren? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Der Gesetzentwurf sieht ja vor, dass Präventionsziele ins Gesetz geschrieben werden. Erstmals verpflichten wir uns also gesetzlich - das gilt insbesondere für die gesetzliche Krankenversicherung - auf Präventionsziele. Diese Ziele sollen erreicht werden, und die Umsetzung soll überwacht werden. Dafür wird die Ständige Präventionskonferenz, die ich als Gesundheitsminister ein-setzen werde, zuständig sein. Sie wird unter meinem Vorsitz regelmäßig tagen, um die Umsetzung zu überwachen. Ein Punkt dabei ist die betriebliche Gesundheitsförderung. Die Präventionsmaßnahmen, die bisher von Krankenkassen finanziert werden, stehen immer wieder in der Kritik. Es wird hinterfragt, ob sie einen nachhaltigen Erfolg haben, ob sie eine Verhaltensänderung mit sich bringen. Wir wissen, dass es sehr gute betriebliche Gesundheitsförderprogramme gibt. Auch diese müssen sich der Evaluation stellen; denn es geht um nachhaltigen Erfolg. Was die Präventionsziele anbelangt, wird die Umsetzung, wie gesagt, von der Präventionskonferenz, die ich einsetzen werde, überprüft. Sie wird darüber wachen, dass das umgesetzt wird, und Vorschläge unterbreiten, wenn die Ziele noch nicht erreicht wurden. Die Präven-tionsziele sind mit vielen Partnern im Rahmen des -Kooperationsverbundes gesundheitsziele.de entwickelt worden. Diese sehr guten Ziele, deren Verbindlichkeitsgrad aber bisher zu gering ist, verankern wir deswegen im Gesetz. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Bas. Bärbel Bas (SPD): Vielen Dank. - Ich bin grundsätzlich erfreut, dass es jetzt ein Präventionsgesetz geben wird. Ich kann mich erinnern, dass sowohl Sie selbst in den vergangenen drei Jahren als auch Ihr Vorgänger, Herr Rösler, keinen Gesetzentwurf vorlegen wollten. Dass Sie jetzt doch einen vorlegen, ist durchaus positiv zu vermerken. Allerdings müssen Sie mir einen Widerspruch erklären: In Ihrem Gesetzentwurf steht, Prävention sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zugleich soll das aber nur die gesetzliche Krankenversicherung finanzieren, und für die Settingansätze im Bereich der Lebenswelten sollen maximal 1 Euro pro Versichertem und Jahr ausgegeben werden. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: -Mindestens!) Anscheinend haben Sie es im Kabinett nicht durchsetzen können, dass sich auch andere Sozialversicherungsträger beteiligen, insbesondere die Arbeitsagentur, wenn es zum Beispiel um die Gesunderhaltung von Langzeit-arbeitslosen geht. Diesen Widerspruch müssen Sie mir erklären: Warum wird, wenn das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, nur die gesetzliche Krankenversicherung daran beteiligt? Dass für die private Krankenversicherung nur vorgesehen ist, dass sie sich auf freiwilliger Basis daran beteiligen kann, finde ich schon sehr merkwürdig. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass wir zwar den Entwurf eines Präventionsgesetzes von Rot-Grün abgelehnt haben, ich aber nie gesagt habe, dass wir keine gesetzlichen Veränderungen brauchen, um den Bereich der Prävention voranzubringen. Ein entsprechendes Zitat werden Sie von mir nicht finden. Wir haben seinerzeit den Entwurf von Rot-Grün abgelehnt, weil er aus unserer Sicht zu einer Mischverwaltung geführt hätte. Sie wollten Gelder aus verschiedenen Zweigen sammeln und Ländern und Kommunen Vorgaben machen, was wir nach unserer rechtlichen Bewertung gar nicht können; denn wir haben nur eine Gesetzgebungskompetenz für den Bund. Das ist aber eine rein rechtliche Betrachtung. Sie haben völlig recht: Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Indem Sie aber wie in Ihrer Frage sagen, dass nur die gesetzlichen Krankenkassen im Bereich Prävention etwas tun würden, erwecken Sie den Eindruck, dass keine anderen Maßnahmen ergriffen werden. Es gibt aber viele Bundesländer, Kommunen und Bildungsträger, zum Beispiel Sportvereine, die schon sehr viel Präventionsarbeit leisten. Sie sind herzlich eingeladen, noch mehr zu tun. Die Länder, auch die SPD-geführten Länder, sind herzlich eingeladen, noch mehr zu tun. Ich würde es begrüßen, wenn sie unseren Gesetzentwurf zum Anlass nehmen würden, noch mehr im Bereich Prävention zu tun, und das dann auch in die Ständige Präventionskonferenz einbringen. Als Gesundheitsminister bin ich für die gesetzliche Krankenversicherung zuständig. Ich erfülle meine Aufgabe, indem wir in dem Bereich, für den ich zuständig bin, jetzt mehr Geld für Präventionsmaßnahmen ausgeben. Vielleicht ist das Ansporn für alle anderen, im Bereich der Gesundheitspolitik ebenso ehrgeizig zu sein wie wir. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr gut!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Binder. Karin Binder (DIE LINKE): Vielen Dank. - Herr Minister, Sie stimmen mir sicherlich zu: Prävention bedeutet Vorbeugung, (Daniel Bahr, Bundesminister: Unter -anderem!) auch Vermeidung von Fehlentwicklungen. Da setze ich am liebsten bei Kindern an. Wir haben heutzutage ja enorme Probleme mit fehlernährten Kindern, was zu Krankheit führt und finanzielle Folgen hat. Daher lautet meine Frage, ob im Entwurf des Präventionsgesetzes eine Unterstützung für hochwertiges Schulessen vorgesehen ist. Ganz konkret: Welche Handlungs- und Umsetzungshilfen können Sie über dieses Gesetz den Kommunen bzw. den Ländern zukommen lassen, die alle mehr oder weniger am Limit sind, was ihre finanzielle Belastbarkeit angeht? (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Denen ging es noch nie so gut!) Also - Ernährungsfachkräfte, Kochkurse, Einrichtung von Küchen in Schulen -: Welche Maßnahmen sind in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das Gesetz sieht nicht Einzelmaßnahmen vor. Wir wollen nicht im Detail vorschreiben, welche Präventionsmaßnahmen vor Ort durchgeführt werden sollen, sondern das muss vor Ort entschieden werden. Indem wir vorschreiben, dass mehr Geld für Präventionsmaßnahmen im Bereich der Gesundheitsförderung ausgegeben wird, geben wir die Möglichkeit dazu. Das heißt, die Krankenkassen können sich in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern im Lebensumfeld der Kinderbetreuungseinrichtungen oder Schulen - beispielsweise auch der Grundschulen - an Maßnahmen der gesunden Ernährung beteiligen. Das Gesetz ermöglicht jetzt, dass mehr solcher Dinge und auch bessere Maßnahmen angeboten werden, und verpflichtet auch die Krankenkassen, Entsprechendes anzubieten. Ich halte aber nichts davon, jetzt ins Gesetz hineinzuschreiben, welche Maßnahme genau eine Krankenkasse durchführen soll. Darüber soll sie mit den Kooperationspartnern vor Ort sprechen. Es ist auch nicht überall in Deutschland so, dass Kinder fehlernährt sind. Das gibt es. In einigen Regionen bzw. Stadtteilen kommt das mehr als in anderen vor. Deswegen ist es richtig, dass wir zielgenau dort, wo Bedarf besteht, Präventionsmaßnahmen unterstützen. Dies ermöglicht das Gesetz mit der Verpflichtung der Krankenkassen, zusammen mit den Kooperationspartnern Gelder für Settingmaßnahmen einzusetzen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Kollegin Klein-Schmeink hat die nächste Frage. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, Sie haben noch einmal deutlich gesagt, dass Sie sozial Benachteiligte erreichen wollen. Ich frage Sie: Mit welchen ganz konkreten Maßnahmen wollen Sie eine große Gruppe - nämlich die Arbeitslosen und die prekär Beschäftigten - erreichen? In Ihrem Gesetzentwurf habe ich dazu keinerlei Ansätze gefunden. Dieses Setting wird auch gar nicht genannt. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin, nach meiner Kenntnis sind Arbeitslose und auch prekär Beschäftigte gesetzlich krankenversichert. Das heißt, alle Maßnahmen, die die gesetzliche Krankenversicherung für ihre Versicherten ergreift, erreichen selbstverständlich auch diese Gruppen. Mit den vorgeschriebenen Lebensumfeldmaßnahmen, den sogenannten Settingmaßnahmen, können diese auch erreicht werden. Wir müssen im Gesetz ja nicht bestimmte Lebensumfelder im Detail beschreiben, sondern wir geben die Möglichkeit, dass mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und anderen Kooperationspartnern geeignete Programme für diese Menschen durchgeführt werden können. Darüber hinaus gibt es auch heute schon im Bereich der Prävention Aktivitäten der Arbeitsagentur. Wir sollten neben diesem Präventionsgesetz, das den Schwerpunkt auf die Gesundheitspolitik legt, nicht vergessen, dass es auch von dieser Seite aus Maßnahmen gibt. Aber auch im Bereich der Settingmaßnahmen sind natürlich solche Lebensumfeldmaßnahmen angedacht. Die Möglichkeit ist durch das Gesetz gegeben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Ackermann, dann kommt der Kollege Weinberg. Kollege Ackermann. Jens Ackermann (FDP): Schönen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie sind darauf eingegangen, dass im Bereich der Prävention sehr viele Akteure unterwegs sind: Kommunen, Landkreise und Länder. Aber auch die Kirchen und die gesetzliche Krankenversicherung sind in dem Bereich aktiv. Es macht Sinn, wenn man diese Akteure in einer Präventionskonferenz zusammenfasst und das Ganze koordiniert. Meine erste Frage geht dahin: Wie wollen Sie sicherstellen, dass eine große Institution, die in diesem Bereich sehr viel Fachwissen hat, mit einbezogen wird, nämlich die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung? Dieses Präventionsgesetz ist ohne Zweifel im Interesse der Menschen. Wenn man Krankheiten vermeiden kann, ist das immer gut. Meine weitergehende Frage lautet: Haben Sie auch einmal errechnet, wie es sich volkswirtschaftlich auswirkt, wenn Menschen eine Erkrankung nicht erleiden müssen bzw. wieder früher am Arbeitsplatz sind? Das würde mich interessieren. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung leistet eine umfangreiche und wichtige Arbeit, die international sehr anerkannt ist. Wir kennen die seit Jahren laufenden Kampagnen zum Beispiel zu HIV/Aids "Gib Aids keine Chance". Das ist eine international äußerst anerkannte und wertgeschätzte Kampagne. Das heißt, die Bundeszentrale hat Erfahrungen darin, wie man Bürgerinnen und Bürger von gesundheitsbewusstem Verhalten, von Selbstschutz und anderem mehr überzeugt. Auch die Nichtraucherkampagnen der BZgA sind in der Tat sehr erfolgreich. Deswegen sehen wir vor, dass die Krankenkassen ihre Präventionsgelder auch unter Mithilfe der Bundeszen-trale für gesundheitliche Aufklärung und weiterer Kooperationspartner zum Beispiel für diese Lebensumfeldmaßnahmen einsetzen können. Wir müssen doch festhalten, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen im Wettbewerb zueinander stehen, aber gerade bei Lebensumfeldmaßnahmen nicht genau geschaut werden kann, bei welcher Krankenkasse jemand ist. Lebensumfeldmaßnahmen sind also übergreifend. Da ist der Ansatz, auch in Kooperation mit der BZgA vorzugehen, glaube ich, ein richtiger; diesen werden wir stärken. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Weinberg. Harald Weinberg (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, alle Fachleute auf dem Kongress "Armut und Gesundheit", zum Beispiel Herr Professor Rosenbrock, viele Personen, die beim Thema Prävention in Forschung und Praxis Rang und Namen haben, kritisieren Ihren Gesetzentwurf. So schreibt zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Public Health in ihrer Stellungahme vom 1. Februar 2013: In ihrer jetzigen Form würden der Gesetzesentwurf und die Präventionsstrategie zu einer nachhaltigen Schwächung von Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland führen. Wie bewertet die Bundesregierung die teilweise vernichtende Kritik sämtlicher einschlägig mit Gesundheitsförderung befasster Verbände und Einzelpersonen an ihrem Gesetzesvorhaben? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Herr Kollege Weinberg, wir teilen diese Kritik nicht; sonst hätte ich ja nicht heute einen solchen Gesetzentwurf durch das Kabinett bekommen bzw. sonst hätte das Kabinett ihn nicht beschlossen. Es wird im parlamentarischen Ablauf auch für diese Verbände genügend Möglichkeiten geben, ihre Kritikpunkte einzubringen. Ich nenne Ihnen ein aktuelles Beispiel. Auch ich habe heute in den Medien eine Aussage des Kollegen -Rosenbrock gelesen. Er sagt, Ärzte könnten nicht für Prävention herangezogen werden, weil Ärzte bei Prävention keine Kompetenz hätten. Ich teile diese Einschätzung ausdrücklich nicht. (Beifall des Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU]) Wenn wir Menschen, die sich bisher nicht mit ihrer Gesundheit beschäftigt haben, für Prävention gewinnen wollen, dann müssen wir überlegen: Mit welchen Partnern erreichen wir sie? Ein Arzt, der sich mit dem Zustand eines Patienten beschäftigt, hat natürlich einen Einblick in die Gesundheit des Patienten und kann auch Empfehlungen im Hinblick auf Prävention geben. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!) Deswegen teile ich diese Kritik nicht. Vielmehr glaube ich, dass uns dieses Präventionsgesetz weiterbringt. Alle Vorschläge, was man sonst noch machen kann, nehmen wir gerne auf und freuen uns, wenn auch andere Akteure ihre Verantwortung übernehmen. Aber wissen Sie - auch Sie sind ja schon etwas länger in der Gesundheitspolitik tätig -: Es gehört zur Gesundheitspolitik dazu, zu wissen, dass eine Maßnahme, die man auf den Weg bringt, nie allen gefällt und nie alle dieser zustimmen. Gerade in der Gesundheitspolitik gibt es vielfältige Interessen der Beteiligten, und es geht um viel Geld. Ich glaube, wir haben einen sehr ausgewogenen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Verantwortung der Krankenversicherungen betont, konkrete Verbesserungen für die Menschen voranzubringen. Insofern: Auch wenn die Rhetorik Ihrer Frage gerade so scharf war, können wir in der Sache, glaube ich, gut überzeugen. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr gut!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Graf. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich habe noch eine Frage, und zwar zu dem Gesetzentwurf selbst. Bereits im letzten Dezember ist vom Bundesland Hamburg ein Vorschlag für ein Präventionsgesetz vorgelegt worden, welcher wesentlich weiter ging als der, den Sie uns jetzt vorgelegt haben. Warum haben Sie die Anregungen aus Hamburg denn nicht in den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf eingearbeitet? Warum schlagen Sie eine Präventionskonferenz vor, wenn es im Rahmen von gesundheitsziele.de bereits eine solche Konferenz gibt, in deren Rahmen auch die entsprechenden Akteure mit einbezogen werden? Wäre es da nicht klüger gewesen, diesen Ansatz auszubauen und so den Aufbau von Parallelstrukturen zu verhindern? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich greife den letzten Punkt zuerst auf: Wir bauen diesen Ansatz aus. Wir greifen ja die auf gesundheitsziele.de entwickelten Ziele auf und schreiben sie ins Gesetz, um ihnen eine höhere Verbindlichkeit zu geben; das war, glaube ich, auch einer der Kritikpunkte, die es in der Öffentlichkeit gab. Es ging nicht um die Ziele, nicht um die Partner, sondern um die Frage: Was wird eigentlich aus den da entwickelten Zielen? Man kann, um ihnen größere Wirkungskraft und höhere Verbindlichkeit zu geben, nicht mehr tun, als sie ins Gesetz zu schreiben. Genau das haben wir vor; denn sie sollen weiterentwickelt werden. Die erste Frage, die Sie gestellt haben, betraf das Vorhaben des Bundesrates bzw., besser gesagt, das Vorhaben von Hamburg. Darin wurde der Ansatz aufgegriffen, den Rot-Grün in der zweiten Legislaturperiode seiner Regierungszeit verfolgte, nämlich dass der Bund Länder und Kommunen verpflichtet. Dieser Ansatz ist gescheitert. Das geht nicht. Wir haben nämlich keine Mischverwaltung, sondern wir haben klare Zuständigkeiten. Der Bund ist für die Aufgaben der Gesundheit im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zuständig. Aber für Präventionsarbeit in Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen sind die Länder und Kommunen zuständig. Deswegen gibt es hier schon rechtliche Bedenken. Der Bund hat keine Gesetzgebungskompetenz für solche Bereiche; da liegt die Gesetzgebungskompetenz bei anderen. Der Bund hat eine Gesetzgebungskompetenz, was die Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung angeht. Er muss darauf achten, dass die Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung für die Versicherten ausgegeben werden und nicht für andere Maßnahmen. Diese Mittel sind nämlich gebunden. Die Beitragsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung müssen also für die Versicherten ausgegeben werden und dürfen nicht für Aufgaben ausgegeben werden, die eigentlich die Länder zu erfüllen haben, zum Beispiel im Bereich der Schulen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. Wir haben jetzt noch acht Wortmeldungen, jedenfalls nach dem, was ich mir notiert habe. Diese acht Kolleginnen und Kollegen würde ich jetzt gerne noch aufrufen, die Wortmeldeliste damit aber auch schließen. Das sind zum großen Teil auch Zweit- oder Drittwortmeldungen - die natürlich zulässig sind. Dann würden wir mit einer maßvollen Überschreitung der normalerweise vorgesehenen Befragungszeit dieses Thema behandeln können. Darf ich dafür Ihr Einverständnis feststellen? - Das ist glücklicherweise so. Dann ist Frau Bunge wieder an der Reihe. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Danke. - Herr Minister, Gesundheitsexperten sagen: Auch das Einfügen von Gesundheitszielen mit diesem Gesetz wird uns nicht davor schützen, dass sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheiten größer werden können. Wäre es, um hier einen Schritt vorwärtszukommen, nicht vernünftig gewesen, die Minderung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheiten als spezielles Gesundheitsziel oder, vielleicht noch besser, als ein -Kriterium für die von Ihnen angesprochene Evaluation von Maßnahmen - dass Erfolg das hat, was diese Ungleichheiten vermindert - in das Gesetz zu schreiben? Als Gesundheitspolitiker fragen wir alle uns nämlich immer: Was evaluieren wir? Geht es darum, ob alle schön zusammen waren und sich bewegt haben, oder darum, ob wir das Ziel, das bei der Gesundheitsförderung zuvörderst stehen muss, erreicht haben? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Frau Kollegin Bunge, vielleicht macht das deutlich, warum wir in unterschiedlichen Parteien sind - (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist wohl wahr!) ich bei den Liberalen und Sie bei den Linken -: Mein Ziel ist, jedes Individuum zu erreichen, jedes Individuum zu überzeugen, etwas für seine Gesundheit zu tun. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Meins auch!) Dadurch werden Ungleichheiten natürlich auch abgebaut. Das Ziel kann aus meiner Sicht nicht sein, mit -einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz zu versuchen, Ungleichheiten abzubauen. Für uns ist eine Verhaltensänderung hin zu gesundheitsbewusstem Verhalten der Erfolgsgrad, an dem wir eine individuelle Präventionsmaßnahme messen, zum Beispiel: Wird mit dem Rauchen aufgehört? Bewegen sich die Leute mehr, um ein Krankheitsrisiko zu vermeiden? In der Folge können damit auch gesellschaftliche -Ungleichheiten abgebaut werden; denn wir wissen, dass ein höherer Bildungsgrad häufig korreliert mit einem -gesundheitsbewussteren Verhalten. Deswegen braucht es auch viele andere Maßnahmen - Investition in Bildung und vieles andere mehr -, um eine bessere Gesundheit zu erreichen. Aber hier konzentrieren wir uns konkret auf die Gesundheitsaufgaben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Vogelsang. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Minister, ich weiß nicht genau, seit wie vielen Jahren der Verbund gesundheitsziele.de schon arbeitet. (Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Seit 2000! - Angelika Graf [Rosenheim] [SPD]: Seit 2000 war das! Seit Rot-Grün!) - Seit 2000, höre ich. - In diesem Rahmen sind sehr kompetente Fachleute aus den Ländern, aus Bundesministerien, aus Städten und Kommunen, aus dem -Bereich der Krankenversicherung - der privaten wie der gesetzlichen - zusammengekommen und haben unterschiedlichste Gesundheitsziele erarbeitet. Von diesen Gesundheitszielen hat in der Bundesrepublik Deutschland jedoch kaum jemand Kenntnis erlangt; diese Ziele sind sehr im Hintergrund geblieben. Deswegen finde ich es ausgesprochen positiv, dass Sie diese Gesundheitsziele - und zwar exakt diese Gesundheitsziele -, die vom Verbund gesundheitsziele.de erarbeitet worden sind, jetzt in das Gesetz, in das SGB V, aufnehmen. Das wird diesen Zielen viel mehr Verbindlichkeit verleihen. Jetzt besteht die Republik ja nicht nur aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern darüber hinaus auch noch aus anderen Akteuren. Diese anderen Akteure waren aber bei der Erarbeitung und Bearbeitung dieser Ziele beteiligt. Können Sie sich einen Mechanismus vorstellen, mit dem man aus den konkreten Zielen - die sehr positiv gesehen werden - für das SGB V in Zukunft nationale Ziele für diese Republik machen kann? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Als Gesundheitsminister bin ich zuständig für die Krankenversicherung und das Sozialgesetzbuch in dem Bereich. Da haben wir jetzt diese Verbindlichkeit der Ziele hineingeschrieben. Ich würde es sehr begrüßen, wenn hier im Parlament eine breite Debatte über Präventionsziele und bessere Präventionsarbeit geführt würde; aber es ist Sache des Parlaments, sich dieses Themas in einer breiten Debatte anzunehmen, und nicht Sache des Ministers, dem Parlament dies vorzuschreiben. Wenn man das Präventionsgesetz zum Anlass nähme, noch weiter und breiter über Präventionsziele zu debattieren, fände ich das gut und würde das ausdrücklich begrüßen, genauso wenn Länder, Kommunen und andere Beteiligte dieses Gesetz zum Anlass nähmen, auch mehr über Präventionsziele und vor allem über ihre Umsetzung zu -diskutieren. Meinen Beitrag werde ich mit der Ständigen Präventionskonferenz leisten, die viele Beteiligte an einen Tisch holt und überwachen soll, wie diese Präven-tionsziele umgesetzt werden. Sie erinnert die Beteiligten auch daran, dass sie im Rahmen ihrer Verantwortung etwas dafür tun müssen. Ich glaube, insofern bekommen wir einen Mechanismus dafür - Sie fragten ja nach einem Mechanismus -, das besser umsetzen zu können. Ein Beispiel ist eben die Ständige Präventionskonferenz, die dem Parlament auch einen Bericht zur Verfügung stellen wird, wodurch wir die Öffentlichkeit stärker erreichen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Rawert. Mechthild Rawert (SPD): Sie selber - nicht Sie als Person, sondern Sie als Regierung - (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er eben nicht!) haben das Bundeskinderschutzgesetz und damit ja auch lebensnahe Netzwerkstrukturen - Frühe Hilfen, Familienhebammen - auf den Weg gebracht und Strukturen für das Ehrenamt gefördert. Nun ist sehr auffällig, dass mit diesem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention auf die im SGB VIII aufgebaute Präventionsstruktur für Kinder und Familien mit keinem einzigen Wort Bezug genommen wird und somit auch die Leistungsträger und Leistungsträgerinnen aus lebensnahen Bereichen, wie zum Beispiel Hebammen, nicht um Unterstützung gebeten werden. Was sind Ihre Gründe dafür, dass es in Bezug auf die Präventionsstruktur für Kinder und Familien weiterhin eine absolute Trennung zwischen dem SGB VIII und dem SGB V gibt? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das ist das Wesensmerkmal. Die Sozialgesetzbücher VIII und V haben unterschiedliche Finanzierungen, Ziele und Aufgaben. Wir führen ja auch nicht, nur weil es Präventionserfordernisse im Bereich der Arbeits-losenversicherung oder der Rentenversicherung gibt, die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zusammen, um daraus eine Versicherung zu machen. Vielmehr muss aus meiner Sicht jeder in seinem Bereich, in dem er Zuständigkeiten hat, seinen Beitrag für eine -bessere Präventionsarbeit leisten. Hierzu sind alle Beteiligten herzlich eingeladen. Sie haben das Thema Familienhebammen angesprochen. Es ist möglich, diese Partner in die Präventionsmaßnahmen der gesetzlichen Krankenversicherung einzubeziehen und Maßnahmen zu finanzieren, an denen sich zum Beispiel Hebammen beteiligen, um für die Versicherten konkret etwas zu erreichen. Hier gibt es schon erste, wenn auch nur wenige Beispiele. Ich kann mir hier noch mehr Kreativität vorstellen. Um die Ständige Präventionskonferenz noch einmal zu erwähnen: Es besteht die Möglichkeit, dass diese Themen auch dort Eingang finden und in dieser Konferenz behandelt werden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Terpe. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Minister, ich komme noch einmal auf das Thema BZgA zurück. Sie haben ja ausgeführt, dass Sie die Rolle der BZgA bei den Lebensumfeldmaßnahmen, wie Sie sie genannt haben, stärken und die BZgA gar zum Hauptakteur machen wollen. Als Bundesbehörde soll sie die Angebote und Maßnahmen, die die Krankenkassen sozusagen finanzieren, vor Ort unterstützen. Wie soll das konkret aussehen? Wie viele Stellen sollen mit Mitteln der Beitragszahler bei der BZgA geschaffen werden? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Ich ahne, welcher Vorwurf dahintersteht. - Zunächst einmal: Die Mittel im Bundeshaushalt für die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, die aus Steuermitteln finanziert werden, werden nicht verändert. Die Hauptaufgabe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bleibt bestehen und wird finanziert. Es geht um zusätzliche Maßnahmen. Hier haben wir eine Diskussion. Machen wir uns doch nichts vor: Wir wissen, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen, die im Wettbewerb zueinander stehen und sich natürlich auch an den Versicherten ausrichten, keinen großen -Anreiz und kein Interesse haben, im Lebensumfeld -Maßnahmen zu ergreifen. Deswegen besteht nach diesem Gesetzentwurf eine Verpflichtung dazu. Die Kooperation mit einer Behörde, die international große Anerkennung für ihre Lebensumfeldmaßnahmen erhält - die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung -, ist hier genau der richtige Weg. Das ist eine Mithilfe, ein Unterstützungsangebot. Hier können auch weitere Kooperationspartner einbezogen werden. Insofern kann ich überhaupt noch nicht sagen, wie viel Geld der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung konkret zur Verfügung stehen wird, um Maßnahmen zu finanzieren, weil ja auch die Maßnahmen noch nicht klar sind. Das können Öffentlichkeitsmaßnahmen sein. Es kann auch sein, dass man andere Kooperationspartner damit beauftragt, die dann das Geld bekommen. Von daher ist, weil die Maßnahmen und die Ausgestaltung auch vom Spitzenverband der Krankenkassen abhängen, völlig offen, wie diese Maßnahmen finanziert und genutzt werden und was das für die BZgA bedeutet. Diese Mittel sind zusätzlich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin Bas. Bärbel Bas (SPD): An diese Frage kann ich direkt anknüpfen, weil Sie die Frage nicht beantwortet haben. Sie verpflichten die gesetzlichen Krankenkassen, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung Mittel aus Beitragsgeldern für allgemein aufklärende Präventionsmaßnahmen - welche auch immer das in Zukunft sein werden - zu geben. Die Frage ist für mich immer noch, warum die private Krankenversicherung, die von diesen Maßnahmen profitieren wird, nicht auch verpflichtet wird, sondern hier auf Freiwilligkeit gesetzt wird. Ich hätte es verstanden, wenn Sie auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung gesagt hätten, dass sie ihre Beitragsgelder freiwillig für bestimmte Kampagnen zur Verfügung stellen können. Aber bei der GKV machen Sie die Abgabe verpflichtend, bei der PKV machen Sie das nicht. Diesen Unterschied müssen Sie mir einmal erklären. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Das mache ich gerne, weil ich dann vielleicht ein Missverständnis ausräumen kann. Sie haben das eben, wie ich finde, nicht korrekt dargestellt. Es ist nicht so, dass ich die gesetzliche Krankenversicherung zwinge, der BZgA Geld zu geben. Nein, vielmehr verpflichte ich die gesetzliche Krankenversicherung, für ihre Versicherten Maßnahmen im Lebensumfeld zu ergreifen. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist vollkommen lebensfern!) Das ist übrigens auch der Anspruch: Die Beitragsmittel müssen den Versicherten zur Verfügung stehen. Wir sehen in unserem Gesetzentwurf lediglich vor, dass sich die gesetzliche Krankenversicherung des Know-hows, der Erfahrung, der Kompetenz der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bedienen kann, um solche Lebensumfeldmaßnahmen für die Versicherten der Krankenversicherung erfolgreich umzusetzen. Das Geld fließt nicht in die BZgA, damit diese ihre Behörden-arbeit damit finanzieren kann, sondern die BZgA bietet ihr Know-how, ihre Kompetenz, ihre Unterstützung an, um für die gesetzlich Versicherten eine anständige und erfolgreiche Präventionsarbeit zu organisieren. Insofern ist der Ansatz nicht so, wie Sie ihn darstellen. Er ist so, wie ich ihn eben korrekt erklärt habe. Die private Krankenversicherung finanziert schon heute Maßnahmen in Kooperation mit der Bundeszen-trale für gesundheitliche Aufklärung. Die international anerkannte und sehr erfolgreiche Aids/HIV-Kampagne - ich habe es eben erwähnt - wird auch aus Mitteln der privaten Krankenversicherung finanziert. Auch die Kampagne gegen Alkoholsucht, insbesondere bei Jugendlichen, wird durch die private Krankenversicherung finanziell stark unterstützt. Ich selbst habe letztens Preise für kommunale Suchtpräventionsprojekte verliehen, die von der privaten Krankenversicherung gestiftet worden sind. Also auch hier gibt es Maßnahmen zur Prävention. Das begrüße ich. Ich freue mich natürlich, wenn die private Krankenversicherung noch mehr tut. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Weinberg. Harald Weinberg (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben gerade die Position von Herrn Professor Rosenbrock kritisiert. Ich will das an dieser Stelle konkretisieren. In § 25 des Gesetzentwurfs wollen Sie regeln, dass Versicherte einen Anspruch auf Gesundheitsuntersuchungen und eine präventionsorientierte Beratung haben. Es soll ärztliche Bescheinigungen für Verhaltenspräventionsangebote geben. Ist der Bundesregierung bekannt, dass, wissenschaftlich belegt, sozial benachteiligte Menschen seltener an Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen als bessergestellte? Teilt sie die Einschätzung, dass dieses Instrument für Gefälligkeitsverordnungen von Präventionsangeboten anfällig ist, die wiederum häufiger an Bessersituierte vergeben werden, weil diese mehr danach fragen? Wird hier nicht zusammengenommen ein Instrument zur -Vergrößerung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit geschaffen? Wie wollen Sie dafür sorgen, dass gerade sozial Benachteiligte das Angebot in Anspruch nehmen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Lieber Kollege Weinberg, wir können sehr stolz sein, dass wir in Deutschland ein Gesundheitswesen haben, das keinen Unterschied beim Zugang zu notwendigen Behandlungen macht: (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: -Richtig!) nicht vom sozialen Stand, nicht vom Alter, nicht von den Vorerkrankungen, nicht vom Geschlecht und vielem -anderen mehr. Der Zugang ist unabhängig vom Einkommen. Ich als Bundesgesundheitsminister habe mit dieser Bundesregierung und dieser Koalition die Praxisgebühr abgeschafft. (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Sie? Lange genug mussten wir drängen! - Dr. Martina Bunge [DIE LINKE]: Getragen haben wir Sie dahin!) - Es scheint Sie zu treffen, dass wir die Abschaffung umgesetzt haben. Das tut offenbar weh. - Es ist jetzt also kein Argument mehr - dieses Argument haben Sie immer gerne gebracht -, dass die Praxisgebühr vom Arztbesuch abhält. Jeder hat freie Arztwahl, hat Zugang zum Gesundheitssystem, zu den Ärzten, zu Innovationen, zu notwendigen Behandlungen. Mit dem Präventionsgesetz wird zum Beispiel öffentlich, wie viele Vorsorgeuntersuchungen es gibt. Wir wissen, dass häufig bei Vorsorgeuntersuchungen nicht die Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenversicherungen oder der Zugang das Problem sind, sondern dass viele Menschen gar nicht wissen, was es für sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen gibt. Mit dem gerade beschlossenen Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüh-erkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister haben wir dafür gesorgt, dass jetzt alle Versicherten, egal wie der soziale Stand ist, informiert und eingeladen werden, zum Beispiel zur Vorsorgeuntersuchung Darmkrebs oder zur Vorsorgeuntersuchung -Gebärmutterhalskrebs. Das heißt, wir machen in unserer Politik keine Unterschiede nach dem sozialen Stand. Im Gegenteil: Wir wollen jedem die Möglichkeit geben und jeden unterstützen, die gesundheitliche Versorgung zu bekommen, die er braucht. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Sehr gut!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lemme. Steffen-Claudio Lemme (SPD): Herr Minister, inwiefern unterstützt denn Ihr Entwurf eines Präventionsgesetzes nun das öffentliche Gesundheitswesen? Sind darin auch Maßnahmen verankert, um Ländern und Kommunen mit entsprechenden Unterstützungsleistungen zu helfen? Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Herr Lemme, für den öffentlichen Gesundheitsdienst ist nicht der Bund zuständig, sondern dafür sind die Länder und die Kommunen zuständig. Ich hielte es für falsch - ich glaube, das wird jetzt in der Befragung auch ein bisschen deutlich -, dass wir Beitragsgelder der gesetzlichen Krankenversicherung zur Finanzierung von Aufgaben zweckentfremden, die eigentlich andere zu finanzieren und zu erledigen haben. Das war seinerzeit der Ansatz von Rot-Grün, der gescheitert ist. (Zuruf der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Der ist gescheitert, Frau Klein-Schmeink; denn Ihr Gesetz hat damals keine Mehrheit gefunden und ist auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gestoßen. - Es kann nicht sein, dass mit Beitragsgeldern für die Kranken- und Gesundheitsversorgung der gesetzlich Krankenversicherten Aufgaben finanziert werden, die im Bereich des öffentlichen Gesundheitsdienstes andere zu leisten haben. Selbstverständlich wird auch der öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt und in die Beratungen, zum Beispiel der Ständigen Präventionskonferenz, einbezogen. Er wird auch im Rahmen der parlamentarischen Beratungen angehört und anderes mehr. Aber ich bin nicht der Meinung, dass aus den Geldern der gesetzlich Krankenversicherten Aufgaben finanziert werden sollten, für die eigentlich die Länder Steuern und Abgaben erheben. Es bleibt Aufgabe der Länder und Kommunen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. (Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da werden wir bei der BZgA auch genau hingucken!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Wortmeldung zu dieser Befragung: Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Bahr, Sie haben vorhin erwähnt, dass durch das Präventionsgesetz die Ziele einer Webseite in ein Gesetz gehoben werden sollen. Das hat mich als bekennender gesundheitspolitischer Nichtfachmann (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das merkt man! Das merkt man aber deutlich!) rechtspolitisch verwundert. Deshalb will ich einfach fragen: Was bewirkt es rechtlich konkret, wenn diese Ziele in einem Gesetz stehen, oder dient das nur der Publizität dieser Ziele? (Jens Spahn [CDU/CSU]: Als Jurist solltest du das aber wissen!) Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Zunächst einmal ist gesundheitsziele.de ein Kooperationsverbund von vielen Beteiligten in der Gesundheitspolitik und darüber hinaus, die seit Jahren gemeinsame Präventionsziele beraten und dann auch vorlegen. Das nennt sich gesundheitsziele.de, weil man sich auf dieser Seite anschauen kann, was dieser Kooperationsverbund macht. Aber es ist natürlich weit mehr als nur diese Internetseite. Die Beteiligten beraten und entscheiden gemeinsam über die Ziele. Insofern ist das ein guter Prozess, um gemeinsam diese Ziele zu entwickeln und eine stärkere Bindungskraft zu entfalten. Ich glaube, durch die Verbindlichkeit im Gesetz werden erstens die Ziele bekannter, und zweitens werden alle Maßnahmen des Sozialgesetzbuchs - dafür ist das Gesetz ja da - auf diese Präventionsziele ausgerichtet. Das heißt, Maßnahmen, die die Krankenkassen finan-zieren und umsetzen, müssen sich an diesen Präven-tionszielen orientieren. Das ist bisher nicht der Fall. Deswegen ist das eine Stärkung solcher Präventionsziele, wenn wir sie verbindlich ins Gesetz hineinschreiben und damit alle Maßnahmen des Sozialgesetzbuchs V an diese Präventionsziele binden. (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Zum Beispiel bei der Evaluation der Maßnahmen. Wir sehen ja - anders als bisher - vor, dass Präventionsmaßnahmen einen nachhaltigen Erfolg zeigen müssen und auch evaluiert werden. Da orientiert man sich natürlich an diesen Präventionszielen, um festzustellen, ob eine Präventionsmaßnahme Erfolg gebracht hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich frage nun, ob es noch Nachfragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung gibt. - Das ist nicht der Fall. Möchte jemand darüber hinaus eine Frage an die Bundesregierung richten, die er nicht ohnehin schriftlich eingereicht hat? - Das ist glücklicherweise auch nicht der Fall. Damit ist die Regierungsbefragung abgeschlossen. Dann kommen wir zu Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde - Drucksachen 17/12763, 17/12811 - Ich rufe zunächst die dringlichen Fragen auf. Ich beginne mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit. Hier steht die Kollegin Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Beantwortung einer Frage der Kollegin Cornelia Behm zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 1 der Abgeordneten Cornelia Behm auf: Trifft es zu, dass der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, wie Der Spiegel vom 18. März 2013 berichtet, noch im Laufe des Monats März unter anderem den Stopp von Förderprogrammen zur Elektromobilität, zur Entwicklung von Stromspeichern und für den Waldklimafonds bekannt geben will, und für welchen Zeitraum soll diese Streichung gegebenenfalls gelten? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Behm, ich beantworte Ihre Frage zum EKF, Energie- und Klimafonds, wie folgt: Die Einnahmen des Energie- und Klimafonds sind von der Höhe der Erlöse aus dem Emissionshandel abhängig. Gegenwärtig laufen die Beratungen innerhalb der Bundesregierung auf höchster Ebene. Zum Thema Emissionshandel und auch zur Aufteilung der im Jahr 2013 zur Verfügung stehenden Finanzmittel: Das Ergebnis dieser Abstimmung gilt es abzuwarten. Erst dann herrscht Klarheit über die weitere finanzielle Ausstattung des EKF. Seitens der Bundesregierung wurde bislang kein Förderstopp verkündet. Ein solcher Schritt wäre zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nachfrage? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, gerne, Herr Präsident. - Vielen Dank für die Antwort. Es zeigt sich bei diesem Vorgang, wie absurd es eigentlich ist, notwendige Maßnahmen der Energiewende und des Klimaschutzes aus den Einnahmen des Emis-sionshandels zu finanzieren. Denn wenn der Emissionshandel funktioniert, dann ist das schon Anreiz für den Klimaschutz. Viel wichtiger wäre es gewesen, diese notwendigen Maßnahmen tatsächlich aus dem Haushalt zu finanzieren. Insofern frage ich ganz konkret nach dem Waldklimafonds. Denn das ist, glaube ich, ein zentrales Thema beim Klimaschutz. Der Waldklimafonds ist mit 28 Millionen Euro nicht gerade ein sehr großer Brocken, aber es sind nach sehr langen Planungsphasen jetzt endlich Maßnahmen formuliert worden. Es kann losgehen. Da ist sehr viel Energie hineingeflossen. Ich möchte gerne wissen, ob der Waldklimafonds, sollte es aufgrund der wegbrechenden Einnahmen zu Kürzungen oder zu einem Förderstopp kommen, dann aus dem Haushalt finanziert wird, damit alle geplanten Maßnahmen auch umgesetzt werden können. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin Behm, zunächst teile ich Ihre grundsätzliche Einschätzung zur Bedeutung dieses Fonds. Die Frage zur Finanzierung, zur Zukunft und zum Start kann ich allerdings nicht beantworten, weil wir innerhalb der Ressorts über die Zukunft des EKF und die Ausfinanzierung der einzelnen Förderprogramme noch im Gespräch sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Nachfrage? Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Ein ganz wichtiges Programm im Rahmen des Klimaschutzes ist das Altbausanierungsprogramm. Ich würde gerne wissen, ob die Bundesregierung sicherstellen kann, dass das Altbausanierungsprogramm auf jeden Fall auf dem Stand weitergeführt werden kann. Oder müssen künftig junge Familien wie meine Kinder, die sich gerade im ländlichen Raum daranmachen, alte Gebäude klimafreundlich wiederherzurichten, um mit ihrer Familie dort zu wohnen, damit rechnen, dass sie für diese Maßnahmen kein Geld mehr bekommen und ein ganz entscheidender Punkt im Rahmen des Klimaschutzes wegbricht? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zum einen, Frau Kollegin Behm: Alle Mittel, die bislang im EKF abgebildet sind, sind Mittel, über die wir uns jetzt im Rahmen der Ressortbesprechungen mit dem Finanzministerium und allen anderen beteiligten Ressorts austauschen. Dazu kann ich noch keine Antwort geben. Insofern sind die Fragen nach den einzelnen Programmen jetzt nicht zu beantworten. Eine andere Frage ist die nach der generellen Gebäudesanierung. Hier ist es so, dass die Bundesregierung die Mittel für die energetische Gebäudesanierung sicherstellen kann. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kofler, bitte. Dr. Bärbel Kofler (SPD): Ich hoffe, Frau Staatssekretärin, ich bekomme eine konkrete Antwort. Ich fand es leider sehr ausweichend, was Sie auf die Frage der Kollegin Behm geantwortet haben, die sich ursprünglich, wie ich das verstanden habe, auch auf die Meldungen im Spiegel aus dieser Woche bezogen hat. Der Spiegel hat gemeldet, dass 14 Einzelmaßnahmen aus dem Energie- und Klimafonds gestoppt worden sind. Ich habe dazu eine hübsche Liste, aus der man die Einzelmaßnahmen entnehmen kann, die gestoppt werden. Dazu gehört der angesprochene Waldklimafonds. Es geht aber auch um die Mini-Kraft-Wärme-Kopplung, das MAP und um Fragen der Klimaschutzanpassung, die meines Erachtens letzte Woche im Ausschuss noch anders beantwortet worden sind. Das heißt, es betrifft Unternehmen, Kommunen, Handwerker und Privatinvestoren. Es gibt eine schöne Liste, auf der steht: Zeitpunkt der Kommunikation für den Förderstopp im Laufe des März; für den gerade angesprochenen Waldklimafonds ist das Ende März. Meine Frage lautet: Wann gibt es konkrete Aussagen, um welche Summen es geht und welche Programme betroffen sind? Wenn solche Listen in der Welt sind, dann, finde ich, ist es angebracht, dass das Parlament unterrichtet wird, um darüber diskutieren zu können. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kofler, der Bundesumweltminister hat in der letzten Ausschusssitzung sehr deutlich gemacht - auch auf Ihre Frage hin -, wie er selbst den EKF und den Emissionshandel einschätzt und dass er als Umwelt-minister alles daransetzt, Förderzusagen einzuhalten. Zu dem von Ihnen angesprochenen Mini-KWK-Programm ist zu sagen, dass die Mittel für dieses Programm aus der Nationalen Klimaschutzinitiative und hier überwiegend aus dem Haushalt kommen. Es gibt keinen Stopp, so wie Sie es gerade kommunizieren. Allerdings gibt das BAFA potenziellen Interessenten keine Neuzusagen. Vielmehr gilt jetzt, die schon gemachten Zusagen abzuarbeiten. Das ist aber kein Förderstopp, so wie Sie es gerade kommunizieren. Wir versuchen alles, um Mittel zu bekommen und den Klimaschutz weiter zu fördern. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Lehrieder. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin Reiche, halten Sie eine Verbesserung des Klimaschutzes auch dann für möglich, wenn die bisher im Bundesrat bestehende Blockade der energetischen Gebäudesanierung durch die SPD-geführten Länder endlich aufgegeben wird und dann Maßnahmen betreffend sowohl den Klimaschutz als auch die Beschäftigung von Handwerkern, die die Kollegin ebenfalls gerade angesprochen hat, besser umgesetzt werden können? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Maßnahme der steuerlichen Absetzbarkeit der Kosten der energetischen Gebäudesanierung wäre äußerst sinnvoll und zielführend, weil ein investierter Euro einen Rückfluss von 8 Euro zur Folge hat. Da der Bundesrat mit der Mehrheit von SPD und Grünen dem nicht folgen möchte, ist die Umsetzung einer für den Klimaschutz in Deutschland wesentlichen Maßnahme nicht möglich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben richtig geschildert, dass sich der Energie- und Klimafonds im Wesentlichen aus zwei Quellen speist: zum einen aus dem Verkauf der CO2-Emissionszertifikate und zum anderen aus der Brennstäbesteuer, aus der aber keine Einnahmen mehr erzielt werden können. Vor diesem Hintergrund hängen die Einnahmen insbesondere von den Preisen der Zertifikate ab, und das in einer Phase, in der aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der CO2-Ausstoß sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene zurückgeht. Deshalb frage ich Sie: Wann wird die Bundesregierung ihren Widerstand gegen die Minderung der Preise der Treibhausgaszertifikate aufgeben, damit der Zertifikatehandel wieder Wirkung entfalten und der Energie- und Klimafonds die geplanten Einnahmen erhalten kann? Das war in dieser Woche auch Gesprächsgegenstand im Rahmen der Diskussion über die Energiepreise. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Beck, wir brauchen auch ein Signal seitens der Europäischen Kommission. Auf europäischer Ebene ist noch nicht darüber entschieden, wie sich das Europäische Parlament verhalten wird. Mehrheiten sind hier nicht sicher. Wir sind mitten in einem Trilogverfahren, das komplizierte Abläufe auf europäischer Ebene mit sich bringt. Einen Wegweiser seitens des Europäischen Parlaments können wir nicht vor April, vielleicht auch erst im Mai erwarten. Ohne eine Position in Europa ist es schwierig, sich innerhalb Deutschlands zu positionieren. Der Minister hat im Umweltausschuss deutlich gemacht, dass, sobald diese Frage auf europäischer Ebene ansteht, auch Deutschland zu einer Haltung kommen und sich positionieren wird. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, wir brauchen Europa, damit wir eine Meinung haben!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Miersch. Dr. Matthias Miersch (SPD): Frau Staatssekretärin, ich frage Sie auch in Anbetracht dessen, dass der Präsident des Deutschen Bundestages heute anwesend ist: Sie haben eben auf die Frage der Kollegin Kofler wieder ausweichend geantwortet. Halten Sie es nicht für eine Missachtung des Deutschen Bundestages, wenn Sie hier weiterhin ausweichend antworten, wie es auch der Herr Bundesumweltminister im Ausschuss in der letzten Woche getan hat, obwohl in Ihrem Haus eine Liste existiert, auf der sehr genau und detailliert aufgeführt wird, bei welchen Programmen wann mit einem Förderstopp zu rechnen ist? In der Überschrift dieser Liste steht in Klammern: Kommunikation in Abhängigkeit des politisch-öffentlichen Drucks. - Wenn Sie bereits eine solche Liste haben, auf der detailliert aufgeführt ist, wann es zu einem Förderstopp welchen Programmes kommt, ist es dann nicht Aufgabe der Bundesregierung, die entsprechenden Fragen, wenn sie im Parlament gestellt werden, zu beantworten? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zunächst ist es Aufgabe der Bundesregierung, sich intern abzustimmen (Dr. Bärbel Kofler [SPD]: Schön! Machen Sie mal!) und dafür zu sorgen, dass Finanzierungszusagen, wo es geht, eingehalten werden können, wissend um die Tatsache, dass allein Deutschland das Funktionieren des europäischen Emissionshandels und die Preise nicht wird beeinflussen können. Weil wir das nicht können - wir können den Preis für CO2-Emissionen nicht beeinflussen -, sind wir in Verhandlungen, wie wir trotzdem Klimaschutzmaßnahmen aufrechterhalten können. Die Listen, die irgendwo kursieren und auf die Sie sich beziehen, sagen noch lange nichts über das Bewirtschaftungsschreiben des BMF aus, auf das wir warten. Wir sind in Gesprächen. Solange das nicht geklärt ist - an der Klärung arbeiten wir -, werden wir keinen Förderstopp für einzelne Programme ausrufen. Insofern bitte ich, unsere Position zu respektieren. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Fell. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Staatssekretärin Reiche, Sie haben gesagt, es werde keinen Förderstopp bestehender Programme geben. Wir haben - erlauben Sie mir diese Bemerkung - aufgrund Ihrer ausweichenden Antworten erhebliche Zweifel daran. Aber ich möchte Sie zu dem Förderbeginn eines neuen Programmes fragen. Es gab im letzten Sommer ein Ergebnis in den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur Solargesetznovelle. In diesen Verhandlungen hat die Bundesregierung die Vorschläge der Länder, der SPD und der Grünen abgelehnt, im EEG einen Speicherbonus für kleine Speicher bei den Solaranlagen zu verankern, und zwar mit dem Argument, die Bundesregierung werde ein Speicherprogramm auflegen und dieses bald in Kraft treten lassen. Wir wissen: Dieses Speicherprogramm ist ausgestaltet und fertig, aber wir warten seit Monaten auf den Beginn dieses Förderprogramms. Nun hören wir, dass es keine Mittel im EKF gibt, um dieses Förderprogramm auf den Weg zu bringen. Daher frage ich Sie: Wann wird dieses Förderprogramm kommen? Um es deutlich zu machen: Was glauben Sie, welches Signal für kommende Verhandlungen im Vermittlungsausschuss an Bund, Länder und Fraktionen gesendet wird, wenn von der Bundesregierung zugesagte Programme nicht umgesetzt werden und damit der Beschluss des Vermittlungsausschusses letztendlich hintergangen wird? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zum Ersten wäre es sowieso klüger gewesen, die ursprünglichen Vorschläge des damaligen Bundesumweltministers Röttgen zu befolgen. Dann hätten wir jetzt nämlich eine verträglichere Situation bei der Photovoltaikförderung in Deutschland und hätten uns langwierige Verfahren und Unsicherheiten im Markt erspart. Zum Zweiten gilt mit Blick auf den EKF auch hier, dass wir mit dem Finanzministerium in Ressortabstimmungen zum Bewirtschaftungsschreiben sind. Danach können wir Aussagen darüber machen, in welcher Form welches Programm weiterläuft. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Sie nach dem Förderbeginn gefragt!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Frage stellt der Kollege Krischer. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, ich habe bereits in der vergangenen Woche Ihre Kollegin Heinen-Esser zu dem Thema Mini- und Mikro-KWK und Weiterführung des Programms befragt. Wir waren uns - so habe ich Ihre Kollegin in der vergangenen Woche verstanden - zumindest darin einig, dass man die Situation, soweit sie im Moment beurteilbar ist, den betroffenen Antragstellern kommuniziert, dass man zum Beispiel auf der Internetseite des BAFA einen deutlichen Hinweis gibt, wie es um die Finanzierung des Programms steht. Ich habe gerade sowohl auf den Internetseiten des BMU als auch auf den -seiten des BAFA, des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle - es ist die bewilligende Stelle -, noch einmal nachgesehen: Dort gibt es keinerlei Hinweis darauf, dass es irgendein Problem mit der Finanzierung oder Ähnlichem geben könnte, dass also Förderanträge erst einmal zurückgestellt werden und dass man darüber später entscheidet. Meine Frage an Sie ist deshalb: Wann stellen Sie auf den Internetseiten des BMU und der zuständigen Bewilligungsbehörde endlich transparent und aktuell dar, womit Antragsteller im Bereich Mini- und Mikro-KWK-Programme und selbstverständlich auch der anderen Programme dann zu rechnen haben? Vizepräsidentin Petra Pau: Entschuldigung, Frau Staatssekretärin, warten Sie bitte einen Moment. - Ein Hinweis, nicht nur an den Kollegen Krischer, sondern an alle nachfolgenden fragenden Kollegen: Wenn das optische Signal auf Rot springt, ist damit nicht der Zeitpunkt gemeint, an dem Sie Ihre Frage einleiten, sondern Sie sollten an diesem Punkt das Fragezeichen an den Schluss Ihres Satzes setzen. - Bitte, Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Krischer, ich glaube, Sie haben Frau Heinen-Esser entweder missinterpretiert oder falsch verstanden. Mir liegt vor, was Frau Heinen-Esser Ihnen in der letzten Woche geantwortet hat. Es hieß - sehr konkret -, dass über das Thema Emissionshandel und über die Aufteilung der Finanzmittel aus dem EKF gesprochen wird, dass das Ergebnis dieser Abstimmung abzuwarten ist, dass das Bundesamt für Wirtschaft und -Ausfuhrkontrolle für die Abwicklung des Mini-KWK-Programms zuständig ist und dass das BAFA bis zur Klärung der Mittelverteilung gebeten wurde, die Anträge anzunehmen, jedoch keine Grundbescheide zu erlassen, gerade um den - von Ihnen vermuteten und immer wieder unterstellten - Antragstopp zu vermeiden. Das hat Ihnen Frau Kollegin Heinen-Esser geantwortet, und das kann ich an dieser Stelle auch nur bestätigen. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Nachfrage stellt die Kollegin Vogt. Ute Vogt (SPD): Frau Staatssekretärin, ich würde gern auf die Liste zurückkommen, die schon der Kollege Miersch angesprochen hat. Ich möchte Sie fragen, aus welchem Anlass diese Liste in Ihrem Hause erstellt worden ist und was es damit auf sich hat, dass dort sinngemäß von der Abhängigkeit vom politisch-öffentlichen Druck die Rede ist. Wie stehen Sie dazu, dass nach dieser Liste im Laufe des März praktisch fast alle Programme einem Förderstopp unterlägen? Was heißt das für Ihren konkreten Zeitplan? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin, ich nehme zu internen Vermerken und Hinweisen, wie sie in jedem Ministerium existieren, keine Stellung, solange es sich nicht um veröffentlichte Dokumente handelt; insofern gehe ich darauf nicht ein. Ich verweise aber noch einmal darauf, dass wir mit den Fachressorts über die Ausfinanzierung der Programme verhandeln, dass wir laufenden Verpflichtungen nachgehen wollen, um die notwendigen Mittel zur Bewirtschaftung sicherzustellen. Zu allem anderen ist jetzt, glaube ich, bereits alles gesagt. Vizepräsidentin Petra Pau: Nun die Nachfrage des Kollegen Schwabe. Frank Schwabe (SPD): Frau Staatssekretärin, wir reden ja nicht über irgendetwas, sondern über, so hat es auch der Minister genannt, eines der Herzstücke der Energiewende. In der Tat müssen Sie nicht all das sagen, was Sie wissen. Aber wenn wir etwas wissen und bei Ihnen konkret nachfragen, dann müssen Sie als Mitglied der Bundesregierung hier natürlich schon, wie ich finde, wahrheitsgemäß antworten. Ich frage Sie noch einmal: Kennen Sie persönlich ein Blatt mit der Überschrift "Anlage 3, Auswirkungen fehlender EKF-Mittel auf BMU-Programme", mit Anweisungen, wie man mit öffentlichem Druck umzugehen hat, mit Anweisungen, wann man den Stopp von Förderprogrammen öffentlich zu kommunizieren hat? Können Sie ausschließen, dass es innerhalb der nächsten Wochen einen, womöglich nur teilweisen, Förderstopp für die 14 betroffenen Programme - ich will einige konkret benennen: Förderprogramm zum Waldklimafonds, zur Klimaschutzanpassung, zur Klima- und Biodiversität, zur Elektromobilität - geben wird? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Die Existenz von Papieren und Überlegungen, in welchen Häusern auch immer, kann und will ich überhaupt nicht bestreiten; das habe ich auch nicht getan. Sie haben mich gefragt, auf welchem Stand wir sind und was wir unternehmen, um eine kritische Situation im EKF zu beheben. Diese Fragen habe ich beantwortet: dass wir mit den Ressorts verhandeln, dass wir uns um eine Stabilisierung der Einnahmesituation bemühen und dass wir vor allem laufende Förderprogramme sicherstellen wollen. Noch einmal der Hinweis auf ein zu erwartendes Bewirtschaftungsschreiben: Wenn das vorliegt, können wir Ihnen Auskunft darüber geben, welche Maßnahmen in welchem Umfang zu welchem Zeitpunkt finanziert werden können. (Ute Vogt [SPD]: Die Frage war, ob Sie das Papier kennen!) - Die Frage habe ich beantwortet, Frau Vogt. (Ute Vogt [SPD]: Deine Rede sei "ja, ja" oder "nein, nein"!) Vizepräsidentin Petra Pau: Nach unseren Regeln ist es nicht möglich, hier in einen Austausch zu treten. Zur letzten Nachfrage, Frau Kollegin Kotting-Uhl, bitte. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Frau Präsidentin. - Meine Frage ist tatsächlich ganz kurz: Frau Staatssekretärin, habe ich Sie in Ihrer vorletzten Antwort richtig verstanden, dass even-tuell sogar bereits im Bewilligungsverfahren befindliche Vorhaben gefährdet sind? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sie haben mich hoffentlich so verstanden, Frau Kollegin Kotting-Uhl, dass wir sicherstellen wollen, dass -getroffene Zusagen eingehalten werden und dass wir darüber hinaus so verhandeln, dass Förderprogramme stattfinden können. (Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also: Ja!) Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. Wir kommen nun zu den dringlichen Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter zur Verfügung. Ich rufe die dringliche Frage 2 des Kollegen Dr. Diether Dehm auf: Zur Privatisierung welcher Unternehmen hat sich die zyprische Regierung in den Verhandlungen um die Kredite aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, ESM, bereit erklärt, und welche Verpflichtungen beinhaltet diesbezüglich das neu verhandelte Memorandum of Understanding? Bitte, Herr Staatssekretär. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Dehm, in den noch laufenden Verhandlungen zwischen Zypern und den Euro-Staaten hat die -zyprische Regierung zugesagt, die Privatisierungsbemühungen zu intensivieren, um mithilfe von Privatisierungserlösen den Finanzbedarf für ein Stabilisierungsprogramm in der Causa Zypern zu senken. Die zyprische Regierung hat dabei keine spezifischen Unternehmen genannt. Entgegen Ihrer Fragestellung gibt es auch noch kein neu verhandeltes Vertragswerk mit dem Titel "Memorandum of Understanding". Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Sie schließen also aus, dass bei einem solchen Memorandum of Understanding Gas eine strategische Rolle spielt? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Dehm, diese Suggestivfrage möchte ich dahin gehend beantworten, dass über die Inhalte des Memorandum of Understanding im Detail keine Einigung erzielt worden ist. Die Beschlussfassung der Finanzminister der Euro-Gruppe vom vergangenen Sonntagfrüh ist eine politische Einigung, in der verschiedene Elemente angesprochen werden, unter anderem auch die Möglichkeit, über die Gasexploitation zu reden. Aber eine verbindliche spezielle Einigung liegt derzeit noch nicht vor. Wie Sie wissen, hat das zyprische Parlament einem bestimmten Vorschlag, nämlich der Beteiligung von Depositen zur Absenkung des Finanzbedarfs, bewusst nicht zugestimmt. Von daher sehen wir jetzt mit Interesse den konkreten Vorschlägen der in Zypern Verantwortlichen entgegen, wie sie den Eigenanteil von etwa 7 Milliarden Euro aufbringen können. Der bisher vorgeschlagene Weg ist Ihnen bekannt. Ob es Alternativen gibt, die das gleiche Ziel erreichen, bleibt abzuwarten. Der Ball liegt im Spielfeld der zyprischen Verantwortlichen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Dann frage ich jetzt einmal den Geostrategen: Die Rolle des Themas Gas in der Entwicklung, die wir heute auch der Presse entnehmen, würden Sie also als eher gering und zu vernachlässigen einschätzen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Dehm, die Energieversorgung in Europa mit einem hohen Eigenanteil sicherzustellen, ist ein wichtiges Ziel. Dies wird auch dadurch deutlich, dass ehemalige höchste Repräsentanten der Bundesregierung sich bei diesem Thema ganz besonders engagieren - beispielsweise auf beiden Seiten der Pipelinevarianten. Von daher, glaube ich, wird in allen Fraktionen des Deutschen Bundestages gemeinsam die Auffassung vertreten, dass man das Notwendige tun muss, um die Energieversorgung dauerhaft stabil - auch mithilfe von Gaslieferungen aus verschiedenen Quellen - aufrechtzuerhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Herr Kollege Ulrich hat ebenfalls eine Nachfrage. Bitte. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, zu den Privatisierungen: Die -Ursache der zyprischen Probleme sind ja gerade nicht defizitäre Staatsbetriebe, sondern eine Banken- bzw. -Finanzkrise. Warum zwingt man Zypern also zu Privatisierungen von Staatsbetrieben, obwohl diese sogar schwarze Zahlen schreiben? Wird hier nicht ein falsches Politikmodell umgesetzt? Nutzt man die zyprische Krise, um ein Politikmodell umzusetzen, das besser zur Situation der Europäischen Union passen würde? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ihre Analyse mit dem ihr zugrunde liegenden Sach-zusammenhang wird von der Bundesregierung nicht geteilt. Die Analyse der europäischen Finanzminister führt zu der Ansicht, dass das Kernproblem Zyperns ein völlig überdimensionierter Bankensektor ist. Er ist, gemessen an der Größe der Wirtschaft Zyperns, der zweitgrößte innerhalb der Europäischen Union. Er ist sehr krisenanfällig; er ist offenkundig unterkapitalisiert und muss deswegen redimensioniert werden - sprich: Schrumpfung um die Hälfte. Ein Programm, das dies ermöglicht, muss aber auch die Schuldentragfähigkeit Zyperns berücksichtigen; denn sonst hieße es, Geld in ein Fass ohne Boden zu werfen. Wir gehen nach dem Vorschlag der Troika davon aus, dass bei einem Kreditbedarf von mehr als 10 Milliarden Euro diese Schuldentragfähigkeit nicht gegeben ist. Die Differenz zwischen den offenkundig benötigten 17 Milliarden Euro und einem Kredit in Höhe von 10 Milliarden Euro muss durch Eigenleistungen der -zyprischen Verantwortlichen, der zyprischen Bevölkerung, der zyprischen Wirtschaft erbracht werden. Dazu können Privatisierungen einen notwendigen Beitrag leisten. Deswegen glauben wir auch, dass das in einem möglichen Memorandum of Understanding eine Rolle spielen sollte, und zwar in dem Sinne, dass das Programm nachhaltig und tragfähig sein muss. Wir erwarten, dass nicht der europäische Steuerzahler allein, sondern auch die Republik Zypern zu dieser Schuldentragfähigkeit einen substanziellen Beitrag leistet. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur dringlichen Frage 3 des Kollegen Dr. Diether Dehm. Inwiefern hat die zyprische Regierung im mit der Troika neu ausgehandelten Memorandum of Understanding oder in anderen Verhandlungen die potenziellen zukünftigen Einnahmen aus der Ausbeutung von Gas oder anderen Rohstoffen verpfändet, und in welcher Form werden diese potenziellen Einnahmen im neu verhandelten Memorandum of Understanding bzw. in anderen Abkommen im Zusammenhang mit -Kredithilfen erwähnt? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Diese Frage haben Sie, Herr Kollege Dehm, vorhin schon als Nachfrage gestellt. Aber ich beantworte sie gerne noch einmal. Ich hatte vorhin schon dargelegt, dass es ein solches Memorandum of Understanding nicht gibt, aber ich schließe auch nicht aus, dass es dazu Regelungen geben könnte. Wir haben diesen Punkt in der kurzen Stellungnahme der Finanzminister nach der politischen Einigung angesprochen. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie noch Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur dringlichen Frage 4 des Kollegen Alexander Ulrich: Inwiefern sollen institutionelle Anleger, Kapitalgesellschaften und Banken nach Vorstellung der Bundesregierung an der Zwangsabgabe auf Einlagen bei zyprischen Banken beteiligt werden, und welche (weiteren) Ausnahmen von der Abgabe sind vorgesehen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Nach Kenntnis der Bundesregierung soll sich die geplante einmalige Stabilitätsabgabe auf Einlagen sowohl ortsansässiger als auch im Ausland lebender Kontoinhaber beziehen. Die Stabilitätsabgabe wurde von Zypern nicht verabschiedet. Für uns ist nicht so sehr die Detailausgestaltung, sondern der Gesamtbeitrag Zyperns zu diesem Programm wichtig. Die von Ihnen erbetenen -Detailauslegungen obliegen der zyprischen Gesetz-gebung. Dies betrifft beispielsweise auch die in Deutschland zu Recht sehr intensiv geführte Debatte über eine mögliche Beteiligung von kleineren Depositen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, nachdem gestern die Zwangsabgabe bzw. die Enteignung der Kleinsparer abgelehnt worden ist, stellt sich durchaus auch die Frage nach -Alternativen, die entwickelt werden müssten. Meine Frage an Sie lautet: Hat man alternativ schon über einen Schuldenschnitt nachgedacht, wie er bei Griechenland gemacht worden ist? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ulrich, es ist gestern im zyprischen Parlament nicht spezifisch über den Beitrag kleiner bzw. großer Depositen entschieden worden. Ich interpretiere die Entscheidung so, dass die breite Mehrheit des zy-prischen Parlamentes die Beteiligung von kleineren und größeren Einlegern an der Rettung Zyperns abgelehnt hat. Wir sind der Auffassung, dass Zypern, unbeschadet der von uns nicht geforderten Beteiligung von Kleinanlegern, eine einmalige Abgabe in Höhe von 5,8 Milliarden Euro zu erbringen hat. Die Gespräche mit Zypern dauern noch an. Daher erkenne ich jetzt nicht die Notwendigkeit, über irgendwelche Alternativen zu spekulieren. Ich halte den Weg nach wie vor für richtig. Ohne eine Eigenbeteiligung Zyperns ist nach den -Regularien des Europäischen Stabilitätsmechanismus ein Rettungsprogramm im Deutschen Bundestag nicht zustimmungsfähig. Ich erinnere Sie daran, dass aus den Reihen der Opposition darauf hingewiesen wird - mir liegt eine Agenturmeldung über eine entsprechende Äußerung von Herrn Özdemir vor -, dass eine Beteiligung von Einlegern ein notwendiger und richtiger Bestandteil dieses Programms ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre zweite Nachfrage. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Können Sie noch einmal die Haltung der Bundesregierung und des Finanzministers in den Verhandlungen in der Nacht von Freitag auf Samstag erläutern? Warum hat die Bundesregierung zugestimmt, dass es für Kleinsparer keine Freibeträge gibt? Warum hat sie zugestimmt, dass Kleinsparer für eine Bankenkrise in eine Mithaftung genommen werden, die diese nicht verursacht haben? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, der Eindruck, dass das zyprische Bankenwesen eine Ansammlung von Kleinsparern ist, entspricht leider nicht den Tatsachen. Der durchschnittliche Anleger in Zypern hat ein doppelt so hohes Depot wie der durchschnittliche Anleger in Westeuropa. Er wird, was die Verzinsung angeht, gegenüber den übrigen Europäern bevorzugt behandelt. Bei Tagesgeld liegt die Verzinsung deutlich über 1 Prozent. Ich weiß nicht, wie hoch der Zinssatz bei Ihrem Tagesgeldkonto, wenn Sie denn eines haben, ist. Bei Laufzeiten von bis zu zwei Jahren erhalten wir in Deutschland beispielsweise bei einer Volksbank oder Sparkasse rund 1,5 Prozent. In -Zypern gibt es 3 Prozent mehr, nämlich bis zu 4,5 Prozent. Dies hat in Zypern zu einem erheblichen Zufluss an Kapital unterschiedlichster Quellen geführt. Vor diesem Hintergrund sollte dieses gut verzinste Kapital zu einer Lösung beitragen, die vorsieht, dass der europäische Steuerzahler nicht für ein offenkundig instabiles Finanzsystem einstehen muss. Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass die Einbeziehung kleinerer Depositen nicht Kernanliegen der Bundesregierung ist, sondern von zyprischer Seite vorgetragen worden ist. Im Kern kann es unterschiedliche Varianten geben. Das zeigt die öffentliche Debatte. Wir hätten ohne Weiteres akzeptieren können, wenn man gesagt hätte: Nur Depositen oberhalb einer Grenze von 100 000 Euro werden für die Besteuerung herange-zogen. - Allerdings wäre dies mit einem höheren Steuersatz verbunden. Nach meiner Kenntnis des Sachverhaltes hat die zyprische Regierung es vermeiden wollen, dass sich bei der Besteuerung eine zweistellige Zahl ergibt. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Beck stellt die nächste Nachfrage. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, vor dem Hintergrund dessen, was Sie gerade gesagt haben, frage ich: Teilt die Bundes-regierung die Auffassung, dass wir Zypern zum einen bei der Besteuerung der Depositen nicht aus der Verantwortung entlassen dürfen und dass wir zum anderen bei der Regelung bezüglich der Kleinanleger etwas machen müssen? Wollen Sie den Zyprern ein Angebot machen, dass sie, wenn sie die gleiche Summe aufbringen, die Kleinsparer mit einem Vermögen von unter 100 000 Euro von der Besteuerung ausnehmen können? In diesem Fall kommt man zu einem Steuersatz von 15 Prozent. Werden Sie dahin gehend aktiv, dies den -Zyprern vorzuschlagen? Dies wäre eine Lösung, bei der einerseits unser Ziel mit Blick auf die Beteiligung Zyperns erreicht werden würde und andererseits die Zusage der Kanzlerin bezogen auf die Einlagensicherung nicht verletzt wäre. Ich befürchte nämlich, dass die Ansage, dass es zu einem Heranziehen der Einlagen unter 100 000 Euro kommen könnte, bei zukünftigen Krisen in anderen Ländern zu einem panischen Geldabheben bei den Banken führen wird. Deswegen wäre es im Hinblick auf zukünftige Krisen eine präventive Maßnahme, wenn man diesen Punkt festschriebe und vonseiten der Bundesregierung eine entsprechende Initiative ergriffe. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Ich will noch einmal deutlich machen, dass die Verhandlungen aus Sicht der Bundesregierung genau die Forderungen widergespiegelt haben, die im deutschen Parlament erhoben worden sind. Die erste Forderung, die die Oppositions- und die -Koalitionsfraktionen an uns gerichtet haben, war: Es muss ein tragfähiges Programm sein, das heißt, die -zyprische Seite muss einen wesentlichen Eigenanteil erbringen. Die zweite Forderung war: Es muss eine substanzielle Steigerung der Unternehmensteuern in Zypern geben. Auch diesbezüglich hat die zyprische Regierung eine Zusage gemacht. Die dritte Forderung war: Die vermuteten, aber nicht belegten Vorwürfe in Sachen Geldwäsche sollen von -unabhängiger dritter Seite aufgeklärt werden. Auch die Erfüllung dieser Forderung ist von der zyprischen -Regierung zugesagt worden. Ich glaube, wir haben alle wesentlichen Forderungen, die in diesem Kontext sowohl von der Koalition als auch von der Opposition im Deutschen Bundestag erhoben worden sind, in diesem Programm berücksichtigt. In der Telefonkonferenz vom Montagabend ist das, was Sie, Herr Abgeordneter Beck, fordern, ausdrücklich bestätigt worden: Es steht der zyprischen Regierung selbstverständlich frei, Depositen unterhalb von 100 000 Euro von einer Belastung freizustellen. Für uns ist nicht die Detailausgestaltung wichtig; für uns ist wichtig, dass der zugesagte Eigenbeitrag aus dem Bankensektor, beziffert mit 5,8 Milliarden Euro, erbracht wird. Die Gerechtigkeitsüberlegungen, die Sie vortragen, teile ich ausdrücklich. Das zyprische Parlament hat -allerdings in seinem Beschluss ausdrücklich auch die Belastung von Depositen oberhalb von 100 000 Euro abgelehnt. Wir sehen jetzt mit Interesse dem Vorschlag der Republik Zypern entgegen, wie sie den Eigenanteil in Höhe von 5,8 Milliarden Euro erbringen will, und sehen uns jetzt eigentlich eher in der Position, gespannt auf die politischen Entscheidungen der zyprischen Regierung und des zyprischen Parlamentes zu warten. Vizepräsidentin Petra Pau: Die nächste Nachfrage stellt der Kollege Dehm. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Abgesehen davon, dass Sie möglicherweise zu einer Neiddebatte inspirieren, wenn Sie sich hier im Zusammenhang mit den Einlagen der Kleinsparer in Zypern auf den hohen Durchschnittswert der dortigen Einlagen beziehen - man kann beispielsweise das durchschnittliche Vermögen eines Milliardärs und einer Reinemachefrau errechnen, um den Eindruck zu erwecken, dass beide Millionäre sind -, können Sie, Herr Staatssekretär, versichert sein: Es gibt dort Kleinsparer. Es gibt Kleinsparer, die das, was gestern auf dem Tisch lag, als Vertragsbruch empfinden. Es hat eine verheerende Wirkung auf viele Kleinsparer in Europa und könnte noch viel verheerendere Wirkungen haben, wenn nicht bedingungslos gesagt wird: Hände weg von den Konten der Kleinsparer. Die Frage ist: Wären nicht die Glaubwürdigkeit und die Durchschlagskraft unserer Forderungen vielleicht größer, wenn wir denjenigen, die im eigenen Land im Zusammenhang mit Drogenhandel, Waffenhandel und anderen schäbigen Geschäften Steuerhinterziehung -betreiben - ob es die Deutsche Bank oder ein anderer Konzern ist -, entschiedener zu Leibe rücken würden - nicht nur mit gelegentlichen staatsanwaltlichen Razzien in den Hochhäusern in Frankfurt - und in Europa eine Kultur etablieren würden, die es Steuerhinterziehern sehr schwer macht, mit irgendeiner Milde zu rechnen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Dehm, die Zustände, die in den vergangenen Jahren zu Geldanlagen in Zypern eingeladen -haben - unter Umgehung des Gerechtigkeitsempfindens und auch des Steuerrechts in anderen Staaten -, sind von einem kommunistischen Präsidenten, zu dem die Partei Die Linke ausgesprochen intensive und freundschaftliche Verbindungen hat, offensichtlich aufrechterhalten und fortentwickelt worden. Es ist jetzt dieser Bundes-regierung unter der Führung von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble gelungen, bei diesem Geschäfts-modell den wohl entscheidenden Schnitt zu machen, indem die drei genannten Punkte - Redimensionierung des Bankensektors, erheblicher Anstieg der Unternehmensteuern und Umsetzung der Vorschriften zur Vorsorge gegen Schwarzgeld - endlich implementiert werden. Ich hätte mich gefreut, wenn Ihre Partei und Ihre Fraktion in der vergangenen Legislaturperiode des zy-prischen Parlamentes ihren Einfluss genutzt hätten, um dieses Geschäftsmodell mit dem links-sozialistischen, kommunistischen Präsidenten Zyperns genauso kritisch zu erörtern, wie Sie es jetzt in der Fragestunde mit der Bundesregierung tun, die genau das abstellt. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich rufe die dringliche Frage 5 des Kollegen Ulrich auf: Was ist der Bundesregierung über Pläne der britischen Regierung bekannt, nach denen britischen Staatsbürgern mit Einlagen auf zyprischen Banken die Zwangsabgabe erstattet werden soll, und gibt es in der Bundesregierung ähnliche Überlegungen? Bitte, Herr Staatssekretär. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Antwort lautet: Der Bundesregierung ist aus Presseberichten bekannt, dass die britische Regierung britischen Staatsbürgern die Stabilitätsabgabe unter gewissen Bedingungen erstatten will. Wir werden ähnliche Überlegungen nicht verfolgen, Herr Kollege Ulrich. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Bei den Verhandlungen mit Zypern hat auch das Thema Körperschaftsteuer eine Rolle gespielt. Es gibt nun eine kleine Annäherung: Sie soll von 10 auf 12,5 Prozent steigen. Wenn das umgesetzt wird: Über welche Summen reden wir? Welchen Beitrag würde diese Steuererhöhung ausmachen? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ulrich, hier erwischen Sie mich etwas blank. Aus dem Kopf kann ich Ihnen das leider nicht beantworten. Aber ich gehe davon aus: Sobald es ein Memorandum of Understanding gibt, gibt es auch ein entsprechendes Finanztableau; das haben wir anhand anderer Beispiele gesehen. Sobald ich mehr weiß, werde ich Ihre Frage unaufgefordert schriftlich beantworten. Es geht uns allerdings nicht ausschließlich um das erzielte Volumen, sondern auch darum, dass ein Körperschaftsteuersatz wie in Zypern - er steigt ja jetzt um 25 Prozent an - eine im europäischen Vergleich unanständig niedrige Besteuerung darstellt. Aufgrund dieser niedrigen Besteuerung kam es in Zypern zu Kapital- und Liquiditätszuflüssen, die ein nicht tragfähiges Finanzsystem hervorgebracht haben. Von der Anpassung der Steuersätze an die europäische Norm geht also nicht nur ein fiskalischer, sondern auch ein finanzmarktstabilisierender Effekt aus. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Alexander Ulrich (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich glaube, wir haben Sie nicht nur bei diesem Thema blank erwischt. Das zeigt auch Ihre Antwort, in der Sie auf den letzten Präsidenten Zyperns Bezug genommen haben. Offensichtlich macht es für die Bundesregierung doch einen Unterschied, ob ein konservativer Präsident Oligarchen schützt oder ein anderer. Die Frage ist doch: Was sollte die Rettung jetzt ausmachen? Für wen bezahlen die dortigen Kleinsparer? Zu meiner Frage, die sich an diesen Komplex anschließt: In den Verhandlungen mit Zypern war immer auch die Rede davon, dass man Zypern bewegen will, zu den Ländern zu gehören, die die Finanztransaktionsteuer einführen wollen. Wie ist da der Sachstand? Wie hat sich Zypern verhalten? Hat sich etwas verändert? Wie sieht es generell mit der Einführung einer Finanztransaktionsteuer aus? Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Ulrich, zum ersten Teil Ihrer Frage: Der kommunistische Präsident Zyperns hat im Juni des vergangenen Jahres bei den europäischen Staaten einen -Antrag auf Finanzhilfe zur Stabilisierung seines Fi-nanzmarktes gestellt. Leider hat er es nach meiner Einschätzung verabsäumt, in ernsthafte Verhandlungen über ein Memorandum of Understanding, das sowohl von der zyprischen Politik als auch von den europäischen Finanzministern akzeptiert wird, einzutreten. Dass wir uns in einer ernsten Lage befinden, hat etwas damit zu tun, dass wir in den vergangenen Monaten auf zyprischer Seite keinen ernsthaften Willen zum Abschluss erkennen konnten. Ich freue mich, dass die Handlungsfähigkeit der zyprischen Regierung nach der Präsidentschaftswahl offenkundig zugenommen hat. Zu den Verhandlungsabläufen. Im Rahmen der vertieften Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union ist die nötige Mindestzahl von Staaten, die die Finanztransaktionsteuer einführen wollen, erreicht. Der notwendige Beschluss wird jetzt durch einen Vorschlag der Kommission umzusetzen sein, der in einer Arbeitsgruppe des Rates erörtert wird. An dieser Arbeitsgruppe können alle Staaten - nicht nur diejenigen, die sich an der vertieften Zusammenarbeit beteiligen - mitwirken. Es wird dann nach dem Einstimmigkeitsprinzip ein Vorschlag vorgelegt, der aufzeigt, wie die FTT in diesen Ländern einzuführen ist. Zypern gehört bis heute nicht zu den Unterstützern der Finanztransaktionsteuer. Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Diether Dehm hat noch eine Nachfrage und stellt diese jetzt. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, seien Sie versichert: Wenn Sie die Regierungschefs der sogenannten Steueroasen in Europa und auf dieser Welt fragen würden, welcher Parteienfamilie sie sich am nächsten fühlen, käme in der Mehrheit ganz gewiss kein Votum für die kommunistische Par-teienfamilie dabei heraus. Ich denke beispielsweise an Monaco, Liechtenstein, die Schweiz und die Kaimaninseln. Ich gehe davon aus, dass die Tatsache, dass die Oli-garchen gestern im Verbund mit den Kleinsparern herausgenommen wurden - Sie haben das, was gestern im Parlament von Zypern beschlossen wurde, ja kritisch rekapituliert -, Sie ganz besonders animiert und ermuntert, mit den Angehörigen Ihrer Parteienfamilie, die jetzt in Zypern regieren, ein ernstes Wort zu reden, damit die Oligarchen künftig härter herangenommen werden. Wenn Sie das tun, würde das bedeuten, dass Sie auch ein wenig Selbstkritik dahin gehend üben, dass Sie diese Gespräche mit der konservativen Regierung in Griechenland nicht geführt haben, als diese mehrere Hundert Milliarden Euro nach Liechtenstein verschoben hat. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Dehm, zuerst einmal sage ich: Ich habe nicht kritisiert, dass der letzte zyprische Präsident den Kommunisten und damit Ihrer Parteienfamilie angehörte. Ich habe kritisiert, dass er seine Arbeit nicht anständig erledigt hat. Wenn einer aus unserer Parteienfamilie Europa in eine solch missliche Lage bringen würde, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Liechtenstein!) dann würde ich das genauso machen - das wüssten Sie, wenn Sie mich kennen würden -; denn es geht hier nicht um Parteipolitik, sondern es geht darum, dass wir die Verantwortung für Europas Wohl und Wehe wahrnehmen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass auf dem letzten G-20-Finanzministertreffen Wolfgang Schäuble zusammen mit dem britischen Finanzminister - was manche verwundert hat - die Steuerausweichstrategien multinationaler Konzerne zum Thema gemacht hat. Parallel zu dieser Fragestunde findet im Finanzausschuss übrigens ein Expertengespräch zu diesem Thema statt. Ich glaube, dass Wolfgang Schäuble, der für die Finanzpolitik dieser Bundesregierung zuständig ist, ganz gut unterwegs ist. Wir sind der Auffassung, dass eine faire Besteuerung in einer sozialen Marktwirtschaft nicht nur zum gesellschaftlichen Frieden in Deutschland, sondern auch in der Europäischen Union beitragen kann. Ich habe die Steuersätze vorhin als unanständig niedrig charakterisiert. Diese Situation gilt es zu beseitigen und für mehr Steueranstand bei den Steuersätzen und hinsichtlich der Vermeidung von Umgehungssachverhalten - von wem auch immer - zu sorgen. Meine parteipolitische Anmerkung bezog sich nur auf den Sachverhalt, dass ich mich wundere, dass ich in der Fragestunde in der Zeit, als Sie noch mehr Einfluss auf den zyprischen Präsidenten hatten, weil Sie der gleichen Parteienfamilie, der kommunistischen, angehörten, von Ihnen nicht dazu befragt worden bin. Nur so war mein Hinweis vorhin zu verstehen. (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie gehören ja auch der gleichen Parteienfamilie wie Berlusconi an!) Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor wir fortfahren, möchte ich eine Anmerkung machen. Ich habe sowohl gegenüber den Fragenden als auch gegenüber dem antwortenden Staatssekretär Geduld walten lassen, auch ob der Wichtigkeit dieses Themas. Im Fortgang der Fragestunde mögen sich bitte alle an die verabredeten Regeln halten, damit möglichst viele Fragen gestellt und beantwortet werden können. Für diejenigen, die verfolgen, was wir hier tun, erkläre ich das noch einmal: Auf die erste Frage kann zwei Minuten geantwortet werden. Für die folgenden Fragen und Antworten gilt ein Zeitlimit von jeweils einer Minute. Der Herr Staatssekretär hat nun nicht die Möglichkeit, auf die Frage 51 des Kollegen Manfred Kolbe mündlich zu antworten - diese Frage müsste ich nach unserer Geschäftsordnung eigentlich vorziehen, weil sie zum selben Gegenstand gestellt wurde -, da der fragende Abgeordnete, der Kollege Kolbe, eine schriftliche Antwort wünscht. Nachdem wir nun die dringlichen Fragen und die Frage zum selben Themenkreis aufgerufen und bearbeitet haben, rufe ich jetzt die übrigen Fragen auf Drucksache 17/12763 auf. - Ich danke dem Herrn Staatssekretär Kampeter. Die Frage 1 der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz soll schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey zur Verfügung. Ich rufe die Frage 2 des Kollegen Rainer Arnold auf: Welche Auswirkungen hat die strikte Anwendung der EU-Arbeitszeitrichtlinie auf Einsatzzeit und -dauer des Personals von zivil besetzten Schiffen der Bundeswehr, und wie wirkt sich dies auf die Einsatzfähigkeit der Flotte aus? Bitte, Herr Staatssekretär. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin! Herr Kollege Arnold, die strikte Anwendung der EU-Arbeitszeitrichtlinie hat natürlich einschneidende Auswirkungen auf die Einsatzzeit und auf die Einsatzdauer der zivil besetzten Schiffe der Bundeswehr. Insbesondere der Einsatzwert der großen Betriebsstofftanker "Rhön" und "Spessart", die gelegentlich auch am Einsatz Atalanta teilnehmen, wird dadurch eingeschränkt. Tanker - das wissen Sie, Herr Arnold - sind für die NATO bzw. die Bundeswehr eine wertvolle Ressource. Ohne hinreichende Tankerkapazitäten in Einsatzgebieten wie in dem der Operation Atalanta müssen die Einsatzverbände häufiger Häfen ansteuern. Diese müssten ihre Überwachungstätigkeiten dann einschränken. Das wäre einsatzeinschränkend. Deshalb beabsichtigt die Bundesregierung, mit der Arbeitszeitverordnung See für mandatierte Einsätze und einsatzbezogene Verpflichtungen eine Ausnahmeregelung hinsichtlich der durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden zu schaffen. Diese Rechtsverordnung befindet sich im Augenblick in der Ressortabstimmung; sie wird in diesen Tagen abgeschlossen. Für das Personal und die Schiffe, die nicht unter diese Regelung fallen, suchen wir im Augenblick andere Lösungsmöglichkeiten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Rainer Arnold (SPD): Trifft es zu, dass Schiffe der Marine außerhalb mandatierter Einsätze ihren Übungsauftrag bzw. Alltagsbetrieb in Teilen nicht mehr durchführen können, weil entsprechendes Personal nicht zur Verfügung gestellt werden kann? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das ist richtig. Viele dieser Aktivitäten können wir nur noch eingeschränkt durchführen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. - Sie verzichten. Dann kommen wir zur Frage 3 des Kollegen Arnold: Welche Lösung beabsichtigt das Bundesministerium der Verteidigung im Hinblick auf die EU-Arbeitszeitrichtlinie für das Personal der zivil besetzten Schiffe der Bundeswehr einzuführen, die eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden aus Einsatzgründen überschreiten? Bitte, Herr Staatssekretär. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Der Kollege Arnold fragt, welche Lösungsmöglichkeiten die Bundesregierung sieht. Zur dauerhaften Lösung der arbeitszeitrechtlichen Problematik wird der Erlass einer Arbeitszeitverordnung See verfolgt. In diesem Zusammenhang haben wir zunächst einmal das Arbeitszeitgesetz geändert, um daraus dann die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Rechtsverordnung herzuleiten. Diese Rechtsverordnung wird die Möglichkeit eröffnen, die tägliche Arbeitszeit auf bis zu 15 Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 91 Stunden zu verlängern. Weiterhin werden die Ruhepausen und die Ruhezeiten flexibilisiert. Es werden aber auch abweichende Regelungen zur Jahreshöchstarbeitszeit geschaffen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ihre erste Nachfrage, bitte. Rainer Arnold (SPD): Herr Staatssekretär, wird jenseits der gesetzlichen Regelungen - wir sind noch nicht so ganz sicher, ob sie dann noch den EU-Vorgaben entsprechen - überlegt, ob man den Mangel mit mehr Personal leichter beseitigen könnte? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Bevor wir über mehr Personal nachdenken, überlegen wir zunächst einmal, inwieweit wir auch durch organisatorische Maßnahmen Abhilfe schaffen können. Wenn Sie diese Mehrarbeitszeit bzw. Mehrbelastung - sofern sie nicht in Einsätzen stattfindet - noch einmal genau analysieren, werden Sie feststellen, dass ein großer Teil davon auf Wachzeiten in Häfen entfällt. Da kann man durch organisatorische Maßnahmen, möglicherweise auch durch neue technische Vorkehrungen, Abhilfe schaffen. Dieser Prozess ist von der Marine angegangen worden. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Rainer Arnold (SPD): Herr Staatssekretär, trifft es erstens zu, dass es in dem jetzt zu besprechenden Bereich zu wenig Personal gibt und dass die Personalstellen nicht voll aufgefüllt werden? Trifft es zweitens zu, dass mit der Absenkung der Stärke des zivilen Personals die Probleme - auch unabhängig von der Arbeitszeitrichtlinie - insgesamt eher verschärft werden? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Richtig ist, dass dort im Augenblick nicht alle Stellen besetzt worden sind. Das ist nicht etwa so, weil wir sie nicht besetzen wollten, sondern weil wir keine geeigneten Bewerber gefunden haben. Ihre zweite Anmerkung bezüglich der generellen Absenkung der Stärke des Zivilpersonals ist richtig. Wir senken hier zwar ab, aber wir setzen Schwerpunkte. Die Tätigkeit auf zivil besetzten Schiffen gehört zu den Schwerpunkten, die von einer solchen Absenkung nicht betroffen sein werden. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur Frage 4 der Kollegin Karin Evers-Meyer: Welche Bestrebungen gibt es seitens des Bundesministeriums der Verteidigung, eine Ausnahmeregelung bezüglich der EU-Arbeitszeitrichtlinie für das Personal der zivil besetzten Schiffe der Bundeswehr zu erreichen, und wie ist der aktuelle Sachstand? Bitte, Herr Staatssekretär. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin Evers-Meyer, Sie wissen, dass wir dieses Thema in unserem Hause seit anderthalb Jahren sehr intensiv bearbeiten. Ich selber habe zu mehreren Gesprächsrunden dazu eingeladen. Auch Sie waren daran gemeinsam mit denjenigen Kollegen aus dem Verteidigungsausschuss beteiligt, die sich insbesondere für das Thema Marine interessieren. Deswegen müssten Sie eigentlich wissen, dass wir mit dieser Arbeitszeitverordnung See eine Verbesserung der Lage zumindest für die mandatierten Einsatzfahrten vorsehen. Sie befindet sich jetzt - ich sagte es - in der Ressortabstimmung, die in diesen Tagen abgeschlossen sein wird. Dann kommt es zur Tarifierung, und dann werden wir eine Erleichterung für diese seegehenden Einheiten erzielt haben. Den sachlichen Gehalt der Arbeitszeitverordnung See hatte ich eben in meiner Antwort auf eine Frage des Kollegen Arnold schon ausgeführt; ich will das nicht wiederholen. Ich denke, wir haben damit eine Verbesserung zumindest für einen Teil der Kräfte auf den zivil besetzten Schiffen erzielt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Karin Evers-Meyer (SPD): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - In diesem Zusammenhang ist es mir wichtig, zu erwähnen, dass Sie sich für eine Regelung in diesem Bereich wirklich außerordentlich stark eingesetzt haben. Da ja jetzt eine Lösung in Sicht zu sein scheint, lautet meine erste Nachfrage: Wann rechnen Sie denn ungefähr mit dem Inkrafttreten der neuen Arbeitszeitverordnung See? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das ist nicht nur eine Frage des politischen Willens der Bundesregierung und der Dauer der Ressortabstimmung, sondern ist auch davon abhängig, wie schnell wir eine einvernehmliche Regelung mit den Gewerkschaften hinbekommen. Da ich bei den Gesprächen gespürt habe, dass auch die Gewerkschaften dieses Thema als dringlich einstufen - denn ihre Mitglieder leiden ja darunter, dass wir hier noch keine Regelung haben -, gehe ich allerdings davon aus, dass wir das noch im Laufe dieses Jahres schaffen werden. Karin Evers-Meyer (SPD): Im Laufe dieses Herbstes? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich würde es lieber schneller schaffen; das wissen Sie. Aber ich will hier kein Datum nennen, das später nicht eingehalten werden kann. Vizepräsidentin Petra Pau: War das Ihre zweite Nachfrage, oder war das nur eine Verständnisfrage? Karin Evers-Meyer (SPD): Ich habe gerade gemerkt, dass ich mich fast verzockt hätte; denn ich habe noch eine Frage. Vizepräsidentin Petra Pau: Bitte. Sie haben das Wort. Karin Evers-Meyer (SPD): Vielen Dank. - Ich habe in diesem Zusammenhang noch folgende Frage: Wie gehen eigentlich England, Frankreich und all unsere anderen europäischen Nachbarstaaten mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie für das Personal der zivil besetzten Schiffe um? Gibt es da Erfahrungen? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich glaube - um den Ausdruck, den Sie verwendet haben, aufzugreifen -, jetzt haben Sie sich verzockt. Um dieses Thema geht es nämlich in Ihrer nächsten schriftlichen Frage. Ich will Ihnen aber gerne antworten: Wir haben mit unseren Militärattachéstäben in diesen Ländern Kontakt aufgenommen. Es sind noch nicht alle Antworten da. Ich liefere sie Ihnen aber unaufgefordert schriftlich nach. Vizepräsidentin Petra Pau: Damit kommen wir zur Frage 5 der Kollegin Karin Evers-Meyer: Mit welchen Ausnahmeregelungen stellen Frankreich und Dänemark nach Kenntnis der Bundesregierung den dauerhaften Betrieb sicher, wenn ihre zivil besetzten Schiffe aus Einsatzgründen und bei Übungseinsätzen die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von maximal 48 Stunden überschreiten? Können Sie noch etwas ergänzend dazu sagen, Herr Staatssekretär? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich habe gesagt: Wir haben, nachdem diese Frage bei uns eingegangen ist, bei unseren Militärattachéstäben in den entsprechenden Ländern Erkundigungen eingeholt. Es sind aber noch nicht alle Antworten bei uns gelandet. Wenn sie alle da sind, werden wir sie der Kollegin Evers-Meyer unaufgefordert schriftlich zusenden. Vizepräsidentin Petra Pau: Haben Sie trotzdem noch eine Nachfrage, oder wollen Sie dem Herrn Staatssekretär weitere zu beantwortende Fragen mit auf den Weg geben? Karin Evers-Meyer (SPD): Ich habe natürlich noch eine Nachfrage. - Welche Staaten haben denn schon Auskunft gegeben? Können Sie das schon sagen? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Wir haben von keinem Land eine abschließende Antwort. Karin Evers-Meyer (SPD): Eine weitere Nachfrage ist mir in diesem Zusammenhang wichtig. Das Material, also unsere Schiffe, leidet sehr unter der derzeitigen Situation; denn die Schiffe liegen jetzt überwiegend an der Kette und sind nicht mehr auf See. In der Vergangenheit wurden sie während der Einsatzfahrten natürlich immer entsprechend beansprucht. Meine Frage lautet: Ist Ihnen bewusst, dass das Material, bedingt durch die Auswirkungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie, zum Teil vielleicht gar nicht mehr richtig einsatzfähig ist? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin Evers-Meyer, das ist der zweite Aspekt, der bei der EU-Arbeitszeitrichtlinie eine Rolle spielt. Es geht um die Frage: Wie können wir das Material instand halten? Sie werden aber Verständnis dafür haben, dass wir uns im Ministerium natürlich zunächst um die Menschen kümmern und erst dann die Auswirkungen auf das Material in den Blick nehmen. Wir kümmern uns - ja -, und wir wissen auch, dass wir mit den Menschen am Material arbeiten können, wenn wir die Chance haben, den Betroffenen Mehrstunden zur Verfügung zu stellen. Sie wissen auch, dass die meisten derjenigen, die auf zivil besetzten Schiffen arbeiten, gerne von solchen erweiterten Möglichkeiten Gebrauch machen würden. Wir befinden uns im Gespräch mit den anderen Ressorts, in erster Linie namentlich mit dem Arbeitsministerium. Da Arbeitszeitvorschriften Schutzvorschriften für die Arbeitnehmer sind, muss ich allerdings sagen: Eine Ministerin, die dem Arbeitsschutz in besonderer Art und Weise verpflichtet ist, ist natürlich nicht sehr freigiebig, was Ausnahmemöglichkeiten angeht. (Karin Evers-Meyer [SPD]: Vielen Dank!) Vizepräsidentin Petra Pau: Dann hat der Kollege Körper das Wort zu einer weiteren Nachfrage. Fritz Rudolf Körper (SPD): Herr Kollege Kossendey, eine kurze Frage: Sie haben vorhin in einer Antwort gesagt, dass die Probleme, die sich bei Schiffen in mandatierten Einsätzen im Zusammenhang mit der Arbeitszeitrichtlinie der EU ergeben, durch diese Richtlinie gelöst werden sollen. Für das Personal auf anderen Schiffen werde - so haben Sie gesagt - nach anderen Lösungen gesucht. Das ist relativ wenig konkret. Worin könnten denn diese anderen Lösungen für diesen Teilbereich bestehen? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Lieber Herr Kollege Körper, ich will zunächst richtigstellen: Ich habe nicht gesagt, dass die EU-Arbeitszeitrichtlinie von uns da geändert wird. Wir haben das -Arbeitszeitgesetz geändert, damit wir eine Arbeitszeitverordnung See schaffen können, um für die mandatsbezogenen Fahrten Erleichterung zu schaffen. Für die anderen Schiffe - es handelt sich um knapp 200 Besatzungsmitglieder - sind wir dabei, auch im organisatorischen Bereich Entlastung zu schaffen, im Wesentlichen - ich hatte das angedeutet - im Wachbereich. Wir haben nämlich festgestellt, dass ein Großteil der Stunden, die als Mehrarbeit anfallen und nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie nicht mehr möglich wären, im Wachdienst anfällt. Diesen Wachdienst kann man unter Umständen neu strukturieren. Die Marine ist dabei, entsprechende Überlegungen anzustellen. Unter Umständen kommen dafür organisatorische Maßnahmen wie das Zusammenbinden mehrerer Schiffe - zum Beispiel drei Schiffe mit einer Wache statt drei Schiffe mit drei Wachen - infrage. Das kann man natürlich auch intensivieren, indem man sagt: Wir nutzen für die Wache nicht Menschen, sondern technische Geräte - wobei das bei den zivil besetzten Schiffen nicht ganz leicht ist; denn die Besatzung muss in Notfällen, zum Beispiel wenn Feuer ausbricht, körperlich da sein, um eingreifen zu können. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen jetzt zur Frage 6 des Kollegen Lars Klingbeil: Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung, um die Attraktivität der Bundeswehrfeuerwehr zu steigern? Bitte, Herr Staatssekretär. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Lieber Herr Kollege Klingbeil, das Bundesministerium des Innern und das Bundesverteidigungsministerium müssen im Hinblick auf die Bezahlung von dauerhaft über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgehender Dienstleistung der Beamten im Einsatzdienst auf die Einführung eines neuen Besoldungsbestandteils auf einer rechtlich einwandfreien Basis hinarbeiten. Darüber sind die Ministerien im Gespräch. Unabhängig von der Einführung dieses neuen Besoldungsbestandteils - wir nennen das Opt-out-Vergütung - muss die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit im Einsatzdienst der Bundeswehrfeuerwehr auch wegen des hohen Anteils an bloßem Bereitschaftsdienst - das ist ein Drittel - von derzeit 41 auf 48 Stunden erhöht werden. In diesem Zusammenhang müssen wir auch deutlich machen, dass alle Bundesländer für ihre Berufsfeuerwehren entsprechende arbeitszeitrechtliche Regelungen in Kraft gesetzt haben. Die beabsichtigte Vergütungsregelung - das wird Sie sicher interessieren - hat folgenden Charakter: Für die gesamte Laufzeit der Regelung - ab dem 1. August 2013 bis Ende 2017 - beträgt die Vergütung bei einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 54 Stunden für jeden Dienst von mehr als 10 Stunden 25,50 Euro und für jeden Dienst von 24 Stunden 51 Euro. Ich glaube, mit dieser vorgesehenen Regelung wird den Besonderheiten der Bundeswehr angemessen Rechnung getragen. Ich denke, damit können wir eigentlich ganz zufrieden sein. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Lars Klingbeil (SPD): Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Antwort. - Sie haben ja mitbekommen, dass es bei den Bundeswehrfeuerwehrleuten in den letzten Wochen einiges an Unruhe gab. Viele haben sich an uns gewandt. Die Frage war natürlich: Warum wird in einem Gesetz zur Professorenbesoldung irgendwo in § 79 unsere Arbeitszeit neu geregelt? Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, denkt die Bundesregierung darüber nach, nicht nur die Arbeitszeit zu erhöhen, sondern auch die Vergütung entsprechend nach oben anzupassen. Habe ich das richtig verstanden? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das habe ich nicht gesagt - um das deutlich zu sagen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD - Lars Klingbeil [SPD]: Sie haben so schöne Worte gewählt!) Ich kann verstehen, dass Sie das so heraushören wollen. Wichtig ist für uns, dass wir hier eine Regelung schaffen, die rechtlich korrekt ist, die mit den Gewerkschaften abgestimmt ist und die den materiellen Einbußen, die der Einzelne wahrscheinlich hinnehmen muss, doch einigermaßen ausgleichend entgegenwirkt. Dass wir das in dieses Gesetz zur Professorenbesoldung mit aufgenommen haben, hängt auch damit zusammen, dass wir diese Regelung möglichst schnell verabschieden wollen. Wir wollten deswegen kein eigenes Gesetz auf den Weg bringen müssen. Sie wissen ja, dass der Weg eines Gesetzes gerade in den letzten Monaten vor dem Ende einer Legislaturperiode manchmal sehr beschwerlich ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben die Möglichkeit zu einer zweiten Nachfrage. Lars Klingbeil (SPD): Diese Möglichkeit würde ich gerne nutzen. - Herr Staatssekretär, wird in Ihrem Haus generell darüber nachgedacht, die Bundeswehrfeuerwehr neu zu strukturieren? Können Sie hierzu Auskünfte geben? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Natürlich sind wir dabei, in Bezug auf die Bundeswehrfeuerwehren einiges zu unternehmen. Sie wissen selber, Herr Klingbeil, dass wir uns in der Vergangenheit bemüht haben, auch die Feuerwehrleute der Bundeswehr im Wesentlichen zu verbeamten - das war ein Wunsch der Bundeswehrfeuerwehren -, um deren berufliche Sicherheit deutlich zu machen. Ich glaube aber, ein zweiter Punkt ist wichtig: Wenn wir 2017 die Transformation der Bundeswehr durch Veränderung der Standorte und zum Beispiel durch Änderungen im Bereich der Fliegerei - Schließung von Flugplätzen - abgeschlossen und die neue Struktur eingenommen haben werden, dann werden wir von den heute vorhandenen 3 272 Dienstposten in Zukunft nur noch 2 533 Dienstposten brauchen. Auch nach diesem Abschmelzungsprozess können wir die Feuerwehrleute, die heute bei uns sind, zukunftssicher beschäftigen, und vor allen Dingen können wir in Bezug auf intensivere Dienste eine Entlastung ankündigen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich rufe die Frage 7 des Kollegen Fritz Rudolf Körper auf: Gibt es Auswirkungen der Wehrpflichtaussetzung auf die Personalgewinnung des Militärischen Abschirmdienstes, und, wenn ja, wie bewertet die Bundesregierung diese? Bitte, Herr Staatssekretär. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Körper, der Militärische Abschirmdienst gewinnt sein militärisches Personal ausschließlich aus den Streitkräften, und zwar aus den Dienstgraden ab Feldwebel oder Bootsmann aufwärts. Aus diesem Grund hat die Aussetzung der Einberufung zum Grundwehrdienst keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Personalgewinnung des MAD, weil diese Dienstgrade in dieser kurzen Zeit ja noch gar nicht erreicht werden. Im Grundwehrdienst wird man nicht Bootsmann oder Feldwebel. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Fritz Rudolf Körper (SPD): Herr Kollege Kossendey, welche Auswirkungen insbesondere auf den Umfang der Arbeit des Militärischen Abschirmdienstes gibt es durch die Wehrpflichtaussetzung? Welche Auswirkungen hat die Wehrpflichtaussetzung auf die Arbeit des MAD? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Zunächst einmal ist die Frage des Umfangs der Bundeswehr ganz wichtig, weil hier natürlich eine Beziehung zur Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim MAD besteht. Ein zweiter Punkt ist natürlich - darauf werden wir gleich noch kommen - die Frage, wer vom MAD in welche Auslandseinsätze geht, um Sicherheit für unsere Soldatinnen und Soldaten zu gewährleisten. Sie wissen, dass der MAD Teil der Streitkräfte ist und im Augenblick ungefähr 1 280 Dienstposten umfasst, nämlich circa 820 militärische und rund 460 zivile. Ich glaube schon, dass wir langfristig, wenn der Umfang der Bundeswehr reduziert ist und wir hinsichtlich der Einsatzverpflichtungen auch nicht mehr so angestrengt sind, darüber nachdenken können, dies nach unten zu korrigieren. Hierfür gibt es im Augenblick aber keine grundlegenden Pläne. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Fritz Rudolf Körper (SPD): Sie können die personalpolitischen Zielvorstellungen für den Militärischen Abschirmdienst in Bezug auf die Neuausrichtung der Bundeswehr nicht näher skizzieren und kennzeichnen? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nein. Im Augenblick haben wir keine Pläne, hier etwas intensiv zu ändern. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Fritz Rudolf Körper: Welche Konsequenzen hat der geplante Afghanistan-Abzug für die Arbeit des Militärischen Abschirmdienstes? Bitte, Herr Staatssekretär. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Derzeit ist geplant, dass der MAD seinen Abschirmungsauftrag natürlich bis zum Verlassen des letzten deutschen Soldaten in Afghanistan erfüllt. Die Einzelheiten dessen, was die Kollegen vom MAD dort tun, richten sich nach dem Gesetz über den militärischen Abschirmdienst. Parameter für den Einsatz des MAD dort sind natürlich die Gefährdungslage, die Größe unseres nationalen Kontingents, die Zahl der Einsatzliegenschaften, die wir dort vor Ort haben, und sicher auch - darauf will ich ebenso hinweisen - der Umfang und die Zahl der dort beschäftigten Ortskräfte. Wenn Sie jetzt danach fragen, wie das eventuell nach 2014 sein wird, wenn das ISAF-Mandat beendet ist und die Post-ISAF-Missionen beginnen, dann will ich Ihnen freimütig sagen: Das werden wir erst dann entscheiden können, wenn wir wissen, wo wie viele deutsche Soldaten in gemeinsamer Arbeit mit wie vielen Ortskräften beschäftigt sind. Die Zahlen - das wissen Sie auch aus der heutigen Sitzung des Verteidigungsausschusses - sind natürlich noch längst nicht fixiert. Sobald das passiert ist, können Sie präzise Auskunft über die Arbeit des MAD erhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur Nachfrage. - Der Kollege Körper verzichtet auf Nachfragen. Die Frage 9 der Kollegin Keul soll schriftlich beantwortet werden. Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Kollegin Christel Humme - das sind die Fragen 10 und 11 - werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit. Auch die Fragen 12 und 13 der Kollegin Bärbel Bas werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Andreas Scheuer zur Verfügung. Die Fragen 14 und 15 des Kollegen Dr. Anton Hofreiter sollen wie auch die Fragen 16 und 17 des Kollegen Dr. Ilja Seifert schriftlich beantwortet werden. Ich rufe die Frage 18 der Kollegin Cornelia Behm auf: Was qualifiziert Hartmut Mehdorn aus Sicht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, und wie steht die Bundesregierung zu seinem am 11. März 2013 geäußerten Vorschlag, den Flughafen Berlin-Tegel länger offen zu halten? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Behm, die Antwort: Der Geschäftsführer Hartmut Mehdorn qualifiziert sich aus der Sicht des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH insbesondere durch seine langjährige Erfahrung in der Leitung größerer Unternehmen und durch seine ausgewiesene Sachkenntnis im Luftverkehrsbereich. Die Bundesregierung aber kommentiert Aussagen von Geschäftsführern nicht. Ich empfehle Ihnen, wenn Ihnen das so wichtig ist, selbst Kontakt mit Herrn Dr. Mehdorn aufzunehmen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank für die Beantwortung. Unser allseits geschätzter Verkehrsminister Ramsauer scheint einen sehr guten Draht zu Herrn Mehdorn zu haben; denn es ging jetzt die Meldung von ihm durch die Medien, er vertraue darauf, dass Herr Mehdorn es schaffen werde, den Flughafen bis zum Jahr 2015 zu eröffnen. Ich möchte von Ihnen gerne wissen, worauf sich diese Einschätzung des Ministers begründet. Wenn man die Bundesregierung nach Lärmschutzmaßnahmen und Ähnlichem fragt, dann weiß die Bundesregierung immer relativ wenig zu antworten. Da aber hier eine präzise Auskunft in Form eines Datums genannt wird, möchte ich gerne wissen, vor welchem Hintergrund sie gemacht worden ist. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Behm, eine Vorbemerkung: Es ist schön, dass auch in Ihrer Fraktion mittlerweile angekommen ist, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eine hervorragende Arbeit macht. Ich werde es ihm gerne ausrichten. Sie haben vom "allseits geschätzten Verkehrsminister" geredet. Ich werde ihm diese Formulierung von Ihnen überbringen. Das Zweite. Sie weichen etwas von dem Kern der Ursprungsfrage ab. Da ging es um Äußerungen von Hartmut Mehdorn. Wir sind gerade dabei, zusammen mit unseren beiden Partnern im Land Berlin und im Land Brandenburg über den Geschäftsführer im Bereich des Operativen, des Baulichen die Fehlerlisten und die Mängellisten zu erstellen und diese dann im Aufsichtsrat und in den verschiedenen Ausschüssen zu diskutieren. Ich glaube, jetzt über verschiedene Daten oder auch Jahreszahlen zu reden, wäre müßig. Aber unser gemeinsames Ziel müsste es doch sein - bei der Bundesregierung ist es so, auch wenn sie nur einen kleinen Anteil in der ganzen Geschichte des Flughafens trägt, während die größeren Anteile Brandenburg und Berlin tragen -, dass dieser wichtige Flughafen möglichst schnell den Betrieb aufnimmt. Wenn Sie nach den Flugrouten fragen wollen, dann müssen Sie sich an die Genehmigungsbehörden im Land Berlin und im Land Brandenburg wenden. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt habe ich große Schwierigkeiten, die Nachfrage zu strukturieren. Ich könnte jetzt sehr viele Fragen stellen, - Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir haben ja auch in den kommenden Sitzungswochen noch Fragestunden. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): - zum Beispiel aufgrund der Tatsache, dass das Bundesamt für Flugsicherung in Bezug auf das Verbot der Wannsee-Route in Revision gegangen ist. Aber bleiben wir doch bei Herrn Mehdorn, wenn Sie es möchten. Herr Mehdorn hat seinen Vertrag noch nicht unterschrieben, ist aber doch schon geschäftsführend und, wie man den Medien entnehmen kann, ganz heftig tätig. Ich möchte gerne wissen, warum er seinen Vertrag noch nicht unterschrieben hat und wann das denn erfolgen wird. Dr. Andreas Scheuer, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Behm, ich kann Ihnen die Beantwortung der Frage nach den Terminen des Herrn Mehdorn vielleicht nachreichen. Ich bin nicht Herr über den Terminkalender von Herrn Mehdorn. Ich bin froh darüber, dass Herr Mehdorn diese Aufgabe übernommen hat. Sie wissen, dass wir eine intensive Suche nach einem ausgewiesenen Experten durchgeführt hatten, dass über viele diskutiert wurde. Dass alle drei Partner, Berlin, Brandenburg und der Bund, sich dann gemeinsam auf einen ausgewiesenen Experten, wie Herr Dr. Mehdorn es ist, geeinigt haben, ist wichtig. Vor allem wenn Sie genauer nachforschen, welche Gehälter in diesem Bereich gezahlt werden, werden Sie verstehen, dass ich froh darum bin, dass Herr Mehdorn das macht und da auch ordentlich Gas gibt. So, wie Herr Mehdorn strukturiert ist und wie wir ihn kennen, denke ich, ist er die richtige Persönlichkeit, um ordentlich Zug in die Geschichte hineinzubringen. Über die Daten einer Vertragsunterzeichnung etc. mutmaße ich jetzt nicht. Ich kann die Frage nicht beantworten. Wenn Sie sich dafür interessieren und das für Sie ausschlaggebend für gute Leistungen ist, dann reiche ich Ihnen die Daten einfach nach. Aber ich kann nicht in den Terminkalender von Herrn Mehdorn blicken. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. - Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Katherina Reiche zur Verfügung. Die Frage 19 der Kollegin Veronika Bellmann wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 20 des Kollegen Oliver Krischer auf: Auf welcher Grundlage bzw. anhand welcher Kriterien nennt der Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, die Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e. V., FÖS, "Die Kosten der Energiewende - Wie belastbar ist Altmaiers Billion?" per Nachrichtendienst Twitter "reißerisch und unsachlich" sowie "das Dümmste, was mir in letzter Zeit untergekommen ist", und welche konkrete detaillierte Aufstellung hat der Bundesumweltminister bei seiner Berechnung der 1 Billion Euro im Rahmen der Energiewende bis Ende der 2030er-Jahre dem gegenüberzusetzen? Bitte, Frau Staatssekretärin. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Krischer, wie bereits in der schriftlichen Antwort auf die mündliche Frage 53 des Abgeordneten Fell in der Fragestunde am 27. Februar 2013 dargelegt, sind die Berechnungen zu den Kosten der Energiewende naturgemäß komplex und umfangreich. Mit der Aussage "1 Billion Euro mögliche Kosten", soll deutlich gemacht werden, wie groß die Herausforderung ist, die mit der Energiewende verbunden ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin, für die Beantwortung der Frage, auch wenn es eigentlich keine Antwort war. Wir haben ja nun alle gelernt, dass die 1 Billion eine etwas freie Erfindung ist, um einen bestimmten Sachverhalt bzw. eine bestimmte Meinung zu untermauern. Meine Frage ging in die Richtung, wie es denn sein kann, dass Herr Altmaier die Studie eines Instituts über den Nachrichtendienst Twitter als das Dümmste, was ihm untergekommen ist, bezeichnet. Das sind ja schon starke Worte. Deshalb möchte ich die Frage an Sie richten: Ist Ihnen bekannt, auf welchen Zahlen diese Studie des FÖS im Wesentlichen beruht, welche Quelle diese Zahlen haben, die ja die 1-Billion-Aussage von Herrn Altmaier infrage stellen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zum einen bin ich selbst nicht auf Twitter. Ich weiß jedoch, dass es da manchmal heftig und vielleicht auch sehr direkt hin und her geht. Das mag eine Erklärung für ein verkürztes Miteinander in diesem Medium sein. Zum Zweiten möchte ich Sie auf etwas hinweisen: In der Studie des Sachverständigenrates für Umweltfragen unter dem Vorsitz von Herrn Professor Faulstich wurde bereits im Januar 2011 auf Seite 179 die Zahl 1 Billion erwähnt. Im Jahre 2011 fand das keinen Widerhall in den Medien, schon gar nicht bei den Grünen. Diese Quelle schien Sie also nicht besonders erstaunt zu haben. Jetzt aber, da der Minister diese Zahl erneut nennt - er hat in einem Interview übrigens auch erklärt, wie er darauf kommt -, gibt es gerade auch von Ihrer Seite Kritik. Insofern kann ich Ihnen noch einmal empfehlen, in die Studie von 2011 zu schauen, in der Sie nachlesen können, wie zum Beispiel der SRU auf die 1 Billion Euro kommt. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu Ihrer zweiten Nachfrage. Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, das, was Sie jetzt geantwortet haben, hat mit meiner Frage exakt gar nichts zu tun. Ich habe nicht nach einer Studie des SRU von 2011 gefragt; ich habe danach gefragt, ob Ihnen bekannt ist, auf welche Quellen sich das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft bei der Bewertung der 1-Billion-Aussage von Herrn Altmaier beruft. Darauf haben Sie nicht geantwortet. Ich will Ihnen die Antwort geben: (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Warum fragen Sie, wenn Sie die Antwort wissen?) Das sind Zahlenquellen des BMU. Es sind Zahlen, die von Ihrem Ministerium ermittelt wurden. Das heißt, ein Institut rechnet mit Ihren eigenen Zahlen vor, dass die Aussagen, die von Peter Altmaier gemacht wurden, absurd und frei erfunden sind, um das einmal in diesem Ton zu sagen. Damit komme ich zu meiner zweiten Nachfrage. Herr Altmaier hat gesagt, es sei das Dümmste, was ihm untergekommen ist. Meine Nachfrage ist: Kann ich davon ausgehen, dass der Minister die eigenen Zahlen des BMU und die aus in Auftrag gegebenen Studien als das Dümmste, was ihm untergekommen ist, bezeichnet? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Krischer, Herr Minister Altmaier hat die Zahlen aus Angaben übernommen, die ihm die Beamten des BMU zur Verfügung gestellt haben. Zur Erinnerung: Zur Berechnung wurden in jenem Interview 67 Milliarden Euro Differenzkosten für erneuerbare Energien genannt, die bereits bis Ende 2012 ausgezahlt wurden. Dann: Für die bis 2012 installierten Anlagen werden bis zum Ende ihrer jeweiligen Vergütungsdauer nochmals rund 250 Milliarden Euro hinzukommen, da die Einspeisevergütung, wie Sie alle wissen, auf 20 Jahre festgelegt ist. Das macht dann 317 Milliarden Euro. Wenn für die in den Folgejahren installierten Anlagen jährlich Differenzkosten in der Größenordnung der 2012 installierten Anlagen entfallen, kommen noch einmal 1,8 Milliarden Euro Differenzkosten dazu. Rechnerisch summiert sich das dann auf 680 Milliarden Euro. Hinzu kommen - das hat der Minister deutlich gemacht - Kosten für den Netzausbau, für Reservekapazitäten, Forschung und Entwicklung, Elektromobilität und Gebäudesanierung. Der Minister hat in der FAZ auch bewusst darauf hingewiesen, im Konjunktiv formuliert, weil wir den Börsenstrompreis in den nächsten 20 Jahren nicht kennen, und deutlich gemacht, dass diese Billion Euro auch symbolisch dafür steht, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Insofern ist diese Billion Euro als etwas zu verstehen, was uns politisch Handelnden den Auftrag geben soll, umzusteuern, um die Akzeptanz für erneuerbare Energien nicht zu verlieren. Aber Sie haben offenbar das Interesse an der Fragestunde verloren und sich wieder hingesetzt. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie antworten nicht auf meine Frage! Das war alles nicht meine Frage!) Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Frau Staatssekretärin. Wir sind damit am Ende Ihres Geschäftsbereiches. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zur Beantwortung der Fragen steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Helge Braun zur Verfügung. Ich rufe die Frage 21 des Kollegen Oliver Kaczmarek auf: Welche Resultate hat die von der Bundesregierung geförderte Kampagne "Lesen & Schreiben - Mein Schlüssel zur Welt" ergeben? Bitte, Herr Staatssekretär. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Am 19. September 2012 haben wir die Kampagne "Lesen & Schreiben - Mein Schlüssel zur Welt" gestartet. Es war im parlamentarischen Verfahren auch ausdrücklich der Wunsch des Deutschen Bundestages, dass wir eine solche Kampagne durchführen. Das Ziel war es, das Thema Analphabetismus in Deutschland in die Öffentlichkeit zu rücken. Die "leo. - Level-One Studie" hat gerade eindrucksvoll belegt, dass das Problem mit insgesamt rund 7,5 Millionen funktionellen Analphabeten größer ist, als wir bisher gedacht haben. Die Kampagne soll zur gesellschaftlichen Enttabuisierung beitragen und vor allen Dingen auch die Betroffenen dafür sensibilisieren, dass es viele Angebote gibt. Sie soll die Betroffenen aktivieren, an Möglichkeiten der Alphabetisierung teilzunehmen. Weil der Ansatz dieser Kampagne ein sehr grundsätzlicher ist, ist es nicht in allen Bereichen einfach, herauszufinden, welche konkreten Wirkungen sie hatte. Ich kann Ihnen aber zwei Indizien nennen. Das eine Indiz ist, dass wir im Rahmen der Medienerkundung herausgefunden haben, dass insgesamt rund 50 Prozent der Teilnehmer gesagt haben, sie hätten die Kampagne in Fernsehsendungen und Hörfunkspots wahrgenommen. Darüber hinaus waren beim Alfa-Telefon im August 125 Anrufe, im September, als die Kampagne in der Mitte des Monats begann, 359 Anrufe und während der Kampagne rund 1 000 Anrufe im Monat zu verzeichnen. Das zeigt, dass die Kampagne ihre Wirkung der Sensibilisierung und Aktivierung der von Analphabetismus Betroffenen durchaus erreicht hat. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer ersten Nachfrage. Oliver Kaczmarek (SPD): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Staatssekretär, vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage. Sie haben schon auf das Alfa-Telefon hingewiesen. Noch eine Frage zur Nachhaltigkeit: Wir wollen, dass die betreffenden Menschen durch die Kampagne angeregt werden, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Können Sie etwas dazu sagen, wie sich die Kampagne im besagten Zeitraum auf das Anmeldeverhalten bei Kursangeboten ausgewirkt hat, und wie können wir möglichst hohe Teilnehmerzahlen sicherstellen? Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil die meisten Kurse nicht vom Bund, sondern von den Volkshochschulen vor Ort und den Kommunen - teilweise im Rahmen von Länderprogrammen - angeboten werden. Wir aggregieren keine Gesamtzahl. Wir, der Bund, haben uns aber zu Beginn dieser Alphabetisierungskampagne mit den Ländern zusammengesetzt. Das ist also eine gemeinsam getragene Initiative. Der Bund trägt zwei Elemente bei: zum einen die besagte Öffentlichkeitskampagne und zum anderen - weil das in der Bundeskompetenz liegt - eine Kampagne, die dazu dient, konkrete Maßnahmen der Alphabetisierung am Arbeitsplatz zu fördern, mit dem Ziel, Menschen, die bereits in Arbeit sind, aber nur Tätigkeiten verrichten, für die eine Alphabetisierung nicht erforderlich ist, einen höheren Bildungsgrad zu -ermöglichen und ihnen eine bessere Berufsperspektive zu geben. Das sind die beiden Elemente, die der Bund beiträgt. Wir sind mit den Ländern darüber im Gespräch, wie sich die Maßnahmen auf Länderebene weiter ausgestalten lassen. Aber über die Maßnahmen und die Teilnahme an Initiativen zur Alphabetisierung auf Länderebene und kommunaler Ebene liegen uns keine Zahlen vor. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zu einer zweiten Nachfrage. Oliver Kaczmarek (SPD): Ich möchte die Nachfrage stellen, ob es im Rahmen der Nationalen Strategie geplant ist, die Erkenntnisse zusammenzuführen und weitere Schritte der Öffentlichkeitsarbeit möglicherweise im Anschluss an die Kampagne anzustrengen. Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege, unser Ansatz ist etwas anders. Wir wollen nicht unbedingt eine neue Statistik aufbauen, was die Maßnahmen angeht. Vielmehr haben wir als Bundes-regierung zugesagt, dass wir die "leo. - Level-One Studie", die Ausgangspunkt für diese große Anstrengung war und die uns Auskunft gibt, wie sich der Analphabetismus in Deutschland entwickelt, in regelmäßigen -Abständen wiederholen. Wir hoffen, dass wir in den nächsten Jahren mithilfe dieser Studie zeigen, dass das Problem des Analphabetismus in Deutschland durch die Kampagnen, die konkreten Angebote, die wir den Betroffenen unterbreiten, und die Maßnahmen der Bundesregierung sowie der Länder und der Kommunen zurückgeht. Hier ist der Bund die Verpflichtung eingegangen, auch in Zukunft entsprechende Statistiken zu erheben. Vizepräsidentin Petra Pau: Danke, Herr Staatssekretär. - Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Arfst Wagner sollen schriftlich beantwortet werden. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Zur Beantwortung der Fragen steht die Parlamentarische Staatssekretärin Gudrun Kopp bereit. Die Frage 24 des Kollegen Tom Koenigs wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Dr. Sascha Raabe auf: Trifft die in dem Artikel "Weniger Kritik, mehr Werbung" (taz vom 11. März 2013) aufgestellte Behauptung zu, dass Nichtregierungsorganisationen, die mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, geförderte Publikationen veröffentlichen wollen, seit der Änderung der entsprechenden BMZ-Förderbestimmungen im Jahr 2010 zunehmend auf eine inhaltliche Einflussnahme des BMZ eingehen müssen, und in wie vielen Fällen ist es bislang zu solchen inhaltlichen Einflussnahmen bei der Textgestaltung seitens des BMZ gekommen? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Raabe, dem BMZ sind keine Hinweise bekannt, die die in der taz geäußerte Behauptung unterstützen. Wie in der -Antwort der Bundesregierung zur Kleinen Anfrage auf Drucksache 17/11953 vom 16. Januar dieses Jahres -dargestellt, wurde die Klausel in den Zuwendungs-bescheiden ab 2010 allein aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung präzisiert. Die Überprüfung der Inhalte von Publikationen dient sowohl vor als auch nach der Änderung der entsprechenden Klausel ausschließlich der Feststellung der Förderwürdigkeit. Die Bundesregierung hat im Vorwort ihrer Antwort zur Kleinen Anfrage auf Drucksache 17/11129 vom 5. November letzten Jahres darüber hinaus klargestellt, dass im Rahmen des Förderprogramms "Entwicklungspolitische Bildung" vielfältige Aktivitäten der Zivilgesellschaft zum Politikbereich Entwicklungszusammenarbeit unterstützt werden, die lebensnah und anschaulich über entwicklungspolitische Themen aufklären und die zeigen, wie sich Bürger entwicklungspolitisch engagieren können. Aus Sicht des BMZ ist die kritische Auseinandersetzung mit den Folgen der Globalisierung eine sehr wichtige Aufgabe, die erforderlich ist, um Verständnis für die Notwendigkeit entwicklungspolitischen Handelns zu wecken. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, es gibt Nichtregierungsorganisationen, die sich vorbildlich im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit engagieren und deren Broschüren von dieser Richtlinie betroffen sind. Ein Verband hat -Ihnen einen Brief geschrieben, in dem es heißt - ich -zitiere -: Zunehmend berichten uns Organisationen von inhaltlichen Änderungen, die sie auf Wunsch des BMZ vornehmen mussten. Neben der redaktionellen und inhaltlichen Einflussnahme des Bundesministeriums - wohlgemerkt gegenüber, wie es in einer Demokratie sein sollte, unabhängigen zivilgesellschaftlichen Gruppen - stoße man sich auch daran, dass jetzt auf der Titelseite das Logo des BMZ sehr groß platziert werden müsse. Es heißt in dem Brief: Die Platzierung des Logos - also des staatlichen Ministeriums - auf der Titelseite vermittelt das Bild einer vom BMZ beauftragten Veröffentlichung und steht im Widerspruch zu der Stärkung einer unabhängigen Zivilgesellschaft. Der Verband schreibt weiter: Wir werden unseren Mitgliedern dazu raten, diese Gängelung nicht umzusetzen. Was sagen Sie dazu? Es kann doch nicht sein, dass die Zivilgesellschaft gegängelt wird. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Genau wie Sie, Herr Kollege Raabe, schätzen wir, das BMZ, das Engagement der verschiedenen Entwicklungsorganisationen der Zivilgesellschaft sehr. Wir sprechen hier von Publikationen, die mit Steuergeldern bezahlt werden. Die Publikationen werden nicht allein mit privaten Mitteln finanziert, sondern mit Staatsmitteln. Dafür müssen bestimmte Regeln gelten, nämlich die der Ausgewogenheit und der Sachlichkeit. Dazu zählen auch verschiedene Aspekte, die die Darstellung betreffen. Dass das BMZ eine solche Publikation fördert, ist nur rechtens, wenn das aus der Publikation hervorgeht. Umso wichtiger ist es, darauf zu achten, dass die Inhalte den Vorgaben der Ausgewogenheit entsprechen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur zweiten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, es spricht nichts dagegen, dass das BMZ Publikationen entwicklungspolitischer Organisationen fördert. Ganz im Gegenteil, das begrüßen wir; so war das in der Vergangenheit auch immer. Aber warum hat man die bisherige Praxis aufgegeben, wonach früher der Hinweis auf die Förderung durch einen dezenten, aber durchaus sichtbaren Vermerk auf der Innenseite der Publikation erfolgte? Im Impressum stand in der Regel: Gefördert durch das BMZ. - Warum muss das jetzt vorne auf die Titelseite? Ich erinnere an den verstorbenen Staatspräsidenten Venezuelas Hugo Chávez. Er hat auf die Lebensmittel, die in staatlichen Geschäften verteilt wurden, sein Bild aufbringen lassen. Wird im BMZ vielleicht daran gedacht, demnächst neben dem BMZ-Logo das Bild des Ministers auf diesen Broschüren abzubilden? In welcher Form soll das weiter ausgestaltet werden? Ich glaube, der Hinweis auf die Förderung durch das BMZ auf der Innenseite einer Broschüre würde ausreichen. Ich glaube nicht, dass es sachdienlich ist, wenn auf zivilgesellschaftlichen Publikationen das Ministerium so prominent platziert wird; denn es handelt sich um Inhalte, die von zivilgesellschaftlichen Gruppen erstellt werden, nicht um Pressemitteilungen oder öffentliche Verlaut-barungen des Ministeriums. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, den Vergleich des BMZ-Logos - ob mit Ministerfoto oder nicht - mit dem Foto des verstorbenen Herrn Chávez auf bestimmten Lebensmitteln lasse ich so stehen. Ich glaube, es kann sich jeder selbst ein Bild machen, ob der Vergleich angemessen ist. Was das Logo auf der Innenseite bzw. der Vorderseite einer Publikation betrifft: Ein solches "Problem" sollte mit den jeweils Handelnden gelöst werden. Ich bin in die "wichtige" strategische Klärung dieser Frage nicht involviert. Letzten Endes geht es darum, was der Inhalt ist, ob er dazu geeignet ist, entwicklungspolitische Bildungsarbeit zu betreiben, ob er ausgewogen ist. Dass das BMZ diese Publikationen mit finanziert hat, sollte auf ihnen erkennbar sein. Aber wir sollten, bitte, keine ausführliche Debatte darüber führen, ob das entsprechende Logo auf der Vorder- oder auf der Innenseite ist. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir kommen damit zur Frage 26 des Kollegen Dr. Sascha Raabe: Sind Fälle bekannt, in denen diese Art der inhaltlichen Einflussnahme zu einem Verzicht von Nichtregierungsorganisationen auf die Veröffentlichung der Publikation geführt hat und, wenn ja, welche? Bitte, Frau Staatssekretärin. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Auf Ihre Frage kann ich Ihnen nur antworten: Dem BMZ sind keine solchen Fälle bekannt. Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor ich Ihnen, Herr Raabe, das Wort zur ersten Nachfrage erteile, gebe ich den Hinweis, insbesondere an die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Fraktionen: Wir werden, wie verabredet, pünktlich um 15.35 Uhr mit der Aktuellen Stunde beginnen. Herr Raabe, Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, in dem Zeitungsartikel, den ich Ihnen genannt habe, wird folgender Fall dokumentiert: Ein kritischer Text einer NGO missfiel den Beamten Niebels. Dabei ging es um "Greenwashing", also um den Versuch von Firmen, das eigene Image grün aufzubessern, ohne wirklich etwas zu tun. Dazu hat das Ministerium gesagt, dieser Artikel enthalte eine einseitige Kritik und man stelle die entsprechenden Unternehmen an den Pranger. Daraufhin hat diese NGO ganz auf den -Abdruck verzichtet. Sie hat den Artikel mutig einem selbst finanzierten Extrablatt beigelegt und den Vorgang öffentlich gemacht. Seitdem hat sie keine Förderung mehr seitens des Ministeriums erhalten. Insofern drängt sich der gefährliche Eindruck auf, dass hier eine Vorabzensur bei den NGOs selbst stattfinden kann. Wenn zivilgesellschaftliche Einrichtungen dieser Art - sie haben meistens nicht viel Geld - nur dann eine Förderung bekommen, wenn sie Texte veröffentlichen, die dem Ministerium einigermaßen genehm sind, dann sind sie natürlich schon einer gefährlichen Einflussnahme ausgesetzt, weil sie dann womöglich nicht mehr so kritisch berichten. Ich finde, in einer -Demokratie - anderen Ländern predigen wir immer -Meinungsfreiheit und den Wert der Zivilgesellschaft - gehört sich so etwas einfach nicht. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Herr Kollege Raabe, ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es im BMZ Richtlinien über die Förderwürdigkeit von Publikationen seit 2005 gibt, und das ist auch richtig so. Wenn wir Steuergelder ausgeben, mit denen wir Drucksachen finanzieren, dann hat der Inhalt auch so zu sein, wie ich es vorhin gesagt habe, nämlich ausgewogen und sachlich differenziert. In dem Fall, den Sie gerade ansprachen, ist es so: Da wurde ein Unternehmen angeprangert, ohne dass eine Stellungnahme dieses Unternehmens zu diesem Vorwurf abgedruckt wurde, und das ist Ausdruck von Einseitigkeit. Ich finde, so kann man nicht vorgehen. Genauso muss man Kommentare als solche kennzeichnen. Dabei muss man sehr klar und auch ausgewogen vorgehen. Wenn man sich nicht daran halten möchte, dann muss man seine Publikationen selbst finanzieren oder mit dem BMZ Kontakt aufnehmen und darüber sprechen, unter welchen Voraussetzungen eine Publikationsförderung möglich ist. Ich halte das für völlig in Ordnung. Ich verweise beispielhaft auf Ihre Pressemitteilung vom 19. März 2013. Darin schreiben Sie: "Wenn es zutrifft, dass das BMZ unter Minister Niebel ... versucht hat, ... Einfluss auf den redaktionellen Inhalt ... zu nehmen ..." Schon im nächsten Abschnitt sagen Sie, dass es nicht in Ordnung ist, dass hierzulande "das Recht auf freie Meinungsäußerung mit Füßen" getreten wird. Genau das meine ich: Im ersten Absatz gehen Sie noch von der Möglichkeit aus, dass etwas wirklich so ist, und schon im zweiten suggerieren Sie, dass es so ist. Das können Sie zwar gern so machen, aber wenn wir mit Steuergeldern Publikationen bezahlen, dann haben die ausgewogen zu sein und müssen den Förderrichtlinien entsprechen. Wir beraten gern dazu, unter welchen Voraussetzungen Förderungen möglich sind. Es ist Sache der jeweiligen NGO, zu entscheiden, ob sie sich mit uns in Verbindung setzt und welchen Text sie veröffentlichen möchte. Darauf nehmen wir natürlich keinen Einfluss, weil wir die Pressefreiheit in Deutschland und weltweit hochhalten. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich bitte, sowohl bei der zweiten Nachfrage als auch bei der Antwort das optische Signal zu beachten. - Bitte. Dr. Sascha Raabe (SPD): Frau Staatssekretärin, es ist schon ein seltsames Demokratie- und Meinungsfreiheitsverständnis, das hier geäußert wird. Sie haben gerade selbst einen Fall eingeräumt. Wenn eine Zeitschrift im redaktionellen Teil ein Unternehmen für eine Geschäftspolitik kritisiert, dann hat das Unternehmen die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren; aber das ist nicht Aufgabe des Ministeriums. Wenn das Unternehmen recht hat, kann es nach dem deutschen Presserecht auch eine Gegendarstellung in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift verlangen. Wenn Sie das Gefühl hätten, dass eine Organisation schon etliche Male gegen die Richtlinien verstoßen hat, dann könnte man auch dagegen vorgehen. Aber es kann doch nicht wahr sein, dass eine NGO, wenn sie kritisch über einen Umwelt- oder einen Firmenskandal berichten will, jedes Mal bei Ihnen im Ministerium anfragen muss, ob das ausgewogen ist. Das kenne ich aus den Ländern, denen Herr Niebel wegen schlechter Regierungsführung und Eingriffen in die Presse- und Meinungsfreiheit die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit streicht. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Das ist doch keine Frage!) Das finde ich schon ein starkes Stück, wie Sie argumentieren. Gudrun Kopp, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: Ob Frage oder nicht - lieber Herr Kollege Raabe, ich sage noch einmal: Selbstverständlich kann und soll Kritik geübt werden, auch von NGOs. Aber es geht hier darum, ob man mit Mitteln der Steuerzahler, also mit öffentlichen Mitteln, jemanden anprangert und eben nicht ausgewogen berichtet. Genau das sagen unsere Richtlinien. Die sind Ihnen bekannt. Wir vom BMZ finden, dass das die richtige Vorgehensweise ist; sie besteht so auch schon seit längerem. Vizepräsidentin Petra Pau: Die Frage 27 wie auch die Frage 28 des Kollegen Movassat sollen schriftlich beantwortet werden. - Danke, Frau Staatssekretärin. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto zur Verfügung. Ich rufe die Frage 29 der Kollegin Sylvia Kotting-Uhl auf: Wann genau - bitte Kalenderdatum- trifft bzw. traf sich der Gemeinsame Ausschuss der sogenannten Trilogstaaten des Vertrags von Almelo - Deutschland, Großbritannien und Niederlande - in der diesjährigen zwölften Kalenderwoche - es wird nachdrücklich darum gebeten, auf die mittlerweile dritte Frage seitens der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen nach dem Datum dieses Treffens dieses Datum nun anzugeben; vergleiche Antworten der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 32, Plenarprotokoll 17/218, Anlage 17 sowie auf die schriftliche Frage 49 des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott auf Bundestagsdrucksache 17/12646 -, und welche konkreten Tagesordnungspunkte werden bzw. wurden bei dem Treffen behandelt, gegebenenfalls bitte mit Ergebnis, falls das Treffen zum Zeitpunkt der Antwort auf diese Frage bereits stattgefunden hat? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin Kotting-Uhl, ich kann Ihnen antworten, dass die nächste Sitzung des Gemeinsamen Ausschusses, der auf einem 1970 von der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland unterzeichneten völkerrechtlichen Vertrag beruht, heute stattfinden wird. Auf der Grundlage dieses Vertrages üben die drei Regierungen die Aufsicht über das trinationale britisch-niederländisch-deutsche Urananreicherungsunternehmen Urenco aus. Im Rahmen der Sitzungen des Gemeinsamen Ausschusses erfolgt ein kontinuierlicher Austausch zwischen den drei Regierungen. Ich bitte aber um Verständnis dafür, dass die Beratungen dieses Ausschusses vertraulich sind - das wissen Sie - und ich schon allein aus diesem Grund keine weiteren Ausführungen über den Inhalt oder die Tagesordnung dieser Sitzung machen kann. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben das Wort zur ersten Nachfrage. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär. - Das ist natürlich nicht sehr befriedigend, vor allem angesichts der Meldungen über Verkaufsabsichten, die wir immer wieder hören; darum geht es in meiner zweiten Frage. Ich will aber etwas schon vorziehen, weil heute über den Ticker ging, dass nach RWE, Eon und Großbritannien auch die Niederlande den Verkauf ihrer Anteile an der Atomfirma Urenco erwägen. Da stellt sich natürlich schon die Frage, wie es mit der Aufsicht weitergeht. Vor allem ist Thema der Meldungen, dass unter den Interessenten auch die Finanzinvestoren CVC und KKR sind. Ich würde Sie doch gerne fragen - wenn Sie mir schon auf die erste Frage, die ich gestellt habe, keine konkrete Antwort geben können -, ob Sie wissen, wer sich dahinter verbirgt. Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Nein, Frau Kollegin. Erstens will ich zu aktuellen Tickermeldungen jetzt nicht Stellung beziehen. Zweitens. Wenn die Sitzung und die Tagesordnung vertraulich sind, dann kann man über so etwas auch nicht reden. Ich kann Ihnen aber versichern - das betrifft schon Ihre zweite Frage -, dass wir eine Aufsicht ausüben, die gewährleistet, dass die Grundsätze des Vertrags von Almelo gewahrt bleiben. Es kann also nicht jeder zugreifen, wie er will, und auch die Nichtverbreitung der nuklearen Stoffe wird gewährleistet. Ihre Sorge, dass die Aufsicht Deutschlands gefährdet sei, kann ich, glaube ich, guten Gewissens zerstreuen. Vizepräsidentin Petra Pau: Sie können noch Ihre zweite Nachfrage stellen. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne, Frau Präsidentin, vielen Dank. - Das ist natürlich für Parlamentarier nicht sehr befriedigend, wenn sozusagen zu fast gar nichts Stellung genommen wird. Urenco ist nicht ganz ohne Bedeutung, auch mit Blick auf die Frage des Atomausstiegs. Sie haben gesagt: Die Grundsätze des Vertrages werden auf alle Fälle gewahrt bleiben, dies gewährleistet die Aufsicht. - Aber das eigentliche Ziel dieses Vertrags ist die staatliche Förderung der Urananreicherung. Entspricht es denn dem Ziel des Atomausstiegs dieser Regierung und den damit verbundenen Absichten, wenn die Förderung der Urananreicherung weiterhin ein Ziel ist? Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Liebe Frau Kollegin, das ist schon mehrfach in der Fragestunde - ich glaube, auch mit Ihnen - erörtert worden. Der Atomausstieg bedeutet konkret, dass sich Deutschland bis zum Jahre 2022 aus der Erzeugung von nuklearer Energie verabschiedet. Das bedeutet aber kein Tabu und kein Verbot für Forschung. Und hier geht es um Forschung, hier geht es nicht um Erzeugung von nuklearer Energie, Herstellung von nuklearen Waffen oder Ähnliches. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hier geht es nicht um Forschung, hier geht es um die Herstellung von Brennelementen!) In dem gesamten Projekt geht es um Urananreicherung, aber nicht zum Zwecke der Energieerzeugung. Deswegen ist das nicht von dem von uns gemeinsam getragenen Beschluss zur Energiewende umfasst. Vizepräsidentin Petra Pau: Wir sind damit am Ende der Fragestunde. Die übrigen Fragen werden, so, wie es unsere Regeln vorsehen, schriftlich beantwortet. Ich rufe Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Probleme beim Nord-Ostsee-Kanal - Auswirkungen der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer auf den maritimen Wirtschaftsstandort Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Minister für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Bundeslandes Schleswig-Holstein, Herr Reinhard Meyer. (Beifall bei der SPD) Reinhard Meyer, Minister (Schleswig-Holstein): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werte Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Ich möchte Ihnen heute den Nord-Ostsee-Kanal ein wenig näherbringen. Denn ich habe das Gefühl, dass die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals in ganz Deutschland noch immer nicht so richtig verstanden wird. Es geht um den aktuellen Zustand des Kanals und die Auswirkungen auf den maritimen Wirtschaftsstandort Deutschland. Schließlich geht es auch darum, die Bundesregierung bzw., genauer gesagt, den Bundesverkehrsminister, aufzufordern, den Kreislauf aus Fatalismus und Aktionismus zu durchbrechen, den wir seit Jahren beim Nord-Ostsee-Kanal beobachten können. (Beifall bei der SPD) Ansonsten sehe ich die Gefahr, dass alles nach einer kurzen Zeit der Aufregung im Sande verläuft oder, besser gesagt, im Schlick stecken bleibt. Eine große Zeitung aus Süddeutschland hat neulich - immerhin auf Seite eins - versucht, dem erstaunten Rest der Republik klarzumachen, dass der Nord-Ostsee-Kanal die am meisten befahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist. Hier fahren mehr Schiffe durch als durch den Panamakanal und den Suezkanal zusammen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Gute Leistung!) Wer den Nord-Ostsee-Kanal nicht nutzt, der muss heute einen Umweg von 800 Kilometern in Kauf nehmen - rund um Skagen. Das tun immer mehr Schiffe wegen der Bauverzögerung bei den Schleusen oder als es vor kurzem eine Vollsperrung für große Schiffe in Brunsbüttel gab. Zugleich kann man in den Schlagzeilen internationaler Wirtschaftszeitungen in diesen Tagen lesen: Panamakanal modernisiert; Stau vor dem Nord-Ostsee-Kanal. Wartezeiten oder der notwendig gewordene Umweg kosten die Reeder, die Schiffsmakler, die Lotsen und die Kanalsteurer Geld. Der Ausfall der großen Schleusen in Brunsbüttel bedeutete einen Ausfall von zwei Dritteln der Ladung. Das ist ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden. Aber das wirklich Gefährliche ist, dass wir nicht von vorübergehenden Verlusten reden, sondern von dauerhaften Umleitungen der Verkehrsströme, und zwar hin in Richtung Antwerpen und Rotterdam. Denn die Transportkette ohne den Nord-Ostsee-Kanal - das ist die Gefahr - verändert sich, geht weg von den norddeutschen Häfen, vom Hamburger Hafen, von Bremerhaven, von Wilhelmshaven, nimmt den Umweg um Skagen und geht direkt in die Ostsee. Übrigens bedeutet dies dann für die Ostsee, dass immer größere Schiffe dort anzutreffen sein werden. Dies hat auch Auswirkungen auf die Schiffssicherheit, insbesondere mit Blick auf die Kadetrinne. Deswegen: Der Nord-Ostsee-Kanal ist ein Standortfaktor für Norddeutschland, insbesondere für den Hafen Hamburg. Rund 30 Prozent der Ladung werden dort im Transit in oder aus dem Ostseeraum umgeschlagen. Allein in Schleswig-Holstein hängen 3 500 Arbeitsplätze vom Kanal ab. Übrigens: Wenn Abgeordnete aus Süddeutschland hier im Saal sein sollten, (Gustav Herzog [SPD]: Ja, hier!) - sehr schön -: Sie können sich beim Thema Nord-Ostsee-Kanal nicht zurücklehnen; denn auch Sie sind davon massiv betroffen. Kürzlich hat eine OECD-Studie zum Hamburger Hafen gezeigt, dass Bayern sechsmal mehr vom Hamburger Hafen profitiert als Schleswig-Holstein. Baden-Württemberg profitiert fünfmal mehr. Zwei von drei Containern, die durch Deutschland rollen, starten in Hamburg. (Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das muss an unserer Wirtschaftskraft liegen!) Meine Damen und Herren, wir reden beim Nord-Ostsee-Kanal über eine nationale Aufgabe, (Beifall bei der SPD) eine nationale Aufgabe, bei der man Weitsicht benötigt. Doch was ist geschehen? Die Wasserstraße Nord-Ostsee-Kanal wurde jahrzehntelang auf Verschleiß gefahren. Das betrifft übrigens nicht nur den jetzigen Bundesverkehrsminister, sondern das geht seit mindestens 20 Jahren so. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Bei 20 Jahren kann jeder herausfinden, wer alles in diesem Zeitraum Verkehrsminister war. Es ist müßig, dass wir Vergangenheitsbewältigung betreiben. Mir geht es darum, dass wir nach vorne schauen. Vor allen Dingen geht es mir darum, dass etwas geschieht. Wir brauchen ein Zeichen für die internationale Seeschifffahrt. Das geht nur mit langfristiger Sicherheit, einer umfassenden Modernisierung des Kanals. (Beifall bei der SPD) Genau das passiert aber im Moment nicht. Lieber Herr Ramsauer, Sie hatten am letzten Freitag mit Ihrem Besuch beim Kanal in Brunsbüttel die Chance, dieses Zeichen zu setzen. Sie haben zu Recht den Einsatz der Beschäftigten gelobt, die unter härtesten Bedingungen das Notwendigste tun, um die Schleusen zu reparieren. Sie haben das Industriemuseum der Schleuse in Brunsbüttel besichtigt. Was aber gemacht wird, ist wieder einmal kurzfristiger Aktionismus: ein bisschen Geld hier, ein wenig Personal dort und die Rede von einem Aktionsbündnis, das es eigentlich schon gibt. Es gibt nämlich die Initiative Kiel-Canal derjenigen, die betroffen sind. Die sind schon längst unterwegs. Als verantwortlicher Minister in Schleswig-Holstein möchte ich nicht Bestandteil einer Kette des Versagens sein, die am Ende lauten könnte: Stuttgart 21, Flughafen Berlin Brandenburg, Nord-Ostsee-Kanal. Genau das müssen wir verhindern. Die Schleusen sind 100 Jahre alt und älter. Wir kennen die Aufgaben. Aber die Aufgaben beziehen sich nicht allein darauf, dass wir jetzt die neue Schleuse in Brunsbüttel angehen. Wir brauchen die Sanierung der anderen Schleusen in Brunsbüttel. Wir brauchen die Sanierung der Schleusen in Kiel. Wir brauchen aber auch dringend einen Ausbau der Oststrecke mit dem Neubau der Levensauer Hochbrücke. Wir brauchen eine Vertiefung des Nord-Ostsee-Kanals auf seiner gesamten Länge, um den steigenden Anforderungen des Schiffsverkehrs gerecht zu werden. Das ist die Modernisierung, die wir in den nächsten Jahren brauchen. (Beifall bei der SPD) Was gibt es also zu tun? Erstens. Wir brauchen einen Masterplan für den Nord-Ostsee-Kanal, bei dem die verschiedenen Sanierungs- und Ausbaumaßnahmen aufeinander abgestimmt und miteinander verknüpft werden. Darauf sollte ein detaillierter Zeit- und Maßnahmenplan folgen, der mit dem notwendigen Personal und den notwendigen Mitteln unterlegt werden muss. Zweitens. Wir brauchen ein Sonderprogramm für den Nord-Ostsee-Kanal, für das über zwölf Jahre hinweg jährlich 1 Prozent des Verkehrshaushaltes des Bundes bereitgestellt werden muss. Diese Summe hat Herr Ferlemann im Übrigen in einem Interview mit dem NDR vor gut einer Woche für realistisch und erforderlich gehalten. (Johannes Kahrs [SPD]: Der Kollege Ferlemann verspricht immer alles!) Ich sage ganz deutlich: Die Zeitpläne, die der Bund für die Maßnahmen vorgelegt hat, gefallen uns nicht; das dauert uns viel zu lange. Wir können nicht auf die Fertigstellung der Schleusenkammer in Brunsbüttel warten - sieben Jahre Bauzeit, wie zuletzt angekündigt wurde - und erst danach mit allen anderen Maßnahmen beginnen. Das wäre ein Armutszeugnis für den Standort Deutschland, und es wäre keine erfolgreiche Modernisierung des Nord-Ostsee-Kanals. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, die maritime Wirtschaft ist für Deutschland eine zentrale Wirtschaftsbranche, entscheidend für Wachstum, Wohlstand und Beschäftigung. Leistungsfähige Verkehrsverbindungen und moderne logistische Schnittstellen in Norddeutschland werden langfristig über die Wettbewerbsfähigkeit ganz Deutschlands als Logistikstandort entscheiden. Es geht beim Nord-Ostsee-Kanal eben nicht um ein notdürftiges Flickwerk, sondern darum, den Kanal vorausschauend und dauerhaft für die Zukunft fitzumachen, damit er das bleibt, was er jetzt noch ist: die meistbefahrene internationale künstliche Wasserstraße und eine Lebensader für Wirtschaft und Bevölkerung in ganz Deutschland. Am 8. und 9. April, also in gut zwei Wochen, findet in Kiel die Achte Nationale Maritime Konferenz mit der Bundeskanzlerin statt. Dort kann die Bundesregierung mit klaren Aussagen zum Nord-Ostsee-Kanal dem Eindruck entgegentreten, sie stünde hier in Berlin mit dem Rücken zur Küste. Vielen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrte, liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Gelegenheit der Aktuellen Stunde dazu nutzen, mit der frohen Kunde zu beginnen, dass der Engpass an der Schleuse Brunsbüttel viel, viel schneller als vorgesehen, nämlich eine Woche früher, beseitigt werden konnte. Wir hatten mit einer zweiwöchigen Reparatur gerechnet; aber sie konnte innerhalb von acht Tagen geleistet werden. Das ist eine gute Nachricht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte mich - ich glaube, da spreche ich im Namen aller - bei den dortigen Handwerkern und bei den Tauchern voller Respekt und auf das Allerherzlichste dafür bedanken, dass sie dort unter schwierigsten, widrigen Umständen fleißig gearbeitet haben. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben: Unter Wasser, in dieser Brühe, diesem Schlick, sieht man nichts. Man kann sich erklären lassen, wie dort unter beinahe menschenunwürdigen Bedingungen schwerste Arbeit geleistet wird. (Franz Thönnes [SPD]: Ein gutes Vorbild für den Minister!) Da kann man nur voller Respekt den Hut ziehen. (Beifall der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Nord-Ostsee-Kanal ist seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in Betrieb, die großen Schleusenkammern sind es seit 1914. Ich selbst bin seit knapp dreieinhalb Jahren im Amt. Deshalb weiß ich und kann nur bestätigen, was der Vorredner gesagt hat: In diesen Wasserweg ist über Jahrzehnte viel zu wenig investiert worden; dieser Wasserweg und die Schleusen sind auf Verschleiß gefahren worden. Ich habe mir, beginnend mit 1914, eine Liste anfertigen lassen, die aufführt, was wann gemacht wurde. Wenn man sich das ansieht und erkennt, was nicht gemacht wurde, dann weiß man: Nicht einmal die SPD bringt es fertig, mir nach dreieinhalb Jahren im Amt die Versäumnisse in die Schuhe zu schieben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) So funktioniert es nun wirklich nicht. Mein Amtsvorgänger Wolfgang Tiefensee hat im Jahr 2007 den absolut richtigen Schritt unternommen und den Planungsauftrag für die fünfte Kammer, diese große Kammer, der Schleuse in Brunsbüttel erteilt. Im Jahr 2009 wurden für Planungsleistungen im Hinblick auf das Planfeststellungsverfahren 2 Millionen Euro in Kapitel 1203 des Haushalts aufgenommen. Man hat damals im Hinblick auf das Bauvorhaben und die dafür nötigen Mittel mit einem Gesamtbedarf von 273 Millionen Euro gerechnet. Wohlgemerkt: In den Haushalt 2009 sind damals nur 2 Millionen Euro an Planungsmitteln eingestellt worden. Das Planfeststellungsverfahren begann 2009, der Planfeststellungsbeschluss erfolgte im Sommer 2010. Ich sage das deshalb, weil ich mit zwei Unwahrheiten aufräumen möchte, die Sie ständig verbreiten, lieber Herr Kollege Kahrs. Sie haben beispielsweise im Hamburger Abendblatt gesagt, unter Tiefensee seien 270 Millionen Euro für den Nord-Ostsee-Kanal zur Verfügung gestellt worden. Nein, das ist falsch. Im Haushalt waren 2 Millionen Euro für Planungsleistungen vorgesehen. Der Rest waren Schätzungen für Baukosten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dann heißt es weiter: Ramsauer ... hat ... das Geld nach Bayern abgezogen und für Ortsumgehungen verbraten. (Martin Burkert [SPD]: Zuzutrauen ist es ihm! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch auch! Das ist doch so! Das Problem von dem Kanal ist doch, dass er nicht in Bayern liegt!) Lieber Herr Kollege Kahrs, Mittel, die überhaupt nicht vorhanden sind, kann man nicht umlenken. Was Sie sagen, ist schlicht und ergreifend unwahr. (Beifall des Abg. Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]) Sie wissen, dass ich Sie sehr schätze, aber mit so einem Stil bleiben Sie weit unter Ihrem eigenen Niveau Ihrer politischen Arbeit zurück. Für ein solches Foul gäbe es im Fußball normalerweise die Rote Karte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte Sie schlicht und einfach bitten, das geradezurücken und zu sagen, wie es wirklich ist. Wir haben Gott sei Dank - Danke an den Haushaltsausschuss - seit der Einigung auf ein erstes zusätzliches Milliardenprogramm erstmalig ganz konkret 300 Millionen Euro, aufgeteilt in Verpflichtungsermächtigungen, im Haushalt vorgesehen. Ich danke dem Haushaltsausschuss noch einmal dafür, dass er in der vergangenen Sitzungswoche die Zusage erteilt hat, dass im Falle weiterer Kostenmehrungen in einer Höhe von 75 Millionen Euro Hilfestellung gewährt wird, wenn diese Mittel freigegeben werden müssen. Wir haben also jetzt einen klaren Plan. Wir haben uns auf ein klares Vorgehen geeinigt. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Was haben Sie denn in den letzten dreieinhalb Jahren gemacht, Herr Ramsauer?) Wir müssen jetzt zunächst alles Nötige tun, um den Kanal und die Schleuse Brunsbüttel hinreichend instand zu halten. Damit so etwas wie letzte Woche nicht noch einmal passiert, haben wir das Personal aufgestockt. Wir haben elf zusätzliche Planstellen geschaffen, damit genug Personal für einen Notdienst vorhanden ist (Uwe Beckmeyer [SPD]: Reparaturen!) - ja -, um sofort reparieren zu können. Zu der Forderung - von der soeben die Rede war -, 1 Prozent des Verkehrshaushaltes für den Nord-Ostsee-Kanal vorzusehen: Der gesamte Verkehrshaushalt beträgt etwa 10 Milliarden Euro, 1 Prozent davon sind nach Adam Riese 100 Millionen Euro. Unsere jährlichen Investitionen, inklusive Reparaturen und Instandhaltungen, in den Nord-Ostsee-Kanal liegen zwischen 120 und 135 Millionen Euro. Wir liegen damit über dem geforderten 1 Prozent. In den nächsten Jahren müssen es eben mehr werden als das 1 Prozent, damit wir all das tun können, was wir tun müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Erforderlich ist also der Neubau dieser fünften Schleusenkammer, dieser großen Kammer. Dann haben wir die zusätzliche Kapazität, die es uns erlaubt, die übrigen Kammern grundinstand setzen zu können. Dann erfolgen die Verbreiterung der Oststrecke - dafür läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren -, der Ersatz der Levensauer Hochbrücke, die Vertiefung im gesamten Bereich des Nord-Ostsee-Kanals um 1 Meter und schließlich - was die Kieler Seite anbelangt - die Grundinstandsetzung der alten Kammern in Kiel-Holtenau. Mit diesem Maßnahmenbündel sind wir auf einem guten Weg. Wir müssen alle miteinander um die notwendigen Finanzmittel für den Neubau der fünften Kammer in Brunsbüttel ringen. Diese stehen jetzt auch tatsächlich bereit. Dafür Dank an dieses Parlament. Wenn ich mir den Titel dieser Aktuellen Stunde ansehe - "... Auswirkungen der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer auf den maritimen Wirtschaftsstandort" -, dann kann ich nur sagen: Diese Bundesregierung tut alles dafür, damit Deutschland als maritimer Standort spitze bleibt, damit der Nord-Ostsee-Kanal und die Schleuse Brunsbüttel zukunftsfähig gemacht werden. Insofern beantworte ich die Frage nach den Auswirkungen meiner Politik auf den maritimen Standort Deutschland mit einem respektvollen "Gut so!" und "Zukunftsgerichtet!". Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei Abgeordneten der SPD - Ingo Egloff [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Herbert Behrens das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Herbert Behrens (DIE LINKE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Nord-Ostsee-Kanal wird auf Verschleiß gefahren. Die großen Schleusen und eine kleine sind über Tage ausgefallen. 100 Schiffe eines einzelnen Reeders mussten für diese Tage den Umweg über Skagen nehmen; das wurde von Minister Meyer dargestellt. Ökologisch und ökonomisch ist ein Schaden entstanden, der vermeidbar war. Der Ausfall der Schleusen ist absehbar gewesen. Das wissen wir, und zwar seit mindestens 20 Jahren. Der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe und andere Wirtschaftsverbände stellen fest, dass das für die Wartung der Schleusen und -anderer Anlagen notwendige Geld fehlte. Der Bund entzieht sich seit zwei Jahrzehnten seiner Pflicht, die wichtigste deutsche Seeverkehrsverbindung in einem guten Zustand zu halten. Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sind unter diesen Bedingungen gefährdet. Dieser Zustand ist nicht haltbar. Dafür trägt der Bundesverkehrsminister schon eine persönliche Verantwortung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Seit Mai 2010 kann die fünfte Schleuse am Nord-Ostsee-Kanal gebaut werden. In der Tat: Im Rahmen des Konjunkturprogramms 2009 wurden Mittel in Höhe von 270 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Was ist passiert? Nichts. Im November 2011 stellte der Haushaltsausschuss erneut Geld zur Verfügung, dieses Mal 300 Millionen Euro. Was ist passiert? Wieder nichts. Im April 2012, kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, inszenierte das Bundesverkehrsministerium den ersten Spatenstich für den Schleusenneubau. Was passierte danach? (Uwe Beckmeyer [SPD]: Nichts!) Nichts. Na ja, zwei Dinge passierten schon - das haben wir heute Morgen im Ausschuss gehört -: Das Baufeld wurde hergerichtet, und es wurde damit begonnen, die Mole 2 zu verlängern. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allen Dingen der Spatenstich! - Franz Thönnes [SPD]: Vom Spatenbräu zum Spatenstich!) Außer Baustelleneinrichtung ist also nichts passiert. Da kann man von Baubeginn nun wirklich nicht reden. Nachdem das Kind jetzt also in den Brunnen gefallen ist und der Kanal gesperrt werden musste, beschloss nun auch der von CDU/CSU und FDP geführte bzw. majorisierte Haushaltsausschuss in der letzten Woche mehrheitlich, die Ausschreibung müsse unverzüglich, das heißt spätestens im April 2013, erfolgen und der Bau so zügig wie möglich vorangetrieben werden. So heißt es in dem Beschluss. Das ist eine späte, aber berechtigte Kritik am eigenen Minister. Die Bundesregierung weiß, dass dort nichts geschieht, und nimmt es hin. Statt den dringend notwendigen Schleusenneubau voranzutreiben, wird das Geld verbraucht, um zweifelhafte Verkehrsprojekte wie Stuttgart 21, Feste Fehmarnbeltquerung, Y-Trasse usw. auf den Weg zu bringen. Auch Zeit wird verbraucht, indem man sich mit dem Umbau der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung beschäftigt. Die Beschäftigten der WSV sind für den Betrieb, die Unterhaltung und Instandhaltung gerade solcher Wasserwege wie des Nord-Ostsee-Kanals verantwortlich. Seit über zehn Jahren schon ist für die Beschäftigten aber nur eines sicher: der Personalabbau. Der Bundesverkehrsminister kümmert sich um alles Mögliche, erkennt aber nicht, wo zuerst gehandelt werden muss. Ganz anders die Belegschaft der WSV am Nord-Ostsee-Kanal: Ihrem Einsatz, ihrem Können und ihrem Einfallsreichtum ist es zu verdanken, dass es zumindest an einer großen Schleuse so schnell wieder weitergehen konnte. Dafür auch von mir an dieser Stelle ein herzlicher Dank. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) An den Wasserstraßen muss viel gemacht werden. So lautete die Forderung der Linken in den vergangenen Jahren. Wir wissen, dass an vielen Kanälen die Schleusen jahrzehntealt und, wie wir gerade gehört haben, zum Teil sogar jahrhundertealt sind. Wir wissen, dass Geld investiert werden muss, dass auch in Personal investiert werden muss. Es sollte nicht erst zum Totalausfall kommen müssen, damit gehandelt wird. Das ist meine Einstellung. Das, was wir hier feststellen können, ist doch keine vorausschauende Planung. Das ist Flickschusterei. Aber selbst wenn der Handlungsbedarf offensichtlich ist, heißt das immer noch nicht, dass es jetzt richtig losgehen kann. Bis heute ist die Hauptbaumaßnahme nicht ausgeschrieben. Das BMVBS begründet das damit, dass die notwendigen fachlichen und rechtlichen Qualitäts-sicherungen der Vergabeunterlagen mehr Zeit als vorgesehen brauchen. Darum passiere nichts. (Dr. Peter Ramsauer, Bundesminister: In 14 Tagen gehen sie raus!) Ganz anders hört sich das aus der Sicht des schleswig-holsteinischen Staatssekretärs Nägele an. Er erklärt, dass eigentlich alles in trockenen Tüchern sei. Vielmehr liege die Verzögerung bei den Ausschreibungen daran, dass die Wasser- und Schifffahrtsdirektion kein Personal dafür habe, um den aufwendigen und komplexen Ausschreibungsprozess durchzuführen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider ist es nicht erst Bundesverkehrsminister Ramsauer gewesen, der es zu dieser Situation hat kommen lassen. Auch Vorgängerregierungen bzw. ihre Verkehrsminister haben dazu beigetragen. Im Dezember 2008 wurde erklärt, dass der Neubau langsam losgehen könne, dass Geld dafür zur Verfügung gestellt worden sei. Aber auch seinerzeit passierte nichts. Von daher ist mein Eindruck bezüglich dieser Angelegenheit: Die Schleusen in Brunsbüttel sind verschlissen. Sie haben inzwischen 100 und mehr Jahre auf dem Buckel, und sie müssen dringend grundsaniert werden. Der Verkehrsminister ist bereits in knapp vier Jahren verschlissen. Dass sich eine Grundsanierung lohnt, bezweifle ich. Hier ist sicher eine Ersatzinvestition erforderlich. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Parlamentarische Staatssekretär Hans-Joachim Otto. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Technologie: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst mit zwei Gemeinsamkeiten beginnen. Wir sind uns, glaube ich, alle hier im Hause über die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals einig. Ich war am vergangenen Freitag bei der Lotsenbrüderschaft in Hamburg. Da wurde mir von allen Reedern bzw. allen Beteiligten noch einmal versichert: Das ist eine Hauptverkehrsader, die wir alle gemeinsam schützen müssen. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die wissen das!) - Ich verstehe gar nicht, dass Sie schon, wenn ich Gemeinsamkeiten betone, anfangen, zu schreien. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Ich bestätige ja, dass die das wissen! ) Darauf komme ich aber gleich noch. Wir sind uns auch alle darüber einig, dass der bedauerliche Zustand der Schleusen in Brunsbüttel so schnell wie möglich behoben werden muss. Ich glaube, ich spreche im Namen des gesamten Hauses, wenn ich den beteiligten Technikern, Tauchern, Ingenieuren usw. großen Dank dafür ausspreche, wie schnell sie die Reparatur der großen Südkammer in Brunsbüttel hinbekommen haben. Das ist eine Riesenleistung, die unseren Respekt verdient. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Franz Thönnes [SPD]: Die haben besser gearbeitet als die Regierung!) Da Sie aber ständig dazwischenrufen, will ich Ihnen Folgendes sagen: Wenn wir uns darüber einig sind, dass das ein gemeinsames nationales Projekt ist - und darüber sind wir uns einig -, dann hören Sie doch sinnvollerweise damit auf, hier mit kleinlicher parteipolitischer Münze zu operieren. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zurufe von der SPD: Oh!) - Das ist doch wahr! - Sie können - das ist Ihr gutes Recht - bei vielen Dingen Ihre Kritik an Herrn Ramsauer äußern. Ich will aber als Maritimer Koordinator feststellen: Hier ist jahrzehntelang zu wenig investiert worden. Ich fange jetzt nicht mit parteipolitischer Münze an. Über alle Parteien hinweg hat es Verkehrsminister in Bonn und Berlin gegeben, die nichts gemacht haben. Wir haben in dieser Legislaturperiode zunächst einmal einen Haushaltsansatz von 300 Millionen Euro gemacht. (Bettina Hagedorn [SPD]: Er hat überhaupt keine Haushaltsansätze gemacht! Das war der Haushaltsausschuss!) - Ja, die Haushaltspolitiker. Liebe Frau Kollegin Hagedorn, ich will es noch einmal sagen: Wenn dieses Unternehmen erfolgreich sein soll, dann hören Sie auf, zu schreien, und lassen Sie uns national an einem Strang ziehen. Das ist jetzt die Aufgabe. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Bettina Hagedorn [SPD]: Darauf warte ich seit dreieinhalb Jahren! - Sören Bartol [SPD]: Lesen Sie mal die Pressemitteilung des Ministeriums durch!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wundere mich. Wir sollten uns doch darüber freuen, dass wir in einer zentralen Frage einig sind. Jawohl, die fünfte Schleusenkammer muss so schnell wie möglich gebaut werden. Ich kann Ihnen versichern, dass der Haushaltsausschuss die Voraussetzungen dafür geschaffen hat. Ich danke den Mitgliedern des Haushaltsausschusses ausdrücklich für diesen Beschluss. (Bettina Hagedorn [SPD]: Er ist schon eineinhalb Jahre alt!) Da Sie hier sagen, das müsse alles schneller oder sofort gehen, kann ich Ihnen mitteilen: Anfang April gehen die Ausschreibungsunterlagen heraus. Das ist keine Kleinigkeit. Es geht hier um 3 000 Seiten kompliziertester Materie. Hier ist eine große Leistung vollbracht worden, und ich erwarte auch vonseiten der Opposition an dieser Stelle Respekt dafür. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Es hilft überhaupt nicht, dass Sie hier jetzt in anderer Weise agieren. Meine Damen und Herren, wir sind uns einig, dass der Nord-Ostsee-Kanal nicht nur an den fünf Schleusen in Brunsbüttel, sondern in seiner gesamten Länge modernisiert, vertieft und instand gesetzt werden muss. Ich hoffe, wir sind uns darüber immer noch einig, wenn die nächste Bundesregierung - die ja wahrscheinlich denselben Verkehrsminister stellen wird - (Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Sören Bartol [SPD]: Ich glaube, das ist zu 100 Prozent ausgeschlossen! - Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haha! Wenn was sicher ist, dann das!) dann dafür kämpft, die entsprechenden Mittel zu bekommen. Ja, wir sind uns darüber einig, dass der Bau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel absolut notwendig ist. Wir sind uns auch darüber einig, Herr Meyer, dass der Nord-Ostsee-Kanal vertieft werden muss. (Johannes Kahrs [SPD]: Ja, hätten Sie mal was getan!) Wir wissen, dass insbesondere im Ostteil des Nord-Ostsee-Kanals - Stichwort "Levensauer Hochbrücke"; das gilt aber auch für einige Schleusen in der Nähe von Kiel - einiges getan werden muss. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, dann macht doch endlich was!) Die Bundesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst. Seien Sie doch froh darüber, Frau Hagedorn, (Bettina Hagedorn [SPD]: Darüber, dass Sie nichts gemacht haben? Nein!) dass wir uns zu diesem Projekt bekennen! Anstatt begeistert zu sein, keifen Sie ständig nur. Ich finde das nicht so charmant. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Johannes Kahrs [SPD]: Na ja! Lieber spät als nie!) Lassen Sie uns, wenn wir über national notwendige Infrastrukturmaßnahmen reden, auch ein Wort über die Elbvertiefung verlieren. (Johannes Kahrs [SPD]: Das mache ich schon noch!) - Ja, Herr Kahrs, Sie schon. - Ich erwarte, dass sich die Beteiligten nicht verstecken. Es gab einen gemeinsamen Beschluss mit den drei beteiligten Bundesländern. Ich hoffe, dass die neu gewählte Niedersächsische Landesregierung in gleicher Weise wie die Vorgängerregierung zu diesem Projekt steht. (Gustav Herzog [SPD]: Was sagen denn Sie als Staatssekretär zum Thema Elbvertiefung?) Ich appelliere von dieser Stelle aus noch einmal ausdrücklich an die sogenannten Umweltschutzverbände, die gegen dieses national notwendige Projekt Klagen erhoben haben, sich verantwortungsbewusst zu verhalten. Es ist die Lebensader und die Achillesferse für Hamburg und den Hamburger Hafen. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach ja?) Wenn alle Fraktionen bei diesem Thema zusammenstehen würden, statt hier herumzuschreien, und wenn sich der Bundestag dazu bekennen würde, dass die Fahrrinnenanpassung auf der Elbe ein national notwendiges Projekt ist, dann wären wir wahrscheinlich schon ein ganzes Stück weiter. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sören Bartol [SPD]: Ach!) Insofern, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Hören wir doch auf, lieber Herr Kollege Meyer, von einer Kette des Versagens, von Unkenrufen usw. zu reden! Ja, lieber Herr Kollege Meyer, die Bundesregierung ist mit den Regierungen der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen einer Meinung. Wir helfen und investieren jedes Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag. Sie fordern ein Sonderprogramm. Ich sage Ihnen: Genau so handeln wir. Bei all den Schritten, die zwar notwendig, aber unpopulär sind - ich nenne nur die Elbvertiefung; es gibt aber noch einige andere Maßnahmen -, möchte ich aber, bitte schön, nicht immer wieder erleben, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen an der Spitze der Bewegung "Wir sind gegen Infrastrukturvorhaben; wir wollen verhindern, boykottieren usw." stehen. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Wir wollen etwas Vernünftiges schaffen!) - Liebe Frau Dr. Wilms, auch von Ihnen erwarte ich Unterstützung, zum Beispiel für die Elbvertiefung. Das sind Infrastrukturmaßnahmen, die notwendig sind. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie, lieber Herr Minister Meyer, erwähnt haben, dass in einigen Wochen im schönen Kiel die Nationale Maritime Konferenz stattfinden wird. Mein Vorschlag an Sie und alle Kolleginnen und Kollegen, die sich der maritimen Wirtschaft verbunden fühlen, lautet: Lassen Sie uns mit dieser Konferenz ganz Deutschland klarmachen, dass der maritime Standort für das gesamte Land und nicht nur für die Küstenregionen wichtig und entscheidend ist (Torsten Staffeldt [FDP]: Genau!) und wir den maritimen Standort brauchen, dass dieses Hohe Haus hinter diesem Ziel steht (Bettina Hagedorn [SPD]: Es wäre aber wichtig, dass die Regierung dahintersteht!) und dass dieses Haus auch die notwendigen Investitionsentscheidungen treffen wird, um die Probleme beim Nord-Ostsee-Kanal, die Elbvertiefung, die Weservertiefung und alle anderen Infrastrukturmaßnahmen, die sonst noch notwendig sind, zu stemmen! Wenn wir diese Vorhaben über die Fraktionsgrenzen hinweg gemeinsam tragen, sind unsere Erfolgsaussichten wesentlich besser. Damit würden wir der maritimen Wirtschaft mehr helfen, als wenn wir uns wechselseitig verbal ohrfeigen und versuchen, aus den Problemen kleinliche parteipolitische Münze zu schlagen; das bringt nämlich nichts. Ich appelliere an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der Opposition: Lassen Sie uns gemeinsam für den maritimen Standort Deutschland kämpfen! Dann werden wir auch etwas erreichen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Dr. Valerie Wilms für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Minister Meyer, herzlich willkommen im Bundestag! Ich muss schon sagen: Angesichts dessen, was hier zu beobachten ist, mache ich mir gewisse Sorgen, ob wir auf dem Weg hin zu einer zukunftsgerichteten Verkehrspolitik in den nächsten Jahren vorankommen werden. Da wird einander gebasht, da wird aufeinander eingeschlagen. Worum es eigentlich geht - dass es um den Nord-Ostsee-Kanal geht und dass die Verkehrspolitik einen neuen Ansatz braucht -, wird dabei ziemlich verdrängt. (Zuruf von der FDP: Aber nicht von uns!) In meiner Heimatzeitung Uetersener Nachrichten war die Überschrift zu lesen: Der Kanal ist frei - der Minister schuld. - Ich muss sagen: Auf diesem Niveau haben wir auch hier bisher diskutiert. Das ist in meinen Augen problematisch. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Seien wir einmal ehrlich: Dass der Kanal jetzt frei ist, haben wir auch dem Umstand zu verdanken, dass die Pioniere der Kaiserlichen Marine damals so weise waren, nicht in Beton, sondern in Granit zu bauen und Holzbohlen als Reserve zu nutzen. Wir müssen auch zugeben: Wir sind mit dem Material in der Zwischenzeit nicht unbedingt sachgerecht umgegangen. Das müssen sich alle, die hier sitzen oder früher hier gesessen haben, ans Revers heften. Darum sage ich: Da muss ein Umdenken stattfinden. Ich bin froh, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wasser- und Schifffahrtsamtes Brunsbüttel unter Frau Völkl es geschafft haben, dass die Reparaturen binnen einer Woche ausgeführt wurden und nicht, wie es ursprünglich gedacht war, binnen 14 Tagen. Nichtsdestotrotz sind wir hier in der Verantwortung, sicherzustellen, dass mit den Anlagen des Bundes, die ja aus Steuermitteln finanziert wurden - aus Steuern von Menschen und von Unternehmen in Deutschland -, sachgerecht umgegangen wird. Ich habe leider nicht den Eindruck, dass dies getan wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was gehört dazu? Es reicht nicht, mit blankgeputztem Gerät Spatenstiche zu machen - Herr Ramsauer, Sie wissen, dass wir uns bei der Haushaltsberatung darüber unterhalten haben - und noch einmal 750 Millionen Euro einzukassieren, um dann mit stolzgeschwellter Brust neue Verkehrsprojekte anzufangen, obwohl noch gar nicht klar ist, ob diese Projekte auch durchfinanziert werden können. Auf diesem Niveau wird hier in der Verkehrspolitik häufig gearbeitet: Wir fangen irgendwo an, wir verteilen das Geld - weil ja irgendwo sicherlich wieder Wahlkampf ist -; aber es fehlt uns eine durchgängige Gesamtlösung, wie wir mit den notwendigen verkehrspolitischen Projekten umgehen. Vor allen Dingen müssen wir endlich einmal bereit sein, zu definieren, welche Projekte wir denn noch brauchen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich bin mit Herrn Meyer einig, dass der Nord-Ostsee-Kanal natürlich gebraucht wird, zum einen aus Verkehrsgründen, zum anderen, weil er gerade für Schleswig-Holstein auch noch andere Funktionen übernimmt: Wenn der Nord-Ostsee-Kanal nicht mehr funktioniert, säuft der Westteil von Schleswig-Holstein ab, weil die Entwässerung im Wesentlichen über den Nord-Ostsee-Kanal erfolgt. Wir haben da also gewisse Verpflichtungen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für mich ist entscheidend: Wir müssen in diesem Hohen Hause anfangen, umzudenken. Wir müssen uns mit Begrifflichkeiten wie vorbeugender Instandhaltung auseinandersetzen. Wir müssen insgesamt darüber nachdenken: Was brauchen wir überhaupt? Wie planen wir? Wie setzen wir unsere Mittel ein? - Da schaue ich insbesondere die Haushälter, die hier sitzen, an; (Bettina Hagedorn [SPD]: Das sind übrigens die, die die 300 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben!) ich schaue aber auch gezielt zu Herrn Kahrs. Wir müssen Begrifflichkeiten wie vorbeugende Instandhaltung oder Life Cycle Costs einführen, und wir müssen auch einmal bereit sein, Entscheidungen über mehrere Jahre zu treffen, um so eine Durchfinanzierung von Projekten zu ermöglichen. Das fehlt derzeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das sollten wir uns für die nächste Wahlperiode vornehmen - die 18. -, in der ich hoffentlich viele von Ihnen wiedersehen werde. (Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Aber ob dann noch der werte Herr Ramsauer auf der Regierungsbank sitzt, daran habe ich gewisse Zweifel. Denn, Herr Ramsauer, es wäre angezeigt, dass jetzt endlich Verkehrspolitik mit Augenmaß und Nachhaltigkeit einsetzt: wenn wir Grünen dieses Feld übernehmen. In dem Sinne: Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die Unionsfraktion hat der Kollege Gero Storjohann das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gero Storjohann (CDU/CSU): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Wilms, wir hätten zum Schluss fast auch noch geklatscht, aber Ihr Schlusssatz stimmte einfach nicht. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der letzte Satz war doch entscheidend!) Ihr Appell, jetzt die Gemeinsamkeiten im Norden zu betonen, ist aber schon wohltuend. Die Infrastruktur im Norden ist ein ganz wichtiger Aspekt. Hier geht es nicht nur um den Bereich der Schiene; denn der Hamburger Hafen braucht nicht nur Zuwegungen durch die Schiene, sondern auch Bypass-möglichkeiten im Bereich der Straße. Ich nenne hier die A 20 und die Elbquerung. Die letzten Koalitionsverträge haben die Ahrensburger Liste letzten Endes nicht gestärkt, sondern eben geschwächt. Nun reden wir über den Nord-Ostsee-Kanal. Hier wird auch schon an die Wand gemalt, der Norden werde geschwächt. Das ist aber schon vor vielen Jahren passiert. Weil man das leicht vergisst, habe ich die entsprechenden Bundesverkehrsminister noch einmal herausgesucht - sie können ja nichts für diese Schwächung; denn sie waren nur ein Jahr Minister auf Bundesebene und mussten wichtige Entscheidungen vorbereiten -: (Bettina Hagedorn [SPD]: Ein Jahr ist ja wohl ein bisschen untertrieben!) Franz Müntefering war vom 27. Oktober 1998 bis zum 29. September 1999 Bundesverkehrsminister. Danach kam Reinhard Klimmt, der das Amt bis zum 15. November 2000 ausübte. (Gustav Herzog [SPD]: Ich hätte noch früher angefangen, so 1990!) Kurt Bodewig machte das bis zum 22. Oktober 2002, und Manfred Stolpe, den ich als Abgeordneter als ersten Verkehrsminister erlebt habe, hielt dann von 2002 bis 2005 durch. Das alles geschah unter rot-grüner Verantwortung. Dann kam Wolfgang Tiefensee, und erst dann ging es los - auch mit der Staatssekretärin Roth, die dann erstmalig mit den Reedern und den Lotsen gesprochen hat. Hier wurden die ersten Dinge auf den Weg gebracht. 2007 gab es dann den Planungsauftrag, und 2009 begann das Planfeststellungsverfahren. - Das ist der Vorlauf, und so lange ist nichts gemacht worden. (Sören Bartol [SPD]: Was habt ihr denn dann gemacht?) Jetzt haben wir einen neuen Minister, Herrn Tiefensee. (Lachen und Beifall bei der SPD) - Ramsauer! Ich denke so an die maritime Thematik, dass ich immer nur an "tief" und "See" und "Wilhelmshaven" denke. - Peter Ramsauer als Bayer kümmert sich jetzt um den Nord-Ostsee-Kanal, und es geht voran. Jetzt geht es los. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nun ist die Frage, wie man das technisch abwickelt. Im Verkehrsausschuss haben wir das heute schon besprochen. Da beide großen Schleusen marode sind, stellte sich die Frage: Riskieren wir es, jetzt eine Schleuse zu reparieren? Dann könnte aber nur 50 Prozent der Verkehrsleistung des Kanals erbracht werden. Hier war man der Auffassung: Das machen wir nicht. Wenn die Konjunktur wieder anzieht, brauchen wir die volle Leistung des Kanals; denn das Umfahren von Skagen auf dem Seeweg stellt ja durchaus eine Gefährdung dar. Je mehr Schiffe dort oben langfahren, umso gefährlicher ist es für die Badewanne Ostsee. Wir haben also schon ein Interesse daran, dass der Nord-Ostsee-Kanal benutzt wird. Deshalb sagen wir: Wir müssen die Schleusen reparieren, wir brauchen eine fünfte Schleuse und zur Ertüchtigung und Leistungssteigerung dieses Kanals auch den Ausbau der Oststrecke. - Der Kollege Wadephul kämpft dafür. Wir hoffen, dass wir den Planfeststellungsbeschluss demnächst bekommen, sodass es losgehen kann. Ich freue mich auch über den dann entstehenden Fahrradweg; er fehlt dort noch - das aber nur als Fußnote. Wir brauchen die Reparatur der alten Schleusen in Kiel; nicht umsonst wird der Kanal auch Kaiser-Wilhelm-Kanal genannt. Wenn das umgesetzt ist und die großen Frachter nicht mehr außenherumfahren, sondern den Nord-Ostsee-Kanal benutzen, dann ist es auch sinnvoll, zu vertiefen. Die Vertiefung machen wir aber zum Schluss. Sobald wir in Kiel Baurecht haben, müssen wir die Schleusen reparieren, und sobald wir Baurecht für die Oststrecke haben, müssen wir damit anfangen. Es gibt viel zu tun. Wir können das aber nicht beschleunigen; schon gar nicht dürfen wir die Beseitigung der Probleme in Brunsbüttel übers Knie brechen. Ich finde es richtig, dass sich das Ministerium jetzt noch einmal angesehen hat, ob das, was geplant wurde, überhaupt noch sinnvoll ist. Nun hat man festgestellt: Die Gründung muss wesentlich stabiler gestaltet werden. Wenn wir das während der Bauphase festgestellt hätten, dann wäre das der Super-GAU geworden. Insofern: Re-spekt vor der Leistung dieses Ministeriums! Es hat alles richtig gemacht. Jetzt sollten wir zusammenhalten und das Projekt nicht schlechtreden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Es darf nicht dazu kommen, dass jeder Reeder auf der Welt meint, er komme nicht mehr durch den Nord-Ostsee-Kanal. Wir können dazu beitragen, den Reedern diese Sorge zu nehmen. Alles ist auf einem guten Weg: Die Haushälter spielen mit, die Politiker spielen mit. Der Norden freut sich, dass jetzt allgemein bekannt ist, dass der Nord-Ostsee-Kanal, der Hamburger Hafen, Fehmarnbelt, die A 20 und die Elbquerung wichtige nationale Projekte für Deutschland sind. Es ist gut, dass die Diskussion das ergeben hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich glaube, dass der Weckruf - der Grund, warum wir als SPD diese Aktuelle Stunde beantragt haben - bei CDU/CSU und FDP sowie bei der Bundesregierung angekommen ist. Man bemüht sich, in der Sache klarzumachen, dass man zukünftig viel tun will. Das ist gut. Das ist im Sinne des Nordens. Das nehmen wir zur Kenntnis. Auf der Sachebene möchte ich kurz anmerken: Das, was zurzeit beim Nord-Ostsee-Kanal geplant ist, ist nicht ausreichend. Zurzeit präsentiert uns die Bundesregierung eine Perlenkette von Maßnahmen, die aneinandergereiht sind. Das heißt, Sie wollen erst die fünfte Schleuse fertigstellen - wir reden da über das Jahr 2020 -, dann sollen die anderen Maßnahmen jeweils nacheinander kommen. Worüber wir am Ende reden, weiß kein Mensch. Natürlich brauchen wir die Vertiefung des Kanals um 1 Meter, den Ausbau der Oststrecke, die Hochbauwerke; das alles ist aufgezählt worden, das alles muss kommen. Aber man muss das parallel tun. (Beifall der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Man muss gleichzeitig die Oststrecke ausbauen und an der Vertiefung arbeiten. (Torsten Staffeldt [FDP]: Herr Kahrs, Sie wissen, was das bedeutet?) Es gibt Dinge, die man parallel machen kann. Für uns ist der Masterplan, den Minister Meyer eingefordert hat, wichtig. Er ist entscheidend, damit diejenigen, die den Kanal nutzen, langfristig Planungssicherheit haben. (Beifall bei der SPD) Wenn man das will - und wir Sozialdemokraten wollen das -, dann muss man auch entsprechende Mittel im Haushalt einstellen. (Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es! - Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Weil ihr eine Gelddruckmaschine habt!) Wenn man zum Nord-Ostsee-Kanal steht, dann muss das nicht nur hier im Deutschen Bundestag verkündet werden, sondern auch in den Haushaltsplänen zu lesen sein, und zwar Jahr für Jahr, Haushalt für Haushalt. Das ist nicht der Fall, und das ist das eigentliche Versäumnis. (Beifall bei der SPD) Natürlich kann man sich hier hinstellen, wie es der Vertreter der Bundesregierung bzw. der Maritime Beauftragte getan hat, und sagen: Jetzt geht's los! - Das Problem ist: Sie sind jetzt dreieinhalb Jahre im Amt, und nichts ist losgegangen. Eben ist die Elbvertiefung angesprochen worden. Für mich als Hamburger ist das entscheidend, die Elbvertiefung muss kommen. Aber auch hier kann man zwar erklären, dass sie kommen muss. Man kann aber auch auf die Sachebene abrutschen. (Torsten Staffeldt [FDP]: Abrutschen?) Man kann auch einmal fragen: Gibt es überhaupt schon die europaweite Ausschreibung, die man braucht, wenn das Verwaltungsgericht entschieden hat? Ich glaube, nicht. Damit muss man aber doch jetzt anfangen. Man muss doch spätestens im Sommer unter Vorbehalt einer positiven Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes die Ausschreibung veröffentlichen, damit man anfangen kann, zu bauen, wenn eine positive Entscheidung erfolgt ist. Gleichzeitig muss man dafür Geld im Haushalt einstellen. Das heißt: Hier wird zwar viel geredet; aber da, wo es zählt - das sage ich als Haushälter -, beim Haushalt, auf der Faktenebene, passiert nichts. Kommen wir neben den Dingen, über die wir gesprochen haben, und neben den Vorwürfen, die hier gefallen sind, auf etwas anderes zurück. Herr Minister, Sie haben mich persönlich angesprochen. Sie haben gesagt, dass es richtig war, dass Herr Tiefensee 2007 die Planung in Auftrag gegeben hat und Geld dafür eingestellt wurde. Dann, so sagen Sie, ist nichts passiert. Darf ich Sie daran erinnern, dass auch Sie damals im Deutschen Bundestag waren, als wir in der Großen Koalition Konjunkturpakete beschlossen haben? (Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!) Im ersten Konjunkturpaket haben wir 192 Millionen Euro für die Verstärkung der Investitionen für die Verbesserung der seewärtigen Zufahrten und Hinterlandverbindungen eingestellt. An erster Stelle stand der Nord-Ostsee-Kanal. Im zweiten Konjunkturpaket waren 75 Millionen Euro für genau diesen Zweck vorgesehen. Das Geld war später weg, wie man am Haushalt sehen kann. Deswegen, Herr Minister, ist das, was Sie gesagt haben, in der Sache falsch. Vielmehr ist richtig, was man in der Süddeutschen Zeitung nachlesen kann. Es trug sich nämlich zu, dass die CSU einen Landesparteitag hatte. Herr Ramsauer hat in seiner Rede zur Bewerbung als Vizevorsitzender auf diesem Nürnberger Parteitag gesagt, man solle ihn wegen seines Einflusses auf wichtige Verkehrsprojekte in Bayern wählen: Ich mache sie mir zur persönlichen Verpflichtung. Das stärkste Land braucht auch die stärkste Infrastruktur. Jede Unterstützung für mich ist auch eine Unterstützung für unsere bayerischen Belange in Berlin. - Es ist okay, wenn man das will. Aber es wäre schön, wenn man den Norden nicht vergisst. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es wäre schön, wenn man das, was im Norden notwendig ist, ebenfalls tut und nicht erst jetzt aufwacht. Wie sagte der Maritime Koordinator so schön? Jetzt geht's los. - Nein, es ist zu spät. Dreieinhalb Jahre ist geschlafen worden. Das ist der Punkt. Wenn man uns oder den Grünen hier das Verhalten zur Elbvertiefung vorhält, dann muss ich ernsthafterweise empfehlen, Herr Minister, einmal im eigenen Haus nachzugucken. Sie haben da einen Staatssekretär, Herrn Ferlemann, der im Kreistag in Cuxhaven gegen die Elbvertiefung gestimmt hat, und zwar als Staatssekretär dieser Bundesregierung. (Beifall bei der SPD) Das ist doch das Problem. Wenn ein amtierender Staatssekretär gegen die Elbvertiefung stimmt, dann kann man das doch nicht den Grünen zum Vorwurf machen. In diesem Fall sollten Sie in Ihrem eigenen Hause dafür sorgen, dass für den Nord-Ostsee-Kanal alles Erforderliche getan wird. Sie brauchen nicht elf, sondern 70 Leute vor Ort. Da muss richtig geklotzt werden. Sie müssen zusehen, dass wir bei der Elbvertiefung vorankommen, dass da geklotzt wird, und dass, wenn das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vorliegt, gleich mit dem Baggern angefangen werden kann. Das wäre schön, und das wäre einmal Einsatz für den Norden. Wir sehen: Auf der Sachebene haben wir nichts. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. h. c. Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier werden Vorwürfe gemacht, vom Kollegen Kahrs auch in Richtung des Bundesministers Ramsauer. Lieber Herr Kollege Kahrs, Reden wie die des Kollegen Ramsauer habe auch ich schon gehalten - allerdings: streiche "Bayern" und ersetze es durch "Schleswig-Holstein". (Johannes Kahrs [SPD]: Du warst aber nicht Minister, Jürgen!) Ihr habt die Aktuelle Stunde beantragt, um dem Minister Vorwürfe zu machen. (Johannes Kahrs [SPD]: Nein, um die Sache voranzubringen!) Frau Präsidentin, kann es sein, dass ich das Wort habe? Der Kollege Kahrs hat gerade gesprochen. Vizepräsidentin Petra Pau: Das ist völlig richtig. Überwiegend haben Sie das Wort. Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Ich finde das, was Minister Ramsauer gemacht hat und was wir im Haushaltsausschuss für den Kanal gemacht haben, richtig. Es ist endlich einmal Tempo hi-neingekommen; das ist eine Beschleunigung. Ich habe dem Minister da überhaupt keinen Vorwurf zu machen. Herr Minister Meyer - ich sehe Sie heute zum ersten Mal; Sie waren mir bisher nicht bekannt, aber das kann ja noch kommen -, schauen Sie sich einmal Berlin an. Ich sehe hier seit Monaten jeden Tag Kleinstbaustellen. Wie wäre es, wenn das Land Berlin, sozialdemokratisch geführt, sich einmal darum kümmerte? Dann kümmern wir uns um den Kanal. So haben wir, glaube ich, beide etwas davon. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bettina Hagedorn [SPD]: Bleib doch mal beim Thema, Jürgen!) Das Land Berlin ist ja nicht einmal in der Lage, den Schnee am Reichstag zu räumen. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für ein Beitrag?) Herr Minister Meyer, Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, Sie müssten den Süddeutschen einmal erklären, was der Nord-Ostsee-Kanal ist. Ich möchte vor allem meinen Kolleginnen und Kollegen von der CSU sehr herzlich danken - das will ich einmal ausdrücklich tun; das kommt bei mir sonst selten vor -, die uns voll unterstützt haben, was das Thema Kanal angeht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Nun zu einem anderen Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen, und da seid ihr falsch gewickelt: Geld ist nämlich nicht alles. Wir haben 300 Millionen Euro eingestellt. Jetzt haben wir noch einmal eine Garantie für 75 Millionen Euro gegeben. Das kann vermutlich gar nicht so schnell verbaut werden. - Übrigens, zum Vergleich, Herr Minister: Das Kanzleramt ist nicht so teuer gewesen wie der Betrag, den wir jetzt in Brunsbüttel investieren müssen - nur, damit Sie einmal einen Bezug dazu haben. Ich vermute, dass die Kanalschleusen noch wesentlich teurer werden; denn das sind alles Schätzungen der Wasser- und Schifffahrtsdirektion, nicht aber Ergebnis der Ausschreibung. Wir werden uns noch wundern, was dabei herauskommt. Wir, die Koalition, haben aber im Haushaltsausschuss einen entsprechenden Antrag gestellt; denn wir wollen die Mittel gesichert wissen. Das ist das Entscheidende. Herr Minister Meyer, wenn Sie schon den Panamakanal als Beispiel bringen, dann kann ich nur sagen: Sie hätten das einmal nachlesen sollen. Der Panamakanal wird durch eine Kanalgesellschaft geführt. Wenn Sie das für den Nord-Ostsee-Kanal wollen - dabei würde ich Sie gerne unterstützen -, dann fordern Sie das doch. Ich glaube, dann kämen wir ein Stück weiter. (Zuruf der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Müssen Sie im Landesvorstand der SPD die Kollegin Hagedorn eigentlich auch so ertragen? (Heiterkeit bei der CDU/CSU - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Der Beitrag ist ein bisschen daneben!) Das ist nicht ganz einfach. Nun zur Ausschreibung: Ich finde, dabei sind wir ein Stück weitergekommen, nur hat man bei der Ausschreibung festgestellt, dass die Problematik viel größer ist. Das können Sie doch dem Minister nicht anlasten, zumal die Ausschreibung auch noch juristisch begleitet werden muss. Ich will Ihnen die Zahlen nennen: 3 000 Leistungs-positionen sind in der Ausschreibung enthalten, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das wissen wir doch!) mehr als 800 Seiten Baubeschreibung, mehr als 300 Bauzeichnungen und Pläne. Dann kommt die Qualitätssicherung dazu. Es haben sich noch viele Dinge jetzt erst ergeben, als die Ausschreibung geschrieben werden musste. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das sind die Leute, die Sie nicht haben, die Sie vorher gestrichen haben!) - Ich weiß nicht, warum bei der SPD so eine Unruhe ist. Das mag daran liegen, dass ihr so viele Minister gestellt habt, die nichts getan haben. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - -Lachen bei der SPD) Wenn Sie sehen, welche Probleme es bei der Schleuse gibt, dann ist das doch nicht dem Minister anzulasten. Ich finde, wir haben sehr viel gemacht. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Die FDP ist gegen mehr Geld für den Nord-Ostsee--Kanal! Das ist doch die Aussage!) - Mehr Geld allein bringt es im Moment nicht. Warten wir erst einmal die Ausschreibung ab. Ich will ausdrücklich ein Lob dafür sagen, dass es bei dieser Ausschreibung auch eine juristische Begleitung gibt, nicht dass später, wenn wir die Ausschreibung haben, andere, die sich daran beteiligt haben, vielleicht dagegen klagen und wir weitere Verzögerungen bekommen. Insoweit große Anerkennung, dass auch das berücksichtigt worden ist! Aber, Herr Minister Meyer, eines will ich loswerden, weil Sie so viele Vorwürfe machen, und das bei Ihrer Politik in Schleswig-Holstein. Nur damit Sie wissen, wer Minister Meyer ist: Er macht jetzt für die Straßen ein Schlaglochkataster. (Zuruf von der CDU/CSU: Aber kein Geld!) - Er hat kein Geld. Aber so kriegt er seine Bilanzen hin. Da haben Sie zwei Schlaglöcher nebeneinander; die müssen registriert werden. Das ist ganz klar. Die Bilanz ist dann positiv, indem sie aus beiden Schlaglöchern jetzt ein großes Schlagloch machen. Dann sieht die Bilanz natürlich anders aus. Das ist die Politik von Herrn Meyer, nur damit Sie wissen, mit wem Sie es zu tun haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will auch ausdrücklich sagen, Herr Meyer: Es ist kein guter Stil, wenn Sie den Bundesverkehrsminister über die Medien zu einem Treffen auf bundeseigener Liegenschaft nach Schleswig-Holstein einladen, und der Minister erfährt einen Tag vorher von dem Treffen. Versuchen Sie mal einen anständigen Umgang unter den Ministern! Dann kriegen wir das mit dem Kanal auch hin. Herzlichen Dank für Ihre Geduld. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Das war ein schlechter Beitrag!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Bettina Hagedorn für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Bettina Hagedorn (SPD): Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ich bin froh, dass die SPD dieses Thema heute prominent auf die Tagesordnung gesetzt hat und dass wir das Thema Nord-Ostsee-Kanal so diskutieren, wie es sich gehört, nämlich als eine nationale Aufgabe. Ich stimme all denen zu, die vor mir gesagt -haben, dass das etwas ist, bei dem man eigentlich vernünftigerweise an einem Strang und in eine Richtung ziehen sollte. Ich glaube, wir aus Norddeutschland sind im Sinne der Sache alle dazu bereit. Der Punkt ist nur, dass Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und vor allem dem Herrn Verkehrsminister und dem Maritimen Koordinator das reichlich spät einfällt. Denn wir würden gerne schon seit über drei Jahren an einem Strang in eine Richtung ziehen, und wir haben das auch vielfach probiert, (Torsten Staffeldt [FDP]: So seht ihr aus!) aber es ist nicht geglückt, weil Sie leider am anderen Ende des Stranges standen. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wo man am Strang zieht, ist egal! Hauptsache, man zieht in die richtige Richtung!) Darum möchte ich an dieser Stelle ein paar Dinge geraderücken, die von Ihnen nicht ganz richtig dargestellt worden sind. Richtig ist, dass 2007 ein Konzept und eine klare Willensbekundung der damaligen Großen Koalition vorlag, sich der Grundsanierung des Nord-Ostsee-Kanals ernsthaft zu widmen. Damit ist eben nicht nur die fünfte Schleusenkammer gemeint gewesen, sondern das -Gesamtkonzept, das hier vorgetragen worden ist, mit den Schleusen in Kiel und Brunsbüttel, mit der Ostbegradigung, mit der Vertiefung um 1 Meter und mit den Querungsbauwerken. Wenn wir hier über ein Projekt reden, das ungefähr zehn Jahre Verwirklichungszeit braucht und 1,2 Milliarden Euro kostet - sie sind nämlich damals nämlich schon kalkuliert worden -, wissen wir, was wir vor der Brust haben. Ein Punkt ist aber: Solange es die Große Koalition gab, ist das Projekt durchaus verfolgt worden. Von Kollege Storjohann ist schon gesagt worden, dass damals zum Beispiel die Staatssekretärin Roth oder der Minister Tiefensee durchaus eine wichtige Rolle gespielt haben. Wir haben dann nämlich - der Kollege Kahrs hat darauf hingewiesen - mit den Konjunkturpaketen das Geld zur Verfügung gestellt. Als Sie, Herr Minister Ramsauer, ins Amt kamen, lag eigentlich der Ball für den Nord-Ostsee-Kanal auf dem Elfmeterpunkt. Sie hätten ihn nur noch reinzumachen brauchen. Sie haben es aber nicht gemacht. Sie haben ihn verdaddelt, und zwar deshalb, weil der Nord-Ostsee-Kanal leider bei Ihnen, seitdem Sie im Amt sind, bisher keine wichtige Rolle gespielt hat und weil Sie den Neubau der fünften Schleusenkammer, der in der Großen Koalition schon beschlossen war, wieder infrage gestellt haben. Um Ihnen das in Erinnerung zu rufen, habe ich die Fragen an die Regierung durchgesehen und dabei eine Anfrage der Grünen im April 2011 gefunden. In der Antwort auf diese Anfrage wird ein dramatischer Aufwuchs der Schleusenschließzeiten sichtbar. Die Schließzeiten der Nordkammer in Brunsbüttel haben sich von 298 Stunden im Jahr 2007 auf 1 240 Stunden im Jahr 2010 mehr als vervierfacht. Die Schließzeiten der Südkammer haben sich von 2008 bis 2010 verzehnfacht. Die Schließzeiten der Kleinschleusen in Brunsbüttel haben sich zwischen 2008 und 2010 verdreifacht bzw. verfünffacht. Was lernen wir daraus? Dass der Ball zu diesem Zeitpunkt auf dem Elfmeterpunkt lag und dringend ins Tor hätte geschossen werden müssen. Das heißt, man hätte die Projekte mit Hochdruck anpacken müssen. Da inzwischen die planungsrechtlichen Grundlagen für den Neubau der fünften Schleuse geschaffen sind, hätten Sie alles tun können, Herr Minister. Sie hätten zum Bespiel EU-Mittel beantragen können. Sie hätten eine hochqualifizierte Mannschaft, wie es sie bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gibt, mit höchster Priorität dransetzen können, um die Planvorhaben auf den Weg zu bringen. Was haben Sie stattdessen gemacht? Sie haben zugesehen, dass das bereitstehende Geld in andere Projekte - ob in Bayern oder wo auch immer - versenkt wurde. Sie haben nicht dafür gesorgt, dass im Regierungsentwurf 2012 des Verkehrsetats die 300 Millionen Euro für den Neubau der Schleuse erneut zur Verfügung gestellt werden. Nein, das hat der Haushaltsausschuss gemacht. Dankenswerterweise haben wir dort fraktionsübergreifend im November 2011 diese 300 Millionen Euro bereitgestellt. Aber es ist der Wahrheit geschuldet, dass dem zwei Monate vorausgegangen sind, in denen das ein prominentes Thema im Osten Schleswig--Holsteins war. Dort hat ein breites Aktionsbündnis aus der Wirtschaft - das gibt es seitdem - für die 300 Millionen Euro gekämpft. Die damals anstehende Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat geholfen, diese Mittel zur Verfügung zu stellen. Das Drama ist nur, Herr Minister: Die 300 Millionen Euro stehen seit nunmehr anderthalb Jahren zur Verfügung. Und was ist passiert? Nichts! Sie können reden, wie Sie wollen, das lässt sich nicht schönreden. Ich stimme Ihnen zu, Herr Minister: Ja, wir alle wollen nach vorne schauen. Aber Sie können nicht erwarten, dass wir mit Ihnen an einem Strang in eine Richtung ziehen, wenn Sie keinerlei Selbstkritik an Ihrem eigenen Versagen üben. Hinzu kommt, dass Sie das Personal, das wir nicht nur zur Reparatur der Schleusen, sondern auch für die Planung und das Projektmanagement dringend brauchen, im Rahmen Ihrer Wasser- und Schifffahrtsreform demotiviert, wenn nicht sogar abgebaut haben. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Hagedorn, achten Sie auf die Zeit. Bettina Hagedorn (SPD): Ich komme zum Schluss. (Beifall des Abg. Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]) Herr Minister, wir brauchen frisches Geld für das -Gesamtprojekt im Finanzplan, also die gesamten 1,2 Milliarden Euro. Wir brauchen das Personal in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, um die Arbeiten zu erledigen. Wir brauchen ein klares Bekenntnis dieser -Regierung im Haushalt 2014. An der Küste wissen wir, dass Rot-Grün den richtigen Kurs in der Schifffahrt bestimmt. Schwarz-Gelb steht dagegen für Untiefen, Wracks und Risiken. Bitte belehren Sie uns eines Besseren. Wir freuen uns auf den Nachweis Ihres Handelns. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Matthias Lietz spricht nun für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Matthias Lietz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren mittlerweile schon eine gute halbe Stunde über die Thematik. Wie immer in einer Aktuellen Stunde könnte man zu diesem Zeitpunkt sagen: Es ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Lassen Sie mich aber noch Folgendes ausführen: Ich hatte im Frühjahr letzten Jahres die Gelegenheit, gemeinsam mit der Kollegin Wilms den Neckar-Schleusen einen Besuch abzustatten und zu sehen, wie die Situation vor Ort ist. Zum einen war ich als Techniker beeindruckt von den Leistungen derer, die dort beschäftigt sind. Zum anderen habe ich mir große Gedanken darüber gemacht, welche Schritte wir innerhalb der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung vorwärts gehen können, um in Zukunft solche Miseren, wie sie bundesweit bestehen, zu verhindern. (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Dann stoppen Sie die WSV-Reform!) Ich möchte an dieser Stelle von diesem Podium aus meinen Dank und meine Anerkennung den Kollegen der Wasser- und Schifffahrtsämter Brunsbüttel und Kiel aussprechen, die gerade in dieser Situation Besonderes geleistet haben, und ihnen meinen besonderen Respekt zollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD - Uwe Beckmeyer [SPD]: Die werden demnächst abgeschafft! - Bettina Hagedorn [SPD]: Aber besser nicht abschaffen!) Mein Respekt - auch das wurde heute hier schon gesagt - gilt zum Beispiel auch den Tauchern, die vor Ort täglich ihre Arbeit gemacht haben. Sie haben während des Betriebes alles gegeben, um die Funktionsfähigkeit der Schleusen - mit wenigen Beeinträchtigungen - aufrechtzuerhalten. Respekt auch - das sage ich ganz deutlich - für die Mitarbeiter der Verwaltung an Land, die -einen viel größeren Schaden durch klare Entscheidungen vermieden haben. Ich will an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Inbetriebnahme dieser großen Schleusen - das ist vielen gar nicht bewusst - 1914 erfolgte. 1989, so habe ich nachgelesen, war die erste Grundinstandsetzung der kleinen Schleusen in Brunsbüttel; die Instandsetzung wurde in den folgenden Jahren fortgesetzt. Die entscheidenden Jahre für uns waren die Jahre 2006/2007, als die Voruntersuchung für die Grundinstandsetzung der -großen Schleusen stattfand. 2008 bis 2010 erfolgte die Vorplanung für den Neubau der fünften Schleusenkammer. Schließlich wurden Ende 2011 durch die Beschlüsse des Bundestages die Mittel für den Bau der zweiten Schleusenkammer zugesagt. Auch ich sage in Richtung des Ministers: Allein im Jahre 2008 sind für die Unterhaltung der Schleusenanlage in Brunsbüttel 11,8 Millionen Euro investiert worden, im Jahr 2010 waren es 24,3 Millionen Euro und im Jahre 2011 20,5 Millionen Euro. Ich bitte darum, dass wir hier in der Diskussion damit aufhören, immer mit dem Finger auf andere zu zeigen. Denken Sie an die Zahl der Minister, die bisher dort agiert haben. Wir hier im Hohen Hause sind gefordert, vor allen Dingen die Kollegen im Haushaltsausschuss. Wir -werden bei der Debatte über den kommenden Haushalt darauf achten müssen, dass wir, wenn wir eine Neuverschuldung des Bundes vermeiden wollen, innerhalb des Haushalts zu sparen haben. Es wird Einschnitte geben müssen. Ich möchte, dass man sich in der künftigen Haushaltsdebatte dann auch an die Debatte erinnert, die wir jetzt führen. Wir aus Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wollen dann dafür einstehen, wenn es in anderen Bereichen Kürzungen geben muss, damit Investitionen in die Bundeswasserstraßen getätigt werden können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Ingo Egloff für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Ingo Egloff (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals für Norddeutschland und den gesamten Ostseeraum ist in dieser Debatte schon eine ganze Menge gesagt worden. Als Hamburger Abgeordneter schaue ich mir insbesondere die Metropolregion Hamburg an. Wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass die maritime Wirtschaft in dieser Metropolregion 160 000 Menschen Arbeit gibt. Aber die Funktionsfähigkeit des Hamburger Hafens - darauf hat Herr Minister Meyer dankenswerterweise hingewiesen - hat auch eine Bedeutung für Süddeutschland. Von jedem Euro, den wir im Hamburger Hafen verdienen, gehen 30 Prozent nach Bayern und -Baden-Württemberg. Also, Herr Ramsauer, es hat Auswirkungen insbesondere auf Ihre bayerische Heimat, dass es bei uns im Norden funktioniert; denn wir nehmen eine nationale Aufgabe für die Bundesrepublik Deutschland wahr. (Beifall bei der SPD) Zur Funktionsfähigkeit des Hamburger Hafens gehört auch ein funktionsfähiger Nord-Ostsee-Kanal; denn für die Feederverkehre Richtung Skandinavien ist diese Anbindung absolut notwendig. Wir verdienen im Hamburger Hafen mit den Feederverkehren viermal. Das ist in Bremen und Bremerhaven nicht anders. Wie wichtig das für die regionalen Verteilverkehre ist, hat man in der Krise 2008 gesehen, als der damalige Senat die Gebühren angehoben hat und Hamburg auf einmal Feederverkehre los waren. Sie laufen mittlerweile über Zeebrügge und in Rotterdam, und wir, Hamburg, haben sie nicht zurückbekommen. Insofern ist es so gefährlich - und zwar für die gesamte norddeutsche Region -, wenn diese Wasserstraße nicht funktioniert. (Beifall bei der SPD) Der Punkt ist doch: Wenn schon ein Umweg von 800 Kilometern gefahren werden muss, dann werden die Reeder anfangen, über Änderungen nachzudenken. Sie, Herr Staffeldt, wissen genauso gut wie ich, dass beispielsweise die dänische Reederei Maersk, der Weltmarktführer, zusammen mit Eurogate in Tanger ein großes Terminal gebaut hat und dass es Pläne gibt, von dort aus mit 6 000- bis 8 000-TEU-Schiffen um Skagen herum die Ostsee zu bedienen. Wenn wir es zulassen, dass der Nord-Ostsee-Kanal nicht funktionsfähig ist, dann wird das Ihre Bremer Heimat genauso treffen wie meine Hamburger Heimat. Ich bin als Hamburger Abgeordneter hier Patriot und sage: So geht es nicht, und so, wie diese Regierung es macht, geht es erst recht nicht. (Beifall bei der SPD) Im Übrigen: Über die 160 000 Menschen hinaus, die in der Metropolregion Hamburg in der maritimen Wirtschaft beschäftigt sind, gibt der Hamburger Hafen nach wissenschaftlichen Untersuchungen weiteren 80 000 Menschen in ganz Deutschland Arbeit. Sie sind seit dreieinhalb Jahren im Amt, Herr Minister Ramsauer. In irgendeiner Zeitung habe ich gelesen, der marode Zustand dieses Kanals beschäftige Sie seit Anfang Ihrer Amtszeit. Da frage ich mich: Warum haben Sie seit Anfang Ihrer Amtszeit nicht mehr getan? Jetzt, nach dreieinhalb Jahren, fangen Sie auf einmal an, hier Hektik zu verbreiten und anzukündigen, sich darum zu kümmern, nachdem Sie vor einem Jahr einen Spatenstich getan haben. Es dauerte ein weiteres Jahr, bis Planungsunterlagen vorlagen. Das ist nicht überzeugend. Herr Otto, Sie sind Maritimer Koordinator dieser Bundesregierung. Ich finde es peinlich, dass Sie sich hier hinstellen und sagen, Hamburger Reeder hätten Sie auf die Bedeutung des Nord-Ostsee-Kanals hingewiesen. (Lachen und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich meine, das müssen Sie als Maritimer Koordinator doch wissen. Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, Ihren Kollegen Ramsauer dazu zu bewegen, früher anzufangen, sich mit dieser Sache zu beschäftigen. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Was machen Sie denn? Was veranstalten Sie hier?) - Herr Otto, es reicht nicht aus, mit einem Ruderboot über den Main gefahren zu sein, um eine solche Funktion wahrzunehmen. Man sieht, dass das hier mit Ihnen nicht funktioniert. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Es ist immer noch Fastenzeit! Der Karneval ist vorbei!) Sie haben kurz vor der Schleswig-Holstein-Wahl die Kurve gekriegt. Auch die Kollegen aus der CDU haben mitgemacht, weil ihnen das Hemd näher als die Hose war und man um den Wahlerfolg Angst hatte. Überhaupt nur deswegen ist es gelungen, hier im Haushaltsausschuss etwas zu bewegen. (Johannes Kahrs [SPD]: So ist das!) Sich jetzt hier hinzustellen und zu sagen, Sie kämpften eisern - dies haben Sie den Mitarbeitern der Kanalverwaltung in Brunsbüttel gesagt, Herr Minister Ramsauer -, das ist schlicht und ergreifend lächerlich; das glaubt Ihnen in Norddeutschland niemand. (Beifall bei der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Seit wann gibt es denn in Hamburg auch Karneval?) Anscheinend gilt immer noch der alte Satz von Ministerpräsident Stoiber, ihm sei der Hafen Genua näher als der Hafen Hamburg. Ich sage als Norddeutscher: Nie wieder ein Verkehrsminister einer bayerischen Regionalpartei. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD - Dr. Martin Lindner [Berlin] [FDP]: Helau!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Torsten Staffeldt hat nun für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Torsten Staffeldt (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Egloff hat eben von Verkehrsverlagerungen aus den ZARA-Häfen gesprochen. Er hat insbesondere die Maersk-Reederei als Beispiel zitiert. Er hat von 8 000-TEU-Schiffen gesprochen. Ein 8 000-TEU-Schiff hat in etwa eine Länge von 345 Metern, eine Breite von 43 Metern und einen Tiefgang von 14,50 Metern. Diese Schiffe sind heute gar nicht in der Lage, den NOK, seemänisch genannt: Kiel-Kanal, zu befahren. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das hat er auch nicht behauptet!) Aus diesem Grunde verlagert die Reederei Maersk einen Teil ihrer Schifffahrt rund um Skagen. Das ist der einzige Grund für diese Verlagerung. Sie hat mit unserem NOK definitiv nichts zu tun. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Die Kollegin Wilms hat eben schon gesagt, das Niveau dieser Debatte sei problematisch. Das kann ich mit Blick auf den Kollegen Egloff an dieser Stelle eindeutig und mit Fakten gesichert bestätigen. Kommen wir auf das eigentliche Thema zu sprechen. Wir reden hier sozusagen über die Mutter der Reichswasserstraßen. Wenn man über den Nord-Ostsee-Kanal, Kaiser-Wilhelm-Kanal, oder, seemännisch genannt, Kiel-Kanal spricht, dann muss man sich darüber im Klaren sein: Das ist die älteste künstliche Wasserstraße, die wir in Deutschland in diesem Maßstab haben. Nicht zuletzt deshalb ist sie auch eine der Ursachen dafür, dass wir die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung haben. Auch sie müssen wir reformieren, weil sie genauso alt wie der Kiel-Kanal ist. Auch das war im Laufe des heutigen Tages ein Thema. Wir müssen die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zukunftsfähig machen, genauso wie wir den Kiel-Kanal zukunftsfähig machen müssen. Vonseiten der Opposition wurden heute Vorwürfe insbesondere an die Regierung gerichtet. Dazu sage ich nur: Wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, weisen drei Finger auf einen selbst. - Das sollte sich die Opposition an dieser Stelle einmal merken. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Was wir hier erleben, Frau Hagedorn, ist nichts anderes als vorgezogener Wahlkampf. (Johannes Kahrs [SPD]: Papperlapapp!) Wenn Sie sich die Zahlen angucken, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das habe ich getan!) wenn Sie sich angucken, was im Laufe der letzten Jahre insbesondere unter christlich-liberaler Regierung (Johannes Kahrs [SPD]: Was ist das?) an Mitteln in den Kiel-Kanal hineingesteckt wurde bzw. dafür vorgesehen wurde, (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist ein Unterschied!) dann wissen Sie - ich kann das auch einmal zitieren; das sind immer Zahlen für drei Jahre; wundern Sie sich nicht über die hohen Beträge! -: 2007 waren es 363 Millionen Euro, 2008 395 Millionen Euro, 2009 420 Millionen Euro, 2010 461 Millionen Euro und 2011 484 Millionen Euro. Wir sehen also, dass in jedem Jahr die Haushaltsansätze für den Kiel-Kanal gesteigert worden sind, dass vonseiten der Regierungskoalition die Mittel für den Ausbau zur Verfügung gestellt worden sind. Das sind Fakten, nichts anderes als Fakten. Fakt ist schlicht und ergreifend auch die Tatsache - da muss ich dem Kollegen Kahrs und auch dem Minister Meyer eindeutig widersprechen -, dass Baumaßnahmen nicht mal eben so beschlossen und nicht mal eben so umgesetzt werden können. Es ist nicht damit getan, Millionen in den Haushalt einzustellen; die Planfeststellungsverfahren, (Bettina Hagedorn [SPD]: Seit 2010 ist das Planfeststellungsverfahren fertig!) die Verfahren zu den Abläufen und alles das muss erst einmal realisiert werden. Das ist das, was diese Regierungskoalition seit Jahren macht: Sie arbeitet das auf, was unter sozialdemokratischen Verkehrsministern liegen geblieben ist, (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt doch nicht!) um dafür zu sorgen, dass die Zukunftsfähigkeit des Nord-Ostsee-Kanals wiederhergestellt wird und die Schiffe weiterhin durch den NOK fahren können. Es geht darum, die Ostsee zu erschließen und die Feederverkehre zu ermöglichen. (Bettina Hagedorn [SPD]: Wer hat Ihnen das denn aufgeschrieben? Unglaublich!) Davon profitiert Hamburg, davon profitiert Bremen, insbesondere Bremerhaven, davon profitieren im Übrigen auch jetzt schon die ZARA-Häfen, weil alle diesen Kanal nutzen. Weil ich noch eine gute Minute Redezeit habe, (Gustav Herzog [SPD]: Sie können auch früher aufhören!) möchte ich noch generell auf die Unterfinanzierung der Wasserstraßen hinweisen. Ganz dezidiert am Beispiel des Nord-Ostsee-Kanals haben wir gesehen: Es gab eine Problematik, die dazu geführt hat, dass der Kanal kurzzeitig geschlossen werden musste; glücklicherweise konnte die Reparatur sehr schnell und unkompliziert ausgeführt werden, sodass wir den Kanal wieder betreiben können. Aber wir haben grundsätzlich ein Problem im Verkehrsinfrastrukturbereich und insbesondere im Bereich der Wasserstraßen, nämlich dass uns die Bauwerke, die 100, 120 oder auch nur 50 oder 70 Jahre alt sind - etwa das Schiffshebewerk in Scharnebeck -, langsam, aber sicher Probleme bereiten. Ich nenne auch die Elbvertiefung und die Weservertiefung als Beispiele. Wir merken: Wir kommen mit unserer jetzigen Verkehrsinfrastruktur, insbesondere im Wasserbereich, an die Grenzen der Kapazität, an die Grenzen der Leistungsfähigkeit. Deswegen sollten wir uns zusammen dafür einsetzen - da schließe ich mich auch dem Maritimen Koordinator Hans-Joachim Otto an -, (Uwe Beckmeyer [SPD]: Wer regiert eigentlich im Augenblick?) dass der maritime Bereich, dass die Wasserstraßen eine höhere Wertigkeit bekommen. Wir sollten mehr Mittel zur Verfügung stellen und völlig unabhängig von der parteipolitischen Couleur der jeweiligen Regierungskoalition dafür sorgen, dass die Wasserstraßen so ausgebaut werden, dass dieser Bereich weiterhin zukunftsfähig ist; das schließt die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ein. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Bettina Hagedorn [SPD]: Da können wir mit Ihnen nicht an einem Strang ziehen! Da machen Sie ja Tabula rasa!) Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Dr. Philipp Murmann hat für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kennen Sie eigentlich Otto Baensch? Otto Baensch war preußischer Baubeamter und der leitende Ingenieur beim Bau des Nord-Ostsee-Kanals. 1887 haben sich deutsche Ingenieure in Norddeutschland getroffen, um das grandiose Bauwerk zu starten, von dem wir heute sprechen: dem 100 Kilometer langen Kanal quer durch unsere Heimat Schleswig-Holstein. (Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär: Qualität!) - Und was für eine Qualität! - Acht Jahre haben sie gebraucht, nur acht Jahre. (Bettina Hagedorn [SPD]: Nur!) Auch das ist großartig. Dieses Projekt hat Schleswig-Holstein und natürlich auch die maritime Wirtschaft geprägt. Häfen, Werften, Reeder, Zulieferer, Finanzierer, jede Menge Servicedienstleister haben da ihren Ursprung. Nicht zuletzt haben wir alle zwei Jahre die weltgrößte Messe in diesem Bereich in Hamburg, die SMM, wo alle diese Gewerke zusammenkommen und sich über die Schifffahrt der Zukunft unterhalten. Viele meinen, das sei eine rein norddeutsche Industrie. Aber es ist eine nationale Industrie. Denn etwa 50 Prozent der Wertschöpfung kommen aus Süddeutschland. Also ist es auch richtig, dass wir uns dem mit einem nationalen Aufschlag widmen. Das ist eine Aufgabe für uns alle; ich denke, da sind wir alle uns auch einig. Das ist auch schon angesprochen worden. Es wurde schon den Mitarbeitern der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gedankt; das ist auch absolut zu Recht passiert. Aber man muss auch an die Lotsen und Kanalsteurer denken. Immerhin 300 Lotsen arbeiten rund um die Uhr, volle 24 Stunden und an 365 Tagen im Jahr. Fast 35 000 Schiffe haben sie im letzten Jahr sicher und mit großer Gelassenheit durch den Kanal gebracht. Das sind immerhin etwa 100 pro Tag. Man muss sich einmal vorstellen, was da für ein Betrieb herrscht. Nun aber noch zu einer etwas anderen Sichtweise - ich zitiere aus der Welt -: Auch beim Nord-Ostsee-Kanal ist der Verkehrsminister dringend gefordert. ... Maßnahmen zur Zukunftssicherung der knapp 100 Kilometer langen künstlichen Verbindung zwischen Elbmündung und Ostsee sind unumgänglich. Das ist ein Zitat vom 3. August 1999; damals war Franz Müntefering Verkehrsminister. Man sieht: Die Themen waren schon die gleichen. Und wenn Sie hier sagen, wir hätten gerade erst angefangen, etwas zu tun, (Bettina Hagedorn [SPD]: Nein, "2007" haben wir gesagt!) dann ist das so natürlich nicht richtig. Denn das hat sich alles aufgestaut, Frau Hagedorn. Und die meisten in -Ihrer Partei wollen sich an die Zeiten von Franz Müntefering ja gar nicht mehr erinnern. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das stimmt nicht!) Aber ich weiß natürlich auch, warum Ihnen das unangenehm ist. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist mit nicht unangenehm!) Denn wir haben es schon gehört: Seitdem ist insbesondere beim Nord-Ostsee-Kanal wenig passiert. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Bisher waren Sie ja ganz sachlich! - Bettina Hagedorn [SPD]: 2007!) Sie haben gesagt, Sie wollten einen Weckruf starten. Herr Staffeldt hat schon die alte Weisheit mit dem Finger, der auf etwas zeigt, und den drei Fingern, die zurückzeigen, gebraucht. In diesem Fall müssten sogar fünf Finger zurückzeigen, damit der Spruch aufgeht. Aber ich will auch nicht zu weit gehen. Als Schleswig-Holsteiner bin ich jedenfalls wirklich froh, dass wir jetzt ein Licht am Ende des Kanals sehen, weil sich Peter Ramsauer der Sache angenommen hat. (Uwe Beckmeyer [SPD]:Das hat er gerade ausgemacht, das Licht am Ende des Tunnels!) Es gibt wahrscheinlich keinen Bayern, der häufiger in Schleswig-Holstein war als Peter Ramsauer, um sich um diese Themen dort zu kümmern. Insofern auch dafür noch einmal herzlichen Dank! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Er hat es ja auch ausgemacht, das Licht am Ende des Tunnels!) Herr Kahrs hat etwas vorgeschlagen. - Ist er noch da? (Uwe Beckmeyer [SPD]: Ja!) - Ja? Gut, ich sehe ihn nicht, aber er ist bestimmt an einen Fernseher gegangen. - Herr Kahrs wollte ja nun alles auf einmal machen: den Neubau der fünften Schleusenkammer, die Instandsetzung der Schleusen in Kiel, den Ausbau der Oststrecke, den Neubau der Hochbrücke, die Vertiefung des Kanals. (Bettina Hagedorn [SPD]: Projektmanagement in zehn Jahren!) Aber dann müssten wir den Kanal natürlich sperren, (Bettina Hagedorn [SPD]: Nein!) und zwar so lange, dass sich ganz andere Leute zu Recht beklagen würden. Denn das ist völlig sinnlos, und das will auch keiner. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist absoluter Quatsch! Das hat er gar nicht vorgeschlagen!) Der Titel der Aktuellen Stunde lautet "Auswirkungen der Politik von Bundesverkehrsminister Dr. Ramsauer auf den maritimen Wirtschaftsstandort". Die Auswirkungen sind klar: Endlich bewegt sich was. Der Minister hat es schon gesagt, und ich denke, dafür können wir ihm dankbar sein. Ich möchte noch auf das Thema Finanzierung von Infrastruktur zu sprechen kommen. Wir sind ein Land des Mittelstandes. Und der Mittelstand ist grundsätzlich dezentral aufgestellt. Das heißt, es gibt viele kleine Einheiten an verschiedenen Orten. Infrastruktur ist also einer der wesentlichen Erfolgsfaktoren, der dazu beiträgt, dass der Mittelstand bei uns in Deutschland weiter existieren kann. Deswegen sind Infrastrukturprojekte für uns maßgeblich. Und - das wurde schon angesprochen - wir brauchen eine Finanzierungsmöglichkeit. Als Unternehmer würde ich sagen: Zum Erhalt der Wasserstraßen ist es notwendig, Rückstellungen für Instandhaltungsmaßnahmen zu bilden und Abschreibungen zu tätigen. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dringendst!) Ich denke, über solche Finanzinstrumente müssen wir spätestens in der nächsten Legislaturperiode nachdenken, damit wir wirklich weiterkommen. Aber, das muss man auch immer sagen: Finanzierung von Infrastruktur funktioniert natürlich nur dann, wenn der Haushalt insgesamt in Ordnung ist. Dazu muss man sich einmal die Haushalte der rot-grünen Landesregierungen anschauen; denn auch die Länder müssen natürlich in Infrastruktur investieren. Übrigens steht das Geld für den Bau der A 20 inzwischen zur Verfügung. Sie könnten eigentlich anfangen in Schleswig-Holstein. Man muss also feststellen, dass Finanzierung von Infrastruktur nur geht, wenn es eine entsprechende Finanzpolitik gibt und Bewegung im Haushalt möglich ist. Ich meine, auch hier sind wir in dieser Regierung ein Vorbild. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme zum Schluss. Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Kollege Murmann, Sie müssen auch zum Schluss kommen und einen Punkt setzen, bitte. Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Ich glaube, wir brauchen Pioniergeist. Diesen Pioniergeist müssen wir auch leben. Es gibt inzwischen zum Teil mehr juristische Bedenkenträger als Ingenieure bei diesen Projekten. (Torsten Staffeldt [FDP]: Das ist das eigentliche Problem!) Ich denke, das bringt Deutschland nicht voran. Insofern müssen wir zusammenstehen, damit wir Bauwerke schaffen können, von denen die Menschen auch in 100 Jahren noch sagen - dazu gehört auch die Fehmarnbeltquerung -: Toll, dass die dieses Projekt angegangen sind. Die haben das prima gemacht. Insofern denke ich, dass die Bundesregierung hier auf dem richtigen Weg ist. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Uwe Beckmeyer das Wort. (Beifall bei der SPD) Uwe Beckmeyer (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich mit dem Thema Nord-Ostsee-Kanal beschäftigt, kommt einem vieles in den Kopf. Man erinnert sich vor allen Dingen daran, dass in der -Öffentlichkeit vor mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Jahren seitens der Christdemokraten, aber auch -anderer Parteien und der Regierung gute Nachrichten ausgesendet wurden. Der Tenor war: 2012 können wir anfangen. Ich habe ein paar Beispiele herausgesucht: "CDU-Landesgruppe Schleswig-Holstein besichtigt Brunsbütteler Schleuse"; das war im November 2011. Ebenfalls November 2011: "Ferlemann: Schleuse kommt 2012". Damals versprach Staatssekretär Ferlemann immer wieder: fünfte Schleuse - im nächsten Jahr geht es los. All das steht in Zeitungsartikeln aus dieser Legislaturperiode. Nun kann man sagen, die Vorgängerregierung habe das mit einem Fingerschnipp gemacht. Es habe gar keine Vorbereitungen gegeben. Wer das behauptet, irrt sich allerdings. (Torsten Staffeldt [FDP]: Man sollte nicht alles glauben!) Herr Staffeldt, es hat eine entsprechende Voruntersuchung gegeben, es hat eine Ausführungsplanung und die Vorbereitung der Planfeststellung mit Planfeststellung gegeben. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau!) Unter der Ägide von Wolfgang Tiefensee (Zuruf von der CDU/CSU: Donnerwetter!) wurden die entsprechenden vorbereitenden Maßnahmen mit der Wasserschifffahrtsverwaltung durchgeführt. Damit wurden alle Voraussetzungen geschaffen, damit der Bau dieser fünften Schleuse beginnen kann. Es ist sogar das Geld zur Verfügung gestellt worden. (Beifall bei der SPD) Die Fragestellung, die sich daran anschließt, ist: Was ist in der Zwischenzeit mit dem Planfeststellungs-beschluss und mit dem Geld passiert? Es ist passiert, dass es Peter Ramsauer abhandengekommen ist. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, genau!) Was passierte danach? (Zuruf von der SPD: Nichts!) Es gab wohl eine andere Prioritätensetzung, meine -Herren Staatssekretäre, Herr Minister. Das wäre vielleicht nachvollziehbar. Die Fragestellung ist also: Welche Prioritätensetzung haben Sie mit dem Geld für den NOK vorgenommen? (Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär: Es war ja gar keines da!) - Ach, es war gar keines da? Die Bundesregierung unter Angela Merkel stellt Haushaltsmittel aus dem Konjunkturprogramm zur Verfügung, und Sie sagen: Es war gar keines da. Wie kann das denn angehen? Das glauben Sie doch wohl selber nicht. Ihre Bundeskanzlerin ist doch wohl noch in der Lage, Ihnen Geld zur Verfügung zu stellen, vor allen Dingen, wenn Sie eine planfestgestellte Schleuse haben. Es ist vielmehr so: Sie sind nicht in der Lage, diese Schleuse zu bauen. (Torsten Staffeldt [FDP]: Unglaublich!) Ich will Ihnen sagen, weshalb. Wir haben gerade festgestellt, dass für Ausschreibungen in einem ganz beträchtlichen Umfang Personal hätte zur Verfügung gestellt werden müssen. (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja, richtig!) Aber dieses Personal ist nicht zur Verfügung gestellt worden. Es war klar, dass mindestens 20, 30 Köpfe bei der WSD Nord benötigt würden, damit diese Planungen vorankommen und entsprechend technisch umgesetzt werden können. Was ist passiert? Nichts. Sie haben dieses Personal nicht zur Verfügung gestellt. Stattdessen produzieren Sie bis heute Überschriften nach dem Motto: "Wir müssen diese verstaubte Verwaltung eindampfen, damit überhaupt in irgendeiner Form etwas passiert." Das, was Sie da machen, ist politisch genau das Falsche. (Beifall bei der SPD) Sie zerstören die Wasserschifffahrtsverwaltung in Deutschland. Gleichzeitig beklagen Sie, dass Ihre -Projekte nicht vorankommen. Sie sind diejenigen, die momentan dafür sorgen, dass in Deutschland Infrastruktur - zumindest beim Wasserbau - sträflich vernachlässigt wird. (Bettina Hagedorn [SPD]: So ist es!) Im Hamburger Abendblatt - wahrlich keine Gazette der sozialdemokratischen Partei - (Torsten Staffeldt [FDP]: Sie lesen zu viel Zeitung!) vom 8. März dieses Jahres steht: Ramsauer hat versagt Der Kollaps des Nord-Ostsee-Kanals zeigt erneut, dass der Minister im Amt überfordert ist Das ist schon eine große Leistung: Tatenlos sieht die Bundesregierung dabei zu, wie Deutschlands wichtigste künstliche Wasserstraße, der Nord--Ostsee-Kanal, kaputt gefahren wird ... Es schaudert einen bei dem Gedanken, wie die politische Geisterfahrt im Bundesverkehrsministerium bis zur Bundestagswahl im September wohl enden wird und was das Deutschland am Ende kostet. Ich will Ihnen ein weiteres Zitat aus diesem Artikel nicht vorenthalten: Doch der Minister aus Bayern, ein Freund des forschen Wortes, lässt das Gespür für die Belange der Schifffahrt und Hafenwirtschaft in Norddeutschland sträflich vermissen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, was wir hier erleben, muss uns leider betrübt machen. Denn wir erfahren über Diskussionsbeiträge, politische Äußerungen und Antworten auf Fragen, die wir, die Sozialdemokraten, und auch die Grünen der Bundesregierung gestellt haben, dass es bei Ihnen die ganze Zeit ein Hin und Her bei der Haltung gibt: Wie gehen wir eigentlich bei der fünften Schleusenkammer vor? (Bettina Hagedorn [SPD]: Ja!) Der Bau der fünften Schleusenkammer ist nach all dem, was wir wissen und Sie bis zum heutigen Tage bestätigen, notwendig, damit danach die Sanierung der anderen, alten Schleusen stattfinden kann. Dass erst gebaut und dann saniert werden sollte, wurde übrigens von -Ihnen selbst - das ist das Merkwürdige - bereits 2011, in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion, infrage gestellt. In einer Antwort heißt es: In diesem Zusammenhang werden jetzt die vorhandenen Vorplanungen der Grundinstandsetzung der Brunsbütteler Schleusen aktualisiert und mögliche Varianten sowohl mit als auch ohne vorlaufenden Bau einer fünften Schleusenkammer geprüft. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Beckmeyer, Sie müssten jetzt bitte zum Schluss kommen. Uwe Beckmeyer (SPD): Ich komme zum Schluss. - Sie selbst haben zu Beginn der Legislaturperiode, im ersten Jahr Ihrer Regierungszeit, den gesamten Vorlauf noch einmal auf den Kopf gestellt, noch einmal überprüfen lassen, noch einmal Zeit verschwendet, um am Ende doch zu keinem Beschluss zu kommen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dramatischer, als Sie es in dieser Legislaturperiode getan haben, kann man einen solchen Schleusenneubau nicht vergeigen. Herr Minister, dafür gehören Sie abgelöst. (Franz Thönnes [SPD]: Ausgeschleust!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Hans-Werner Kammer hat nun für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Nach dem letzten Beitrag von Herrn Beckmeyer hatte ich die Sorge, dass der Nord-Ostsee-Kanal über seine Ufer tritt, so sehr hat er sich hier erregt. (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP - Beifall des Abg. Torsten Staffeldt [FDP] - -Zurufe von der SPD) Ich habe diese Aktuelle Stunde so erlebt, dass ich glaube feststellen zu können, dass Herr Kahrs, Herr Egloff, Frau Hagedorn und ich uns in der Sache und im Hinblick auf die große Bedeutung des Nord-Ostsee--Kanals im Grunde einig sind. Aber, Frau Hagedorn, Sie haben gesagt: Als Minister Ramsauer ins Amt kam, lag der Ball auf dem Elfmeterpunkt. (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau! Er hätte ihn nur noch reinmachen müssen! - Uwe Beckmeyer [SPD]: Aber er ist Hoeneß! Er schießt daneben!) Wenn der Ball auf dem Elfmeterpunkt liegt, hat vorher jemand Foul gespielt. Sie haben heute hier in dieser Diskussion Foul gespielt; das muss man Ihnen sehr deutlich sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz Thönnes [SPD]: Reden wir jetzt über Fußball oder über Wasserball?) Diese Aktuelle Stunde hätte an sich die Überschrift verdient: Behebung von Schäden aufgrund von SPD-Versäumnissen. - Das wäre die richtige Überschrift für diese Aktuelle Stunde gewesen. Zehn Jahre ununterbrochene sozialdemokratische Verkehrspolitik (Uwe Beckmeyer [SPD]: Sie können auch nicht zuhören!) hat nämlich zweifelhafte Erfolge zu verbuchen. Heute haben wir eine Tragödie besonderer Art zu behandeln, nämlich die Situation des Nord-Ostsee-Kanals, der die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt ist und eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für Norddeutschland, für Deutschland und für Europa hat. Vernünftig denkende Menschen hätten alles getan, um eine solche Lebensader zu hegen und zu pflegen. Sozialdemokratische Verkehrsminister - sie sind hier aufgezählt worden - haben mit der Wasserstraße das gemacht, was auch sozialdemokratische Bildungspolitiker am besten können: Sie haben alles versprochen und nichts gemacht; auch das muss man erwähnen. (Herbert Behrens [DIE LINKE]: Und Sie -haben es fortgesetzt!) Sie haben nämlich dort, wo es notwendig und dringend erforderlich gewesen wäre, kein Geld ausgegeben. Das hat dazu geführt, dass die gut 100 Jahre alte Anlage in einem denkbar schlechten Zustand ist. Unser Verkehrsminister Peter Ramsauer (Uwe Beckmeyer [SPD]: Was hat der gemacht?) war bei seinem Amtsantritt vom Zustand der Schleuse Brunsbüttel schockiert. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Und hat seitdem auch nichts getan! - Bettina Hagedorn [SPD]: Und deswegen hat er seitdem nichts gemacht, oder was? - Christian Lange [Backnang] [SPD]: Dann ist er in Schockstarre verfallen!) Gerade Sie von der SPD müssen sich doch vorstellen können, wie schlimm es um etwas stehen muss, wenn ein gestandener Minister wie Herr Ramsauer schockiert ist; dazu gehört schon eine Menge. (Zuruf von der SPD: Drei Jahre lang!) Daran sieht man, was Sie ihm überlassen haben. Einer wie Minister Ramsauer redet nicht lange drumherum; er handelt. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Mit diesem Beitrag kommen Sie in die heute-show! - Weitere Zurufe von der SPD) Deshalb hat er unverzüglich Maßnahmen zur Reparatur und Instandsetzung des Kanals in Angriff genommen. Ihm war sofort klar: Mehr Misswirtschaft hält dieser Kanal nicht aus, Herr Beckmeyer. Peter Ramsauer hat die Weichen für die Finanzierung und den Bau der fünften Schleuse gestellt. (Bettina Hagedorn [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben? Der Haushaltsausschuss hat das beschlossen! Herr Ramsauer wollte das überhaupt nicht! ) 300 Millionen Euro aus dem Infrastrukturbeschleunigungsprogramm I fließen in den Bau der fünften Schleuse. Das sind 30 Prozent der Extramilliarde für den Verkehr. Minister Ramsauer hat nicht gezaudert; an diesem Punkt hat er geklotzt. (Bettina Hagedorn [SPD]: Das war das Parlament! Im Regierungsentwurf stand kein Cent!) - Ja, Sie bedauern, dass Sie nur fünf Minuten Redezeit hatten. Dann hätten Sie noch mehr über Ihre Versäumnisse erzählen können. (Bettina Hagedorn [SPD]: Setzen Sie sich einmal mit dem Haushaltsrecht auseinander!) Minister Tiefensee hätte all das schon tun müssen. Er hat es nicht getan. 2008 hat er beispielsweise nur 100 000 Euro für Maßnahmen aller Art am Nord-Ostsee-Kanal zur Verfügung gestellt. Das ist eine Summe, die uns erschaudern lässt, aber nicht aus Ehrfurcht, sondern aus Entsetzen; das muss man dazusagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was hat Ihr Minister ganz konkret für den Neubau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel getan? Nicht viel! Bis 2007 ist nicht ein einziger Euro für den Neubau der Schleusenkammer ausgegeben worden, obwohl ihm bekannt war, dass dieser Neubau dringend erforderlich war. 2008 und 2009 hat er einstellige Millionenbeträge für die Planung zur Verfügung gestellt. (Bettina Hagedorn [SPD]: Konjunkturpakete!) Man weiß aber - das ist den Sozialdemokraten manchmal nicht ganz klar -, dass ein Krug so lange zum Brunnen geht, bis er bricht. Das ist in diesem Jahr geschehen. (Uwe Beckmeyer [SPD]: Das ist alles schon sehr kläglich!) Die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord sah sich am Anfang dieses Monats gezwungen, die großen Schleusen in Brunsbüttel knapp zwei Wochen zu schließen. Das war schmerzlich, aber richtig. Ansonsten hätte ein Ausfall von mehreren Monaten gedroht. Dann wäre es für die Wirtschaft noch dicker gekommen. Dass das in so kurzer Zeit behoben wurde, verdanken wir dem Engagement der Mitarbeiter der WSD Nord, die dies verhindert haben. Herzlichen Dank dafür! (Uwe Beckmeyer [SPD]: Jetzt verzichten Sie auf den Neubau, oder was?) Noch ein Punkt zu Ihren Ausführungen, Frau Hagedorn: Die WSV war nicht demoralisiert und demotiviert. Die WSV-Mitarbeiter sind hochmotiviert. Das schätzen wir. (Bettina Hagedorn [SPD]: Demoralisiert von Ihnen mit Ihrer stümperhaften Reform!) - Danke. Stümperhaft sieht die Verkehrspolitik von Rot-Grün in Niedersachsen und Schleswig-Holstein aus. (Bettina Hagedorn [SPD]: Sie sind stümperhaft! Nicht die Mitarbeiter!) Der niedersächsische SPD-Wirtschaftsminister sagt: Die Küstenautobahn wird nur gebaut, wenn die Grünen zustimmen. Da wackelt der Schwanz mit dem Hund. Das ist Ihre Politik. (Lachen bei Abgeordneten der SPD, der -LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Kammer, auch Sie müssen bitte zum Schluss kommen. Sie müssen das an anderer Stelle fortsetzen. Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Frau Präsidentin, das ist so spannend. Vizepräsidentin Petra Pau: Ja, ich bin fasziniert. Hans-Werner Kammer (CDU/CSU): Erlauben Sie mir einen Schlusssatz. - Unser Verkehrsminister dagegen hat die Initiative ergriffen und -reagiert. Peter Ramsauer hat sich vor Ort die Schäden angesehen. Peter Ramsauer hat elf Mitarbeiter eingestellt. Das ist verlässliche Infrastrukturpolitik. (Widerspruch der Abg. Bettina Hagedorn [SPD]) Das ist Unionspolitik. Für die Menschen. Für die Wirtschaft. Für die Zukunft in Deutschland. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz Thönnes [SPD]: Für alle Dackel am Elfmeterpunkt!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 21. März 2013, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 17.13 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bleser, Peter CDU/CSU 20.03.2013 Dr. Böhmer, Maria CDU/CSU 20.03.2013 Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 20.03.2013 Canel, Sylvia FDP 20.03.2013 Gerster, Martin SPD 20.03.2013 Goldmann, Hans-Michael FDP 20.03.2013 Dr. Happach-Kasan, Christel FDP 20.03.2013 Höger, Inge DIE LINKE 20.03.2013 Hunko, Andrej DIE LINKE 20.03.2013* Dr. Jochimsen, Lukrezia DIE LINKE 20.03.2013 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.03.2013 Krumwiede, Agnes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.03.2013 Kühn, Stephan BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.03.2013 Mayer (Altötting), Stephan CDU/CSU 20.03.2013 Meinhardt, Patrick FDP 20.03.2013 Menzner, Dorothée DIE LINKE 20.03.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 20.03.2013 Neškovic, Wolfgang fraktionslos 20.03.2013 Paus, Lisa BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.03.2013 Dr. Pfeiffer, Joachim CDU/CSU 20.03.2013 Rebmann, Stefan SPD 20.03.2013 Remmers, Ingrid DIE LINKE 20.03.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 20.03.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 20.03.2013 Schreiner, Ottmar SPD 20.03.2013 Dr. Schwanholz, Martin SPD 20.03.2013 Simmling, Werner FDP 20.03.2013 Strothmann, Lena CDU/CSU 20.03.2013 Wagenknecht, Sahra DIE LINKE 20.03.2013 Wagner (Schleswig), Arfst BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.03.2013 Wellenreuther, Ingo CDU/CSU 20.03.2013 Winkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20.03.2013** * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 1): Welche Konsequenzen ergeben sich für die Finanzierung und die Umsetzung einzelner Projekte des Waldklimafonds aus dem Milliardenloch beim Energie- und Klimafonds, EKF, und welchen Reformbedarf sieht die Bundesregierung vor diesem Hintergrund beim Emissionshandel, um einerseits für mehr Klimaschutz sorgen zu können und andererseits die -Finanzierung des EKF verlässlich abzusichern? Eine öffentliche Bekanntmachung der Förderrichtlinie zum Waldklimafonds ist noch nicht erfolgt. Förderanträge liegen daher keine vor. Die Förderung von -Projekten durch den Waldklimafonds ist auch von der künftigen Ausstattung des Energie- und Klimafonds, EKF, abhängig. Der EKF wird durch Erlöse aus dem Handel mit Emissionszertifikaten gespeist. Mit dem Emissionshandel haben wir uns in Europa bewusst für ein flexibles, marktbasiertes System entschieden, das es erlaubt, die Klimaziele treffsicher und kosteneffizient zu erreichen. Der derzeit niedrige CO2-Preis ist einerseits auf den Nachfragerückgang nach Zertifikaten infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise zurückzuführen. Darüber hinaus führte insbesondere die umfangreiche Nutzung von Projektgutschriften aus CDM/JI-Projekten zu einer weiteren Erhöhung des Zertifikatangebotes am Markt. Die Bundesregierung hat bisher keine gemeinsame Position zum Reformbedarf des europäischen Emissionshandels entwickelt. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 9): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die bisherige Tätigkeit von AFISMA in Mali und die Kommandokette, nach der AFISMA Unterstützung durch französische Streitkräfte anfordert und einsetzt? Die African-led International Support Mission to Mali, AFISMA, ist ein durch die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft, ECOWAS, organisierter Militäreinsatz zur Unterstützung Malis gegen islamistische Rebellen in Nordmali für zunächst ein Jahr auf Grundlage der Sicherheitsratsresolution 2085 (2012) der Vereinten Nationen vom 20. Dezember 2012. Ursprüngliche Absicht war es, den Einsatz von AFISMA im September 2013 zu beginnen. Aufgrund des unerwarteten Vorstoßes islamistischer Rebellen erfolgte jedoch ein Eingreifen seitens Frankreichs im Januar 2013. Daraufhin beschloss ECOWAS am 17. Januar 2013 die sofortige Entsendung von Streitkräften. Die AFISMA-Kräfte in Mali sind zurzeit an sechs verschiedenen Orten eingesetzt. Das Hauptquartier befindet sich in Bamako. Eine Koordination zwischen AFISMA und den französischen Streitkräften findet auf der Ebene der Missionshauptquartiere statt. Die Unterstützungsanforderungen seitens AFISMA an die französischen Streitkräfte erfolgen über die in den jeweiligen Stäben implementierten Verbindungselemente, über die ein ständiger gegenseitiger Austausch erfolgt. Ein Unterstützungsbedarf von AFISMA wird über diese Verbindungselemente angemeldet, durch das französische Missionshauptquartier bewertet und entschieden. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Christel Humme (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 10): Plant die Bundesregierung, das Projekt "Schulverweigerung - Die 2. Chance" fortzuführen und, wenn ja, in welcher Höhe? Das Programm "Schulverweigerung - Die 2. Chance" ist ein Teilprogramm der Initiative "Jugend stärken" und wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds, ESF, bis Ende 2013 gefördert. Die Laufzeit ist gekoppelt an die aktuelle Förderperiode des ESF, 2007 bis 2013. An die Konzeption der ESF-Programme ab 2014 sind neue Bedingungen geknüpft, sodass eine reine Weiterförderung bestehender ESF-Programme in der bisherigen Form grundsätzlich nicht möglich ist. Für die ESF- Periode 2014 bis 2020 ist jedoch bereits ein neues -Modellprogramm in Planung, das die erfolgreichen -Instrumente der bisherigen Programme der Initiative -J"Jugend stärken" weiterentwickelt und in einen neuen kommunalen Kontext einbettet. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Hermann Kues auf die Frage der Abgeordneten Christel Humme (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 11): Durch welche Mittel soll das Projekt finanziert werden? Für die ESF-Periode 2014 bis 2020 ist ein neues -Modellprogramm in Planung. Da der mittelfristige -Finanzrahmen auf EU-Ebene noch nicht festgelegt wurde, wird die Entscheidung über die Finanzmittel, die dem BMFSFJ für ESF-Programme konkret zur Verfügung stehen werden, erst am Ende des Jahres fallen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird sich auch zukünftig für sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte junge Menschen am Übergang Schule/Beruf auf der Grundlage des Sozialgesetzbuches VIII - § 13, Förderung der Jugendsozialarbeit - einsetzen und die Kommunen bei der Initiierung individueller Angebote für diese Zielgruppe unterstützen. Die bisherigen Standorte können sich unter kommunaler Federführung ab 2014 neu bewerben, sofern sie die Ausschreibungskriterien erfüllen. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Bas (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 12): Wie hoch ist die in § 221 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, SGB V, festgeschriebene Beteiligung des Bundes zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für versicherungsfremde Leistungen ab dem Jahr 2014, und aus welchem Grund wird diese Beteiligung erbracht? Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts vom 13. März 2013 über die Eckwerte für den Regierungsentwurf der Bundeshaushalte 2014 sowie für die Finanzplanung bis zum Jahr 2017 wird der Bundeszuschuss zur pauschalen Abgeltung der Aufwendungen der Krankenkassen für gesamtgesellschaftliche Aufgaben im Jahr 2014 10,5 Milliarden Euro betragen. Ab dem Jahr 2015 wird der pauschale Bundeszuschuss wieder bei 14 Milliarden Euro liegen. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ulrike Flach auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Bas (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 13): In welchem Umfang werden versicherungsfremde Leistungen durch die gesetzliche Krankenversicherung erbracht? Der Gesetzgeber hat von einer näheren Definition des Begriffs "versicherungsfremde Leistungen" bewusst -abgesehen. In der öffentlichen Diskussion werden im Wesentlichen die familienbezogenen Leistungen dazu gezählt. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 14): Hält die Bundesregierung die Bearbeitungszeiten für die Zulassung von Fahrzeugen durch das Eisenbahn-Bundesamt für angemessen, und welche Möglichkeiten sieht sie, diese Bearbeitungszeiten zu verkürzen, beispielsweise durch personelle Verstärkung oder organisatorische Maßnahmen? Das Eisenbahn-Bundesamt als nationale Sicherheitsbehörde entscheidet gemäß Maßgabe der Transeuropäischen-Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung, TEIV, über einen Antrag auf Erteilung einer Inbetriebnahmegenehmigung unverzüglich, spätestens jedoch vier Monate nach Vorlage der für die Entscheidung erforderlichen Unterlagen. In der Regel werden die Bearbeitungszeiten von maximal vier Monaten jedoch deutlich unterschritten, wenn die entsprechenden Nachweise durch die Antragsteller vollständig und eindeutig vorgelegt werden. Verzögerungen ergeben sich dann, wenn über die Eindeutigkeit und Vollständigkeit der erforderlichen Nachweise unterschiedliche Auffassungen bestehen. Durch die Verlagerung von Prüftätigkeiten auf unabhängige Bewertungsstellen, die bestimmte Anforderungen erfüllen müssen, würden nach Auffassung der Bundesregierung die Genehmigungsverfahren für Fahrzeuge und Infrastruktur beschleunigt werden können. Eine -unter der Federführung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung einberufene Arbeitsgruppe mit Beteiligung des Sektors und des Eisenbahn-Bundesamtes erarbeitet zurzeit die notwendigen Schritte hinsichtlich der hierfür erforderlichen organisatorischen Maßnahmen sowie der Anpassung des Rechtsrahmens. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 15): Wie bewertet die Bundesregierung nach den bisherigen Erfahrungen den Sinn des besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrages für Projekte des Fernstraßenausbaugesetzes, und aus welchem Grund wurde dieses sogenannte Öko-sternchen nicht im Entwurf zur Grundkonzeption des künftigen Bundesverkehrswegeplanes berücksichtigt? Die Kennzeichnungen von Projekten im Bundesverkehrswegeplan und im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen mit dem sogenannten Ökostern sind Hinweis für den besonderen naturschutzfachlichen Planungsauftrag. Damit wurden materiell und verfahrensmäßig keine neuen Anforderungen an die Planung gestellt. Alle naturschutzfachlichen Probleme müssen im Rahmen der Zulassungsverfahren bis zum Vorliegen des Baurechts rechtlich umfassend abgearbeitet sein. Insoweit hatte die Kennzeichnung der Projekte mit dem Ökostern keine unmittelbaren Folgen für die weiteren Planungen. Bei der Aufstellung des für 2015 geplanten Bundesverkehrswegeplans werden wesentlich weitergehende Anforderungen an die Anmeldung und Wertung der Projekte gestellt. Bereits mit der Anmeldung der Projekte sind alle erkennbaren naturschutzfachlichen Konflikte der erwogenen Trassierung der Bundesfernstraße umfassend zu berücksichtigen und entsprechend in die Kostenermittlungen einzubeziehen. Die Anmeldung wird durch externe Gutachter überprüft, und gegebenenfalls wird eine Änderung der Anmeldung gefordert. Diese Vorgehensweise wird zu einer wesentlich wirklichkeitsnäheren Kostenermittlung und damit auch zu einem realistischeren Nutzen-Kosten-Verhältnis führen. Für jedes bewertete Projekt wird ein Dossier erstellt, in dem unter anderem die Ergebnisse der Strategischen Umweltprüfung auf der Einzelprojektebene dargestellt werden. Diese Dossiers werden im Internet veröffentlicht. Darüber hinaus kann eine Übersicht der Projekte mit einer besonders hohen Umweltbetroffenheit erstellt werden. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 16): Was hat die Bundesregierung bisher zur Umsetzung der Forderungen 3 bis 5 aus dem Entschließungsantrag zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung personenbeförderungsrechtlicher Vorschriften (Bundestagsdrucksache 17/10859 vom 26. September 2012) getan, und welche Ergebnisse wurden dabei erzielt? Die Bundesregierung prüft zurzeit, einen Vorschlag zur Änderung der "UN ECE-Regelung Nr. 107 über einheitliche Bedingungen für die Genehmigung von Fahrzeugen der Klassen M2 und M3 hinsichtlich ihrer allgemeinen Baumerkmale" bei der UN-Wirtschaftskommission für Europa einzureichen, nach dem für im Fernbuslinienverkehr eingesetzte Reisebusse die Vorschriften des Anhangs 8, Vorschriften für technische Einrichtungen für Fahrgäste mit eingeschränkter Mobilität, zwingend vorgeschrieben werden sollen. Eine Änderung der entsprechenden EG-Regelung, Richtlinie 2001/85/EG, ist nicht mehr möglich, da sie durch die vorgenannte ECE-Re-gelung ersetzt wird. Daneben wird geprüft, ob alternativ oder ergänzend eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2009 geboten ist. Die Bundesregierung wird, wie im Entschließungsantrag erbeten, bis zum 26. September 2014 einen Bericht vorlegen. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Andreas Scheuer auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 17): Inwieweit erhöht sich das Gesamtgewicht von Reisebussen infolge der Ausrüstung mit barrierefreien Einstiegen, und welche diesbezüglichen Überlegungen gibt es in der Bundesregierung zur Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichtes von Bussen in Deutschland? Die Ausrüstung mit Hubvorrichtungen (Liften) zum barrierefreien Zugang von Rollstuhlnutzern führt zu einer Erhöhung der Leermasse der Kraftomnibusse, die circa 200 Kilogramm je nach Konstruktion, Anordnung usw. pro Bus betragen kann. Eine nationale Erhöhung der zulässigen Gesamtmasse von Reisebussen ist zurzeit nicht vorgesehen; im Übrigen können für diese Verkehre statt zweiachsiger Busse auch dreiachsige Reisebusse eingesetzt werden. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Veronika Bellmann (CDU/CSU) (Drucksache 17/12763, Frage 19): Welche Auswirkungen hat die Verordnung zur Änderung der Vorschriften über elektromagnetische Felder und das telekommunikationsrechtliche Nachweisverfahren auf bereits genehmigte Anlagen für den auf TETRA-Standard basierenden BOS-Digitalfunk insbesondere für die Landkreise im Freistaat Sachsen? Die derzeitige Verordnung über elektromagnetische Felder, 26. BImSchV, gilt lediglich für Errichtung und Betrieb von Anlagen, die gewerblichen Zwecken dienen oder im Rahmen wirtschaftlicher Unternehmungen Verwendung finden. Es ist beabsichtigt, mit der Novelle der 26. BImSchV, der der Deutsche Bundestag in seiner 228. Sitzung zugestimmt hat, diese Beschränkung des Anwendungsbereichs zu streichen. Die Anforderungen der 26. BImSchV gelten damit künftig auch für die Basisstationen des Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben im gesamten Bundesgebiet. Auf bereits in Betrieb befindliche Basisstationen wird sich diese Änderung faktisch nicht auswirken. Denn die im August 2002 in Kraft getretene Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder, BEMFV, erfasst bereits auch alle nicht gewerblich errichteten und ortsfest betriebenen Funkanlagen, also auch die Basisstationen des Digitalfunks der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben. Danach bedürfen auch diese ortsfesten Anlagen einer Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur, welche insbesondere im Freistaat Sachsen für jeden Standort vorliegt. In der Standortbescheinigung legt die Bundesnetzagentur unter Berücksichtigung der nach der 26. BImSchV geltenden Grenzwerte fest, welche Sicherheitsabstände zu Bereichen einzuhalten sind, in denen sich Menschen dauerhaft aufhalten können. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 22): Wird im Zuge der geplanten Bündelung von Qualifizierungsprogrammen im Bundesministerium für Arbeit und -Soziales und des Auslaufens des bisher über das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Programms AQUA, Akademikerinnen und Akademiker qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt, zum 30. September 2013 (vergleiche Antwort auf meine mündlichen Fragen 20 und 21, Plenarprotokoll 17/227, Anlage 11), sichergestellt, dass die sogenannten Studienergänzungen als wesentliches Element von AQUA, die derzeit als Weiterbildung an 25 Hochschulen erfolgreich durchgeführt werden, erhalten bleiben, und aus welchen Mitteln wird die Finanzierung gesichert? Ausgewählte Elemente des Förderschwerpunkts von AQUA, Akademikerinnen und Akademiker qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt, sollen in ein vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, BMAS, geplantes und federführend verantwortetes Qualifizierungsprogramm für Migrantinnen und Migranten im Kontext des Anerkennungsgesetzes übernommen werden, welches durch den Europäischen Sozialfonds, ESF, kofinanziert wird. Die detaillierte Ausgestaltung des Programms wird im BMAS derzeit erarbeitet. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Arfst Wagner (Schleswig) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 23): Wie bewertet die Bundesregierung, dass das Programm AQUA künftig einem Programm zum Thema Weiterbildung für Migrantinnen und Migranten zugeordnet werden soll (vergleiche Antwort auf meine mündlichen Fragen 20 und 21, Plenarprotokoll 17/227, Anlage 11), obwohl sich im Besonderen die interkulturelle Zusammensetzung und bedarfs-orientierte Förderung in gemeinsam von inländischen und ausländischen Fachkräften besuchten Weiterbildungen als sinnvoll und erfolgreich erwiesen haben, wie an der hohen Vermittlungsquote von rund 50 bis 60 Prozent sechs Monate nach Beendigung der Studienergänzungen abzulesen ist (siehe zum Beispiel Broschüre der Otto-Benecke-Stiftung e. V. "Perspektive Arbeitsmarkt!" vom Dezember 2009)? Die Programmentwicklung der Bundesregierung dient dem Ziel, für alle betroffenen Personengruppen und Problemlagen geeignete Instrumente und Angebote zur Verfügung zu stellen. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Frage des Abgeordneten Tom Königs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 24): Inwieweit unterstützt die Bundesregierung die Forderung unter anderem von UNICEF, UN Women und der VN-Sonderberichterstatterin zum Menschenrecht auf sauberes Trinkwasser und Sanitärversorgung, explizit das Ziel der Nicht-diskriminierung und Gleichheit in die Post-2015-Entwicklungsagenda zu integrieren? Nichtdiskriminierung und Gleichheit sind wichtige Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben, für die wir uns im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit ausdrücklich einsetzen. Die Bundesregierung wird sich daher auch im Rahmen der Post-2015-Entwicklungsagenda für eine angemessene Berücksichtigung dieses Themas aussprechen. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Gudrun Kopp auf die Fragen des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Fragen 27 und 28): Ist die Feststellung im "Sachstand Sonderinitiative Versöhnung" des BMZ vom 5. März 2013 (der Parlamentariergruppe der SADC-Staaten des Deutschen Bundestages zugeleitet), dass "verschiedene Vertreter der Herero, insbesondere Chief Kuaima Riruako, einen Anspruch auf Entschädigungszahlungen" aufrechterhalten, so zu verstehen, dass die -Bundesregierung die besagte Sonderinitiative der bilateralen finanziellen Entwicklungszusammenarbeit als eine Art Ersatz für wie auch immer geartete Entschädigungszahlungen für durch die deutsche koloniale "Schutztruppe" im Rahmen ihres "Vernichtungsfeldzugs" gegen Herero und Nama verübte Verbrechen verstanden wissen will, und welche Anstrengungen wurden seitens der Bundesregierung unternommen, alle relevanten Stakeholder, insbesondere die Chiefs und die etablierten Opferverbände der Herero und Nama - OGF, OCD-1904, Nama Technical Committee - in Planung, Management und Durchführung der Maßnahmen der Sonderinitiative ab dem frühestmöglichen Stadium mit einzubeziehen, um das größtmögliche Maß an Ownership zu gewährleisten? Wie erklärt sich die Bundesregierung die große Diskrepanz zwischen der eigenen Aussage, über einen "community driven approach" die Beteiligung der von der Sonderinitiative der bilateralen finanziellen Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia betroffenen Gemeinden sichergestellt zu haben (siehe Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zu Frage 16 a auf Bundestagsdruck-sache 17/10481 und "Sachstand Sonderinitiative Versöhnung" vom 5. März 2013), gegenüber dem über das gesamte letzte Jahr und auch schon davor wiederholt öffentlich geäußerten Protest von nicht unwesentlichen organisierten Teilen dieser betroffenen Gemeinschaften, sie seien zu keinem Zeitpunkt effektiv an Entscheidungen der Sonderinitiative beteiligt -worden - weder auf der niedrigsten Partizipationsebene einer Befragung noch auf der für eine größtmögliche Wirksamkeit eigentlich notwendigen Ebene des Managements oder der Durchführung in Form von Beratern, lokalen Mitarbeitern, örtlich vorhandenen Ingenieuren und örtlich vorhandenem oder schulbarem technischem und administrativem Sachverstand innerhalb der betroffenen Gemeinden -, und welche Schritte wurden unternommen, um diese Proteste ernst zu nehmen und sie in etwaige Korrekturen der Sonderinitiative einfließen zu lassen? Zu Frage 27: Die Bundesregierung bekennt sich zu ihrer besonderen historischen Verantwortung für Namibia, wie in den Bundestagsentschließungen von 1989 und 2004 zum Ausdruck gebracht. Die verstärkte Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia, auch im Rahmen der Sonder-initiative, ist Ausdruck dieser historischen Verantwortung. Die Bundesregierung sieht jedoch keine rechtliche Grundlage für Entschädigungsforderungen. Die Sonderinitiative setzt deshalb ausdrücklich auf einen in die -Zukunft gerichteten Entwicklungsprozess. Bei der Sonderinitiative handelt es sich um ein ländliches Entwicklungsprogramm mit einem partizipativen, zielgruppenorientierten Ansatz. Die Planung und Umsetzung der Maßnahmen erfolgt zwischen der namibischen Nationalen Planungskommission, die das Projekt implementiert, und den jeweils geförderten Gemeinden. Die genannten Interessenverbände sind keine Vertreter der geförderten Gemeinden. Die Maßnahmen der Sonderinitiative sollen zudem allen Menschen zugute kommen, die in einer geförderten Gemeinde leben, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Zu Frage 28: Die Bundesregierung stellt die Einbeziehung der -betroffenen Gemeinden und Gemeinschaften bei der -Planung und Durchführung von Maßnahmen der Sonderinitiative durch einen in besonderem Maße partizipativen, zielgruppenorientierten Ansatz sicher, community-driven approach. Besondere Bedeutung für diesen Ansatz hatten die Konsultationen, welche die namibische Regierung 2006 unter der Leitung der damaligen stellvertretenden Premierministerin mit den betroffenen Gemeinden zur Eruierung ihrer Erwartungen an die -Initiative durchführte. Die einzelnen Maßnahmen der Sonderinitiative werden in enger Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinden durch die federführende -namibische Nationale Planungskommission geplant und umgesetzt. Dabei nutzt die Nationale Planungskommission in hohem Maße lokale Berater, lokale Ingenieure, lokale Unternehmen und die in den Gemeinden bestehende Umsetzungskapazität. Aus Sicht der Bundesregierung ist die Einbeziehung der betroffenen Gemeinschaften gewährleistet. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 30): Anhand welcher konkreten Evaluierungs- und Entscheidungsmethoden und -kriterien wird bzw. will die Bundes-regierung im Falle eines konkret anstehenden Verkaufs der deutschen Anteile am Urananreicherungsunternehmen Urenco prüfen und entscheiden, ob auch weiterhin nukleare Nichtverbreitung, Sicherung der Technologie und wirtschaftliche Solidität bei Urenco sichergestellt sind oder nicht, und von welchen Bundesbehörden neben dem federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie sowie dem Auswärtigen Amt hängt dabei die Entscheidung über die zentrale Frage der nuklearen Nichtverbreitung und Sicherung der Technologie noch ab (bitte vollständige Angabe differenziert nach zustimmungspflichtig und beratend)? Die Bundesregierung wird möglichen Änderungen an der Anteilsstruktur von URENCO nur dann zustimmen, wenn vorher durch einen entsprechenden Rechtsrahmen für die künftige Struktur von URENCO klargestellt ist, dass auch weiterhin nukleare Nichtverbreitung, Sicherung der Technologie und wirtschaftliche Solidität bei URENCO sichergestellt sind. Entscheidender Maßstab ist dabei für die Bundesregierung der 1970 von der -Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland unterzeichnete völkerrechtliche Vertrag von Almelo, "Übereinkommen vom 4. März 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland, dem Königreich der Niederlande und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung und Nutzung des Gaszentrifugenverfahrens zur Herstellung angereicherten Urans". Auf der Grundlage dieses Vertrags arbeitet die Bundesregierung seit mehr als vierzig Jahren erfolgreich mit den beiden anderen Regierungen zusammen und übt gemeinsam die Aufsicht über das trinationale britisch-niederländisch-deutsche Urananreicherungsunternehmen URENCO aus. Für URENCO ist in der Bundesregierung das -Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie federführend zuständig. Insbesondere mit Blick auf die nuklearen nichtverbreitungspolitischen Aspekte ist das Auswärtige Amt beteiligt. Weitere Bundesressorts können - je nach konkretem Thema - fachlich betroffen sein. Dabei kommen etwa das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit oder das Bundesministerium des Innern in Betracht. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 31): Welche Änderungen beabsichtigt die Bundesregierung an der Markscheider-Bergverordnung vorzunehmen, und sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, das geltende Recht (Bundesberggesetz bzw. Markscheider-Bergverordnung) dahin gehend zu ändern, dass Markscheider ihre Tätigkeit in Zukunft unabhängig von Bergbaukonzernen ausüben müssen? Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie prüft derzeit den Änderungsbedarf bei der Markscheider-Bergverordnung auf der Basis der vom Länderausschuss Bergbau am 21. September 2012 empfohlenen Novellierungsvorschläge des Obmanns für Markscheidewesen. Anlage 19 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 32): Unterstützt die Bundesregierung das im April 2012 eingerichtete lateinamerikanische Netzwerk zur Prävention von Völkermord und Massenverbrechen und das am 19. Februar 2013 gegründete afrikanische Netzwerk zur Prävention schwerster Menschenrechtsverletzungen? Bei dem von Ihnen genannten Lateinamerikanischen und dem Afrikanischen Netzwerk zur Prävention von Völkermord und Massenverbrechen handelt es sich um Aktivitäten der in New York ansässigen Nichtregierungsorganisation "Auschwitz Institute for Peace and Reconciliation". Bei dem Afrikanischen Netzwerk ist die Afrikanische Union Projektpartner. Grundsätzlich unterstützt die Bundesregierung Projekte in den Bereichen Menschenrechte und Konfliktprävention nach dem Antragsverfahren. Für die beiden Netzwerkprojekte wurden bisher keine Unterstützungsanträge gestellt. Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit jedoch andere Projekte des Auschwitz Institutes unterstützt. Die Deutsche Botschaft in Addis Abeba hat in den vergangenen Wochen Gespräche mit dem Auschwitz Institute geführt. Dies ist auch im Hinblick auf das Vorhaben der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zur Unterstützung des Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofs geschehen. Anlage 20 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 33): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Funktion von Hauptmann Amadou Sanogo in seiner Funktion als Vorsitzender des Komitees für die Reform der malischen Streitkräfte, Le Comité de Suivi de la Réforme de l'Armée, und die Zusammenarbeit zwischen den Verantwortlichen von EUTM Mali und diesem Komitee? Der ehemalige Anführer der Putschisten, Hauptmann Amadou Sanogo, ist Vorsitzender der Kommission für die Überwachung der Streitkräftereform. Er ist in diesem Amt nicht Teil der Kommandostruktur der malischen Armee. Die Kommission verfügt weder über ein Budget noch über Entscheidungsbefugnisse. Die Europäische Union leistet mit der EU-Trainingsmission, EUTM, Mali einen Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte, soweit diese unter der Kontrolle der rechtmäßigen malischen Regierung stehen. Die Ziele der Mission sind im Ratsbeschluss 2013/34/GASP vom 17. Januar 2013 festgelegt. Die Streitkräfte sollen in die Lage versetzt werden, die territoriale Unversehrtheit Malis wiederherzustellen und der Bedrohung durch terroristische Gruppen entgegenzutreten. EUTM Mali beteiligt sich nicht an Kampfeinsätzen. Die Mission soll ihre Ziele erreichen durch Ausbildung und Beratung der Streitkräfteführung, bei Logistik und Personal und durch Ausbildung auf den Gebieten humanitäres Völkerrecht, Schutz der Zivilbevölkerung und Menschenrechte. Über die Einzelheiten der Durchführung von EUTM Mali entscheidet der Missionskommandeur, Brigadegeneral François Lecointre, in enger Zusammenarbeit mit den malischen Behörden. Anlage 21 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 34): Inwiefern verspricht sich die Bundesregierung Aussichten auf eine politische Lösung, wie von dem UN-Sondergesandten für Syrien, Lakhdar Brahimi, angestrebt, wenn sie nun mit Frankreich und Großbritannien erwägt, das UN-Waffenembargo zu unterlaufen und Waffen an die bewaffnete Opposition zu liefern (siehe tagesschau.de, 15. März 2013)? Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen des gemeinsamen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, ausdrücklich und unterstützt seine Mission finanziell mit rund 1,5 Millionen Euro. Zudem setzt sich die Bundesregierung in ihren Kontakten mit internationalen und syrischen Partnern nachdrücklich dafür ein, dass alle Seiten Dialogbereitschaft demonstrieren. Die Opposition unter Sheikh Moaz al-Khatib hat sich mehrfach ausdrücklich und glaubhaft zu einem Dialog bekannt. Derzeit ist es in erster Linie das Regime, das sich einem ernstzunehmenden politischen Dialog verweigert. Ein Waffenembargo der Vereinten Nationen gegen die Arabische Republik Syrien besteht nicht. Die Bundes-regierung hat sich in ihrer Zeit im VN-Sicherheitsrat mehrfach für ein solches eingesetzt. Insbesondere die Russische Föderation hat ihre Vetomacht dazu genutzt, Zwangsmaßnahmen gegen das syrische Regime zu verhindern. Dementsprechend gehört auch Russland neben der Islamischen Republik Iran und der libanesischen Hisbollah zu den Hauptunterstützern und Waffenlieferanten des syrischen Regimes. Wir haben innerhalb der Europäischen Union frühzeitig ein umfassendes Sanktionsregime gegen Syrien verhängt, einschließlich eines Waffenembargos. Dieses Sanktionsregime muss immer wieder auf seine Wirksamkeit überprüft werden. Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und die Französische Republik haben einen weiteren Vorstoß unternommen, das Waffenembargo dergestalt zu lockern, dass die Nationale Koalition und die ihr zugeordneten bewaffneten Kräfte unterstützt werden können. Die Bundesregierung hat sich bereit erklärt, im europäischen Rahmen über diese Frage zu diskutieren. Gleichzeitig ist klar, dass wir alles vermeiden müssen, was zu einer weiteren Verschärfung der Lage führen würde. Ich möchte im Übrigen darauf hinweisen, dass sich auch unsere französischen und britischen Partner ausdrücklich zum Ziel eines politischen Dialogs und einer Verhandlungslösung wie von Brahimi vorgeschlagen bekennen. Die angestrebte Stärkung der gemäßigten Kräfte innerhalb der Opposition dient erklärtermaßen dem Ziel, die Verhandlungsbereitschaft innerhalb der Opposition zu erhalten und durch eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse in Syrien auch das Regime von der Notwendigkeit eines Verhandlungsprozesses zu überzeugen. Anlage 22 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 35): Welche Informationen, besonders auch geheimdienstliche, liegen der Bundesregierung unter anderem im Zusammenhang mit der Beteiligung der Bundeswehr am UNIFIL--Einsatz, der Waffenschmuggel unterbinden soll, über den -Umfang an Waffen und bewaffneten Kämpfern vor, die in den vergangenen Wochen die Grenze zwischen dem Libanon und Syrien passiert haben, und welche Auffassung hat die Bundesregierung bezüglich der Bemühungen der libanesischen -Regierung, diesen Transit zu unterbinden, auch vor dem -Hintergrund ihrer diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen? Der Bundesregierung liegt seit kurzem der jüngste Umsetzungsbericht des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zur Resolution 1701 (2006) des Sicherheits-rates der Vereinten Nationen zur Lage im Libanon vor. Dieser deckt den Zeitraum vom 30. Oktober 2012 bis zum 28. Februar 2013 ab. Die Frage des Umfangs an Waffen und bewaffneten Kämpfern, die in den vergangenen Wochen die Grenze zwischen der Libanesischen Republik und der Arabischen Republik Syrien passiert haben sollen, wird in diesem Bericht angesprochen. Jedoch sieht sich die Interims-truppe der Vereinten Nationen im Libanon, UNIFIL, nicht in der Lage, unabhängige Einschätzungen hierzu zu treffen oder entsprechende Hinweise zu verifizieren. Die Bundesregierung unterstützt die Bemühungen der libanesischen Regierung, den illegalen Transfer von Waffen oder Personal zu unterbinden. Anlage 23 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Druck-sache 17/12763, Frage 36): Welche konkreten Anstrengungen bzw. sonstigen vorbereitenden oder begleitenden politischen und organisatorischen Maßnahmen - bitte ebenfalls konkretisieren - unternehmen die Europäische Union und die Bundesregierung 2013 hinsichtlich der Umsetzung einer sogenannten Sicherheitssektorreform in Tunesien, und welche vermeintlichen "Schwächen" oder "Defizite" wurden von der Europäischen Union oder der Bundesregierung hierzu bereits festgestellt? Die Europäische Union hat mit der Tunesischen -Republik vereinbart, das Land bei einer Sicherheitssektorreform zu unterstützen. Zu diesem Zweck wird die EU eine Gruppe von Experten nach Tunesien entsenden, um eine Bestandsaufnahme vorzunehmen. Erst wenn die Ergebnisse dieser Bestandsaufnahme vorliegen, kann über konkrete Maßnahmen beraten werden. Die Bundesregierung hat mit Tunesien eine Transformationspartnerschaft zur Unterstützung des Demokratisierungsprozesses vereinbart. Die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich ist ein Bestandteil davon. Das Bundesministerium des Innern hat Absprachen mit dem tunesischen Innenministerium getroffen, um Unterstützung in mehreren Bereichen zu leisten. Im Jahr 2013 sind vorgesehen: Ausbildungsmaßnahmen der Bundespolizei im Bereich Flughäfen und maritime Sicherheit, Lehrgänge des Bundeskriminalamtes zu Tatortarbeit, zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität und für -Personenschutz sowie Lehrgänge und Workshops des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur Terrorismus-abwehr. Seit Frühjahr 2012 besteht auf tunesische Anfrage hin ein Kooperationsprojekt in Form eines Rechtsdialogs zum Thema "Nachrichtendienste im demokratischen Rechtsstaat". Dieses wird durchgeführt von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung unter Einbindung des Bundesnachrichtendienstes. In diesem Rahmen haben im Frühjahr 2012 und Dezember 2012 Vortragsreisen nach Tunesien stattgefunden. Für Mai 2013 ist ein deutsch-tunesischer Workshop in Tunis -geplant, in dessen Rahmen der tunesischen Seite eine entsprechende Rechtsreformberatung angeboten werden soll. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 37): Welche Informationen haben Behörden der Bundesregierung und Belgiens im Vorfeld diesjähriger Proteste gegen das Krisenmanagement der Europäischen Union insbesondere zum Aktionstag am 13. März 2013 und zu den für den 14. März 2013 geplanten und teilweise verbotenen Demonstrationen in Brüssel ausgetauscht (bitte die jeweils beteiligten Behörden Belgiens und Deutschlands nennen und, sofern der Bundesregierung bekannt, auch für Landesbehörden angeben), und in welchen Fällen hat das Bundeskriminalamt bzw. haben andere Behörden der Bundesregierung in den letzten fünf Jahren über das Netzwerk bzw. die Kontaktstelle der Police Working Group on Terrorism, PWGT, mit Belgien nicht nur Informationen zu "Terrorismus", sondern auch zu "Kriminalität" oder "Extremismus" ausgetauscht (sofern hierüber keine Statistiken geführt werden, bitte, soweit bei den zuständigen Stellen erinnerlich, angeben)? Die Bundesregierung geht davon aus, dass es sich bei den in der Frage genannten "diesjährigen Protesten gegen das Krisenmanagement der Europäischen Union" um die Aktionstage im Vorfeld des Europäischen Rates in Brüssel am 14. und 15. März 2013 handelt, zu denen laut Medienberichten unter anderem vom Europäischen Gewerkschaftsbund unter dem Motto "For a European spring" aufgerufen wurde. Zu den in Rede stehenden Aktionstagen wurden keine Erkenntnisse zwischen dem Bundesamt für Verfassungsschutz und belgischen Stellen oder dem Bundeskriminalamt und den belgischen Behörden über die Police Working Group on Terrorism, PWGT, ausgetauscht. Der Bundesregierung ist nicht bekannt, inwiefern Behörden der Länder in diesem Zusammenhang Informationen mit belgischen Stellen ausgetauscht haben. Ob es in den vergangenen fünf Jahren mittels PWGT mit Belgien fallbezogen auch einen Austausch des Bundeskriminalamts zu "Kriminalität" oder "Extremismus" gab, kann in der Kürze der Zeit nicht beantwortet werden, da die angefragten Sachverhalte beim BKA nicht zentral bzw. automatisiert vorliegen. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dagdelen (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 38): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der vom Sachverständigen Martin Jungnickel in der Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 13. März 2013 vorgetragenen Prognose, wonach im Regierungspräsidium Darmstadt, das für etwa 10 Prozent aller bundesweiten Einbürgerungen stehe, im Jahr 2013 voraussichtlich etwa 100 Menschen ihre deutsche Staatsangehörigkeit infolge der Optionsregelung des Staatsangehörigkeitsgesetzes verlieren werden, und inwieweit hält sie dies für verantwortbar, weil dies dazu führen könnte, dass ab dem Jahr 2018 aufgrund zehnmal größerer Fallzahlen bundesweit jährlich etwa 10 000 Deutsche ihre deutsche Staatsangehörigkeit infolge der Optionsregelung verlieren würden? Die Optionsregelung wurde insbesondere im Hinblick auf die hohen Anforderungen des Art. 16 Abs. 1 des Grundgesetzes so ausgestaltet, dass ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nur eintritt, wenn er dem erklärten Willen des Betroffenen entspricht oder Handlungen zur Aufgabe der ausländischen Staatsangehörigkeit unterlassen werden, obwohl sie möglich und zumutbar wären. Die Optionspflichtigen werden umfassend und in der Regel mehrfach über ihre Mitwirkungspflichten im Optionsverfahren informiert. Das Optionsverfahren wird dabei von den Ländern nach den Art. 83 und 84 des Grundgesetzes als eigene Angelegenheit ausgeführt. Sofern ein Betroffener ungewollt seine deutsche Staatsangehörigkeit nach § 29 Abs. 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes, StAG, verliert, kann er in der Regel bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen schnell und unproblematisch wieder eingebürgert werden. Zu Spekulationen über mögliche Verlustzahlen nimmt die Bundesregierung keine Stellung. Belastbare Zahlen zum ersten Optionsjahrgang werden erst mit Ablauf des Jahres 2013 vorliegen. Das Bundesministerium des Innern hat die Länder insoweit gebeten, die dort vorhandenen Daten zum Entscheidungsverhalten der Optionspflichtigen zu übermitteln. Im Übrigen wird der erste Optionsjahrgang, der nicht mehr unter die Übergangsregelung des § 40 b StAG fällt, erst im Laufe des Jahres 2023 das 23. Lebensjahr vollenden. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 39): Ist die Bundesregierung vor dem Hintergrund der am 14. März 2013 von EU-Kommissar Stefan Füle geäußerten Befürchtung ("Betr.: 3230. Tagung des Rates für Außenbeziehungen am 11. März 2013 in Brüssel, hier: Südliche Nachbarschaft - einschl. Ägypten, Libyen, Tunesien") einer Destabilisierung der Nachbarstaaten Syriens durch die immer stärker anschwellenden Flüchtlingsströme bereit, sich über die bereits geleisteten finanziellen und humanitären Hilfsmaßnahmen hinaus zum einen auf EU-Ebene für eine koordinierte Aufnahme von Flüchtlingskontingenten aktiv einzusetzen, und ist sie ferner bereit, gleichzeitig und unverzüglich eine Initiative zu starten mit dem Ziel, in enger Abstimmung mit den Ländern die Aufnahme von Flüchtlingen in einem noch zu bestimmenden Umfang gemäß humanitären Kriterien in die Wege zu leiten? Die Bundesregierung bereitet derzeit in Fortentwicklung ihrer bisherigen Linie auf nationaler Ebene die Aufnahme einer größeren Zahl syrischer Flüchtlinge aus den Aufnahmelagern, denen in Deutschland vorübergehender Schutz gewährt werden soll, vor. Diese humanitäre Aufnahme wird in enger Abstimmung mit den Ländern erfolgen. Die Hilfe vor Ort wird weiter fortgeführt. Gleichzeitig wirbt die Bundesregierung auf EU-Ebene für ein gesamteuropäisches Vorgehen in der Flüchtlingsfrage und für eine koordinierte Aufnahmeaktion der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen eines Pledging-Verfahrens. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksa-che 17/12763, Fragen 40 und 41): Mit welchen Auswirkungen rechnet die Bundesregierung für die Binnen- und Seeschifffahrt, die aus der Novellierung des Bundesgebührengesetzes erwachsen können, und wie beabsichtigt die Bundesregierung die anzulastenden Vollkosten auf die jeweiligen Nutzer der Wasserstraße nach dem Verursacherprinzip gerecht zu übertragen? Wie beabsichtigt die Bundesregierung die potenzielle Gebührenanlastung für die Nutzung der Bundeswasserstraßen zu gestalten, dass der intermodale Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird, und wie wird die Bundesregierung ihre gesetzten Klimaschutzziele erreichen, wenn der Verkehrsträger Binnenschiff im Wettbewerb schlechter gestellt wird und zu befürchten ist, dass es zu einer Verkehrsverlagerung vom Binnenschiff auf die Straße kommt? Das Bundesgebührengesetz hat keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren für die Binnen- und Seeschifffahrt. Mit dem Bundesgebührengesetz werden die Grundlagen für eine umfassende Gebührenreform gelegt. Die Umsetzung dieser Vorgaben erfolgt durch eine Allgemeine und mehrere Besondere Gebührenverordnungen. Im Bereich der Gebühren für die Binnen- und Seeschifffahrt wird die Reform in einem Zeitraum von spätestens fünf Jahren nach Inkrafttreten der Strukturreform des Gebührenrechts durch eine Besondere Gebührenverordnung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, umgesetzt. Die Bundesregierung wird bei der Konzipierung der Verordnungen auf die ausgewogene Entwicklung der Gebühren achten. Der Entwurf des Bundesgebührengesetzes enthält vielfältige Möglichkeiten zu Gebührenermäßigungen und sogar Gebührenbefreiungen, die weitreichende Ausnahmen vom Kostendeckungsprinzip zulassen. Dies erlaubt es, fachrechtliche Regelungsziele adäquat bei der Gebührenbestimmung durch die Besondere Gebührenverordnung des BMVBS zu berücksichtigen. Zu den fachrechtlichen Regelungszielen, die Gebührenbefreiungen und ermäßigungen nach dem Bundes-gebührengesetz zulassen, zählen auch wirtschafts- und ordnungspolitische Ziele; dies kann beispielsweise auch die Förderung des intermodalen Wettbewerbs sein. Des Weiteren können sich Gebührenbefreiungen oder -ermäßigungen auch aus den Zielsetzungen des Klimaschutzes ergeben. In diesem Sinn kann beispielsweise ein Anreiz zu einer Verkehrsverlagerung von der Straße auf das Binnenschiff gesetzt werden. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Fragen 42 und 43): Wie beurteilt die Bundesregierung die Legislativvorschläge der Europäischen Kommission für ein Einreise-/Ausreisesystem, EES, und ein Registrierprogramm für Reisende, RTP, im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz und den EU-Grundrechten, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung? Unterstützt die Bundesregierung den geplanten Zugriff der Polizei auf die bei EES und RTP gesammelten Daten von EU-Ausländern? Das von der Europäischen Kommission am 28. Februar 2013 vorgelegte Smart Borders Paket enthält drei Verordnungsentwürfe mit umfangreichen Regelungsvorschlägen, die gegenwärtig auch unter verfassungs- und datenschutzrechtlichen Aspekten von der Bundesregierung geprüft werden. Dem Ergebnis dieser Prüfung möchte ich nicht vorgreifen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Lars Klingbeil (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 44): Welche Auswirkungen hat die geplante Novellierung des § 79 des Bundesbesoldungsgesetzes, BBesG, auf die Beamten im Einsatzdienst der Bundeswehrfeuerwehr, und welche Maßnahmen werden unternommen, um die signifikante Erhöhung der Stundenzahlen auszugleichen? § 79 des Bundesbesoldungsgesetzes ist eine neue -Vorschrift, die im Rahmen des Gesetzentwurfs zur Neuregelung der Professorenbesoldung und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften in das Besoldungsrecht aufgenommen werden soll. Mit der Vorschrift soll eine besondere Vergütung für Feuerwehrbeamte der Bundeswehr geschaffen werden, die sich bereit erklärt haben oder bereit erklären, über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur Höhe der maximal zulässigen -Arbeitszeit, dies bedeutet: einschließlich Bereitschaftsdienst bis zu 54 Wochenstunden, Dienst zu leisten. Eine Erhöhung der geleisteten Stundenzahl ist mit der Maßnahme nicht verbunden, allerdings steht sie im Zusammenhang mit einer Neubestimmung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass in den Feuerwehren der Bundeswehr die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bisher auf 41 Wochenstunden festgelegt ist. Wegen der erheblichen Bereitschaftsdienstanteile sind stattdessen 48 Wochenstunden anzusetzen. So wird es auch in allen Feuerwehren von Ländern und Kommunen gehandhabt. Folge der bisherigen fehlerhaften Festlegung ist, dass die Feuerwehrbeamten der Bundeswehr für die über 41 Stunden hinausgehende Arbeitszeit Mehrarbeitsvergütung erhalten, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. Mit der arbeitszeitrechtlich gebotenen Festlegung auf 48 Wochenstunden einschließlich Bereitschaftsdienst entfällt der Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung ab der 42. Wochenstunde. Um die Bereitschaft der Beamten zu erhalten, bei dienstlicher Notwendigkeit bis zu maximal 54 Wochenstunden Dienst zu leisten, soll im Gegenzug der neue Besoldungsbestandteil eingeführt werden. Die für Feuerwehrbeamte der Bundeswehr erzielbare Vergütung liegt mit ihm über dem für Feuerwehrbeamte in den Ländern oder in den Kommunen geltenden Betrag. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 45): Welche Innenministerinnen und Innenminister bzw. -senatoren der Länder sind vor dem Beschluss der Innenministerkonferenz vom 7. Dezember 2012 zur Beantragung eines NPD-Verbotsverfahrens der Bitte des Bundesministers des -Innern nachgekommen, die V-Leute-Freiheit des für das Verbotsverfahren gelieferten Materials schriftlich und mit eigener Unterschrift zu bestätigen, und welche Innenministerinnen und Innenminister haben diese Unterschrift wieder zurück-gezogen? In ihrem Beschluss vom 5. Dezember 2012 haben alle Innenminister und -senatoren der Länder sowie der Bundesminister des Innern festgehalten, dass das vorgelegte Material quellenfrei ist. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Fra-ge 46): Trifft es nach Einschätzung der Bundesregierung zu, dass die für ein NPD-Verbotsverfahren erstellte Materialsammlung auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts der 50er-Jahre gefasst wurde und sich die Zusammenstellung des Beweismaterials nicht an den aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ableitbaren Kriterien für ein erfolgreiches Parteienverbot orientiert? Dies trifft nicht zu. Die Materialsammlung wurde nach Maßgabe eines Kriterienkatalogs erstellt, der von einer Ende 2011 eigens eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeitet wurde. Die Kriterien beruhen auf einer umfassenden Auswertung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Fra-ge 47): Welche Angaben macht die Bundesregierung, ob und mit welchem Ergebnis von Stellen des Bundes oder der Bundesländer die Materialsammlung der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung der Erfolgsaussichten eines neuen NPD-Verbotsverfahrens vom November 2012 an die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften übermittelt wurde, zur Prüfung der Frage, ob strafrechtliche Ermittlungsverfahren unter anderem wegen Volksverhetzung, Aufforderung zu oder Billigung von Straftaten gegen NPD-Mitglieder (siehe vor allem die Seiten 909 ff. und 986 ff. der genannten Materialsammlung) einzuleiten sind, und - falls dies noch nicht geschehen ist - wann wird die Bundesregierung im Hinblick auf ihre immer neuen Bekundungen der Entschlossenheit im Kampf gegen NPD und Rechtsradikale und angesichts des sich aus der Sammlung ergebenden Verdachts der Begehung von Straftaten im Zuge der Übersendung des Materials Strafanzeige erstatten? Den in der Materialsammlung auf den Seiten 986 ff. unter der Überschrift "Strafbares Verhalten von Funk-tionären und ausgewählten Mitgliedern der NPD" dar-gestellten Sachverhalten liegen Strafurteile oder Straf-befehle zugrunde. Sie wurden daher bereits einer strafrechtlichen Würdigung durch die zuständigen Staatsanwaltschaften unterzogen. Die Fundstelle auf den Seiten 909 ff. dürfte sich auf die Rede von Udo Pastörs beim Politischen Aschermittwoch der NPD Saarland am 25. Februar 2009 beziehen. Auch diese Rede war bereits mehrfach Gegenstand strafgerichtlicher Entscheidungen. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Frage 48): Wird die Bundesregierung noch vor der Bundestagswahl die Forderung der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur gesetzlichen Deckelung von Managergehältern umsetzen (vergleiche Freie Presse und Spiegel Online vom 13. März 2013), indem sie nach Schweizer Vorbild durch Änderung des Ak-tienrechts die Aktionäre auf AG-Hauptversammlungen darüber entscheiden lässt, oder teilt die Bundesregierung meine Auffassung, dass auch dann die Banken mit ihren großen Stimmpaketen weiterhin zu hohe Gehälter bewilligen würden, sodass diese nur wirksam gedeckelt werden können, indem das Gesetz selbst die Höchstgrenzen vorgibt (wie zum Beispiel § 5 Abs. 2 Nr. 4 Buchstabe a der Finanzmarktstabilisierungsfonds-Verordnung auf 500 000 Euro)? Zunächst muss ich die dem ersten Teil Ihrer Frage zugrunde gelegte Ausgangslage richtigstellen, was die Äußerungen der Bundeskanzlerin betrifft: Wie Spiegel Online am 13. März 2013 berichtete, hat die Bundeskanzlerin erklärt, dass Maßlosigkeit in einer freien und sozialen Gesellschaft nicht sein dürfe und dass sie sehr gut verstehe, wenn Menschen über manche Gehälter, die völlig aus dem Rahmen fallen, nur noch den Kopf schütteln können. Sie hat ferner erklärt, dass sie es sehr gut finde, dass die EU nun einen Vorschlag erarbeitet, wie nicht mehr alleine die Aufsichtsräte, sondern auch die Aktionärshauptversammlungen die Spitzengehälter festlegen können. Die Kommission hat in ihrem Aktionsplan Gesellschaftsrecht und Corporate Governance Überlegungen angestellt, die Hauptversammlung bei der Entscheidung über die Vergütungspolitik stärker einzubeziehen. Wir haben in Deutschland mit dem sogenannten say-on-pay schon eine in diese Richtung gehende Regelung. Wenn man sich unser Aktienrecht ansieht, dann ist es gegenüber dem Schweizer Recht in der Frage der Vergütung ohnehin schon differenzierter geregelt. Auch ich halte eine stärkere Einbeziehung der Hauptversammlung für sehr bedenkenswert. Eine Verstärkung des derzeitigen nicht verbindlichen say-on-pay des § 120 Abs. 4 Aktiengesetz halte ich in diesem Zusammenhang für diskutierbar. Ich teile dabei Ihre Auffassung nicht, dass "dann die Banken mit ihren großen Stimmpaketen weiterhin zu hohe Gehälter bewilligen würden". Nach der allseits bekannten Auflösung der sogenannten Deutschland AG in den 90er-Jahren des letzen Jahrhunderts ist zunächst einmal zu fragen, welche großen Aktienpakete der Banken Sie hier meinen. Eigene Industriebeteiligungen gibt es kaum noch. Möglicherweise spielen Sie an auf das sogenannte Depotstimmrecht der Banken. Das sind allerdings keine eigenen Stimmpakete, sondern das sind Vertretungsstimmen, die die Banken nur ausüben können, wenn sie dazu bevollmächtigt sind. Dieses Depotstimmrecht ist in seiner Bedeutung zurückgegangen; auch lässt es nicht erkennen, inwiefern gerade von großen Anlegern intern bindende Weisungen erteilt worden waren. Wie dem auch sei, es ist für mich keine Frage, dass der Gesetzgeber den Eigentümern nicht gesetzliche Vergütungshöchstgrenzen vorzuschreiben hat. Dies würde die enormen Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen, zwischen Größe, Umsatz, Erfolg oder Misserfolg, Komplexität und Verantwortung der Personen überhaupt nicht berücksichtigen. Vor allem aber berücksichtigt eine solche Regelung nicht, dass es einer sehr guten Begründung bedürfte, den Eigentümern des Unternehmens vorzuschreiben, wie viel sie ihren Managern zahlen dürfen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 49): Hält die Bundesregierung die aktuelle Erteilungspraxis des Europäischen Patentamts für angemessen angesichts des noch ausstehenden Grundsatzurteils der Großen Beschwerdekammer über ein Patent auf Tomaten (G2/12), und welche Rückschlüsse zieht sie aus dem am 13. März 2013 veröffentlichten Bericht zu Biopatenten von "no patents on seeds"? Der genannte Bericht der Gruppe "Keine Patente auf Saatgut" vom 13. März 2013 ist der Bundesregierung von den Herausgebern nicht zugeleitet worden. Die im Internet verfügbare Fassung listet mehrere Anmeldungen von Patenten auf Pflanzen und Saatgut auf, deren Erteilung laut Statusangabe im Europäischen Patentregister vorgesehen ist. Drei Patente wurden mittlerweile erteilt. Die Überprüfung vom Europäischen Patentamt erteilter Patente ist Aufgabe der Einspruchsabteilungen und der Beschwerdekammern. Jedermann steht das Recht zu, innerhalb von neun Monaten Einspruch einzulegen. Gegen die Entscheidungen der Einspruchsabteilung können die Verfahrensbeteiligten die Beschwerdekammer anrufen. Einspruchsabteilung und Beschwerdekammer haben die Grundsatzentscheidungen der Großen Beschwerdekammer zu beachten. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Max Stadler auf die Frage des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) (Drucksache 17/12763, Frage 50): Warum konnten bisher keine postalischen bzw. sonstigen Zustellungen und Vorladungen im Auftrag des Sächsischen Landtages, der Staatsanwaltschaft Dresden sowie sächsischer Gerichte gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Sächsischen Landesbank Michael Weiss, der heute im griechischen Teil Zyperns lebt, zur Klärung von dessen Verantwortlichkeit vorgenommen werden, obwohl dieser vermutlich der Hauptschuldige für dubiose Geschäfte der ehemaligen Sächsischen Landesbank ist, für die der Freistaat Sachsen heute in Höhe von 2,75 Milliarden Euro haftet? Die justizielle Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Deutschland und der Republik Zypern findet nach Maßgabe des Übereinkommens vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union statt. In dessen Art. 5 wird festgelegt, dass die Zustellung von Verfahrensurkunden im unmittelbaren Geschäftsweg zwischen den beteiligten Justizbehörden stattfindet. Der Bundesregierung liegen daher keine Informationen zu einem von der sächsischen Landesjustiz geführten Straf- oder Ermittlungsverfahren gegen Herrn Michael Weiss vor. Dies umfasst auch Teilaspekte des Verfahrens zu fehlgeschlagenen Zustellungen, wie Sie von Ihnen angesprochen werden. Für die grenzüberschreitende Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in Zivil- oder Handelssachen zwischen Mitgliedstaaten gilt die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen -Parlaments und des Rates vom 13. November 2007, -EuZVO. Das angerufene deutsche Gericht entscheidet, ob es die Zustellung eines Schriftstücks im Postweg, Einschreiben mit internationalem Rückschein, die nach dieser Verordnung grundsätzlich möglich ist, für ausreichend zuverlässig hält, oder ob es den auch eröffneten Weg einer Zustellung über Justizbehörden im Absende- oder Empfangsstaat wählt. In beiden Fällen veranlasst das Gericht die Zustellung und ist das Bundesministerium der Justiz nicht eingeschaltet. Deshalb ist hier -weder ein Zivilverfahren gegen Herrn Michael Weiss -bekannt noch gibt es Informationen darüber, warum in einem solchen Verfahren für die Zustellung nicht der Postweg hätte gewählt werden können. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Manfred Kolbe (CDU/CSU) (Drucksache 17/12763, Frage 51): Hält die Bundesregierung diesen Zustand mit der Gewährung eines Hilfspakets für Zypern in zweistelliger Milliarden-Euro-Höhe für vereinbar? Nach Art. 3 des ESM-Vertrags können Finanzhilfen des ESM gewährt werden: "... wenn dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar ist." Nach Art. 13 Abs. 1 des ESM-Vertrags obliegt es zunächst der Troika, als Entscheidungsgrundlage für die Beschlüsse der ESM-Gremien über die Gewährung von Finanzhilfen eine Bewertung dieser Voraussetzung -vorzunehmen. Die Bundesregierung erwartet deshalb von der Troika, dass diese die Voraussetzungen für -Finanzhilfen aus dem ESM nachweist. Damit muss die Troika auch die Unabdingbarkeit der Hilfe zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Raums und seiner Mitgliedstaaten nachweisen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Manfred Zöllmer (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 52): Wie schätzt die Bundesregierung die Situation in Irland, insbesondere hinsichtlich seines Bankensektors, derzeit ein? Irland ist auf einem guten Weg, sein Programm Ende dieses Jahres planmäßig zu beenden. Die Troika bescheinigte in ihrer Abschlusserklärung zum neunten Prüf-besuch am 7. Februar 2013 erneut, dass Irland die Vor-gaben aus seinem Anpassungsprogramm umfassend umsetzt, was eine wesentliche Verbesserung des Marktzugangs und der Finanzierungsbedingungen sowohl des Staats als auch der Banken zur Folge hat. Sie bestätigt Irland insgesamt gute Fortschritte bei der Stabilisierung seines Bankensektors. Die tendenziell schwache Ren-tabilität irischer Banken dürfte sich bei Auslaufen der - von den Banken zu vergütenden - Staatsgarantie für deren Kreditaufnahme - Eligible Liabilities Guarantee Scheme, ELG - verbessern. Die notwendige Bereinigung der Bankbilanzen von notleidenden Krediten sollte mithilfe des neuen Privatinsolvenzregimes sowie der jüngst von der Regierung angekündigten Maßnahmen zur Umstrukturierung untragbarer Hypothekenlasten beschleunigt werden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Manfred Zöllmer (SPD) (Drucksache 17/12763, Frage 53): Welche möglichen Kosten oder Risiken ergeben sich für den Bundeshaushalt bei den von der Troika analysierten Optionen, um die eigenständige Refinanzierung Irlands über den Kapitalmarkt nach Auslaufen des Hilfsprogramms von unter anderem Europäischer Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, Europäischem Finanzstabilisierungsmechanismus, EFSM, und Internationalem Währungsfonds, IWF, ab Dezember 2013 zu unterstützen (vergleiche Pressemitteilung des Rates "Wirtschaft und Finanzen" vom 5. März 2013)? Die Frage nach möglichen Maßnahmen zur Unterstützung der vollständigen Marktrückkehr Irlands ist nicht abschließend diskutiert. Die Euro-Gruppe hat auf ihrer Sitzung am 15./16. März 2013 im Rahmen der mög-lichen Auswirkungen eines Zypern-Programms auch -andere Programmländer diskutiert und dabei erneut -unterstrichen, Irland genauso wie Portugal bei der Wiedererlangung des vollständigen Zugangs zu den Kapitalmärkten und der Beendigung der erfolgreichen Programme zu unterstützen. Die Euro-Gruppe kam darin überein, die Laufzeiten der Kredite der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, anzupassen, um die Refinanzierungsprofile des jeweiligen Landes zu glätten. Die Troika und die EFSF sind beauftragt, die technischen Details einer solchen Anpassung zu erarbeiten. Bezüglich der Laufzeit von EFSM-Krediten muss der Rat für Wirtschaft und Finanzen, ECOFIN, befasst werden, der auf seiner Sitzung am 5. März 2013 die Frage erörtert und die Troika beauftragt hat, zielgerichtete Vorschläge für die beiden Länder zur Glättung von Refinanzierungsspitzen durch Anpassung von Laufzeiten zu erarbeiten. Erst auf Basis der Vorschläge der Troika bzw. EFSF können informierte Entscheidungen getroffen werden. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die -Fragen des Abgeordneten Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Fra-gen 54 und 55): Inwiefern sieht die Bundesregierung Bedarf, Irlands eigenständige Refinanzierung über den Kapitalmarkt nach Auslaufen des Hilfsprogramms von unter anderem EFSF, EFSM und IWF ab Dezember 2013 beispielsweise durch eine Streckung von Rückzahlungsfristen für gewährte Kredite zu unterstützen? Ist die Bundesregierung bereit, Irlands eigenständige Refinanzierung über den Kapitalmarkt nach Auslaufen des Hilfsprogramms von unter anderem EFSF, EFSM und IWF ab Dezember 2013 beispielsweise durch eine Streckung von Rückzahlungsfristen für gewährte Kredite zu unterstützen (vergleiche insbesondere FAZ vom 6. März 2013, "Finanzminister stellen Irland und Portugal Unterstützung in Aussicht"), und, wenn ja, zielt die etwaige Unterstützungsbereitschaft der Bundesregierung vor allem auf eine Änderung der Kreditkonditionen von mittels EFSM gewährten Darlehen, um eine Befassung des Deutschen Bundestages zu umgehen (vergleiche Handelsblatt vom 11. März 2013, "Rettungskredite - Hilfe mit Tricks")? Zu Frage 54: Irland ist auf einem guten Weg, sein Programm Ende dieses Jahres planmäßig zu beenden. Die Bundesregierung wird die von der Euro-Gruppe bzw. den EU-Finanzministern in Auftrag gegebenen Vorschläge der Troika bzw. der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, EFSF, zur Anpassung der Laufzeiten von Krediten der EFSF und der EFSM an Irland und Portugal mit dem Ziel der Glättung von Refinanzierungsspitzen ergebnisoffen prüfen. Zu Frage 55: Die Frage nach möglichen Maßnahmen zur Unterstützung der vollständigen Marktrückkehr Irlands ist nicht abschließend diskutiert. Die Euro-Gruppe hat auf ihrer Sitzung am 15./16. März 2013 erneut unterstrichen, -Irland und Portugal bei der Wiedererlangung des vollständigen Zugangs zu den Kapitalmärkten und der Beendigung der erfolgreichen Programme zu unterstützen. Die Euro-Gruppe kam darin überein, die Laufzeiten der EFSF-Kredite anzupassen, um die Refinanzierungsprofile beider Länder zu glätten. Die Troika und die EFSF sind beauftragt, die technischen Details einer solchen Anpassung zu erarbeiten. Bezüglich der Laufzeit von EFSM-Krediten muss der Rat Wirtschaft und Finanzen, ECOFIN, befasst werden, der auf seiner Sitzung am 5. März 2013 die Frage erörtert und die Troika beauftragt hat, zielgerichtete Vorschläge für die beiden Länder zur Glättung von Refinanzierungsspitzen durch Anpassung von Laufzeiten zu erarbeiten. Erst auf Basis der Vorschläge der Troika bzw. EFSF können informierte Entscheidungen getroffen werden. In den bisherigen Beratungen wurde deutlich, dass die überwiegende Mehrheit eine Parallelität beim Vorgehen in Bezug auf EFSF- und EFSM-Kredite der Länder wünscht. Ein alleiniges Vorgehen beim EFSM stößt auf Widerstand der Länder, die nicht Mitglied des Euro-Währungsgebiets sind. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 56): Können sich Steuerpflichtige direkt auf das Urteil des -Europäischen Gerichtshofes (Urteil vom 28. Februar 2013, C-168/11) bezüglich der Anrechnung ausländischer Steuern beziehen und abweichend von § 34 c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes den Höchstbetrag durch eine Verhältnisrechnung mit Bezug zum versteuernden Einkommen anstatt wie bisher zur Summe der Einkünfte ansetzen, und welche Änderungen des nationalen Einkommensteuerrechts in Bezug auf das Urteil erwägt die Bundesregierung? Urteile des Europäischen Gerichtshofs dienen, soweit sie wie im vorliegenden Fall im Wege eines Vorabent-scheidungsersuchens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV, ergangen sind, zunächst dazu, dem vorlegenden nationalen Gericht die Entscheidung im Ausgangssachverhalt zu -ermöglichen. Grundsätzlich bindet die Entscheidung daher nur das anfragende Gericht, das die Auslegung des Gerichtshofs nun bei seinem Urteil in diesem Einzelfall berücksichtigen muss. In Anbetracht dieses Urteils sieht die Bundesregierung es als geboten, § 34 c Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz an die EU-rechtlichen Anforderungen nach den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs anzupassen. Das Bundesministerium der Finanzen arbeitet an einem Gesetzentwurf zur Änderung der Vorschrift. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 57): Welche verfassungsrechtlichen Vorgaben sind der Bundesregierung bekannt, die bei einer Einführung eines Familiensplittings hinsichtlich Steuerfreistellung des Existenzminimums der Familienmitglieder, Familienleistungsausgleich und steuerlicher Berücksichtigung von Unterhaltsansprüchen der Familienmitglieder untereinander zu beachten sind, und welche Fehlanreize sieht die Bundesregierung im derzeitigen Ehegattensplitting hinsichtlich der Förderung von Familie und Kindern? Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entspricht das Ehegattensplitting den Vorgaben der Verfassung. Das Ehegattensplitting knüpft Zitat: "an die wirtschaftliche Realität der intakten Durchschnittsehe an, in der ein Transfer steuerlicher Leistungsfähigkeit zwischen den Partnern stattfindet", so das Zitat: "zusammenlebende Eheleute eine Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs bilden, in der ein Ehegatte an den -Einkünften und Lasten des anderen wirtschaftlich jeweils zur Hälfte teilhat" (BVerfGE 61, 319 [345, 346] m. w. N.). Für das Steuerrecht ist zudem im Hinblick auf die Gleichheit der Besteuerung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes eine Ausrichtung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit notwendig. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer; laut Bundesverfassungsgericht muss der Gesetzgeber auch dem Einkommensbezieher und dessen Familie von dessen -Erwerbseinkünften mindestens das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln als Sozialhilfe zur Verfügung stellt (BVerfGE 99, 246 [260]). Er hat weiter sicherzustellen, dass die von Verfassungs wegen zu -berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt werden (BVerfGE 99, 246, [260]; 82, 198 [207]). Dementsprechend darf bei der -Besteuerung von Eltern, unabhängig von deren Familienstand, ein Einkommensbetrag in der Höhe des kind-bedingten Existenzminmimus nicht besteuert werden, da die Leistungsfähigkeit der Eltern insoweit gemindert ist. Dies wird aktuell durch den Familienleistungsausgleich mit einer Kombination aus Kindergeld und Kinder-freibeträgen erreicht. An diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben müssen sich alle Überlegungen zur Besteuerung von Ehe und -Familie messen lassen. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 58): Sieht die Bundesregierung bei der erbschaftsteuerlichen Begünstigung sogenannter Cash-GmbHs Nachbesserungsbedarf hinsichtlich ungewollter Steuervermeidungsstrategien, und wird die Bundesregierung diesbezüglich in dieser Legislaturperiode noch einen Gesetzentwurf einbringen? Die Bundesregierung unterstützt das Anliegen, sogenannte Cash-GmbHs von der erbschaftsteuerrechtlichen Verschonung nach §§ 13 a und b Erbschaftsteuergesetz auszunehmen. Sie hat dies bereits in der Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013 deutlich gesagt (Bundestagsdrucksache 17/10604, Seite 49). Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 59): Teilt die Bundesregierung die Meinung der Bundesländer auf Bundesratsdrucksache 95/1/13, wonach § 15 b des Ein-kommensteuergesetzes, EStG, zu erweitern ist, um Steuerstundungsmodelle mit dem Handel von wertvollen Wirtschaftsgütern im Umlaufvermögen unter Anwendung einer Einnahme-Überschuss-Rechnung zu unterbinden, und können nach Ansicht der Bundesregierung diesbezüglich die Einschränkungen der Einnahme-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG (vergleichbare nicht verbriefte Forderungen) auch auf den Handel mit Gold angewendet werden? Die Bundesregierung prüft derzeit den Antrag des Bundesrates. Ich bitte deshalb um Verständnis, dass sich die Bundesregierung hierzu inhaltlich erst im Rahmen der Gegenäußerung zum AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz äußern kann. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Fragen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12763, Fragen 60 und 61): Wie hoch sind nach Auffassung der Bundesregierung die Umsätze aus Transaktionen mit Derivaten, die nach dem Kommissionsvorschlag zur Einführung der Finanztransaktionsteuer in verstärkter Zusammenarbeit in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließen würden? In welcher Höhe würden nach Auffassung der Bundesregierung Steuereinnahmen auf der Basis des Kommissionsvorschlags zur Einführung der Finanztransaktionsteuer in verstärkter Zusammenarbeit dem deutschen Fiskus zufließen? Zu Frage 60: Die Europäische Kommission hat am 14. Februar 2013 ihre Folgenabschätzung zu dem Richtlinienvorschlag vorgelegt und sie am 21. Februar 2013 den Mitgliedstaaten vorgestellt. Darin geht die Kommission davon aus, dass die Besteuerung von Transaktionen mit Derivaten trotz eines angenommenen Rückgangs des Handels um 75 Prozent den elf Mitgliedstaaten Steuereinnahmen von insgesamt 21 Milliarden Euro bringt. Das entspricht rein rechnerisch Transaktionen mit einem Gesamtnominalbetrag von 105 Billionen Euro, wenn jeweils beide Transak-tionsparteien steuerpflichtig sein sollten. Zu Frage 61: Die Kommission beziffert die Steuereinnahmen für die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Folgenabschätzung zum Richtlinienvorschlag auf 11,75 Milliarden Euro. Gleichzeitig schränkt sie die Aussagekraft der Angabe deutlich ein. Ausdrücklich weist die Kommission darauf hin, dass es ihr derzeit kaum möglich ist, die Einnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb einer akzeptablen Fehlerspanne zu prognostizieren. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage des Abgeordneten Klaus Ernst (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Frage 62): Wie viele zusätzliche Haushaltsmittel flossen in den Bundeshaushalt, indem Zuschüsse gesenkt, Beitragszahlungen gemindert/eingestellt wurden oder der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung gesenkt wurde, einschließlich der Steuermehreinnahmen durch Senkung des Rentenbeitrags sowie gegebenenfalls der Minderausgaben des Bundes für seine rentenversicherungspflichtigen Angestellten (bitte aufschlüsseln für die Zeiträume Oktober 2005 bis September 2009 sowie Oktober 2009 bis einschließlich Februar 2013)? Die Frage wird so verstanden, dass nach Entlastungen für den Bundeshaushalt gefragt wird, die infolge von Maßnahmen im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung eingetreten sind. Zunächst ist richtigzustellen: Keine dieser Maßnahmen führte dazu, dass zusätzliche Mittel in den Bundeshaushalt geflossen sind. Die Maßnahmen führten jeweils lediglich zu Minderausgaben des Bundes. Für die vorherige Legislaturperiode betraf dies Maßnahmen aus dem Haushaltsbegleitgesetz 2006 und dem Beitragsgesetz 2007. Für die aktuell laufende Legislaturperiode betrifft dies Maßnahmen nach den Haushalts-begleitgesetzen 2011 und 2013 sowie nach der Beitragssatzverordnung 2012 und dem Beitragssatzgesetz 2013. Die finanziellen Auswirkungen dieser einzelnen Maßnahmen können folgenden einschlägigen Bundestags- bzw. Bundesratsdrucksachen entnommen werden: - Beitragssatzgesetz 2013 (Bundestagsdrucksache 17/10743 in der Fassung des Änderungsantrags vom 23. Ok--tober 2012 [Bundestagsdrucksache 17(11)990]), - Haushaltsbegleitgesetz 2013 (Bundestagsdrucksache 17/10588 vom 3. September 2012), - Beitragssatzverordnung 2012 (Bundestagsdrucksache 731/11 vom 16. November 2011), - Haushaltsbegleitgesetz 2011 (Bundestagsdrucksache 17/3030 vom 27. September 2010 und 17/3406 vom 26. Oktober 2010), - Beitragssatzgesetz 2007 (Bundestagsdrucksache 16/3268 vom 7. November 2006), - Haushaltsbegleitgesetz 2006 (Bundestagsdrucksache 16/752 vom 17. März 2006), - Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Bundestagsdrucksache 16/99 vom 29. November 2005 und Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales [11. Ausschuss] 16/688). Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen des Abgeordneten Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) (Drucksache 17/12763, Fragen 63 und 64): Wie hoch ist die anteilige Summe, die bei der Regel-bedarfsermittlung auf die Anschaffung/Ersetzung einer Brille entfällt, und wie lange muss eine/ein Grundsicherungsberechtigte/-berechtigter theoretisch diesen Betrag monatlich ansparen, um die durchschnittlichen Kosten einer Brille finanzieren zu können? Ist es nach Rechtsauffassung der Bundesregierung zutreffend, dass Brillen in der Grundsicherung als Mehrbedarf -finanziert werden, wie der Abgeordnete Karl Schiewerling in einer öffentlichen Veranstaltung vorgetragen hat, und gedenkt sie, die Forderung, dass die Anschaffung einer aus gesundheitlichen Gründen notwendigen Brille ein Tatbestand für einen Mehrbedarf sein sollte, aufzugreifen und noch in dieser Legislaturperiode gesetzlich zu regeln? Zu Frage 63: Die Leistungen zur Deckung der Regelbedarfe werden als pauschalierter Gesamtbetrag erbracht, dessen -Ermittlung auf statistischen Methoden - basierend auf der jeweils aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe - beruht. Daher ist ein einzelner, auf ein -bestimmtes Gut entfallender Betragsanteil des Regel-bedarfs nicht zu benennen. Gemäß § 33 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB V, haben Versicherte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf die Versorgung mit Sehhilfen. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfasst nicht die Kosten des Brillengestells. Soweit die Krankenkassen Kosten für eine Sehhilfe nicht übernehmen, ist ein entsprechender Bedarf aus den pauschalierten Leistungen zur Deckung des Regel-bedarfs zu bestreiten. Denn der Regelbedarf umfasst unter anderem auch einen Anteil für Gesundheitspflege. Die Verbrauchspositionen "pharmazeutische Erzeugnisse, andere medizinische Erzeugnisse und therapeutische Geräte und Ausrüstungen" der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 sind in vollem Umfang berücksichtigt worden, da nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, SGB V, auch für Leistungsberechtigte in der Grundsicherung für Arbeitsuchende und in der Sozialhilfe Zuzahlungen vorgesehen sind. Eigenleistungen bei der medizinischen Versorgung, die von der Krankenversicherung nicht übernommen werden, sind somit vom Regelbedarf abgedeckt. Im Ergebnis wird leistungsberechtigten Personen ein Konsumniveau gewährt, das Haushalten im unteren Einkommensbereich entspricht, die ohne Fürsorgeleistungen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Das bedeutet, dass auf dieser Grundlage sowohl regelmäßig anfallende Bedarfe, zum Beispiel Nahrungsmittel und Getränke, als auch unregelmäßig beziehungsweise in großen zeitlichen Abständen anfallende Bedarfe, zum Beispiel Kosten für Brillenersatz, aus dem Regelbedarf zu bestreiten sind. Da die Leistungen zur Deckung der Regelbedarfe als pauschaler Gesamtbetrag gewährt werden, hat es das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010, zur Bemessung der Regelleistungen, als zumutbar bewertet, einen höheren Bedarf in einem Lebensbereich durch geringere Ausgaben in einem anderen auszugleichen. Über die Verwendung der Regelbedarfsleistungen entscheiden die Leistungsempfänger eigenverantwortlich; dabei haben sie das Eintreten unregel-mäßig anfallender Bedarfe zu berücksichtigen und hierfür gegebenenfalls durch Ansparen vorzusorgen. Ein bestimmter "Ansparbetrag" für Brillen ist auch insoweit aus den oben genannten Gründen nicht zu benennen. Zu Frage 64: Für Sehhilfen gelten besondere Regelungen. Seit dem Jahr 2004 haben erwachsene Versicherte einen Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nur noch bei schwerer Sehbeeinträchtigung sowie auf therapeutische Sehhilfen zur Behandlung von Augenverletzungen und Augen-erkrankungen. Nach § 33 Abs. 2 SGB V umfasst der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nicht die Kosten des Brillengestells. Diese sind stets Eigenleistung des Versicherten. Sollten die Eigenleistungen für Brillen ausnahmsweise nicht aus den Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs erbracht werden können und handelt es sich nach den Umständen um einen unabweisbaren Bedarf, kommt hierfür gegebenenfalls ein zinsloses Darlehen in Betracht (vergleiche § 24 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - SGB II - und § 37 Absatz 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII). Ob stattdessen gegebenenfalls ein Mehrbedarf anzuerkennen ist, haben die zuständigen Träger der Grundsicherungsleistungen - zum Beispiel die Jobcenter - im Einzelfall zu entscheiden. Voraussetzung ist, dass es sich um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf handelt. Der Mehrbedarf ist -unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Gesetzliche Regelungen zur Berücksichtigung von Mehrbedarfen sind bereits vorhanden (vergleiche unter anderem § 21 Abs. 6 SGB II). Entsprechendes gilt für die Sozialhilfe nach dem SGB XII. Danach hat der ausführende Träger nach dem SGB XII den zu zahlenden Regelsatz abweichend von der geltenden Regelbedarfsstufe festzusetzen, wenn der individuelle Bedarf unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht - abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27 a Abs. 4 Satz 1 SGB XII. II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 230. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. März 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 230. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. März 2013 28751 Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 28770 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 230. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. März 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 230. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 20. März 2013 28769