Plenarprotokoll 17/242 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 242. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 5. Juni 2013 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: a) Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Ulrich Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Abschaffung des Optionszwangs – Ausdruck -einer offenen Gesellschaft (Drucksachen 17/13488, 17/13312) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht (Drucksachen 17/542, 17/13312) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses – zu dem Antrag der Abgeordneten Rüdiger Veit, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren – Mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Da?delen, Diana Golze, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Für gleiche Rechte – Einbürgerungen erleichtern (Drucksachen 17/7654, 17/12185, 17/13312) d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht (Drucksachen 17/12193, 17/13299) e) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Da?delen, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen – Assoziationsrecht wirksam umsetzen (Drucksachen 17/7373, 17/13299) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thomas Oppermann (SPD) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Sevim Da?delen (DIE LINKE) Reinhard Grindel (CDU/CSU) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aydan Özo?uz (SPD) René Röspel (SPD) Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD) Serkan Tören (FDP) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 2: Befragung der Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit in den Jahren 2011 und 2012; weitere Fragen Bernd Neumann, Staatsminister BK Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bernd Neumann, Staatsminister BK Klaus Brähmig (CDU/CSU) Bernd Neumann, Staatsminister BK Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Bernd Neumann, Staatsminister BK Lars Lindemann (FDP) Bernd Neumann, Staatsminister BK Brigitte Zypries (SPD) Bernd Neumann, Staatsminister BK Christoph Poland (CDU/CSU) Bernd Neumann, Staatsminister BK Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bernd Neumann, Staatsminister BK Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bernd Neumann, Staatsminister BK Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Bernd Neumann, Staatsminister BK Klaus Brähmig (CDU/CSU) Bernd Neumann, Staatsminister BK Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Katja Kipping (DIE LINKE) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Klaus Brähmig (CDU/CSU) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Rolf Schwanitz (SPD) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Brigitte Zypries (SPD) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Gerhard Drexler (FDP) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Katja Kipping (DIE LINKE) Eckart von Klaeden, Staatsminister BK Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde (Drucksachen 17/13667, 17/13697) Mündliche Frage 1 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überschreitung des Ammoniak-Grenzwertes im Jahr 2011 und eindämmende Maßnahmen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 2 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Initiativen einiger Bundesländer zur Verbesserung des Immissionsschutzrechts bei Tierhaltungsanlagen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Beantwortung der Fragen des Abg. Rolf Schwanitz (SPD) auf Drucksache 17/13697 nach dem Grund für die Überschreitung der Wochenfrist für die Beantwortung schriftlicher Fragen gemäß Nr. 15 Abs. 3 der Richtlinien für die Fragestunde Schriftliche Fragen 12 bis 15 Rolf Schwanitz (SPD) Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Rolf Schwanitz (SPD) Mündliche Frage 22 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Besuch ausgewählter Wahlkreise des -„nanoTrucks“ bis zur Bundestagswahl Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 24 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Kommunikative Begleitung der Hightech-Strategie Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfragen Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 25 Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Zusammenhang zwischen der Hightech-Strategie und der Zunahme der Beschäftigungszahlen in Forschung und Entwicklung in Deutschland Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Zusatzfrage Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) Mündliche Frage 39 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Sicherheitslage in Afghanistan Antwort Michael Link, Staatsminister AA Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 42 Heike Hänsel (DIE LINKE) Unkenntnis bezüglich der US-Drohnen-Kriegsführung von deutschem Boden aus Antwort Michael Link, Staatsminister AA Zusatzfragen Heike Hänsel (DIE LINKE) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Fragen 56 und 57 Katja Kipping (DIE LINKE) Vorlage der Vorarbeiten für die Berichtspflicht nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Katja Kipping (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Mündliche Fragen 58 und 59 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Vorschläge zur Weiterentwicklung der -Methoden zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 SGB XII insbesondere von Kindern und Jugendlichen Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Zusatzfragen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Mündliche Frage 63 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr wegen Ankaufs fehlerhafter G36-Gewehre durch die Bundeswehr Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Verwendung von Drohnentechnologie durch die Bundeswehr Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU) Rainer Arnold (SPD) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMVg Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD) Rainer Erdel (FDP) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD) Florian Hahn (CDU/CSU) Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) Henning Otte (CDU/CSU) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede der Abgeordneten Marlene Mortler (CDU/CSU) zur Beratung der Beschlussempfehlung zu dem Bericht: Reisen für alle – Für einen sozialen Tourismus (240. Sitzung, Tagesordnungspunkt 50) Anlage 3 Erklärungen nach § 31 Geschäftsordnung zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht (Tagesordnungspunkt 1b) Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Marco Buschmann (FDP) Torsten Staffeldt (FDP) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Anlage 4 Mündliche Frage 3 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fortschritte des BMU bezüglich einer Stellungnahme zum Genehmigungsentwurf des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit zur Leistungs-erhöhung des Atomkraftwerks Gundremmingen und weitere Planungen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 5 Mündliche Frage 4 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Treffen des BMU mit den vier großen Atomenergiekonzernen seit April 2013 zur Zwischenlagerung radioaktiver Wiederaufarbeitungsabfälle aus England und Frankreich und zukünftige Termine Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 6 Mündliche Frage 7 Frank Schwabe (SPD) Geplante Regelungen zur Verwendung von wassergefährdenden oder toxischen Stoffen bei Fracking-Maßnahmen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 7 Mündliche Frage 8 Frank Schwabe (SPD) Konzept für den geplanten „Klub der Energiewendestaaten“ Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 8 Mündliche Frage 9 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zulässigkeit des Fracking-Verfahrens in der Umgebung von Wasserbezugsquellen der Lebensmittelindustrie im Gesetzentwurf zum Thema Fracking und Bedenken des Deutschen Brauer-Bundes Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 9 Mündliche Frage 10 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konkrete Beschlüsse des „Klubs der Energiewendestaaten“ und weitere geplante Treffen Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 10 Mündliche Frage 11 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mehrwert des „Klubs der Energiewendestaaten“ Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 11 Mündliche Frage 12 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konzeptionelle Vorlage des „Klubs der Energiewendestaaten“ zur Bewertung beim Deutschen Bundestag Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 12 Mündliche Fragen 13 und 14 Ute Vogt (SPD) Anerkennung deutscher Zertifizierungssysteme für die Nachhaltigkeit von Biomasse auf EU-Ebene Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 13 Mündliche Frage 15 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsparungen von EEG-Umlagekosten bei Photovoltaikanlagen durch Eigenverbrauch Antwort Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 14 Mündliche Frage 16 Willi Brase (SPD) Auswahlkriterien der 18 Standorte des „nanoTrucks“ des BMBF bis zur Bundestagswahl 2013 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 15 Mündliche Frage 17 Willi Brase (SPD) Information der Oppositionspolitiker über eine mögliche Einladung des „nanoTrucks“ in den Wahlkreis Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 16 Mündliche Frage 18 Michael Gerdes (SPD) Reiseroute des „nanoTrucks“ Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 17 Mündliche Frage 19 Michael Gerdes (SPD) Halt des „nanoTrucks“ in Barth am 5. und 6. August 2013 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 18 Mündliche Frage 23 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Schlussfolgerungen aus dem Bürgerreport „Demographischer Wandel“ betreffend die Änderung des Grundgesetzes hinsichtlich der Gesamtverantwortung in der Bildungspolitik und etwaige Änderung des Art. 91 b GG im Hinblick auf das Bürgerbeteiligungsverfahren Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 19 Mündliche Fragen 26 und 27 René Röspel (SPD) Von der Hightech-Strategie profitierende Wirtschaftsbereiche und Effekte im -Bereich Forschung und Entwicklung Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 20 Mündliche Frage 28 Klaus Hagemann (SPD) Vorlage der Vorschläge für einen Zukunftspakt 2022 durch die Verwaltungskommission des Wissenschaftsrates; -zukünftige Ausrichtung des Wissenschaftssystems Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 21 Mündliche Frage 29 Klaus Hagemann (SPD) Stand der Projektförderung des BMBF; Vorlage der Evaluierungen zu den neuen Instrumenten im Wissens- und Technologietransfer Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 22 Mündliche Frage 30 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Zahl der Anrufe zu den Themen „Forschungsförderung“ und „Lotsendienst für Unternehmen“ beim BMBF seit Beginn 2013 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 23 Mündliche Frage 31 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Zahl der Anrufe zu den Themen „Bildungsprämie“ und „Deutschlandstipendium“ beim BMBF seit Beginn 2013 Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 24 Mündliche Frage 32 Oliver Kaczmarek (SPD) Einrichtung einer Prüfstelle für bildungsgefährdende Unterrichtsmaterialien Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 25 Mündliche Frage 33 Oliver Kaczmarek (SPD) Zukünftige Förderung von Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland durch den Europäischen Sozialfonds Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 26 Mündliche Fragen 34 und 35 Christel Humme (SPD) Verbesserung der Frauenförderung in der Wissenschaft Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 27 Mündliche Frage 36 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gründe für die von Bundesminister Rösler geänderte Position zum Entwurf der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie der EU Antwort Hans-Joachim Otto, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 28 Mündliche Frage 37 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einschränkung der kommunalen Wasserversorger mit Minderheitenbeteiligung von privaten Anteilseignern durch die geplante Konzessionsrichtlinie der Europäischen Union Antwort Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 29 Mündliche Frage 38 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vereinbarkeit der Entrichtung einer Aufbausteuer durch eritreische Staatsangehörige mit Abs. 10 und 14 der UN-Sicherheitsresolution 2023 Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 30 Mündliche Fragen 40 und 41 Dr. Rolf Mützenich (SPD) Tödliche Kampfdrohneneinsätze in Somalia von in Deutschland stationierten US-Streitkräften Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 31 Mündliche Frage 43 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Prozess gegen den US-Obergefreiten -Bradley Manning in den USA und Gewährleistung menschenwürdiger Haftbedingungen Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 32 Mündliche Frage 44 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Einstufung militärischer Vorgänge in Syrien und der Türkei als geheime Verschlusssache Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 33 Mündliche Frage 45 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Umfang der deutschen humanitären Hilfe für Menschen mit Behinderungen, insbesondere Kinder mit Behinderungen Antwort Michael Link, Staatsminister AA Anlage 34 Mündliche Fragen 46 und 47 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einbürgerungsanträge von in Deutschland lebenden Verurteilten des Sivas-Massakers und türkische Auslieferungsersuche Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 35 Mündliche Frage 48 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Vorliegende und geplante Publikationen zu den Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Organspendeausweis und Testament Antwort Dr. Birgit Grundmann, Staatssekretärin BMJ Anlage 36 Mündliche Frage 49 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Bereits erfolgte Maßnahmen zum Thema Ghettorenten und etwaiger weiterer Handlungsbedarf Antwort Dr. Birgit Grundmann, Staatssekretärin BMJ Anlage 37 Mündliche Frage 50 Andrej Hunko (DIE LINKE) Verstoß der Verordnung des andalusischen Parlaments zum Schutz vor Zwangsräumungen gegen die Auflagen des Memorandums of Understanding der Troika Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 38 Mündliche Frage 51 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus der Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zu Aufkommen und Bemessungsgrundlage der Unternehmensbesteuerung Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 39 Mündliche Frage 52 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Fiskalische Folgen durch die Regelung zur steuermindernden Realisierung von stillen Lasten und Bedenken gegen den diesbezüglichen Vorschlag der Länder Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 40 Mündliche Frage 53 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Beschäftigungsförderung durch Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleitungen nach § 35 a Einkommensteuergesetz Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 41 Mündliche Frage 54 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Einbindung des Bundeszentralamtes für Steuern in die Überprüfung von Rentenmitteilungen hinsichtlich einer Steuerpflicht Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 42 Mündliche Frage 55 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Steuervorteile bundeseigener -Unternehmen durch die Ansiedlung im Ausland Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 43 Mündliche Fragen 60 und 61 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Branchen mit höchster bzw. niedrigster Reallohnentwicklung und Entwicklung der Tarifbindung in diesen Branchen seit 2003; Zusammenhang von Tarifbindung und Lohnentwicklung Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 44 Mündliche Fragen 64 und 65 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Übersendung von Beschaffungsunterlagen der Aufklärungsdrohne Euro Hawk an den Bundesrechnungshof; Kenntnis und -Reaktion der Bundeskanzlerin Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 45 Mündliche Fragen 66 und 67 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zulassungsziel des Entwicklungsvertrags des Euro Hawk; voraussichtliche Probleme bei der Zulassung der Global-Hawk-Drohnen Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 46 Mündliche Fragen 68 und 69 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Prüfungen des Global Hawk nach dem Bericht des US-Operational Test and Evaluation Centers; Folgen der Einstellung der Serienbeschaffung des Euro Hawk Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 47 Mündliche Fragen 70 und 71 Inge Höger (DIE LINKE) Einfluss gesellschaftspolitischer Debatten auf die Beschaffung bewaffneter, unbemannter Flugsysteme und Kündigung der Verträge zum Euro Hawk mit Northrop Grumman Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 48 Mündliche Frage 72 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vergleich der italienischen Zulassung für die NATO-AGS-Drohnen mit Euro Hawk; etwaiger Einsatz auf deutschem Hoheitsgebiet Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 49 Mündliche Fragen 73 und 74 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsicht in die Musterunterlagen von -Northrop Grumman zu Euro Hawk und fehlender Einbau eines Antikollisionssystems Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 50 Mündliche Fragen 75 und 76 Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Änderung des Zulassungsziels im Euro-Hawk-Entwicklungsvertrag und diesbezügliche Warnungen des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 51 Mündliche Fragen 77 und 78 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnis über die Einstellung der US-Beschaffung des Global Hawk Block 20/30 und Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der langfristigen Versorgung der deutschen Euro-Hawk-Flotte; Zuständigkeit für die Prototypenprüfung des Euro Hawk Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 52 Mündliche Frage 79 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Zugang des Bundesrechnungshofes zu den angeforderten Unterlagen der Drohne Euro Hawk im BMVg Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 53 Mündliche Frage 80 Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Erkenntnisprozess des BMVg zum unverhältnismäßigen Aufwand für eine Musterzulassung der Drohne Euro Hawk Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 54 Mündliche Fragen 81 und 82 Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weiterführung des Euro-Hawk-Programms und Kosten für die Zulassung Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 55 Mündliche Fragen 83 und 84 Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Berücksichtigung der Preiskalkulation eines überarbeiteten Angebots des Herstellers bei der Fortführung des Euro-Hawk-Programms 2013 Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 56 Mündliche Fragen 85 und 86 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Weitergabe von Unterlagen des BMVg an den Bundesrechnungshof im Fall Euro Hawk Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 57 Mündliche Frage 87 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zulassung der Drohne Euro Hawk für den US-Luftraum vor der Überführung nach Deutschland Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 58 Mündliche Frage 88 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorgesehenes Kollisionswarnsystem für Euro Hawk und Regressansprüche bei Vertragsunterzeichnung 2007; bisheriger Verzicht auf eine Nachrüstung Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 59 Mündliche Frage 89 Susanne Kieckbusch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verweigerung der Herausgabe von Dokumenten des BMVg an den Bundesrechnungshof seit 2007 Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 60 Mündliche Frage 90 Susanne Kieckbusch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatzkosten im Zusammenhang mit dem Euro-Hawk-Programm wie Dienstreisen oder Infrastrukturmaßnahmen Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 61 Mündliche Fragen 91 und 92 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Strategischer Zusammenhang zwischen der Neuausrichtung der Bundeswehr und der Drohnenrüstung; Einsatzzweck bewaffneter Drohnen Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 62 Mündliche Frage 93 Heike Hänsel (DIE LINKE) Rechtliche und technische Möglichkeiten für den Einsatz des SIGINT-Spionagesystems ISIS über europäischem Territorium Antwort Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 63 Mündliche Frage 94 Andrea Wicklein (SPD) Sicherung des im Jahr 2014 geplanten Ausbaus der A 10 bei Michendorf hinsichtlich des solaren Lärmschutzes Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 64 Mündliche Fragen 95 und 96 Gustav Herzog (SPD) Vorlage der Änderung der Verkehrslärmschutzverordnung beim Deutschen Bundestag und berücksichtigte Änderungsvorschläge Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 65 Mündliche Fragen 97 und 98 Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) Übernahme des Küstenschutzes von Helgoland durch den Bund Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 66 Mündliche Fragen 99 und 100 Uwe Beckmeyer (SPD) Finanzierung der Bestandssicherung Helgolands und etwaige Neuordnung der -Unterhaltungszuständigkeit sowie entsprechende Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 67 Mündliche Frage 101 Andrej Hunko (DIE LINKE) Beteiligung von Bundesbehörden bei der Überwachung von Anlagen der Deutschen Bahn mit fliegenden Kameras Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 68 Mündliche Frage 102 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steuervorteile durch die Ansiedlung der Deutsche Bahn Finance B. V. in den Niederlanden Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Inhaltsverzeichnis 242. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 5. Juni 2013 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 e auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Ulrich Schneider, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abschaffung des Optionszwangs – Ausdruck einer offenen Gesellschaft – Drucksache 17/13488 – b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht – Drucksache 17/542 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) – Drucksache 17/13312 – Berichterstattung: Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Memet Kilic c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Rüdiger Veit, Gabriele Fograscher, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren – Mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen – zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Da?delen, Diana Golze, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Für gleiche Rechte – Einbürgerungen erleichtern – Drucksachen 17/7654, 17/12185, 17/13312 – Berichterstattung: Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Memet Kilic d) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Dr. Konstantin von Notz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht – Drucksache 17/12193 – Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) – Drucksache 17/13299 – Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Serkan Tören Sevim Da?delen Memet Kilic e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Da?delen, Jan Korte, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE 50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen – Assoziationsrecht wirksam umsetzen – Drucksachen 17/7373, 17/13299 – Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Serkan Tören Sevim Da?delen Memet Kilic Über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen, wobei die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zehn Minuten erhalten soll. – Sind alle damit einverstanden? – Dann haben wir das gemeinsam so beschlossen. Ich eröffne nun die Aussprache. Als Erste hat in unserer Aussprache unsere Kollegin Frau Renate Künast für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin Renate Künast. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle reden immer über Integrationspolitik. Schauen wir einmal, was darunter verstanden wird. Ich denke, nachhaltige Integrationspolitik sollte für eines sorgen, nämlich dass Zuwanderer am Ende schnellstmöglich Deutsche werden können und werden wollen. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Nein, sie sollen integriert sein! Das ist es!) – Beides gehört dazu. Es wäre ja ein weißer Schimmel, wenn Integrationspolitik heißen würde, dass man integriert ist. Ich meine, das Ziel – man muss ja eine Vorstellung davon haben – von Integrationspolitik muss sein, diesen Weg zu eröffnen, dass man möglichst schnell die Staatsangehörigkeit haben kann und auch den Wunsch entwickelt, sie zu haben. (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Sie können auch Deutscher sein, ohne integriert zu sein! – Gegenruf des Abg. Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lassen Sie sie doch einmal was sagen!) – Dann kommt er ja nicht zu Wort, wenn er nicht von Anfang an dazwischenruft. Oder? Das grüne Motto ist jedenfalls, eine Perspektive auf die Staatsangehörigkeit zu haben. Ich will klarstellen, dass das natürlich Verantwortung auf beiden Seiten hervorruft: zum einen die Verantwortung von Staat und Gesellschaft, von denen, die schon hier sind und hier leben, jedem Menschen Teilhabe zu ermöglichen und ihn aufzunehmen, jedem Menschen die Chance zu geben, Teil zu sein bzw. zu werden und die Chance auf sozialen Aufstieg zu geben. Zum anderen haben die Zuwanderer eine spiegelbildliche Aufgabe, nämlich einen eigenen Beitrag zu leisten, um tatsächlich teilzuhaben. Was gehört alles dazu? Was sind die Leitlinien? Dazu gehört die Förderung des Spracherwerbs bzw. der Nutzung solcher Maßnahmen. Es gehört dazu, dass das Bildungssystem gezielt ausgerichtet wird für Menschen, die mit bestimmten Schwächen, zum Beispiel Sprachschwächen oder kulturellem Anderssein, kommen, damit sie sich im System aufgenommen fühlen und sich entwickeln können. Genauso verhält es sich auf dem Arbeitsmarkt. Auch dort muss es Chancengleichheit geben. Diese Chancen sollen die, die zuwandern, dann bitte auch ergreifen. Es geht aber auch um politische Teilhabe, und zwar um mehr, als in irgendwelchen Ausländerbeiräten mitarbeiten zu können, und um den Schutz vor Diskriminierung. Wenn ich all das sage, fühle ich mich selber fast schon wieder unwohl. Warum? Weil ich weiß, dass es in diesem Land unheimlich viele Leute mit Migrationshintergrund gibt, die sich mit großen Augen ansehen und fragen: Wieso sagen die mir das? Ich mache das schon alles. – Es gibt wahnsinnig viele Leute mit Migrationshintergrund in diesem Land, die besser Deutsch sprechen als mancher Deutsche und manche Deutsche. Die sind längst integriert, sie gestalten das Land mit, sie leisten ihren Beitrag und fördern am Ende als Mentoren sogar andere. Auch das gilt es in dieser Debatte anzuerkennen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Was uns immer noch fehlt, ist, anzuerkennen, dass zu dieser Vielfalt auch Mehrstaatigkeit gehört. Wir haben ein komisches System: Auf der einen Seite akzeptieren wir Mehrstaatigkeit bei US-Bürgern, wir akzeptieren Mehrstaatigkeit bei ungefähr 2 Millionen EU-Bürgern, wir akzeptieren Mehrstaatigkeit bei circa 3 Millionen Spätaussiedlern und Spätaussiedlerinnen. Gleichzeitig haben wir ein Staatsangehörigkeitsgesetz, das Mehrstaatigkeit bei vielen jungen Leuten, die hier geboren und aufgewachsen sind, nicht zulässt. Dabei sind sie Deutsche und fühlen sich auch so, oder sie fühlen sich zumindest wie die Mitglieder des Vereins DeuKische Generation, weil sie eben auch andere Wurzeln und Bezüge haben. Das „D“ steht aber vorne: DeuKische Generation. Das ist doch eine Identifikation. Unsere Frage ist daher: Warum zwingen wir diese jungen Deutschen eigentlich, sich zu entscheiden, ob sie diesen oder jenen Pass haben wollen? Dieser Optionszwang ist ein politischer Fehler; darum geht es heute. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir machen Menschen, die zum Großteil sogar hier geboren sind, also geborene Deutsche sind, zu Ausländern in ihrem eigenen Land. Das ist doch Irrsinn. Derzeit sind 300 000 junge Deutsche dem Optionszwang, sich zwischen der einen und der anderen Staatsangehörigkeit zu entscheiden, unterworfen. 70 Prozent von ihnen haben türkische Wurzeln. Das zeigt uns, dass dieser Optionszwang zielgerichtet in eine Richtung ausgeübt wird. Meine Damen und Herren, was für ein Bild vermitteln wir eigentlich diesen jungen Leuten? Bis 2017 gibt es jährlich 3 000 bis 7 000 optionspflichtige Menschen. Ab 2018 werden es sogar noch deutlich mehr sein. Zwei Drittel aller Optionspflichtigen sagen, sie würden gerne den Doppelpass haben, und warten auf eine neue Mehrheit im Deutschen Bundestag. Ich glaube, heute und hier ist der Tag gekommen – (Serkan Tören [FDP]: Das stand nicht in der Studie drin!) – Dass Sie jetzt als weltläufige FDP hier einen Zwischenruf machen, ist putzig. Aber gut. (Serkan Tören [FDP]: Der letzte Satz mit dem Regierungswechsel stand nicht in der Studie drin! Der ist von Ihnen erdacht!) – Dass der Regierungswechsel erdacht ist – ja, den Zwischenruf verstehe ich angesichts der neuesten Umfragen für die FDP. Ich stand ein bisschen auf der Leitung. Entschuldigen Sie bitte. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Soll ja vorkommen!) Wieder zum Thema: Es wäre richtig, meine Damen und Herren, dass wir jetzt aus dem jahrzehntelangen Tiefschlaf erwachen; das gilt vor allem für die Konservativen. Wir müssen endlich Schluss machen mit der Politik des erhobenen Zeigefingers und der Politik des Stillstands. Fragen Sie doch einmal Leute wie Navid Kermani oder Shermin Langhoff, die als Kulturschaffende hier hochgehalten und sozusagen beweihräuchert werden, wie sie sich fühlen, wenn ihnen so entgegengetreten wird. Fragen Sie doch einmal junge Leute in Deutschland, wie sie sich fühlen, wenn auf die Frage, woher sie kommen, und sie „aus Deutschland“ oder „aus Berlin“ antworten, geantwortet wird: Nein, so siehst du doch gar nicht aus. Lassen Sie uns mit einem neuen Staatsangehörigkeitsrecht den Leuten die Chance geben, ein Teil von uns zu sein und sich in dieser Frage nicht mehr zwangsweise entscheiden zu müssen. Ich glaube, zu einem modernen Land gehört der Respekt davor, dass Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, ihren Teil zur Struktur des Landes beigetragen haben. Damit alle die gleichen Chancen bekommen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) sollten wir am heutigen Tag – dazu fordere ich Sie auf – den Optionszwang abschaffen. Davon profitieren nicht nur die, die jetzt unter Druck stehen. Davon werden am Ende ganz Deutschland und Europa profitieren. Darum geht es heute. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE]) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Bundesregierung der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder. Bitte schön, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Frau Künast, als ich Ihre Rede gerade eben gehört habe, ist mir klar geworden, dass Sie von Ihrem Konzept, jedem voraussetzungslos die Staatsbürgerschaft zu geben, auch nicht mehr wirklich überzeugt sind. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie uns jetzt den finanziellen Teil erklären, oder was?) Ich finde es gut, dass wir gerade im Vorwahlkampf diese Anträge der Opposition zur Einbürgerung und zum Optionsmodell diskutieren. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir können auch gerne über Miete diskutieren! Wir kriegen Sie am Ende doch!) Es ist wichtig im Vorwahlkampf, weil dadurch die Unterschiede insbesondere zur Unionspolitik deutlich werden. Sie wollen die Voraussetzungen für die Einbürgerung deutlich absenken. Sie wollen das Optionsmodell abschaffen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Immerhin haben Sie das verstanden!) Unabhängig davon, ob sich jemand integriert hat und bereit ist, sich für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden, will die linke Seite dieses Hauses die Staatsangehörigkeit vergeben. (Aydan Özo?uz [SPD]: Namentlich die FDP!) Ihre Vorschläge dazu lauten unter anderem: Sie wollen die Zeit, die man vor der Einbürgerung in Deutschland gelebt haben muss, reduzieren. Sie wollen auch diejenigen einbürgern, die weder Deutsch lesen noch schreiben können. (Aydan Özo?uz [SPD]: Das ist bei Geburt auch schwer möglich! – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt auch Deutsche, die nicht lesen und schreiben können! Wollen Sie die ausbürgern, oder was?) Nicht zuletzt wollen Sie auch diejenigen einbürgern, die in Deutschland von Sozialleistungen leben. Nach diesen Vorstellungen wäre es in Deutschland leichter, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten als eine Niederlassungserlaubnis. Das ist mit Sicherheit nicht das richtige Konzept. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung!) Sie wollen aus parteipolitischen Gründen – das ist hier eben deutlich geworden, als Sie die möglichen Wählerschichten angesprochen haben – (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und jetzt zu Merkels Mietrecht!) die deutsche Staatsbürgerschaft verramschen; um nichts anderes geht es Ihnen. (Beifall des Abg. Holger Krestel [FDP]) Für uns, die Union, steht die Einbürgerung am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses, und nicht, wie Sie es eben gesagt haben, am Anfang, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch alle integriert! Die machen exzellente Staatsexamen in Jura! Was wollen Sie da noch integrieren? Das ist doch Quatsch!) nach dem Motto: Wenn ich jemandem die deutsche Staatsbürgerschaft schenke, dann ist er automatisch integriert. So funktioniert es eben nicht. Das geltende deutsche Staatsangehörigkeitsrecht eröffnet jedem, der sich wirklich integrieren will, seinen Weg zum deutschen Pass. Wer nach acht Jahren bei uns Deutscher werden will, kann sich nicht nur einbürgern lassen, nein, er hat sogar einen Anspruch darauf. Das ist im internationalen Vergleich die absolute Ausnahme. Voraussetzungen hierfür sind im Wesentlichen ausreichende Sprachkenntnisse, Integrationsbereitschaft und die Bereitschaft, selbst für den Lebensunterhalt aufzukommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist positiv, dass die Zahl der Einbürgerungen unter dieser Regierung deutlich gestiegen ist und heute 17 Prozent über dem Niveau von 2008 liegt, (Rüdiger Veit [SPD]: Wenn überhaupt, dann trotz dieser Regierung!) und das eben ohne eine Absenkung der Einbürgerungsvoraussetzungen. Denn es zeigt sich, dass diese Voraussetzungen akzeptiert sind, gerade bei denjenigen, die sie betreffen. Jetzt komme ich zum Optionsmodell. Aufgrund des Jus Soli bekommen in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern bereits in der ersten Generation mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit. (Aydan Özo?uz [SPD]: Das ist eigentlich die zweite Generation! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Die erste Geburtsgeneration!) Das geht deutlich weiter als die Regelungen in den vielen Ländern, die Sie als vermeintlich glorreiche Vorbilder hinstellen. Über 450 000 Kinder ausländischer Eltern haben auf diesem Wege die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Sie müssen sich allerdings nach Erreichen der Volljährigkeit zwischen der deutschen und der ausländischen Staatsangehörigkeit entscheiden. (Aydan Özo?uz [SPD]: Aber nicht alle!) Jeder junge Mensch, der sich dabei für Deutschland entscheidet, kann seinen deutschen Pass behalten. (Aydan Özo?uz [SPD]: Das ist ja eine Gnade!) Die jungen Menschen entscheiden sich für Deutschland: Über 98 Prozent der jungen Menschen, die ihr Optionsrecht bisher ausgeübt haben, (Aydan Özo?uz [SPD]: Das sind ja noch gar nicht die!) sprechen sich für die deutsche Staatsangehörigkeit aus. Dieser Trend sollte uns doch optimistisch stimmen. Denn wir sehen: Wer sich jahrelang in Deutschland aufhält, wer hier geboren ist, wer Deutschland kennt, der hält unser Land für so attraktiv, dass er hier seine Zukunft sieht und sich für Deutschland entscheidet. Vor diesem Hintergrund ist es umso bedauerlicher, dass Sie von der Opposition gerade jetzt das Optionsmodell abschaffen wollen, das wir quasi in einer Großen Koalition beschlossen haben. (Rüdiger Veit [SPD]: Nee, nee, nee! Wir haben es leider nicht abschaffen können! – Mechthild Rawert [SPD]: Nein, nein, nein! Ich nicht! Ich habe nicht zugestimmt!) Sie wollen das Optionsmodell ohne fundierte Sachgrundlage abschaffen. Lassen Sie uns doch, bevor wir diesen Diskurs starten, zumindest den ersten Optionsjahrgang abwarten. Dann können wir uns gerne darüber unterhalten. Aber momentan sieht es so aus, dass dieses Optionsmodell eher ein Erfolgsmodell ist. Meine Damen und Herren, Sie wollen aber nicht nur das Optionsmodell abschaffen; Sie wollen Mehrstaatigkeit generell zulassen (Mechthild Rawert [SPD]: Sehr gut!) und es dem Einzelnen überlassen, wie viele Staatsangehörigkeiten er denn nun sammelt. Wir lehnen diese generelle Hinnahme der Mehrstaatigkeit ab, (Aydan Özo?uz [SPD]: Aber auch nicht bei allen!) da sie zu großen Problemen führen kann. Für uns ist es Ausdruck gelungener Integration, dass sich ein Mensch positiv für Deutschland entscheidet und sich zu diesem Land bekennt. Dies geschieht eben auch ganz wesentlich durch die Aufgabe der alten Staatsbürgerschaft, (Aydan Özo?uz [SPD]: Ach so! Die anderen sind alle nicht loyal?) wenn dies für den Betroffenen zumutbar ist. Wir müssen doch der Realität ins Auge sehen: Durch die Mehrstaatigkeit wird eben auch die Gefahr erhöht, dass andere – – Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Parlamentarischer Staatssekretär, gestatten Sie eine Zwischenfrage? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich möchte diesen Satz noch zu Ende führen. – Durch die Mehrstaatigkeit wird gerade die Gefahr erhöht, dass sich andere Staaten als eine Art Nebenregierung für Menschen mit mehreren Staatsangehörigkeiten sehen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?) In der Vergangenheit haben wir Versuche gerade vonseiten der türkischen Regierung erlebt, sich in interne deutsche Angelegenheiten einzumischen, (Mechthild Rawert [SPD]: Wo denn?) und sich geradezu als Parallelregierung für die Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit in Deutschland zu gerieren. (Mechthild Rawert [SPD]: So ein Kappes!) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Volker Beck, bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Kollege Schröder, Sie haben eben gesagt, die Optionspflicht richte sich vor allen Dingen gegen die Menschen, die aus der Türkei stammen. Das ist folgerichtig. Wir dagegen sind wie die USA und andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Polen!) der Auffassung, dass das Bekenntnis zu Deutschland nicht dadurch infrage gestellt wird, dass die Menschen ihren alten Pass, den ihrer Eltern und Großeltern, einfach behalten. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Warum muten wir den Menschen, die aus der Türkei zu uns eingewandert sind, und ihren Kindern, die hier geboren sind, diese Entscheidung zwischen der Tradition ihrer Familie und dem Land, in dem sie leben und leben wollen und das sie als einziges richtig kennen, zu? Warum spalten Sie Familien und treiben die Kinder zu dieser Entscheidung? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bin ich gespannt!) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Lieber Kollege Beck, das Optionsmodell richtet sich überhaupt nicht gegen ein bestimmtes Land oder gegen Menschen mit einem bestimmten Migrationshintergrund. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Aydan Özo?uz [SPD]: Das klang aber bei Ihnen anders!) Das ist schlichtweg falsch. Es ist doch so: Innerhalb Europas, mit den gemeinsamen Institutionen, mit der Idee der gemeinsamen europäischen Staatsbürgerschaft, die sich entwickelt, (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: USA! Japan! Iran!) gibt es weniger Loyalitätskonflikte als beispielsweise mit einer Regierung eines Drittstaates, insbesondere mit der türkischen Regierung. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind die Vereinigten Staaten nicht auch irgendwo so ein Drittstaat?) Es ist auch zu beobachten, dass sich Doppelstaatler zum Beispiel durch Flucht in das entsprechende Herkunftsland einer Strafverfolgung entziehen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! Totaler Blödsinn! – Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Alle Steuerflüchtlinge sind jetzt also Optionsmodelle! So ein Blödsinn!) Diese Probleme müssen wir im Blick behalten. Die Betroffenen, die einen deutschen Pass haben, entscheiden sich nicht gegen ihre soziale und kulturelle Herkunft, wie Sie ihnen das immer einreden wollen, sondern für eine Zukunft in Deutschland. Sie können weiterhin ihre Muttersprache pflegen, Kontakt zu ihrer Familie halten, und sie können immer wieder in das Herkunftsland ihrer Eltern reisen. Durch die Einführung des Optionsmodells ändert sich das doch nicht. Kulturelle und gesellschaftliche Vielfalt ist nicht abhängig von Mehrstaatigkeit. Die Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat auch ganz deutlich gemacht – anders als Sie es immer darstellen –, dass sich kein Riss durch die Familien zieht, wenn sich die Kinder für Deutschland entscheiden. Im Gegenteil: Das wird akzeptiert, weil es als Ausdruck der Integration gesehen wird. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie achten auf Ihre Redezeit? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Fakten zeigen: Wir sind ein weltoffenes Land. Wir haben eine Willkommenskultur. (Mechthild Rawert [SPD]: Wir wollen eine Anerkennungskultur!) Ein solches erfolgreiches System muss man nicht ändern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Thomas Oppermann. Bitte schön, Kollege Thomas Oppermann. (Beifall bei der SPD) Thomas Oppermann (SPD): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Schröder, wo immer Sie politisch herkommen, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Aus Deutschland kommt er!) Ihre Rede hat gezeigt: In Europa jedenfalls sind Sie politisch noch nicht angekommen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nach Ihrer Vorstellung gibt es in der Europäischen Union 26 Nebenregierungen, die 2 Millionen EU-Bürger in Deutschland dirigieren. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Reden Sie hier als Mitglied des Schattenteams?) Das scheint ein Eingriff in unsere nationalstaatliche Souveränität zu sein. So haben Sie eben sinngemäß argumentiert. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit Ihrem Festklammern an der doppelten Staatsangehörigkeit befinden Sie sich mental immer noch auf der Höhe des nationalistischen Denkens aus der Kaiserzeit. (Serkan Tören [FDP]: Festhalten an der doppelten Staatsangehörigkeit?) Ihr Standpunkt ist aus dem letzten bzw. vorletzten Jahrhundert. Kommen Sie endlich aus Ihrer Ecke heraus, und gestalten Sie mit uns zusammen ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht für ein modernes Deutschland! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rot-Grün und Bundeskanzler Schröder haben vor 14 Jahren die erste große Modernisierung unseres Staatsangehörigkeitsrechtes auf den Weg gebracht. Erstmals wurde geregelt, dass die Kinder von längerfristig in Deutschland lebenden Einwohnern automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Das war eine fundamentale Abkehr vom Reichs- und Staatsangehörigkeitsrecht der Kaiserzeit, und es stellte eine klare Zäsur in der Einwanderungspolitik dar mit einer klaren Absage an nationalistische Deutschtümelei, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Endlich haben wir der Tatsache Rechnung getragen, dass wir eine Einwanderungsgesellschaft sind. (Siegfried Kauder [Villingen-Schwenningen] [CDU/CSU]: Reden Sie mal schneller, Frau Künast muss weg!) In diesem Land leben 15 Millionen Menschen, Herr Kauder, die entweder Einwanderer sind oder direkt von Einwanderern abstammen. Diese Menschen dürfen nicht länger Bürgerinnen und Bürger zweiter Klasse sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie leben ganz überwiegend dauerhaft bei uns. Sie arbeiten hier, zahlen ihre Steuern, zahlen Sozialversicherungsbeiträge. Deshalb brauchen wir faire Regeln beim Zugang zur vollen Staatsbürgerschaft. Wir wollen die Einbürgerung erleichtern, wir wollen die doppelte Staatsangehörigkeit ermöglichen, und wir wollen endlich Schluss machen mit der unwürdigen Praxis des Optionszwanges. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Fast eine halbe Million junger Menschen muss sich in den nächsten 15 Jahren entscheiden, ob sie Deutsche bleiben wollen oder Ausländer werden müssen. Dabei ist für zwei Drittel von ihnen völlig klar, dass sie beide Staatsangehörigkeiten behalten wollen. Was ist das für ein Signal an junge Menschen, die 23 Jahre lang Deutsche sind und sich jetzt gegen die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern und Großeltern, gegen ihre Herkunft entscheiden müssen, um Deutsche bleiben zu können? Was ist das für ein Staatsangehörigkeitsrecht, das aus Deutschen Ausländer macht? – Das ist ein absurdes Staatsangehörigkeitsrecht, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Merkel hat sich auf dem jüngsten Integrationsgipfel für eine Willkommenskultur ausgesprochen. Dieses Staatsangehörigkeitsrecht ist keine Willkommensgeste, kein Angebot zur Integration, sondern eine Aufforderung, sich gegen die eigene Herkunft, gegen die eigenen familiären und kulturellen Wurzeln abzugrenzen. Das muss aufhören, das müssen wir schnell ändern; denn wir sind in Deutschland auf Einwanderer angewiesen. Deutschland wird in Europa und der Welt nur bestehen, wenn wir junge Menschen dafür begeistern können, nach Deutschland zu kommen und hier zu bleiben. Es mag ja sein, dass in Zeiten strukturell hoher Arbeitslosigkeit viele die Einwanderung als Belastung gesehen haben. In Zeiten des Fachkräftemangels aber ist die Einwanderung keine Belastung, sondern eine Chance. Das müssen Sie endlich begreifen, meine Damen und Herren von der Union. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen den jungen Menschen dafür das Gefühl geben: Ihr seid willkommen, ihr gehört zu uns. Ihr könnt hier in unserer Gesellschaft Verantwortung übernehmen, ihr könnt hier arbeiten und Staatsbürger sein. Deutschland muss endlich auch auf Augenhöhe mit anderen modernen Demokratien dieser Welt – wie den USA, Kanada, Frankreich, Großbritannien, Schweden, Finnland und Dänemark – kommen. Die Mehrheit der Länder auf dieser Welt akzeptiert bereits die doppelte Staatsangehörigkeit. In diesen Ländern gibt es viel höhere Einbürgerungsquoten. In ihnen können Menschen mit Migrationshintergrund die Gesellschaft aktiv mitgestalten. Sie können mitbestimmen, wofür der Staat sein Geld ausgeben soll. Sie haben volle Rechte bei den Wahlen, und sie können den Kurs des Landes beeinflussen. Deshalb, meine Damen und Herren: Statt Ausbürgerungen brauchen wir mehr Einbürgerungen in Deutschland! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Damit diejenigen, die einen Anspruch auf Einbürgerung haben, sich auch einbürgern lassen, müssen wir darum werben. Olaf Scholz als Erster Bürgermeister in Hamburg verschickt jeden Monat – wenn ich das zum Schluss noch berichten darf – 4 000 Briefe an solche Zuwanderer, die die Voraussetzungen für eine Einwanderung erfüllen. Er lädt sie ein, Deutsche zu werden. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wie viele haben das schon angenommen?) Olaf Scholz versteht das als große Einladung, weil der Zusammenhalt der Gesellschaft davon abhängt, dass wir uns als Bürgerschaft verstehen. Diejenigen, die sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden und eingebürgert werden, werden zu einer Einbürgerungsfeier eingeladen. Die Folge ist, dass die Zahl der Einbürgerungen in Hamburg innerhalb eines Jahres um 40 Prozent gestiegen ist. So müssen wir es machen, meine Damen und Herren, damit unsere Einwanderungsgesellschaft zu einer Bürgergesellschaft wird, zu einer Gesellschaft gleichberechtigter Bürger. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Hartfrid Wolff. Bitte schön, Kollege Wolff. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wieder einmal fordert die SPD die Abschaffung des Optionsmodells. Dieses Modell hat sie selbst – das gilt übrigens auch für die Grünen – vor gut zehn Jahren mit beschlossen. Im Herbst 2012 überraschte die SPD die Nation mit ihrer angeblich neuen Forderung nach Hinnahme der Mehrstaatsangehörigkeit. (Rüdiger Veit [SPD]: Unsinn!) Kurz danach haben wir über einen Antrag der SPD aus dem Jahr 2010, mit dem das gleiche Ziel verfolgt wurde, diskutiert. Ohne die heutige Bundestagsdebatte abzuwarten, hat die baden-württembergische Integrationsministerin, natürlich von der SPD, angekündigt, eine weitere Bundesratsinitiative zum selben Thema zu starten. (Aydan Özo?uz [SPD]: Bis Sie es endlich einsehen!) Ich glaube, deutlicher kann ich nicht zum Ausdruck zu bringen, dass dieser Opposition nichts wirklich Neues einfällt. (Aydan Özo?uz [SPD]: Wenn Sie es einfach mal machen würden!) Das ist Oppermann’sche Schaumschlägerei und nichts anderes. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Meine Damen und Herren, die FDP schätzt die freie Entscheidung des Individuums und die Integrationsleistung jedes einzelnen Menschen, der zu uns gekommen ist, weitaus höher ein als die Beschwörung von Herkunft und ethnischen Milieus. (René Röspel [SPD]: Kennen Sie eigentlich Liselotte Funcke noch? – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Dabei ist die FDP durchaus bereit, über die vermehrte Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit nachzudenken und in diese Richtung zu gehen. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nachdenken, zustimmen!) Dafür haben wir uns auf dem Bundesparteitag in Nürnberg ausdrücklich ausgesprochen. (Thomas Oppermann [SPD]: Dann können Sie ja eigentlich zustimmen! – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt aber ein Geeiere! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!) Aber wir sind uns auch bewusst, liebe Kollegen von den Grünen, dass die Staatsangehörigkeit für den Erfolg von Zuwanderung und Integration nicht primär entscheidend ist, sondern die persönliche und berufliche Perspektive der Menschen, die nach Deutschland kommen. Das ist entscheidend, damit sie hierbleiben wollen. (Thomas Oppermann [SPD]: Stimmen Sie jetzt zu oder nicht?) Ausländer- und zuwanderungsrechtlich waren die vergangenen vier Jahre gute Jahre für Deutschland. Als Koalition haben wir hier Maßstäbe gesetzt. Ich will nur einige Beispiele nennen: (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eigenlob stinkt!) Erstmals gibt es für minderjährige und heranwachsende geduldete Ausländer ein vom Aufenthaltsrecht der Eltern unabhängiges Bleiberecht in einem Bundesgesetz. Wir haben zwangsverheirateten Frauen in Not durch ein Rückkehrrecht die Chance gegeben, sich zu befreien und zurückzukommen. (Rüdiger Veit [SPD]: Halbherzig!) Was haben SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit eigentlich diesbezüglich unternommen? Die rechtlichen Hürden für die Zuwanderung von Fachkräften wurden durch uns deutlich gesenkt und entbürokratisiert, und wir haben zusätzliche Integrationsanreize geschaffen. Eine zukunftsgerichtete Zuwanderungspolitik gibt den Menschen Perspektiven. Bereits 2011 haben wir im Bund das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse verabschiedet. 2011 wurde dieses Anerkennungsgesetz verabschiedet. Herr Oppermann, ich muss zugeben, dass Hamburg Vorreiter ist. Aus meiner Sicht ist es aber trotzdem peinlich, dass gerade SPD-regierte Länder und das von den Grünen geführte Bundesland Baden-Württemberg in der Folge noch immer kein Anerkennungsgesetz für ausländische Abschlüsse geschaffen haben, zum Beispiel in Bezug auf Pflegeberufe, Ingenieure und Fachausbildungsabschlüsse. (Aydan Özo?uz [SPD]: Hamburg war das erste Land! Was ist das für ein Blödsinn?) – Frau Kollegin, ich habe es ja gerade gesagt: Hamburg war Vorreiter. Baden-Württemberg steht leider hintan. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Schaffen Sie doch endlich Perspektiven, und stellen Sie diese Anerkennungsgesetze nicht immer hintan, liebe Kollegen von den Grünen. Der erste Schritt ist nun einmal tatsächlich gelungene Integration. Geben Sie den Menschen Perspektiven! Den Menschen etwas zuzutrauen und ihnen neue Chancen zu geben, ist auch Ausdruck einer aktiven Integrationspolitik. Das bedeutet Fordern und Fördern. Hier müssen wir ansetzen. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommen Sie einmal zu den Inländern!) Forderungen aufzustellen, liebe Kollegen von der Opposition, ist leicht. Diese Koalition aus CDU/CSU und FDP hat gehandelt. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es ist richtig, auch darüber nachzudenken, weitere Anreize zu geben, damit sich die Menschen stärker in unsere Gesellschaft einbringen. Die Vereinfachung der Erlangung der deutschen Staatsangehörigkeit kann dazugehören, zum Beispiel durch eine Verkürzung der entsprechenden Frist. Aus meiner Sicht ist es aber entscheidend, eine Willkommenskultur zu schaffen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Und wie ist es nun mit der doppelten Staatsbürgerschaft? – Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Nachher, Herr Beck. Vizepräsident Eduard Oswald: Gestatten Sie eine Zwischenfrage? Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Nachher, Herr Präsident. Von mir aus auch nach meiner Rede als Kurzintervention. Meine Stimme ist etwas angeschlagen. Deshalb gerne nachher. Vizepräsident Eduard Oswald: Also auch mögliche weitere Zwischenfragen nicht? Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Keine Zwischenfragen. – Meine Damen und Herren, es war damals einer der vielen wichtigen Erfolge von Max Stadler, einem wahren Liberalen, (Rüdiger Veit [SPD]: Das erste wahre Wort!) die festgefahrenen Fronten im Staatsangehörigkeitsrecht endlich aufzubrechen. Das Optionsmodell war damals ein von der FDP vorbereiteter Kompromiss, um zwischen Rot-Grün und dem Bundesrat endlich weiterzukommen. Vor vier Jahren haben wir in der Koalition die sinnvolle Vereinbarung getroffen, (Zuruf des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) erst einmal Erfahrungen zu sammeln, wie sich diese Regelungen auswirken, und danach zu schauen, wie wir damit umgehen. Alles andere wäre wohlfeiler Aktionismus gewesen. Jetzt erst kommen die ersten Jahrgänge tatsächlich in die Entscheidungsphase. Die bisher gesammelten Daten – der Herr Staatssekretär hat sie vorgetragen – bestätigen unser Vorgehen. Gleichwohl heißt es, nicht wegzusehen und die Augen nicht vor der Realität zu verschließen. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das tun Sie!) Deshalb wollen die Liberalen eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts. Aber wir bestehen darauf – anders als es sich zum Teil bei Vorschlägen der Opposition darstellt –, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt es!) dies nicht gedankenlos, nicht ohne Augenmaß und nicht ideologisch anzugehen. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) Für die FDP gilt: Jeder, der dauerhaft in Deutschland leben und hier dazugehören will, soll die Chance haben, gleichberechtigter Deutscher zu werden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt dafür oder dage-gen? – Mechthild Rawert [SPD]: Vorher ist man nicht gleichberechtigt?) Dieses Vorhaben wollen wir aber – anders als die Opposition – nicht aktionistisch oder ideologisch angehen, sondern mit Sachverstand und auf der Basis der notwendigen Erfahrungen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Mechthild Rawert [SPD]: Sie sollten sich was schämen!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion Die Linke unsere Kollegin Frau Sevim Da?delen. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der LINKEN) Sevim Da?delen (DIE LINKE): Lieber Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wolff, wer an Ideologie leidet, sieht man an den Aussagen Ihres Herrn Staatssekretärs Schröder (Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Sie kennen doch Ideologie!) und an Ihrer unentwegten Abneigung gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund, die sich eine erleichterte Einbürgerung in Deutschland wünschen. Das ist Ideologie! (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Unverschämtheit!) Den Sachverstand besitzen die Oppositionsfraktionen, die Ihnen hier auf Grundlage der Fakten, der Zahlen und der Statistiken aufzeigen, dass diese Bundesregierung nicht im Interesse der Migrantinnen und Migranten und vor allen Dingen nicht im Interesse der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland handelt. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir sprechen heute über zwei Themen, die meines Erachtens zusammenpassen und sehr viele Gemeinsamkeiten haben: zum einen über das Staatsangehörigkeitsrecht – Stichwort „Optionszwang“ –, zum anderen über das deutsch-türkische Assoziationsrecht. Auf den ersten Blick sind dies verschiedene Themen, aber beide verbindet meines Erachtens der Aspekt der gezielten Ungleichbehandlung von Migrantinnen und Migranten und ganz besonders von türkischen Staatsangehörigen in Deutschland. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind Weltmeister im Einfordern von Integration, aber Sie schaffen nicht die Rahmenbedingungen, die es Menschen in Deutschland ermöglichen, sich zu integrieren. Schlimmer noch: Sie bzw. die Bundesregierung nehmen bewusst, sehenden Auges Rechtsbrüche in Kauf und verbinden das sozusagen mit Ihrer bisherigen Praxis. Es geht nicht nur um die Diskriminierung von Migrantinnen und Migranten, sondern es geht auch um die Türkenfeindlichkeit dieser Bundesregierung. (Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Unverschämte Äußerungen!) – Ja, Sie haben es richtig gehört: Es geht um die türkenfeindlichen Aspekte in den entsprechenden Debatten. Denn es werden insbesondere die Rechte von türkischen Staatsangehörigen verletzt; bei der Optionspflicht sind es sogar 70 Prozent. (Beifall bei der LINKEN – Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Frechheit! – Zuruf des Abg. Serkan Tören [FDP]) Ich sage Ihnen: Hören Sie endlich damit auf, durch Ihre Türkenfeindlichkeit der autoritären AKP und Erdogan die Migrantinnen und Migranten in Deutschland in die Arme zu treiben! Sie fördern diese Parallelregierung in Deutschland in Gestalt der Außenpolitik der AKP-Regierung, indem Sie diese Menschen ungleich behandeln, diskriminieren und ihnen die ihnen zustehenden Rechte einfach nicht einräumen. All das machen Sie. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Völliger Unsinn!) Die Quote für die Akzeptanz der Mehrstaatigkeit bei Einbürgerungen beträgt bei nicht türkischen Staatsangehörigen etwa 59 Prozent, bei türkischen Staatsangehörigen liegt sie bei nur 27 Prozent. Das heißt, die Mehrstaatigkeit bei nicht türkischen Staatsangehörigen in Deutschland wird doppelt so häufig akzeptiert wie bei türkischen Staatsangehörigen. Wie wollen Sie den hier in Deutschland geborenen Jugendlichen erklären, dass sie, nur weil sie zufällig Eltern haben, die aus der Türkei kommen, anders behandelt werden als Kinder, die von Eltern stammen, die aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union kommen? Wie wollen Sie ihnen diese diskriminierende Praxis erklären? Es gibt dafür keine Erklärung, außer dass Sie türkenfeindlich sind und deshalb auf diesen Gesetzen beharren. Darum geht es Ihnen eigentlich im Kern. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Stefan Ruppert [FDP], an die LINKE gewandt: Was? Da klatscht ihr auch noch? Unglaublich! – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: So ein Unsinn!) Sagen Sie den türkischen Jugendlichen, die hier in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, doch: Ihr seid hier nicht willkommen; ihr werdet hier anders behandelt, weil eure Eltern aus der Türkei kommen. – Darum geht es doch. Sagen Sie den Jugendlichen offen ins Gesicht, dass Sie nur an ihrer Diskriminierung interessiert sind. Ich kann Ihnen sagen: So treiben Sie die Hasen in die Küche der türkischen Nationalisten und Islamisten. Das ist wirklich unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Erklären Sie den Jugendlichen diese Ungleichbehandlung! Haben Sie den Mut dazu! Eines kann man sehen: Ab 2018 werden von Ihren Ausgrenzungen pro Jahr etwa 40 000 junge Menschen betroffen sein. In diesem Jahr sind es 3 300. Mehr als zwei Drittel von ihnen besitzen derzeit neben der deutschen Staatsangehörigkeit eben auch die türkische Staatsangehörigkeit; darum geht es Ihnen doch im Kern. Versuchen Sie, diesen Menschen einmal zu erklären, dass sie nicht aufgrund der Tatsache, dass sie türkische Eltern haben, diskriminiert werden. Ich finde, Ihr Verhalten in diesem Zusammenhang ist nicht nachzuvollziehen. (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Nein! Ihr Verhalten ist unverantwortlich!) Ihr Rechtsstaatsverständnis sollte die Bundesregierung auch an anderer Stelle überprüfen. Was das deutsch-türkische Assoziationsrecht betrifft, finden nur Rechtsbrüche statt. Auch hier zeigt sich das komische Rechtsstaatsverständnis dieser Bundesregierung. Ob es Ihnen passt oder nicht: Mit dem 1963 zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei geschlossenen Assoziationsabkommen und den nachfolgenden Vereinbarungen wurde eine Reihe besonderer Rechte für türkische Arbeitsmigranten festgeschrieben, darunter auch das sogenannte Verschlechterungsverbot. Es ist kein Gebot, sondern ein Verbot; Sie verstehen das nämlich die ganze Zeit falsch. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN) Das Verschlechterungsverbot besagt, dass der einmal erreichte Stand der Rechtsstellung türkischer Staatsangehöriger in der Europäischen Union nicht verschlechtert werden darf. Die Bundesregierung ignoriert das Verschlechterungsverbot systematisch. Von den Migrantinnen und Migranten, die in Deutschland leben, fordern Sie immer wieder Rechtstreue. Aber Sie als Bundesregierung sind das schlechteste Vorbild, das man sich in Sachen Rechtstreue vorstellen kann. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Na, na! Jetzt reicht es aber! Es wird ja immer doller!) Würden Sie die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Assoziationsrecht umsetzen, wäre dies das Eingeständnis, mit allen maßgeblichen aufenthaltsrechtlichen Verschärfungen der letzten Jahre faktisch gescheitert zu sein. (Serkan Tören [FDP]: Dazu hat der Generalstaatsanwalt beim EuGH ja einiges gesagt, nicht wahr?) Ein Beispiel ist Ihre diskriminierende Praxis, was die Sprachanforderungen beim Ehegattennachzug angeht. Diese Regelung ist wegen des Assoziationsrechts auf türkische Staatsangehörige in keiner Weise anwendbar. Im Hinblick auf Drittstaaten höre ich von Ihnen immer wieder Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit. Aber wenn es Sie selbst betrifft, scheren Sie sich einen Dreck darum. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie drücken Sie sich hier aus? Was ist denn das für eine Fäkalsprache?) Diese Heuchelei fällt inzwischen immer mehr Menschen auf; Herr Kauder, das müssen Sie einsehen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Was ist denn das für ein Sprachniveau?) Während Österreich, Dänemark und die Niederlande Konsequenzen gezogen haben und zum Beispiel bei türkischen Staatsangehörigen beim Ehegattennachzug auf Sprachanforderungen im Aufenthaltsrecht und auf hohe Gebühren längst verzichten, ignoriert die Bundesregierung konsequent die Urteile des Europäischen Gerichtshofes. Während man gar nicht so schnell schauen kann, wie Sie die arbeitnehmerfeindlichen Urteile des Europäischen Gerichtshofes – ich erinnere an die Fälle Laval, Rüffert oder Viking Line – in nationales Recht umsetzen, wird die Notwendigkeit für verbesserte Regelungen für türkische Staatsangehörige von Ihnen immer noch ignoriert. Die Linke weist die Bundesregierung seit 2009 in zahlreichen Anfragen darauf hin, dass zum Beispiel die Gebührenerhebung bei Aufenthaltstiteln türkischer Staatsangehöriger gegen das Assoziationsrecht verstößt – im März dieses Jahres bestätigte dies auch das Bundesverwaltungsgericht –, aber Sie ignorieren das noch immer. Das finde ich unerträglich. (Beifall bei der LINKEN) Die Linke fordert die Abschaffung des Optionszwangs. Einbürgerungen müssen massiv erleichtert werden, und die Mehrfachstaatsangehörigkeit muss generell akzeptiert werden. Im Hinblick auf das Assoziationsrecht fordert die Linke nichts anderes, als dass die Bundesregierung die Rechtsstaatlichkeit nicht mehr mit Füßen tritt und die Rechte vor allen Dingen türkischer Arbeitsmigranten und ihrer nachfolgenden Generationen endlich anerkennt. Die Linke jedenfalls steht an der Seite der Migrantinnen und Migranten, besonders an der Seite der türkischen Staatsangehörigen, die von dieser Bundesregierung immer wieder diskriminiert werden. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Reinhard Grindel. Bitte schön, Kollege Reinhard Grindel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Künast, Sie haben bei der Rede von Staatssekretär Schröder dazwischengerufen: „Die sind doch alle integriert!“ Da kann ich nur sagen: Schön wär’s! (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Bayern!) Die Realität sieht völlig anders aus, (Mechthild Rawert [SPD]: Von wem reden Sie jetzt?) und Politik beginnt mit der Betrachtung der Realität: Auch von den Kindern, die hier in Deutschland geboren sind, haben viele nicht die Sprachkompetenz, die man haben muss, um zum Beispiel in der Grundschule erfolgreich zu sein. Zu viele Schüler verlassen die Schule ohne Schulabschluss. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Weiterer Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und das wird durch den Optionszwang besser?) Jugendliche mit Migrationshintergrund kommen weniger oft in Ausbildung, als das im Durchschnitt der Fall ist. Es gibt Parallelgesellschaften. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Darauf die Antwort zu geben: „Ihr bekommt aber die deutsche Staatsbürgerschaft“, das ist Steine statt Brot. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Diese Menschen brauchen Arbeit, sie brauchen Ausbildung, sie müssen die deutsche Sprache lernen, sie brauchen Förderung für ihre Kinder; das würde helfen. Die deutsche Staatsbürgerschaft allein hilft da wenig. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Grindel, es gibt einige Zwischenfragen. Lassen Sie Zwischenfragen zu? Reinhard Grindel (CDU/CSU): Was ist das für eine Debattenkultur – ich sage das in Richtung einer Partei, die behauptet, es gehe ihr um Toleranz und Offenheit –, dass, wenn jemand seine Meinung vorträgt, nur noch herumgeschrien wird? Das ist doch keine Art des Umgangs miteinander! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE] und Aydan Özo?uz [SPD]) Ich lasse jetzt gerne Fragen zu, wenn wir zu einer ordentlichen Debattenkultur kommen und ich dann meine Argumente so vortragen kann, wie Sie das auch konnten. Wir sollten uns zumindest gegenseitig ertragen. (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Sehr gut!) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Deligöz. Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank für die Gelegenheit, Ihnen eine Frage zu stellen, Herr Kollege. – Nur damit ich das richtig verstehe: Stimmen Sie mir zu, dass das jetzige Optionsrecht es zulässt, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund unabhängig von ihren Schulnoten die deutsche Staatsangehörigkeit behalten können, auch wenn sie nicht so ganz in das Schema der Personen passen, die Sie gerne einbürgern würden? Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Deligöz, Sie haben mir nicht richtig zugehört. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) Es geht doch gar nicht um die Frage, ob Schülerinnen und Schüler deutsche Staatsbürger werden können. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind!) Es geht darum, dass die Integration, die Herr Oppermann gefordert hat – Stichworte „Willkommenskultur“ und „sein Glück machen können in Deutschland“ –, nicht allein an der Staatsbürgerschaft hängt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In welcher Welt leben Sie?) Eine erfolgreiche Integration hängt davon ab, dass man die deutsche Sprache spricht, dass man in der Schule Erfolg hat, dass man eine Ausbildung machen kann, dass man arbeiten kann, dass man eine Firma gründen kann. Darum geht es mir: Integration umfasst viel mehr als nur die Staatsbürgerschaft. (Zuruf der Abg. Aydan Özo?uz [SPD] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt! – Mechthild Rawert [SPD]: Etwas anderes behauptet auch keiner! Deswegen reden wir von einer Anerkennungskultur!) Wenn die Grünen die Staatsbürgerschaft unter erleichterten Bedingungen anbieten wollen, dann ist das Wahlkampftaktik; damit will man Stimmen gewinnen. Dass die Menschen hier in Deutschland ihr Glück machen können, wird mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft allein nicht erreicht. Ich will Ihnen noch etwas sagen – Sie können sich ruhig hinsetzen, Frau Deligöz; aber es gehört noch zur Antwort auf Ihre Frage –: Es ist in der Tat so gewesen – Sie haben das richtig beschrieben –, dass man bei der Schaffung des Optionsmodells vor allen Dingen die Situation der Kinder in den Schulen im Blick hatte. Man hat – frei nach der Position von Frau Künast – gesagt: Die integrieren sich sowieso, und es kann doch nicht angehen, dass bei einer Klassenfahrt ins Ausland die drei türkischstämmigen Kinder ein Visum benötigen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kinder haben schon heute den deutschen Pass!) Das Problem ist aber, Frau Künast, dass heute zwar alle mitfahren können, viele aber – gerade türkische Mädchen – nicht mitfahren dürfen, weil ihre Eltern es verbieten. (Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! – Zuruf von der SPD: Das ist doch Quatsch! – Mechthild Rawert [SPD]: Bitte nicht alle Stereotype bemühen!) Solange wir solche Parallelstrukturen haben, die dafür sorgen, dass Kinder nicht gemeinsam Sport machen dürfen – Herr Steinbrück findet das auch noch gut –, dass Kinder nicht gemeinsam auf Klassenfahrt gehen dürfen, so lange zementieren wir Parallelgesellschaften (Zuruf der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE]) und erreichen trotz Verleihung der deutschen Staatsbürgerschaft keine echte Integration. Das ist – dies wollte ich deutlich machen – der eigentliche Kern des Problems. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Gut, dass die Berliner Schulen weiter sind!) Herr Oppermann, Sie haben den Kollegen Schröder hier in einer Weise behandelt, die ich nicht in Ordnung finde. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Holen Sie den Minister!) Es ist doch in der Tat richtig, dass Herr Erdogan mit seinen Forderungen bei seinen Auftritten hier in Deutschland und auch mit der Gründung eines Ministeriums für Auslandstürken bestimmte Absichten verfolgt. Es wird durch das Handeln dieses Ministeriums und auch durch Erdogans Auftritte hier in Deutschland gezielt versucht, türkische Staatsbürger zur Einbürgerung mit der Argumentation zu drängen, dann könne man in Deutschland türkische Interessen besser verwirklichen. Als Beweis dafür gibt es zig Zitate von seinen Auftritten in Köln, in Düsseldorf und in anderen Städten. Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Die Einbürgerung darf kein Instrument der türkischen Politik sein, Einfluss in Deutschland zu gewinnen. Vielmehr ist die Einbürgerung der Schlussstein eines gelungen Integrationsprozesses. Die Regierungschefin für diese Mitbürger ist Angela Merkel und nicht Herr Erdogan; auch das müssen wir einmal deutlich machen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie trotz der aktuellen Situation in der Türkei Anträge präsentieren, die der derzeitigen türkischen Regierung im Grunde genommen in die Hände spielen. Auch der Fakt, dass Sie, Herr Oppermann, als Innenminister in spe kein einziges Wort der Distanzierung zum wirklich demokratiefeindlichen Verhalten der Erdogan-Regierung gesagt haben, ist bemerkenswert und muss festgehalten werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Das ist eindeutig falsch!) Vizepräsident Eduard Oswald: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Özo?uz? Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Frau Kollegin. Aydan Özo?uz (SPD): Vielen Dank, Herr Kollege. – Ich möchte das Ganze einfach verstehen. Es ist doch so, dass hier junge Menschen mit Migrationshintergrund schon bei ihrer Geburt, wie Sie selber sagten, die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Daher ist es natürlich etwas eigenartig, wenn Sie sagen, diese seien später nicht integriert und es gebe viele Probleme. Ich frage mich jetzt: Was wollen Sie damit sagen? Diese Menschen sind von Geburt an Deutsche und bleiben erst einmal Deutsche. Wir sagen: Diese Menschen sollen sich nicht gegen ihre Herkunft entscheiden müssen. Sie haben von einem gelungenen Integrationsprozess gesprochen. Muss ich Sie so verstehen, dass diejenigen, die Sie für nicht integrierbar halten, mit der Volljährigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft wieder verlieren sollen? Diese Möglichkeit besteht doch nicht. Deswegen frage ich mich, was Sie mit Ihrer Aussage bezwecken. Wenn wir es nicht schaffen, die jungen Leute für dieses Land zu gewinnen, dann wird es uns nichts bringen. Es kann doch nicht sein, dass diese Menschen, die hier leben, die sich hier wohlfühlen und sich auch dazugehörig fühlen, sich gegen ihre Herkunft entscheiden sollen. Das kann doch von Ihnen nicht gewollt sein. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Zunächst einmal will ich deutlich machen, dass der Ansatz, beim Thema Integration einzig und allein auf die Staatsbürgerschaft zu schauen, zu kurz greift. (Zurufe von der SPD: Wer sagt denn das? Das sagt doch keiner!) Hier müssen wir wesentlich größere Anstrengungen unternehmen. Vor allen Dingen müssen wir immer wieder das Signal senden, dass wir kein Nebeneinander haben wollen. Wir leben in unterschiedlichen Stadtquartieren. Wir kommunizieren in unterschiedlichen Sprachen. Unsere Kinder gehen – Sie sind doch vom Fach; Sie wissen das – zu unterschiedlichen Zeiten in die Kitas: morgens mehr Deutsche, nachmittags mehr Migrantenkinder. (René Röspel [SPD]: Was?) – Natürlich ist das so. Schauen Sie sich doch einmal die Situation in den einzelnen Kindertagesstätten an; Frau Özo?uz weiß es ebenfalls. (Mechthild Rawert [SPD]: Die Zahlen hätte ich gerne!) Wir haben in unserer Gesellschaft zu viel Nebeneinander. Wir brauchen auf allen Ebenen ein Miteinander. Deswegen sage ich: Wenn wir auf Dauer zulassen, dass es auch bei der Staatsbürgerschaft ein Nebeneinander gibt, sogar mit unterschiedlichen Loyalitäten – ich erinnere an ein entsprechendes Zitat von Erdogan –, dann führt das in die Irre. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie auch bei Spätaussiedlern!) Wer Ja zu Deutschland sagt, wer gerne bei uns leben will, von dem kann ich auch die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft unter Ablegung seiner alten Staatsbürgerschaft erwarten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das muss für alle gelten!) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Grindel, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie jetzt keine weiteren Fragen mehr zulassen? Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich habe die Zwischenfrage beantwortet. Wenn aber noch andere das Bedürfnis haben, zu fragen, dann bitte. Vizepräsident Eduard Oswald: Eine weitere Zwischenfrage wird vom Kollegen Grindel zugelassen. Bitte schön, Herr Kollege Röspel. René Röspel (SPD): Vielen Dank, dass das möglich ist. – Ich habe jetzt verstanden, dass Sie eine doppelte Staatsbürgerschaft für integrationshemmend oder -feindlich halten (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat er nicht gesagt!) und Sie der Auffassung sind, dass man, wenn man in einem anderen Land lebt, seine alte Staatsbürgerschaft abgeben muss. Jetzt frage ich Sie in der Konsequenz dieser Logik, ob wir dann auch anraten müssten, dass im Ausland lebende Deutsche, die zusätzlich die Staatsbürgerschaft des neues Landes annehmen, die deutsche Staatsbürgerschaft abgeben müssen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Aber sicher! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Genau!) Muss mein Schwager, der mit seiner Frau und seinen Kindern in Schweden lebt und der die schwedische Staatsbürgerschaft angenommen hat, auf die deutsche Staatsbürgerschaft verzichten, die er behalten will, weil Deutschland sein Heimatland ist? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Serkan Tören [FDP]: Das Gesetz haben Sie eingeführt!) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das Klatschen zeugt leider nicht von großer rechtlicher Kenntnis und auch, so glaube ich, von einem falschen Staatsverständnis. Herr Röspel, wenn Sie die Situation im Verhältnis zwischen Deutschland und Schweden, also zwischen zwei EU-Staaten, mit der Situation zwischen Deutschland und der Türkei vergleichen und sagen: „Das verstehe ich nicht“, dann verstehe ich Sie nicht. (Zuruf von der CDU/CSU: Äpfel und Birnen!) Deutschland und Schweden sind Mitglieder in der Europäischen Union; sie gehören also zu einer europäischen Werteunion. (Widerspruch bei der SPD) Das, was zurzeit in der Türkei passiert, hat mit den Werten der Europäischen Union nichts zu tun. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Deshalb ist es in Ordnung, eine doppelte Staatsbürgerschaft im Zusammenhang mit Schweden zu haben, aber nicht, schon gar nicht in der aktuellen Situation, mit der Türkei. (Widerspruch bei der SPD) Die Türkei gehört nicht zur EU. (René Röspel [SPD]: Die USA gehören auch nicht zur EU!) Das ist ein gewaltiger staatsrechtlicher und völkerrechtlicher Unterschied. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! Vizepräsident Eduard Oswald: Als Nächstes hat sich die Frau Kollegin Künast zu einer Zwischenfrage gemeldet. – Bitte schön. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wollten Sie jetzt eigentlich gerade sagen, Herr Grindel? (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ziehen Sie die Dinge nicht ins Lächerliche! Setzen Sie sich mit der Argumentation auseinander! Diesen Stil haben Sie früher im Studentenparlament pflegen können; das gilt aber nicht für den Deutschen Bundestag . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Jetzt erst die Frage und dann die Antwort. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich war noch nicht fertig mit meiner Frage, will aber für das Protokoll darauf hinweisen, dass ich nie im Studentenparlament war. Reinhard Grindel (CDU/CSU): Weil Sie nicht gewählt worden sind! (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Grindel, geben Sie ihr die Chance zur Frage. Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wollten Sie uns eigentlich damit sagen, als Sie im Hinblick auf die Türkei feststellten, sie gehöre nicht zu Europa, und einen Zusammenhang zur Staatsbürgerschaft herstellten? Ich muss ehrlich sagen: Ich bin gerührt von dem, was gerade in der Türkei – am Taksim-Platz und in vielen anderen Orten in der Türkei – passiert; nennen wir es Revolte, Demonstration oder Kampf um Meinungsfreiheit. Wäre nicht eigentlich jetzt der richtige Zeitpunkt, dem Mut der Menschen Respekt zu zollen, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Mitgefühl für die Verletzten oder auch für die Angehörigen der Toten zu haben und der Türkei klar zu sagen: „Toll, dass ihr so engagierte Bürger habt! Der Weg in die EU ist zwar offen, aber nur über den Kopenhagen-Acquis und über die Verwirklichung demokratischer Rechte!“? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Was sagen Sie dazu? Reinhard Grindel (CDU/CSU): Frau Künast, darin stimme ich Ihnen selbstverständlich hundertprozentig zu. Das, was wir in der Türkei zurzeit an demokratischem Einsatz und Engagement von vielen erleben, und zwar für ihre zutiefst berechtigten Forderungen, erfüllt uns mit Respekt und Anerkennung, und wir bedauern das unverhältnismäßige Vorgehen der türkischen Staatsorgane. Das ist gerade das entscheidende Problem, dass es bei dem EU-Beitritt der Türkei auf die realen Verhältnisse in diesem Land ankommt. Es zeigt doch, wie richtig unsere Position als CDU/CSU im Gegensatz zur Position der Grünen ist. Die Realität in der Türkei dieser Tage zeigt, dass sie sehr weit von der EU entfernt ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb gibt es keine Grundlage, Staatsbürger der Türkei – das war die Frage von Herrn Röspel – so zu behandeln wie Staatsbürger aus EU-Staaten. Das ist der Unterschied. Das habe ich, glaube ich, sehr deutlich gesagt. (Zuruf von der SPD: Ja, aber ich habe es nicht verstanden!) Wir sind in einer Wertegemeinschaft mit Schweden, Österreich und allen anderen EU-Ländern. Deswegen sagen wir: Deren Staatsbürger können, wenn sie es wollen, beide Staatsbürgerschaften beibehalten. Aber von der Türkei sind wir meilenwert entfernt. (Sönke Rix [SPD]: Aber doch nicht von den betroffenen Bürgern!) Deswegen vergleicht Herr Röspel Äpfel mit Birnen, wenn er mit dem Beispiel Schweden kommt und mich damit wegen meiner Position gegenüber türkischen Staatsangehörigen zu kritisieren versucht. Ich glaube, jeder hier im Saal hat das jetzt verstanden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Kollege Grindel, Sie werden es nicht glauben: Es gibt noch zwei weitere Fragen an Sie. Wollen Sie sie gestatten? Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich glaube, ich habe jetzt reichlich Fragen beantwortet. Ich möchte auch gerne, dass die Debatte weiter vorangehen kann und die anderen Kollegen auch eine Chance haben, sich zu äußern. Ich will gerne noch auf einen Punkt eingehen, den Frau Da?delen hier angesprochen hat, nämlich die erneute Kritik an unserer Forderung, denjenigen, die im Zuge des Ehegattennachzugs zu uns kommen, einfache deutsche Sprachkenntnisse abzuverlangen. Darauf zu verzichten, wäre nach meiner Auffassung völlig verfehlt. Ich habe vor geraumer Zeit gemeinsam mit dem Kollegen Wiefelspütz, den ich im Augenblick nicht sehe, mit den Leitern aller Goethe-Institute über deren Erfahrungen mit diesem von uns eingeführten Instrument der Vorintegration diskutiert. Ausnahmslos alle haben gesagt, das sei eine richtige Entscheidung gewesen, weil die Kurse nicht nur Sprachkenntnisse vermittelten, sondern weil sie auch über das Leben in Deutschland, über unsere Gesetze, über unsere Verfassung, über unsere Werte informierten, weil sie insbesondere Frauen mit Selbstbewusstsein und Stärke ausstatteten, sodass sie besser vorbereitet nach Deutschland kommen würden, als das früher der Fall gewesen sei. Damals hätten viel zu viele dieser Menschen in Parallelgesellschaften gelebt. Deswegen sage ich Ihnen: Wer auf dieses Instrument verzichtet, ist frauen- und integrationsfeindlich. Deshalb werden wir an diesem Instrument festhalten. Es ist besser für die Integration, wenn Frauen vor dem Nachzug Deutschkenntnisse erlangen, wenn sie wissen, was auf sie in unserem Land zukommt. Auf diese Weise kommen die Frauen stärker und selbstbewusster in unser Land als früher. Das ist eine richtige Entwicklung, die wir weiter ausbauen müssen. (Beifall bei der CDU/CSU) Ich komme zum Schluss. Es ist schon bemerkenswert, dass alle Vorschläge, die hier von der Opposition gemacht werden – mitten im Wahlkampf –, eigentlich nur bei denjenigen Migranten Widerhall finden können, die in Wirklichkeit nicht integriert sind oder sich nicht integrieren lassen wollen. Das ist ein Armutszeugnis. Auch im Wahlkampf ist das unverzeihlich und verantwortungslos. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Daniela Kolbe. Bitte schön, Frau Kollegin Daniela Kolbe. (Beifall bei der SPD) Daniela Kolbe (Leipzig) (SPD): Zumindest von der Größe her ist mir der Kollege von der Union überlegen. (Ingo Wellenreuther [CDU/CSU]: Auch inhaltlich!) Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es fällt selbst Konservativen schwer, plausibel zu erklären, was das Optionsmodell konkret bringen soll. Da helfen auch allerlei Verrenkungen nicht. Es geht hier um die Frage, warum junge Menschen, die qua Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen – das haben wir gemeinsam beschlossen –, im Alter zwischen 18 und 23 Jahren erklären müssen, ob sie Deutsche bleiben wollen oder nicht. Was ist der Sinn dieses erneuten Bekenntnisses? Wir haben jetzt allerlei gehört, was nicht zum Thema gehört hat und eher Ausdruck von Ressentiments bis hin zum Anklang von Rassismen war. (Beifall bei der SPD – Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, na, na!) Ich meine auch, es war Ausdruck einer merkwürdigen Grundhaltung gegenüber türkeistämmigen Menschen, die in unserem Land leben. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nennen Sie mal ein Beispiel!) Welche Argumente aber gibt es denn nun tatsächlich von Ihrer Seite für das Optionsmodell? Damit solle Mehrstaatigkeit verhindert werden. Dabei wird gegenwärtig bei mehr als der Hälfte der Einbürgerungen in Deutschland Mehrstaatigkeit akzeptiert. Im Moment leben – geschätzt – 4,5 Millionen Mehrstaatler in unserem Land. Meines Wissens ist der Untergang des Abendlandes trotzdem ausgeblieben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jedenfalls solange wir regieren!) Sie sagen, die deutsche Staatsangehörigkeit stehe am Ende eines Integrationsprozesses. Damit erkennen auch viele Konservative an, dass es natürlich auch Teil eines gelingenden Integrationsprozesses sein kann, irgendwann deutscher Staatsangehöriger zu sein. Schauen wir uns doch einmal die Realität an, die das Optionsmodell hervorruft: Für manche junge Menschen steht im Moment am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses der Rausschmiss aus der deutschen Staatsangehörigkeit. Das ist doch verkehrte Welt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sehr konservative Menschen – Herr Schröder möchte auch sehr konservativ sein; so ist zumindest heute mein Eindruck – sagen, die doppelte Staatsangehörigkeit entwerte die deutsche Staatsangehörigkeit. Aus meiner Sicht ist das totaler Quatsch. An dieser Stelle wünsche ich mir das Selbstbewusstsein der US-Amerikaner. Diese laden Menschen, die dauerhaft in den Vereinigten Staaten leben wollen, ein und fordern sie geradezu auf, sich zu den USA zu bekennen und US-Amerikanerinnen oder US-Amerikaner zu werden. Welche Staatsangehörigkeit die betreffenden Menschen mitbringen, ist dabei vollkommen egal. Das ist ein selbstbewusster Umgang mit dem Staatsangehörigkeitsrecht. Ehrlich gesagt, ein solches Selbstbewusstsein wünsche ich uns im Zusammenhang mit dem deutschen Staatsangehörigkeitsrecht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte zwei Punkte aus der Anhörung, die wir zu diesem Thema durchgeführt haben, aufgreifen: zum einen die Bürokratie und zum anderen den Rausschmiss von gut integrierten Menschen aus der deutschen Staatsangehörigkeit. Der Praktiker Herr Jungnickel, den wir als Sachverständigen geladen hatten, hat uns berichtet, was im Moment passiert. Derzeit sind die Fallzahlen noch niedrig. Er hat uns berichtet, dass er in seinem Zuständigkeitsbereich elf jungen Leuten – das ist nach seinen Angaben etwa 1 Prozent der Fälle in Gesamtdeutschland – die deutsche Staatsangehörigkeit hat aberkennen müssen, und zwar nicht, weil diese zu dumm waren, sich zu melden. Diese jungen deutsch-türkischen Leute haben sich gemeldet und wollten Deutsche bleiben. Sie haben sich recht spät gemeldet und haben einen Antrag gestellt, um ihre türkische Staatsbürgerschaft zu behalten. Das kann ich nachvollziehen. Aber Herr Jungnickel und seine Beamten mussten diese Anträge nach geltendem Recht ablehnen. Dann hatten diese jungen Leute folgendes Problem: Sie mussten einen Antrag auf Entlassung aus ihrer türkischen Staatsangehörigkeit stellen. Das dauerte aber. Zwischenzeitlich sind diese jungen Leute 23 Jahre alt geworden. Damit war ihre deutsche Staatsangehörigkeit futsch. Wie gesagt, diese elf Leute stellen etwa 1 Prozent der Fälle dar. Die Fallzahlen werden aber dramatisch steigen. 2018 wird es etwa 40 000 Fälle pro Jahr geben. Damit komme ich zum abschließenden Punkt. Herr Jungnickel meint, dass die hier in Rede stehenden Fälle in etwa mit Einbürgerungsfällen vergleichbar sind, was den bürokratischen Aufwand angeht. Die Frage an Sie lautet also: Was macht es im Hinblick auf den bürokratischen Aufwand für einen Sinn, 40 000 zusätzliche Einbürgerungsverfahren durchzuführen? Wenn Sie wirklich für Bürokratieabbau sorgen und etwas für Integration in diesem Land tun wollen, dann nutzen Sie doch diese Gelegenheit und schaffen Sie endlich das Optionsmodell ab. Es ist bürokratischer Wahnsinn und unter integrationspolitischen Aspekten Unsinn. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben heute die Möglichkeit, unserem Vorschlag zu folgen. Es wird auch noch eine Bundesratsinitiative geben. Nutzen Sie die Gelegenheit! Wenn Sie es nicht tun, dann werden wir das nach dem 22. September für Sie erledigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner für die Fraktion der FDP: unser Kollege Serkan Tören. Bitte schön, Kollege Serkan Tören. (Beifall bei der FDP) Serkan Tören (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kolbe, ich finde es geradezu unverschämt, dass Sie dem Kollegen Grindel Rassismus vorwerfen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich kann nur sagen: Sorgen Sie erst einmal in Ihren eigenen Reihen dafür, dass es keinen Rassismus gibt. Ich brauche nur den Namen Thilo Sarrazin zu nennen, (Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) der sieben Jahre eine verantwortliche Position hier in Berlin bekleidet hat und seine Gentheorien im ganzen Land verkündet. Sorgen Sie erst einmal in Ihren eigenen Reihen dafür, dass es keinen Rassismus gibt, bevor Sie andere angreifen. Es ist unverschämt, was Sie hier machen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rawert? Serkan Tören (FDP): Nein, das gestatte ich jetzt nicht; schließlich habe ich gerade erst angefangen. Vielleicht lasse ich nachher eine zu. (Mechthild Rawert [SPD]: Feigling! – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Gegenruf des Abg. Hartfrid Wolff [Rems-Murr] [FDP]: Jetzt ist aber langsam Schluss!) Bei der Optionspflicht geht es für die betreffenden jungen Menschen gar nicht so sehr um eine Loyalitätsentscheidung, also für welches Land sie eintreten, sondern oft um die Frage, ob es Brüche im Lebenslauf gibt; das ist manchmal eine sehr schwierige Entscheidung. Eine Studie des BAMF zeigt: 66 Prozent der Betroffenen wünschen sich tatsächlich die Beibehaltung der Herkunftsstaatsangehörigkeit. Meine Damen und Herren von der Opposition, darauf sollten wir Antworten finden. (Aydan Özo?uz [SPD]: Ja, nennen Sie doch mal welche!) Wir haben auf unserem letzten Parteitag die grundsätzliche Anerkennung der doppelten Staatsangehörigkeit in unser Wahlprogramm aufgenommen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Dann stimmen Sie heute zu!) Wir hatten im Jahre 2011 107 000 Einbürgerungen zu verzeichnen, davon rund 51 Prozent unter Inkaufnahme der doppelten Staatsangehörigkeit. Für mich ist es eine Frage der Gerechtigkeit, wie wir mit den anderen 49 Prozent verfahren. (Aydan Özo?uz [SPD]: Na also!) Es geht dabei nicht nur um Bürger aus EU-Staaten, sondern auch um Menschen aus vielen anderen Nationen. Ich glaube, dass die doppelte Staatsbürgerschaft die Teilhabe und die Integration vieler Menschen fördert. Ein Beispiel: Ich bin mit Anfang 20 seinerzeit eingebürgert worden, und zwar unter Inkaufnahme der doppelten Staatsangehörigkeit, weil ich nicht aus der türkischen Staatsangehörigkeit entlassen werden konnte; denn ich hatte meinen Militärdienst in der Türkei nicht abgeleistet. Der nächste Schritt, nachdem ich eingebürgert worden bin – das war für mich ein Signal dafür, dass die Gesellschaft mich will und ich Teil dieser Gesellschaft bin –, war einer der besten Schritte überhaupt, die man machen kann: Ich bin einige Monate später zur FDP gegangen und bin Mitglied dieser Partei geworden, weil ich selbst etwas gestalten und in dieser Gesellschaft mitwirken wollte. (Beifall bei der FDP – Aydan Özo?uz [SPD]: Irrtümer gibt es ja auch mal!) Gegner der doppelten Staatsangehörigkeit reden von Loyalitätskonflikten. Ich frage dann manchmal, wie diese Loyalitätskonflikte eigentlich aussehen. So richtig konkrete Antworten bekomme ich selten. Ein Problem – darüber kann man durchaus diskutieren – war der Wehrdienst; aber den haben wir – auch dank der FDP – mittlerweile nicht mehr. Insofern ist ein wichtiger Grund für einen Loyalitätskonflikt, wie man ihn sonst kannte, weggefallen. Die Anhörung im Ausschuss ist vorhin erwähnt worden. Einige Sachverständige haben uns gesagt, dass es eine aktive Staatsangehörigkeit da gibt, wo man lebt, wo man Grundrechte ausüben kann und wo man Pflichten erfüllt, dass es aber auch eine passive Staatsangehörigkeit gibt, und zwar da, wo man nicht lebt. Das ist für mich sehr einleuchtend. Auch an meinem Beispiel zeigt sich, dass ich die Grundrechte in der Türkei nie geltend machen konnte, weil ich dort eben nicht gelebt habe. Das Einzige, was gestört hat, war die Pflicht zum Militärdienst. Deswegen habe ich vor einigen Jahren meine türkische Staatsangehörigkeit aufgegeben. Wir sind ein Land, das um Fachkräfte ringt. Wir brauchen Hochqualifizierte. Diese Regierung hat deswegen die Einführung der Bluecard beschlossen, etwas, was Sie von der Opposition jahrelang nicht geschafft haben. Sie haben nur darüber geredet, aber nichts geleistet. Wir haben das hinbekommen. Wir kämpfen jetzt im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Amnesie hilft auch nicht weiter!) Dazu gehört auch, dass man Anreize schafft. Die angelsächsischen Staaten erlauben im Grundsatz die doppelte Staatsangehörigkeit. Im Wettbewerb mit diesen Staaten müssen wir Anreize schaffen und ebenfalls über die doppelte Staatsangehörigkeit nachdenken. Auch sonst gibt es kaum noch rechtliche Probleme. Im Zivilrecht bzw. internationalen Privatrecht werden diese Probleme gelöst. (Aydan Özo?uz [SPD]: Was ist denn jetzt das Fazit?) Lasen Sie mich noch ganz kurz etwas zur SPD und zur Scheinheiligkeit sagen. Einen Namen habe ich hier schon genannt. Ich möchte dazu aus der Bild-Zeitung von vor einigen Monaten zitieren: „Mehrstaatlichkeit erleichtert Kriminalität und dient denen, die Unrechtes im Schilde führen.“ Sie wissen, wer das gesagt hat: ein SPD-Bürgermeister hier in Berlin. Daran erkennt man die Scheinheiligkeit. (Rüdiger Veit [SPD]: Dazu sage ich gleich etwas!) Sie machen andauernd Wahlkampf mit diesem Thema, sprechen bestimmte Gruppen an, agieren dort und senden eine bestimmte Botschaft aus. Aber auf der anderen Seite wird die Botschaft an die Mehrheitsgesellschaft gesendet: Wir sind gegen die doppelte Staatsangehörigkeit. – Deshalb kann man Ihnen Scheinheiligkeit vorwerfen. Sie lassen andere für sich in der Öffentlichkeit reden (Rüdiger Veit [SPD]: Ich sage dazu gleich etwas!) und merkwürdige Thesen und Argumente verbreiten. Das gehört sich einfach nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Noch etwas. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie müssen zum Schluss kommen, Herr Kollege. Serkan Tören (FDP): Was die Regelung nach dem Jahr 2000 angeht – vorhin kam von einem Fragesteller die Frage, die einen deutschen Staatsangehörigen betraf, der die Staatsangehörigkeit eines fremden Landes haben möchte –, muss ich sagen: Wer hat denn das Gesetz geschaffen, wonach nach dem Jahr 2000 ein Betroffener automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit verliert, wenn er der Optionspflicht nicht nachkommt? Das ist übrigens ein Riesenschaden, den viele türkische Staatsangehörige erlitten haben. Dafür sind Sie verantwortlich. Von doppelter Staatsangehörigkeit reden, aber so etwas einführen! (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die FDP! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rainer Brüderle! Die FDP!) Vizepräsident Eduard Oswald: Kommen Sie zum Schluss, bitte. Serkan Tören (FDP): Auch wenn wir heute noch nicht den Optionszwang abschaffen können, eines ist klar: CDU/CSU und FDP haben Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland gemacht. Wir sind mit der Bluecard in die gesteuerte Anwerbung von Fachkräften eingestiegen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Wie war das mit der Scheinheiligkeit?) Wir haben die Integrationskurse qualitativ verbessert. Wir haben das Anerkennungsgesetz für ausländische Berufsabschlüsse verabschiedet. Die vergangenen vier Jahre waren für Deutschland als Einwanderungsland vier gute Jahre. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unser Kollege Memet Kilic. Bitte schön, Herr Kollege. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Serkan Tören, Sie haben gefragt, wer denn verantwortlich für die Optionsregelung sei. Ich kann die Frage beantworten: Ihre Partei. Sie haben diese unsinnige Optionspflicht eingeführt. Ohne diese hätte Herr Rainer Brüderle diesem Gesetz nicht zugestimmt. Wir haben das in Kauf genommen, damit die Kinder von Immigranten in ihrem Geburtsland nicht länger als Ausländerinnen und Ausländer geboren werden. Wir haben gerettet, was zu retten war; sonst nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wolff? Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Immer, Herr Präsident. – Bitte, Herr Kollege. Vizepräsident Eduard Oswald: Bitte schön, Herr Wolff. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Herr Kollege Kilic, wir sind uns doch einig, dass Sie diesem Staatsangehörigkeitsrecht, das hier mit großen Krokodilstränen seitens Ihrer Fraktion und auch seitens der SPD als etwas sehr Problematisches dargestellt wird, zugestimmt haben. Herr Röspel, Mitglied des Deutschen Bundestages, und ebenfalls Frau Künast waren anwesend, als damals das Staatsangehörigkeitsrecht mit dem Optionsmodell eingeführt worden ist. Sie haben dem zugestimmt – vielleicht nicht Sie persönlich, aber die große Mehrheit der beiden damaligen Regierungsfraktionen. Sind wir uns darin einig? Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Wolff, ich bin sehr dankbar für diese Frage. Ich war damals sogar ein Lobbyist der Immigranten. Als Vorsitzender des Bundesausländerbeirates habe ich dieser Regelung sogar zugestimmt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ich nicht! Ich war gar nicht hier! – Heiterkeit) Rot-Grün hat es damals geschafft, eine Jahrhundertreform durchzuführen: Die Kinder von Immigranten in der dritten oder vierten Generation werden seitdem in ihrem Geburtsland nicht mehr als Ausländer geboren. Dafür haben wir die von Ihnen für Ihre Zustimmung zur Bedingung gemachte Optionspflicht in Kauf genommen. Zuvor hatten die Unionsparteien unselige Unterschriftenkampagnen gegen Ausländer geführt. Insofern bin ich dankbar, dass SPD und Grüne diese Reform durchgeführt haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, mich hat vor zehn Minuten die Meldung erreicht, dass ein dritter Demons-trant in Istanbul an seinen Kopfverletzungen gestorben ist. Herr Kollege Grindel, es ist nicht angemessen, wenn Sie ein ganzes Volk mit einem breitbeinigen despotischen Islamisten identifizieren (Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Habe ich doch gar nicht! Genau das Gegenteil habe ich gesagt! Das ist falsch!) und alles über einen Kamm scheren. Täglich gehen in Istanbul über 1 Million Menschen auf die Straße. Sie treten ein für ihre Freiheit, für die Werte der Europäischen Union, aber auch für die universellen Menschenrechte. Sie sind bereit, dafür ihre Gesundheit und ihr Leben zu opfern. Das muss man anerkennen. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das hat er doch anerkannt!) Man muss sagen: Diese Leute gehören zu Europa, und auch die Türkei gehört zu Europa. – Sie werden solche breitbeinigen Islamisten abschütteln; davon sind wir überzeugt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Deutschland geborene Kinder nichtdeutscher Eltern müssen sich bis zum 23. Geburtsjahr für eine ihrer Staatsbürgerschaften entscheiden. Wer den Stichtag verpasst, verliert die deutsche Staatsangehörigkeit. Insgesamt unterliegen 300 000 Deutsche der Optionspflicht. Schon 2009 hat die Bundesregierung angekündigt, die Optionspflicht zu prüfen. Während die Bundesregierung weiterhin nicht prüft, verlieren immer mehr junge Menschen ihren deutschen Pass. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Missstand muss endlich behoben werden. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Der Optionszwang setzt die Betroffenen einem erheblichen und unnötigen Entscheidungsdruck aus. Der Optionszwang besagt: Ihr seid lediglich Deutsche unter Vorbehalt. – Das ist ein fatales Signal. Es darf keine Deutschen erster und zweiter Klasse geben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der LINKEN) Weltweit ist Deutschland das einzige Land, in dem es einen solchen Optionszwang gibt. In der globalen Gesellschaft ist die Mehrstaatigkeit nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel. Außerdem ist diese Optionsregelung willkürlich. Denn neben Jugendlichen aus binationalen Familien sind Jugendliche aus der EU und aus der Schweiz vom Optionszwang praktisch ausgenommen. Diese Ungleichbehandlung ist im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz in unserer Verfassung problematisch. Hinzu kommt der bürokratische Aufwand für unsere eh schon überlasteten Behörden und Gerichte. Deshalb appelliere ich vor allem an die Bundesregierung: Unterstützen Sie unseren Gesetzentwurf und beenden Sie endlich Ihre strikte Dagegen-Politik. Ein Doppelpass à la Mesut Özil und Ilkay Gündogan sorgt im Fußballstadion für großen Jubel. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Die können nur für Deutschland oder für die Türkei spielen!) Ich bin mir sicher, dass ein Doppelpass im Staatsangehörigkeitsrecht für einen noch größeren Jubel sorgen wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb: Geben Sie Ihre strikte Dagegen-Politik auf und stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nie und nimmer machen wir das!) Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner für die Fraktion von CDU und CSU: unser Kollege Stephan Mayer. Bitte schön, Kollege Stephan Mayer. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen! Sehr geehrte Kollegen! Es ist Vorwahlkampfzeit. Und was macht die Opposition? Sie holt stereotyp ihre alten Anträge zum Staatsangehörigkeitsrecht bzw. zur Abschaffung des Optionsmodells aus der Mottenkiste und versucht hier, plump Wahlkampf zu machen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Letztes Jahr haben wir auch darüber diskutiert!) Das ist ja durchaus legitim. Meines Erachtens wirklich unanständig ist aber, dass Sie, Frau Kollegin Kolbe, meinem Kollegen Grindel unterstellen, er sei ein Rassist, er habe Tendenzen zum Rassismus, (Aydan Özo?uz [SPD]: Das hat sie gar nicht gesagt! Das ist eine Frechheit!) und dass Sie, Frau Kollegin Da?delen, behaupten, die deutsche Regierung würde eine Antitürkeipolitik betreiben und sei türkeifeindlich. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: „Türkenfeindlich“ habe ich gesagt!) Das gehört sich hier nicht. Man kann bei diesem Thema ja durchaus unterschiedlicher Auffassung sein; aber ich finde es wirklich ungehörig, dass die Debatte mit dieser Verve und teilweise auch mit dieser Wortwahl geführt wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, was will die Opposition? Sie will mit diesen Vorlagen doch nur davon ablenken, dass sie zwischen 1998 und 2005 integrationspolitisch versagt hat. Erst seit 2005, seitdem die CDU/CSU in Berlin an der Regierung ist, steht das Thema Integration wirklich ganz oben auf der bundespolitischen Agenda. (Aydan Özo?uz [SPD]: Auf dem Gipfel!) Seit 2005 haben wir seitens des Bundes über 1 Milliarde Euro zum Beispiel für Integrations- und Sprachkurse ausgegeben. Über 1 Million Bürgerinnen und Bürger haben mittlerweile diese Integrations- und Sprachkurse besuchen können. Wir haben eine Staatsministerin, die eigens für das wichtige Thema Integration zuständig ist. Es gibt einen Nationalen Integrationsplan. Es gibt in jedem Jahr einen Integrationsgipfel. Dies alles gibt es erst, seitdem die CDU/CSU in Berlin in der Regierung ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An Gipfeln mangelt es bei dieser Koalition in der Tat nicht!) Dies zeigt auch: Tatsächliche Integration wird nicht mit dem Erwerb einer Staatsangehörigkeit erreicht; (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Das ist aber ein Anfang!) tatsächliche Integration wird dadurch erreicht, dass den Migrantinnen und Migranten in Deutschland ganz konkrete Unterstützungsmaßnahmen und Angebote zuteilwerden. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Die Sie nicht machen!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ein bewährter Grundsatz des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts, dass wir die Mehrstaatigkeit vermeiden wollen. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!) Es gibt verschiedene Fälle, die eindrucksvoll beweisen, dass Mehrstaatigkeit zu Loyalitätskonflikten führt. Die Rosinenpickerei führt in vielen Fällen zu großen Dilemmata, sei es im Strafrecht, sei es im Wahlrecht. Es kann nicht sein, dass jemand in zwei Ländern gleichermaßen befugt ist, das nationale Parlament zu wählen. Auch was den Bezug von Sozialleistungen anbelangt, gibt es erwiesenermaßen schwere Konfliktsituationen, wenn die Gefahr besteht, dass aus zwei Ländern Sozialleistungen in Anspruch genommen werden und kein Abgleich zwischen diesen beiden Ländern und damit natürlich auch keine Missbrauchskontrolle erfolgt. Auch was das Thema Grundstückserwerb oder das Thema Erbrecht anbelangt, gibt es ganz konkrete Konfliktfälle. Nicht zuletzt die Ausübung diplomatischen Schutzes sei hier genannt. Zum Beispiel gibt es den Fall, dass Doppelstaatlern die deutsche Staatsangehörigkeit im Konfliktfall nichts bringt, dann nämlich, wenn andere Länder diese nicht akzeptieren. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber natürlich nur im Heimatland! Das ist ja absurd!) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einmal aktuelle Zahlen aus Bayern vortragen, die im Mai veröffentlicht wurden. Es geht um die bisher Eingebürgerten. Aus dem Geburtsjahrgang 1990 zum Beispiel haben sich von 637 Optionspflichtigen 626 für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Das sind 98,3 Prozent. Aus dem Geburtsjahrgang 1991 haben sich von 717 Optionspflichtigen 708 für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Das sind 98,7 Prozent. Aus dem Geburtsjahrgang 1992 haben sich von 597 Optionspflichtigen 594 für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Das sind sage und schreibe 99,5 Prozent. Dieser Prozentsatz liegt sogar noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt – das mag daran liegen, dass die Optionspflichtigen davon ausgehen, dass sie neben der deutschen Staatsangehörigkeit die bayerische Staatsangehörigkeit mit dazubekommen –; (Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) aber auch bundesweit liegt der Anteil mittlerweile bei über 98 Prozent. Das zeigt doch sehr eindrucksvoll, dass der überwiegende Teil derjenigen, die bisher aufgefordert worden sind, sich zu erklären, in Deutschland angekommen ist. Sie empfinden Deutschland als ihre neue Heimat und haben sich dann auch mit vollem Herzen für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Es ist auch interessant, sich einmal die Einbürgerungsstudie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2011 anzusehen: 70 Prozent der Eingebürgerten haben erklärt, dass sie Deutschland jetzt als ihre neue Heimat sehen und dass sie in Deutschland verwurzelt sind. Das ist doch ein wirklich beredtes Zeichen dafür, dass Integration erfolgreich ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das zeigt meines Erachtens auch, dass das Ausreichen der deutschen Staatsangehörigkeit am Ende einer erfolgreichen Integration stehen kann. Die Ergebnisse sind deutlich. Jene, die die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, weisen, was die Schulleistungen anbelangt, bessere Ergebnisse auf (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Was ist denn mit deutschen Kindern, die keine guten schulischen Leistungen haben?) und sind in geringerem Maße arbeitslos. Das ist eine erfolgreiche Integration und, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, das lassen wir uns auch nicht nehmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine offene und tolerante Gesellschaft, wie es sie in Deutschland gibt – ich stehe zu dieser Willkommenskultur; ich glaube, wir haben sie in Deutschland mittlerweile implementiert –, zeichnet sich nicht dadurch aus, dass wir die doppelte Staatsangehörigkeit akzeptieren. Wir haben insbesondere in den vergangenen vier Jahren ein modernes und zeitgemäßes Zuwanderungsrecht geschaffen, das wirklich jedem, der nach Deutschland kommen will, der sich in Deutschland integrieren und in Deutschland arbeiten will, die Chance gibt, hierherzukommen. (Aydan Özo?uz [SPD]: Das haben Sie nicht geschaffen! Das haben Sie so lange blockiert wie nur möglich!) Das ist ein Zeichen und der Erfolg einer guten Integrationsleistung, nicht aber plumpe und publikumswirksame Anträge, die sich nur vordergründig auf Integration beziehen, dies tatsächlich aber gar nicht zum Inhalt haben. (Aydan Özo?uz [SPD]: Sie setzen sich doch immer nur auf die Erfolge anderer!) Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt noch zwei Redner bis zu unseren Abstimmungen. Ich würde mich freuen, wenn wir den Rednern die notwendige Aufmerksamkeit schenken könnten. Bitte, Kollege Rüdiger Veit für die Fraktion der Sozialdemokraten. (Beifall bei der SPD) Rüdiger Veit (SPD): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einigen Rednern aus den Regierungsfraktionen und auch von der Regierung muss ich zu Beginn sagen, dass wir uns heute schon in einem konstruktiveren Dialog auseinandergesetzt haben, wohingegen ich jetzt bei einigen Redebeiträgen in dem Bemühen – ich bitte um Entschuldigung –, das Niveau noch oberhalb der Grasnarbe zu erkennen, nicht immer erfolgreich gewesen bin. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zunächst einmal: Sie brauchen uns im Zusammenhang mit den Namen Sarrazin und Buschkowsky keine Scheinheiligkeit vorzuwerfen. Ich sage Ihnen dazu ganz klar meine Position, die vielleicht nicht in der Härte und in der Formulierung, wohl aber im Inhalt von weiten Teilen meiner Partei geteilt wird: Ich persönlich bin der Auffassung, dass viele der Thesen von Herrn Sarrazin durch das Wesen eines menschenverachtenden Psychopathen gekennzeichnet sind – und damit Ende der Diskussion. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nachdem Herr Buschkowsky – ähnlich wie leider auch Herr Staatssekretär Dr. Schröder – in der Bild-Zeitung hat verlautbaren lassen, die doppelte Staatsbürgerschaft sei etwas, um sich am einfachsten strafrechtlicher Verfolgung zu entziehen, musste ich leider auch öffentlich, in einer Tageszeitung, meine Auffassung dazu äußern. Ich wiederhole sie hier und sehe allen juristischen Auseinandersetzungen, die da kommen könnten, mit Gelassenheit entgegen: Ich bin der Überzeugung, dass Heinz Buschkowsky mit dieser Auffassung endgültig von allen guten Geistern verlassen ist. Sie sollten sich also an ihm kein Beispiel nehmen. Sonst müsste ich über Sie genauso sprechen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht hier und heute auch nicht um Wahlkampf, wobei es schon interessant ist: Der eine von Ihnen beklagt, dass die Vorlagen der Opposition überraschend kommen, der andere beklagt sich darüber, dass sie immer wieder eingebracht würden, der Dritte schließlich behauptet, er beispielsweise habe das Ganze genau so gewollt und er bzw. seine Fraktion, die FDP, wasche die Hände in Unschuld. Alles das ist verkehrt. Aber wenn Sie Wahlkampf haben wollen, dann gehe ich gern noch einmal auf die Frage ein, wie es zu diesem Gesetz gekommen ist. Das fällt mir aus meiner Erinnerung deshalb relativ leicht, weil es das erste wichtige Gesetz war, an dem ich 1998 im Bundestag mitarbeiten durfte. Ich kann Ihnen definitiv sagen, dass es die Absicht und der Kern der sozialdemokratischen Politik war, allen in Deutschland geborenen Kindern, deren Eltern sich bereits langfristig hier aufhalten, endlich die deutsche Staatsbürgerschaft zu geben. (Beifall bei der SPD) Wir mussten erleben, dass im damaligen Landtagswahlkampf der spätere Ministerpräsident Roland Koch und seine Landes-CDU eine Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft losgetreten hatten, um sich auf diese Art und Weise einer drohenden Wahlniederlage zu entziehen. Leider haben bei dieser Landtagswahl im Februar 1999 die Grünen so viele Stimmen verloren, dass wir Sozialdemokraten diesen Verlust nicht kompensieren konnten. Ich will Ihnen jetzt sagen, was an dieser Kampagne so maßlos verlogen war. Bevor wir dieses Thema endlich angepackt haben, war die Rechtslage folgendermaßen gekennzeichnet: Der vormalige Bundeskanzler Helmut Kohl – das war vor meiner Zeit als Bundestagsabgeordneter – hat bei seinem türkischen Amtskollegen dringend darum gebeten, dass die türkischen Konsulate und Botschaften davon Abstand nehmen mögen, offensiv für folgende Praxis zu werben: Die Türken gehen zu ihrem Konsulat oder ihrer Botschaft, beantragen die Entlassung aus der türkischen Staatsbürgerschaft und bekommen gleichzeitig gesagt: Wenn ihr die deutsche Staatsbürgerschaft habt, dann kommt ihr bitte wieder und dann erhaltet ihr die türkische Staatsbürgerschaft ebenfalls. – Das war damals die Rechtslage, bevor wir dieses Thema in Angriff genommen haben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das war nicht die Rechtslage! Das war rechtswidrig!) Wir mussten uns leider von der generellen Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft verabschieden und mussten die Optionsregelung deswegen mitmachen, weil dies die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat erzwungen haben. Wir wollten das nie. Wir wollten eine andere Regelung und haben deshalb entsprechende Anläufe unternommen. Es war niemand anders – auch daran kann ich mich gut erinnern – als der vormalige Justizminister von Rheinland-Pfalz Caesar, der die Idee des Optionsmodells hatte. Werfen Sie uns das heute also bitte nicht vor. Wir waren seit 1998 immer klar in unserer Auffassung; das betrifft jedenfalls Rot-Grün. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer in einer Zeit, in der die Ausnahme zur Regel geworden ist, dass nämlich 53 Prozent der Einbürgerungen nach heute geltendem Recht unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft erfolgen, noch der Auffassung ist, man solle dieses Modell beibehalten, dem sage ich ganz klar und deutlich: Wir Sozialdemokraten – die anderen Antragsteller nehmen das auch für sich in Anspruch – sind der Überzeugung, dass die Einbürgerung nicht der endgültige Schlusspunkt jedweder Integration ist, sondern ein ganz wichtiger Zwischenschritt. Wer demgegenüber der Meinung ist, es möge möglichst wenig Einbürgerungen und möglichst viele Hindernisse geben, der kann die Auffassung weiterhin vertreten, dass man gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sei. Der Verlust der ausländischen Staatsbürgerschaft bei zwei Dritteln derjenigen, die in Deutschland eingebürgert werden wollen und könnten, aber von einem Antrag Abstand nehmen, ist der wirkliche Grund bzw. das Hindernis, dass wir zu wenige Einbürgerungsverfahren haben. Damit wollen wir endlich aufräumen und bitten allenthalben um Unterstützung. Die FDP sollte sich überlegen, ob sie nun dafür oder dagegen ist – heute oder in Zukunft. Danke. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzter Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Ingo Wellenreuther. Bitte schön, Kollege Ingo Wellenreuther. Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zur Abstimmung stehen mehrere Anträge und Gesetzentwürfe, die die Abschaffung der sogenannten Optionspflicht und im Kern die Zulassung von doppelten und mehrfachen Staatsangehörigkeiten zum Inhalt haben. Kollege Veit, Sie beklagen, dass die Debattenkultur knapp über der Grasnarbe angekommen ist, gleichzeitig bezeichnen Sie aber einen Parteifreund von Ihnen als menschenverachtenden Psychopathen. Ich muss sagen: Das spricht für sich. Die Opposition hat schon mehrfach dieses Thema zur Debatte gestellt, und zwar – der Kollege Mayer hat darauf hingewiesen – meistens kurz vor Wahlen, mit dem Ziel, hieraus Kapital zu schlagen. Ich komme auf die Fakten zurück. Im März haben wir eine Sachverständigenanhörung durchgeführt, und es liegen die Ergebnisse zweier Studien des BAMF vor, die die Koalition in Auftrag gegeben hatte, um das Optionsmodell bzw. das Staatsangehörigkeitsrecht zu überprüfen. Zum einen handelt es sich um eine nicht repräsentative qualitative Studie zur Optionspflicht, in deren Rahmen ausführliche Interviews mit 27 betroffenen jungen Menschen geführt wurden. Zum Zweiten gibt es Ergebnisse einer repräsentativen Studie. Im Rahmen dieser sogenannten Einbürgerungsstudie 2011 wurden unter anderem 401 Optionspflichtige befragt. Unsere Auffassung war immer, die Anhörung und die Studien abzuwarten. Das war auch genau richtig; denn es wurden klare und bemerkenswerte Ergebnisse zutage gefördert. Die Sachverständigen haben deutlich gemacht: Das Optionsmodell und das Prinzip der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeiten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Sie sind vor allem verfassungs- und europarechtskonform. Die zugrunde liegenden Fragen sind deswegen vor allem eine politische Entscheidung. Wir von der Union haben dazu eine ganz klare Haltung: Für uns gilt der Grundsatz der Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Deshalb halten wir an der Optionspflicht fest. Unsere Position wird durch die Studienergebnisse eindeutig gestützt. Der Kollege Mayer hat bereits darauf hingewiesen; ich werde nachher darauf zurückkommen. Die Studien widerlegen nämlich die Argumentation der Opposition, die immer wieder vorgebracht wird. Ein beliebtes Argument ist, dass es die jungen Menschen in schwere Konflikte bringe und verunsichere, sich zwischen einer der Staatsangehörigkeiten entscheiden zu müssen. Nun wurde bestätigt: Diese Behauptungen treffen weitestgehend nicht zu. Über 70 Prozent der betroffenen jungen Menschen bestreiten, dass das Aufgeben der anderen Staatsangehörigkeit Gewissenskonflikte verursacht. Nur 6 Prozent der Befragten geben an, dass die Verpflichtung, sich für eine Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sie hinsichtlich ihrer familiären oder beruflichen Lebensplanung verunsichert. Das zeigt: SPD, Grüne und Linke haben jahrelang einen Popanz aufgebaut und Ängste geschürt, die sich nun in Luft auflösen. Auch die zweite immer wieder vorgebrachte Behauptung ist schlichtweg falsch, dass die jungen Optionspflichtigen sich von Deutschland abwenden würden; auch das hat der Kollege Mayer angesprochen. 98 Prozent der jungen Menschen, die sich aufgrund der Optionspflicht zu entscheiden hatten, haben sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden. Fast alle bekennen sich also zu unserem Land. Das ist ein eindeutiges Votum für Deutschland und zeigt: SPD, Grüne und Linke haben ein vollkommen falsches Bild von den jungen Menschen ausländischer Herkunft in unserem Land. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Gründe der optionspflichtigen jungen Menschen, sich für die deutsche Staatsangehörigkeit zu entscheiden, sind ganz pragmatisch. Sie entscheiden sich auch deshalb für uns und für die deutsche Staatsangehörigkeit, weil sie in Deutschland bessere Zukunftsperspektiven sehen, der Arbeitsmarkt für sie erfolgversprechend ist, die Qualität von Bildung und Ausbildung in unserem Land überzeugt, aber auch weil sie der hohe Standard unseres Rechtssystems beeindruckt. Bemerkenswert ist, dass gerade junge Frauen als Motiv für die Wahl der deutschen Staatsbürgerschaft angegeben haben, dass sie das Frauenbild in ihrem Herkunftsland als problematisch empfinden. Die wichtigste Erkenntnis aus der Studie ist für mich aber noch eine ganz andere: Fast durchgängig geben die jungen Menschen an, sich mit Deutschland emotional verbunden zu fühlen. Das entspricht doch gerade dem, was wir immer gesagt haben: Integration ist eine Sache des Herzens. Ein Zugehörigkeitsgefühl kann nicht mit der Aushändigung von Papieren geschaffen werden. Deshalb bleibt es für uns dabei: Der Erwerb der Staatsangehörigkeit sollte nicht am Anfang eines Integrationsprozesses stehen, (Rüdiger Veit [SPD]: Das hat keiner gesagt!) sondern die Folge sein, wenn der Prozess gelingt. Ich sage ganz klar: Wir wollen, dass dieser Prozess bei uns möglichst vielen gelingt. Wir tun auch einiges dafür. Ich möchte nur die Stichworte „Integrationskurse“ und „Sprachlehrgänge“ nennen. Für uns, für die Union, steht eine gute Integration im Vordergrund. Dafür ist das Erlernen der deutschen Sprache der entscheidende Schlüssel. Wir wollen im Übrigen auch, dass sich möglichst viele derer, die die Voraussetzungen erfüllen, dann auch tatsächlich einbürgern lassen. Dadurch wird die Zugehörigkeit zu unserem Land am besten ausgedrückt. Es entsteht damit vor allem auch eine tiefe wechselseitige Verantwortung. In diesem Zusammenhang ist positiv darauf hinzuweisen, dass die Gesamtzahl der Einbürgerungen das vierte Jahr in Folge gestiegen ist. Das ist ein ganz erfreuliches Zeichen. Zum einen zeigt dies, dass wir in Deutschland ganz überwiegend eine offene Gesellschaft haben, in der sich Menschen anderer Herkunft wohlfühlen. Zum anderen spiegeln sich darin Erfolge der integrationspolitischen Bemühungen der unionsgeführten Bundesregierung wider. Die Studie zum Einbürgerungsverhalten hat auch deutlich gemacht, dass wir keine übertriebenen Einbürgerungsvoraussetzungen und -anforderungen stellen. Denn nur 16 Prozent der Eingebürgerten empfinden sie als zu hoch. Bei denjenigen, die noch im Verfahren stehen, sind es auch nur 22 Prozent. Als Fazit lässt sich feststellen: Aktuell gibt es keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, was das Staatsangehörigkeitsrecht und das Optionsmodell angeht. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch!) Das lässt sich heute aufgrund der Studienergebnisse sagen, auch wenn die Ausübung der Optionspflicht für die ganz überwiegende Zahl der betroffenen jungen Menschen erst noch bevorsteht. Aus diesem Grund sowie aus all den weiteren von mir genannten Gründen lehnen wir Ihre Anträge ab. (Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nochmals falsch!) Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Der Kollege Ingo Wellenreuther war der letzte Redner in unserer Aussprache. Wir kommen nun unter Tagesordnungspunkt 1 a zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13488 mit dem Titel „Abschaffung des Optionszwangs – Ausdruck einer offenen Gesellschaft“. Das ist noch nicht die namentliche Abstimmung, sodass wir hier jetzt zunächst so abstimmen, wie wir es regulär immer machen. Wer stimmt für diesen Antrag? – Das sind die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, Sozialdemokraten und Linksfraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? – Keine. Der Antrag ist abgelehnt. Wir kommen nun unter Tagesordnungspunkt 1 b zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht. Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13312, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/542 abzulehnen. Wir stimmen nun auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen namentlich über den Gesetzentwurf ab. Bevor wir zur Abstimmung kommen, darf ich bekannt geben, dass mehrere Erklärungen zur Abstimmung vorliegen.1 Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Darf ich fragen, ob die Plätze an den Urnen überall besetzt sind? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gibt es noch jemanden, der seine Stimmkarte noch nicht abgegeben hat? Hat jemand jemanden gesehen, der noch mit Stimmkarte in der Hand herumläuft und dem droht, die Abstimmung zu verpassen? – Auch dazu sehe ich kein Signal. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die Auszählung durchzuführen. Das Ergebnis der Abstimmung geben wir Ihnen – wie immer – bekannt, sobald es vorliegt.2 Wir haben jetzt noch eine Reihe einfacher Abstimmungen. Dazu bitte ich Sie, sich wieder auf die Plätze zu begeben. Wir setzen unter Tagesordnungspunkt 1 c die Abstimmung zu der Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf der Drucksache 17/13312 fort. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/7654 mit dem Titel „Staatsangehörigkeitsrecht modernisieren – Mehrfache bzw. doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf der Drucksache 17/12185 mit dem Titel „Für gleiche Rechte – Einbürgerungen erleichtern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Die Beschlussempfehlung ist offenkundig mit Mehrheit angenommen gegen die geballten Stimmen der Fraktion Die Linke. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Enthaltung!) – Entschuldigung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen legt Wert darauf, mit der Enthaltung im Protokoll vermerkt zu sein. Das ist hiermit sichergestellt. Tagesordnungspunkt 1 d. Hier geht es um die Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht. Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf der Drucksache 17/13299, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 1 e. Auch hier empfiehlt der Innenausschuss auf seiner Drucksache 17/13299 unter Buchstabe b die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/7373 mit dem Titel „50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbeabkommen – Assoziationsrecht wirksam umsetzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen. Damit haben wir diesen Tagesordnungspunkt abgeschlossen. Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 2 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit in den Jahren 2011 und 2012. Das Wort für einen einleitenden Kurzbericht hat der Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat heute den Bericht über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz für die letzten beiden Jahre – 2011 und 2012 – beschlossen. Dieser § 96 betrifft meinen Verantwortungsbereich, also die Kultur. Zu diesem an sich sehr umfänglichen Bereich heißt es in § 96: Die Bundesregierung berichtet jährlich dem Bundestag über das von ihr Veranlasste. Auf Grundlage dieses Paragrafen fördern wir vielfältige Institutionen und Projekte, die das kulturelle Erbe der früheren deutschen Ost- und Siedlungsgebiete erhalten, vermitteln und erforschen. Für diese Aufgaben stehen aufseiten des Bundes jährlich 16 Millionen Euro zur Verfügung. Der Bund nimmt diesen Auftrag mit den Ländern wahr. Von welchen Regionen sprechen wir? Ich nenne einige Beispiele: Wir sprechen von den früheren deutschen Ostprovinzen wie zum Beispiel Pommern, Ostpreußen, Schlesien und Westpreußen, von den Siedlungsgebieten der Deutschen in Böhmen und Mähren oder auch zum Beispiel von den Siebenbürger Sachsen. Deutsche Bewohner haben jahrhundertelang die Kultur und Geschichte dieser Regionen geprägt. Es handelt sich also um ein großes Erbe deutscher und europäischer Geschichte und Kultur, das wir heute – 20 Jahre nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft – gemeinsam mit unseren Partnern im östlichen Teil Europas erschließen können. Inzwischen hat auch das nachkommunistische östliche Europa dieses Erbe entdeckt und begegnet ihm mit großer Wertschätzung. Hieraus ergeben sich vielfältige Anknüpfungspunkte für fruchtbare Kooperationen, aber auch für versöhnende Projekte im Umgang mit teils belasteten geschichtlichen Erfahrungen. Zu den geförderten Projekten gehören in meinem Ressort 14 Einrichtungen, darunter sieben Museen, drei Wissenschaftseinrichtungen und drei Kultureinrichtungen. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt dieser Förderung der letzten beiden Jahre lag auf der Nachwuchsförderung. Es wurden drei akademische Förderprogramme umgesetzt bzw. in die Wege geleitet, die sich speziell an Universitäten richteten. Zudem haben wir zwei Juniorprofessuren besetzt und eine weitere Stiftungsprofessur im Ausland neu geschaffen. Wir haben Stipendien an Nachwuchswissenschaftler und einen neuen Forschungspreis vergeben sowie zahlreiche internationale Projekte gefördert. All dies ist im Bericht im Einzelnen nachzulesen. Erst vor wenigen Monaten hat der von Bund und Ländern mit der Evaluation von Forschung in Deutschland beauftrage Wissenschaftsrat die gute Qualität der aufgrund von § 96 Bundesvertriebenengesetz stattfindenden Forschung ausdrücklich gewürdigt. Unsere Aktivitäten bzw. die Aktivitäten der genannten Einrichtungen werden, meine Damen und Herren, auch vor Ort in den osteuropäischen Ländern durchgehend begrüßt. Ich habe das selbst in Siebenbürgen – in Rumänien – erlebt, wo ich ein gemeinsames Projekt mit der Stiftung von Peter Maffay ins Leben gerufen habe. Das habe ich auch in meiner eigenen Heimat Westpreußen erlebt, wo unser Landesmuseum eine Dependance hat. Die Leute vor Ort – also in dem Fall die Polen – sind dankbar und froh, dass wir uns gemeinsam der europäischen Vergangenheit widmen. Dies alles bereichert den europäischen Kulturraum und dient der Entfaltung einer offenen Erinnerungskultur, aus der verbindende Elemente einer gemeinsamen europäischen Identität gewonnen werden können. Neue Generationen interessieren sich verstärkt für dieses gemeinsame historische Erbe. Sie können sich ihm mit größerer innerer Freiheit zuwenden als wahrscheinlich die Erlebnisgeneration. Erlauben Sie mir, abschließend etwas zur Stiftung Flucht, Vertreibung und Versöhnung in Berlin zu sagen. Diese hat in den letzten zwei Jahren wichtige Schritte – nicht immer einfache – zurückgelegt. Dazu gehören die einvernehmliche Verabschiedung der Stiftungskonzeption als Grundlage für die Tätigkeit der Stiftung und der Abschluss des Architektenwettbewerbs für den Umbau des Deutschlandhauses. In wenigen Tagen, am 11. Juni, wird Frau Bundeskanzlerin das Startsignal für den Baubeginn geben. Der Ihnen vorgelegte Bericht – das sage ich abschließend – ist ein überzeugender Beitrag zur Versöhnung und auch für das Zusammenwachsen in Europa. Das Kulturerbe der Deutschen im östlichen Europa hat sich mittlerweile zum verbindenden Baustein einer europäischen Erinnerungskultur entwickelt. Das gestiegene Interesse daran führt Deutsche und Menschen anderer europäischer Länder zusammen. Das ist genau das, was wir in Europa wollen. So weit, Herr Präsident, das Eingangsstatement. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich bedanke mich sehr. Bevor ich die bereits notierten Fragesteller aufrufe, will ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht bekannt geben: abgegebene Stimmen 574. Mit Ja haben gestimmt 267, mit Nein haben 307 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Enthaltungen gab es keine. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 574; davon ja: 267 nein: 307 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Bärbel Bas Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Klaus Brandner Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h.c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Wolfgang Gunkel Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gabriele Hiller-Ohm Petra Hinz (Essen) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h.c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Astrid Klug Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özo?uz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Silvia Schmidt (Eisleben) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h.c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Marco Buschmann Johannes Vogel (Lüdenscheid) DIE LINKE Jan van Aken Dr. Dietmar Bartsch Herbert Behrens Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Da?delen Dr. Diether Dehm Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Jutta Krellmann Caren Lay Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Kathrin Vogler Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg Katrin Werner Jörn Wunderlich Sabine Zimmermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Claudia Roth (Augsburg) Krista Sager Manuel Sarrazin Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovi? Nein CDU/CSU Peter Altmaier Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Bosbach Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer (Göttingen) Dirk Fischer (Hamburg) Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Erich G. Fritz Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schw.) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Annette Schavan Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Rainer Brüderle Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h.c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Patrick Meinhardt Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Damit ist der Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt, womit nach unserer Geschäftsordnung die dritte Beratung entfällt. Wir kommen jetzt zu den Fragen zum Bericht der Bundesregierung. Ich erteile das Wort zunächst der Kollegin Krumwiede. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kulturstaatsminister, ich bin ein bisschen verwundert über Ihr Eingangsstatement; denn eigentlich sollte die Kulturarbeit in den Jahren 2011 und 2012 im Zentrum Ihrer Ausführungen stehen. Ich möchte zu einem Gebiet, das Sie angesprochen haben, eine Frage stellen, zur Kulturförderung auf der Grundlage des § 96 Bundesvertriebenengesetz; denn dazu haben wir viele offene Fragen. Auch die Menschen jüdischen Glaubens in den ehemals von Deutschen besiedelten Gebieten in Osteuropa sind Deutsche. Wir sind der Überzeugung, dass Sie bei Ihrer Förderarbeit auf Grundlage des § 96 BVFG der Geschichte der Vertreibung und Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens und von Sinti und Roma zu wenig Beachtung schenken. Jetzt erst einmal meine Frage: Warum sind bei der Förderung des Substanzerhalts auf Grundlage des § 96 BVFG keine Synagogen dabei? Nächste Nachfrage: Nach welchen Maßstäben sind Sie vorgegangen, als Sie in der Bereinigungssitzung aktuell 10 Millionen Euro an das Sudetendeutsche Museum in München gegeben haben? Sie haben die 16 Millionen Euro jährlich erwähnt, die auf Grundlage von § 96 BVFG fließen. Das ist ja eine ganz schöne Summe. Nach welchen Förderkriterien haben Sie die Förderung des Sudetendeutschen Hauses in München mit 10 Millionen Euro bewilligt? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ich will mit Ihrer letzten Frage beginnen: Ich bitte Sie, diese Frage an die Mitglieder des Haushaltsausschusses zu stellen; denn dies wurde in der Bereinigungssitzung beschlossen. Ich sage Ihnen, damit ich nicht missverstanden werde: Ich begrüße dies durchaus. Es gibt viele Landesmuseen zum Thema Vertreibung aus ehemaligen deutschen Ostgebieten. Es gibt ein Westpreußisches Landesmuseum, ein Schlesisches Museum und ein Ostpreußisches Landesmuseum. Es gibt bisher aber kein Sudetendeutsches Landesmuseum. Solche Museen sind eine Bereicherung für den Kontakt und den Kulturaustausch mit den verantwortlichen Leuten in diesen Gebieten. Das hat der Haushaltsausschuss beschlossen. Ich weiß nicht, ob er dazu besondere Kriterien braucht. Er wollte diese Lücke schließen. Ich begrüße dies. Weitere Aspekte sind mir nicht bekannt, die von mir genannten Aspekte reichen aus meiner Sicht aber für einen Beschluss aus. Eingangs hatten Sie formuliert, mein Beitrag habe Sie etwas überrascht. Wenn das gelungen ist, bin ich erst einmal zufrieden. In diesem Fall verstehe ich das aber nicht. Ich soll hier ja berichten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, aber innerhalb einer Minute, Herr Staatsminister. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ich wollte sie nicht so kurz abfertigen. – Gut. Ich habe mich an das gehalten, was hier im Bericht steht. Das mag ein Stück weit auch aus dem Jahr 2010 gewesen sein. Das kann man nicht immer so genau trennen. Das, was ich gesagt habe, war auch der Schwerpunkt der Arbeit in den Jahren 2011 und 2012. Um es kurz zu machen: Zur Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage verweise ich auf die Antworten, die Sie schon früher einmal erhalten haben. Das scheint Ihnen ein großes Anliegen zu sein. Ich habe Ihnen gesagt: Selbstverständlich spielt auch das deutsch-jüdische Kulturerbe eine Rolle. Ich will es anders ausdrücken: Wenn wir die Geschichte eines ehemals deutsch orientierten und besiedelten Gebiets in Osteuropa betrachten – dabei geht es im Übrigen nicht nur um 20 oder 30 Jahre, sondern manchmal um Hunderte von Jahren –, wird der jüdische Teil der Bevölkerung – dieser war häufig bedeutend – natürlich einbezogen. Das wird in allen Museen, die wir verantworten, so gemacht. Das ist wichtig und richtig. Insofern, finde ich, müssten Sie eigentlich zufrieden sein. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich bin insofern nicht zufrieden, als wir jetzt für die erste Antwort zu dieser fraglos bedeutenden Thematik dank der Großzügigkeit des Präsidiums mehr als doppelt so viel Zeit eingeräumt haben, als unsere Geschäftsordnung vorsieht. Ich erinnere noch einmal daran, dass für die Fragen und Antworten jeweils eine Minute zur Verfügung steht. Der Kollege Brähmig hat die nächste Frage. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Herr Präsident! Herr Staatsminister! Meine Fraktion und ich sind erfreut über die Unterrichtung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz in den Jahren 2011 und 2012, welche die Bundesregierung vorlegt. Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass das Bundesvertriebenengesetz 60 Jahre nach seiner Verabschiedung hier im Deutschen Bundestag eine einzigartige Erfolgsgeschichte für Deutschland, aber auch für Europa ist. Daher möchte ich mich ganz herzlich bei der Bundesregierung für ihr langfristiges Eintreten bedanken. Lieber Herr Staatsminister, vielleicht können Sie noch kurz Ausführungen dazu machen, wie sich die Zusammenarbeit mit den Bundesländern in diesem Bereich gestaltet. Die Einrichtungen der verschiedenen Landsmannschaften, die Sie angesprochen haben, befinden sich in verschiedenen Regionen Deutschlands, und es ist vorgesehen, dass sich die Bundesländer finanziell beteiligen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit? Ich bin übrigens auch der festen Überzeugung, dass die Förderung des jetzt geplanten Sudetendeutschen Museums in München ein ähnlich nachhaltiger Einsatz von Steuergeldern sein wird wie die Förderung der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung hier in Berlin. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Die Zusammenarbeit mit den Ländern ist gut. Das Engagement der Länder in diesem Bereich ist unterschiedlich ausgeprägt. Eine Reihe von Einrichtungen finanzieren wir gemeinsam mit den Ländern, zum Beispiel das Pommersche Landesmuseum in Greifswald, das Schlesische Museum zu Görlitz und das Herder-Institut in Marburg. Darüber hinaus werden in den Ländern zum Teil wirklich innovative Projekte auf den Weg gebracht. Ich erwähne das 2012 eröffnete Zentrum zur Erforschung deutscher Geschichte und Kultur in Südosteuropa an der Universität Tübingen. Wir sind also mit den Ländern in Kontakt. In manchen Ländern geschieht nichts. Ich bedaure sehr, dass Berlin da sehr zögerlich ist, was ja nicht der Art Berlins entspricht, die wir kennen. In dem Punkt verhält sich Berlin so; das muss ich akzeptieren. Prinzipiell arbeiten wir mit vielen Bundesländern in diesem Bereich ausgezeichnet zusammen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Jochimsen. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, die Kollegin Krumwiede hat ja schon darauf hingewiesen, dass es zu diesem Förderungsbereich vonseiten der Mitglieder des Ausschusses für Kultur und Medien immer wieder viele verschiedene Fragen gibt. Ich möchte von Ihnen Folgendes wissen: Wir befinden uns hier in der Befragung der Bundesregierung. Um 14 Uhr, also vor einer Stunde, habe ich den 44-seitigen Bericht der Bundesregierung auf meinen Schreibtisch bekommen. Nun soll ich Sie zu den in diesem Bericht neu zusammengetragenen Fakten und Erkenntnissen befragen. Können Sie mir sagen, wie ich das machen soll? Ist das hier eine Showveranstaltung, die man besser „Erklärung des Staatsministers zum heute im Kabinett verabschiedeten Bericht“ nennen sollte? Präsident Dr. Norbert Lammert: Bevor der Staatsminister dazu Stellung nimmt, muss ich mit Blick auf unsere Geschäftslage darauf aufmerksam machen, dass sich, wenn wir Wert darauf legen, dass Themen, die im Kabinett behandelt werden, am gleichen Tag anschließend in der Befragung der Bundesregierung zum Thema gemacht werden, aus logischen Gründen nicht vermeiden lässt, dass umfangreiche Berichte noch nicht von den Mitgliedern gelesen sein können. Die Konsequenz wäre, dass wir darauf verzichten, die Befragung am gleichen Tag durchzuführen, und sagen: Wir nehmen uns das für die jeweils nächste Sitzungswoche vor, weil es bis dahin jeder gelesen haben kann. Dieser Konflikt ist also von uns so entschieden worden, wie wir ihn entschieden haben, und insofern nicht von der Bundesregierung zu vertreten. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Aber 44 Seiten in 60 Minuten durchzuarbeiten, um dann verständliche Fragen zu stellen – – Präsident Dr. Norbert Lammert: Es ist noch viel schlimmer, Frau Jochimsen. Wir haben hier die gleiche Prozedur bei wesentlich längeren Berichten durchgeführt (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Genau so ist das!) und dennoch darauf bestanden, dass wir sie am gleichen Tag zum Gegenstand der Befragung machen. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Genau so ist das!) Herr Staatsminister. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ich muss sagen: Ich bin überrascht. Ich hätte es meiner Verwaltung gar nicht zugetraut, dafür zu sorgen, dass Ihnen dieser Bericht, obwohl wir erst vor drei Stunden getagt haben, schon vorliegt. (Beifall des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, manchmal traut das Parlament der Regierung mehr zu als diese sich selbst, Herr Minister. – Nun hat der Kollege Lindemann das Wort. Lars Lindemann (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatsminister, würden Sie als Erstes vielleicht noch einige Ausführungen dazu machen, wie es um das kulturelle Erbe der Russlanddeutschen und Spätaussiedler steht und wie sie in die Förderung einbezogen werden? Würden Sie uns als Zweites bitte erläutern, wie sich das, was in Ihrer Amtszeit auf diesem Gebiet getan worden ist, finanziell auswirkt? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Was die finanziellen Auswirkungen in der Zeit der Regierung Merkel anbetrifft – sie ist ja gleichbedeutend mit meiner Amtszeit –, kann ich sagen, dass wir die Mittel für diesen Bereich deutlich erhöht haben, nämlich um 30 Prozent. Mittlerweile sind es sogar mehr als 30 Prozent. Einstmals wurden dafür 12 Millionen Euro ausgegeben, jetzt sind es 20 Millionen Euro. Aber ich füge hinzu: für besondere Aufgaben wie die wissenschaftliche Erarbeitung. Wir wollen junge Leute in die kulturelle Bildung einbeziehen. Es ging also nicht nur um die Fortsetzung der vorangegangenen Arbeit, sondern wir haben auch versucht, zeitgemäß weitere Akzente zu setzen. Wir wollten dies nicht nur zum Thema einer Vertriebenengeneration machen, sondern auch zum Thema der jungen Generation. Wir wollten dafür sorgen, dass diejenigen, die aus ehemals deutschen osteuropäischen Gebieten stammen, wissen, woher sie kommen, und dass die Leute vor Ort wissen, wie ihre Geschichte ist. Diese Bemühungen haben wir gemeinsam verstärkt. Ich glaube, einen besseren Beitrag zur Versöhnung in Europa kann man nicht leisten. Was die Russlanddeutschen angeht, ist zu sagen: Es leben derzeit 3,2 Millionen – – Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Staatsminister. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ach so, das war die eine Minute. Präsident Dr. Norbert Lammert: Das war schon wieder der Sympathiezuschlag des Präsidenten. – Als Nächste ist Frau Zypries dran. Brigitte Zypries (SPD): Herr Minister, ich möchte gerne wissen, ob Sie die Einrichtungen, die Sie fördern, auch evaluieren. Gibt es also eine Erhebung, wie viele Menschen die geförderten Einrichtungen pro Jahr jeweils besuchen? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ja. Zunächst einmal sind sie vom Wissenschaftsrat evaluiert worden – darauf hatte ich schon hingewiesen –, und zwar im Hinblick auf ihre wissenschaftliche Provenienz und Qualität; das Ergebnis war exzellent. Natürlich liegen für jede Einrichtung auch Verlaufskurven, was die Besucherzahlen betrifft, vor. Wenn diese nicht im Bericht enthalten sein sollten – ich vermute das –, bin ich gern bereit, sie Ihnen im Hinblick auf eine bestimmte Einrichtung oder, wenn Sie mir etwas Zeit geben, auch im Hinblick auf alle Einrichtungen zuzustellen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Poland. Christoph Poland (CDU/CSU): Herr Staatsminister, würden Sie bitte erläutern, welche finanziellen Aufwendungen gerade für Einrichtungen im Bereich Flucht und Vertreibung und zur Förderung der Russlanddeutschen getätigt werden? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Wie schon gesagt: Im Haushalt stehen insgesamt 20,2 Millionen Euro zur Verfügung. Die Mittel wurden in den letzten Jahren deutlich erhöht, insbesondere die Mittel für die fünf Regionalmuseen und den Adalbert-Stifter-Verein. Außerdem haben wir eigenverantwortlich arbeitende Kulturreferentinnen und -referenten, die für die jeweilige Einrichtung vor Ort, also in den osteuropäischen Ländern, tätig sind, eingestellt und sie finanziell besser ausgestattet. Wir haben gemeinsam mit dem Land Niedersachsen den Ausbau und die Modernisierung des Ostpreußischen Landesmuseums vorgenommen, und wir haben auch die Mittel für das Herder-Institut in Marburg deutlich erhöht. Das war der richtige Weg; das besagt auch ein Gutachten des Wissenschaftsrates aus dem letzten Jahr, der hier ebenfalls zu einem sehr guten Ergebnis gekommen ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Wortmeldung: Frau Rößner. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatsminister, Sie wissen vielleicht, dass im Kulturbetrieb, was die Gleichstellung von Frauen angeht, noch einiges im Argen liegt. Sie haben erwähnt, dass Sie in Ihrem Projekt Juniorprofessuren eingerichtet und Forschungspreise vergeben haben. Ich wüsste gerne, wie Sie sichergestellt haben, dass Frauen besonders gefördert werden, bzw. wie bei der Preisvergabe und bei der Einrichtung der Professuren die Geschlechterverteilung aussieht. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Sie können davon ausgehen – das ist meine Grundsatzeinstellung –, dass ich diesem Ziel, welches wir in dem Falle gemeinsam verfolgen, immer Aufmerksamkeit widme. Die Gleichstellung von Frauen ist bei Entscheidungen immer auch ein Kriterium. Ich kann Ihnen jetzt nicht nach Geschlecht aufschlüsseln, wer wann welchen Preis bekommen hat. Wenn ich Ihnen das konkret beantworten soll, müsste ich Ihnen das zustellen; das tue ich gerne. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Pols? – Hat sich erledigt. Frau Krumwiede. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, aus Ihrer Beantwortung der Frage von Frau Zypries, ob Sie die Einrichtungen, die Sie fördern, auch evaluieren, schließe ich, dass Sie den Bericht ebenfalls noch nicht richtig gelesen haben. Da haben wir etwas gemeinsam; denn meinem Büro liegt der Bericht noch gar nicht vor. Das erklärt ein bisschen meine Überraschung. Trotzdem gehe ich davon aus – danach haben wir, wie Sie vorhin schon erwähnt haben, tatsächlich vor kurzem gefragt –, dass sich unter den Substanzfördermaßnahmen des § 96 zwar viele Kirchen, aber keine jüdischen Einrichtungen, keine Synagogen befinden. Darauf bezieht sich meine Frage: Wäre es nicht auch möglich, im Rahmen von § 96 Fördermaßnahmen im Hinblick auf die KZ-Gedenkstätten in Polen zu ergreifen? Ich meine zum Beispiel das ehemalige Konzentrations- und Vernichtungslager in Sobibor, das, wie Sie wahrscheinlich wissen, unter akutem Finanzierungsmangel leidet und von Substanzverlust bedroht ist. Die Bundesregierung hat sich hier bisher gesträubt, Verhandlungen aufzunehmen und sich an der Finanzierung zu beteiligen. Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Jetzt habe ich wieder nur eine Minute. – Frau Krumwiede, Ihre Vermutung, dass ich den Bericht nicht gelesen hätte, ist falsch. Ich habe ihn vor einiger Zeit gelesen, muss mich nur noch daran erinnern können. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir sind den Bericht heute noch einmal durchgegangen und haben festgestellt: Die Besucherzahlen sind darin nicht enthalten. Ich hatte das etwas unter Vorbehalt gestellt; aber es ist wohl so. Das Zweite: Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gesagt, dass mit diesen Fördermaßnahmen keine Synagogen gefördert werden. Im Rahmen von § 96 werden im Normalfall auch keine Kirchen gefördert – dafür gibt es das Denkmalschutzprogramm –, sondern es wird über Kulturpflege nachgedacht. Dazu gehören sicherlich die Arbeit der Kirchen und manchmal auch das, was bei der Förderung des Denkmalschutzes übrig geblieben ist. Ich bin ganz sicher: In einem vergleichbaren Fall würde eine Synagoge genauso gefördert. Mir ist jetzt nicht in Erinnerung, dass es bei diesen Fördermaßnahmen direkt um Kirchen ginge. Die Kirchen gelten lediglich als Beispiel für Einrichtungen, die bei der kulturellen Entwicklung eine Rolle gespielt haben. Dazu gehören – uneingeschränkt natürlich – auch die Synagogen. Der jüdische Einfluss auf die Kultur Deutschlands und Europas war ja beträchtlich, und das ist gut so. (Agnes Krumwiede [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spiegelt sich in der Förderpraxis nicht wider!) Jetzt habe ich die dritte Frage vergessen; (Agnes Krumwiede [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: KZ-Gedenkstätten!) aber ich habe auch gar keine Zeit mehr, sie zu beantworten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Richtig. Deswegen hilft jetzt Frau Jochimsen. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Vielen herzlichen Dank. – Wie steht es unter diesem Fördergesichtspunkt eigentlich um die Gründung und Finanzierung von multinationalen Stiftungen zur Förderung von Kultur und Wissenschaft in multiethnischen Regionen Europas? Diese Forderung hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ schon 2005 aufgestellt. Jetzt schreiben wir das Jahr 2013. Meine Frage ist: Kommen wir irgendwann aus der Kulturförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz heraus und in eine neuzeitliche Normalität hinein? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ihre in der Frage formulierte Sachverhaltsfeststellung teile ich nicht, aber die Frage als solche beantworte ich wie folgt: Natürlich ist die Förderung im Rahmen von § 96 Bundesvertriebenengesetz auch für eine Beteiligung im Ausland möglich. Es gibt lediglich eine verfahrensrechtliche Struktur, die im Übrigen durch den Rechnungshof vorgegeben ist und für alle ähnlichen Förderungen gilt – ich nenne hier die internationale Filmförderung –, wonach formal der Projektträger im Inland angesiedelt sein muss. Aber diese Vorschrift hindert überhaupt nicht daran – das geschieht im Rahmen von § 96 BVFG –, international zusammenzuarbeiten. Das gilt auch für Stiftungsprofessuren. Wir verleihen Stiftungsprofessuren, zum Beispiel an der Universität Pécs in Ungarn und anderswo, an ausländische Wissenschaftler und auch Stipendien an Studenten, die sich mit diesem Thema befassen. Die formale Vorgabe, dass der Projektträger in Deutschland leben muss, schließt die internationale Zusammenarbeit und die Beteiligung im Ausland, insbesondere die der Betroffenen vor Ort, nicht aus. Diese Vorgabe ist kein Hindernis. Wir praktizieren diese Förderung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die letzte Wortmeldung kommt vom Kollegen Brähmig. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Herr Staatsminister, bei Besuchen im Baltikum, in der Slowakei, in Ungarn, in Rumänien und Kroatien, aber auch in Böhmen und Mähren habe ich festgestellt, dass sich vor allem die jungen Menschen dort sehr intensiv mit dem deutschen Kulturerbe beschäftigen und dazu viele Projekte entstehen. Meine Frage ist: Wie können wir die Jugend in Deutschland mit der Jugend in diesen Ländern zusammenführen? Ich denke hier konkret an Maßnahmen der Bildungsminister, durch die sich junge Menschen noch intensiver mit der Geschichte der Deutschen in den ehemaligen Siedlungsgebieten beschäftigen können. Könnte man dadurch ebenfalls in der Europapolitik eine feste Brücke zwischen den jungen Menschen schaffen? Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Das geht einerseits über Projekte im Bereich der kulturellen Bildung. Damit können wir das Interesse der jungen Leute für diese Thematik wecken. Andererseits geschieht das noch viel intensiver über die Universitäten. Ich habe davon geredet, dass wir zunehmend Stiftungsprofessuren zu diesem Thema haben, dass sich in Tübingen sogar ein ganzer Bereich dieses Themas angenommen hat. Das Erfreuliche ist, dass gerade bei den jungen Menschen ein größeres Interesse für diese Thematik, für Osteuropa und auch die ehemals deutschen Gebiete mit ihrer Kultur, spürbar ist, als das noch vor 10 oder 15 Jahren der Fall war. Deshalb haben auch die Regelungen des § 96 Bundesvertriebenengesetz Zukunft. Sie sind eben nicht nur eine Reminiszenz, eine Erinnerung an frühere deutsche Gebiete, sondern sie sind ein wichtiger Beitrag für die Zukunft der jungen Generation. Die jungen Menschen müssen wissen, was früher war, sie müssen wissen, woher sie kommen. Nur so können sie sich austauschen und ein Identitätsgefühl in Europa schaffen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Wir schließen damit die Fragen zu diesem angemeldeten Themenbereich ab. Gibt es Fragen zu anderen Themen der heutigen Kabinettssitzung? – Bitte schön. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Vor dem Hintergrund der sich gerade weiter verschärfenden aktuellen Hochwasserkatastrophe, die bereits gestern vonseiten der Regierung thematisiert worden ist und die, soweit wir wissen, heute Thema im Kabinett war, frage ich als Erstes – es sind schon Hilfen zugesagt worden; wir wissen aber, dass nun ein ganz anderes Ausmaß an Hilfen vonseiten des Bundes für die betroffene Bevölkerung erforderlich sein wird –: Welche Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen plant jetzt die Bundesregierung in der Eile bei den Aufräumarbeiten nach der Flut für die betroffene Bevölkerung? Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Staatsminister. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, das Thema hat in der Tat heute im Kabinett eine Rolle gespielt. Die verschiedenen Minister haben dazu auch berichtet. Welche Aufräumarbeiten erforderlich sein werden – das betrifft sowohl Fragen der Verkehrsinfrastruktur, aber zum Beispiel auch der Landwirtschaft und der Kultur –, werden wir allerdings erst dann abschließend beurteilen können, wenn das Wasser wieder zurückgegangen ist und wir das ganze Ausmaß der Schäden erkennen können. Selbstverständlich ist aber, dass wir die Bürgerinnen und Bürger, die Kommunen und die Länder in diesen Fragen nicht alleinlassen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kipping. Katja Kipping (DIE LINKE): In diesem Zusammenhang sind seitens der Bundesregierung unbürokratische Hilfen zugesagt worden. Mich interessiert, was mit „unbürokratisch“ konkret gemeint ist, und ob die betroffenen Kommunen, die teilweise jetzt schon wissen, dass durch die Schäden Kosten in Höhe von über 50 Millionen Euro auf sie zurollen, schon eine schriftliche Bestätigung bekommen haben, (Gisela Piltz [FDP]: Wie soll denn das gehen? Das Problem ist, den Brief kann man leider nicht zustellen!) dass man jetzt den Menschen, die Hab und Gut verloren haben, unbürokratisch mit Geld helfen kann und sie dafür die Rückendeckung der Bundesregierung haben. Kurzum, liegt den Kommunen bereits etwas schriftlich vor, damit sie schnell agieren können? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, die Bundesregierung ist in einem ständigen Dialog sowohl mit den Ländern als auch mit den betroffenen Kommunen, um so schnell wie möglich helfen zu können. Was die genauen Maßnahmen angeht und welche Maßnahmen ergriffen werden, kann man in der Tat erst beurteilen, wenn man einen Überblick über das Ausmaß der Schäden hat. Sie können aber davon ausgehen, dass diese Maßnahmen so schnell wie möglich ergriffen werden. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Sie haben also nichts schriftlich?) – Was stellen Sie sich denn vor? (Zuruf von der CDU/CSU: Wir müssen uns auch ein bisschen an die Rechts- und Verfassungsordnung halten! – Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Die Leute haben keine Ahnung, was da los ist vor Ort! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Entschuldigung bitte, das war damals bei Schily genauso! Dieses arrogante Gehabe! Sie kennen sich doch gar nicht aus!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Frage hat die Kollegin Herlitzius. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Vielen Dank, dass wir das Thema auf die Tagesordnung setzen können. Präsident Dr. Norbert Lammert: Einen Augenblick. – Wir haben im Augenblick nicht den Tagesordnungspunkt Debatte, Frau Kollegin Künast, sondern den Tagesordnungspunkt Befragung der Bundesregierung. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat nur wieder Quatsch erzählt! – Gegenruf des Abg. Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Nicht zu fassen! Sie haben keine Ahnung! Das muss man mal feststellen!) Ich notiere Sie auch gerne für eine Frage, falls es eine gibt. – Frau Herlitzius. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut, dass wir dieses Thema noch auf die Tagesordnung setzen können. Aktuell betrifft es viele Wahlkreise. Viele Menschen sind vom Hochwasser betroffen. Insofern haben Sie Nachsicht, dass wir ein drängendes Interesse haben, wie die Maßnahmen der Bundesregierung aussehen. Ich glaube, wir alle sind uns darüber im Klaren, dass die 100 Millionen Euro nur ein Auftakt sind und dass wesentlich mehr folgen müssen. Weil die Berichterstattung zu den Hochwasserschutzmaßnahmen, die in den letzten Jahren nicht ausgeführt worden sind, in den Medien zum Teil durchaus sehr kritisch ist, möchte ich gerne nachfragen: Haben Sie einen Überblick darüber, wie die Länder die geplanten Maßnahmen der letzten Jahre umgesetzt haben? Was ist liegen geblieben? Können Sie uns das ein bisschen ausführlicher sagen, damit uns das dann nicht seitens der Medien auf die Füße fällt? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, zunächst einmal müssen wir auch hier trotz der schwierigen Situation natürlich an die verfassungsmäßige Aufgabenverteilung denken und uns an sie halten. Dazu gehört zunächst einmal, dass für die Hochwasserschutzmaßnahmen die Länder – mit finanzieller Unterstützung des Bundes – zuständig sind. Dafür, dass bestimmte Maßnahmen möglicherweise nicht ausgeführt worden sind, kann es unterschiedliche Gründe geben. Ich habe zum Beispiel heute im Deutschlandfunk ein Interview mit dem thüringischen Wirtschaftsminister Machnig zu diesem Thema gehört, der darauf hingewiesen hat, dass auch Einsprüche von Bürgern dazu geführt haben, dass bestimmte Maßnahmen nicht umgesetzt werden konnten. Ich will daraus nicht die Konsequenz ableiten, dass man deswegen in Zukunft auf solche Einsprüche verzichten sollte, sondern das nur mit dem Hinweis verbinden, dass wir die Dinge sehr sorgfältig untersuchen und im Rahmen unserer Zuständigkeiten so schnell wie möglich helfen werden. Dann werden wir natürlich auch die Frage erörtern müssen, was beim nächsten Mal besser gemacht werden kann. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Brähmig. Klaus Brähmig (CDU/CSU): Herr Präsident! Herr Staatsminister, als Abgeordneter eines außerordentlich betroffenen Wahlkreises, an der Elbe liegend, wo eventuell in der Nacht oder sogar erst am morgigen Tag der Höhepunkt des Hochwassers erreicht wird und wir mit Pegelständen des Jahres 2002 rechnen, will ich mich zuallererst einmal ganz herzlich bei der Bundesregierung bedanken. Ich hatte gestern die Möglichkeit, mit Frau Bundeskanzlerin im Wahlkreis unterwegs zu sein. Ich denke, die 100 Millionen Euro Soforthilfe seitens der Bundesregierung, die durch die Bundesländer ergänzt werden, sind eine gute Geste. Ich möchte Sie gerne fragen, ob dann, wenn das Wasser wieder abgeflossen sein wird, eine konzertierte Aktion seitens des Kanzleramtes und der Ministerien stattfinden wird, damit wir so schnell wie möglich wieder den Zustand erreichen, der vor dem Hochwasser geherrscht hat, was ja ganz wichtig ist. Ergänzend möchte ich Sie fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, bei den Genehmigungsverfahren für Hochwasserschutzmaßnahmen das Gemeinwohl vor das Eigenwohl der einzelnen Bürger zu stellen. In meinem Wahlkreis liegen nämlich viele Einsprüche vor, mit denen einige Einzelpersonen zum Teil auch größere Hochwasserschutzprojekte zu verhindern versuchten. Das kann nicht im Sinne des Gemeinwohls in diesem Bereich sein. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege Brähmig, zunächst bedanke ich mich für Ihre lobenden Worte, die vor allem den Einsatzkräften gelten, die vor Ort mit unermüdlichem Einsatz tätig sind. Wenn man einmal die Situation im Jahre 2002 mit der Situation in diesem Jahr vergleicht, dann kann man wohl feststellen, dass die Zusammenarbeit vor Ort an vielen Stellen wesentlich besser klappt, als dies vor elf Jahren der Fall gewesen ist. Das ist nicht eine Kritik an den Verhältnissen von vor elf Jahren, sondern es ist ein Ausweis der Tatsache, dass diese Zusammenarbeit, die auch alle staatlichen Ebenen einbezieht, verbessert worden ist. Trotzdem hat man in diesem Jahr nicht mit einem solchen Ausmaß gerechnet. Ich darf daran erinnern, dass wir zum Beispiel in Passau die höchsten Pegelstände seit 500 Jahren haben. Die Frage, was an den Verfahren möglicherweise zu ändern sein wird, sollten wir in Ruhe besprechen, wenn das Wasser wieder zurückgegangen ist. Jetzt geht es zunächst darum, dass wir den Betroffenen helfen, die Grundlage ihrer Existenz zu sichern, dass Menschen nicht an Leib und Leben gefährdet werden und dass wir an der Seite derjenigen stehen, die sich jetzt für die Menschen in den Hochwassergebieten engagieren. Danach werden wir die anderen Fragen in aller Ruhe besprechen müssen. Dabei ist es selbstverständlich, dass wir uns auch an die verfassungsmäßige Ordnung halten müssen. Im Rechtsstaat gehört es dazu, dass man gegen eine Maßnahme auch Einspruch oder Widerspruch einlegen darf. Wenn solche Verfahren an bestimmten Stellen zu lange gedauert haben, dann wird man sich auch dies in Ruhe ansehen müssen. Aber diese Frage kann man vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation so abstrakt nicht beantworten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Ostendorff. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, natürlich wird den Hilfskräften, den vielen Tausend Ehrenamtlichen, die in den Hochwassergebieten Tag und Nacht Leib und Leben retten und den größten Schaden abwenden, auch von unserer Seite aller Respekt gezollt. Das ist völlig klar. Trotzdem bleiben Fragen. Wir haben jetzt schon die zweite Jahrhundertflut, obwohl dieses Jahrhundert noch gar nicht so alt ist. Vielleicht sind es Jahrzehntfluten, vielleicht ist aber auch der Begriff falsch. Aus Sicht der Landwirtschaft, auf die ich mich kaprizieren möchte, stellen sich konkrete Fragen. Ein Beispiel: An der Elbe, in Torgau, sollte ja ein großer Retentionsraum geschaffen werden. Es war zwischen allen Beteiligten abgestimmt, dass dort etwas passieren sollte, Herr Brähmig. Wie weit ist das denn gediehen? Ich habe noch vor wenigen Wochen gesehen, dass dort nichts passiert ist. In dem festgelegten Raum hat es Widerstand gegeben. Der Bauernverband und die betroffenen Landwirte, vor allem einer, wollen das nicht. So etwas ist ja üblich. Aber wie kommen wir weiter? Was machen wir, um das in den Griff zu bekommen? Allein das, was heute Morgen die Ministerin verkündete – Sicherung und Erhöhung der Deiche –, verhindert nach unserer Einschätzung in Hitzacker oder in Passau noch kein Hochwasser. Vielleicht wird die Situation dadurch sogar noch verschlimmert, wie auch ich meine. Wie kommen wir in der Frage der Überflutungsräume weiter? Uns ist ja allen klar, dass keiner freiwillig Flächen hergibt. Was gedenkt die Bundesregierung insoweit zu tun? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege, was die konkreten Beispiele Hitzacker oder Passau angeht, kann ich Ihnen jetzt keine konkrete Antwort geben. Auch in diesen Fällen gilt aber das, was ich zuvor gesagt habe. Auch die Schaffung von Überflutungsräumen wird von den entsprechenden verwaltungsrechtlichen Verfahren begleitet werden. Ob man einen solchen Widerspruch in der konkreten Situation für richtig und die Verzögerung für hinnehmbar hält oder ob man den Widerspruch und die Verzögerung für falsch hält, hängt nach meiner Auffassung im Wesentlichen nicht so sehr von dem einzelnen verwaltungsrechtlichen Verfahren ab, sondern von dem politischen Standpunkt, den man zu der jeweiligen Infrastrukturmaßnahme hat. Da ist die Bandbreite relativ groß. Wie gesagt, spätestens wenn das Wasser abgeflossen ist, beginnen Überlegungen, was möglicherweise gemacht werden muss. Aber jetzt stehen die konkrete Hilfe und die Bewältigung der Katastrophenfälle im Vordergrund. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Wilms. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Herr Staatsminister, dem, was Herr Ostendorff eben gesagt hat, schließe ich mich voll an. Ich glaube, das ist Meinung des ganzen Hauses. Es gibt sicherlich noch genug zu tun. Aber wir sehen jetzt auch, in welche Zwangslage wir durch das gekommen sind, was wir an vielen Stellen mit unseren Flüssen gemacht haben. Wir haben bislang nur Schnelligkeit und Sicherheit des Schiffsverkehrs in den Vordergrund gestellt und den gesamtökologischen Zustand als Nebenschauplatz abgetan. Vor diesem Hintergrund frage ich gezielt nach. Bis 2012 mussten Überschwemmungsgebiete ausgewiesen werden. Wie ist der Stand? Ist das erfolgt? Die Elbaue bei Dresden wird jedenfalls fleißig weiter bebaut. Wie kommen wir jetzt weiter? Müssen wir uns nicht langsam Gedanken über neue Verfahrensabläufe machen, wohlgemerkt im Rahmen eines rechtsstaatlichen Systems? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, nach meiner Kenntnis sind für diese Verfahren die Länder zuständig. Damit will ich die Diskussion über die Frage, was sich verändern muss, nicht verhindern. Aber wir müssen uns an die verfassungsmäßige Ordnung halten. Ihre Einschätzung, dass es in den letzten Jahren bei der Gestaltung der Flussläufe ausschließlich um die Verbesserung der Schiffbarkeit gegangen sei und ökologische Aspekte keine Rolle gespielt hätten, teile ich nicht. Aber wie gesagt, wir werden uns alles ansehen müssen; denn natürlich geben die Katastrophenfälle, die wir täglich in den Medien verfolgen können, Anlass, darüber nachzudenken. Das ist doch selbstverständlich. Präsident Dr. Norbert Lammert: Es gibt erstaunlich viele Nachfragen. Hoffentlich kommen alle noch zum Zuge, jedenfalls solange ich hier bin. Dann schauen wir einmal. – Kollege Schwanitz. Rolf Schwanitz (SPD): Herr Staatsminister, ich möchte Sie im Hinblick auf die heutige Kabinettssitzung fragen: Hat es heute im Zusammenhang mit den Themen Flut und Fluthilfe konkrete Arbeitsaufträge an einzelne Ressorts gegeben und, wenn ja, welche? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Kollege, es ist davon berichtet worden, dass die Arbeitsgruppe im Kanzleramt eingesetzt ist, dass die Ressorts koordinieren und dass jeder seine Aufgaben macht. Aber die Minister sind nicht angetreten, um konkrete Arbeitsaufträge von der Bundeskanzlerin entgegenzunehmen. So etwas gibt es in einer Kabinettssitzung nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Behm. Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen herzlichen Dank. – In der Tat ist die momentane Situation ziemlich dramatisch. Daher ist es wichtig, dass wir zuerst sehen, wie den Opfern geholfen werden kann. Ich bin aber überzeugt, dass wir natürlich Konsequenzen ziehen müssen, und zwar ernsthaftere als nach den letzten Überflutungen durch Oder und Elbe. Heute wurde im Agrarausschuss unter anderem thematisiert, dass Bürgerinitiativen den Bau von Retentionsflächen verhindert hätten. Ich finde solche Aussagen angesichts der Betroffenheit zahlreicher Menschen zynisch. Was ich sehr gut finde, ist, dass die Bundesregierung sofort reagiert und gesagt hat: Wir werden 100 Millionen Euro als Hochwasserhilfe zur Verfügung stellen. – Ich möchte gerne wissen – das interessiert auch die meisten Betroffenen –, auf welche Art und Weise diese 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden, wie sie verteilt werden und wer diese Hochwasserhilfe in Anspruch nehmen kann. Ich glaube, das ist das Wichtigste, was die betroffenen Menschen erst einmal beruhigt. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Frau Kollegin, es ist richtig, dass dieses Geld zur Verfügung gestellt wird. Es muss dorthin gehen, wo es erstens nach den rechtlichen Voraussetzungen eingesetzt werden kann und wo zweitens die Not am größten ist. Angesichts der derzeitigen Situation kann man dazu nicht viel mehr sagen. Was die Bürgerinitiativen angeht, so finde ich, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür ist, pauschale Schuldzuweisungen vorzunehmen, aber auch nicht, pauschale Entschuldigungen auszusprechen. Deswegen bleibt das, was ich jetzt schon mehrfach gesagt habe, gültig, nämlich dass wir uns die Dinge in Ruhe ansehen müssen, wenn das Wasser wieder zurückgegangen ist, aber es jetzt zunächst einmal darum geht, die Katastrophenfälle zu bewältigen und den Menschen so gut wie möglich zu helfen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt will ich eine Mitteilung zum Verfahren machen und dazu Ihr Einvernehmen herbeiführen. Wir sind erkennbar über der Zeit, die üblicherweise für die Regierungsbefragung vorgesehen ist. Das scheint mir unter Berücksichtigung des jetzt aktuell diskutierten Themas mindestens plausibel, wenn nicht zwingend. Mein Vorschlag ist, dass ich jedenfalls die notierten Kolleginnen und Kollegen – Frau Zypries, Frau Herlitzius, Herrn Drexler und Frau Kipping – noch aufrufe. Dann kommt die Kollegin Enkelmann, die sich schon früh zu einer Frage an die Bundesregierung zu einem anderen Themenbereich als diesem gemeldet hat. Besteht Einvernehmen, dass wir mit dem Aufrufen dieser Frage die Regierungsbefragung komplettieren? – Dann verfahren wir so. Frau Zypries. Brigitte Zypries (SPD): Herr Staatsminister, ich habe eben verstanden, dass Sie sagten, das Kabinett habe heute beschlossen, dass die Ressorts koordinieren. Ich habe immer gedacht, dass das Kanzleramt die Ressorts koordiniert und nicht die Ressorts sich selber. Wie soll denn jetzt die Organisationsstruktur sein? Das ist die erste Frage. Die zweite Frage ist: Habe ich Sie tatsächlich richtig verstanden, dass Sie die 100 Millionen Euro erst dann ausgeben werden, wenn alle Schäden festgestellt sind? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Das Zweite ist nicht richtig, und das Erste hängt sehr davon ab, welche Aufgabe man sich stellt. Zum Beispiel wäre es relativ unsinnig, die Koordination der Einsatzkräfte, die vom Bund zur Verfügung gestellt werden, im Kanzleramt vorzunehmen. Das geschieht im Bundesinnenministerium oder im Bundesverteidigungsministerium. Deswegen ist meine Aussage nach wie vor zutreffend, dass die Koordination von den Bundesministerien vorgenommen wird. Sie als ehemaliges Kabinettsmitglied kennen ja das Ressortprinzip ganz gut. Brigitte Zypries (SPD): Wollen Sie uns dann vielleicht noch erklären, wie die 100 Millionen Euro ausgegeben werden und wie die Soforthilfe aussehen soll? Es ist jetzt dreimal nachgefragt worden, aber es gibt noch keine einzige Antwort von Ihnen. Man weiß nicht, ob die Leute, die jetzt tatsächlich betroffen sind, Geld bekommen oder nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Es war allerdings möglicherweise vor zehn Jahren ähnlich, dass man das am gleichen Tag schwerlich genau sagen konnte. (Brigitte Zypries [SPD]: Dann erklären Sie mal, wie das vor zehn Jahren war! Das kann ich Ihnen gern erklären! Ich habe das selber gemacht!) Frau Herlitzius. Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, Sie haben mich jetzt zu dieser Nachfrage veranlasst, und zwar mit Ihrer Aussage, die Länder seien zuständig. Das ist natürlich nicht so, weil die Flüsse nicht an den Ländergrenzen haltmachen. Sie fließen vielmehr weiter. Insofern ist eine Koordination über die Ländergrenzen hinweg notwendig, sowohl bei den Hilfsmaßnahmen, nach denen Frau Zypries gerade gefragt hat, als auch bei den vorbeugenden Maßnahmen. Wir hatten die Debatte darüber im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung. Vielleicht kann Ihnen Herr Ferlemann helfen. Im Raumordnungsbericht wird der Bundesregierung gesagt, wie sie es machen soll und dass länderübergreifende Abstimmungen erforderlich sind. Die Frage ist: Was ist in dieser Hinsicht passiert? Haben Sie das heute in der Kabinettsrunde thematisiert? Wie wollen Sie die koordinierende Aufgabe, die Sie als Bund haben, zukünftig wahrnehmen? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Ich glaube, die Katastrophe ändert nichts an der Zuständigkeit der Länder für den Hochwasserschutz. Wenn einer der anderen Kollegen das ergänzen möchte, kann er das selbstverständlich gerne tun. Noch einmal: Die Frage der Kompetenzordnung hat angesichts der aktuellen Krisensituation für uns nicht die Hauptrolle gespielt, sondern die Hauptrolle hat die Hilfe für die Menschen gespielt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Drexler. Gerhard Drexler (FDP): Herr Staatsminister, ich komme aus Passau, mein Wahlkreis ist Deggendorf. Wir sind selber betroffen. Ich war gestern mit der Kanzlerin vor Ort. Da wurde die Summe von 100 Millionen Euro – Bayern soll die Hälfte erhalten – genannt. Oberbürgermeister Dupper hat gestern vor Ort kurz eine Grobschätzung vorgenommen. Wir in Passau kennen uns mit Hochwasser aus; denn das haben wir öfter. Dieses Mal allerdings ist es dramatisch. Wird die Summe ausreichen? Kann sie erhöht werden? Allein in Passau beträgt der geschätzte Schaden 20 Millionen Euro. Dann kommt noch Deggendorf hinzu. Passau hat 50 000 Einwohner. Wenn man das hochrechnet: Reichen dann die 100 Millionen Euro aus, oder gibt es noch andere Planungen? Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Diese 100 Millionen Euro, Herr Kollege, sind ja nicht die einzige finanzielle Unterstützung, die zur Verfügung stehen wird. Zum Beispiel ist es möglich, für provisorische Hilfsmaßnahmen Mittel der Europäischen Union in Anspruch zu nehmen. Wir müssen der Frage nachgehen, ob und inwieweit Gelder von Versicherungen zur Verfügung stehen. Es ist unser Ziel, so schnell wie möglich, aber eben auch so effizient wie möglich zu helfen. Effizient helfen wir dann, wenn wir einerseits einen Überblick über das Ausmaß der Schäden haben und andererseits darüber, welche Mittel für den jeweiligen Schaden zur Verfügung stehen. Dass das alles so schnell wie möglich geschieht, das ist eine Selbstverständlichkeit. (Gerhard Drexler [FDP]: Danke sehr!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kipping. Katja Kipping (DIE LINKE): Unser Dank und Respekt sollte allen Helfern, vor allen Dingen den ehrenamtlichen, gelten, die meist nicht vor den Kameras aktiv sind. Ich möchte jetzt noch einmal nachfragen: Ist der Bundesregierung bekannt, dass betroffene Kommunalpolitiker auf eine schriftliche Information warten? Ich habe erst gestern mit einer betroffenen Landrätin telefoniert. Ergebnis: Man wartet auf eine solche Information. Denn Fakt ist: Viele Menschen haben Hab und Gut verloren. Die Kommunen müssen in die Vorhand gehen. Das betrifft auch Kommunen, die wirklich eine knappe Haushaltslage haben. In dem Zusammenhang möchte ich fragen: Hat die Bundesregierung in Erwägung gezogen, dass man an die Versicherungsgesetze herangeht? Denn es ist so, dass nach der Flut 2002 gerade die Hauseigentümer in den Risikogebieten von den Versicherern im Stich gelassen wurden. Eckart von Klaeden, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Die zweite Frage wird im Zusammenhang mit der Erörterung der Konsequenzen aus dieser Flutkatastrophe sicherlich eine Rolle spielen. Was die erste Frage angeht, muss ich wieder darauf hinweisen, dass jedenfalls dafür eine rudimentäre Feststellung des finanziellen Umfangs der Schäden notwendig ist und, zum Zweiten, dass nach unserer Verfassungsordnung die Länder für die Kommunen zuständig sind. Selbst wenn der Bund es wollte: Es ist ihm untersagt, den Kommunen unmittelbar finanzielle Mittel zukommen zu lassen. Ich habe aber auch keine Sorge, dass es dadurch zu einer Verzögerung kommt. Denn ich vertraue darauf, dass die zuständigen Minister in den jeweiligen Landeskabinetten darauf achten werden, dass so schnell wie möglich geholfen wird. Aber, wie gesagt, wenn Sie unter unbürokratischer Hilfe verstehen „unter Umgehung unserer verfassungsmäßigen Ordnung“, dann muss ich Ihre Frage mit Nein beantworten. Wenn sie unter unbürokratischer Hilfe verstehen, dass sie so schnell und so effizient wie möglich geleistet wird, dann beantworte ich sie mit Ja. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun hat Frau Kollegin Enkelmann das Wort. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Uns alle haben am Sonnabend erschreckende Bilder aus Frankfurt am Main im Zusammenhang mit einer Demonstration von Blockupy erreicht. Es gab Hunderte Verletzte, verletzte Journalistinnen und Journalisten. Es gab eine unverhältnismäßige Anwendung von Gewalt durch die Polizei gegenüber einer genehmigten Demonstration. Wie bewertet die Bundesregierung diese Ereignisse, insbesondere mit Blick auf die Akzeptanz von Rechtsstaat und Demokratie in diesem Land? Herr Präsident, die Bundesregierung würde gerne antworten, vermute ich mal. Präsident Dr. Norbert Lammert: Dem steht ja auch nichts im Wege. – Herr Staatssekretär Schröder, bitte schön. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Anwendung und die Auslegung des Versammlungsrechts sind alleinige Aufgabe der Länder. Auch zu den Einsätzen der Landespolizeien können wir deshalb keine Auskunft geben, weil wir dafür schlicht und ergreifend nicht die Verantwortung tragen. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Bundespolizei war auch im Einsatz! Insofern gibt es auch schon eine Verantwortung des Bundes! Also keine Antwort! Keine Antwort ist auch eine Antwort!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Fragen an die Bundesregierung gibt es im Augenblick nicht. Dann schließen wir damit die Regierungsbefragung. Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 3: Fragestunde – Drucksachen 17/13667, 17/13697 – Nachdem die Fragen gemäß Nr. 15 der Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen – das sind die Fragen auf Drucksache 17/13697, die aufgrund der Fristüberschreitung bei der Beantwortung zur mündlichen Beantwortung aufgerufen werden sollten – zurückgezogen worden sind, rufe ich die Fragen auf der Drucksache 17/13667 in der üblichen Reihenfolge auf. (Rolf Schwanitz [SPD]: Meine sind nicht zurückgezogen worden!) – Kann es sein, dass Ihre Frage vorgesehen ist, aber nicht als erste aufgerufen wird, weil es nach der üblichen Reihenfolge geht? – Wir müssen das noch klären. Ich bekomme gerade die Auskunft, wir hätten über Ihre Fraktion den Hinweis erhalten, die Frage sei zurückgezogen. Wenn Sie einverstanden sind, rufe ich jetzt zunächst den Geschäftsbereich des Umweltministeriums auf. Hier steht die Kollegin Parlamentarische Staatssekretärin Reiche für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 1 des Kollegen Ostendorff auf: Was sind die Gründe für den Anstieg des Ammoniakwertes in 2011 gegenüber 2010 und die erneute Überschreitung des Grenzwertes der NEC-Richtlinie von 550 Kilotonnen pro Jahr (www.topagrar.com/news/Home-top-News-Ammoniak-Aus stoss-aus-Landwirtschaft-uebersteigt-Grenzwert-1138680.html), und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung im Bereich der Landwirtschaft, um den Grenzwert dauerhaft einzuhalten? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Herr Kollege Ostendorff, der Anstieg der deutschen Ammoniakemissionen im Jahr 2011 gegenüber denen im Jahr 2010 ist bedingt durch die erhöhten Emissionen aus landwirtschaftlichen Böden. Diese vorläufigen Berechnungen beruhen auf den statistischen Angaben zu den Mineraldüngermengen, die im Bilanzzeitraum abgesetzt wurden. Diese stiegen durch marktbedingte Preiseffekte 2011 an – 2010 waren sie im langjährigen Vergleich niedrig –, dies bedingt eine entsprechend höhere Überschreitung der derzeit geltenden nationalen Emissionshöchstmenge von 550 Kilotonnen pro Jahr im Jahr 2011. Zur Verminderung der Ammoniakemissionen hat die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen bzw. eingeleitet, zum Beispiel die Konkretisierung der Vollzugshinweise zur unverzüglichen Einarbeitung von Rinder- und Schweinegülle auf unbestelltem Ackerland, die Erarbeitung eines Entwurfs für die Änderung der Düngeverordnung unter Berücksichtigung verschiedener Elemente, zum Beispiel Maßnahmen zur Erhöhung der Stickstoffeffizienz oder die Verwendung emissionsarmer Ausbringungstechniken, die Einbeziehung von Biogasgärresten in die Berechnung der Obergrenze von 170 Kilogramm pro Hektar oder auch – das betrifft schon die zweite Frage von Ihnen – die Verringerung der Emissionen aus Stallgebäuden. Die Bundesregierung erwartet, dass mit den genannten Maßnahmen die Ammoniakemissionen in den nächsten Jahren mindestens so weit abnehmen werden, dass die zulässige Emissionshöchstmenge eingehalten wird. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? – Bitte. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, schönen Dank für die Beantwortung. – Sie haben sehr geschickt zwei Fragen verbunden, sodass mir die Rückfrage erschwert wird. Ich möchte – ich bitte auch darum, das so festzuhalten –, dass wir uns zunächst der ersten Frage widmen. Sie haben verschiedene Maßnahmen aufgeführt. Ich habe diese Frage auch schon in den Vorjahren gestellt. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, haben Sie als Bundesregierung – nicht Sie als Person – diese Frage in den Vorjahren genauso beantwortet. Da frage ich mich natürlich: Wieso sind diese wenigen kleinen Maßnahmen, die relativ schnell zu ergreifen sind, auch nach drei Jahren noch nicht umgesetzt? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sie wissen, Herr Kollege Ostendorff, dass in der Zwischenzeit zweierlei passiert ist: Zum einen ist das Göteborg-Protokoll, das von den Parteien der Luftreinhaltekonvention beschlossen worden war, novelliert worden. Zum anderen wird die NEC-Richtlinie gerade auf europäischer Ebene novelliert. Ich nehme an, dass Sie sich auf das Düngermanagement und die Düngemittelverordnung beziehen. In der Tat gab es hier nach intensiven Verhandlungen, auch unter Einbeziehung der beteiligten Kreise, zum Beispiel des Deutschen Bauernverbands, einen Strauß von Maßnahmen. Sie wissen möglicherweise auch, dass dieser ganze Strauß jetzt im Bundesrat hängt, weil er im Agrar- und Umweltausschuss keine Mehrheit fand. Insofern warten wir ab, ob der Bundesrat den Maßnahmen seine Zustimmung erteilt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Frage? Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, zweite Rückfrage zur ersten Frage. – Frau Staatssekretärin, Sie haben darauf hingewiesen, dass es in den letzten beiden Jahren gerade noch so geschafft wurde, die Grenzwerte irgendwie einzuhalten, weil der Verkauf von mineralischen Düngemitteln, der immer schwer abschätzbar ist – das richtet sich nach dem Preis –, etwas zurückgegangen ist; ein Zufallsprinzip, so würde ich das nennen. Wollen Sie weiterhin die Ammoniakrichtlinie einhalten, indem Sie den Zufall bemühen? Glauben Sie, dass das immer funktionieren wird? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Wir bemühen hier nicht den Zufall, sondern beteiligen uns aktiv an der Erarbeitung der Novelle, so wie wir uns auch aktiv an der Novellierung des Göteborg-Protokolls beteiligt haben. Ich glaube auch, dass sehr exakte Vorhersagen über den Düngemittelverbrauch nicht möglich sind. In Deutschland werden ja weder der Verbrauch von Mineralöldünger noch die Ausbringung statistisch erfasst. Sie wissen auch, dass die Emissionsberechnungen auf Bilanzzeiträumen und verkauften Düngermengen beruhen. Welche Kultur angebaut und wie viel Dünger dementsprechend am Ende des Tages ausgebracht wird, ist vorher nicht zu sagen. Wir streben, wie gesagt, an, die Grenzwerte einzuhalten. Ich möchte sie noch einmal ganz kurz referieren. Das Soll von 550 Kilotonnen pro Jahr habe ich angesprochen. Im Jahr 2010 waren es 552 Kilotonnen, und im Jahr 2011 waren es 563 Kilotonnen. Das ist eine Abweichung von 0,4 Prozent bzw. von etwa 2 Prozent. Mir scheint, das liegt noch in einem vertretbaren Rahmen. Wir wissen allerdings, dass wir in der Zukunft weitere Maßnahmen ergreifen müssen. Das liegt, wie gesagt, im Bundesrat. Wir werden schauen, wie weit wir dort kommen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Frage, bitte. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt müssen wir zunächst das Verfahren klären. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wenn Sie eine Zusatzfrage haben, können Sie sie gerne stellen. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich frage, weil die Frau Staatssekretärin beide Fragen zusammengefasst hatte. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, ich habe eine gesonderte Antwort für Sie auf Frage 2. Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir sind jetzt bei den Rückfragen zur Antwort auf Frage 1. Nachdem Sie, Herr Ostendorff, Ihre beiden Zusatzfragen gestellt haben, können jetzt weitere Zusatzfragen gestellt werden. – Wenn Sie fragen möchten, Frau Kollegin, haben Sie jetzt das Wort. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch ich möchte unter dem Gesichtspunkt der Luftreinhaltung auf den Anstieg des Ammoniakwertes im Jahr 2011 gegenüber den vorherigen Jahren eingehen. Die Frau Staatssekretärin hat ja verschiedene Ursachen dafür bemüht: die Düngeverordnung, die Biogasgärreste, die ausgebrachte Gülle auf den Feldern. Diese erklären aber den rapiden Anstieg nicht. – Ich beziehe mich jetzt auf die Werte aus dem Emsland. In Bösel gibt es eine Messstation, die die steigenden Werte zeigt. Frau Staatssekretärin, ich frage Sie vor diesem Hintergrund: Mag das nicht vor allem damit zusammenhängen, dass Sie bundesseitig nichts gegen den Ausbau und die Ausweitung von Schweinemastställen unternommen und das Problem von daher nicht an der Wurzel eingedämmt haben? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Unsere Zahlen zeigen, dass der Hauptanteil aus dem Bereich Boden kommt. Zu den Ställen kommen wir ja bei der Frage 2 des Kollegen Ostendorff noch. Wir meinen zum Beispiel, dass sich durchaus auch ein Anteil aus den Gärresten ergibt. Beim Thema Gärreste gibt es übrigens – völlig unabhängig davon, wer in einem Bundesland gerade die Regierung stellt – nicht nur Zustimmung, weil dieser Bereich momentan nicht reguliert ist. Wir wollen das gerne regulieren. Dabei sind wir, wie gesagt, jetzt darauf angewiesen, dass der Bundesrat entsprechend mitentscheidet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe jetzt die Frage 2 des Kollegen Ostendorff auf – Sie bekommen zu Ihrer eigenen Überraschung noch eine eigene Antwort auf diese Frage und haben dann noch zwei Zusatzfragen –: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Initiativen einiger Bundesländer zur Verbesserung des Immissionsschutzrechtes im Hinblick auf Tierhaltungsanlagen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Nun also die Antwort auf die Frage bezüglich der Tierhaltungsanlagen. Rechtliche Anforderungen zur Immissionsbegrenzung finden sich in der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft, kurz TA Luft. Diese gibt den nach Anlagenarten differenzierten Stand der Technik wieder. Seit dem Inkrafttreten der TA Luft im Jahr 2002 haben sich die Technik, die Wirtschaftlichkeit und die Marktdurchdringung von Abluftreinigungsanlagen zur Immissionsminderung in der Tierhaltung, insbesondere in der Schweinemast, jedoch deutlich weiterentwickelt. Mittlerweile steht eine Reihe zertifizierter Systeme zur Abluftreinigung zur Verfügung. Konkret fordern die Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen die Abluftreinigung bei großen Schweinemastanlagen nach dem Stand der Technik. Die Länderarbeitsgemeinschaft „Immissionsschutz“ hat zudem auf ihrer 125. Sitzung im März 2013 festgestellt, dass für große Anlagen zur Haltung von Schweinen Abluftreinigungsanlagen als Stand der Technik anzusehen sind. Auch im Rahmen der Erarbeitung der Merkblätter zur Besten Verfügbaren Technik, BVT, auf Grundlage der Richtlinie über industrielle Immissionen wird geprüft, ob es sich bei der Abluftreinigung in Tierhaltungsanlagen, bei Wasch- und Filtersystemen, inzwischen um BVT handelt. Durch diese Weiterentwicklung dürfte zukünftig eine Ergänzung des in der TA Luft dokumentierten Standes der Technik für bestimmte Tierkategorien und -haltungsformen nötig werden. Die Bundesregierung wird den diesbezüglichen Überarbeitungsbedarf der TA Luft unter anderem im Rahmen der Umsetzung neuer BVT zur Intensivtierhaltung sorgfältig evaluieren. Dazu gehört auch die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und der Anlagengrößen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön, Nachfrage. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schönen Dank. – Es führt zur Verwirrung in der politischen Auseinandersetzung, da wir im Agrarbereich immer beinharten Widerstand vonseiten der Bundesministerin erleben. Sie haben betont, dass mithilfe von Abluftreinigungsanlagen sehr wohl die Hauptemissionen durch Filteranlagen wirksame Minderungen erfahren. Für uns wäre wichtig, zu wissen – um auf der sachlichen Ebene zu bleiben; eine Auseinandersetzung über die Politik von Bundesländern in dieser Frage würde zu nichts führen –: Wie schätzen Sie das Einsparpotenzial ein, wenn wir die Schweineställe – es gibt genügend Anlagen – mit Filteranlagen nachrüsten oder aufrüsten? Im Hühnerbereich ist es anders. Hier gibt es nur eine zugelassene Anlage. Wir müssen unsere Anstrengungen dringend erhöhen, um mehr Anlagen zu bekommen, die die Anforderungen erfüllen. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege Ostendorff, konkrete Zahlen in Kilotonnen pro Jahr und pro Anlage kann ich Ihnen nicht sagen; mir fehlen Informationen und Zahlen. Wenn Sie das wünschen und wir sie haben, reiche ich sie nach. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wünsche ich. Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Gut. Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön. – Die zweite Frage ist: Wird das Bundesumweltministerium die Initiative übernehmen? Sie haben darauf hingewiesen, dass zwei Bundesländer vorangehen. Ich habe gerade von dem „beinharten Widerstand“ gesprochen. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen – es wäre hilfreich, wenn das Bundesumweltministerium das machen würde –, dass wir einen bundesweiten Standard bekommen, damit es keine Wettbewerbsverzerrung zwischen einzelnen Bundesländern gibt? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: So wie ich es aus der Amtschefkonferenz der Agrarminister verstanden habe, hat man sich dort geeinigt, dass diese Abluftanlagen Stand der Technik sind und – obwohl sie noch nicht vollständig abgebildet sind – in der TA Luft als Stand der Technik definiert und verlangt werden können. Der Bund muss nicht nachziehen, aber wir wissen, dass wir die TA Luft novellieren müssen, wollen dies aber im Zuge zweier in Rede stehender Maßnahmen tun. Wir müssen zum einen die IED umsetzen. Dies diskutieren wir derzeit intensiv mit den Ländern. Zum Zweiten gilt es, die BVT-Merkblätter, die ebenfalls auf europäischer Ebene erarbeitet werden, in die TA Luft einzufügen. Dieser Prozess wird seitens der Kommission für das Jahr 2014 angesetzt. Wir meinen, dass dieser aus Ihrer Sicht sicherlich kritikwürdig lange Zeitraum zu entschuldigen und zu rechtfertigen ist, weil die Amtschefs festgelegt haben, dass bereits jetzt die Voraussetzungen dafür vorliegen, eine solche Anlage einbauen zu lassen. Der Bund wird die TA Luft im Zuge der BVT-Diskussion auf europäischer Ebene erweitern. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Steiner. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, das ist fast die Antwort auf meine Frage. Ich frage unter Umweltgesichtspunkten: Was unternimmt das Bundesumweltministerium in seiner Politik, wenn man weiß, dass die Grenzwerte bei der Luftbelastung ohne den Einsatz von Filteranlagen überschritten werden? Durch eine bundesweite Festlegung auf den Einbau von Filtern könnte man die Luftreinhaltung beeinflussen. Ich gehe noch weiter und frage: Denken Sie darüber nach, nicht nur – wie von Ihnen gerade in Aussicht gestellt – eine bundesweite Regelung zu veranlassen, sondern auch die Werte zu verschärfen? Katherina Reiche, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Noch einmal: Wir haben zwei Verhandlungsstränge. Der eine ist das Arbeitsprogramm für den Abschluss der europäischen Arbeiten am BVT-Merkblatt zur Intensivtierhaltung. Der zweite Arbeitsstrang ist die Industriemissionsrichtlinie; da geht es in diesem Zusammenhang um die Differenzierung von Kapazitätsschwellen für verschiedene Tierarten usw. usf. Diese beiden Dinge werden 2014 so weit sein, dass wir sie bei der Umsetzung in nationales Recht in die TA Luft einarbeiten können. Bis dahin meinen wir, dass die jetzige bestehende Regelung, abgesprochen auf der Agrarministerkonferenz vom März 2013, ausreichend ist. Danach planen wir eine kompakte Weiterentwicklung der TA Luft. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Die Fragen 3 und 4 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl werden schriftlich beantwortet. Die Fragen 5 und 6 des Abgeordneten Marco Bülow hätten beantwortet werden können, wenn der Kollege Bülow anwesend wäre. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 7 und 8 des Kollegen Schwabe werden ebenso wie die Fragen 9 und 10 des Kollegen Krischer schriftlich beantwortet. Die Fragen 11 und 12 des Kollegen Ott, die Fragen 13 und 14 der Kollegin Vogt sowie die Frage 15 des Kollegen Fell werden schriftlich beantwortet. Damit haben wir den Geschäftsbereich des Umweltministeriums abgearbeitet. Ich bedanke mich bei Frau Reiche. Nach nicht wortgenauer, aber sinngemäßer Umsetzung unserer vereinbarten Verfahrensabläufe kommen wir jetzt vereinbarungsgemäß zu den Fragen 12 bis 15 des Kollegen Schwanitz auf Drucksache 17/13697, bei denen es erkennbar ein Missverständnis gegeben hat, das wir durch freundliches Einvernehmen mit dem Kollegen Kossendey klären können, der zur Beantwortung dieser Fragen zur Verfügung steht: 12. Welche Baumaßnahmen sind beim Aufklärungsgeschwader 51 „Immelmann“ zur Aufnahme der Euro Hawk und Global Hawk realisiert worden, und welche Kosten sind dabei entstanden? 13. Welche Nutzung ist für die für den Euro Hawk gebauten Hallen nach dem Scheitern des Projekts vorgesehen, und welche Betriebskosten entstehen? 14. Welche Verpflichtungen ist die Bundesregierung gegenüber der NATO beim Beschaffungsprojekt AGS eingegangen? 15. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bezüglich einer regulären Musterzulassung für die beabsichtigte Beschaffung von vier Global Hawk? Bitte schön. Rolf Schwanitz (SPD): Nach unserer Geschäftsordnung – hier geht es ja um schriftliche Fragen, die nicht fristgemäß beantwortet worden sind – stelle ich jetzt die Frage, warum diese Fragen nicht fristgemäß beantwortet worden sind. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Lieber Kollege Schwanitz, Sie wissen, dass aufgrund der Entscheidung des Ministers all die Dinge, die mit Euro Hawk zusammenhängen, in einem zusammenfassenden Bericht für die heutige Sitzung des Verteidigungsausschusses aufgearbeitet wurden. Weil bei uns Sorgfalt vor Eile geht, haben wir gesagt: Lasst uns alle schriftlichen Fragen, die uns vorliegen, zurückstellen, damit alle Antworten, die wir auf diese schriftlichen Fragen geben, auch wirklich mit dem Bericht, den der Minister im Verteidigungsausschuss gibt, übereinstimmen. Dass es dabei auch bei Fragen zu Verzögerungen kam, die möglicherweise schon vorher hätten beantwortet werden können, will ich gerne einräumen und bitte ich, zu verzeihen, aber aus Gründen der Gleichbehandlung haben wir alle schriftlichen Fragen für heute Morgen zurückstellen lassen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Schwanitz. Rolf Schwanitz (SPD): In meiner ersten Nachfrage will ich eine Aussage des Ministers aus seinem Bericht – seinen Bewertungen und Konsequenzen – von heute ansprechen und zwei Sätze zitieren, in denen er sich dazu äußert und mit denen er auf meine Frage Bezug nimmt. Er schreibt: Es wurde in den vergangenen drei Wochen oft gefragt, warum das Ministerium oder ich auf berechtigte Fragen und berechtigte Kritik nicht antworten. Die Diskussion von Einzelheiten wird aber dem berechtigten Interesse der Öffentlichkeit an Gesamtaufklärung nicht gerecht. Mit welcher Legitimation nehmen Sie sich das Recht, mein Fragerecht als Abgeordneter zurückzusetzen und zu beurteilen, welche Diskussion von Einzelheiten zu welchem Zeitpunkt im Interesse der Öffentlichkeit ist? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Schwanitz, ich bin mir sicher, dass der Minister damit nicht die nach der parlamentarischen Geschäftsordnung eingereichten schriftlichen Fragen, sondern die in der Öffentlichkeit, in der Presse, von den Medien erhobenen Fragen gemeint hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage. Rolf Schwanitz (SPD): Ich habe die Regierungspressekonferenz der vergangenen Woche nachgelesen, bei der der Pressesprecher Ihres Ministeriums auch nach diesem Thema befragt wurde. Dort hat der Pressesprecher Ihres Hauses nicht nur mitgeteilt, dass ich von Ihnen einen Brief bekommen habe, in dem mir mitgeteilt worden ist, dass diese vier schriftlichen Fragen nicht fristgemäß beantwortet werden, sondern auch, dass Sie zugleich auch den Bundestagspräsidenten angeschrieben und ihn um eine Fristverlängerung gebeten haben. Mit welcher Legitimation bitten Sie den Bundestagspräsidenten und nicht mich, den Inhaber des Fragerechts, um eine Fristverlängerung? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich weiß nicht, was Herr Paris in der Pressekonferenz gesagt hat; das liegt mir im Augenblick auch nicht vor. Wir haben durch Anschreiben der Abgeordneten versucht, den ganz normalen, üblichen Weg, den wir sonst auch immer gehen, einzuhalten. Der Kollegen Christian Schmidt hat das in Ihrem Falle, meine ich, auch getan. (Rolf Schwanitz [SPD]: Prüfen Sie das bitte noch einmal nach, ja?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Na gut. – Das Thema wird heute und morgen ja auch an anderer Stelle weiter verfolgt. Ich will nur, weil wir darüber ja offenkundig auch gar keine Meinungsverschiedenheit haben und hoffentlich auch keine bekommen werden, noch einmal festhalten, dass die Regierung für die in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages festgelegten Fristen kein eigenes Dispositionsrecht hat. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ja!) Wenn es denn – was übrigens im Einzelfall vorkommt – entweder zwingende Gründe gibt, die die Einhaltung der Frist nicht ermöglichen, oder jedenfalls nachvollziehbare Überlegungen, die zu einer anderen Handhabung Anlass geben, ist in jedem Fall ein Benehmen mit den Fragestellern bzw. den Fraktionen herbeizuführen. Jedenfalls kann die Regierung das nicht anstelle des Parlaments entscheiden. (Beifall der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]) Damit haben wir diesen Fragenkomplex abgearbeitet. Ich danke nochmals für die Bereitschaft auf beiden Seiten, das jetzt ein bisschen in die Fragestunde einzufädeln. Wir fahren in der Reihenfolge der Fragestunde mit dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung fort. Hier steht der Kollege Rachel für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Die Fragen 16 und 17 des Kollegen Brase sowie die Fragen 18 und 19 des Kollegen Gerdes werden schriftlich beantwortet. Die Kollegin Burchardt, die die Fragen 20 und 21 gestellt hat, sehe ich nicht. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 22 und 23 des Kollegen Schulz sollen ebenfalls schriftlich beantwortet werden. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Wenn es geht, wäre es schön, wenn er das mündlich beantworten könnte!) – Das setzt voraus, dass die Regierung flexibel genug ist, eine Frage, die gar nicht mehr für die mündliche Beantwortung vorgesehen war, zu beantworten. – Geht das? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ja. Präsident Dr. Norbert Lammert: Der Kollege Rachel bemüht sich also, die Frage aus der Hüfte heraus präzise, abschließend und zur allgemeinen Begeisterung zu beantworten. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Herzlichen Dank für die Flexibilität!) Ich rufe also Frage 22 auf: Handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung um einen Zufall, dass der „nanoTruck“ bis zur Bundestagswahl unter anderem die Wahlkreise von drei Parlamentarischen Staatssekretären – Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Bundesministerium für Gesundheit –, von dem im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages für das Bundesministerium für Bildung und Forschung zuständigen Berichterstatter der Fraktion der CDU/CSU, von dem für Bildung und Forschung zuständigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, von drei Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages, von zwei stellvertretenden Mitgliedern der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages sowie den Wahlkreis der Bundeskanzlerin besucht? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Kollege Schulz, es wird so geplant, dass der „nanoTruck“ in allen Regionen des Landes – in großen Städten, in kleinen Städten, in ländlichen Gebieten – zum Einsatz kommen kann. Anfragen zum Einsatz des „nanoTrucks“ erfolgen über die Internetseite www.nanotruck.de. Die ganz überwiegende Zahl der Anträge kommt von Schulen und öffentlichen Einrichtungen, die ein Interesse daran haben, mit dem „nanoTruck“ das Thema Nanotechnologie sichtbar zu machen sowie die Chancen und Risiken zu diskutieren. Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Terminen, die das Bundesforschungsministerium mit dem „nanoTruck“ wahrnimmt, beispielsweise den Tag der offenen Tür im Bundesforschungsministerium, aber auch Präsenzen des Bundesforschungsministeriums auf Messen wie der CeBIT oder der Hannover Messe. Schließlich – das sind allerdings nur ganz wenige Fälle – gibt es auch Anfragen, die darauf beruhen, dass Abgeordnete angesprochen werden, bei denen also Standorte über Abgeordnete vermittelt werden. Diese Anfragen werden selbstverständlich unabhängig von der Parteizugehörigkeit der Abgeordneten bearbeitet und umgesetzt. Wir sind insgesamt sehr froh, dass es ein breites Interesse gibt, das Angebot des „nanoTrucks“ wahrzunehmen. Alle sind herzlich eingeladen, ihr Interesse zu bekunden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Danke schön, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. Nach meinen Informationen ist es so, dass der „nanoTruck“ bis zur Bundestagswahl noch 18 Standorte besucht. 17 dieser 18 Standorte liegen in Wahlkreisen, in denen Abgeordnete von der CDU/CSU direkt gewählt worden sind. Nur bei einem Standort ist das anders; das ist der Wahlkreis der Kollegin Rosemarie Hein von den Linken. Aufgrund der zufälligen Häufung, wie Sie sagen, stellt sich die Frage – es gibt doch sicherlich sehr viel mehr Anfragen nach dem „nanoTruck“, als Besuche durchgeführt werden können –: Nach welchen Kriterien werden die Anfragen aussortiert? Wie und von wem wird entschieden, wo der „nanoTruck“ tatsächlich hält? Ich frage das auch vor dem Hintergrund – wenn ich das sagen darf, Herr Staatssekretär –, dass der „nanoTruck“ ausgerechnet in Ihrem Wahlkreis zweimal hält. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Schulz, Ihrer Frage liegt ein Missverständnis zugrunde, nämlich das Missverständnis, dass der „nanoTruck“ zu Abgeordneten kommt. Das tut er nicht. Vielmehr kommt er zu denen, die ihn anfragen, zu Einrichtungen und Schulen, die das Informationsangebot des „nanoTrucks“ wahrnehmen wollen. Wenn Sie bedauern, dass es nicht so viele direkt gewählte Abgeordnete der SPD gibt, so kann ich das nachvollziehen – es gibt 63 direkt gewählte Abgeordnete der SPD und 211 direkt gewählte Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU; das sei nur der Vollständigkeit halber gesagt –, aber das ist für die Frage völlig irrelevant; denn Antragsteller sind die Einrichtungen und die Schulen, die sich um den „nanoTruck“ bemühen. Sie haben nach den Kriterien gefragt. Selbstverständlich freuen wir uns über jede Anfrage. Bei der Planung geht es unter anderem auch um Logistik; Norden und Süden müssen in eine Reihenfolge gebracht werden. Selbstverständlich sind alle Anfragen – von SPD, Grünen, Linkspartei, FDP und CDU/CSU-Fraktion, soweit sie vorgelegen haben – beantwortet und positiv beschieden worden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Danke schön. – Herr Staatssekretär Rachel, Sie sagen, der „nanoTruck“ komme nicht zu den Abgeordneten, sondern zu den Schulen. Da dieser Truck zwei Standorte in Ihrem Wahlkreis besuchen wird, frage ich Sie: Planen Sie, an den Veranstaltungen des „nanoTrucks“ in Ihrem Wahlkreis teilzunehmen? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Schulz, ich freue mich sehr darüber, dass es möglich ist, dass der „nanoTruck“ innerhalb der gesamten Legislaturperiode an zwei Tagen hintereinander an zwei Schulen in meinem heimatlichen Kreis hält. Selbstverständlich werde ich den Schülerinnen und Schülern als Staatssekretär im Bundesforschungsministerium Rede und Antwort stehen, so wie ich das auch an anderen Standorten des „nanoTrucks“, soweit mir das zeitlich möglich war, getan habe. Der „nanoTruck“ bietet eine gute Möglichkeit, sich mit den Chancen und Risiken der Nanotechnologie auseinanderzusetzen. Es ist gut, dass dieses sachliche Instrumentarium deutschlandweit angeboten wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben gerade versucht, die Relation von 17:1 zu erklären, was die direkt gewonnenen Wahlkreise von CDU/CSU-Abgeordneten angeht. Ich will Sie ganz präzise fragen: Sind alle Abgeordneten, und zwar unterschiedlos, darauf hingewiesen worden, dass der „nanoTruck“ in ihren Wahlkreis kommen könnte? Sind die Abgeordneten von CDU/CSU – Sie haben gesagt, dass sich diese an Sie gewandt hätten – genauso informiert worden wie alle übrigen Abgeordneten, oder hat es für sie eine spezielle Information gegeben? Eine weitere Frage. Sie tun so, als könne man den „nanoTruck“ jetzt noch anfordern. Wie realistisch ist die Umsetzung? Wenn diese Möglichkeit noch besteht, würden Sie das dann bitte an alle Abgeordneten weitergeben, sodass eine realistische Chance besteht, dass sich in Deutschland die Debatte über das Zukunftsthema Nanotechnologie nicht einseitig, nach Parteifarben sortiert, abbildet? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, Ihren Unterton weise ich mit aller Klarheit zurück. Die Relation habe nicht ich zum Gegenstand gemacht, sondern Sie. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach die Frage beantworten!) Ich weise darauf hin, dass keine Fraktion in irgendeiner Weise eine Extrainformation über den „nanoTruck“ bekommen hat. Die Abgeordneten – Sie gehören dem Forschungsausschuss seit vielen Jahren an –, aber auch viele andere wissen selbstverständlich, dass sie sich über den „nanoTruck“ informieren können. Ich habe die Homepage bereits angegeben. Sie können sich den „nanoTruck“ im Übrigen auch über die Homepage des BMBF zu eigen machen und dort Ihre Wünsche äußern. Wir freuen uns sehr darüber, dass sich Abgeordnete dafür interessieren. Es handelt sich aber um eine kleine Minderheit; nur 5 Prozent aller Anfragen zu dem „nanoTruck“ kommen über Abgeordnete. Sie werden genauso bearbeitet wie die Anfragen der verschiedenen öffentlichen Einrichtungen und Schulen. Ausgangspunkt ist eine vorliegende Anfrage. Alle Anfragen werden bearbeitet und umgesetzt. Dieses Angebot ist präsent; es ist im Internet abrufbar. Man kann seinen Wunsch äußern. Wir freuen uns, dass das in der Vergangenheit viele wahrgenommen haben. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt muss ich Herrn Schulz fragen, ob er auch Frage 23 mündlich beantwortet haben möchte. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Geht schriftlich!) – Sie soll schriftlich beantwortet werden. Dann rufe ich Frage 24 des Kollegen Rossmann auf: In welcher Höhe plant das Bundesministerium für Bildung und Forschung Haushaltsmittel im Haushalt für die kommunikative Begleitung der Hightech-Strategie, HTS, für 2014 vorzusehen, und welche Verbesserungen in der kommunikativen Begleitung der HTS plant das BMBF angesichts der Kritik des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, DIHK (vergleiche Spiegel Online, „Hightech-Strategie: Firmen werfen Merkel falsche Zukunftspolitik vor“ vom 23. April 2013 sowie DIHK, „Wie Forschung und Innovation Deutschland stark machen. Innovationspolitische Impulse der IHK-Organisation für die 18. Wahlperiode“, April 2013), der festgestellt hat, dass nur ein Drittel der Unternehmen die Zukunftsprojekte der HTS kennt? Herr Staatssekretär. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, Sie haben in Ihrer Frage zwei Themen angesprochen. Das Verfahren zur Aufstellung des Regierungsentwurfs zum Bundeshaushalt 2014 ist noch nicht abgeschlossen. Insofern kann ich Ihnen noch keine genauen Auskünfte zur kommunikativen Begleitung der Hightech-Strategie geben. Was die DIHK-Einschätzung angeht, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die in der DIHK-Publikation genannte Umfrage erfolgte im Oktober 2012, sieben Monate nach der Verabschiedung des Aktionsplans der Bundesregierung zu den Zukunftsprojekten der Hightech-Strategie im März 2012. Der Aktionsplan markiert den Übergang von der konzeptionellen Entwicklung der Zukunftsprojekte zur konkreten Umsetzung durch alle Innovationsakteure in Deutschland. Wenn nach dieser relativ kurzen Zeit bereits ein Drittel der befragten Unternehmen die Zukunftsprojekte kennt, ist dies nach Einschätzung der Bundesregierung eher ein Beleg für die Sichtbarkeit und Akzeptanz als für das Gegenteil. In der Zwischenzeit sind Zukunftsprojekte wie „Industrie 4.0“ zum Beispiel durch die Hannover Messe auch den interessierten Zeitungslesern bekannt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt eine Nachfrage? – Bitte schön. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Herr Staatssekretär, da Sie sagen, dass erst ab 2012 der Begriff der Hightech-Strategie im Bereich der Wirtschaft aufgenommen werden konnte, muss ich Sie fragen, ob dies tatsächlich das Datum ist, an dem das erste Mal seitens einer Regierung davon gesprochen worden ist. Ich erinnere mich daran, dass die Ministerin Schavan, die 2012 schon eine gewisse Zeit im Amt war, viel länger davon gesprochen hat, dass in Deutschland endlich eine Hightech-Strategie mit allen programmatischen Zuspitzungen aufgebaut worden sei. Darauf bezieht sich natürlich auch die Umfrage des DIHK. Von daher noch einmal die Frage: Wie kann man diese Hightech-Strategie, die vernünftig ist, parteiübergreifend so profilieren, dass sie tatsächlich bei den Partnern in der Wirtschaft ankommt? Ein Drittel ist als Ergebnis sicherlich etwas mager. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann, hier unterliegen Sie in gewisser Weise einem Missverständnis; denn die Stellungnahme des DIHK beruht auf der Aussage dazu, welche Zukunftsprojekte der Hightech-Strategie den Unternehmen bekannt sind. Die Zukunftsprojekte sind allerdings erst in der zurückliegenden kurzen Zeit entwickelt worden. Insofern kommen wir zu der Einschätzung, dass sehr erfreulich ist, wie viele Unternehmen die Zukunftsprojekte der Hightech-Strategie kennen. Überhaupt haben wir feststellen können, dass die Hightech-Strategie deutliches Interesse in der Wissenschaft, an den Hochschulinstituten, aber auch in der Wirtschaft gefunden hat. Wir haben so viele Kooperationen zwischen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Hochschulinstituten auf den Weg bringen können, wie es das in der Form – jedenfalls nach meiner Erinnerung – noch nicht gegeben hat. Insofern sind wir, glaube ich, auf gutem Wege. Selbstverständlich sind wir aber dabei, auch die Vermarktung des Gesamten noch zu intensivieren. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Bitte schön. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Ich habe noch eine Nachfrage. Sie insinuieren, dass es allein darum ging, nach den konkreten Zukunftsprojekten zu fragen. Ich will die Frage umgekehrt stellen: Haben Sie irgendeinen Hinweis dafür, dass deutlich mehr Unternehmen wissen, was die Hightech-Strategie ist? Ihre Antwort legt ja nahe, dass zwei Drittel oder sogar alle wissen, was die Hightech-Strategie ist, sie lediglich die Zukunftsprojekte nicht genau benennen können. Ich glaube, so darf man das, was der DIHK gefragt hat, nicht interpretieren. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Ich interpretiere nicht. Ich beziehe mich ausschließlich auf das, was der DIHK formuliert hat. Er hat sich auf die Zukunftsprojekte der Hightech-Strategie bezogen. Es steht mir nicht an, dies umzuinterpretieren. Ich bleibe bei dem, was der DIHK als Bezugspunkt genommen hat, soweit mir das bekannt ist. Insofern bleibt die Aussage korrekt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich rufe die Frage 25 des Kollegen Rossmann auf: Mittels welcher Nachweise/Gutachten/wissenschaftlichen Analysen kann die Bundesregierung den direkten Zusammenhang zwischen der Hightech-Strategie und der Zunahme der Beschäftigungszahlen in Forschung und Entwicklung in Deutschland belegen (vergleiche die Antwort der Bundesregierung auf die schriftliche Frage 97 des Abgeordneten Klaus Hagemann auf Bundestagsdrucksache 17/13375)? Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Herr Kollege Dr. Rossmann fragt nach dem Zusammenhang zwischen der Hightech-Strategie und der Zunahme der Beschäftigtenzahlen im Forschungs- und Entwicklungsbereich. Es ist tatsächlich so: In Deutschland hat es einen Personalaufwuchs im Bereich Forschung und Entwicklung gegeben. Rund 92 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusätzlich haben im Bereich „Forschung und Entwicklung“ in den Jahren 2005 bis 2011 Arbeit gefunden, stehen seitdem in Lohn und Brot. Diese Steigerung setzt sich zusammen aus einer Steigerung der Beschäftigtenzahlen in Hochschulen und Forschungseinrichtungen – das macht rund 47 000 Stellen aus – sowie einer Steigerung der Beschäftigtenzahlen in Unternehmen um rund 45 000. Die Zusammenhänge zwischen einem Ausbau der öffentlichen Förderung von Forschung und Entwicklung und einem Aufwuchs der Kapazitäten in der Wirtschaft werden in einer Reihe von Studien und Gutachten ausführlich erläutert. Ich werde Ihnen gerne im Nachgang zu der heutigen Sitzung eine Liste dieser Studien zukommen lassen. Vielleicht noch eine Bemerkung zu der Hebelwirkung der staatlichen Forschungs- und Innovationspolitik. Nach unserem Eindruck geschieht das auf verschiedenen Wegen. Hier ist zunächst die direkte Wirkung der FuE-Förderprogramme in der Wirtschaft selber zu nennen, welche für Deutschland positiv evaluiert wurde. Zweitens ist die Impulswirkung eines Ausbaus der öffentlichen Grundlagenforschung für die im FuE-Bereich tätigen Unternehmen zu nennen, für die Partner im Wissens- und Technologietransfer insgesamt. Schließlich ist auch die Signal- und Impulswirkung staatlicher FuE-Politik zu nennen. Denken Sie nur an das klare Commitment der Bundesregierung, an Aktivitäten und Förderung im Bereich der Elektromobilität oder die Förderung von Spitzenclustern. Dies alles dient auch als Leitplanke, als Orientierung für private FuE-Investitionen. Wahr ist natürlich auch, dass Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung letztlich Folge unternehmerischer Entscheidungen sind, die einer Vielzahl von Faktoren unterliegen. Nach der Untersuchung des DIW sind hier unter anderem die Situation auf den Technologiemärkten, aber auch konjunkturelle Faktoren und schließlich Erwartungen hinsichtlich der Entwicklung von Rahmenbedingungen zu nennen. Insgesamt kommt man zu dem Ergebnis, dass die innovationsfreundlichen Rahmenbedingungen, die wir in den letzten Jahren mithilfe der Bundesregierung in Deutschland geschaffen haben, für den Bereich Forschung und Entwicklung eine stimulierende Wirkung haben, auch was die Beschäftigung von F-und-E-Personal angeht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Rossmann, bitte. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD): Das, was Sie eben gesagt haben, ist alles wohlfeil. Niemand bezweifelt, dass es Zusammenhänge gibt. Hier wurde aber nach den direkten Zusammenhängen gefragt. Es wurde auch um Aufklärung hinsichtlich eines breiten Zahlenhorizonts gebeten. In Diskussionen hören wir immer wieder, dass die Hightech-Strategie zwischen 100 000 und 400 000 zusätzliche Arbeitsplätze in der Wissenschaft generiert hätte etc. Deshalb wäre es gut gewesen, wenn Sie nicht die Übersendung schriftlicher Gutachten und Expertisen in Aussicht gestellt hätten, sondern präzise gesagt hätten, auf welche wissenschaftliche Untersuchung genau Sie welche Zahlen gründen. Ich muss Ihnen zugestehen, dass Sie an dieser Stelle passen, weil Sie das eigentlich Interessante nachreichen werden. Das Übrige hat man mit Wohlgefallen noch einmal gehört; aber es war im Grunde nichts Neues. Die Frage zielte auf den präzisen Zusammenhang und die gutachterliche Belegung von Zahlen in einem immens weiten Spread. Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung: Die Formulierung „weiter Spread“ möchte ich mir nicht zu eigen machen. Ich bleibe bei den belegten Zahlen. Die belegten Zahlen sind 92 000 zusätzlich Beschäftigte in Forschung und Entwicklung. Das ist der Bezugspunkt, den ich in einer konservativen Schätzung wahrnehme. Ganz ohne Zweifel wären die 47 000 zusätzlich Beschäftigten in den Forschungseinrichtungen und in den Hochschulen ohne staatliche Finanzierung und Aktivität – ich formuliere es bewusst so allgemein – nicht denkbar. Durch die Förderaktivitäten auch im Rahmen der Hightech-Strategie ist bei den Unternehmen eine entsprechende Wirkung erzielt worden. Die Liste der einzelnen Gutachten wird Ihnen im Nachgang zur Verfügung gestellt werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben keine weitere Nachfrage, Herr Rossmann? – Gut. Die Fragen 26 und 27 des Kollegen René Röspel werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 28 und 29 des Kollegen Klaus Hagemann, die Fragen 30 und 31 der Kollegin Marianne Schieder, die Fragen 32 und 33 des Kollegen Oliver Kaczmarek sowie die Fragen 34 und 35 der Kollegin Christel Humme. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie. Die Fragen 36 und 37 der Kollegin Britta Haßelmann werden schriftlich beantwortet. Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Staatsminister Link steht zur Beantwortung bereit. Die Frage 38 des Kollegen Tom Koenigs wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 39 des Kollegen Hans-Christian Ströbele auf: Warum sprach die Bundesregierung gegenüber der Öffentlichkeit und dem Deutschen Bundestag unzutreffend von einer Verbesserung der Sicherheitslage in Afghanistan sowie der Kampfbereitschaft der afghanischen Sicherheitskräfte ANSF, während der Konteradmiral Rainer Brinkmann gegenüber Journalisten nun eingestand, dass 2012 die Zahl „sicherheitsrelevanter Zwischenfälle“ allein in der Nordregion gegenüber dem Vorjahr um 25 Prozent auf 1 228 rapide angestiegen sei (Spiegel Online vom 29. Mai 2013), und obwohl der Generalinspekteur Volker Wieker einige Bundestagsabgeordnete vertraulich darüber unterrichtete, bei dem tödlichen Angriff auf deutsche KSK-Soldaten am 4. Mai 2013 seien die zuvor von Deutschen ausgebildeten begleitenden 25 afghanischen Elitepolizisten, PRC, zweimal „unkoordiniert“ geflüchtet (FAZ vom 28. Mai 2013), was zuvor das Bundesministerium der Verteidigung in seiner offiziellen Unterrichtung des Parlaments 19/13 vom 7. Mai 2013 dem Deutschen Bundestag verschwiegen hatte, und ist die Bundesregierung endlich bereit, der deutschen Öffentlichkeit nun die volle Wahrheit über die Sicherheitsentwicklung in Afghanistan dahin gehend einzugestehen, dass vermeintliche Fortschritte in der Nordregion zumindest nicht mehr bestehen, die Bemühungen darum während der letzten Jahre alles in allem vergeblich waren und die ausgebildeten afghanischen Sicherheitskräfte nun in „Absetzbewegungen“ zu den Taliban überlaufen (FAZ am angegebenen Ort)? Bitte schön, Herr Staatsminister. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Danke schön, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Ströbele, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Sicherheitslage in Afghanistan muss nach wie vor sehr differenziert betrachtet werden. Sie bietet weiterhin ein extrem heterogenes Bild, das sich in jedem Regionalkommando von Provinz zu Provinz und von Distrikt zu Distrikt unterschiedlich darstellt. Deshalb ist eine landesweit einheitliche Bewertung kaum möglich. Maßgeblich ist aber: Trotz der Neuzählung der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle und der daraus resultierenden Ergebnisse ergibt sich für uns keine Änderung der Einschätzung der Gesamtlage in Afghanistan. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, eine Nachfrage? – Bitte schön. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. – Ich bin ja Kummer gewöhnt. Ich hatte schon heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss das zweifelhafte Vergnügen, eine ähnliche Antwort zu bekommen. Ich habe aber ziemlich konkret gefragt. Deshalb frage ich Sie hier noch einmal: Will die Bundesregierung nach wie vor behaupten, dass es sich bei den von der deutschen Polizei ausgebildeten Einheiten der Sicherheitskräfte in Afghanistan um zuverlässige Verteidiger der Sicherheit der Bevölkerung handelt? Was schließt die Bundesregierung aus dem Vorfall vom 4. Mai 2013 – auf diesen nehme ich hier Bezug –, bei dem 25 Elitepolizisten, die von Deutschen ausgebildet worden sind, beim Beginn eines Schusswechsels fluchtartig das Gelände verlassen und sich etwa 700 Meter entfernt haben und die deutschen Soldaten offenbar alleingelassen haben? Später soll sich ein ähnlicher Vorfall ereignet haben. Nehmen Sie doch konkret Stellung dazu! Erstens. Stimmt das so? Zweitens. Was schließt die Bundesregierung hinsichtlich der Ausbildung und der Zuverlässigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte daraus? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Ströbele, selbstverständlich sind die afghanischen Sicherheitskräfte noch nicht ausreichend – im Sinne von abschließend – befähigt und ausgebildet. Wir haben beim Aufbau handlungsfähiger, zuverlässiger und wirklich starker und rechtsstaatlich handelnder afghanischer Sicherheitskräfte immer noch große Aufgaben zu bewältigen. Aber wir sollten trotz punktueller Rückschläge sehen, dass große Fortschritte erzielt worden sind. Die afghanischen Sicherheitskräfte – ANSF, wie man es so schön offiziell abkürzt – sind natürlich noch nicht mit den Kräften, die sie ausbilden, Bundeswehr, Bundespolizei oder Landespolizei, vergleichbar. In einer Vielzahl von Bereichen werden die Fähigkeiten weiter verbessert. Vor diesem Hintergrund haben wir uns klar dazu bekannt – ich möchte nicht darum herumreden, Herr Kollege Ströbele, und hoffentlich keine enttäuschende Antwort geben –, dass die afghanischen Sicherheitskräfte auch nach 2014 unsere Hilfe in Form von Ausbildung, Beratung und Unterstützung brauchen und dass wir bereit sind, ihnen weiterhin zur Seite zu stehen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage? – Bitte schön. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, Sie haben meine Frage in der Sache immer noch nicht beantwortet. Stimmt der Vorfall, so wie ich ihn in meiner Frage schildere, und hat die Bundesregierung daraus konkrete Schlussfolgerungen gezogen? Ich will das erweitern – auch das steht in der Frage; auch dazu habe ich noch keine Silbe von Ihnen gehört –: Stimmt es, dass von den afghanischen Sicherheitsbehörden erhebliche Verluste, viel größere als früher, zu tragen sind und dass sich die Zahl der Getöteten im Jahr 2012 von vier auf sechs pro Tag, also um 50 Prozent, erhöht hat? Will die Bundesregierung daraus nicht endlich Schlussfolgerungen ziehen? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Ströbele, einer der Hauptgründe für die Zunahme der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle ist aus unserer Sicht in der Zunahme der Tätigkeit der afghanischen Sicherheitskräfte im Regionalkommando Nord zu sehen. Wenn man die ersten zwei Monate der Jahre 2012 und 2011 vergleicht, stellt man fest, dass sich die Operationstätigkeit erheblich erhöht hat, insbesondere in der Provinz Faryab. Insofern ist der Anstieg der sicherheitsrelevanten Zwischenfälle für uns eine direkte Folge der erweiterten Stabilisierungsbemühungen und der aktiven bewaffneten Einsätze der afghanischen Sicherheitskräfte. Diese verstärkte Einsatzzahl kommt bedauerlicherweise auch in einer messbaren Zunahme von Zwischenfällen zum Ausdruck. Ich möchte aber sagen: Dass der Zwischenfall so, wie Sie ihn in Ihrer Frage beschreiben, stattfand, bestreiten wir. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 40 und 41 des Kollegen Dr. Rolf Mützenich werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zur Frage 42 der Kollegin Heike Hänsel: Wie erklärt die Bundesregierung ihre Unkenntnis in Bezug auf die US-Drohnen-Kriegsführung von deutschem Boden aus, das heißt von der US-Militärbasis Ramstein und dem AFRICOM Stuttgart (Süddeutsche Zeitung vom 30. Mai 2013)? Bitte schön. Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Danke, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Hänsel, diese Frage beantworte ich wie folgt: Der Bundesregierung sind aus den vergangenen Jahren Medienberichte über Einsätze unter anderem von bewaffneten unbemannten Luftfahrzeugsystemen – „US-Drohnen“, wie Sie sie in Ihrer Frage nennen –, in der Republik Somalia, die den Vereinigten Staaten von Amerika zugeschrieben wurden, bekannt. Darüber hinausgehende eigene gesicherte Erkenntnisse zu von US-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland angeblich geplanten oder geführten Einsätzen liegen der Bundesregierung jedoch nicht vor. Gemäß Art. II des NATO-Truppenstatuts haben Streitkräfte aus NATO-Staaten „das Recht des Aufnahmestaates zu beachten und sich jeder mit dem Geiste des NATO-Truppenstatuts nicht zu vereinbarenden Tätigkeit zu enthalten“. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Hänsel, haben Sie eine Nachfrage? Heike Hänsel (DIE LINKE): Ja. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke für die Antwort. Aber wollen Sie damit uns und der Bevölkerung sagen, dass Sie nicht wissen, was in den US-Militärstützpunkten in Deutschland passiert, was dort geplant wird, und dass Sie keinen Zugang zu Informationen haben, während Journalisten der Süddeutschen Zeitung und von Panorama Zugang zu Informationen bekommen haben? Wollen Sie der Bevölkerung allen Ernstes erklären, dass Sie keine Ahnung haben, was in den US-Militärstützpunkten in Deutschland passiert? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, ein regelmäßiger Informationsaustausch bezüglich der konkret laufenden aktuellen bzw. täglichen Aktivitäten der US-Streitkräfte in Deutschland findet nicht statt. Die Bundesregierung führt mit den US-amerikanischen Partnern allerdings einen kontinuierlichen, sehr vertrauensvollen und offenen Dialog darüber, auch zuletzt beim Besuch des Bundesministers des Auswärtigen in Washington. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine weitere Nachfrage, Frau Hänsel? Heike Hänsel (DIE LINKE): Ja. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte. Heike Hänsel (DIE LINKE): Danke schön. – Nun liegen diese Informationen ja vor; sie sind in der Öffentlichkeit. Meine konkrete Frage: Welche weiteren Schritte werden Sie einleiten? Werden Sie sich jetzt Kenntnis darüber verschaffen, was an diesen Informationen der Medien dran ist? Werden Sie gegebenenfalls auch strafrechtlich vorgehen? Schließlich gibt es die gesetzliche Grundlage, dass völkerrechtswidrige Akte, die von deutschem Boden ausgehen, strafbar sind. Es ist strafbares Handeln, von deutschem Boden aus völkerrechtswidrige Akte zu begehen und Angriffskriege gegen andere Länder zu führen. Sie machen sich auch strafbar, wenn Sie nichts tun und das tolerieren. Meine Frage: Wie werden Sie jetzt vorgehen – politisch und auch strafrechtlich –, um solche völkerrechtswidrigen Akte zu unterbinden? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Kollegin, im Rahmen des Austauschs mit den Vereinigten Staaten von Amerika über völkerrechtliche Fragen wird mit allen Teilen der US-Regierung auch genau über die Frage des Einsatzes von Drohnen gesprochen. Dabei hat die Bundesregierung ihre Rechtsauffassung sehr klar erläutert, wie wir sie im Übrigen auch schon mehrfach in Antworten auf parlamentarische Anfragen dargestellt haben. Wir sind klar der Meinung – das hat Außenminister Westerwelle bei seinem Besuch in Washington gegenüber seinem Amtskollegen Kerry auch noch einmal klar angesprochen –, dass es wichtig ist, dass alles im Rahmen des Völkerrechts erfolgen muss. Der amerikanische Außenminister hat Herrn Westerwelle daraufhin versichert, dass jedwedes Handeln der USA – auch von deutschem Staatsgebiet aus – streng nach den Regeln des Rechts und des Völkerrechts erfolgt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Gehrcke hat eine Nachfrage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Danke sehr, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, Botschafter Lucas hat im Auswärtigen Ausschuss heute mitgeteilt, dass die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt von den USA weitergehende Informationen über den Drohneneinsatz, der möglicherweise von Stuttgart oder von Ramstein aus gesteuert worden ist, angefordert hat. Kann ich daraus schlussfolgern, dass die Bundesregierung die bisherigen Auskünfte der USA für nicht ausreichend, für unzuverlässig hält, und ist die Bundesregierung bereit, wenn sie weitergehende Informationen erhält, diese öffentlich zu machen? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Gehrcke, der Grundsatz, dass von deutschem Staatsgebiet aus keine völkerrechtswidrigen militärischen Einsätze ausgehen dürfen, gilt ohne Wenn und Aber. Deshalb hat die Bundesregierung auf verschiedenen Ebenen – das hat Ihnen Herr Lucas berichtet; genauso wie ich es hier dem Plenum berichte – noch einmal klar mit den amerikanischen Partnern gesprochen. Ich wiederhole aber: Die Bundesregierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Grundsatz nicht eingehalten wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Schäfer, bitte. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatsminister, noch einmal zu Ihrer Antwort, dass der Bundesregierung dazu gegenwärtig keine Erkenntnisse vorlägen. Meiner Kenntnis nach sind im AFRICOM-Kommando in Stuttgart Verbindungsoffiziere der Bundeswehr tätig. Nun gibt es drei Möglichkeiten: a) Die haben Erkenntnisse, müssen aber schweigen. b) Die haben keine Erkenntnisse, weil sie bei solchen heiklen Fragen außen vor gelassen werden. c) Die haben Erkenntnisse und haben diese Erkenntnisse auch an die Bundesregierung weitergegeben, aber Sie sagen nichts darüber. Was gilt nun, a), b) oder c)? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich wiederhole noch einmal, was ich gesagt habe: Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse über völkerrechtswidrige Aktionen vor. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das war d), null!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatsminister, die Bundesregierung hat sich heute Morgen im Auswärtigen Ausschuss genauso um Angaben gedrückt, wie Sie das jetzt wieder praktizieren. Die Berichte in Panorama und in der Süddeutschen Zeitung waren mit konkreten Anhaltspunkten unterlegt; ich will sie nicht im Einzelnen aufzählen, weil ich nicht so viel Zeit habe. Es handelt sich hierbei um mögliche Beihilfe zum Mord, um mögliche Beihilfe zur Führung eines Angriffskrieges. Beides sind Straftaten, die in Deutschland mit der höchsten Strafe bedroht sind: mit lebenslänglicher Freiheitsstrafe. Deshalb frage ich Sie ganz klar: Hat die Bundesregierung die US-Behörden – insbesondere den US-Außenminister – ganz konkret gefragt, ob AFRICOM oder AOC an mit Drohnen durchgeführten Kill-Aktionen in Somalia in irgendeiner Weise beteiligt ist, ja oder nein? Das können Sie doch beantworten. Und wie war die Antwort der amerikanischen Stellen? Michael Link, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Ströbele, ich kann nur noch einmal wiederholen: Wir haben die amerikanische Regierung noch einmal ausdrücklich auf die in Deutschland geltende Rechtslage und auf das Völkerrecht hingewiesen und haben sehr intensiv alle damit zusammenhängenden Fragen angesprochen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 43 und 44 von Frau Da?delen werden schriftlich beantwortet, ebenso die Frage 45 von Herrn Seifert. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 46 und 47 von Herrn Kilic werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz. Die Frage 48 von Herrn Seifert und die Frage 49 von Frau Jelpke werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Die Frage 50 von Herrn Hunko, die Fragen 51 und 52 von Frau Höll, die Fragen 53 und 54 von Herrn Troost und die Frage 55 von Herrn Hofreiter werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Der Parlamentarische Staatssekretär Brauksiepe ist zur Beantwortung hier. Wir kommen zur Frage 56 der Kollegin Kipping: Welche Vorarbeiten (Studien, Gutachten, Berechnungen etc. verschiedener Sachverständiger) liegen der Bundesregierung zur Ausführung ihrer Berichtspflicht nach § 10 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zur Weiterentwicklung der Methode zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch aktuell vor, und wann wird die Bundesregierung ihre politischen Schlussfolgerungen aus den vorliegenden Vorarbeiten dem Deutschen Bundestag zur Debatte vorlegen? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Kollegin Kipping, Ihr Einverständnis voraussetzend, beantworte ich Ihre beiden Fragen aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich auch die Frage 57 der Kollegin Kipping auf: Welche Vorschläge werden in diesen Vorarbeiten gemacht, um die spezifischen Bedarfe von weiteren volljährigen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln, und wie bewerten diese Vorarbeiten den Status quo? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Die beiden Fragen beantworte ich Ihnen wie folgt: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat für den nach § 10 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zu erstellenden Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik zwei Forschungsprojekte im Rahmen von nationalen freihändigen Vergaben mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb in Auftrag gegeben. Ein Forschungsprojekt bezieht sich auf eine mikroanalytische Untersuchung zur Abgrenzung und Struktur von Referenzgruppen für die Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008. Dieser Forschungsauftrag wird vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung durchgeführt. Im zweiten Forschungsprojekt befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum mit der Überprüfung der bestehenden und Entwicklung neuer Verteilungsschlüssel zur Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008. Die zur Durchführung der Forschungsprojekte benötigten Daten und verschiedene Berechnungen wurden vom Statistischen Bundesamt bereitgestellt. Die Ergebnisse werden derzeit aufbereitet und gehen in den Bericht ein. Der Bericht wird dem Deutschen Bundestag rechtzeitig bis zum 1. Juli 2013 vorgelegt. Im Zuge der Berichtslegung werden auch die erstellten Forschungsberichte veröffentlicht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kipping, Sie können jetzt insgesamt vier Nachfragen stellen, weil beide Fragen zusammen beantwortet worden sind. – Bitte schön, Ihre erste Nachfrage. Katja Kipping (DIE LINKE): Weil es ein sehr komplexer Themenbereich ist, möchte ich mich gerne auf einen Schwerpunkt konzentrieren. Im Zuge all dieser Beratungen, auch über die Höhe der Hartz-IV-Regelsätze, hat es im Vermittlungsausschuss zu Hartz IV eine Protokollnotiz gegeben. Ich zitiere aus der Protokollnotiz: Der Regelsatz für die Regelbedarfsstufe 3 wird mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen ab dem 25. Lebensjahr den vollen Regelsatz zu ermöglichen, überprüft. Das Ziel war, sicherzustellen, dass der Regelsatz für Menschen mit Behinderung, die mit den Eltern zusammenleben, nicht gekürzt wird. Meine Frage ist, ob das in diesem Forschungsprojekt eine Rolle gespielt hat, und wenn ja, welcher Weg der Bundesregierung gewiesen wird, damit diese Protokollnotiz, die jetzt schon länger auf ihre Umsetzung wartet, wirklich umgesetzt wird. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kipping, selbstverständlich ist auch diese Frage Gegenstand dessen, was hier zu erforschen ist, wobei ich hier noch einmal darauf hinweise – Sie haben korrekt zitiert –: Es geht um eine Überprüfung mit einem Ziel, in der Tat, aber es geht um eine Überprüfung und nicht darum, eine Rechtfertigung für ein bestimmtes Ziel zu finden. Selbstverständlich ist dies Teil der Forschung, die hier zu leisten ist. Es geht darum – so ist es in § 10 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes vereinbart –, wie sich die Regelbedarfsstufen 2 und 3 und auch die Regelbedarfsstufen 4 bis 6 für Kinder verhalten. Das ist Gegenstand eines dieser beiden Forschungsprojekte. Ich habe es Ihnen schon gesagt und wiederhole mich da gerne: Die Forschungsergebnisse werden zusammen mit dem entsprechenden Bericht bis zum 1. Juli veröffentlicht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage, bitte sehr. Katja Kipping (DIE LINKE): Ich möchte gerne nachfragen. Es ist so, dass es im Zuge der Neuberechnung eindeutig zu einer Verschlechterung der Situation behinderter Menschen gekommen ist, die mit anderen Erwachsenen zusammenleben, zum Beispiel mit ihren Eltern. Hier ist es seit dem Jahr 2011 zu einer Kürzung um 20 Prozent gekommen. Vor diesem Hintergrund frage ich nach der politischen Absicht der Bundesregierung: Beabsichtigen Sie, diesen Prüfauftrag schnell zu einem positiven Ergebnis zu führen? (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Was ist denn schnell bei dieser Bundesregierung?) Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kipping, die von Ihnen gemachte Sachverhaltsdarstellung entspricht nicht der Wahrnehmung der Bundesregierung und auch nicht der Rechtslage. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das liegt aber an der Bundesregierung!) Ich bitte dafür um Verständnis. Es gab schon nach früherer Rechtslage und es gibt nach heutiger Rechtslage drei Unterscheidungsstufen für Erwachsene, die hier Leistungen bekommen. Das sind zum einen diejenigen, die einen Haushalt alleine führen und einen Anspruch auf 100 Prozent des entsprechenden Regelsatzes haben. Es gibt zum anderen diejenigen, die einen Haushalt gemeinsam führen und jeweils Anspruch auf 90 Prozent haben, und es gibt diejenigen, die als Erwachsene in einem Haushalt wohnen, ohne ihn allein oder mit jemand anderem zu führen. Das sind die drei Regelsätze, die es auch schon vor den entsprechenden gesetzgeberischen Entscheidungen gegeben hat. Es gab keine Lex specialis für Menschen mit Behinderungen, sondern es hat diese Unterscheidung gegeben. Es hat dann verschiedene Urteile gegeben, die Menschen mit Behinderungen erstritten haben. Sie haben recht bekommen, weil das Gericht gesagt hat: Die Gründe für die Unterscheidung, ob 80, 90 oder 100 Prozent des Regelsatzes zu zahlen sind, hat der Gesetzgeber noch nicht ausreichend deutlich gemacht. Das sind Gerichtsentscheidungen, die zu akzeptieren sind. Es war aber vorher schon die Absicht des Gesetzgebers, bei Erwachsenen genau diese Unterscheidung vorzunehmen: Führt ein Erwachsener einen Haushalt allein, führt er ihn gemeinsam mit jemand anderem, oder lebt er mit in einem Haushalt, ohne ihn zu führen? Im Zuge der gesetzlichen Änderungen ist dann genau diese gerichtlich geforderte Klarstellung, worin der politische Wille des Gesetzgebers besteht, auch eingefordert worden. Von daher war das aus Sicht des Gesetzgebers und aus Sicht der Bundesregierung die gerichtlich gewünschte erforderliche Klarstellung. Die Bundesregierung hält grundsätzlich eine solche Unterscheidung danach, ob jemand einen Haushalt alleine führt, ob er ihn mit jemandem zusammen führt oder ob er in einem Haushalt lebt, ohne ihn zu führen, für sachgerecht, weil damit, wie, denke ich, unmittelbar einleuchtend ist, auch unterschiedliche Kostenbelastungen verbunden sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kipping, Sie haben noch eine weitere Frage, bitte. Katja Kipping (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Angesichts Ihrer Ausführungen steht die Frage im Raum, warum sich die Bundesregierung überhaupt auf eine Protokollnotiz eingelassen hat, die das klare Ziel formuliert, sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung, die älter als 25 Jahre sind, tatsächlich den vollen Regelsatz bekommen. Deswegen ist meine Frage: Was sollte dann überhaupt die Protokollnotiz? Diente sie womöglich nur dazu, die SPD mit einer vollkommen folgenlosen Notiz zur Zustimmung zu bringen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin Kipping, gemäß unserer verfassungsmäßigen Ordnung in dem demokratischen Rechtsstaat, in dem wir leben, gehören dem Vermittlungsausschuss Vertreter des Bundestages und des Bundesrates an. Die Bundesregierung respektiert selbstverständlich das Ergebnis des Vermittlungsverfahrens und die entsprechenden Beschlüsse in den gesetzgebenden Körperschaften, die nach unserer verfassungsmäßigen rechtsstaatlichen Ordnung genau für die Fassung solcher Beschlüsse zuständig sind. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Machen wir jetzt rechtspolitische Bildung, oder was?) Wir haben gemäß § 10 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes einen klaren Auftrag bekommen. Der sieht vor, dass wir einen entsprechenden Bericht vorlegen. Darin werden selbstverständlich alle im Vermittlungsverfahren von den Verfassungsorganen Bundestag und Bundesrat getroffenen Vereinbarungen berücksichtigt. Den Auftrag, den wir vom Gesetzgeber bekommen haben, setzen wir um. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben jetzt noch die Gelegenheit zu einer weiteren Nachfrage. (Katja Kipping [DIE LINKE]: Vielen Dank!) – Dann Ihre Kollegin. Bitte schön. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Kollege Brauksiepe, wir waren zu diesem Zeitpunkt beide im Vermittlungsausschuss und in der Arbeitsgruppe. Meine Frage ist: Welchen Wert haben die Protokollerklärungen, die ab und zu im Vermittlungsausschuss beschlossen werden, wenn sie am Ende nicht umgesetzt werden? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Frau Kollegin, ich persönlich war noch nie Mitglied des Vermittlungsausschusses, weder als Vertreter des Bundestages noch des Bundesrates. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Entschuldigung, dann habe ich Sie wahrscheinlich verwechselt!) Aber selbstverständlich ist die Bundesregierung im Vermittlungsverfahren dienstleistend tätig. Ich kann nur wiederholen: Alles das, was im Vermittlungsverfahren vereinbart worden ist und was in Gesetzesform gegossen wird, wird umgesetzt. Ich schlage vor, dass Sie in aller Ruhe und Gelassenheit abwarten, bis die Bundesregierung ihren Bericht vorlegt und die Forschungsergebnisse veröffentlicht werden. Ich bin fest davon überzeugt, es lohnt sich, sie dann sehr genau zu studieren. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir warten seit mehr als zwei Jahren ab in dieser Frage!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Wir kommen jetzt zur Frage 58 des Kollegen Birkwald: Welche Vorschläge werden in Vorarbeiten zur Ausführung der Berichtspflicht der Bundesregierung nach § 10 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes zur Weiterentwicklung der Methode zur Ermittlung von Regelbedarfen nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Studien, Gutachten, Berechnungen etc. – gemacht, um aus der statistischen Referenzgruppe diejenigen Haushalte verlässlich auszuschließen, deren „eigene Mittel nicht zur Deckung des jeweils zu unterstellenden Bedarfs nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ausreichen“ (§ 10 Abs. 2 Nr. 1 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes), um der verfassungsrechtlichen Vorgabe, Zirkelschlüsse bei der Festlegung der Regelbedarfe zu vermeiden, gerecht zu werden? Bitte schön, Herr Staatssekretär. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Birkwald, da es sich um ähnliche Sachverhalte handelt und auch hier beide Fragen in einem Sachzusammenhang stehen, bitte ich auch um Ihr Einverständnis, dass ich beide Fragen gemeinsam beantworte. Ich möchte auch für die Zuschauer erläutern: Die Fragen sind sehr ähnlich, und konsequenterweise kann für die Antwort nichts anderes gelten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich auch Frage 59 des Kollegen Birkwald auf: Wie bewerten die vorliegenden Vorarbeiten die von der Bundesregierung ermittelten Regelbedarfe von Kindern und Jugendlichen, und welche Vorschläge werden für die zukünftige eigenständige Ermittlung der Bedarfe von Kindern und Jugendlichen vorgelegt? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat für den nach § 10 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch zu erstellenden Bericht über die Weiterentwicklung der für die Ermittlung von Regelbedarfen anzuwendenden Methodik zwei Forschungsprojekte im Rahmen von nationalen freihändigen Vergaben mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb in Auftrag gegeben. Ein Forschungsprojekt bezieht sich auf eine mikroanalytische Untersuchung zur Abgrenzung und Struktur von Referenzgruppen für die Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008. Dieser Forschungsauftrag wird vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung durchgeführt. Im zweiten Forschungsprojekt befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum mit der Überprüfung der bestehenden und Entwicklung neuer Verteilungsschlüssel zur Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008. Dabei geht es zum einen darum, die regelbedarfsrelevanten Verbrauchsausgaben in Mehrpersonenhaushalten gemäß § 10 Abs. 2 Nr. 2 des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes sachgerecht auf Eltern und Kinder aufzuteilen, und zum anderen darum, eine begründbare Abstufung der Regelbedarfe bei mehreren Erwachsenen im Haushalt in die Regelbedarfsstufen 2 und 3 zu entwickeln. Die zur Durchführung der Forschungsprojekte benötigten Daten und verschiedene Berechnungen wurden vom Statistischen Bundesamt bereitgestellt. Die Ergebnisse werden derzeit aufbereitet und gehen in den Bericht ein. Der Bericht wird dem Deutschen Bundestag rechtzeitig bis zum 1. Juli 2013 vorgelegt. Im Zuge der Berichtslegung werden auch die erstellten Forschungsberichte veröffentlicht. Der Zwischenruf der Kollegin Enkelmann gibt mir Gelegenheit, noch einmal die Bitte zu äußern, dieses zwischen den Verfassungsorganen Bundestag und Bundesrat gefundene Ergebnis zu akzeptieren (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Einschließlich aller Protokollvereinbarungen!) und bitte auch die Tatsache zu akzeptieren, dass der 1. Juli 2013 noch nicht eingetreten ist und Sie deswegen so lange warten, weil dies so lange zwischen den Verfassungsorganen vereinbart worden ist. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Birkwald, auch für Sie würden vier Nachfragen zur Verfügung stehen, sofern Sie mögen; Sie müssen nicht. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Staatssekretär, auch Ihnen Dank für die Antwort. Ich will meine Nachfragen auf wenige Punkte beschränken. Einer ist mir ganz besonders wichtig. Ist es zutreffend, dass der gesetzlich formulierte Berichtsauftrag der Bundesregierung voraussetzt, dass mit der bisherigen Methodik verdeckt arme Haushalte zur Ermittlung der Regelbedarfe einbezogen werden, obwohl es den expliziten Auftrag des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 gab, dies zu vermeiden, und obwohl es mit der Expertise des Statistischen Bundesamtes, das Sie ja eben angesprochen haben, für die Fraktion Die Linke auch ein statistisch einfaches Verfahren zum Ausschluss verdeckt armer Haushalte gibt, und, wenn ja, wie rechtfertigt die Bundesregierung dieses Vorgehen? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Herr Kollege Birkwald, auch mit genau dieser Frage beschäftigen sich die Institute, die die Forschungsaufträge erhalten haben. Ebenso wie die Frage der Regelbedarfsstufen 4, 5 und 6 und möglicher Begründung und ebenso wie die Frage von entsprechenden Differenzierungen im Bereich der Erwachsenen ist auch das Thema „verdeckt Arme“ Gegenstand dieser Forschungsarbeiten. Wir haben politisch nicht die Absicht, verdeckt Arme in die Berechnungen einzubeziehen mit dem Ziel, dadurch zu einem geringeren Regelsatz zu kommen, um einmal ganz klar das auszusprechen, was politisch hinter Ihrer Frage steckt. Wir haben nicht die Absicht, (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Niemand hat die Absicht …!) Werte künstlich niedrig zu rechnen. Die von uns ermittelten Werte wie auch die Verfahren haben jeder gerichtlichen Prüfung standgehalten, wie Sie wissen. Ich bitte um Verständnis, dass das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung und die Wissenschaftler der Ruhr-Universität Bochum den Zuschlag für die Forschungsaufträge erhalten haben und nicht die Fraktion Die Linke. Ich kann Ihnen von daher zu diesem Zeitpunkt kein überlegenes statistisches Verfahren nennen oder gar ein entsprechendes Ergebnis mitteilen. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Wir haben einen Auftrag erhalten. Er ist in den Endzügen der Ausführung. Wir müssen das Ergebnis bis zum 1. Juli abliefern, und das werden wir tun. Daraus wird sich alles Weitere ergeben. Die Forschungsergebnisse werden zusammen mit dem Bericht veröffentlicht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage, bitte schön. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Ich nehme die Chance wahr. – Herr Staatssekretär, es gibt Vorarbeiten, und Sie kennen sie. Wir hatten eine ähnliche Situation schon im Ausschuss. Deshalb frage ich Sie noch einmal: Zu welchen Ergebnissen kommen die Ihnen vorliegenden Vorarbeiten in Bezug auf die Zahl der verdeckt armen Haushalte in der Referenzgruppe, und welche Auswirkungen hat das auf die ermittelte Höhe des Regelbedarfs? Mit anderen Worten, um Ihrer Erwartungshaltung Genüge zu tun: Um wie viel Euro wurde der Regelbedarf einer allein lebenden Person aufgrund dieser Unterlassung der Bundesregierung kleingerechnet? Falls diese Fragen nicht Teil des Auftrags an das Statistische Bundesamt oder andere Sachverständige waren: Warum waren sie das nicht? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Noch einmal, Herr Kollege Birkwald: Das Thema „verdeckt Arme“ und wie man damit statistisch umgeht, vor dem Hintergrund des politisch völlig unstreitigen Ziels, Zirkelschlüsse zu vermeiden, ist Gegenstand dessen, worüber geforscht wird. Das ist Teil des Arbeitsauftrags. Ich sage Ihnen noch einmal: Wir sind dabei, diesen Arbeitsauftrag zu erfüllen. Zum jetzigen Zeitpunkt, wo das Verfahren noch läuft, kann ich Ihnen nur sagen, dass die Bundesregierung und diejenigen, die sich auf dieses Verfahren verständigt haben, den Ergebnissen sehr zuversichtlich entgegensehen können. Es ist bisher jeder Versuch gescheitert, der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag oder dem Bundesrat in ihren Beschlüssen in irgendeiner Weise nachzuweisen, dass geltendes Recht verletzt worden ist. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf die Rechtslage, wie sie seit dem Jahr 2005 bestanden hat. Wir haben darauf mit den gesetzgeberischen Maßnahmen reagiert, die ergriffen worden sind. Die Bundesregierung ist sehr zuversichtlich, dass diese Regelungen genauso wie in der Vergangenheit einer gerichtlichen Überprüfung in der Zukunft standhalten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Birkwald, Sie haben eine weitere Frage, bitte. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Dass mich diese Antwort nicht befriedigt, werden Sie sich vorstellen können, Herr Dr. Brauksiepe. Aber ich will zu einem anderen Thema nachfragen. Inwieweit ist die im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz vorgesehene Überprüfung und Weiterentwicklung der Verteilungsschlüssel hinsichtlich der Verbrauchsausgaben für Kinder und Jugendliche nach Ansicht der Bundesregierung und der vorliegenden Vorarbeiten ausreichend, um den Bedarf von Kindern und Jugendlichen eigenständig zu ermitteln, und welche alternativen Ermittlungsverfahren wurden mit welchem Ergebnis geprüft? Das ist doch das, was in der jetzigen Phase interessiert. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Auch das ist Gegenstand der Untersuchung, und die entsprechenden Ergebnisse werden veröffentlicht. Ich bitte wirklich darum, Herr Kollege Birkwald, die Rechtslage zu respektieren. Wir tun das – wie im Gesetz vorgesehen – bis zum 1. Juli. Dann werden alle diese Fragen beantwortet. Ich vermute, dass die dann vorliegenden inhaltlichen Antworten Sie letztlich auch nicht befriedigen werden. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Da wissen Sie schon wenigstens etwas!) Aber das kann ich gegebenenfalls nicht ändern. Ich sage Ihnen noch einmal: Der Bericht ist noch nicht fertig. Er wird in einem geordneten Verfahren erstellt und wird Ihnen dann gemeinsam mit den Forschungsergebnissen zur Verfügung gestellt. Ich jedenfalls sehe dem Tag der Veröffentlichung dieser Ergebnisse sehr ruhig und gelassen entgegen. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Jugendliche und Kinder nicht!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Birkwald, eine weitere Frage. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Meine vierte Nachfrage würden Sie mir genauso unbefriedigend beantworten, Herr Staatssekretär. Deswegen verzichte ich auf sie. Herzlichen Dank. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Die Fragen 60 und 61 der Kollegin Sabine Zimmermann werden schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Fragesteller der Frage 62, der Kollege Fritz Rudolf Körper, ist nicht anwesend, wie ich sehe. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Ich rufe die Frage 63 des Kollegen Ströbele auf: Inwieweit trifft es zu, dass die Koblenzer Staatsanwaltschaft gegen Mitarbeiter der Bundeswehr-Beschaffungsbehörde, BAAINBw, und den Ministerialrat G. C. wegen Untreue sowie wegen Anstiftung hierzu gegen Verantwortliche der Firma Heckler & Koch ermittelt (vergleiche den Tagesspiegel und Spiegel Online jeweils vom 27. Mai 2013), weil die Bundeswehr Anfang 2012 mehr als 12 000 Gewehre G 36 ankaufte („Eilt Sehr“), obwohl die Bundeswehr-Materialprüfer der Wehrtechnischen Dienststelle 91 sowie der Bundesrechnungshof 2011 ungenügende Treffgenauigkeit der Gewehre, sicherheitsgefährdende Überhitzung etwa im Afghanistan-Einsatz sowie zu hohen Verschleiß gerügt hatten (vergleiche den Spiegel vom 1. April und 9. September 2012; ZDF-Magazin Frontal 21 am 27. November 2012), und warum hat das Bundesministerium der Verteidigung dies in seiner Antwort vom 12. Dezember 2012 auf meine mündliche Frage 77 (Plenarprotokoll 17/213, Anlage 52) geleugnet („Es wurde kein Mangel am Gewehr G 36 festgestellt. [Es] ist zuverlässig und … tauglich … in den laufenden Einsätzen.“) und angegeben, gegen die Eignung des Herstellers Heckler & Koch gebe es „keine Bedenken“? Herr Kossendey steht zur Beantwortung bereit. Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Ströbele, dem Ministerium ist durchaus bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz im Zusammenhang mit dem Ankauf von Gewehren G 36 gegen einen Mitarbeiter des Ministeriums ermittelt. Das zum ersten Teil der Frage. Über mögliche Mängel beim G 36 haben wir im Verteidigungsausschuss lange gesprochen. Wir haben dem Verteidigungsausschuss dazu einen Bericht vorgelegt, den der Verteidigungsausschuss in der 123. Sitzung am 17. Oktober erbeten hat. Der Bericht wurde dann dem Ausschuss gegeben. Als Ergebnis dieses Berichtes haben wir festgestellt, dass das G 36 keinen Mangel hat, dass die technischen Lieferbedingungen eingehalten worden sind und dass die festgestellten Effekte, nämlich das Nachlassen der Treffergenauigkeit bei heißgeschossener Waffe, letztendlich auf physikalischen Gesetzmäßigkeiten basieren. Der Kollege Schmidt hat auf Grundlage dieses Berichts an den Verteidigungsausschuss Ihre Frage am 12. Dezember 2012 hier von dieser Stelle aus beantwortet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, eine Nachfrage, bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. – Der Kollege Schmidt hat aber behauptet – so steht es im zweiten Teil meiner Frage –, es bestünden keine Bedenken, diese Waffe sei zuverlässig und tauglich. Er hat mit keinem Wort erwähnt, wie auch Sie das hier nicht erwähnen, obwohl auch das in der Frage steht, dass immerhin der Bundesrechnungshof und die Bundeswehr-Materialprüfer der Wehrtechnischen Dienststelle 91 sehr wohl festgestellt haben, dass es sich um erhebliche Mängel handelt. Offenbar sind diese Argumente so gravierend – die Staatsanwaltschaft marschiert ja nicht gleich los –, dass die Staatsanwaltschaft nicht nur ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, sondern auch im Rahmen dieses Ermittlungsverfahrens gegen die Verdächtigen – darunter auch einen Ministerialrat, einen Mitarbeiter Ihres Ministeriums – strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt hat. Halten Sie das alles für Quatsch, und halten Sie das Tätigwerden der Staatsanwaltschaft für übertrieben oder für falsch? Wie stellen Sie sich dazu? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich gehe davon aus, dass das zwei verschiedene Sachverhalte sind. Zum einen gibt es die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen den Mitarbeiter unseres Hauses, zum anderen geht es um die Frage, wie verlässlich das G 36 ist. Wir haben aus dem Einsatz – das hat General Fritz gerade in den letzten Tagen ausdrücklich bestätigt – keine Beschwerden über dieses Gewehr bekommen. Wenn allerdings ein Gewehr nicht gemäß den Bestimmungen bedient wird, sondern Dauerfeuer mit 200 Schuss innerhalb kürzester Zeit abgegeben wird, dann ergeben sich in der Tat ab einer Entfernung von 200 Metern Streueffekte. Allerdings ist das Gewehr nicht das einzige Mittel, das unsere Soldaten zur Verfügung haben. Für bestimmte Distanzen und für bestimmte Zwecke haben unsere Soldaten vor Ort in Afghanistan andere Möglichkeiten, zu wirken. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine weitere Nachfrage, Herr Ströbele, bitte. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. – Es ist mir bekannt, dass die Bundeswehr auch über Panzer verfügt, aber hier geht es um ein bestimmtes Gewehr. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft ist, dass dieses Gewehr beschafft und offensichtlich bezahlt worden ist, obwohl bekannt war, dass es mit erheblichen Mängeln behaftet ist. Sie haben die Materialprüfer angesprochen, die offenbar keine Ahnung haben. Sind Sie der Auffassung, dass auch der Bundesrechnungshof, der die Beschaffung bereits 2011 gerügt hat, nicht über die notwendige Sachkunde verfügt, sondern nur die Spitze des Ministeriums? Thomas Kossendey, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich könnte mir die Antwort jetzt leicht machen und Ja sagen, aber ich tue es nicht, weil wir den Bericht, den wir dem Verteidigungsausschuss gegeben haben, natürlich mit allen verantwortlichen Stellen bei uns im Hause und in den nachgeordneten Behörden besprochen haben. Ich wiederhole: Es ist nichts zutage getreten, was an einen grundsätzlichen Mangel des G 36 erinnert. Ich bin sicher, dass, wenn sich die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf diesen Punkt beziehen sollten, ein ähnliches Ergebnis dabei herauskommen wird. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Alle übrigen Fragen werden schriftlich beantwortet. Wir sind somit am Ende der Fragestunde angekommen. Ich unterbreche die Sitzung kurz bis zum Beginn der Aktuellen Stunde. Die Unterbrechung wird einige Minuten dauern. Der Haushaltsausschuss hat seine Sitzung unterbrochen. Insofern können wir hier fortfahren, wenn die Kolleginnen und Kollegen aus diesem Ausschuss den Weg hierhin geschafft haben. (Unterbrechung von 17.00 bis 17.08 Uhr) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Wir kommen zum Zusatzpunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Verwendung von Drohnentechnologie durch die Bundeswehr Als Erstes gebe ich das Wort für die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Dr. Andreas Schockenhoff. Bitte schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Drohnentechnologie ist aus der militärischen Entwicklung nicht mehr wegzudenken. Künftig wird jede gut und modern ausgestattete Armee diese Technologie besitzen und einsetzen. Die Zukunft der militärischen Luftfahrt ist unbemannt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unbekannt! – Thomas Oppermann [SPD]: Unbekannt!) Die Stiftung Wissenschaft und Politik kommt hinsichtlich einer Beschaffung von Drohnen zu dem Ergebnis – ich zitiere –: Ihre militärischen Vorteile können in legitimen, parlamentarisch kontrollierten Einsätzen der Bundeswehr zum Schutz eigener Truppen genutzt werden. Sie reduzieren die Gefährdung des Einsatzpersonals und bündeln die Fähigkeiten zur intrusiven Aufklärung und zum präzisen Waffeneinsatz. Damit verbessern sie die technischen Möglichkeiten, die Wirksamkeit militärischer Einsätze im Einklang mit den Geboten des humanitären Völkerrechts zu gewährleisten. Aus diesen guten Gründen hat bereits die rot-grüne Bundesregierung die Entwicklung der Euro-Hawk-Drohne auf den Weg gebracht. SPD und Grüne haben dann im Haushaltsausschuss im Jahr 2007 der Beschaffung zugestimmt. Der Vorsitzende des sogenannten SPD-Kompetenzteams dreht sein Fähnchen nun in den Wahlkampfwind und will überhaupt keine Drohnen mehr anschaffen. (Rainer Arnold [SPD]: Nicht reden! Lesen!) Wörtlich hat er gestern in seiner Rede an der FU gesagt: Die Bundesrepublik Deutschland bedarf keiner Drohnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Keine Ahnung, der Mann!) Was denn nun, Herr Steinbrück? So billig kommen Sie nicht von der Mitverantwortung von SPD und Grünen an der Entwicklung der Drohnen weg. (Zuruf von der CDU/CSU: Die wollten schon die Marine abschaffen!) Im Fall der Aufklärungsdrohne Euro Hawk hält die Opposition dem Minister vor, er hätte das Projekt früher stoppen müssen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Wenn wir komplizierte Entwicklungs- und Beschaffungsvorhaben hektisch beenden würden, sobald Probleme auftauchen, statt erst einmal zu prüfen und abzuwägen, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Hektik hat drei Jahre gedauert bei Ihnen!) dann hätten wir keine moderne Ausrüstung der Bundeswehr; dann würden wir uns schon heute von Technologien der Zukunft verabschieden und unverzichtbare Fähigkeiten aufgeben. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben drei Jahre zugeguckt!) Meine Kolleginnen und Kollegen, es geht um die Frage, ob die Probleme, die mit dem Trägersystem Euro Hawk aufgetreten sind, lösbar sind. Wenn das mit vertretbarem Aufwand nicht möglich ist, kann man nicht in die Beschaffung einsteigen. Aus dieser nüchternen Erwägung heraus hat Minister de Maizière sich entschieden, die Euro-Hawk-Drohne nicht zu beschaffen. Hinsichtlich der Vorhaltungen der Opposition entlastet der Bundesrechnungshof den Minister ohne Wenn und Aber. (Rainer Arnold [SPD]: Lesen! – Thomas Oppermann [SPD]: Haben Sie ihn überhaupt gelesen?) Der Bericht an den Haushaltsausschuss stellt erstens unmissverständlich klar, dass die Fehler bei Euro Hawk vor der Zeit von Minister de Maizière gemacht wurden. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen bildet! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen bildet!) Der Bundesrechnungshof kommt zweitens zu dem eindeutigen Ergebnis: Sobald die Leitung des Hauses von den Problemen Kenntnis hatte, wurde gehandelt, um weitere Kosten zu vermeiden. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wow! „Sobald sie Kenntnis hatte“! Was heißt hier „sobald“? – Wann hatten Sie denn Kenntnis, Herr Schockenhoff?) Und drittens kommt der Bundesrechnungshof auch zu einem klaren Urteil hinsichtlich der Frage, was die Konsequenzen gewesen wären, wenn das Projekt bereits 2011 oder 2012 abgebrochen worden wäre: Dann hätte die Sensorik, also das Aufklärungssystem, nicht auf dem Träger selbst, also unter Einsatzbedingungen, getestet werden können. (Thomas Oppermann [SPD]: Also, Ihre politische Sensorik hat noch nie funktioniert!) Auch diesbezüglich war der Zeitpunkt der Entscheidung schadensbegrenzend. Die Aufklärungsfähigkeit wäre sonst nicht weiterentwickelt worden. 232 Millionen Euro Entwicklungskosten wären umsonst ausgegeben worden. Es ging Minister de Maizière also nicht darum, wie Sie von der Opposition behaupten, etwas zu vertuschen. Der Bericht des Bundesrechnungshofs lässt keinen Zweifel. Minister de Maizière hat vielmehr weiteren Schaden abgewendet und eine unverzichtbare Entwicklung für die Bundeswehr gesichert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Opposition muss also spätestens heute erkennen, dass sie einen Popanz aufgebaut hat. (Holger Krestel [FDP]: Ein weiteres Mal! – Manfred Zöllmer [SPD]: Märchenstunde! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Märchenstunde ist das!) Der Verteidigungsminister hat aus den richtigen Erwägungen heraus zum richtigen Zeitpunkt, nicht früher, aber auch nicht später, gehandelt. Das ist nicht Taktik, sondern in einer schwierigen Entscheidungssituation die Wahrnehmung politischer Verantwortung bei einem Projekt, das lange vor Amtsantritt des Ministers begonnen wurde. (Zurufe von der SPD) Dafür gebührt Ihnen, Herr Minister, Respekt, und dafür haben Sie unsere volle Unterstützung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Opposition reagiert auf eine konsequente und sachgerechte Entscheidung mit durchsichtigen Wahlkampfmanövern. Herr Steinbrück und Herr Trittin stehen nicht dazu, was ihre eigene rot-grüne Regierung beschlossen hat und was die Fachpolitiker aus ihren eigenen Reihen seither stets als richtige Grundsatzentscheidung verteidigt haben. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben es doch nicht für richtig erklärt, 600 Millionen zu verschwenden! Das ist doch Ihre Sicht! – Zurufe von der SPD) Minister de Maizière hingegen schreckt vor schwierigen Entscheidungen nicht zurück, auch wenn es ungemütlich wird. Durch die Entscheidungen des Ministers ist kein zusätzlicher Schaden entstanden, (Thomas Oppermann [SPD]: Haltet den Dieb!) sondern größerer Schaden verhindert worden, und es sind wichtige Fähigkeiten für die Bundeswehr gesichert worden. Nochmals, Herr Minister: Respekt! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Jetzt wird es aber lächerlich!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Rainer Arnold das Wort. (Beifall bei der SPD) Rainer Arnold (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Minister hat 40 Leute und drei Wochen gebraucht, um das Debakel aufzuarbeiten. Herausgekommen ist überhaupt nichts Neues. Die Fakten haben wir alle schon gekannt. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Warum haben Sie Fragen gestellt, wenn Sie schon alles kannten?) Entschuldigung. Doch, etwas Neues ist herausgekommen: Mit all dem hat der Minister überhaupt nichts zu tun. Herr Schockenhoff erzählt hier: Der Minister hat abgewogen. Herr Schockenhoff, Ihr Minister hat jahrelang nichts gewusst, weil er wahrscheinlich auch nichts wissen wollte. Da kann er doch nicht wirklich abwägen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, es werden über 500 Millionen Euro verpulvert, (Michael Brand [CDU/CSU]: Wieder falsch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht! – Frei erfunden!) und Sie weisen jede Verantwortung von sich. Sie übertragen die Verantwortung für das Debakel Ihren beamteten Staatssekretären, den nachgeordneten Ämtern und den nachgeordneten Behörden und Abteilungen. Herr Minister, dies ist ein schäbiges Verhalten, gerade für einen Mann, der die ganze Zeit von Verantwortung redet. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben eingestanden, dass Sie von Ihrem Staatssekretär, Ihrem langjährigen Weggefährten, persönlich überhaupt nicht unterrichtet wurden. Es gab keine Ministervorlage zu Euro Hawk. Sie haben dieses Projekt angeblich nie in der Leitungsbesprechung Ihres Ressorts gehabt. (Zuruf von der SPD: Unglaubliche Zustände!) Ich frage mich: Worüber reden Sie eigentlich, wenn Sie öffentlich ankündigen, alle Großvorhaben stünden auf dem Prüfstand, Sie würden die Prioritäten neu überdenken? Worüber reden Sie eigentlich in den Leitungsbesprechungen miteinander? Reden Sie überhaupt noch miteinander in Ihrem Ressort, oder regiert statt früher das Gespräch heute das Diktat des Aktendeckels in Ihrem Haus? Diesen Eindruck gewinnt man ja. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, Sie haben heute nichts aufgeklärt. Sie bezeichnen ein finanzielles Fiasko – Herr Schockenhoff unterstützt das noch – als „angemessen“ und den Abbruch zu dem Zeitpunkt, als es eigentlich schon am Ende war, als „zeitgerecht“. Sie bemängeln, dass die beamteten Staatssekretäre 15 Monate vorher von dem voraussichtlichen Scheitern gewusst hätten und Sie nicht eingebunden haben. Sie haben heute erklärt – das ärgert mich als Parlamentarier am meisten –, Sie fänden es ganz normal, dass das Parlament bei solchen Problemen nicht eingebunden wird, und es wäre in der Vergangenheit auch so gewesen. Das ist einfach falsch. Das stimmt nicht. Ich kann Ihnen die Aktenberge zum Eurofighter, zu den Hubschraubern, zu den Korvetten und den Fregatten usw. zeigen. Hier hat uns das Ministerium mit allen Problemen betraut. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Nicht einmal die Berichterstatter im Haushaltsausschuss wurden von Ihren Gesprächen in Kenntnis gesetzt. Sie sagen heute immer noch, das sei in Ordnung. Das finde ich ganz schlimm. Das zeigt ein wenig, wie Sie Politik machen. Hierbei handelt es sich nämlich um kein lernfähiges System. Die Probleme liegen auf dem Tisch, und Sie fahren nach Chicago und erklären bei der NATO: Wir zahlen weitere 83 Millionen Euro für ein Projekt, von dem wir nicht wissen, ob es überhaupt fliegen darf. (Thomas Oppermann [SPD]: Unglaubliche Geldverschwendung!) Die Probleme liegen auf Ihrem Schreibtisch, und Sie erklären jahrelang weiter: Wir brauchen auch eine Kampfdrohne, und möglicherweise kaufen wir auch die amerikanische. – Und unsere Warnungen, dass sie hier nicht zugelassen werden, schlagen Sie ziemlich arrogant in den Wind. Wir haben es Ihnen gesagt. Trotzdem halten Sie an solchen Debatten tatsächlich fest. Herr Minister, das einzig Vernünftige, das Sie heute gesagt haben, ist, dass jetzt tatsächlich Verantwortung übernommen werden muss und Konsequenzen gezogen werden müssen. Welche Konsequenzen sind zu ziehen, Herr Minister, und zwar nicht bei Nachgeordneten? Denn wenn Informationen bei Ihrem Staatssekretär anlangen, sind sie politisch in Ihrem Verantwortungsbereich angekommen. (Thomas Oppermann [SPD]: So ist es!) Diese Verantwortung dafür kann man, wenn man noch einen Funken Respekt für seine Aufgabe hat, niemand anderem auf die Schulter legen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Minister, ich rate Ihnen: Halten Sie es mit Helga Schäferling, die gesagt hat: „Auch derjenige, der zuläßt, trägt seinen Teil der Verantwortung.“ (Michael Brand [CDU/CSU]: Nicht die Helga instrumentalisieren!) – Ja, es mag sein, dass Ihnen die Soziologin zu popelig ist. Das merke ich an Ihrem Zuruf. Dann nehmen wir doch Winston Churchill, der Ihnen sicherlich nicht zu klein sein wird. Der sagte nämlich: „Der Preis der Größe heißt Verantwortung.“ Herr Minister, Sie sind Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt der Bundeswehr. Der Soldatenberuf ist etwas Besonderes. Dieses Ministeramt ist auch etwas Besonderes. Es funktioniert nämlich nicht, wie manche glauben – ich habe den Eindruck, manche in der Spitze Ihres Hauses glauben das auch –, nach dem Prinzip Befehl und Gehorsam: Oben wird entschieden, nach unten wird weitergegeben, und dort hat man es dann umzusetzen. – Wenn die nachgeordneten Stellen nun aber etwas bemängeln, beklagen, Kritik üben oder Ideen haben, dann werden sie noch als Jammerlappen von Ihnen beschimpft, statt deren Anregungen aufzunehmen. Wenn zum Beispiel die Beschaffer beim Drohnenprojekt Euro Hawk sagen: „Wir sind persönlich gar nicht in der Lage, dies seriös abzuarbeiten“, und dies Ihrem Ministerium melden, dann bekommen sie kein Feedback. Die rennen gegen Wände. Herr Minister, das ist das eigentliche Problem: Dadurch, wie Sie dieses Haus führen, dadurch, dass Sie die Soldaten hängen lassen, wenn sie Probleme melden, haben Sie den Geist des Hauses ein Stück verändert und geprägt. Ein Minister der Verteidigung als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt braucht gerade bei einer schwierigen Reform bei den Soldaten starken Rückhalt. Und die wichtigste Säule hierbei ist Vertrauen und nicht Befehl und Gehorsam. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Arnold. Rainer Arnold (SPD): Herr Minister, da Sie dieses Vertrauen nicht mehr haben, bleibt nur noch eines: Verzichten Sie auf dieses Amt und treten Sie zurück. Damit könnten Sie der Bundeswehr am Ende einen letzten wichtigen Gefallen tun. Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dr. Jürgen Koppelin. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Arnold, so viel Selbstgerechtigkeit, wie Sie hier präsentiert haben, habe ich in vielen Jahren Bundestag noch nicht erlebt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Ausgerechnet von Ihnen! – Weitere Zurufe von der SPD) – Ich komme gleich darauf zurück. – Denn Sie zeigen mit einem Finger auf den Minister, und viele Finger zeigen auf Sie. Warum sprechen Sie nicht davon, dass Sozialdemokraten in dieses ganze Projekt von Anfang an voll eingebunden waren? Der Minister Scharping hat die Entscheidung getroffen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben dann dem Minister gesagt, die Sozialdemokraten hätten hinsichtlich der Zulassung dieses und jenes gesagt. Wissen Sie, warum sie ihm das sagen konnten? Das konnten sie, weil sie genau wussten, dass die Zulassung unter ihrer Verantwortung überhaupt nicht geregelt war. Das wussten sie. Deswegen konnten sie dem Minister das auch sagen . Ich zeige Ihnen einmal etwas, was Sie wahrscheinlich gar nicht mehr kennen, nämlich die Drucksache 2782 des Haushaltsausschusses aus der 16. Wahlperiode. Schauen Sie sich das hier einmal an. (Thomas Oppermann [SPD]: Ja! Sagen Sie einmal, wann das war!) – Ja, das sage ich Ihnen: Das ist eine Vorlage vom 22. Dezember 2006 aus dem Bundesministerium der Finanzen. Wissen Sie, wer das geschrieben hat? Das war der sozialdemokratische Staatssekretär Gatzer aus dem Ministerium von Herrn Steinbrück. Er hat das dem Haushaltsausschuss zugeleitet. (Rainer Arnold [SPD]: Und wer war Verteidigungsminister?) Das mussten wir beschließen. Haben Sie das denn nicht gelesen? (Thomas Oppermann [SPD]: Der ist ja immer noch im Amt! So schlecht kann der nicht sein!) Das Nächste: Staatssekretär Karl Diller, Sozialdemokrat, im Finanzministerium unter Steinbrück, hat dem Haushaltsausschuss einen weiteren Vertrag zugeleitet. Wir haben ihm zugestimmt. Tun Sie aber doch nicht so, als hätten Sie damit nie etwas zu tun gehabt. Tun Sie doch nicht so! Sie sind diejenigen! (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Herr Kollege Oppermann, ich schätze Sie ja sonst sehr, aber das muss ich doch loswerden: Sie haben hier ein Theater aufgeführt, weil Fragen aus dem Ministerium nicht in der entsprechenden Frist beantwortet wurden. Darüber kann man sich beklagen. Soll ich Ihnen etwas sagen? Mit all den Fragen, die, wie ich erleben musste, von Ihrer Regierung in meiner Oppositionszeit nicht beantwortet wurden, kann ich mir die Wände tapezieren. (Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) Leider hatten wir zu der Zeit einen Bundestagspräsidenten, der den Abgeordneten nicht geholfen hat. Das will ich hier auch einmal sehr deutlich machen. Kommen Sie in mein Büro und schauen Sie sich das an. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich muss jetzt auch einmal etwas in Richtung der Grünen sagen: Sie stellen jetzt den Antrag, dass wir wieder ein Kontrollgremium einführen und dass das Ministerium uns als Parlamentarier laufend informiert. Dafür habe ich sehr viel Sympathie; das ist richtig so. (Lachen des Abg. Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Diesen Vorschlag der Grünen halte ich für vernünftig. Darüber werden wir uns unterhalten. Nur, Herr Trittin – auch den anderen muss ich das einmal sagen –, bis Rot-Grün an die Regierung kam, hatten wir so ein Gremium. Das lag daran, dass einem Verteidigungsminister Apel, den ich immer sehr geschätzt habe, die Kosten für den Tornado aus dem Ruder gelaufen sind. Deshalb hat der Deutsche Bundestag beschlossen: Wir schaffen einen sogenannten Bewilligungsausschuss mit dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses. Kaum war Rot-Grün dran, wurde dieses Kontrollgremium, das einmal im Monat tagte und dem das Ministerium alles vorlegen musste – Zeitpläne, Kostenpläne –, von Rot-Grün abgeschafft. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Hört! Hört! – Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) An der Spitze war jemand von den Grünen. Die einzige Entschuldigung, die ich Ihnen heute anbieten kann, ist, dass dieser Grüne, der Herr Metzger, nicht mehr bei den Grünen, sondern bei der CDU ist. (Lachen des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist eigentlich ein positives Beispiel! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist er ja dann richtig! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Herr Bundesverteidigungsminister, ich finde die Konsequenzen, die Sie, wie Sie im Verteidigungsausschuss und eben im Haushaltsausschuss vorgetragen haben – der Kollege Arnold hat anscheinend überhaupt nicht zugehört –, ziehen wollen, schon beeindruckend. So ist ein Minister noch nie in einem Ausschuss aufgetreten. Er hat ganz ehrlich gesagt, wie schwierig die Situation ist – auch für ihn ganz persönlich. Aber, Herr Kollege Arnold, Sie haben ihm wohl überhaupt nicht zugehört. Eben im Haushaltsausschuss hätten Sie erleben können, dass der Minister ausdrücklich gesagt hat: Ich schiebe nicht einem Staatssekretär, einem Beamten die Verantwortung in die Schuhe; ich trage die Verantwortung. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Welche Konsequenzen hat das? – Thomas Oppermann [SPD]: Da muss etwas kommen! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was folgt daraus?) Das war schon sehr, sehr beeindruckend. Dafür haben Sie, Herr Minister, meinen ganz großen Respekt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wenn Sie sich aufseiten der Opposition alle wieder ein bisschen beruhigt haben, auch der Kollege Oppermann, (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bei Herrn Brüderle: Man versteht gar nichts!) dann sollten wir uns wirklich zusammensetzen und überlegen, was wir aus dieser Situation machen. Ich glaube nämlich, dass jede Krise, auch diese, die unglaubliche Chance bietet, dass wir alle daraus lernen. Auch das Parlament insgesamt, egal ob Regierungskoalition oder Opposition, sollte daraus lernen, stärker seine Kontrollfunktion wahrzunehmen. Zugleich sollten wir vernünftig und anständig miteinander umgehen, auch mit einem Minister, der die Verantwortung trägt. Sie können ihn politisch kritisieren; aber was Sie, Herr Kollege Arnold, hier geboten haben, wie Sie hier mit dem Minister umgegangen sind, das war menschlich unanständig. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Dr. Gregor Gysi für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kommt: Wir waren nicht dabei! Richtig! Nie!) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, dass Union, SPD, FDP und die Grünen eine gravierende und in einem negativen Sinne leider auch sehr gelungene Reform zustande gebracht haben, nämlich die Umstellung der Bundeswehr: Aus einer Armee zur Landesverteidigung wurde eine Armee zur weltweiten Kriegsführung und Intervention. Ich finde, das ist nicht nur eine Fehlentwicklung, sondern eine Katastrophe. (Beifall bei der LINKEN) Spionage- und Kampfdrohnen sind Waffen der modernsten Kriegsführung. Sie dienen erst der Aufklärung und Spionage und dann dem gezielten Töten von Menschen. Eine große Mehrheit von Völkerrechtlerinnen und Völkerrechtlern hält Kampfdrohnen für völkerrechtswidrig. Aber ich muss sagen: Das hat die vier Fraktionen nicht interessiert. Denn SPD, Grüne, Union und FDP haben – anders als die Linken – am 31. Januar 2007 im Haushaltsausschuss die Beschaffung der Euro Hawks (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Moment, Moment! – und die Bereitstellung von Mitteln in Höhe von 431 Millionen Euro beschlossen, obwohl sie schon wussten oder hätten wissen müssen, dass Kampfdrohnen folgen werden und folgen sollen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Agnes Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Unsinn!) Wozu brauchen wir eigentlich diese Spionagedrohnen? Wozu brauchen wir eigentlich die Kampfdrohnen? Wer soll eigentlich getötet werden? Glauben Sie wirklich, die Probleme der Menschheit mit gezieltem Töten lösen zu können? Ich glaube, dass gezieltes Töten zu Hass und Hass zu mehr Terrorismus führt. Die ganze Logik ist falsch. (Beifall bei der LINKEN) Die Anschaffung der Spionagedrohnen wurde von einer Regierung beschlossen, die aus Sozialdemokraten und Grünen bestand. Da liegt, wie Herr Bundesverteidigungsminister sagte, der Geburtsfehler. Nur, Herr Bundesverteidigungsminister, Sie haben den Geburtsfehler fortgesetzt und wollen ihn weiter fortsetzen. Mit Interesse habe ich zur Kenntnis genommen, dass Peer Steinbrück jetzt in einer außenpolitischen Grundsatzrede von der Drohnenkriegsführung Abstand genommen hat, (Michael Brand [CDU/CSU]: Der weiß nicht, was er tut!) und zwar, weil er sie für völkerrechtswidrig hält. Ich muss natürlich sagen: Schon als Sie die Anschaffung beschlossen haben, stand fest, dass es völkerrechtswidrig ist. Aber immerhin hat er sich korrigiert, und das will ich anerkennen. Nun wurde das Projekt Euro Hawk vom Bundesverteidigungsminister gestoppt, und zwar, weil eine Zulassung nicht zu erreichen ist. Spionageflugzeuge soll ja keiner erkennen. Deshalb wird es keine Antikollisionseinrichtungen geben. Nun hatte man sich überlegt, eine Einrichtung zu schaffen, die dafür sorgt, dass die Drohnen selbst den anderen Flugzeugen ausweichen. Wer soll sich denn darauf verlassen? Wer soll denn derart verantwortungslos eine Zulassung erteilen? Meines Erachtens war von Anfang an klar, dass das muntere Fliegen der Drohnen zwischen den Linienflugzeugen niemals eine Genehmigung erhalten wird. Der Bundesrechnungshof hat nun ermittelt, dass spätestens seit Februar 2012, Herr Bundesverteidigungsminister, klar war, dass es keine Zulassung geben wird, sodass das Jahr 2012 hinsichtlich des Geldes der neuralgische Punkt ist. Damals wäre nämlich der europäische Rüstungskonzern EADS noch verpflichtet gewesen, im Rahmen der Gewährleistung zu zahlen. Dieser Rüstungskonzern hatte sich definitiv verpflichtet, die Drohne komplett mit Zulassung zu liefern. Sie behaupten nun, Herr Bundesminister, ein Abbruch damals wäre teurer geworden. Sie erklären das in erster Linie damit, dass Ihnen die gesamten Spionagegeräte, die der Konzern entwickelt und herstellt, so wichtig gewesen seien und dass, wenn man die Entwicklung der Drohne gestoppt hätte, die Entwicklung der Spionagegeräte entweder hätte eingestellt oder vom europäischen Konzern selbst finanziert werden müssen, was dieser natürlich nicht wollte. Das bedeutet aber – überlegen Sie sich das einmal –, dass wir über 100 Millionen Euro der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für ein völlig sinnloses Projekt ausgeben, nur um Spionagegeräte, also das berühmte ISIS-System, zu entwickeln. Mit anderen Worten: Der Konzern verfügt durch die sinnlosen Zahlungen unserer Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in den Euro Hawk über ein Topspionagesystem, das er weltweit verkaufen kann. Es tut mir leid: Das ist Rüstungslobbyismus hoch zehn. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) Abenteuerlich ist, dass Sie jetzt ein neues Trägersystem für die Spionagegeräte suchen und noch mehr Steuergelder verschleudern wollen. Abenteuerlich ist auch, dass Sie an der Planung der NATO-Drohnen festhalten und dafür weiteres Geld ausgeben wollen, obwohl auch diese keine Zulassung erhalten dürften. Herr Bundesverteidigungsminister, weshalb haben Sie es eigentlich unterlassen, die zuständigen Ausschüsse des Bundestages zu unterrichten? Das ist eine Verletzung der Prinzipien unserer parlamentarischen Demokratie. (Beifall bei der LINKEN – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was er nicht weiß, kann er nicht unterrichten!) Herr Minister, Sie erklären, welche anderen Personen in Ihrem Bundesministerium verantwortlich waren. Aber Sie wissen doch auch, dass Sie die politische Verantwortung tragen, und das sagen Sie ja auch. Werden Sie nicht zu einem Bundesminister auf der Flucht, auf der Flucht vor Ihrer eigenen Verantwortung. Die USA starten von deutschem Boden aus – auch wenn Sie erklären, es nicht genau zu wissen; es ändert sich nichts daran – Drohnen zum gezielten Töten nach Somalia und Jemen. Das Ganze ist völkerrechtswidrig. Wenn Deutschland ein souveräner Staat ist, ist die Bundesregierung verpflichtet, diese Nutzung unseres Territoriums durch die USA unverzüglich zu unterbinden. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Gysi. Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Ich bin gleich fertig. – Sie machen uns sonst alle mitschuldig an der Tötung von Menschen. Wir sollten Dänemark und Kanada folgen, die gesagt haben, sie machen bei diesem Milliardengrab nicht mehr mit. Sie steigen aus dem Drohnenprojekt aus. Es geht aber um mehr als nur um Geld. Es geht darum, dass wir das Drohnenprojekt stoppen müssen, weil es ein kriegspolitischer Irrweg ist. Kampfdrohnen gehören verboten und nicht angeschafft! (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort für die Bundesregierung hat der Bundesminister Dr. Thomas de Maizière. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung: Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gysi, auch ich habe eine Weile gebraucht, um die verschiedenen Drohnenarten unterscheiden zu können. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber dass Sie bei der Debatte über den Euro Hawk davon reden, man solle keine Kampf- oder Killerdrohnen anschaffen, (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Das haben Sie gesagt!) ist weit weg von der Wirklichkeit. (Zurufe von Abgeordneten der LINKEN: Nein! – Zurufe von Abgeordneten der SPD) Sie hätten sich besser auf Ihre Rede vorbereiten müssen. Das machen Sie doch sonst auch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Sie wollen doch nachrüsten!) Ich will die Aktuelle Stunde gerne nutzen, um – in einem etwas anderen Tonfall, wie er vielleicht sonst in Aktuellen Stunden üblich ist – zu versuchen, einiges zu klären. Die Rede des Kollegen Arnold hat mich dazu ermuntert. Ich möchte zunächst auf die Frage eingehen: Warum habe ich mir so lange Zeit genommen? Das hat natürlich mit dem Fakt zu tun – auf den komme ich gleich noch näher zu sprechen –, dass ich in die Entscheidungsfindung nicht eingebunden war. (Burkhard Lischka [SPD]: Das ist skandalös! – Weitere Zurufe von Abgeordneten der SPD) – Tun Sie mir den Gefallen und hören Sie einen Moment zu. – Der Vorgang liegt zehn, zwölf Jahre zurück. Ich habe mir – auch wenn das Kommunikationsberater hundertmal anders sagen würden – die Freiheit genommen, mich mit dem Sachverhalt zu beschäftigen, weil ich mir ein eigenes, gründliches Urteil bilden wollte. (Thomas Oppermann [SPD]: Das hätten Sie schon vor einem Jahr machen müssen, Herr de Maizière!) Das brauchte Zeit; jedenfalls brauchte ich die Zeit. Deswegen fand ich das richtig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zur Entscheidung selbst. Als die Entscheidung gefallen war – ich will das im Einzelnen nicht erläutern – haben viele gesagt, das amerikanische Unternehmen vorneweg: Die Entscheidung ist falsch. – Ich war, ehrlich gesagt, ein bisschen erstaunt, wie viele diesen Argumenten blitzschnell geglaubt haben. Ich halte viele Aussagen von Rüstungsunternehmen in diesem Zusammenhang im Prinzip für interessegeleitet. Das ist auch okay, aber man muss ihnen nicht gleich glauben. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Hört! Hört!) Nach dem heutigen Tag steht fest, dass die Entscheidung selbst richtig war. Erstens. Die Musterzulassung für die Serie wäre zu teuer gewesen. Zweitens. Die Missionsplanung ging nur von den USA aus. Bis 2017 hätten wir nicht einmal bei Erprobungsflügen von Deutschland aus bestimmen können, ob dieses unbemannte Flugzeug von A nach B fliegt. Drittens hatten die Amerikaner den dem Euro Hawk zugrunde liegenden älteren Typ des Global Hawk eingestellt, weshalb die Versorgung viel teurer als geplant gewesen wäre. Ich habe heute im Laufe des Tages – das möchte ich gerne festhalten – keine einzige Kritik mehr an der Entscheidung selbst gehört. (Thomas Oppermann [SPD]: Zu spät! Viel zu spät!) Viertens. In Bezug darauf, was wir in den letzten drei Wochen diskutiert haben – ohne mich; aber heute mit mir –, stellt sich die Frage: War das zu spät? Hätte man das nicht im Oktober 2011 oder im Frühjahr 2012 entscheiden können? (Thomas Oppermann [SPD]: Müssen!) – Oder müssen. – Was wäre die Folge gewesen? Ich sage Ihnen – das hat Herr Schockenhoff schon vorgetragen –: Wenn Probleme auftreten, dann versucht man, sie zu lösen, und bricht nicht gleich ab. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man unterrichtet vielleicht den Minister!) Ich sage noch eines: Es gibt nahezu kein großes Rüstungsprojekt ohne Probleme. Wenn wir jedes Mal bei Kenntnis von Problemen aus Projekten ausgestiegen wären, hätte die Bundeswehr heute überhaupt keine Ausrüstung – zumindest keine moderne. (Unruhe bei der SPD) Es kommt also – wenn man eine solche Entscheidung trifft – nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnis von Problemen, sondern auf den Zeitpunkt der Kenntnis von unlösbaren Problemen an. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie können doch nicht erst dann informieren, wenn nichts mehr geht!) Ich komme zum nächsten Argument. Hätte eigentlich eine frühere Entscheidung die Geldausgaben verhindert? Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Auch das haben wir heute in den verschiedenen Ausschüssen erörtert. Als ich mein Amt angetreten habe, war das meiste Geld schon weg. Das heißt, es ging nicht darum, zusätzliche Geldausgaben zu vermeiden, sondern darum, alles dafür zu tun, mit dem Geld, das ausgegeben worden war, noch etwas Vernünftiges hinzukriegen. Das bestand darin, das Aufklärungssystem, welches nicht zu Ende getestet war, in einen Stand zu bringen, dass es gegebenenfalls für ein anderes Trägersystem genutzt werden kann. Ein Abbruch früher hätte diese Investition in der Größenordnung von 360 Millionen Euro sinnlos gemacht. Deswegen war die späte Entscheidung genau richtig. Sie hat Schaden vermindert und nicht vergrößert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Abgeordneter Arnold, ich möchte Sie gerne zu dem Punkt, der mich persönlich betrifft, ansprechen. Ich habe heute in meiner Stellungnahme mit als Erstes gesagt, dass die Staatssekretärsebene diese Entscheidung getroffen hat, ich sie im Nachhinein – am 13. Mai dieses Jahres – zur Kenntnis bekommen und sie dann allerdings gebilligt habe. Eben habe ich begründet, dass ich sie auch nach Überprüfung für richtig halte, was das Ob und den Zeitpunkt angeht. Nicht gemacht habe ich aber – ich verwende jetzt nicht die Vokabeln von Herrn Koppelin –, dass ich es den Staatssekretären in die Schuhe geschoben habe. Vielmehr habe ich versäumt, das Haus im Rüstungsbereich so zu organisieren, dass ich frühzeitig selbst von Problemen erfahren habe. (Thomas Oppermann [SPD]: Was folgt daraus?) Das schiebe ich niemandem in die Schuhe, sondern ich hätte das früher so machen sollen. (Zuruf von der SPD: Und die Konsequenz?) Das bedaure ich, und daraus werden Konsequenzen gezogen, Herr Oppermann. (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Welche denn?) – Die Konsequenz ist die – das war eine der Konsequenzen, über die wir gesprochen haben –, dass ich mir als Bundesverteidigungsminister in Zukunft periodisch, ohne dass es einen Anlass gibt, über alle größere Rüstungsvorhaben vortragen lasse: Welche Probleme gibt es? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Herr Arnold hat gesagt: Wir haben aber doch über Probleme geredet. – Das ist auf den ersten Blick ein starkes Argument. Haben wir nicht über den A400M geredet? Haben wir nicht über den Eurofighter geredet? Ja, wir haben über die Rüstungsprojekte geredet, bei denen es offenkundig Probleme gab. Hier hatten wir aber das Problem – und das müssen wir lösen –: Wie werden der Leitungsebene und dem Minister die Dinge vorgetragen, bei denen es scheinbar kein Problem gibt? (Rainer Arnold [SPD]: Das stimmt nicht! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht! Das ist ein Widerspruch zur Aktenlage!) – Herr Trittin, es ist, glaube ich, unstreitig, dass die Leitung erst am 8. Februar 2012 in Kenntnis gesetzt worden ist. Das war zu spät. Deswegen brauchen wir einen Mechanismus, dass die Leitung – der Minister eingeschlossen –, ohne dass es scheinbar Probleme gibt und ohne dass es einen Anlass gibt, regelmäßig alle großen Rüstungsprojekte auf solche Probleme – verdeckt, verzögert oder verschleppt – hin prüft und dann Entscheidungen trifft. Wir haben auch gesagt – das hat es früher offenbar gegeben –: Das soll gerne mit dem Parlament geschehen, indem wir periodisch entsprechende Vorlagen erstellen. Herr Arnold, für mich besteht Verantwortung darin, dass ich selber einen Beitrag dazu leiste, dass aus Fehlern gelernt wird und die Fehler in der Zukunft abgestellt werden. Das ist mein Verständnis von Verantwortung. Das ist übrigens hier leichter, weil es ja nicht darum geht, eine falsche Entscheidung zu einem falschen Zeitpunkt im Nachhinein irgendwie schönzureden, sondern es war so, dass es eine richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt war, die aber auf dem falschen Weg zustande gekommen ist. Die Verfahren dafür kann man ändern, was nicht ausschließt – das habe ich gesagt –, dass nach Erledigung von allerlei Prüfaufträgen, die ich aus Zeitgründen hier jetzt nicht wiederholt nennen will, gegebenenfalls personelle Konsequenzen zu ziehen sind, die ich mir vorbehalte. Sie sind zu einem Zeitpunkt zu treffen, den ich für richtig halte. Wir müssen eine Reihe von Dingen abwarten: die Fehleranalyse im Detail, die Klärung der Rechtsansprüche und vieles andere mehr. (Zuruf von der SPD: Also alles im Griff!) Lassen Sie mich zum Schluss noch ein bisschen in die Zukunft schauen. An die Adresse der SPD sage ich: Ich kenne den genauen Wortlaut, den Herr Steinbrück verwendet hat, nicht. Sie haben heute bestritten, dass er das so gesagt hat. Ich weiß nur eines: Die Bundeswehr hat längst Drohnen, auch kleine Drohnen, die Aufklärungsdrohne LUNA, und sie nutzt Drohnen, darunter Drohnen für den Einsatz in mittlerer Höhe, die Heron, die wir mit breiter Zustimmung der Sozialdemokraten geleast haben. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: So ist es!) Diese Heron schützt jeden Tag das Leben deutscher Soldaten in Afghanistan. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Auch ein Euro Hawk würde das Leben deutscher Piloten bei einem Einsatz, den sie gegebenenfalls auf Basis eines UNO-Mandats absolvieren – einen solchen Einsatz halten Sie für falsch, Herr Gysi –, schützen. (Thomas Oppermann [SPD]: Aber das Ding fliegt doch gar nicht!) Das ist auch eine Aufgabe, die ich als Teil meiner Verantwortung sehe. Dazu gehören viele Fragen europäischer Art. Aber den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: „Deutschland braucht keine Drohnen“, ist falsch. (Thomas Oppermann [SPD]: Kampfdrohnen! – Weitere Zurufe von der SPD) – Es wäre falsch, wenn er es denn gesagt hätte. Einverstanden. Es geht darum, dass wir eine seriöse, vernünftige Debatte über die ethischen, über die technischen, über die rechtlichen, über die finanziellen und über die europäischen Aspekte aller Drohnenarten führen. Dazu lade ich uns ein. Das verdient eine große Diskussion – vielleicht nicht heute. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort hat der Kollege Omid Nouripour für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, Sie haben Anfang des Jahres ein Buch mit dem Titel Damit der Staat den Menschen dient veröffentlicht. Ich zitiere: Ich hatte mit einem Schulfreund verabredet, dass wir, wenn wir Unsinn machen und erwischt werden und nach unseren Namen gefragt werden, einen anderen, falschen Namen angeben … Da hatten wir uns auf den Namen Thomas Bockenheimer verständigt. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Thomas Oppermann? – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP) Sie werden an anderer Stelle gefragt: Würden Sie sich heute manchmal eine Tarnkappe wünschen? Antwort: Nicht für Streiche. Aber ansonsten: Ja. Ich kann nur feststellen: Thomas Bockenheimer ist wieder da. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Ach so, ich habe „Oppermann“ verstanden!) Wir haben heute in den Ausschüssen beraten. Sie haben viele, viele Fehler eingeräumt – die meisten sollen andere begangen haben. Sie haben heute gesagt, dass jetzt alles anders werden muss. Ich erinnere mich, dass Sie sich, als Sie das Amt und die sogenannte Bundeswehrreform von Ihrem Vorgänger übernommen haben, hier hingestellt haben und verkündet haben, dass alle laufenden und geplanten Projekte überprüft werden würden. Das haben Sie doch gemacht? Oder haben Sie es nicht gemacht? Ich weiß es nicht. Das Ergebnis, das wir hier heute vorliegen haben, zeugt jedenfalls davon, dass die Überprüfungen rein gar nichts gebracht haben. Deshalb ist es wahnsinnig schwierig, Ihnen zu glauben, wenn Sie sagen: Jetzt werde ich alles besser machen und die Fehler wieder ausbügeln. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben völlig recht. Ihr Hauptversagen liegt darin, dass Sie bei der Bundeswehrreform die Beschaffung nicht neu strukturiert haben. Sie hatten damals die Weise-Kommission, die Ihnen vorgeschlagen hat – ich zitiere –: Eine nur graduelle Anpassung der bestehenden Beschaffungsorganisation der Bundeswehr ist aufgrund der Komplexität des Veränderungsbedarfs nicht ausreichend. Die Kommission wies auch darauf hin, dass ein „radikaler Veränderungsansatz erforderlich“ ist. Das alles haben Sie nicht gemacht. Sich zwei Jahre und viele Hunderte Millionen Euro später hier hinzustellen und vorzuschlagen, jetzt eine Taskforce – das Wort haben Sie nicht benutzt – einzurichten und eine Analyse, was eigentlich in der Struktur falsch ist, durchzuführen, zeigt: In den letzten zwei Jahren haben Sie eigentlich nur für einen Trümmerhaufen gesorgt. Jetzt geht es nur noch darum, dass Sie über die Wahl kommen, statt darum, die Probleme zu lösen. Das werden wir uns nicht gefallen lassen, Herr Minister. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Sie haben in Ihrer Dresdener Rede gesagt – ich zitiere –: Wir brauchen wieder eine Organisationskultur, die diejenigen belohnt, die Mut beweisen und Verantwortung übernehmen. Wem in Ihrem Hause machen Sie eigentlich Mut, wenn Sie sich hier hinstellen und sagen, dass es einen Haufen Fehler von anderen gab, wenn Sie sich personelle Konsequenzen vorbehalten und dann noch einen Arbeitskreis machen wollen, weil Ihnen sonst nichts anderes einfällt? Glauben Sie, so fördern Sie Verantwortung in Ihrem Haus? Ich nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Wir werden am Montag in der Sondersitzung des Ausschusses, die jetzt notwendig geworden ist, drei Fragen ins Zentrum stellen, die Sie zu beantworten haben. Der Rechnungshof hat gesagt, 2009, spätestens 2011 hätte das Ganze komplett neu bewertet werden müssen. Warum ist das nicht geschehen? Sie sagen, Sie seien von niemandem informiert worden. Sie sagen, Sie seien erst im März 2012 überhaupt darüber informiert worden, dass es Probleme gibt. Damit bin ich bei der zweiten Frage. Ab März 2012 wussten Sie, dass es ein Problem gibt. Zwei Monate später fand in Chicago der NATO-Gipfel statt. Sie gingen dorthin und sprachen über Global Hawk, über das NATO-Projekt AGS, bei dem sehr ähnliche Probleme drohen. Aber Sie sprachen nicht an, dass es Probleme geben kann. Noch viel gravierender ist: Am 23. Mai 2012 sind Sie in die Ausschüsse gegangen, haben 482 Millionen Euro für Global Hawk bewilligen lassen und mit keinem einzigen Wort gesagt, dass es ein Problem gibt, durch das das Risiko besteht, dass es keine Zulassung geben wird. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuhören, Herr Minister!) Herr Kollege Koppelin, das hätte er in den Ausschüssen machen müssen. Dafür braucht man kein Geheimgremium und keinen Bewilligungsausschuss. Es war gut, dass der Bewilligungsausschuss abgeschafft wurde. Diese Informationen gehören in die normalen Ausschüsse. Das ist schlichtweg nicht geschehen. Das ist das, was wir dem Minister jetzt vorwerfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er könnte auch mal zuhören, statt zu reden! Zuhören!) Geht es von meiner Redezeit ab, wenn ich warte, bis der Minister mir zuhört? (Thomas Oppermann [SPD]: Die Kanzlerin hat Klärungsbedarf! – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hat ihm das Vertrauen ausgesprochen!) Herr Minister, die dritte Frage ist: Wie kommt es eigentlich, dass es in Ihren Ausführungen eklatante Widersprüche zum Vertragswerk gibt? Sie sagen, die Musterzulassung sei von der Industrie vertraglich gar nicht geschuldet, und Sie sagen, die Bemühungsklausel, wonach die Industrie für ihre Unfähigkeit nicht haftbar gemacht werden könne, wäre darin enthalten. Das ist nicht richtig. Das steht im Widerspruch zu dem, was der Rechnungshof festgestellt hat, und auch im Widerspruch zu dem, was in den Verträgen steht. Mein Eindruck ist: Hier geht es nicht darum, dass die Menschen, die Steuern zahlen, geschützt werden. Vielmehr arbeiten Sie so, dass der Staat der Industrie dient. Wir werden alles dafür tun, dass wir von Ihnen Antworten auf diese Fragen bekommen. Wenn dies nicht geschieht, müssen wir einen Untersuchungsausschuss beantragen. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) Dann werden wir sehen, ob wir uns selbst die Antworten organisieren können, die wir von Ihnen nicht bekommen konnten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich komme zum Schluss. (Dr. Rainer Stinner [FDP]: Ganz schnell!) Frau Bundeskanzlerin, Sie müssen der Öffentlichkeit eines Tages Ihre Personalentscheidungen erklären. Ich meine jetzt damit nicht ehemalige Bundespräsidenten; über diese sollte man aber auch einmal reden. Warum wir nach Felix Krull einen Thomas Bockenheimer bekommen, das müssen Sie der Öffentlichkeit einmal erklären. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels. (Beifall bei der SPD) Dr. Hans-Peter Bartels (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, viele Fragen sind heute noch offen: (Michael Brand [CDU/CSU]: Welche? – Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Welche denn?) Verheimlichung von Informationen, Kosten, Verantwortung, Konsequenzen. Aber eines ist heute doch schon ganz klar geworden: Dieser Minister ist entzaubert. (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU) Von großer Regierungskunst kann bei Minister de Maizière nun wirklich keine Rede sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Michael Brand [CDU/CSU]: Dann brauchen Sie es ja gar nicht erst zu versuchen!) Dieses angeblich so Preußische, dieses Vornehm-Hugenottische, dieses besonders Korrekte und Akkurate, (Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Nur kein Neid!) das steckt in seinen großen Reservekanzler-Interviews. Damit kokettiert er in seinem Buch. Aber dieses Preußisch-Korrekte gibt es in Wirklichkeit gar nicht. (Michael Brand [CDU/CSU]: Übermut tut selten gut!) Dieser Minister kennt sein Ministerium nicht, und er will es nicht kennen. Dieser Minister kennt seine Rüstungsprojekte nicht, und er will sie nicht kennen. Dieser Minister ist weder stark im Überblick über die Aktenlage, noch überblickt er den Gesamtzusammenhang. Aber im Reden über sein Büroklammerimage, über seine Akkuratesse, über Pflicht und Verantwortung, da ist er stark. Herr Minister, wie können Sie, Monate nachdem die Euro-Hawk-Probleme Ihre Hausspitze erreichten, bei der NATO für genau so ein neues Projekt werben – NATO-AGS – und eine halbe Milliarde Euro deutscher Haushaltsmittel dafür zusagen? Warum sagen Sie der NATO nichts von den Problemen? (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Das wissen Sie doch!) Weil man Sie angeblich selbst nicht informiert hat? Das ist nicht akkurat, Herr Minister. Das ist fahrlässiges Vorenthalten von Informationen. Warum legen Sie Ihren Kabinettskollegen einen Schönwetterbericht vor, in dem unter den 30 strukturbestimmenden Hauptwaffensystemen der Bundeswehr auch Euro Hawk und Global Hawk stehen? Am Tag dieser Kabinettssitzung entscheidet Ihr Staatssekretär: Wir stoppen das. – Warum haben Sie das nicht selbst gestoppt, Herr Minister? War es nicht wichtig genug? Und warum nicht vorher? Was heißt überhaupt „gestoppt“? Bisher ist überhaupt kein Vertrag gekündigt. Das Haushaltsgeld fließt weiter an die Firmen, oder? Das ist nicht akkurat. Das ist Vortäuschung falscher Tatsachen. Herr Minister, Ihr preußisches Image steht heute nicht für Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit. Es steht für einen obrigkeitlichen Stil, den Sie pflegen, und der ist nicht gut für die Bundeswehr. (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Keine einzige Aussage zur Sache! Typisch!) Bei der Vorstellung Ihrer Bundeswehrreform sagten Sie wörtlich: Wer sich einbringen und mitgestalten kann, wird schnell seinen Platz finden … Wer dies nicht kann, hat keinen Platz. Was sollte das heißen: „hat keinen Platz“? Heißt das, Kritik ist nicht erwünscht? Grundstellung einnehmen und „Jawohl, Herr Minister“? Sie müssen sich nicht wundern, wenn in Ihrem Ministerium nicht mehr offen geredet wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michael Brand [CDU/CSU]: Wer sagt denn das? – Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Ach ja? Woher wollen Sie das denn wissen? Das ist absurd!) Das ist zum Schaden der Bundeswehr und zu Ihrem persönlichen Schaden; denn Sie sind verantwortlich für den Geist, in dem das Ministerium arbeitet. Das ist ganz offensichtlich kein guter Geist. (Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Und Sie sind der Geist aus der Flasche!) Ihre obrigkeitlich bestimmte Bundeswehrreform und all die Übergangsschmerzen, die sie macht, sind Beispiele für schlechtes Regieren. Die Drohnenaffäre ist ein weiteres Beispiel für den unguten Geist, in dem Sie regieren. (Michael Brand [CDU/CSU]: Wie schäbig reden Sie eigentlich von Soldaten?) Sie haben gesagt, Sie behielten sich personelle Konsequenzen vor. Was ist das für ein Satz: „Sie behalten sich vor“? Wissen Sie nicht, was Sie tun sollen? Wissen Sie immer noch nicht, wer was zu verantworten hat? Dann, Herr Minister, sage ich Ihnen, wer dafür verantwortlich ist, wem er im Verteidigungsministerium Verantwortung überträgt, wer etwas zu entscheiden hat und wie Ihr Ministerium arbeitet. Die Verantwortung tragen Sie, und Sie werden ihr nicht gerecht. (Beifall bei der SPD – Gerhard Drexler [FDP]: Wir sind doch hier nicht bei Wünsch dir was!) Ziehen Sie die Konsequenzen, Herr Minister, und ziehen Sie sie für sich selbst! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD – Dr. h. c. Jürgen Koppelin [FDP]: Der Geist aus der Flasche! – Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Peinlich!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Rainer Erdel das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Rainer Erdel (FDP): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Drohnen beschäftigt die Medien und die Öffentlichkeit seit Monaten. Da wir jetzt über Euro Hawk reden, ist es um eine Facette reicher. Euro Hawk ist aber nicht an der gesellschaftlichen Diskussion über den werteorientierten Einsatz solcher Waffen gescheitert, sondern Euro Hawk ist an anderen Dingen gescheitert. Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Minister, dass Sie heute Morgen im Ausschuss die Zusammenhänge und die Abläufe sehr deutlich, sehr nüchtern und sachlich dargestellt haben. Meine sehr geehrten Damen und Herren, uns als Abgeordneten des Deutschen Bundestages obliegt die Aufgabe, unseren Soldaten das beste, das technisch anspruchsvollste Material für ihre Einsätze zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Deswegen war es für mich und meine Fraktion immer wichtig, vor jeder Beschaffung eine sicherheitspolitische Begründung zu geben. Diesem Anspruch, Herr Arnold, sind auch Sie damals im Jahr 2002 nachgekommen, indem Sie eine Fähigkeitsanalyse durchgeführt haben. Es erstaunt mich, wenn Sie – Sie sind seit dem Jahr 2002 der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion – sich heute hier an dieses Rednerpult stellen und so tun, als wüssten Sie über die Probleme, die mit Euro Hawk bzw. mit der Beschaffung verbunden sind, gerade erst seit einigen Wochen und als wäre dieses Problem erst virulent geworden, seitdem Thomas de Maizière als Minister Verantwortung trägt. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU – Rainer Arnold [SPD]: Hätten wir nicht gefragt, würden wir heute nicht einmal diskutieren!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen eines: Rüstungsprozesse sind komplex. Die entsprechenden Beschaffungen sind technisch anspruchsvoll, und sie beruhen auf Kooperationen von Firmen. Ich gebe Ihnen sehr recht, Herr Kollege Arnold, wenn Sie in dieser Woche in einer militärtechnischen Zeitschrift feststellen, dass sich Deutschland zukünftig Rüstung nur noch in internationalen Kooperationen leisten kann. Rüstungsprojekte sind sehr anspruchsvoll. Deswegen haben sich diese Projekte in den letzten Jahrzehnten nicht auf eine Legislaturperiode beschränkt, sondern waren immer legislaturperiodenübergreifend. Es gab immer einen Konsens in diesem Haus, das versucht wird, Rüstungsprojekte über das Ende von Legislaturperioden hinweg fortzusetzen. Ich erwarte von der Opposition, dass sie auch in diesem Fall diesen Konsens mit uns sucht. Wir haben ein System entwickelt, das, wie sich zeigt, viel Geld kostet. Wir müssen jetzt feststellen: Es ist schwierig, für die Plattform Euro Hawk eine flugrechtliche Zulassung zu bekommen. – Mit der Riesensumme, die investiert wurde, wurde aber auch eine Fähigkeit entwickelt, die in ganz besonderer Weise dem Schutz unserer Soldaten dient. Ich glaube, wir sollten uns Gedanken darüber machen, wie wir das Aufklärungssystem, das entwickelt wurde, in den Einsatz bringen können, wie wir aus dem Geld, das ausgegeben wurde, Nutzen ziehen können. Da sind Äußerungen, dass Deutschland keine Drohnen brauche, wenig hilfreich. Ganz im Gegenteil: Sie zeigen sogar, dass sich maßgebliche und wichtige Politiker in diesem Haus mit dem Thema ganz offensichtlich nicht beschäftigt haben; denn es sind schon Drohnen im Einsatz. Wenn Sie unsere Soldatinnen und Soldaten in den Einsatzgebieten fragen, dann werden sie Ihnen sehr deutlich sagen, wie wichtig die kleine Drohne Mikado ist, wie wichtig ALADIN ist, wie wichtig LUNA ist und wie wichtig vor allen Dingen Heron in Afghanistan ist. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Was zeigt uns diese ganze Entwicklung, meine sehr geehrten Damen und Herren? Sie zeigt, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr und die damit verbundene Strukturreform der richtige Ansatz sind. Aber heute ist auch klar geworden: Es gibt Abläufe im Ministerium, die intransparent sind und es schwer machen, bestimmte Beschaffungsvorgänge den Soldaten, aber auch den Menschen im Lande zu erklären. Deswegen halte ich es für richtig, dass wir – auch und vor allem in der Regierungskoalition – diese Strukturreform angestoßen haben, um bestimmte Prozesse transparenter zu machen und um nachvollziehbarer zu machen – auch für die Bevölkerung in diesem Land –, wie die Steuergelder eingesetzt werden. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gesehen!) Ich glaube, wir sollten uns zusammensetzen und gemeinsam nach einem Weg suchen, wie wir das System Euro Hawk mit seiner hervorragenden Fähigkeit, nämlich dem Integrierten Signal-Intelligence-System, künftig einsetzen können. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bernhard Brinkmann hat jetzt das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe durchaus Verständnis dafür, dass bei diesem sehr sensiblen Thema von den Regierungsfraktionen versucht wird, Nebelkerzen zu werfen. Nur, diese Nebelkerzen kommen letztendlich nicht auf des Pudels Kern zurück, (Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Das wäre Tierquälerei!) der sowohl heute Morgen im Verteidigungsausschuss als auch heute Nachmittag im Haushaltsausschuss die entscheidende Rolle gespielt hat. Wenn spätestens seit November 2011 – das geht klar und deutlich aus dem vorliegenden Bericht des Bundesrechnungshofes hervor – bekannt war, dass bei diesem Entwicklungsvertrag nicht abschätzbare technische, zeitliche und finanzielle Risiken vorhanden sind, dann können Sie alles Mögliche versuchen. Lieber Jürgen Koppelin, auch der Verweis auf rot-grüne Zeiten zieht nicht. Ich meine, seit 2005 hießen die Bundesverteidigungsminister Jung, zu Guttenberg und heute de Maizière. In dieser Zeit hat es Entwicklungen dergestalt gegeben, dass man in der Führung des Hauses, aus welchen Gründen auch immer, den Herrn Minister nicht informiert hat. Der ganz entscheidende Punkt ist: Warum hat es über zwei Jahre gedauert, bevor man dann im März oder auch erst am 13. Mai Informationen weitergeleitet hat und zumindest die Reißleine gezogen hat? Genau in dieser Zeit, nämlich vom November 2011 bis zum Mai 2013 – das sind 19 Monate –, haben die Prüfer des Bundesrechnungshofes vergeblich versucht, Unterlagen zu bekommen, um all das zu prüfen, was dann erst mit Ministerverfügung Mitte Mai an die Prüfer des Bundesrechnungshofes gegangen ist. Auch das macht deutlich, dass es hier, aus welchen Gründen auch immer, Informationsdefizite gegeben hat. Nun gibt es einen weiteren Punkt – auch der regt zumindest zum Nachdenken an –: Die Haushälter und auch viele andere Kolleginnen und Kollegen wissen, dass wir im Haushaltsausschuss Vorlagen ab einer Summe von 25 Millionen Euro beschließen. Im Zusammenhang mit Euro Hawk ist es von November 2009 bis einschließlich April 2013 zu acht Änderungsverträgen gekommen, deren Volumen eigenartigerweise immer unter 25 Millionen Euro lag, sodass das Parlament nicht beteiligt werden musste. Auch diese Frage ist zu klären. Auch diese Frage wird durch den Bundesrechnungshof einer genauen Prüfung unterzogen; das haben wir jedenfalls vorhin im Haushaltsausschuss so verabredet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass bei Rüstungsvorhaben die Kosten aus dem Ruder laufen, ist nichts Neues. Darum geht es auch überhaupt nicht, sondern es geht um Folgendes: Wenn jedes Beschaffungsvorhaben auf den Prüfstand soll, wie es der Minister ausgeführt hat, warum wird er 19 Monate lang nicht darüber informiert, dass es für diese Drohne im Rahmen des Entwicklungsvertrages keine Zulassung geben wird? Das ist der ganz entscheidende Punkt. Dafür trägt der Minister ganz alleine die volle Verantwortung. Er hat vorhin im Haushaltsausschuss ausgeführt, dass er dafür niemand anderem die Schuld in die Schuhe schiebt. Wenn er dafür die volle Verantwortung trägt, dann kann man das, Herr Minister, nicht damit entschuldigen, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Die hat er für alle anderen auch. In der Hildesheimer Börde sagt man gelegentlich: Wenn ich Frühstück und Mittag durcharbeite, sind es 26 Stunden. – Damit jedenfalls kann man nicht entschuldigen, dass die Leitungsebene Ihres Hauses bei der Pflicht zur rechtzeitigen Information offensichtlich mehr als versagt hat. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Florian Hahn hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Florian Hahn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zu Beginn bei Herrn Minister de Maizière bedanken. Sie haben uns vor zwei Wochen versprochen, heute einen umfassenden Bericht zu dem Entwicklungsprojekt Euro Hawk vorzulegen, und das haben Sie heute im Ausschuss getan und dabei eine persönliche Bewertung des gesamten Entwicklungsprozesses abgegeben, die vollständig und schlüssig ist – übrigens eine Entwicklung, die völlig zu Recht unter Rot-Grün auf den Weg gebracht wurde, um die inzwischen entstandene Fähigkeitslücke einer luftgestützten Nachrichtengewinnung zu schließen. Bis auf die Linke waren sich damals alle Fraktionen dieses Hauses über die Notwendigkeit dieser Fähigkeit einig. Es liegt in der Natur einer komplexen neuen Hightechentwicklung, dass es zu Problemen kommen kann, die nicht vorhersehbar bzw. nicht einfach oder sogar gar nicht zu lösen sind. Das kennen wir auch aus vielen zivilen Bereichen. Genau solche Probleme sind beim Euro Hawk aufgetaucht und haben dazu geführt, dass von einer Serienbeschaffung der Plattform nun abgesehen wird – eine richtige Entscheidung, Herr Minister, wie unter anderem der Bundesrechnungshof bestätigt hat. Sie haben heute deutlich gemacht, dass die bisherigen Investitionen dafür nicht umsonst waren, (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Umsonst war es wirklich nicht!) sondern Entwicklungsergebnisse zu einem sehr großen Teil genutzt werden können. Damit meine ich vor allem das Aufklärungssystem ISIS, das ein enormes Potenzial hat und seinen Dienst auch auf anderen Plattformen tun wird. Es ist deswegen notwendig, die Tests für dieses System fertigzustellen. Ein Stopp dieser Qualifizierung wäre rausgeschmissenes Geld, aber dazu kommt es ja Gott sei Dank nicht. Es freut mich außerdem, dass Sie einen Mangel beim Thema Kommunikation und Berichtswesen angemerkt haben. Probleme müssen in Zukunft früher an den Minister und auch an das Parlament gemeldet werden. Da kann ich Ihnen nur ausdrücklich zustimmen. Das neue Beschaffungswesen, zentraler Punkt der Bundeswehrreform, wird außerdem dafür Sorge tragen, dass viele Probleme der Beschaffung, wie sie eben auch beim Euro Hawk entstanden sind, in Zukunft nicht mehr vorkommen. Außerdem haben Sie eine ganze Reihe weiterer wichtiger Maßnahmen angekündigt. Dazu gehören die Notwendigkeit eines gemeinsamen europäischen Zulassungswesens, die Verbesserung des Berichtswesens im Haus und eine regelmäßige Information des Parlaments. Meine Damen und Herren, unbemanntes Fliegen ist Zukunftstechnologie. Der Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge hat viele Vorteile für unsere Soldatinnen und Soldaten. Wie wichtig Drohnen im Einsatz sind, zeigen die Erfahrungen, die wir in Afghanistan täglich machen. Dort werden verschiedene Modelle von LUNA bis Heron eingesetzt. Sie dienen der Aufklärung bei den Einsätzen, können drohende Gefahren frühzeitig erkennen und schützen somit die Truppe im Einsatz. Ich finde es deswegen unverantwortlich, wenn einige von Ihnen versuchen, durch eine Dämonisierung des Begriffs „Drohne“ politisches Kapital zu schlagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich sage Ihnen eines: Das werden Ihnen die Wähler im Herbst nicht abnehmen. Ich finde es wirklich bezeichnend, dass der Kanzlerkandidat der SPD aktuell im Stern fordert, dass sich mit Blick auf den Euro Hawk die Regierung fragen sollte – ich zitiere –: Gegen wen oder was sollen sich die Drohnen richten, wozu brauchen wir sie, wo würden wir sie denn auf wessen Befehl einsetzen? Ja hat sich denn die Regierung diese Frage etwa nicht gestellt, als 2007 der Vertrag zum Euro Hawk geschlossen wurde? Wer war eigentlich damals Finanzminister und hat das Geld dafür bereitgestellt? Richtig: Es war derselbe, der jetzt Kanzlerkandidat ist und feststellt, dass er sich damals keine Gedanken gemacht hat. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Ernst-Reinhard Beck hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich muss mich schon ein bisschen wundern, wenn sonst vernünftige und sachkundige Kollegen wie der Kollege Bartels, aber auch der Kollege Brinkmann hier eine Schärfe in die Diskussion bringen, die ich gar nicht nachvollziehen kann. Ich meine, mit persönlichen Attacken und persönlichen Angriffen wird man dieser wichtigen Frage im Grunde nicht gerecht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Brinkmann, Sie sagen, bei jedem Rüstungsprozess gebe es Überziehungen, zweifach, dreifach, vierfach, wie übrigens bei Großprojekten auch. Und Sie sagen, darum gehe es nicht. Nein, genau darum geht es. (Zuruf von der SPD: Geht es nicht!) Und genau deshalb hat der Minister die Notbremse gezogen und deshalb auch verantwortungsvoll gehandelt. Im Grunde sollten Sie ihn dafür loben und nicht tadeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. h. c. Susanne Kastner [SPD]: Nein, das war der Staatssekretär! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wenn er es denn selbst gemacht hätte!) Der Kollege Nouripour droht mit einem Untersuchungsausschuss. Ich wundere mich nur darüber, welche Fragen Sie dann noch stellen wollen, nachdem wir heute Morgen mit einer Unmenge von Informationen eingedeckt worden sind. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da hätten Sie mal meiner Rede zuhören sollen! Ich habe sie alle genannt!) – Mit Ausnahme der Fragen, die Sie heute gestellt haben, die aber längst beantwortet worden sind. Vielleicht reden wir am Montag darüber. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) – Herr Kollege Nouripour, ich will Sie ja nicht weiter ärgern. Aber ich möchte Ihnen sagen: Wir haben überhaupt keine Angst vor einem Untersuchungsausschuss; denn wir haben nichts zu verbergen. Im Prinzip würden Sie damit ja auch nur zeigen, dass Sie im Grunde kein Munitionspulver mehr haben. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir machen einen Untersuchungsausschuss nicht Ihretwegen, sondern seinetwegen! Das ist etwas ganz anderes!) – Richtig. Lassen Sie mich aber vielleicht noch ein paar Dinge klarstellen; denn ich habe die Mixtur der letzten Wochen für unerträglich gehalten. Man hat Begriffe wie Killerdrohnen und Aufklärungsdrohnen bis hin zum G 35, G 36 und G 3 in einem großen Topf gemischt und so getan, als ginge es hier um die Anschaffung von Killerdrohnen. Herr Kollege Gysi, auch Sie haben eben diesen Eindruck erweckt. Die Bundeswehr hat Drohnen zur Aufklärung. Sie braucht diese Drohnen auch, um die Sicherheit der Soldaten zu gewährleisten. (Dr. Gregor Gysi [DIE LINKE]: Wer hat schon Kampfdrohnen gefordert? Herr Minister de Maizière!) – Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bin nicht auf Ihrer Seite. Ich bin auch der Auffassung, dass wir bewaffnete Drohnen brauchen, ganz im Gegensatz zu unserem verehrten Exfinanzminister Peer Steinbrück, der den Vertrag unterschrieben hat, durch den der Euro Hawk überhaupt erst möglich geworden ist. Nun muss ich doch die Kollegen fragen: Kann es denn sein, dass sich der Kanzlerkandidat der SPD hier hinstellt und sagt: „Deutschland braucht keine Drohnen“? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Der weiß vieles nicht so exakt!) Ich darf ihn einfach mal zitieren: Hinter … dem Euro-Hawk verschwinden die eigentlich wirklichen Fragen: „Gegen wen oder was sollen sich die Drohnen richten, wozu brauchen wir sie, wo würden wir sie denn auf wessen Befehl einsetzen?“ Die Kollegen Verteidigungspolitiker der SPD würden ihm das wahrscheinlich gerne mal erklären. Wenn es nicht reicht, würde ich auch noch mithelfen. Wir setzen sie täglich ein zum Schutz unserer Soldaten; auch darauf ist hingewiesen worden. Sie leisten einen wichtigen Dienst. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Deutschland ist ein Hochtechnologieland, und als solches täten wir gut daran, uns nicht abzukoppeln von Entwicklungen, die anderswo bereits längst im Gange sind. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber auch nicht Geld aus dem Fenster schmeißen!) – Das ist auch richtig, und das wir tun auch nicht, sondern wir setzen es sinnvoll ein, lieber Kollege Nouripour. Aber – und damit komme ich zum Schluss – jedes Ding hat etwas Gutes, aus dem man lernt. Das Projekt Euro Hawk ist ein Kind von Rot-Grün. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Vertrag stammt von 2007!) Die Ideen, die damals leitend und richtig waren, sind auch heute nicht überholt. Es wäre für uns ein guter Rat, wenn wir zusammen versuchen würden, die Lücke, die wir bei der Fähigkeit der Drohnen, bei der Aufklärung und damit bei der Nachrichtenversorgung und der Sicherheitsvorsorge für unser Land haben, gemeinsam zu schließen. Der Minister hat, wie ich meine, zielführende Vorschläge gemacht, wie ein solches Aus-dem-Ruder-Laufen in Zukunft nicht mehr möglich sein könnte. Wir haben ein weiteres großes, transatlantisches Projekt: MEADS. Bereits hier könnten die neuen Verfahrensregeln ihre Feuertaufe erleben und mit Ihrer Hilfe dazu beitragen, dass wir in diesem Technologiebereich führend bleiben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Henning Otte hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Henning Otte (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière hat Wort gehalten. Er hat dem Verteidigungsausschuss und dem Haushaltsausschuss heute umfassend Bericht erstattet. Die Vorwürfe der Opposition sind entkräftet worden. Fragen sind nicht offen geblieben. Er hat vor allem schonungslos die Fehler im System und im Vorgang selbst angesprochen. Das ist der richtige Weg: geradlinig, transparent und in die Zukunft gerichtet. Deswegen ist heute ein guter Tag. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Er hat ganz bewusst gesagt: Sorgfalt geht hier vor Eile. – Vielleicht ist das ein Fremdwort für Rot-Grün. Diesen Eindruck hat man zumindest, wenn man sich die Regierungszeit von Rot-Grün anschaut. Ich habe mich über viele Redebeiträge gewundert, insbesondere über die Konsequenzen, die – quasi wie aus der Hecke geschossen – von Herrn Dr. Bartels und Herrn Arnold gezogen wurden. Das waren Reden von braven Parteisoldaten, die gerade einmal die Flughöhe eines Stubenhockers erreicht haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt der Richtige!) Die Abläufe in den politischen Prozessen werden verbessert, genauso wie die Interaktion zwischen Parlament und Ministerium. Der Bundesrechnungshof hat dem Minister recht gegeben und bestätigt, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, und zwar zum richtigen Zeitpunkt. Eine frühere Entscheidung hätte einen Totalverlust der Investition bedeuten können. Die Entscheidung des Ministers kam nicht zu spät. Sie hat, wenn man sie betriebswirtschaftlich betrachtet, auch etwas Gutes; denn so können wir das System weiter nutzen. Nur weil die betriebswirtschaftliche Bewertung gut ist, ist sie noch lange nicht falsch. Das war richtig, das war gut. Wenn Baustellen auftreten, müssen sie zu einem guten Ende gebracht werden. Wohin würden wir denn kommen, wenn bei jedem Problem sofort nach einem Baustopp gerufen würde? Dann hätten wir so viele Baustellen wie zur Regierungszeit von Rot-Grün. Die richtigen Schlussfolgerungen sind gezogen worden. Es gibt eindeutige Indizien dafür, dass die Neuausrichtung der Bundeswehr auch für den Beschaffungsprozess richtig und notwendig ist. Es ist zudem zu begrüßen, dass das CPM-Verfahren im Lichte der Euro-Hawk-Beschaffung erneut unter die Lupe genommen wird. Vor allem soll es eine klare Regelung und Koordinierung bei den Zulassungsverfahren geben. Herr Brinkmann, ich darf darauf hinweisen, dass Sie 2004, also während Ihrer Regierungszeit, die Zulassungsansprüche reduziert haben. Sie haben aus Mussregelungen Kann- und Sollregelungen gemacht. Das war nicht das erste Mal, dass Sie starke Kriterien aufgeweicht haben. (Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Nächste Nebelkerze nicht angekommen!) Der Minister lässt sich als politische Spitze nun alte und neue Rüstungsvorhaben genau vorlegen, und zwar einschließlich der Darstellung der Probleme und der richtigen Lösungsansätze. (Rainer Arnold [SPD]: Das hat er vor zwei Jahren schon versprochen!) Vor allem werden der Verteidigungsausschuss und der Haushaltsausschuss periodisch unterrichtet. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie waren es, die 1998 den Bewilligungsausschuss – vielleicht lagen dem zentralistische Überlegungen zugrunde – geschlossen haben. Nun ist der richtige Weg vom Minister eingeschlagen worden: Das Parlament wird zur richtigen Zeit unterrichtet. Nachhaltige und richtige Rückschlüsse sind gezogen worden. Aufgrund der Fehlentwicklung beim Euro Hawk hat der Minister die Beendigung entschieden. Dies eröffnet eine Chance zur Verbesserung der Prozesse, eine Chance zur Verbesserung der Kommunikationslinie und eine Chance, die Parlamente und vor allem die Ausschüsse noch intensiver einzubeziehen. Vor allem eröffnet dies die Chance, die Fähigkeit zum Schutz unserer Soldaten zu erhalten; wir erachten sie für notwendig. Dies dient einer noch besseren Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zum Schutze unseres Landes. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Klaus-Peter Willsch hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine lieben Kollegen! Wir erleben eine Aktuelle Stunde zu einem Thema, das die Zeitungen und die Rundfunk- und Fernsehsender in den letzten Tagen gefüllt hat. Es handelt sich hier um ein übliches parlamentarisches Ritual; so könnte man es bezeichnen. (Rainer Arnold [SPD]: Sie haben sie doch beantragt! – Weiterer Zuruf von der SPD: Hatten Sie nicht die Aktuelle Stunde beantragt?) Die Opposition will wegen eines vermeintlichen Fehlers einen Minister abschießen. Die Regierungsfraktionen bringen Entsatz und stellen sich vor den Minister. So weit, so normal; so weit, so gut. Im Haushaltsausschuss haben wir bezüglich der Landesverteidigung die Situation, dass wir uns – mit Ausnahme der Linken – miteinander bemühen, ein breites Einvernehmen herzustellen, weil wir wissen, dass unsere Soldaten bei der Frage, wie wir mit der Bundeswehr umgehen, auf uns schauen. Was ich der Opposition vorwerfe, ist, dass mit einer hohen Geschwindigkeit und einer völligen Beliebigkeit unterschiedliche Beträge, die mit dem Vorgang überhaupt nichts zu tun haben, in die Welt gesetzt wurden, nur um zu verunsichern und die Leute durcheinanderzubringen. Unsere Soldaten haben es aber nicht verdient, dass so mit ihnen umgegangen wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich trage die Solidaritätsschleife für die Kameraden und grüße sie bei dieser Gelegenheit herzlich in den Einsätzen und Heimatstandorten. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber jetzt ein bisschen billig!) Sie sollen sicher sein, dass wir sehr sorgsam mit dem Geld, das wir für Verteidigungszwecke ausgeben, umgehen (Inge Höger [DIE LINKE]: Das Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler!) und dass wir die Aufgabe sehr ernst nehmen, ihnen den bestmöglichen Schutz im Einsatz zukommen zu lassen. Wie war die Lage? Ich will das einmal nüchtern darstellen. Es gab das Vorgängersystem, die Breguet Atlantic, ein Flugzeug, das nicht mehr tauglich war und deshalb nicht mehr eingesetzt werden konnte. Wir brauchten daher eine neue Fähigkeit zur Aufklärung in der Tiefe des Raumes. Seinerzeit ist über die Fraktionsgrenzen hinweg beschlossen worden, das neue System zu entwickeln und einen Träger zu bauen, der zeitgemäß ist. Dass Ihr Kanzlerkandidat davon nicht viel versteht, hat er in Interviews nachhaltig zum Ausdruck gebracht. Wenn man sich aber von einer begründeten und rationalen Haltung, die man bis dahin eingenommen hat, verabschieden und ein politisches Spiel mit Rücktrittsforderungen und allem Drum und Dran treiben will, dann sollte man die Bataillone vorher sortieren und ordentlich aufstellen. Schauen Sie sich an, wie viele noch in Ihren Reihen sitzen. Der Kanzlerkandidat wusste, warum er nicht kommt. Ihr Fraktionsvorsitzender hat 20 Minuten lang peinlich berührt in der letzten Reihe gesessen, und dann ist er, nicht unter Absingen schmutziger Lieder, aber doch peinlich berührt, von dannen gezogen, weil er gemerkt hat, dass das Pulver nass ist und ein Fehlangriff erfolgt ist. Man muss schon ein bisschen an die Aufstellung der eigenen Truppen denken, wenn man zur Revolution bläst. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir als Bundesverteidigungsministerium haben einen Entwicklungsauftrag vergeben. Entwicklungsauftrag heißt, dass man ein System zusammen mit der Industrie entwickelt, weil es auf dem Markt nicht zu kaufen ist. Wenn man schon ein solches System kaufen könnte, dann brauchte man keinen Entwicklungsauftrag zu vergeben und hätte nicht das Risiko, dass bei der Entwicklung etwas schiefgehen kann. Es liegt im Wesen von Forschung und Entwicklung, dass sie glücken kann oder nicht. (Rainer Arnold [SPD]: Und deshalb macht man beide Augen zu?) Hier haben wir erlebt, dass das Projekt nicht geglückt ist. Dann kommt es darauf an, dass man richtig damit umgeht, und genau das hat der Minister heute sowohl im Haushaltsausschuss als auch, wie ich höre, im Verteidigungsausschuss nachdrücklich gezeigt. (Zuruf von der SPD: Morgen geht es weiter!) Es ist zu überprüfen, wann der richtige Zeitpunkt zum Ausstieg ist. Ich glaube, das ist richtig gemacht worden, insbesondere angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der zur Verfügung stehenden Mittel bereits ausgezahlt oder gebunden war und man für das ausgezahlte Geld eine möglichst große Gegenleistung haben wollte. Wir haben das Aufklärungssystem, und wir müssen uns jetzt über den Träger neue Gedanken machen. Auch die Frage, was wir mit dem alten Träger machen, haben wir gestellt, und auch diese wird uns noch beantwortet werden. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann machen Sie Schadensersatz geltend?) Wir haben zum Zweiten das Thema Regress auf dem Tisch. Ist all das gemacht worden, was geschuldet war, oder gibt es eine Differenz? Auch das wird geprüft werden. Wir als Parlament haben vor allen Dingen die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Kameraden, wenn wir sie in einen Einsatz schicken, mit bestmöglicher Aufklärung dorthin gehen, damit sie geschont werden, damit sie ihren Auftrag erfüllen können und damit wir keine unnötigen Opfer erleiden. Das ist in diesem Zusammenhang unsere Hauptaufgabe. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich komme zum Schluss. Als letzter Redner in dieser Debatte will ich eine Bilanz ziehen. Ich muss sagen: Die Opposition bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Der Minister räumt ab und zeigt, dass er rückhaltlos aufgeklärt hat und offene Fragen noch beantworten wird. Der Aufstand ist abgesagt. Die ermüdeten Kämpfer ziehen ergebnislos von der Barrikade. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit beende ich die Aktuelle Stunde. Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 6. Juni 2013, 9 Uhr, ein. Genießen Sie den Abend und die gewonnenen Einsichten. Die Sitzung ist geschlossen. (Schluss: 18.26 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 05.06.2013 Börnsen (Bönstrup), Wolfgang CDU/CSU 05.06.2013 Brackmann, Norbert CDU/CSU 05.06.2013 Gabriel, Sigmar SPD 05.06.2013 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 05.06.2013 Glos, Michael CDU/CSU 05.06.2013 Gohlke, Nicole DIE LINKE 05.06.2013 Dr. Hein, Rosemarie DIE LINKE 05.06.2013 Hintze, Peter CDU/CSU 05.06.2013 Hörster, Joachim CDU/CSU 05.06.2013* Hofmann (Volkach), Frank SPD 05.06.2013 Koch, Harald DIE LINKE 05.06.2013 Korte, Jan DIE LINKE 05.06.2013 Kunert, Katrin DIE LINKE 05.06.2013 Kurth, Markus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 05.06.2013 Leidig, Sabine DIE LINKE 05.06.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 05.06.2013 Molitor, Gabriele FDP 05.06.2013 Nietan, Dietmar SPD 05.06.2013 Pitterle, Richard DIE LINKE 05.06.2013 Dr. Scheuer, Andreas CDU/CSU 05.06.2013 Schwabe, Frank SPD 05.06.2013 Dr. Schwanholz, Martin SPD 05.06.2013 Dr. Sitte, Petra DIE LINKE 05.06.2013 Dr. Tauber, Peter CDU/CSU 05.06.2013 Vaatz, Arnold CDU/CSU 05.06.2013 Vogel, Volkmar CDU/CSU 05.06.2013 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede der Abgeordneten Marlene Mortler (CDU/CSU) zur Beratung der Beschlussempfehlung zu dem Bericht: Reisen für alle – Für einen sozialen Tourismus (240. Sitzung, Tagesordnungspunkt 50) Ihr Antrag weist zu Recht darauf hin, dass die Teilhabe aller Bevölkerungskreise am Tourismus erklärtes Ziel der Bundesregierung ist. In den Tourismuspolitischen Leitlinien der Bundesregierung vom Dezember 2008 heißt es: „Auch Menschen mit gesundheitlichen, sozialen oder finanziellen Einschränkungen sollen reisen können.“ Das bleibt auch unser erklärtes Ziel. Es stimmt auch, dass die Bundesrepublik sich grundsätzlich für -einen nachhaltigen sozialen Tourismus im Sinne der UNWTO-Menschenrechtskonvention einsetzt, die das Recht auf direkten und persönlichen Zugang zur Entdeckung und zum Genuss der Ressourcen des Planeten für alle Bewohner der Welt gewährleisten soll. Hier ist aber eher die Reisefreiheit gemeint. Ich gebe Ihnen recht, dass vielen Menschen das Geld fürs Reisen fehlt. Das beste Mittel dagegen ist eine vernünftige Wirtschaftspolitik mit ausreichenden Arbeits- und Ausbildungsplätzen, damit genügend Geld im Lohnbeutel ist. Wir sind auf gutem Weg: Erst vor kurzem ging über den Ticker: „Tarifgehälter 2012 deutlich um 2,7 Prozent gestiegen.“ Immer mehr Unterlohngrenzen werden vereinbart durch die Tarifparteien im Rahmen der Tariffreiheit und nicht durch Direktiven der Bundesregierung. So soll es sein! Eine starke Tarifpartnerschaft statt gesetzlicher Mindestlöhne bleibt unser Grundsatz. 23. April 2013: Im Friseurhandwerk ist der erste Schritt auf dem Weg zu einem branchenweiten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde gemacht. Verdi einigte sich am 22. April 2013 mit der Tarifgemeinschaft des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks und den Landesinnungsverbänden auf wesentliche -Eckpunkte. Danach sollen den Friseurinnen und Friseuren in Westdeutschland ab 1. August 2013 mindestens 7,50 Euro pro Stunde gezahlt werden, im Osten 6,50 Euro. Nach einer weiteren Erhöhung zum 1. August 2014 steigt die Summe zum 1. August 2015 bundesweit auf einheitliche 8,50 Euro pro Stunde. Dieser Mindestlohn von 8,50 Euro zum 1. August 2015 gilt auch für Friseurinnen und Friseure ohne Abschlussprüfung. Darüber hinaus wird es dieses Jahr in mehreren Sparten höhere Löhne geben; die Tarifparteien sind gerade dabei, diese auszuhandeln. Gestern konnten Sie der Presse entnehmen, dass die IG Metall sich mit den Arbeitgebern auf eine gestufte Lohnerhöhung geeinigt hat. So weit, so gut. Der Dissens zwischen uns von damals ist der von heute. Sie tischen munter wünschenswerte Wohltaten auf. Der Bund soll zahlen und koordinieren. Wir müssen uns aber nicht nur fragen, was wünschenswert ist, sondern auch: Was ist machbar? Wer hat die Kompetenzen? Und vor allem: Was leistet unsere Bundesregierung auf diesem Gebiet bereits? Einiges! Und das, obwohl sie nach dem Grundgesetz nur den Rahmen festlegen darf. Denn, wie Sie wissen bzw. wissen sollten, der Tourismus fällt in die Zuständigkeit der Bundesländer. Deshalb richten sich Ihre Forderungen an die falsche Adresse. Immer dann, wenn Ihnen nichts mehr einfällt, richten Sie sich an den Bund. Zunächst zu Ihrer Forderung, die Bundesregierung solle Mitglied in der Internationalen Organisation für Sozialtourismus, IOST, werden und dort aktiv mitarbeiten. Die Forderung von Ihnen ist nicht neu; wir haben Sie bereits am 24. Februar 2011 an dieser Stelle debattiert. Damals wie heute lehne ich sie ab. Warum? Erstens. Ein möglicher Nutzen einer Mitgliedschaft Deutschlands in der bisher relativ unbekannten Internationalen Organisation für Sozialtourismus ist nur schwer erkennbar. So sind zum Beispiel Praxisbeispiele anderer Staaten oder Perspektiven des Sozialtourismus auf europäischer Ebene schon Gegenstand des Projektes „Calypso“ der Europäischen Kommission, auf das auch ausdrücklich auf der Internetseite der IOST hingewiesen wird. In dieser Studie konnte nicht belegt werden, wie die dargestellten Praktiken oder daraus abgeleitete mögliche europäische Programme sich wirtschaftlich auswirken. Die geplante Ausgestaltung von „Calypso“ lässt die Entstehung eines Subventionswettlaufs zwischen den Mitgliedstaaten befürchten mit der Gefahr, dass sich finanziell selbst tragende Angebotsstrukturen zugunsten subventionsabhängiger Strukturen verdrängt würden. Eine solche mögliche Entwicklung lehnen wir ab. Selbst die SPD lehnt diese Forderung ab, weil kaum staatliche Stellen Mitglied der IOST seien; im Übrigen sei Deutschland dort mit dem Bundesforum Kinder- und Jugendreisen bereits gut vertreten. Zweitens. Die Bundesregierung hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich auch haushaltspolitisch nicht rechtfertigen ließe, mit staatlichen Mitteln den Urlaub bestimmter Bevölkerungsgruppen in anderen Mitgliedstaaten zu finanzieren. Drittens. In der Mitgliederliste der IOST finden sich keine Regierungen, lediglich Ministerien einzelner Länder. Aus Deutschland ist das Bundesforum Kinder- und Jugendreisen dabei, das mit Mitteln des Kinder- und Jugendplanes des Bundes gefördert wird. Sie fordern Reisezuschüsse für Hartz-IV-Empfänger. Es ist bekannt, dass Hartz IV-Empfänger nach der Erreichbarkeitsanordnung keinen Anspruch auf Urlaub haben. Diese dürfen nur verreisen, wenn die Arbeitsagentur zustimmt, denn Arbeitslose müssen für kurzfristige Jobangebote zur Verfügung stehen. Zuschüsse zum Urlaub stehen Hartz-IV-Empfängern nicht zu. Kinder von Hartz-IV-Empfängern brauchen allerdings auf Klassenfahrten nicht zu verzichten. Grundsätzlich ist die Unterstützung von Klassenfahrten Sache der Schulträger; aber nach einer Reihe von Vorschriften wie SGB II, SGB III, BKGG, AsylbLG und auch für Familien mit geringem Einkommen gibt es Zuschüsse für mehrtägige Klassenfahrten zum Beispiel im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets, das inzwischen von den Familien gern in Anspruch genommen wird. Die Bundesregierung fördert zudem in erheblichem Umfang den Bau und die Einrichtung von Familienferienstätten, Jugendbildungs- und Begegnungsstätten, Jugendherbergen, die internationale Jugendarbeit im Rahmen des Kinder- und Jugendplans des Bundes sowie zum Beispiel den gezielten bilateralen Jugendaustausch über das Deutsch-Französische Jugendwerk und das Deutsch-Polnische Jugendwerk. Es ist sogar vorgesehen, das Budget für das DFJW für dieses Jahr um 1 Million Euro zu erhöhen. Darüber hinaus fördert der Bund Projekte der Nationalen Koordinierungsstelle Tourismus für alle, NatKo, und der Arbeitsgemeinschaft Behinderung und Medien, abm. Hier möchte ich gern auf das „Zukunftsprojekt Kinder- und Jugendtourismus in Deutschland“ hinweisen. Dieses wurde auf Initiative der christlich-liberalen Bundestagsfraktionen auf Betreiben des Bundeswirtschaftsministeriums auf den Weg gebracht. Auch die Länder engagieren sich: Sie unterstützen gering verdienende Familien bei der Finanzierung gemeinsamer Ferien zum Beispiel in gemeinnützigen Familienferienstätten durch Individualzuschüsse. Ich verweise an dieser Stelle auf neue vorbildliche Programme der Länder Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt „Familienbegegnung mit Bildung“, die Ferien für Familien und Sozialhilfeempfänger anbieten, die nur sehr wenig oder nichts kosten und in die auch Hartz-IV-Empfänger einbezogen werden. Auf lokaler Ebene gibt es weitere Programme zur Kinder- und Jugenderholung zum Beispiel in Ferienlagern, die über Jugendämter aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Unterstützung gibt es auch von freien Trägern und den Kirchen. Reisen lässt sich nicht von oben nach unten diktieren. Welche Möglichkeiten gibt es, preisgünstiges Reisen weiter zu fördern? Wir müssen uns nicht nur um mehr Zuschüsse kümmern, sondern sollten dafür sorgen, dass das Angebot für günstige Quartiere und Reisen erweitert wird. Auch das ist aber Landessache bzw. eine kommunale Angelegenheit: An dieser Stelle appelliere ich an die Kommunen, den Investoren preisgünstig Grundstücke oder Liegenschaften zur Verfügung zu stellen oder eigene Grundstücke fürs Campen, wie zum Beispiel in Frankreich. Kommunen müssen Angebote vorhalten. Ich weiß, dass es zurzeit mehrere private Investoren gibt, die Platz zum Bauen von Hotels suchen. Dazu gehört aber ebenso die Bereitschaft des einheimischen Gast- und Hotelgewerbes, neue Hotels zuzulassen. Ich kenne aus der Praxis in Bayern durchaus Beispiele, wo neue Investoren bei den Einheimischen auf Granit gebissen haben. Was Ihre Forderung nach der Erhebung von statistischen Reisedaten zum Sozialtourismus betrifft, bin ich der Ansicht: Man sollte Daten erheben, die nicht nur den Sozialtourismus, sondern die gesamte demografische Entwicklung mit Blick auf das Reiseverhalten insgesamt im Fokus haben. Die von Ihnen genannten Personengruppen sollten um die der Migranten erweitert werden. Aus den oben genannten Gründen ist Ihr Antrag insgesamt abzulehnen. Anlage 3 Erklärungen nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Streichung des Optionszwangs aus dem Staatsangehörigkeitsrecht (Tagesordnungspunkt 1 b) Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Angesichts der Tatsache, dass ich an einem von mir nicht beeinflussbaren Gerichtstermin teilnehmen muss, erkläre ich mich zur Abstimmung wie folgt: Als „Ausländerbeauftragte“ der Bundesregierung in den Jahren 1998 bis 2005 habe ich mich mit voller Überzeugung für die Anpassung des Staatsbürgerschaftsrechts an die Realitäten einer modernen Einwanderungsgesellschaft eingesetzt. Dazu gehörten die Einführung des Jus Soli für in Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern und die Möglichkeit der Einbürgerung unter Hinnahme der Doppelstaatigkeit. Das Argument, Doppelstaatigkeit führe zu einem Loyalitätsverlust gegenüber einem der beiden Länder, von denen man den Pass hält, halte ich für nicht statthaft. Dieses Argument wurde und wird niemals ins Feld geführt gegenüber dem zunehmenden Anteil von Menschen, die qua Ableitung zweier Staatsbürgerschaften durch die Binationalität ihrer Eltern als Doppelpassinhaber durchs Leben gehen. Niemand kann ihnen eine -dieser beiden „geerbten“ Staatsbürgerschaften aberkennen – und niemand kam bisher auf den Gedanken, ihnen eine mangelnde Loyalität zum deutschen Staat zu unterstellen. Es ist deswegen schlichtweg diskriminierend, eben solche Vorbehalte gegenüber jenen zu hegen, die die deutsche Staatsbürgerschaft nicht durch ihre deutsche Mutter oder Vater, sondern durch das Geburtsrecht – Jus Soli – oder durch Einbürgerung erhalten. Diese Behandlung ist in starkem Maße diskriminierend und trägt nach wie vor den Keim des Misstrauens gegenüber Optionskindern und Einbürgerungswilligen in sich. So wird der Zugang zu Bürgerrechten versperrt. Ich bin deswegen eine überzeugte Gegnerin der Optionspflicht, die als Vorschlag der FDP in die Neufassung des Staatsbürgerschaftsrechts vom Jahre 2000 eingeführt worden ist. Es ist lange überfällig, die Realität einer Einwanderungsgesellschaft endlich auch im Staatsbürgerschaftsrecht abzubilden. Marco Buschmann (FDP): Meine Fraktion stimmt heute gegen den Antrag zur Beseitigung des Optionszwangs im Staatsangehörigkeitsrecht. Viele meiner -Kolleginnen und Kollegen sind mit guten Gründen auf das bestehende Staatsangehörigkeitsrecht stolz. Denn es war die FDP, die mit dem Kompromisskonzept der Op-tionslösung überhaupt erst einen Systemwechsel vom Blut- zum Bodenrecht und damit eine grundlegende -Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts möglich gemacht hat. Das war ein gewaltiger Fortschritt. Lange hat mich diese Position auch überzeugt. In den letzten Monaten habe ich aber viele Menschen getroffen, die die Frage sehr intensiv bewegt, und ihre Argumente haben mich sehr berührt. Ich habe viele deutsche Staatsbürger etwa mit türkischen Wurzeln getroffen, die hervorragend integriert und ausgebildet sind und mir berichtet haben, dass diese Lösung nicht selten zu einem Problem führt: In Deutschland wächst derzeit eine Generation von Einwanderern heran und steht zum Teil auch schon mit beiden Beinen im Beruf, die fest in Deutschland verwurzelt sind. Aber sie entwickelt eine eigene Identität, in der die kulturellen Wurzeln anderer Länder mit einfließen. Genauso wie viele Deutsche sich auch als Bayern oder Friesen sehen, Brauchtum und -Tradition pflegen, gibt es viele deutsche Staatsbürger, die sich natürlich als Deutsche sehen, aber kulturelle Bräuche ihrer Wuzeln pflegen, ohne sich damit von der deutschen Gesellschaft abgrenzen zu wollen. Diese eigene Identität festigt vielmehr Selbstbewusstsein und Persönlichkeit und hilft bei der erfolgreichen Integration. Dass die Frage der Identität auch eng mit der Frage der Staatsangehörigkeit zu tun hat, zeigt die Verfassung des Freistaates Bayern, die bis heute eine eigene Staatsbürgerschaft kennt, die – ganz sicher auch aus Gründen der Identität – auf absehbare Zeit nicht entfallen wird. Viele Betroffene fragen sich also, warum sie sich diesem Identitätskonflikt stellen müssen. Die Frage konnte man lange Zeit mit rationalen Argumenten beantworten. Heute allerdings sind sie weggefallen: Schon jetzt ist die „Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit“ bei der Einbürgerung der statistische Regelfall. Praktische Probleme, die daraus folgen, sind mir nicht bekannt. Fragen eines „doppelten“ Militärdienstes, der Doppelbesteuerung oder des Erb- und -Familienrechts sind durch internationale Abkommen quasi durchweg gelöst. Ich habe mich daher in meiner Partei im Rahmen der Beratungen für ein Wahlprogramm mit vielen anderen Mitstreitern dafür eingesetzt, dass wir uns offensiv zur doppelten Staatsangehörigkeit bekennen. Unser Wahlprogramm sieht dies als Ziel für die kommende Legis-laturperiode nun auch vor. Ich hätte es mir auch gewünscht, dass wir mit unserem Koalitionspartner dazu eine eigene Initiative auf den Weg bringen; aber Koalitionen leben von Kompromissen und sind kein Wunschkonzert. Ich akzeptiere auch, dass man in einer Koalition nur gemeinsam erfolgreich sein kann und daher viele Kolleginnen und Kollegen in dieser Sache einen Antrag ablehnen, den sie der Sache nach eigentlich unterstützen würden. Mir ist auch bewusst, dass die Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen diesen Antrag nicht stellt, weil sie glaubt, wirklich etwas für die Menschen verbessern zu können. Vielmehr betreibt sie ein taktisches Spiel in der Hoffnung, einen Keil in die Koalition treiben zu können. Auch deswegen respektiere und achte ich die Abwägung der großen Mehrheit meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen sehr, habe mich gleichwohl aber in dieser Frage anders entschieden. Daher stimme ich dem Antrag zu. Torsten Staffeldt (FDP): Ich lehne den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Streichung des § 29 des Staatsangehörigkeitsrechtes – Optionspflicht – sowie die Folgeänderungen ab. Im bestehenden Staatsangehörigkeitsrecht gibt es für Personen, die, aus welchen Gründen auch immer, zwei Staatsangehörigkeiten benötigen oder besitzen wollen, Ausnahmeregelungen, die die Beibehaltung des Status quo der Bürgerinnen und Bürger zulassen. Dazu gehört die Unmöglichkeit der Abgabe der anderen als der deutschen Staatsangehörigkeit oder die daraus gegebenenfalls resultierenden persönlichen Nachteile. Daneben gibt es aber bereits jetzt die Beibehaltungsgenehmigung. Sie lässt einzelfallgeprüft zu, neben der deutschen Staatsangehörigkeit eine weitere zu besitzen. Ich halte es für zumutbar, zu erwarten, die Gründe der Beibehaltung einer weiteren Staatsangehörigkeit zu belegen. Durch mehrere Staatsangehörigkeiten können Vorteile resultieren, die im Verhältnis zu den Menschen mit einzelner, ausschließlich deutscher Staatsangehörigkeit ungewöhnlich sind. Hierzu zählt, als Beispiel, die Wahl des Landes, in dem Wehrdienst zu leisten ist. Auf mögliche Loyalitätskonflikte, die in dem Zusammenhang erwartet werden können, will ich nicht eingehen. Sie können aber bei doppelter Staatsangehörigkeit auftreten. Die Optionspflicht, wie sie jetzt im Staatsangehörigkeitsrecht in § 29 und den damit zusammenhängenden Paragrafen und Folgeregelungen festgelegt ist, ist ein Kompromiss und sicher nicht die beste Lösung zur Klärung des Verhältnisses von Bürger und Staat betreffend die Staatsangehörigkeit. Sie erwartet von den Menschen, die aufgrund ihres Ursprungs, ob familiär oder qua Geburtsort in dieser besonderen Situation sind, eine Entscheidung. Damit beugt sie einer Beliebigkeit hinsichtlich der Zugehörigkeit und der Verpflichtung gegenüber einem Staat vor. Die Ausübung der Optionspflicht ist daher sicher eine bewusstere Entscheidung als die Einzelstaatlichkeit ohne diese Option. Sie sollte daher nicht als Ausschließungskriterium betrachtet werden, sondern als positive Willensbekundung, solange es keine besseren Lösungen für dieses spezielle Problem gibt. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Angesichts der demografischen Entwicklung und des Fachkräftemangels ist das Thema Einwanderung eine der zentralen Zukunftsaufgaben der deutschen Politik. Die Bundes-republik sollte sich auf ihre erfolgreiche Tradition als Einwanderungsland besinnen – weil wir qualifizierte Fachkräfte benötigen und neue Mitbürger unsere Gesellschaft bereichern und ihre kreative Vielfalt steigern. Hier sind wir in den vergangenen vier Jahren bereits wesentliche Schritte vorangekommen, etwa durch die Einführung der Bluecard. Diesen Weg gilt es entschieden fortzusetzen. Je mehr Talente aus der ganzen Welt zu uns kommen wollen, desto besser wird es um unsere Zukunft bestellt sein. Eine wirkliche Willkommenskultur gegenüber Einwanderern aus der ganzen Welt wird dabei nur dann entstehen, wenn wir die offene, vielfältige Gesellschaft nicht fürchten, sondern begrüßen. Integration funktioniert hierbei dann, wenn die Einwanderer dazu bereit sind, vor allem aber auch die Gesellschaft auf sie zugeht. Deshalb müssen wir offen sein und echte Integrationsangebote machen. Einwanderern die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft einzuräumen, ist dabei einer von vielen richtigen und wichtigen Bausteinen. Es gilt, ihnen die Chance zu eröffnen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen, ohne notwendigerweise ihre alte Staatsbürgerschaft, also einen wichtigen Teil ihrer Herkunftsidentität, aufgeben zu müssen. Viele Beispiele in unserer Gesellschaft und auch in meinem persönlichen Umfeld zeigen mir, dass dieser Konflikt heute so real wie unnötig ist. Zudem gilt es, Ungerechtigkeiten durch Ungleichbehandlungen zu beseitigen – denn die doppelte Staatsbürgerschaft ist bei Einbürgerungen von Menschen mit ausländischen Wurzeln heute schon der statistische Regelfall. Es ist jedoch Willkür, wenn Zufälligkeiten wie etwa das Herkunftsland oder die Frage, ob ein oder beide Elternteile aus dem Ausland kommen, ausschlaggebend sind. Deshalb hat die FDP auch in ihrem kürzlich auf dem Bundesparteitag verabschiedeten Wahlprogramm beschlossen, sich für die Möglichkeit zur beschleunigten Einbürgerung nach vier Jahren und eben die grundsätzliche Zulassung der doppelten Staatsbürgerschaft einzusetzen. Dafür werden wir im Bundestagswahlkampf streiten, und diese Positionierung wird als neue Grundlage für einen etwaigen Koalitionsvertrag in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages maßgeblich sein. Ich werbe bei den Bürgerinnen und Bürgern dafür, die FDP auch hierfür bei den kommenden Bundestagswahlen möglichst starkzumachen. Ich kann gleichwohl das Abstimmungsverhalten -meiner Fraktion nachvollziehen. Es richtet sich nach den inhaltlichen und prozeduralen Vereinbarungen, die innerhalb der Koalition getroffen worden sind. Danach gilt zu Recht auch: Die Koalition stimmt grundsätzlich -gemeinsam ab, und zwar auf Grundlage des für diese -Legislaturperiode vereinbarten Koalitionsvertrags. Dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen diesen Gesetzentwurf so kurz vor Ende dieser Legislaturperiode einbringt, zeigt meines Erachtens auch die eigentliche Motivation für den Gesetzentwurf. Es geht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier nicht um die Sache, -sondern um die Befriedigung ihres Drangs nach polit-taktischen Spielchen. Das ist schäbig. Ohne das Verhalten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gutzuheißen, treffe ich die persönliche Entscheidung über mein Abstimmungsverhalten in dieser Frage jedoch anders als die Mehrheit meiner liberalen Fraktionskollegen. Ich habe mich nicht nur aufgrund der dargelegten politischen Überlegungen, sondern auch vor meinem persönlichen und familiären Hintergrund dazu entschlossen. Deshalb habe ich mich entschieden, dem Antrag -zuzustimmen. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 3): Welche Fortschritte bei den Vorbereitungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, für seine kommende Stellungnahme zum Genehmigungsentwurf des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Gesundheit, StMUG, vom 20. Juni 2012 zur beantragten Leistungserhöhung des Atomkraftwerks Gundremmingen hat es seit dem diesbezüglichen BMU-Beratungsauftrag an die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit vom 18. Juli 2012 bis dato gegeben (bitte nicht nur die Fortschritte bei dem Beratungsauftrag angeben, sondern bei allen BMU-Vorbereitungen wie zum Beispiel auch Besprechungen/Austausch mit dem StMUG; bitte möglichst mit Datum), und welche weiteren Schritte wie zum Beispiel Einbezug weiterer Sachverständiger oder Befassung der Reaktor-Sicherheitskommission sind seitens des BMU noch für/vor oben genannter BMU-Stellungnahme geplant (bitte möglichst mit Zeitplan)? Als Antwort auf den Beratungsauftrag an die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, vom 18. Juli 2012 hat die GRS am 11. Dezember 2012 einen Entwurf einer Stellungnahme übermittelt. Dieser Entwurf wurde am 24. und 25. Januar 2013 in einem Gespräch zwischen dem Bundesumweltministerium, dem Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, der GRS und dem TÜV Süd durch die GRS vorgestellt und diskutiert. Als Ergebnis dieses Gesprächs wurden weitere Prüfaufgaben für alle Beteiligten vereinbart. Die GRS überarbeitet derzeit ihre Stellungnahme entsprechend. Nach Vorliegen einer abschließenden GRS-Stellungnahme wird das Bundesumweltministerium eine Stellungnahme zum Genehmigungsentwurf abgeben. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 4): Welche Treffen, insbesondere zur Frage einer Zwischenlagerung der 26 aus Frankreich und England zurückzuführenden Behälter mit verglasten radioaktiven Wiederaufarbeitungsabfällen an anderen Zwischenlagerstandorten als Gorleben, hat es seit April 2013 zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit und den vier großen Atomkraftwerke betreibenden Energieversorgungsunternehmen sowie eventuell deren gemeinsamer Tochterfirma GNS bis dato gegeben (bitte mit Datum, Arbeitsgruppe und Ebene angeben), und welche derartigen Treffen sind noch geplant, insbesondere auf Spitzenebene (bitte ebenfalls mit Datum, Arbeitsgruppe und Ebene angeben)? Am 24. April 2013 wurde zwischen Herrn Bundesminister Altmaier und den Vorstandsvorsitzenden der Kernenergie nutzenden Energieversorgungsunternehmen vereinbart, die genehmigungsrechtlichen und -technischen, logistischen und Kostenfragen im Zusammenhang mit der Rückführung der in Rede stehenden fünf Behälter mit verglasten mittelradioaktiven Abfällen aus Frankreich sowie bis zu 21 Behälter mit verglasten hochradioaktiven Abfällen aus dem Vereinigten Königreich vertieft zu erörtern. In mehreren Gesprächen wurden auf verschiedenen Ebenen die offenen Fragen erörtert. Weitere Gespräche, insbesondere zwischen Herrn Bundesminister Altmaier und den Vorstandsvorsitzenden, sind geplant. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 7): Ist es nach dem jetzigen Stand der Regelungsvorschläge der Bundesregierung zur Fracking-Technologie ausgeschlossen, dass wassergefährdende, human- oder ökotoxische Stoffe bei Fracking-Maßnahmen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verwendet werden? Die Bundesregierung hat sich auf einen Vorschlag zum Fracking verständigt, der im Wesentlichen Folgendes vorsieht: – Verbot von Tiefbohrungen mittels Einsatz der Fracking-Technologie und der untertägigen Ablagerung von Stoffen, die dabei anfallen, in Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten und in Einzugsgebieten von natürlichen Seen, die unmittelbar der Gewinnung von Trinkwasser dienen, – Verbot von „Querbohrungen“ von außerhalb von Wasserschutzgebieten in die Gebiete hinein, – Einvernehmen zwischen den Berg- und den Wasserbehörden bei allen Maßnahmen in Zusammenhang mit Tiefbohrungen mittels Einsatz der Fracking-Technologie, – eine Umweltverträglichkeitsprüfung und damit die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung bei allen Maßnahmen in Zusammenhang mit Tiefbohrungen mittels Einsatz der Fracking-Technologie. Hierdurch wird die bestehende Gesetzeslage weiter verschärft. Bereits nach der geltenden Rechtslage und auch in Zukunft müssen Fracking-Maßnahmen nach dem Bundesberggesetz zugelassen werden und bedürfen, wenn damit eine Gewässerbenutzung verbunden ist, einer wasserrechtlichen Erlaubnis. In diesen Zulassungsverfahren wird von den zuständigen Behörden auch geprüft, ob wassergefährdende, human- oder ökotoxische Stoffe verwendet werden. Die Behörden haben die Zulassung solcher Fracking-Maßnahmen abzulehnen, wenn solche Stoffe verwendet werden und dadurch schädliche Umwelteinwirkungen oder Gefahren für die menschliche Gesundheit zu erwarten sind. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Frank Schwabe (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 8): Über welches konkrete schriftliche Konzept verfügt die Bundesregierung für den geplanten Klub der Energiewendestaaten? Am 1. Juni 2013 wurde im Kontext des Weltumwelttages von zehn Staaten und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, IRENA, der Klub der Energiewendestaaten gegründet. Als Ausdruck ihrer gemeinsamen Ziele haben die Staaten und der Generaldirektor von IRENA ein gemeinsames Kommuniqué verabschiedet. In diesem Dokument haben sie gemeinsam Ziele des Klubs definiert. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 9): Warum ist es nach dem geplanten Gesetzentwurf zum Thema Fracking zulässig, in der Umgebung von Wasserbezugsquellen der Lebensmittelindustrie Erdgas unter Einsatz des Fracking-Verfahrens zu fördern, bei dem giftige Chemikalien in den Boden gepresst werden, und welche Schlussfolgerungen bzw. Konsequenzen zieht die Bundesregierung in -diesem Zusammenhang aus der folgenden Aussage des Deutschen Brauer-Bundes e. V.: „Die bislang von der Bundesregierung vorgesehenen Gesetzesänderungen reichen nicht aus, um die erforderliche Sicherheit für die Trinkwasserversorgung sicherzustellen und den Anforderungen an das -Reinheitsgebot für Bier Rechnung zu tragen“ (siehe Artikel „Bierbrauer fürchten Fracking“ im Handelsblatt vom 23. Mai 2013 vor dem Hintergrund, dass circa die Hälfte der deutschen Brauereien ihr Wasser nicht aus Trinkwasserschutzgebieten bezieht und damit grundsätzlich von einer Verunreinigung ihres Brauwassers durch Fracking betroffen sein könnte)? Wie bereits zu Frage 7 von MdB Schwabe ausgeführt, haben die zuständigen Behörden bereits nach geltender Rechtslage die Zulassung solcher Fracking-Maßnahmen abzulehnen, bei denen wassergefährdende, human- oder ökotoxische Stoffe verwendet werden sollen und dadurch schädliche Umwelteinwirkungen oder Gefahren für die menschliche Gesundheit zu erwarten sind. Der geplante Gesetzentwurf soll die Gesetzeslage – wie ebenfalls zu Frage 7 ausgeführt – weiter verschärfen. Die Bundesregierung teilt daher nicht die Auffassung des Deutschen Brauer-Bundes e. V., dass die geplanten Gesetzesänderungen nicht ausreichen, um die Sicherheit der Trinkwasserversorgung sicherzustellen, und die Bundesregierung sieht auch nicht das deutsche Reinheitsgebot für Bier in Gefahr. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 10): Welche konkreten Beschlüsse (bitte unter Angabe der daraus folgenden Umsetzungsaufträge für die Bundesregierung) wurden auf dem Treffen des vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, initiierten Energiewendeklubs gefasst, und welche weiteren Treffen (unter Angabe der zu beratenden Themen) wird es in diesem Jahr noch geben? Der Renewables Club – Klub der Energiewendestaaten – wurde am 1. Juni 2013 im Kontext des Weltumwelttages von zehn Staaten und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, IRENA, gegründet. Bei dem Klub handelt es sich um eine politische Initiative, die über keine formalen Strukturen und kein Sekretariat verfügen wird. Als Ziel der Initiative haben die zehn Mitgliedstaaten Deutschland, Dänemark, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Marokko, Südafrika, Tonga, China, Indien und die Vereinigten Arabischen Emirate gemeinsam mit Generaldirektor Adnan Amin der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, IRENA, beschlossen, auf höchster politischer Ebene den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben. Konkret werden sich die Mitglieder des Klubs aus ihrer Vorreiterrolle für die Förderung der erneuerbaren Energien einsetzen, indem sie – so haben sie es in ihrem Kommuniqué beschlossen – die Umsetzung stabiler politischer Strategien und die Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen für eine verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien unterstützen, auch auf höchster Ebene, und so Investitionen gestalten und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen; eine deutliche politische Botschaft der Unterstützung senden, die die wirtschaftlichen Argumente für erneuerbare Energien hervorhebt; ein größeres Bewusstsein dafür schaffen, dass erneuerbare Energien bei den Bemühungen zur Stabilisierung des Klimasystems ein wichtiges Mittel sind, das hilft, den Treibhausgasausstoß zu reduzieren; erneuerbare Energien als eines der bedeutenden Elemente der Energiesicherheit, des wirtschaftlichen Wohlstands und der nachhaltigen Entwicklung fördern; der Arbeit von IRENA zusätzliche politische Unterstützung zukommen lassen sowie auch den Bemühungen anderer Einrichtungen im Bereich der erneuerbaren Energien. Nachdem während des ersten Treffens des Klubs der Energiewendestaaten bereits ein intensiver Austausch mit dem Privatsektor, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft an einem Runden Tisch stattgefunden hat, soll im Januar 2014 während des World Future Energy Summit und der IRENA-Vollversammlung das nächste offizielle Treffen des Klubs stattfinden. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 11): Worin sieht die Bundesregierung den Mehrwert des Klubs der Energiewendestaaten im Vergleich zu bereits bestehenden Institutionen und Initiativen, und wie soll der Ausbau der erneuerbaren Energien innerhalb des Klubs der Energiewendestaaten konkret vorangetrieben werden? Der Renewables Club – Klub der Energiewendestaaten – wurde am 1. Juni 2013 im Kontext des Weltumwelttages von zehn Staaten und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien, IRENA, gegründet. Bei dem Club handelt es sich um eine politische Initiative, die über keine formalen Strukturen und kein Sekretariat verfügen wird. Der Klub der Energiewendestaaten wird auf höchster politischer Ebene den weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben. Er unterstützt damit die wertvolle Arbeit, die bereits von Organisationen wie IRENA und anderen Netzwerken geleistet wird, politisch hochrangig und trägt dazu bei, dass der Mehrwert und Nutzen des Ausbaus der erneuerbaren Energien weltweit wahrgenommen werden. Konkret werden sich die Mitglieder des Klubs aus ihrer Vorreiterrolle für die Förderung der erneuerbaren Energien einsetzen, indem sie – so haben sie es in ihrem Kommuniqué beschlossen – die Umsetzung stabiler politischer Strategien und die Schaffung förderlicher Rahmenbedingungen für eine verstärkte Nutzung der erneuerbaren Energien unterstützen, auch auf höchster Ebene, und so Investitionen gestalten und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen; eine deutliche politische Botschaft der Unterstützung senden, die die wirtschaftlichen Argumente für erneuerbare Energien hervorhebt; ein größeres Bewusstsein dafür schaffen, dass erneuerbare Energien bei den Bemühungen zur Stabilisierung des Klimasystems ein wichtiges Mittel sind, das hilft, den Treibhausgasausstoß zu reduzieren; erneuerbare Energien als eines der bedeutenden Elemente der Energiesicherheit, des wirtschaftlichen Wohlstands und der nachhaltigen Entwicklung fördern; der Arbeit von IRENA zusätzliche politische Unterstützung zukommen lassen sowie auch den Bemühungen anderer Einrichtungen im Bereich der erneuerbaren Energien. Die Klubmitglieder werden darüber hinaus andere Staaten dazu motivieren, ihrem Beispiel zu folgen. „Wir rufen andere Länder dazu auf, unserem Beispiel zu folgen, und bekräftigen unsere Bereitschaft, Informationen und Erfahrungen zu teilen“, heißt es in der Erklärung. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 12): Wann gedenkt die Bundesregierung dem Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages eine entsprechende konzeptionelle Vorlage zur Bewertung zukommen zu lassen, die den Mitgliedern des Ausschusses vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, für Anfang/Mitte dieses Jahres in Aussicht gestellt wurde (vergleiche Kurzprotokoll der 86. Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 12. Dezember 2012, Seite 21), und soll dies noch geschehen? Als Ausdruck ihrer gemeinsamen Ziele haben die Staaten und der Generaldirektor von IRENA ein gemeinsames Kommuniqué verabschiedet. In diesem Dokument haben sie gemeinsam Ziele des Klubs definiert. Auf der Basis dieses Kommuniqués wird der Klub in den kommenden Wochen und Monaten Aktivitäten definieren und lancieren. Das Kommuniqué ist bereits online verfügbar. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die -Fragen der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/13667, Fragen 13 und 14): Womit begründet nach Kenntnis der Bundesregierung die EU-Kommission die Ablehnung der Anerkennung für die Zertifizierungssysteme REDcert-DE und ISCC-DE nach der Richtlinie 2009/28/EG, obwohl diese Systeme von der -Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung nach der Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung und der Bio-kraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung und von der EU-Kommission als freiwillige Regelungen anerkannt sind, und welche Maßnahmen hat die Bundesregierung ergriffen bzw. plant sie zu ergreifen, um eine Anerkennung des deutschen Zertifizierungssystems herbeizuführen? Wie kam es aus Sicht der Bundesregierung dazu, dass Deutschland ein Zertifizierungssystem etabliert hat, das mit dem EU-System nicht übereinstimmt, und welche Maßnahmen plant die Bundesregierung (bzw. das BMU), um in Deutschland angebautem, zertifiziertem Raps die EU-Zertifizierung zu ermöglichen und ein Ausweichen der Biokraftstoffproduzenten auf importiertes Palmöl zu verhindern? Ich möchte diese beiden Fragen wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantworten. Lassen Sie mich zunächst Folgendes klarstellen: Das in Deutschland errichtete System zur Zertifizierung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen nach den Biomassestrom- und Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnungen, das von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung vollzogen und überwacht wird, ist EU-konform. Das gilt auch für die deutschen Zertifizierungssysteme REDcert-DE und ISCC-DE. Die Europäische Kommission hat das ausdrücklich bestätigt. Die gegenwärtige Diskussion um die nationalen und europäischen Zertifizierungssysteme betrifft nicht die Frage der Nachhaltigkeit an sich. Vielmehr geht es hier um die Frage, ob und wie unter nationalen Zertifizierungssystemen zertifizierte nachhaltige Ware europaweit zwischen Unternehmen, die in verschiedenen Zertifizierungssystemen zertifiziert sind, gehandelt werden kann. Die auf europäischer Ebene zugelassenen sogenannten EU-Zertifizierungssysteme dürfen nach Vorgaben der Europäischen Kommission ausdrücklich keine nachhaltige Biomasse von einem im Rahmen eines nationalen Zertifizierungssystems zertifizierten Betrieb als solche akzeptieren. Die gegenseitige Anerkennung von Nachhaltigkeitsnachweisen der nationalen Zertifizierungssysteme durch die europäischen Zertifizierungssysteme ist nicht zulässig. Begründet wird diese Auflage der Europäischen Kommission an die EU-Zertifizierungssysteme -hauptsächlich damit, dass die Erneuerbare-Energien-Richtlinie keine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Anerkennung von nationalen Zertifizierungssystemen vorsieht. Die Anerkennung von natio-nalen Zertifizierungssystemen durch die EU-Zerti-fizierungssysteme würde dazu führen, dass alle Mitgliedstaaten diese anerkennen müssten, ohne in den Anerkennungsprozess eingebunden gewesen zu sein. Die Bundesregierung hat die Kommission mehrmals mündlich und schriftlich um eine Übergangslösung für die Ernte 2012 gebeten, um Benachteiligungen von hiesigen Wirtschaftsteilnehmern bei der Vermarktung der Ernte 2012 zu verhindern. Auf Bitte Deutschlands und anderer Mitgliedstaaten hat die Kommission nach erster Ablehnung Mitte Mai 2013 einen Vorschlag für eine Übergangslösung an die Mitgliedstaaten übermittelt. Danach würde die Kommission den EU-Zertifizierungssystemen erlauben, die Ware aus nationalen Systemen bis Ende 2013 zu akzeptieren, wenn geeignete Informationen zur Bestätigung der Nachhaltigkeit vorliegen und sich alle Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Wochen mit dem Vorschlag einverstanden erklären. Drei Mitgliedstaaten (Dänemark, Niederlande und Großbritannien) haben der Lösung widersprochen. Die Bundesregierung verhandelt weiterhin mit der Kommission über die Möglichkeit einer Übergangs-re-gelung. Wir hoffen darauf, dass die Kommission -angesichts der ablehnenden Position von Dänemark, den Niederlanden und Großbritannien einen Kompromissvorschlag unterbreitet. Die Bundesregierung setzt sich auch im Rahmen der aktuellen Verhandlungen des Vorschlags der Kommission zur Änderung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (ILUC-Debatte) für eine Verankerung der gegenseitigen Anerkennung in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie als Grundlage des gemeinsamen Binnenmarktes ein. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Katherina Reiche auf die Frage des Abgeordneten Hans Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 15): In welcher Höhe spart der Eigenverbrauch von Betreibern von Photovoltaikanlagen bislang Umlagekosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ein im Vergleich zu einer Einspeisung der eigenverbrauchten Kilowattstunden? Hierzu liegen der Bundesregierung keine belastbaren Zahlen vor. Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 16): Nach welchen Kriterien wurden die 18 Standorte des -„nanoTrucks“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF, bis zur Bundestagswahl 2013 ausgewählt, und für wie viele der 18 Fälle liegen Anfragen der Abgeordneten für ihren jeweiligen Wahlkreis vor? Die Tour des „nanoTrucks“ wird so geplant, dass in einem Jahr möglichst alle Regionen und eine Mischung aus Groß- und Kleinstädten sowie auch ländliche Bereiche in Deutschland angefahren werden können. Die Anfrage von Tourenstopps erfolgt über die Internetseite www.nanotruck.de. Die ganz überwiegende Anzahl von Antragstellern des „nanoTrucks“ sind Schulen und öffentliche Einrichtungen. Des Weiteren wird der „nanoTruck“ für Termine mit BMBF-Bezug gebucht wie zum Beispiel CeBit, Hannover Messe, Tag der offenen Tür etc. Vereinzelt werden in die Tourplanung auch durch Abgeordnete vermittelte Standorte aufgenommen, die unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit bearbeitet und umgesetzt werden. In drei Fällen wurden die derzeit veröffentlichten Stopps auf Anfrage von Wahlkreis-MdBs geplant. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 17): Wurden Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU und FDP gezielt auf das Informationsangebot „nanoTrucks“ des BMBF hingewiesen, und, falls ja, wurden Mitglieder der Oppositionsfraktionen SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen in gleicher Weise über die Möglichkeit informiert, den „nanoTruck“ in ihren jeweiligen Wahlkreis einzuladen bzw. anzufragen? Nein. Es erfolgten keine gezielten Informationsangebote an die Koalitionsfraktionen. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 18): Nach welchem Verfahren wurde die Entscheidung über die Reiseroute des „nanoTrucks“ getroffen, zum Beispiel nach Eingang der Anfrage oder nach der möglichen Breitenwirkung des Infoangebots? Die Tour des „nanoTrucks“ wird so geplant, dass in einem Jahr möglichst alle Regionen und eine Mischung aus Groß- und Kleinstädten sowie auch ländliche Bereiche in Deutschland angefahren werden können. Die Anfrage von Tourenstopps erfolgt über die Internetseite www.nanotruck.de. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 19): Aufgrund der Anfrage von welcher Person bzw. Institution reist der „nanoTruck“ am 5. und 6. August 2013 nach Barth, und welche Person hat abschließend über die Reiseroute des „nanoTrucks“ entschieden? Die Tour des „nanoTrucks“ wird jeweils quartalsweise geplant. Der Entwurf des Tourplans wird im Vorfeld durch die zuständige Abteilungsleitung im Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, gebilligt. Der Termin 5. und 6. August 2013 war ursprünglich für den Standort Torgelow am See geplant. Hier wurde der „nanoTruck“ vom Internatsgymnasium Schloss Torgelow, 2006 Preisträger im Wettbewerb „Deutschland – Land der Ideen“, schon im Jahr 2012 angefragt. Der Termin wurde allerdings vonseiten der Schule abgesagt. Da der „nanoTruck“ in dem Zeitraum im Norden des Landes unterwegs ist, konnte der Standort Barth realisiert werden. Angefragt wurde der „nanoTruck“ vom Gymnasialen Schulzentrum – Schulzentrum mit Gymnasialteil „Katharina von Hagenow“ und Regionalschulteil „Karl Liebknecht“. Die Anfrage stammte ebenfalls bereits aus dem Jahr 2012. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 23): Welche Schlussfolgerungen hat die Bundesregierung aus der Empfehlung im Bürgerreport „Demografischer Wandel“, laut der eine Änderung des Grundgesetzes notwendig sei mit dem Ziel, eine „Gesamtverantwortung von Bund und Ländern in der Bildungspolitik“ festzuschreiben, gezogen, und wird die Bundesregierung ihren Vorschlag zur Änderung des Art. 91 b GG dahin gehend überarbeiten, dass er den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Bürgerbeteiligungsverfahrens Rechnung trägt? Zur Verbesserung der Kooperationsmöglichkeiten von Bund und Ländern hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Änderung des Art. 91 b GG vorgelegt, der sich im parlamentarischen Verfahren befindet. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, dass mit ihrem Gesetzentwurf die richtigen Weichen für eine nachhaltige Stärkung der Hochschulen in Deutschland gestellt werden. Die Realisierung dieses Gesetzgebungsvorhabens würde es ermöglichen, durch eine Erweiterung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern über befristete Projekte hinaus zu fördern. Bund und Länder könnten bei zentralen Zukunftsfragen im Wissenschaftsbereich inhaltlich zusammenarbeiten und ihre Kräfte auf Dauer bündeln. Eine Ausweitung der Kooperationsmöglichkeiten auf die institutionelle Förderung im Hochschulbereich ist ein realistischer erster Schritt. Eine bessere Kooperation im Hochschulbereich könnte auch positive Impulse für andere Bereiche erzeugen. Frau Ministerin Professor Dr. Johanna Wanka hat den Ländern zudem ihre Gesprächsbereitschaft hinsichtlich weiterer Möglichkeiten der Kooperation signalisiert, wenn diese zu einer gemeinsamen Position finden. Anlage 19 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/13667, Fragen 26 und 27): Wie erklärt es die Bundesregierung, dass einerseits die Hightech-Strategie ein breites Themenspektrum abdeckt, andererseits aber die vom BMBF in der Antwort auf die schriftliche Frage 97 des Abgeordneten Klaus Hagemann auf Bundestagsdrucksache 17/13375 angeführten Zahlen zu den volkswirtschaftlichen Effekten der HTS (vor allem die Zahl der in der Forschung und Entwicklung, FuE, arbeitenden Menschen) im Wesentlichen begründet sind mit Investitionen von Großunternehmen, die zumeist in der Kfz-Branche tätig sind? Wie begründet die Bundesregierung die These, dass es „klar messbare Effekte“ der HTS auf die Zahl der in FuE arbeitenden Menschen gebe (vergleiche die Antwort auf die schriftliche Frage 97 des Abgeordneten Klaus Hagemann auf Bundestagsdrucksache 17/13375), angesichts der Aussage des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA): „Der Anteil der in FuE Beschäftigten an allen Beschäftigten im Maschinenbau hatte in den letzten 10 Jahren stetig zugenommen und liegt derzeit bei rund sieben Prozent“ (VDMA, „Kennzahlen zu Forschung und Innovation im -Maschinenbau“, Februar 2012, Seite 8), sowie angesichts der Analyse des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW): „Der Anstieg der Innovationsausgaben der deutschen Wirtschaft in den letzten eineinhalb Jahrzehnten wurde im Wesentlichen von den Großunternehmen (500 und mehr Beschäftigte) getragen. Sie steigerten ihre nominellen Innovationsbudgets von rund 35 Milliarden € im Jahr 1995 auf fast 100 Milliarden € im Jahr 2011 annähernd verdreifacht.“ (ZEW, -„Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft. Indikatorenbericht zur Innovationserhebung 2012“, Seite 12)? Zu Frage 26: Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die schriftliche Frage 97 des Abgeordneten Klaus Hagemann (Bundestagsdrucksache 17/13375) die Zahl der in FuE arbeitenden Menschen in Deutschland in der Summe über alle drei Sektoren (Wirtschaft, Staat und Hochschulen) ausgewiesen. Hier zeigt sich, dass nach einem Absinken zwischen 2000 und 2005 die Zahl der in FuE arbeitenden Menschen kontinuierlich gestiegen ist: von 475 000 in 2005 auf 567 000 in 2011 – ein Plus von 19 Prozent (gemessen in Vollzeitäquivalenten). Der Ausbau des FuE-Personals in Deutschland um circa 92 000 Personen im Zeitraum von 2005 bis 2011 setzt sich zusammen aus einer Steigerung der Beschäftigtenzahl in Hochschulen und Forschungseinrichtungen um 47 000 sowie einer Steigerung der Beschäftigtenzahl in Unternehmen um rund 45 000. Zu Frage 27: Die Entwicklung der FuE-Beschäftigten im Maschinenbau ist ein Beispiel für die positive Entwicklung des Forschungsstandorts Deutschland seit 2005: Die „Kennzahlen zu Forschung und Innovation im Maschinenbau“ des VDMA zeigen, dass die Zahl der FuE-Beschäftigten im Maschinenbau bis zum Jahr 2004 sank und erst -danach wieder angestiegen ist. Nach einem krisen-bedingten Einbruch 2009 hat sich die positive Entwicklung bis 2011 erneut fortgesetzt. Die im Auftrag des BMBF vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ermittelten Innovationsausgaben gehen über die reinen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung, FuE, hinaus und schließen auch die Kosten für Sachanlagen/Software, Erwerb von externem Wissen und Weiterbildung, Marketing, Vertrieb und Konzeption ein. Dementsprechend übersteigen die Innovationsausgaben die FuE-Ausgaben deutlich – 2011 betrugen sie mehr als das 2,5-Fache – und können nicht strukturell verglichen werden. Dennoch besteht ein hoher Förderbedarf, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, KMU. Dem trägt die Bundesregierung mit der KMU-Förderung Rechnung: Allein zwischen 2005 und 2011 hat die Bundesregierung die Förderung an und zugunsten von KMU nahezu verdoppelt, von 633 Millionen Euro 2005 auf mehr als 1,2 Milliarden Euro 2011. Diesen Weg der konsequenten Unterstützung des innovativen Mittelstands wird die Bundesregierung auch in Zukunft weitergehen. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Druck-sache 17/13667, Frage 28): Wann rechnet die Bundesregierung, die in der Verwaltungskommission des Wissenschaftsrates vertreten ist, mit der Vorlage der vom Bundesministerium für Bildung und -Forschung erbetenen Vorschläge dieser Institution für einen Zukunftspakt 2022, und welche Position vertritt die Bundesregierung im Einzelnen hinsichtlich einer „radikalen Infragestellung der Finanzierungsgrundsätze des Wissenschaftssystems“, der weiteren „Schärfung der Profile“ der Max-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesellschaft, der „Evaluation“ der „Rolle und der Funktion“ der Helmholtz-Gemeinschaft und des Ziels, zwei bis fünf Universitäten zu internationalen Spitzenuniversitäten auszubauen („Zukunft der Wissenschaft – Elitewettbewerb für immer und für alle“, Der Tagesspiegel vom 19. April 2013)? Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates zu den Perspektiven des deutschen Wissenschaftssystems werden in den Sommersitzungen des Wissenschaftsrates – 9. bis 12. Juli 2013 – mit dem Ziel ihrer Verabschiedung beraten. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 29): Wie ist im Bereich der Projektförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung der aktuelle Stand an noch nicht überprüften Zuwendungsbescheiden – unter Angabe der Anzahl der Fälle und des Fördervolumens –, und welche Ergebnisberichte und Evaluierungen zu den neu geschaffenen Instrumenten im Wissens- und Technologietransfer beabsichtigt die Bundesregierung dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorzulegen? Im Berichtszeitraum 2012 waren insgesamt über 20 000 Verwendungsnachweise mit einem Fördervolumen von circa 11,1 Milliarden Euro zu prüfen. Mit Stand Anfang Juni war die Prüfung von 980 Verwendungsnachweisen mit einem Mittelvolumen von 0,8 Milliarden Euro aus den Vorjahren noch nicht abgeschlossen. Die überwiegende Mehrzahl der Prüfungsfälle von 700 betrifft noch nicht abgeschlossene Kostenprüfungen einzelner Bundesländer. Das BMBF ist hier im regelmäßigen Dialog mit den betreffenden Landesbehörden, hat aber gleichwohl keine Durchgriffsmöglichkeiten, um auf Landesbehörden Einfluss zu nehmen. Die Bundesregierung legt dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages entsprechend dessen Beschluss vom 12. Dezember 2007 alle Abschlussberichte der Evaluierungen der neuen Instrumente im Wissens- und Technologietransfer, WTT, im Titel 3004/683 10 „Instrumente im Wissens- und Technologietransfer im Rahmen der Hightech-Strategie“ vor. Zuletzt ist dies geschehen mit der Evaluierung des Förderinstrumentes „Forschungsprämie/Forschungspämie Zwei“ im März 2011 und mit der Systemevaluation „KMU-innovativ“ im Mai 2012. Die Evaluationen zum Spitzencluster-Wettbewerb, SCW, und zum Förderinstrument „Validierung des Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung – VIP“ sowie die wissenschaftliche Begleitung zur Förderinitiative „Forschungscampus“ sind laufende Verfahren. Die entsprechenden Abschlussberichte werden dem Haushaltsausschuss ebenfalls übermittelt werden. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 30): Wie viele Anrufe sind seit Beginn des Jahres 2013 bei der BMBF-Hotline „Forschungsförderung“ eingegangen, und wie viele Anrufe sind bei der Hotline „Lotsendienst für Unternehmen“ eingegangen? Mit Stand vom 31. Mai 2013 haben 1 026 Bürgerinnen und Bürger die BMBF-Hotline „Forschungsförderung“ und 1 001 Anruferinnen und Anrufer die Hotline „Lotsendienst für Unternehmen“ gewählt. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 31): Wie viele Anrufe sind seit Beginn des Jahres 2013 bei der BMBF-Hotline „Bildungsprämie“ eingegangen, und wie viele Anrufe sind bei der Hotline „Deutschlandstipendium“ eingegangen? Mit Stand vom 31. Mai 2013 haben 16 903 Bürgerinnen und Bürger die BMBF-Hotline „Bildungsprämie“ angerufen und 76 Anruferinnen und Anrufer die Hotline „Deutschlandstipendium“. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck-sache 17/13667, Frage 32): Welche Position bezieht die Bundesregierung zu dem Vorschlag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und des Deutschen Gewerkschaftsbundes, eine Prüfstelle für bildungsgefährdende Unterrichtsmaterialien einzuführen? Die Qualität des Lehrmaterials ist ein wesentlicher Faktor bei der Vermittlung des Lehrstoffes. Lehrbücher für den Unterricht in staatlichen Schulen bedürfen in Deutschland in der Regel der Zulassung durch das Kultusministerium oder die zuständige Behörde des jeweiligen Landes. Die Zulassung ist aufgrund der Schulgesetze der einzelnen Länder in den jeweiligen Verordnungen der Kultusminister geregelt. Aus verfassungsrechtlichen Gründen kommentiert die Bundesregierung weder einzelne Zulassungsentscheidungen noch die Regelungen für Zulassungen, da in Deutschland für alle Fragen rund um Schule entsprechend der föderalen Struktur der Bundesrepublik Deutschland allein die Länder zuständig sind. Diese gesetzgeberische und administrative Kompetenz für Fragen der Kulturpolitik und Kulturverwaltung – insbesondere für die Bereiche Schulwesen, Hochschule und Erwachsenenbildung/Weiterbildung – ist im Grundgesetz als „Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder“ (BVerfGE 6, 309, 346, 347) verankert. Über die Notwendigkeit, neben der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, BPjM, die als Bundesoberbehörde dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nachgeordnet ist, eine Prüfstelle für Unterrichtsmaterialien einzurichten, haben allein die Länder zu entscheiden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Druck-sache 17/13667, Frage 33): Wird es durch – und, falls ja, durch welche – ESF-Schwerpunkte der Förderperiode 2014 bis 2020 des BMBF möglich sein, Alphabetisierung und Grundbildung in Deutschland zu fördern? Die Finanzierung von Maßnahmen zur Alphabetisierung Erwachsener seitens des Bundes, wie die Aufklärungskampagne zum Thema Analphabetismus „Mein Schlüssel zur Welt“, 2012 bis 2013, oder die Förderprojekte im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes -„Arbeitsplatzorientierte Alphabetisierung und Grundbildung“, 2012 bis 2015, erfolgt vollständig aus HH-Mitteln des Bundes. Im Rahmen der Vorbereitungen und Gespräche mit den Ländern bezüglich der kommenden ESF-Förderperiode haben diese sehr frühzeitig zu erkennen gegeben, Maßnahmen für Alphabetisierung und Grundbildung mit ESF-Mitteln finanzieren zu wollen. Wegen der von der Europäischen Union vorgegebenen Kohärenzkriterien muss sichergestellt sein, dass es zu keiner überlappenden Förderung im Rahmen von Bundes- und Landesprogrammen kommen kann. Daher beabsichtigt das BMBF keine explizite Förderung von Einzelmaßnahmen der Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener im Rahmen eines ESF-Schwerpunktes. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Rachel auf die Fragen der Abgeordneten Christel Humme (SPD) (Drucksache 17/13667, Fragen 34 und 35): Welche konkreten Fördermaßnahmen bereitet die Bundesregierung vor, um die von der Bundesministerin Prof. Dr. Johanna Wanka festgestellte fehlende Dynamik der Frauenförderung in der Wissenschaft zu überwinden (Handelsblatt vom 23. Mai 2013)? Wie bewertet die Bundesregierung in diesem Zusammenhang die Potenziale einer wissenschaftsspezifischen, gestuften Zielquote (sogenanntes Kaskadenmodell) sowie einer Frauenquote von 40 Prozent auf Entscheidungsebenen und in Evaluierungsgremien von Forschungseinrichtungen und Hochschulen? Zu Frage 34: Die Bundesregierung hat eine Vielzahl von Initiativen ergriffen, um Frauen in Wissenschaft und Forschung zu fördern. So haben Bund und Länder sich zum Beispiel darauf verständigt, auch beim Hochschulpakt die Förderung von Frauen in Wissenschaft und Forschung fest zu verankern. Die Länder verpflichten sich, die Mittel aus dem Hochschulpakt so einzusetzen, dass sich bei der Besetzung von Professuren und sonstigen Stellen der Anteil von Frauen erhöht. Die Wirkung des Hochschulpaktes ist eindeutig positiv, nicht zuletzt, weil er nachhaltig in den Hochschulen ein grundsätzliches Umdenken in Richtung verstärkter Gleichstellung befördert. Ein weiterer Impuls geht von der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern aus, bei der das Thema Gleichstellung einen wichtigen Aspekt der Antragsprüfung und -beurteilung darstellte. Im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation, PFI, haben sich die vier großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen zur Verbesserung der Chancengerechtigkeit verpflichtet und in den letzten Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen. 2013 werden Kaskadenmodelle und daraus abgeleitete Zielquoten für eine verbesserte Beteiligung von Frauen im Wissenschaftssystem vorgestellt. Damit erreichen die Forschungsorganisationen eigenverantwortlich eine neue Qualität der Transparenz bei der Implementation von Instrumenten zur Förderung der Chancengerechtigkeit und gestalten aktiv die Erhöhung der Repräsentanz von Frauen auf den unterschiedlichen Führungsebenen. Über diese Weiterentwicklung der Frauenförderung ist jährlich im Rahmen des Monitoring-Prozesses zum PFI zu berichten. Um der Unterrepräsentanz von Frauen in Spitzenpositionen in Wissenschaft und Forschung wirksam zu begegnen und die Repräsentanz von Frauen in der Wissenschaft zu stärken, haben Bund und Länder im Jahr 2008 das Professorinnenprogramm initiiert. In der ersten Phase des Programms, 2008 bis 2012, konnten 260 Professuren mit hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen an 106 deutschen Hochschulen auf Dauer besetzt werden. Am 29. Juni 2012 haben der Bund und die Länder in der GWK die Verlängerung des Professorinnenprogramms um weitere fünf Jahre, 2013 bis 2017, vereinbart. Zu Frage 35: Die Kaskadenmodelle nach den Gleichstellungsstandards der Deutschen Forschungsgemeinschaft stellen aus Sicht der Bundesregierung eine effektive Form der Selbstverpflichtung der Wissenschaft dar, um die Chancengleichheit schrittweise zu verbessern. Gegenüber einer starren Quote bieten Kaskadenmodelle den Vorzug, dass sie den Wissenschaftsorganisationen nicht nur gleichstellungspolitische Ziele setzen, sondern zugleich auch das tatsächlich vorhandene Potenzial an weiblichen Führungskräften in den einzelnen Organisationen berücksichtigen. Indem sie auf allen Karrierestufen Anreize für Frauen setzen, schaffen sie die Voraussetzung für eine organische und nachhaltige Organisationsentwicklung im Sinne der Chancengerechtigkeit. Zudem stellen Kaskadenmodelle einen Weg dar, um Flexibilität und Eigenverantwortung in der Wissenschaft zu bewahren, und sind angemessen, wenn zum Beispiel fachspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 36): Welche Umstände und neuen Sachverhalte haben den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Dr. Philipp Rösler, veranlasst, in der Passauer Neuen Presse vom 18. Mai 2013 seine bisherige Zustimmung zum Entwurf der Dienstleistungskonzessionsrichtlinie der EU infrage zu stellen und aufgrund einer „neuen Lage“ für die Bundesregierung „eine Neubewertung ihrer bisherigen Position“ anzukündigen? Das BMWi hat als deutscher Verhandlungsführer im Zuge der Trilog-Verhandlungen zwischen EP, Europäischer Kommission und Rat immer wieder auf die besondere Bedeutung der Wasserversorgung für Deutschland hingewiesen. Bereits im Februar 2013 hat EU-Kommissar Barnier einen neuen Vorschlag zur Behandlung des Wassersektors im Rahmen der Konzessionsrichtlinie angekündigt, der den besonderen Strukturen in der deutschen Wasserversorgung Rechnung tragen soll. Das angekündigte Kompromisspaket für den Wasserbereich ist daher in Deutschland mit großem Interesse erwartet worden. Das Europäische Parlament hat nun Ende Mai 2013 einen Lösungsvorschlag vorgelegt. Die Bundesregierung begrüßt diesen Vorstoß des EP, denn er kommt insbesondere den Bedenken deutscher Kommunen und Bundesländer sehr weit entgegen (siehe auch Antwort auf Frage 37). Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Otto auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 37): Mit welchen Mitteln wird die Bundesregierung verhindern, dass kommunale Wasserversorger mit Minderheitenbeteiligungen von privaten Anteilseignern in eine europaweite Ausschreibung gezwungen werden und die interkommunale Zusammenarbeit über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hinaus eingeschränkt wird? Der inzwischen durch das EP vorgelegte neue Vorschlag zur Anwendung der Konzessionsrichtlinie auf den Wassersektor berücksichtigt die spezifische deutsche Situation der Wasserversorgung. Das gilt insbesondere für die Vergabe von Wasserkonzessionen an kommunale Mehrspartenstadtwerke, wobei eine private Beteiligung ausdrücklich erlaubt ist. Darüber hinaus wurde ebenfalls ein neuer Vorschlag zur interkommunalen Zusammenarbeit vorgelegt, der die jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu diesem Thema berücksichtigt. Die Bundesregierung begrüßt die neuen Vorschläge, denn sie sorgen dafür, dass die staatliche Organisationshoheit, insbesondere das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen, gewahrt bleibt: Die Kommunen können demnach auch künftig öffentliche Aufgaben – wie beispielsweise die Wasserversorgung – selbst wahrnehmen. Einen Privatisierungszwang durch die Konzessionsrichtlinie wird es nicht geben. Weiterhin können Städte und Gemeinden grundsätzlich frei zusammenarbeiten. Es bleibt also weiterhin möglich, die Wasserversorgung gemeinsam durch verschiedene Kommunen zu organisieren, ohne die Pflicht, private Wasserversorger einschalten zu müssen. Anlage 29 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 38): Inwieweit hält die Bundesregierung ihre Aussage in ihrer Antwort auf meine mündliche Frage 36 (Plenarprotokoll 17/239, Anlage 20), dass die Entrichtung einer Aufbausteuer durch eritreische Staatsangehörige nicht gegen völkerrechtliche Regeln verstoße, mit den Absätzen 10 und 14 der UN-Sicherheitsratsresolution 2023 vom 5. Dezember 2011 für vereinbar, die alle Mitgliedstaaten dazu auffordert, die Eintreibung dieser Steuer zu verhindern, da damit Waffengeschäfte in Ost-afrika finanziert werden? Die Bundesregierung ist weiterhin der Auffassung, dass die Erhebung der sogenannten Aufbausteuer durch Eritrea als solche nicht gegen völkerrechtliche Regeln verstößt. Ein Verstoß gegen die Resolution 2023 (2011) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen würde vorliegen, wenn die eritreische Regierung diese Steuer zur Destabilisierung der Region des Horns von Afrika nutzen oder diese Steuer mit Erpressung, Gewaltandrohung oder anderen unerlaubten Mitteln eintreiben würde. Letzteres ist Eritrea mit Sicherheitsratsresolution 2023 (2011), Art. 10 und 11, untersagt worden. Art. 10 der Resolution verurteilt nicht die Erhebung der sogenannten Aufbausteuer durch Eritrea als solche, sondern die vermutete Verwendung der dadurch eingenommenen Mittel durch die eritreische Regierung. Art. 11 der Resolution fordert die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dazu auf, geeignete, mit dem innerstaatlichen und Völkerrecht vereinbare Maßnahmen zu ergreifen, um die Eintreibung der Steuer durch eritreische Akteure mit illegalen Mitteln – beispielsweise gewaltsam oder durch Nötigung – zu verhindern. Art. 14 der Resolution fordert die Mitgliedstaaten zudem dazu auf, Leitlinien zur Sorgfaltspflicht einzuführen. Diese sollen unter anderem Finanztransfers verhindern, wenn diese erkennbar zu Verstößen Eritreas gegen die einschlägigen Resolutionen beitragen. Art. 11 und 14 verpflichten die VN-Mitgliedstaaten somit nicht, jedwede Zahlungen zur Begleichung von Verpflichtungen aus der „Aufbausteuer“ zu verhindern. Anlage 30 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Fragen des -Abgeordneten Dr. Rolf Mützenich (SPD) (Drucksache 17/13667, Fragen 40 und 41): Welche politischen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Information, dass die US-Streitkräfte offenbar von ihrem Afrika-Kommando in Stuttgart, AFRICOM, und in Ramstein, AOC, aus tödliche Kampfdrohneneinsätze gegen Personen in Somalia durchgeführt haben sollen (vergleiche unter anderem ARD-Fernsehmagazin Panorama vom 30. Mai 2013), und seit wann weiß die Bundesregierung oder wissen ihr nachgeordnete Stellen von diesen tödlichen Kampfdrohneneinsätzen? Welche rechtlichen und völkerrechtlichen Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus diesen öffentlich gewordenen Aktivitäten der in Deutschland stationierten US-Streitkräfte? Zu Frage 40: Der Bundesregierung sind Medienberichte der vergangenen Jahre über Einsätze unter anderem von bewaffneten unbemannten Luftfahrzeugsystemen, UAS, in der Republik Somalia, die den Vereinigten Staaten von Amerika zugeschrieben wurden, bekannt. Darüber hinausgehende eigene gesicherte Erkenntnisse zu von US-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland angeblich geplanten oder geführten Einsätzen liegen der Bundesregierung jedoch nicht vor. Gemäß Art. II des NATO-Truppenstatuts haben Streitkräfte aus NATO-Staaten „das Recht des Aufnahmestaats zu beachten und sich jeder mit dem Geiste des NATO-Truppenstatuts nicht zu vereinbarenden Tätigkeit … zu enthalten“. Zu Frage 41: Die Frage der Übereinstimmung militärischer Handlungen mit dem Völkerrecht kann nicht allgemein beantwortet werden. Eine rechtliche Bewertung setzt genaue Kenntnisse des Einzelfalls voraus. Der Bundesregierung liegen keine eigenen gesicherten Erkenntnisse zu von US-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland angeblich geplanten oder geführten Einsätzen vor. Eine rechtliche Bewertung ist daher nicht möglich. Anlage 31 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksa-che 17/13667, Frage 43): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Prozess gegen den 25-jährigen US-Obergefreiten Bradley Manning in den USA, dem vorgeworfen wird, die US-Kriegs-verbrechen im Irak und in Afghanistan mit Hilfe der Enthüllungsplattform WikiLeaks öffentlich gemacht zu haben, und was hat die Bundesregierung bisher unternommen, damit Bradley Manning menschenwürdige Haftbedingungen und ein faires, rechtsstaatliches Verfahren in den USA erhält? Der Bundesregierung liegen keine über die Medienberichterstattung hinausgehenden Erkenntnisse über den Prozess gegen Bradley Manning vor. Die internationale Kritik an den Haftbedingungen Bradley Mannings konzentrierte sich auf die Zeit seiner Inhaftierung im Militärgefängnis Quantico. Seitdem wurde Bradley Manning in ein Militärgefängnis in Fort Leavensworth, Kansas, verlegt. Seine mögliche Haftstrafe wurde wegen der schlechten Haftbedingungen in Quantico um 112 Tage reduziert. Die Bundesregierung konzentriert sich bei ihrem Dialog mit den Vereinigten Staaten von Amerika zu Fragen des Rechtsstaats auf die Haftbedingungen deutscher Staatsangehöriger, die Abschaffung der Todesstrafe und die Schließung des Gefangenenlagers in Guantanamo. Anlage 32 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 44): Wie erklärt es die Bundesregierung, dass sie wichtige Informationen den vermeintlichen Abschuss eines türkischen Aufklärungsflugzeuges am 22. Juni 2012 durch die syrische Armee betreffend mit dem Verweis als geheime Verschlusssache einstuft, „dass dem Bundesnachrichtendienst [sonst womöglich] keine schutzbedürftigen Erkenntnisse [mehr] anvertraut werden“, während sie zugleich und in derselben Bundestagsdrucksache (Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 17/13515) behauptet, ihr lägen keine Informationen unter anderem über „Waffenlieferungen und andere Formen der Unterstützung der Aufständischen über die Türkei und durch türkische Behörden“ und „den Beschuss von Zielen in Syrien durch die türkische Armee am 3. Oktober 2012“ vor, und aus welchen Gründen hält es die Bundesregierung für nötig, auch den Inhalt eines Berichts der NATO über den vermeintlichen Abschuss des türkischen Armeeflugzeuges dem Parlament und der Öffentlichkeit trotz mehrfacher Nachfrage vorzuenthalten? Sie beziehen sich in Ihrer Fragestellung auf drei unterschiedliche Sachverhalte: erstens den Vorfall mit einem türkischen Aufklärungsflugzeug am 22. Juni 2012, zweitens auf angebliche Waffenlieferungen und andere Formen der Unterstützung der Aufständischen über die Türkei und durch türkische Behörden, drittens auf den angeblichen Beschuss von Zielen in Syrien durch die türkische Armee am 3. Oktober 2012. Zu diesen Sachverhalten existiert jeweils eine unterschiedliche nachrichtendienstliche Quellenlage. Insofern kann die Bundesregierung den in Ihrer Fragestellung unterstellten Widerspruch nicht erkennen. Ein von einer Dienststelle der NATO-Kommandostruktur verfasster Kurzbericht über den Vorfall mit dem türkischen Flugzeug enthält schutzbedürftige Informationen. Er ist daher von der NATO-Dienstelle als Verschlusssache VS-Geheim eingestuft worden. Relevante Inhalte des Berichts sind in die Bewertung des Vorfalls durch die Bundesregierung eingeflossen. Sie wurden -zudem im Rahmen der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke auf Bundestagsdrucksache 17/13515 vom 13. Mai 2013 in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages hinterlegt. Anlage 33 Antwort des Staatsministers Michael Link auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 45): In welchem Umfang kamen – mit Blick auf den von UNICEF am 30. Mai 2013 veröffentlichten Weltkinderreport 2013; siehe unter anderem www.kobinet-nachrichten.org – humanitäre Hilfeleistungen aus Deutschland Menschen mit Behinderungen, insbesondere Kindern mit Behinderungen, zugute, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundes-regierung für ihr eigenes Handeln aus diesem Report? Die Bundesregierung trägt den speziellen Bedürfnissen von vulnerablen Bevölkerungsgruppen, unter anderem Menschen mit Behinderungen, in der humanitären Hilfe deutlich Rechnung. Dies ist explizit in der im -November 2012 veröffentlichten „Strategie zur humanitären Hilfe im Ausland“ sowie im Förderkonzept des in diesem Bereich federführenden Auswärtigen Amtes festgehalten. Im Rahmen der konkreten Projektförderung werden die spezifischen Belange dieser besonders gefährdeten Zielgruppe als Querschnittsaufgabe beachtet. Die humanitäre Hilfe für behinderte Menschen ist damit integraler Bestandteil der jeweiligen Projekte. Die Bundesregierung fördert fortlaufend Projekte von Hilfsorganisationen, die über eine herausgehobene -Expertise im Bereich der Zielgruppe Menschen mit Behinderungen verfügen und entsprechende Hilfsprojekte durchführen. Dazu zählen unter anderem HelpAge e. V. und Handicap International e. V. Auch im Bereich des humanitären Minen- und Kampfmittelräumens werden Maßnahmen unterstützt. Darüber hinaus setzt sich die Bundesregierung in den einschlägigen internationalen Gremien für die Berücksichtigung der Belange von behinderten Menschen ein. So haben wir beispielsweise erreicht, dass der Exekutivrat des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, UNHCR, im Jahr 2010 Schlussfolgerungen zur Wahrung der Belange von Menschen mit Behinderungen angenommen hat. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Fragen des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 46 und 47): Wie viele der in Deutschland lebenden Verurteilten/Tatverdächtigen des Sivas-Massakers (siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 17/7766) haben einen Einbürgerungsantrag gestellt, und wie wurde darüber entschieden? Wie viele Auslieferungsersuche für die in Deutschland lebenden Verurteilten/Tatverdächtigen des Sivas-Massakers sind nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/7766) noch hinzugekommen, und wie wurde darüber entschieden? Zu Frage 46: Einbürgerungsanträge werden nach § 36 Staatsangehörigkeitsgesetz, StAG, statistisch nicht erfasst. Im Register der Entscheidungen in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten, EStA, beim Bundesverwaltungsamt, BVA, waren zum Stichtag 31. Mai 2013 eine Einbürgerung und die Ablehnung einer Einbürgerung von Personen registriert, deren Namen mit denen von Personen übereinstimmen, denen nach Erkenntnissen der Behörden eine Beteiligung am Brandanschlag von Sivas vorgeworfen wird. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsangehörigkeitsbehörden der Länder zwar gemäß § 33 Abs. 3 StAG verpflichtet sind, die jeweiligen Entscheidungen unverzüglich an EStA zu melden, eine tagesaktuelle Meldung erfolgt jedoch nicht in allen Fällen. Zu Frage 47: Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 17/7766) ausführlich zu dieser Frage Stellung genommen. Nach den Erkenntnissen der Bundesregierung ist seitdem kein neues Auslieferungsersuchen hinzugekommen. Anlage 35 Antwort der Staatssekretärin Dr. Birgit Grundmann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 48): Welche Publikationen hat oder plant die Bundesregierung zu den Themenbereichen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Organspendeausweis und Testament, welche davon auch in Leichter Sprache? Zu den oben genannten Themenbereichen geben die innerhalb der Bundesregierung zuständigen Bundesministerien der Justiz und für Gesundheit bzw. die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung folgende Publikationen heraus: Das Bundesministerium der Justiz ist Herausgeber der Broschüren „Patientenverfügung“, „Betreuungsrecht – mit ausführlichen Informationen zur Vorsorgevollmacht“ und „Erben und Vererben“. Die Broschüren können telefonisch, schriftlich oder unter www.bmj.de bestellt oder heruntergeladen werden. Die Formulare „Vorsorgevollmacht“ und „Betreuungsverfügung“ sind – neben weiteren Formularen – Teil der Broschüre „Betreuungsrecht“. Sie stehen ebenso wie die Textbausteine zur Patientenverfügung allen Interessierten auch online auf www.bmj.de zur Verfügung. Die allgemeine Aufklärung der Bevölkerung über die Organspende gehört nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Transplantationsgesetzes zu den Aufgaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, BZgA. Im Rahmen dieser Zuständigkeit veröffentlicht die BZgA folgende Broschüren und Flyer zur Organ- und Gewebespende, in denen die wichtigsten Inhalte zum Thema Organ- und Gewebespende vermittelt werden: 1. Klappkarte mit Organspendeausweis zum Heraustrennen (deutsch/türkisch) 2. Antworten auf wichtige Fragen (deutsch/englisch/türkisch) 3. Wie ein zweites Leben 4. Organspende – eine persönliche und berufliche Herausforderung 5. Aufklärung zur Organ- und Gewebespende. Ein Leitfaden für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte 6. Gewebespende – Eine Einführung für Ärztinnen, Ärzte sowie Patienten- und Selbsthilfeverbände 7. Pflegeprofessionalität im Organspendeprozess 8. Kein Weg zurück – Informationen zum Hirntod (Erstellung durch DSO; wird über die BZgA gestreut) 9. Flyer Lebendorganspende – Voraussetzungen und Rahmenbedingungen 10. Flyer zum Transplantationsgesetz (deutsch/englisch/türkisch) 11. Geschichten vom Leben und vom Leben geben Die BZgA bietet in der Basisbroschüre „Antworten auf wichtige Fragen“ Informationen in einer für die Allgemeinbevölkerung gut verständlichen und einfachen Sprache an. Diese Broschüre beantwortet die wichtigsten Fragen der Allgemeinbevölkerung zum Organspende- und Transplantationsprozess und erläutert die Bedeutung des Organspendeausweises. Eine Überprüfung dieser Broschüre im Hinblick auf die Erfüllung der Grundsätze der Leichten Sprache wird zurzeit eingeleitet, sodass gegebenenfalls eine Adaptation der Broschüre erfolgt. Eine Publikation in Leichter Sprache zum Organspendeausweis ist als Textbaustein für das Internet vorgesehen. In allen Informationsbroschüren der BZgA wird die Bedeutung des Organspendeausweises sowie der verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten im Hinblick auf eine Zustimmung bzw. Ablehnung einer Organspende ausführlich dargestellt. Alle gedruckten Mate-rialien sind mit dem QR-Code versehen, sodass über Mobiltelefone ein direkter Zugang zur Website www.organspende-info.de ermöglicht wird, auf der der Organspendeausweis im Zentrum steht. Der Organspendeausweis wird in seiner Funktion erklärt und kann online direkt ausgefüllt werden oder online bestellt werden. Daneben sind Angebote zum persönlichen Gespräch besonders wichtig, um ganz individuelle Fragen klären zu können. Hierfür bietet die BZgA gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation das kostenfreie Infotelefon Organspende an Telefon: 0800 90 40 400. Darüber hinaus können auf dem gemeinsamen Landingpage von Bundesministerium für Gesundheit und BZgA: www.organspende-info.de folgende Websites aufgerufen werden: www.organspende-info.de, www.organpaten.de , www.organspende-geschichten.de und www.bmg.bund.de . Das Bundesministerium für Gesundheit plant im zweiten Halbjahr 2013 für den Bereich Organspende zusätzlich eine Erklärung zum Organspendeausweis in Leichter Sprache. Im Übrigen verweist das Bundesministerium für Gesundheit zum Beispiel im Publika-tionsverzeichnis auf die Materialien der BZgA und gibt diese Materialien aus, wie zum Beispiel an Besuchergruppen im Rahmen des Bürgerservice. Anlage 36 Antwort der Staatssekretärin Dr. Birgit Grundmann auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 49): Was hat die Bundesregierung seit der Ankündigung der Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bei ihrem Besuch in Israel, sich für eine erneute Erörterung des Themas „Ghettorenten“ im Bundeskabinett einzusetzen (dpa-Meldung vom 22. Mai 2013), konkret in dieser Richtung unternommen, und inwiefern stimmt sie der Aussage der Bundesministerin zu, es gebe in dieser Hinsicht noch Handlungsbedarf? Die Bundesministerin der Justiz, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, hat nach ihrer Israelreise in der Zeit vom 21. bis 24. Mai 2013 das Thema „Ghettorenten“ zusammen mit der zuständigen Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Dr. Ursula von der Leyen, besprochen. Im Hinblick auf Rechtsänderungen ist stets zu bedenken, ob sie zu einer langfristigen Lösung tatsächlich beitragen. Vor diesem Hintergrund muss auch die aktuelle Rechtslage sorgfältig betrachtet werden. Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 50): Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Überprüfung, durch welche die Troika – EU-Kommission, -Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds – Medienberichten zufolge die Kompatibilität einer Verordnung des andalusischen Parlaments zum Schutz vor Zwangs-räumungen mit den Bedingungen des Memorandum of -Understanding feststellen wollte (http://politica.elpais.com/politica/2013/05/09/actualidad/1368124646_474464.html sowie www.faz.net/aktuell/politik/ausland/europa/spanien-zum-schutz-der-eigenen-vier-waende-12190337.html), und ist die Bundesregierung der Meinung, dass die erwähnte Verordnung gegen die Auflagen des Memorandums verstößt (bitte begründen)? Die Troika überprüft in institutioneller Unabhängigkeit die Vereinbarkeit von beschlossenen Maßnahmen mit dem Memorandum of Understanding. Sie legt der Euro-Gruppe nach Abschluss ihrer Mission das Ergebnis vor. Die Bundesregierung hat insofern keine eigenen -Erkenntnisse zur Überprüfung der Kompatibilität der Verordnung des andalusischen Parlaments mit dem -Memorandum of Understanding. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 51): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den aktuellen Ergebnissen einer Studie des Deutschen -Instituts für Wirtschaftsforschung e. V., DIW, Berlin, zu Aufkommen und Bemessungsgrundlage der Unternehmensbesteuerung in Deutschland (DIW Wochenbericht Nr. 22 und 23.2013, „Unternehmensbesteuerung: Hohe Gewinne – mäßige Steuereinnahmen“), wonach zwischen den gesamtwirtschaftlichen und den versteuerten Unternehmensgewinnen eine Besteuerungslücke in Höhe von etwa 90 Milliarden Euro existiert, und welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über mögliche Ursachen für eine solche Besteuerungslücke? Aus Sicht der Bundesregierung bestehen bei der -Ableitung einer Besteuerungslücke aus den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen methodisch grundsätzlich erhebliche Bedenken, die bei der Interpretation der Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zu dieser Thematik beachtet werden müssen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, selbst weist in seinem Wochenbericht auf schwer zu quantifizierende Schätzungsunsicherheiten hin. Der Bericht bietet zudem keine Grundlage für konkrete steuerpolitische Schlussfolgerungen, da das DIW nur aus seiner Sicht mögliche Ursachen für eine Reduzierung der steuerlichen Bemessungsgrundlage aufzeigt, ohne diese näher zu untersuchen oder zu quantifizieren. Im Übrigen sind einige dieser Ursachen steuersystematisch vorgegeben, wie zum Beispiel das Entstehen stiller Reserven aufgrund des Imparitätsprinzips, oder sind Folge bewusster steuerpolitischer Entscheidungen, wie zum Beispiel die seinerzeitige steuerliche Förderung in den neuen Bundesländern. Im Hinblick auf die ebenfalls angesprochenen Möglichkeiten der internationalen Gewinnverlagerung geht die Bundesregierung davon aus, dass Deutschland besonders mit der sogenannten Zinsschranke, den Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen, den gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschriften, der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz sowie den sogenannten Entstrickungsregelungen bereits über wirksame Vorschriften zur Verhinderung solcher Gewinnverlagerungen verfügt. Die Bundesregierung setzt sich darüber hinaus auch auf europäischer und internationaler Ebene aktiv für eine abgestimmte Vorgehensweise der Staatengemeinschaft zur Verhinderung von Gewinnverlagerungen ein. -Momentan werden im Rahmen des OECD-Projekts BEPS, Base Erosion and Profit Shifting, unter sehr aktiver Mitbeteiligung Deutschlands Besteuerungslücken identifiziert, die sich aus Unterschieden in den verschiedenen Steuerrechtsordnungen ergeben können, und Handlungsempfehlungen zur Schließung von Besteuerungslücken erarbeitet. Die OECD wird hierzu Ende Juni einen Bericht vorlegen. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 52): Mit welchen fiskalisch negativen Folgen rechnet die Bundesregierung aufgrund der Tatsache, dass bei der Bewertung von übernommenen Verpflichtungen und der damit verbundenen Möglichkeit zur steuermindernden Realisierung von stillen Lasten keine gesetzliche Änderung durch das AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz vorgenommen wurde, und welche inhaltlichen Bedenken hat die Bundesregierung gegen den diesbezüglichen Vorschlag der Länder gemäß der Bundestagsdrucksache 17/13036? Die Bundesregierung sieht im Hinblick auf ein Steuerausfallrisiko in einer grob geschätzten Größenordnung im unteren zweistelligen Milliardenbereich einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Angesichts der komplexen Regelungsmaterie und der weitreichenden Folgewirkungen für die steuerliche Gewinnermittlung müssen die Auswirkungen insbesondere auf mittelständische Unternehmen sorgfältig analysiert werden. Die Bundesregierung erarbeitet zusammen mit den Ländern Vorschläge, die die Belange des Mittelstandes bei der Übertragung von Betrieben berücksichtigen. Die gesetzgeberische Umsetzung ist dann zu Beginn der kommenden Legislaturperiode vorgesehen. Anlage 40 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 53): Sieht die Bundesregierung eine weiterhin bestehende Notwendigkeit zur Förderung von Beschäftigung durch die -steuerliche Regelung zum Abzug von haushaltsnahen Dienstleistungen nach § 35 a des Einkommensteuergesetzes, und wann wird die Bundesregierung diesbezüglich eine Evaluierung vorlegen? Die Förderung der Beschäftigung im Handwerk bleibt eine wichtige politische Zielsetzung der Bundesregierung. Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung dieses Sektors für die deutsche Volkswirtschaft hat sich gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer wieder bewiesen. In diesem Zusammenhang prüft die Bundesregierung auch, ob die steuerliche Regelung zum Abzug von haushaltsnahen Dienstleistungen nach § 35 a Einkommensteuergesetz weiterhin eine zielführende Maßnahme für mehr Beschäftigung sein könnte. Zu dieser Frage-stellung wird auch eine wissenschaftliche Expertise eingeholt, die nach wettbewerblicher Ausschreibung von Ernst & Young geleistet werden wird. Nach Abnahme des Endberichts wird die Studie veröffentlicht werden. Anlage 41 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 54): Inwieweit ist das Bundeszentralamt für Steuern in die Überprüfung von Rentenmitteilungen hinsichtlich einer sich ergebenden Steuerpflicht von Rentenempfängerinnen bzw. empfängern eingebunden, und inwieweit erfolgt dabei ein Datenabgleich auf automatische Art und Weise? Das Bundeszentralamt für Steuern ist bei der Überprüfung von Rentenmitteilungen hinsichtlich einer sich ergebenden Steuerpflicht von Rentenempfängerinnen bzw. empfängern nicht eingebunden. Anlage 42 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 55): Welche bundeseigenen Unternehmen sind außerhalb Deutschlands angesiedelt, und welche konkreten Steuervorteile bzw. -privilegien gelten jeweils? Das Bundesministerium der Finanzen gibt einen jährlichen Beteiligungsbericht für das vorausgegangene Geschäftsjahr heraus, in dem detailliert Informationen -inklusive Internetadresse zu den unmittelbaren Beteiligungen sowie eine Liste mit den unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen des Bundes mit einem Nennkapital von 50 000 Euro oder vergleichbarer Landeswährung und einem Anteil von 25 Prozent oder mehr aufgelistet sind. Der letzte Beteiligungsbericht 2012 bildet den Bestand zum 31. Dezember 2011 ab. Er wurde in Druckform Mitte März 2013 an den Deutschen Bundestag für alle Abgeordneten versandt. Steuerliche Regelungen aufgrund von Auslandsbeteiligungen von Unternehmen mit Bundesbeteiligung gehören zum operativen Geschäft der jeweiligen Unternehmen, zu denen die Bundesregierung im Einzelnen keine Auskunft erteilen kann. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hat dazu in seinem in der Bundestagsdrucksache 13/6149 wiedergegeben Beschluss festgestellt, dass das parlamentarische Fragerecht solche Sachverhalte nicht umfasst. Ich bitte daher um Verständnis, dass eine weitergehende Beantwortung nicht erfolgen kann. Anlage 43 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Fragen 60 und 61): Was sind in den zurückliegenden zehn Jahren die acht Branchen mit der höchsten und die acht Branchen mit der niedrigsten Reallohnentwicklung gewesen (bitte jeweils entsprechende Steigerungsdaten nennen), und wie hat sich in diesen Branchen die Tarifbindung entwickelt (bitte auch entsprechende Daten nennen)? Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über den Zusammenhang von Tarifbindung und Lohnentwicklung (soweit dazu Zahlen vorliegen, bitte nennen), und welche Überlegungen gibt es in der Bundesregierung zu einer möglichen Reform der Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen? Zu Frage 60: Amtliche Daten zur Reallohnentwicklung in einzelnen Branchen liegen der Bundesregierung nicht vor. Das Statistische Bundesamt erhebt allerdings Daten zur Nominallohnentwicklung. Im Vergleich der letzten zehn Jahre können aufgrund der veränderten Erhebungssystematik nur die Wirtschaftszweige im produzierenden Gewerbe, Handel sowie Kredit- und Versicherungsgewerbe und auch dort nur die Vollzeitbeschäftigten einbezogen werden. Demnach waren die Nominallohnzuwächse, bezogen auf durchschnittliche Bruttomonatsverdienste – ohne Sonderzahlungen –, in den vergangenen zehn Jahren in folgenden acht Wirtschaftszweigen prozentual am höchsten: Gewinnung von Erdöl und Erdgas 42,8 Erbringung von Dienstleistungen für den Bergbau und für die Gewinnung von Steinen und Erden 35,7 Kokerei und Mineralölverarbeitung 31,2 Erbringung von Finanzdienstleistungen 29,5 Mit Finanz- und Versicherungsdienstleistungen verbundene Tätigkeiten 28,8 Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen 27,6 Maschinenbau 27,0 Sonstiger Fahrzeugbau 26,8 In folgenden acht Wirtschaftszweigen waren die Zuwächse im gleichen Zeitraum prozentual am geringsten: Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) 19,3 Sammlung, Behandlung und Beseitigung von Abfällen; Rückgewinnung 18,5 Gewinnung von Steinen und Erden, sonstiger Bergbau 18,5 Herstellung von Textilien 18,1 Tiefbau 17,5 Hochbau 16,1 Herstellung von Druckerzeugnissen; Vervielfältigung von bespielten Ton-, Bild- und Datenträgern 12,6 Herstellung von Leder, Lederwaren und Schuhen 5,2 Im gleichen Zeitraum betrug der Anstieg des Verbraucherpreisindex 17,5 Prozent. Zur Tarifbindung liegen ebenfalls keine amtlichen branchenbezogenen Daten für den angefragten Zeitraum vor. Das IAB-Betriebspanel kann grundsätzlich zur Ermittlung der Tarifbindung herangezogen werden. Dort sind die Daten jedoch nicht in der notwendigen Differenzierung vorhanden, um die Tarifbindung für alle aufgeführten Wirtschaftszweige darstellen zu können. Zu Frage 61: Über den Zusammenhang von Tarifbindung und Lohn-entwicklung liegen der Bundesregierung keine belastbaren Erkenntnisse vor. Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist ein Baustein zur Sicherung der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie. Geänderte Rahmenbedingungen können Anlass geben, die Notwendigkeit und Wirksamkeit der Allgemeinverbindlicherklärung auf den Prüfstand zu stellen und etwaigen Änderungsbedarf zu eruieren. Hinsichtlich des Bedarfs und der Möglichkeiten einer zeitgemäßen Anpassung ist die Meinungsbildung in der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen. Anlage 44 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 64 und 65): In welcher Weise (durch wen, wann) hat die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel Kenntnis von der Aufforderung des Bundesrechnungshofes zur Übersendung der kompletten Unterlagen zur Beschaffung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk erhalten, und wie hat sie auf die Ablehnung dieses Ersuchens durch das Bundesministerium der Verteidigung reagiert? Welche Maßnahmen hat die Bundeskanzlerin gegenüber dem Bundesminister der Verteidigung ergriffen, nachdem sie von diesen Vorgängen Kenntnis erhalten hatte, um die vollständige Herausgabe dieser Unterlagen an den Bundesrechnungshof zu veranlassen? Die Bundeskanzlerin ist mit den Einzelheiten der Weitergabe von Informationen zu Rüstungsprojekten des BMVg an den Bundesrechnungshof nicht befasst. Anlage 45 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 66 und 67): Welches Zulassungsziel hat der Euro-Hawk-Entwicklungsvertrag von 2007 vorgesehen, und inwiefern wurde dieses bis heute erfüllt? Inwiefern besteht aus Sicht der Bundesregierung die Gefahr, dass für die Global-Hawk-Drohnen des NATO-AGS-Programms ähnliche Probleme mit der Zulassung für den Luftraum entstehen, und inwiefern hat sie sich hierzu seit Beginn des AGS-Programms mit ihren NATO-Partnern ausgetauscht? Zu Frage 66: Hinsichtlich der Musterzulassung des Full Scale Demonstrators schuldet die Firma EuroHawk GmbH die Managementleistung für den Zulassungsprozess. Dies umfasst die Koordination der von den Unterauftragnehmern EADS und Northrop Grumman zu erbringenden Einzelleistungen. Hinsichtlich des Full Scale Demon-strators wird die Durchführung bestimmter in der Leistungsbeschreibung definierter Aktivitäten zur Musterzulassung geschuldet. Dieser Leistungsanteil unterliegt der Bemühensklausel. Der Auftragnehmer ist damit verpflichtet, die Dienstleistung vorzunehmen. Der Erfolg der Musterzulassung ist nicht geschuldet. Die Vorläufige Verkehrszulassung des Euro Hawk Full Scale Demonstrators wurde erreicht. Die ursprünglich beabsichtigte umfassende Musterprüfung einer geplanten Serie wurde nicht erreicht. Zu Frage 67: Die Entscheidung Deutschlands, im Projekt Euro Hawk auf die Serienbeschaffung zu verzichten und den Full Scale Demonstrator nach qualifiziertem Abschluss der Erprobung nicht weiterzubetreiben, hat keinen unmittelbaren Einfluss auf das Projekt NATO AGS Core. Die deutsche Zulassungsproblematik beim Euro Hawk ist nicht auf die Zulassungssituation der Luftfahrzeuge NATO AGS Core übertragbar. Die NATO beschafft ein System auf Basis des technisch fortgeschritteneren Global Hawk Block 40. Zulassung und Zertifizierung der NATO-AGS-Core- Luftfahrzeuge erfolgen in der Zuständigkeit Italiens durch die italienische militärische Zulassungsbehörde – DAA. Dazu hat die NATO-Beschaffungsagentur NAGSMA im Januar 2013 eine entsprechende Vereinbarung mit der DAA unterzeichnet. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 68 und 69): Welche eigenen Prüfungen wurden nach Bekanntwerden des Berichts des US Operational Test and Evaluation Center über die technischen Mängel und die Einsatzuntauglichkeit des RQ-4B Global Hawk unternommen bzw. in Auftrag gegeben, und welche Gegeneinschätzung rechtfertigte das Festhalten an der Entwicklung und Beschaffung des Euro Hawk? Welche Implikationen hat die Einstellung der Serienbeschaffung des Euro Hawk auf die deutsche Beteiligung an der NATO-AGS-Core-Beschaffung von Global Hawks sowie die Pläne der Bundeswehr zur Beschaffung von unbemannten Systemen der Kategorie MALE? Zu Frage 68: Der Projektleiter Euro Hawk hat den Bericht „Operational Test and Evaluation Report“ des „Director, Operational Test and Evaluation“ zu den UAS der Baureihe RQ-4B Global Hawk Block 30 von Mai 2011 ausgewertet. Der Bericht stuft die dort benannten Probleme des Global Hawk RQ-4B Block 30 insgesamt nicht als flugsicherheitskritisch, sondern als missionskritisch ein. Der Projektleiter hat diese Einschätzung bestätigt. Es handelt sich dabei um Probleme bei der abbildenden Aufklärungssensorik des Global Hawk RQ-4B Block 30. Da die Bundeswehr keine Beschaffung eines Global Hawk RQ-4B Block 30 beabsichtigte, ergaben sich hieraus keine Konsequenzen für das Euro-Hawk-Programm. Zu Frage 69: Die Entscheidung Deutschlands, im Projekt Euro Hawk auf die Serienbeschaffung zu verzichten und den Full Scale Demonstrator nach qualifiziertem Abschluss der Erprobung nicht weiterzubetreiben, hat keinen unmittelbaren Einfluss auf das Projekt NATO AGS Core. Die deutsche Zulassungsproblematik beim Euro Hawk ist nicht auf die Zulassungssituation der Luftfahrzeuge NATO AGS Core übertragbar. Die NATO beschafft ein System auf Basis des technisch fortgeschritteneren Global Hawk Block 40. Zulassung und Zertifizierung der NATO-AGS-Core- Luftfahrzeuge erfolgen in der Zuständigkeit Italiens durch die italienische militärische Zulassungsbehörde, DAA. Für die MALE-UAS-Überbrückungslösung hat die Einstellung des Entwicklungsvorhabens Euro Hawk keine direkten Auswirkungen. Allerdings besteht auch bei Systemen, die als Lösung infrage kommen, ein Risiko für das Erreichen einer deutschen Musterzulassung. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Fragen 70 und 71): In welcher Form soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung die „notwendige gesellschaftspolitische Debatte“ in die Entscheidung der Bundesregierung zur Beschaffung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge einfließen, bzw. in welcher Form ist sie eingeflossen? Hat das Bundesministerium der Verteidigung, BMVg, die Verträge zum Euro Hawk mit der Firma Northrop Grumman mittlerweile gekündigt und, falls nicht, warum nicht? Zu Frage 70: Die Beschaffung von Rüstungsgütern und Waffensystemen fußt auf nationalem wie internationalem Recht und beruht auf der Analyse möglicher Bedrohungs- und Einsatzszenarien. Diese unterliegen bzw. sind Ausdruck einer politischen Bewertung, in die auch gesellschaftspolitische Debattenbeiträge einfließen. Herr Bundesminister der Verteidigung Dr. Thomas de Maiziere hat im Zusammenhang mit einer möglichen Beschaffung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge mehrfach eine öffentliche Diskussion eingefordert. Im vorliegenden Fall ist eine abschließende Entscheidung zur Beschaffung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge noch nicht getroffen. Aussagen, in welcher Form gesellschaftspolitische Debattenbeiträge dabei eine Rolle spielen werden, sind daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt spekulativ. Die Bundesregierung wird bei ihrer Entscheidung die öffentliche Debatte jedoch berücksichtigen. Zu Frage 71: Die Leitung des BMVg hat am 10. Mai 2013 entschieden, die Vorbereitungen für eine Euro-Hawk--Serienbeschaffung nicht weiterzuverfolgen. Ein Beschaffungsvertrag wurde nicht abgeschlossen. Deshalb stellt sich die Frage einer Kündigung nicht. Das BMVg beabsichtigt weiterhin, den bestehenden Entwicklungsvertrag mit der Firma EuroHawk GmbH mit der Qualifizierung des Missionssystems zum Zieltermin 30. September 2013 zu beenden. An diesem Ziel richtet sich auch die Beendigung der beiden Unterstützungsverträge für die Vorbereitung des geplanten Anfangsflugbetriebes aus. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 72): Inwiefern wäre nach Kenntnis der Bundesregierung eine Verkehrszulassung der italienischen Streitkräfte für die NATO-AGS-Drohnen mit den Anforderungen der Zulassung vergleichbar, die die Bundeswehr für den Euro Hawk verfolgt hat, und inwiefern würde eine solche Zulassung durch italienische Behörden einen Einsatz dieser Drohnen auf deutschen Flughäfen und im deutschen Luftraum erlauben? Zulassung und Zertifizierung der NATO-AGS-Core- Luftfahrzeuge erfolgen in der Zuständigkeit Italiens durch die italienische militärische Zulassungsbehörde, DAA. Dazu hat die NATO-Beschaffungsagentur NAGSMA im Januar 2013 eine entsprechende Vereinbarung mit der DAA unterzeichnet. Vergleichende Untersuchungen zwischen dem deutschen und dem italienischen Zulassungssystem wurden bisher nicht durchgeführt. Erkenntnisse liegen dem BMVg nicht vor. Jeder Staat, der Deutschland mit einem Luftfahrzeug überfliegen möchte, muss dafür formal eine Überflugerlaubnis beantragen. Dieser Antrag wird durch das zuständige Flugbetriebsreferat im BMVg gemeinsam mit dem für die Zulassung von Luftfahrzeugen zuständigen Referat vor Erteilung einer Überflugerlaubnis bewertet. Die Vorlage einer anerkannten und gültigen Zulassung ist dabei eine Voraussetzung für eine mögliche Überfluggenehmigung. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 73 und 74): Ist es richtig, dass sämtliche Beteiligten am Vertrag zwischen der Bundesregierung und der EuroHawk GmbH das Recht hatten, sämtliche Musterunterlagen in den Räumlichkeiten von Northrop Grumman einzusehen, und hat die Bundesregierung davon Gebrauch gemacht? Ist die Aussage des amerikanischen Vertragspartners -Northrop Grumman (Der Tagesspiegel vom 29. Mai 2013) zutreffend, dass mit dem Demonstrator auch ein Antikollisionssystem mitgeliefert worden ist und dieses bis heute nicht eingebaut wurde? Zu Frage 73: Nein, dies trifft nicht zu. Die in den Räumlichkeiten von Northrop Grumman gewährte Einsichtnahme in die technischen Unterlagen war begrenzt auf das mit der Musterprüfung befasste Personal des Auftraggebers. Obwohl alle vertraglichen und außervertraglichen Vereinbarungen, TAA, MoU, getroffen waren, gab es Einschränkungen bei der Einsichtnahme in Dokumente mit besonderen Freigabebeschränkungen, ITAR. Zu Frage 74: Dies ist zutreffend. Jedoch wurde das vom Hersteller angeführte Kollisionswarnsystem, TCAS, von der amerikanischen Zulassungsbehörde Federal Aviation Ad-ministration, FAA, für den Flugbetrieb mit dem Global Hawk nicht zugelassen. Auch ist das Kollisionswarnsystem, TCAS, kein Sense-and-Avoid-System. Ein solches zugelassenes System ist bis heute nicht marktverfügbar. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 75 und 76): Wie und wann wurde das vertraglich vereinbarte Zulassungsziel des Euro-Hawk-Entwicklungsvertrags von 2007 seither geändert? Inwiefern wurden seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder des Betriebsrates des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr, BAAINBw, bzw. des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung, BWB, Warnungen bezüglich der Zulassung des Euro Hawk wem gegenüber vorgetragen? Zu Frage 75: Vertraglich vereinbart war und ist die Durchführung einer Musterprüfung mit dem Ziel der Musterzulassung der Serienluftfahrzeuge. Eine Musterzulassung wurde bisher nicht erreicht. Der Euro Hawk Full Scale Demonstrator sollte im Rahmen des Entwicklungsvertrages nur eine vorläufige Verkehrszulassung zur Aufnahme des Erprobungsflugbetriebs erhalten. Dieses Zulassungsziel des Vertrages wurde erreicht. Zu Frage 76: Der Gesamtpersonalrat des Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung, BWB, hat mit Schreiben vom 5. Oktober 2009 dem Präsidenten des BWB gegenüber seine Bedenken – unter beispielhafter Erwähnung des -Euro Hawk – hinsichtlich der Personalausstattung bei der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge 61 – Musterprüfwesen für Luftfahrtgerät der Bundeswehr, WTD 61/ML, und der „Verwischung“ der Zuständigkeit von Nachweisführung und Musterzulassung geäußert. Die Thematik war in den folgenden Monaten jeweils Gegenstand der Monatsgespräche des Gesamtpersonalrates mit dem Präsidenten des BWB. Hierbei wurden die Möglichkeiten der Anwerbung von Luft- und Raumfahrtingenieuren sowie die beabsichtigte organisatorische Trennung der Musterprüfaufgaben von den Fachaufgaben in der WTD 61/ML besprochen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 77 und 78): Wann war dem Bundesministerium der Verteidigung bekannt, dass die US Air Force die geplante Beschaffung des Global Hawk Block 20/30 einstellt, und inwieweit wurde überprüft, ob eine wirtschaftliche Versorgbarkeit einer deutschen Euro-Hawk-Flotte auf Basis des Blocks 20/30 über eine Nutzungsdauer von 20 Jahren trotzdem ermöglicht werden kann? Wer war mit der Prototypenprüfung des Euro Hawk zu welchem Zeitpunkt befasst? Zu Frage 77: Im Januar 2012 wurde bekannt, dass die US Air Force einen Beschaffungsstopp und die Außerdienststellung der Global-Hawk-Block-30-Luftfahrzeuge beabsichtigt. In der darauffolgenden Bewertung des BMVg wurde im Februar 2012 festgestellt, dass von einer Erhöhung der Betriebskosten wegen des weltweit kleineren Flottenumfangs auszugehen ist. Zu Frage 78: Von Juli 2009 bis April 2011 wurden der Musterprüfer Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge 61 – Musterprüfwesen für Luftfahrtgerät der Bundeswehr, WTD 61/ML, und zeitweise Güteprüfer zur Firma -Northrop Grumman entsendet, um Arbeiten im Rahmen eine Prototypenprüfung vorzunehmen. Dabei haben die Prüfer der amerikanischen amtlichen Güteprüfstelle, Defense Contract Management Agency, unterstützt. Am 24. Juni 2010 hat der Leiter der Güteprüfstelle, GPS, Manching den Abschluss der Prototypenprüfung durch die amtliche Feststellung der Verkehrssicherheit für die Erprobungsflüge in den USA testiert. Die Feststellung der Verkehrssicherheit für den Überführungsflug nach Deutschland hat der Leiter der GPS am 14. Juli 2011 bescheinigt. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage des Abgeordneten Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 79): Trifft es zu, dass das Bundesministerium der Verteidigung dem Bundesrechnungshof keinen vollen Zugang zu den vom Bundesrechnungshof angeforderten Unterlagen für die Drohne Euro Hawk gewährt hat, und, wenn ja, aus welchen Gründen? Dem Bundesrechnungshof wurden alle Dokumente übergeben, einschließlich der Dokumente, die den US International Traffic in Arms Regulations, ITAR, unterliegen. Letztere wurden nach vorheriger Information der zuständigen US-Stelle als VS-Geheim eingestuft und am 23. Mai 2013 dem Bundesrechnungshof zur Verfügung gestellt. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage des Abgeordneten Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 80): Aufgrund welcher Erkenntnisse und wann gelangte das BMVg zu der Auffassung, dass eine Musterzulassung für die Drohne Euro Hawk nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand zu erreichen wäre? Am 24. November 2011 trug der Projekleiter Euro Hawk im BMVg vor, dass es bei der Musterzulassung für die Euro-Hawk-Serie wegen erheblicher zusätzlicher Qualifikationsarbeiten zu einem Mehraufwand kommen könnte. Die Leitung des BMVg wurde im Februar 2012 über erhöhte technische, zeitliche und finanzielle Risiken für die Erlangung einer Musterzulassung der EuroHawk-Serie und die damit verbundenen voraussichtlichen Mehrkosten der Serie informiert. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 81 und 82): Bis wann soll das Euro-Hawk-Programm der Bundeswehr weiterlaufen, und welche Kosten plant das Bundesministerium der Verteidigung dafür ein? Wieso geht der Hersteller der Euro-Hawk-Drohne von weitaus geringeren Kosten für die Zulassung der Drohne als das Bundesministerium der Verteidigung aus, und inwiefern fand die Ermittlung der durch das Bundesministerium der Verteidigung angegebenen Kosten von 500 bis 600 Millionen Euro für eine Zulassung in Absprache mit dem Hersteller statt? Zu Frage 81: Es ist beabsichtigt, den Erprobungsflugbetrieb des-integrierten SIGINT-Systems ISIS, Integriertes Signal Intelligence System, auf dem Euro Hawk Full Scale Demonstrator, FSD, bis zum qualifizierten Abschluss der industrieseitigen Erprobung mit dem Zieldatum 30. September 2013 weiterzuführen. Dies ist Voraussetzung für die Übertragung der gewonnenen technischen Erkenntnisse auf eine alternative Trägerplattform. Die dafür notwendigen Vereinbarungen mit dem Auftragnehmer sind noch abschließend zu treffen. Erst danach sind belastbare Aussagen zu den damit verbundenen Kosten möglich. Zu Frage 82: Die Angaben des Herstellers für eine Musterzulassung des Euro Hawk sind weder schlüssig noch hinreichend substantiiert. Die Firma Northrop Grumman wurde durch das BAAlNBw um Klarstellung gebeten. Die Aufwandsabschätzung des Projektleiters wurde aktuell im Rahmen einer externen Studie bestätigt. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 83 und 84): Inwiefern ist ein überarbeitetes Angebot in die Bewertung des Bundesministeriums der Verteidigung über die Fortführung des Euro-Hawk-Programms eingeflossen, und welches konkrete Angebot bezüglich der Projektkosten hat der Hersteller der Euro-Hawk-Drohne in 2013 unterbreitet? Wann hat der Hersteller der Euro-Hawk-Drohne in 2013 angekündigt, eine überarbeitete Preiskalkulation für das Programm vorzulegen, und wann ist dieses überarbeitete bzw. neue Angebot beim Bundesministerium der Verteidigung eingegangen? Zu Frage 83: Mit Schreiben vom 21. Mai 2013, eingegangen im BMVg am 23. Mai 2013, hat der Unterauftragnehmer Northrop Grumman einen mit Schätzkosten hinterlegten Vorschlag zur weiteren Vorgehensweise im Projekt an das BMVg übersandt. Dies betraf die Betriebskosten des Full Scale Demonstrators und die „Certification“ der Euro-Hawk-Serie. Die Angaben der Firma Northrop Grumman in diesem Schreiben sind nach Einschätzung des BAAlNBw nicht schlüssig und nicht hinreichend substantiiert. Das BAAlNBw hat die Firma Northrop Grumman gebeten, den Sachverhalt kurzfristig klarzustellen. Zu Frage 84: Der Hersteller des Euro-Hawk, die Firma EuroHawk GmbH, hat 2013 keine solche Ankündigung getätigt und auch keine überarbeitete Preiskalkulation vorgelegt. Im Übrigen verweise ich auf die Antwort zur 83. Frage. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fragen 85 und 86): Wann waren der Bundesminister der Verteidigung und die Staatssekretäre des Bundesministeriums der Verteidigung jeweils erstmals mit den Problemen in der Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof beim Euro-Hawk-Programm befasst, und welche Position haben sie dabei jeweils vertreten? Warum sah sich das Bundesministerium der Verteidigung in der 21. Kalenderwoche 2013, im Gegensatz zu der Zeit davor, dazu in der Lage, ungeschwärzte Unterlagen zum Euro-Hawk-Programm an den Bundesrechnungshof als Verschlusssache weiterzugeben, und welche konkrete Erkenntnis hat zu dieser Weitergabe geführt? Zu Frage 85: Der Bundesrechnungshof, BRH, hat sich – nach einem vorhergehenden Schriftwechsel auf Referatsebene – mit Schreiben vom 13. März 2012 unmittelbar an Staatssekretär Wolf gerichtet und gebeten, im Fall Euro Hawk vollständige, das heißt ungeschwärzte Unterlagen zu bekommen. Staatssekretär Beemelmans ist seinerzeit davon in Kenntnis gesetzt worden. In dem Antwortschreiben vom 7. Mai 2012 wurden die Gründe aufgeführt, warum in diesem Fall ausnahmsweise keine uneingeschränkte Einsicht in die erbetenen Unterlagen gewährt werden könne. Im Berichterstattergespräch zum Entwurf des Verteidigungshaushalts 2013 vom 24. September 2012 hat der Kollege Dr. Lindner im Rahmen der Generaldebatte die Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof sowie dessen Kritik an der Bereitstellung von Unterlagen in Anwesenheit des Bundesministers der Verteidigung thematisiert. Das Bundesministerium der Verteidigung hat bei diesen Gelegenheiten jeweils ausdrücklich betont, dass die Prüfungs- und Erhebungsrechte des Bundesrechnungshofs nicht bestritten werden und auch im konkreten Fall grundsätzlich eine Herausgabepflicht gemäß § 95 BHO gesehen werde. Gleichwohl gebe es im vorliegenden Einzelfall jedoch gewichtige Gründe, diesen Herausgabeanspruch nur in eingeschränkter Form zu erfüllen. Im Übrigen haben die Prüfer des Bundesrechnungshofs im Dezember 2012 – aufgrund einer mit dem Präsidenten des Hofes getroffenen Vereinbarung – die ungeschwärzten Quartalsberichte im Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr in Koblenz eingesehen. Zu Frage 86: Am 19. Februar 2013 wurde zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesrechnungshof eine Grundsatzvereinbarung getroffen, in der sich das Bundesministerium der Verteidigung verpflichtet, dem Bundesrechnungshof alle Unterlagen, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben für erforderlich hält, vollständig innerhalb einer bestimmten Frist zur Verfügung zu stellen. Im Gegenzug verpflichtet sich der Bundesrechnungshof, die in den Unterlagen und Auskünften gegebenenfalls enthaltenen vertraulichen Informationen entsprechend zu behandeln und schutzwürdige Interessen Dritter sowie Regelungen des Daten- und Vertrauensschutzes zu beachten. Darüber hinaus ermöglicht diese Grundsatzvereinbarung, dass in begründeten Einzelfällen, bei denen das Bundesministerium der Verteidigung ein besonderes -Verfahren bei der Bereitstellung der vollständigen Unterlagen und Auskünfte oder der Übersendung der Prüfungsergebnisse im kontradiktorischen Verfahren für erforderlich hält, besondere Verfahrensmodalitäten abgestimmt werden können. Vor dem Hintergrund dieser Vereinbarung mit dem Bundesrechnungshof und seiner herausragenden verfassungsrechtlichen Stellung einerseits sowie dem Anspruch der Beschäftigten aufseiten des Bundesministeriums der Verteidigung auf Schutz vor eventueller strafrechtlicher Verfolgung durch US-Behörden im Falle eines Verstoßes gegen die auf dem US-Exportrecht beruhenden Sperrvermerke, die eine Weitergabe ohne vorherige Zustimmung des U. S. Department of State verbieten, andererseits ist in der 21. Kalenderwoche 2013 entschieden worden, unter Darlegung der verfassungsrechtlichen Stellung und Rechte des Bundesrechnungshofs Konsultationen mit der US-Regierung aufzunehmen und dem Bundesrechnungshof bis zur dortigen Entscheidung die Unterlagen unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen, VS-Geheim, zur Verfügung zu stellen. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 87): Inwieweit wurde der Euro Hawk FSD vor der Überführung nach Deutschland für den US-Luftraum zugelassen, und inwieweit wurde beabsichtigt, für die Überführung des Euro Hawk FSD eine Zulassung in den USA zu erwirken (FSD: Full Scale Demonstrator)? Für die Testflüge in den USA und für den anschließenden Überführungsflug nach Deutschland erhielt der Euro Hawk Full Scale Demonstrator eine Vorläufige Verkehrszulassung gemäß ZDv 19/1 durch die deutsche militärische Zulassungsstelle. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage des Abgeordneten Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 88): Inwiefern trifft die Aussage des früheren Bundesministers der Verteidigung Dr. Franz Josef Jung zu, dass ein Kollisionswarnsystem und Regressansprüche Teile der Vertragsunterzeichnung 2007 waren (vergleiche Bild am Sonntag vom 26. Mai 2013), und warum verfügt der Euro Hawk weiterhin nicht über ein Kollisionswarnsystem, obwohl der Hersteller angibt, dass dieses leicht nachzurüsten sei? Vom Zeitpunkt des Abschlusses des Entwicklungsvertrages am 31. Januar 2007 bis heute gibt es kein international anerkanntes und zertifiziertes „Sense-and-Avoid-System“ für unbemannte Luftfahrzeuge; daher wurde dies auch nicht im Vertrag berücksichtigt. Durch technische und prozedurale Verfahren wurde sichergestellt, dass unbemannte Luftfahrzeuge sicher am Luftverkehr teilnehmen können. Das vom Hersteller angeführte Kollisionswarnsystem – Traffic Alert and Collision Avoidance System – kann ein „Sense-and-Avoid-System“ zur Teilnahme am allgemeinen Luftverkehr nicht ersetzen. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage der Abgeordneten Susanne Kieckbusch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Fra-ge 89): Inwiefern hat das Bundesministerium der Verteidigung seit 2007 die Herausgabe von Dokumenten an den Bundesrechnungshof vollständig verweigert bzw. nur eingeschränkt zugelassen, und welche Gründe wurden jeweils aufgeführt? Seit 2007 haben der BRH und die ihm nachgeordneten Prüfungsämter des Bundes mehrere Hundert Prüfungen im Geschäftsbereich des BMVg eingeleitet, bei denen in rechtlich begründeten Einzelfällen einzelne Dokumente dem Bundesrechnungshof nicht übersandt werden konnten. Ohne eine umfangreiche diesbezügliche Abfrage im gesamten Geschäftsbereich des BMVg kann Ihre Frage jedoch nicht umfassend beantwortet werden. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage der Abgeordneten Susanne Kieckbusch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 90): Inwiefern sind Kosten im Zusammenhang mit dem Euro-Hawk-Programm – etwa für Dienstreisen oder Infrastrukturmaßnahmen – über die vom Staatssekretär Stéphane Beemelmans in seinem Bericht vom 14. Mai 2013 (Ausschussdrucksache 17(12)1205) angegebenen Kosten hinaus angefallen, und wann genau erfolgte die diesen zugrunde liegende Leistung jeweils? Durch Dienstreisen verursachte Ausgaben sind im Einzelplan 14 gesondert veranschlagt. Sie werden nicht aus vorhabenbezogenen Haushaltsmitteln finanziert. Für Baumaßnahmen in Bezug auf das Projekt Euro Hawk wurden an den Standorten Schleswig/Jagel, Manching und Nienburg rund 27,3 Millionen Euro aufgewendet. Darüber hinaus wurden am Standort Schlesig/Jagel für querschnittliche, waffensystemübergreifende Maßnahmen – Start- und Landebahn – rund 14,7 Millionen Euro aufgewendet. Die wesentlichen Ausgaben erfolgten in den Jahren 2008 und zwischen 2010 und 2012. Diese Kosten sind nicht im Bericht vom 14. Mai 2013 enthalten. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Fragen des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Fragen 91 und 92): Welchen strategischen Zusammenhang gibt es zwischen der Neuausrichtung der Bundeswehr und dem Festhalten der Bundesregierung an der Drohnenrüstung? Wozu benötigt die Bundeswehr bewaffnete Drohnen, die vorrangig zu gezielten Tötungen eingesetzt werden, wenn ein solcher Einsatz aber von der Bundesregierung öffentlich verneint wird? Zu Frage 91: Die Neuausrichtung der Bundeswehr ist an den sicherheits- und verteidigungspolitischen Rahmenbedingungen ausgerichtet. Damit verbunden ist die Bereitstellung entsprechend benötigter Fähigkeiten, welche unter anderem durch unbemannte Luftfahrzeuge abgedeckt werden können. Zu Frage 92: Die Bundeswehr beabsichtigt, bewaffnete unbemannte Luftfahrzeuge zum Schutz eigener und verbündeter Soldaten einzusetzen. Sie sollen in ein laufendes Gefecht am Boden eingreifen können – schneller und durchhaltefähiger als bemannte Luftfahrzeuge. Die deutschen Streitkräfte sind dabei an die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, insbesondere des humanitären Völkerrechts, gebunden. Eine abschließende Entscheidung zur Beschaffung bewaffneter UAS ist von der Bundesregierung noch nicht getroffen worden. Sie bedarf einer breiten gesellschaftspolitischen Debatte. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Thomas Kossendey auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 93): Welche rechtlichen und technischen Möglichkeiten bestehen für die Bundeswehr und andere Behörden, unabhängig davon, welches Trägersystem zum Einsatz kommt, das -SIGINT-Spionagesystem ISIS auch über dem deutschen bzw. europäischen Territorium zum Einsatz zu bringen, und wird die Bundesregierung das Scheitern des Euro-Hawk-Programms zum Anlass nehmen, eine Trägermaschine für die weitere Vertrauensbildung im Rahmen von Open Skies zu beschaffen, bevor sie sich für weitere Spionageprogramme einsetzt? Der Auftrag der Bundeswehr sieht nicht vor, dass -SIGINT-Systeme generell, also auch ISIS, Daten über der Bundesrepublik Deutschland oder über dem Territorium verbündeter europäischer Staaten sammeln. Der Einsatz von ISIS ist an den verfassungsgemäßen Auftrag der Bundeswehr gebunden und findet über der Bundesrepublik Deutschland oder dem Territorium verbündeter europäischer Staaten nicht statt. Dies gilt nicht im Falle der Landesverteidigung oder Bündnisfall sowie bei Vorlage eines entsprechenden Mandats des Deutschen Bundestages. Die Sensorik wird über dem von der Datensammlung ausgeschlossenen Gebiet nicht aktiviert. Dies ist unabhängig von der Beschaffenheit des Trägersystems. Der Vertrag „Offener Himmel“ ist ein essenzielles Element der europäischen Rüstungskontrollarchitektur. Er sieht internationale kooperative vertrauensbildende Maßnahmen vor. Die Bundesregierung setzt sich weiterhin mit Nachdruck für die baldmögliche Schaffung einer eigenen Fähigkeit (Beschaffung eines Flugzeugs mit Sensoren) zur Umsetzung des Vertrags über den „Offenen Himmel“ ein. Die Beschaffung eines solchen Flugzeugs kann nicht aus dem Einzelplan 14 umgesetzt werden. Dies wurde zuletzt vom Unterausschuss Abrüstung des Deutschen Bundestages bestätigt. Die notwendigen Sondermittel konnten für 2013 und 2014 aus Haushaltgründen nicht eingestellt werden. Eine Verknüpfung des Beschaffungsprojekts Euro-Hawk und der Fähigkeit zur Umsetzung des Vertrags „Offener Himmel“ ist nicht vorgesehen. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Andrea Wicklein (SPD) (Drucksache 17/13667, Frage 94): Was unternimmt die Bundesregierung, um den im Jahr 2014 geplanten Ausbau der A 10 bei Michendorf in Zusammenhang mit dem solaren Lärmschutz zu sichern, und wie erklärt sie die jetzt öffentlich gewordenen Verzögerungen? Seit dem 23. April 2013 liegt für die achtstreifige Erweiterung der A 10 zwischen den Autobahndreiecken Potsdam und Nuthetal bestandskräftiges Baurecht vor. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung misst diesem Projekt als abschließendem Baustein des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 11 – Ausbau der Autobahn A 2 zwischen Hannover und -Berlin sowie A 10, Berliner Ost- und Südring – nach wie vor hohe Bedeutung zu. Der Planfeststellungsbeschluss ermöglicht auch die Errichtung von sogenannten solaren Lärmschutzwänden, in denen die Photovoltaikelemente selbst dem Lärmschutz dienen. Um das Gesamtprojekt zügig weiterzuverfolgen, beabsichtigt das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, der Einleitung des vom Land Brandenburg durchzuführenden strukturierten Verhandlungsverfahrens mit öffentlicher Vergabebekanntmachung für den Bau und Betrieb der solaren Lärmschutzwände nach entsprechender Vorbereitung zuzustimmen. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/13667, Fragen 95 und 96): Wann leitet die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den am 12. April 2013 zur Stellungnahme versendeten -Referentenentwurf für eine Änderung der 16. BImSchV (Schall 03) zu, und rechnet die Bundesregierung mit einem Abschluss des Verfahrens noch in dieser Legislaturperiode? Welche Änderungsvorschläge wird die Bundesregierung aus dem Anhörungsverfahren mit Ländern und Verbänden aufgreifen, bevor sie einen Kabinettsbeschluss herbeiführt, und werden sie den Referentenentwurf grundlegend verändern? Die Fragen 95 und 96 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat am 12. April 2013 zum Entwurf der Ersten Verordnung zur Änderung der Verkehrslärmschutzverordnung (Schall 03 [2012]) Stellungnahmen der Länder und Verbände mit der Bitte um Rückäußerung bis zum 16. Mai 2013 eingeholt. Am 25. April 2013 hat der Deutsche Bundestag und am 3. Mai 2013 der Bundesrat dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zum 11. Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zugestimmt. Damit tritt für neue Planfeststellungsabschnitte bei Neu- und Ausbauvorhaben von Eisenbahnen ab dem 1. Januar 2015 die Abschaffung des Schienenbonus in Kraft. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung schlägt für die Aktualisierung der Anlage 2 der 16. BImSchV ebenfalls ein Inkrafttreten am 1. Januar 2015 vor. Dies berücksichtigt die Stichtagsregelung bei der oben genannte Änderung des BImSchG sowie Anregungen aus der Beteiligung der Länder und Verbände. Zur Auswertung der Stellungnahmen der Länder und Verbände wird das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im August/September 2013 zur Diskussion des Verordnungsentwurfs einladen. Die Änderungsverordnung zur 16. BImSchV soll anschließend entsprechend § 48 b des BImSchG dem Deutschen Bundestag zugeleitet werden. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP) (Drucksache 17/13667, Fragen 97 und 98): Womit begründet die Bundesregierung die Behauptung, den Küstenschutz für Helgoland freiwillig übernommen zu haben (Hamburger Abendblatt vom 24. Mai 2013)? Trifft es zu, dass zwischen der Bundesregierung und dem Land Schleswig-Holstein im Jahr 1961 eine Vereinbarung geschlossen worden ist, nach der der Bund für den Küstenschutz der Hochseeinsel Helgoland zuständig ist? Zu Frage 97: Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Insel Helgoland im Jahr 1952 wieder für die zivile Nutzung freigegeben. Der Bund übernahm große Teile der Ufersicherung sowie den Schutz- und Sicherheitshafen. Der Küstenschutz wurde allerdings erst mit der Schaffung des Art. 91 a GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl. I Seite 359) als sogenannte Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz verankert und so eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage für eine Mitwirkung des Bundes bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder auf diesem Gebiet geschaffen. Zu Frage 98: Ja. Die Bundesregierung strebt eine einvernehmliche Lösung für die notwendigen Küstenschutzmaßnahmen mit dem zuständigen Land Schleswig-Holstein an. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Uwe Beckmeyer (SPD) (Drucksache 17/13667, Fragen 99 und 100): Auf welcher Grundlage hat der Bund bisher Finanzmittel für die Bestandssicherung Helgolands zur Verfügung gestellt, und welche Gründe sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür, die Unterhaltungszuständigkeit zum jetzigen Zeitpunkt neu zu ordnen? Plant die Bundesregierung eine Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, das die Zuständigkeit des Bundes für Arbeiten und Maßnahmen zur Sicherung des Bestandes der Insel Helgoland festschreibt, und wie begründet sie ihre Einschätzung (vergleiche Hamburger Abendblatt vom 25. Mai 2013), dass es sich bei der bisher von der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes wahrgenommenen Sicherung des Inselsockels Helgolands nicht um eine Unterhaltungsaufgabe mit Verkehrsbezug handele und die Sicherung des Bestandes der Insel Helgoland laut dem Bundesminister Dr. Peter Ramsauer „also nicht Bundesaufgabe“ sei? Zu Frage 99: Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Insel Helgoland im Jahr 1952 wieder für die zivile Nutzung freigegeben. Der Bund übernahm große Teile der Ufersicherung sowie den Schutz- und Sicherheitshafen. Im Jahr 1961 wurde hierzu eine Vereinbarung mit dem Land Schleswig-Holstein abgeschlossen. Seit sechs Jahrzehnten unterhält die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, WSV, des Bundes die Ufersicherungsbauwerke praktisch auf der gesamten Westseite der Insel Helgoland. Das geht weit über die gesetzlichen Zuständigkeiten der WSV hinaus. Der Bund führt damit auf seine Kosten eine Aufgabe durch, die verfassungsmäßig zu einem großen Teil dem Land Schleswig-Holstein obliegt. Dies geht zulasten der originären Aufgaben der WSV in Schleswig-Holstein und ganz Deutschland. Das Prüfungsamt des Bundes Hamburg beanstandete wiederholt – zuletzt im Februar 2013 – die von der WSV durchgeführten Küstenschutzarbeiten. Zu Frage 100: Eine Änderung des Bundeswasserstraßengesetzes, WaStrG, ist nicht geplant. Da sich die Verwaltungskompetenz des Bundes auf die Bundeswasserstraßen in ihrer Verkehrsfunktion beschränkt, müssen die Unterhaltungsaufgaben auch nach § 8 Abs. 5 Satz 2 WaStrG einen Verkehrsbezug aufweisen. Die Insel Helgoland ist mit Bezug auf die Seewasserstraßen als Verkehrswege vorwiegend zum Zweck der Seezeichen – § 34 WaStrG – und des Schutzhafens nutzbar gemacht worden und muss daher im Interesse der Hochsee- und Küstenschifffahrt von Bundes wegen erhalten werden. Die Sicherung des Bestandes der Insel Helgoland ist dagegen nicht Bundesaufgabe, soweit sie für den allgemeinen Hochwasser- und Inselschutz erforderlich ist. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/13667, Frage 101): Inwieweit sind polizeiliche oder verkehrspolitische Bundesbehörden in die Planung, Entwicklung, Durchführung oder Auswertung von Maßnahmen der Deutschen Bahn AG involviert, womit diese Teile ihrer Anlagen mit einer oder mehreren fliegenden Kameras überwachen, um das Anbringen von Graffiti zu verfolgen (Süddeutsche Zeitung vom 27. Mai 2013, 18.04 Uhr), und welche über den Artikel hinausgehenden Details sind der Bundesregierung dazu bekannt (insbesondere zu Ort, Typ des Flugroboters, Flugzeiten, Steuerung per Hand oder per GPS, Speicherung und Auswertung etwaiger Bilddaten sowie zur damit verbundenen Umsetzung des Datenschutzes)? Die Deutsche Bahn AG kann, wie andere Unternehmen auch, zur Wahrnehmung ihrer unternehmerischen Sicherheitsaufgaben Personal oder technische Mittel nach eigenem Ermessen und in eigener Verantwortung im Rahmen der geltenden Rechtsvorschriften verwenden und einsetzen. Polizeiliche Bundesbehörden sind nicht in die Planung, Entwicklung, Durchführung oder Auswertung von Maßnahmen der Deutschen Bahn AG zur Überwachung von Teilen ihrer Anlagen mit fliegenden Kameras involviert. Der Bundesregierung sind keine weiteren Details bekannt, welche über den genannten Artikel hinausgehen. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13667, Frage 102): Welche konkreten Steuervorteile bzw. privilegien nimmt die Deutsche Bahn Finance B. V., DB Finance, in den Niederlanden im Vergleich zum deutschen Steuerrecht in Anspruch, und wie hoch ist nach Schätzung der Bundesregierung die Ersparnis durch die Ansiedlung der DB Finance in den Niederlanden gegenüber einer Ansiedlung in der Bundesrepublik Deutschland? Nach Angaben der Deutsche Bahn AG hatte die Gründung der Finanzierungstochter in den Niederlanden ausschließlich finanzwirtschaftliche Beweggründe. Hierzu zählte insbesondere der verbesserte Zugang zu ausländischen Investoren am Euro-Kapitalmarkt. Weitergehende Aussagen sind mit Verweis auf das operative Geschäft nicht möglich. Anlagen 1Anlage 3 2Ergebnis Seite 30612 D ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ 30660 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 242. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Juni 2013 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 242. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Juni 2013 30659 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 30688 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 242. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Juni 2013 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 242. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 5. Juni 2013 30689