Plenarprotokoll 17/245 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 245. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 I n h a l t : Tagesordnungspunkt 1: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zen-tralbank (Drucksachen 17/13829, 17/13901) Tagesordnungspunkt 2: a) Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherinnen und Verbraucher stärken – Marktwächter einführen (Drucksache 17/13709) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherschutz stärken – Finanzmarktwächter einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Axel Troost, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Finanzmärkte verbrauchergerecht regulieren – Finanzwächter und Finanz-TÜV einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Finanzmarktwächter im Verbraucherinteresse einrichten (Drucksachen 17/8894, 17/8764, 17/6503, 17/9759) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU) Kerstin Tack (SPD) Caren Lay (DIE LINKE) Dr. Erik Schweickert (FDP) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mechthild Heil (CDU/CSU) Brigitte Zypries (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Brigitte Zypries (SPD) Tagesordnungspunkt 4: Befragung der Bundesregierung: Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung – Energie auf neuen Wegen; weitere Fragen Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Martin Burkert (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Herbert Behrens (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Gustav Herzog (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Ulrike Gottschalck (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Hans-Joachim Hacker (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Sabine Leidig (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Dirk Becker (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Martin Burkert (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Herbert Behrens (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Hans-Joachim Hacker (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Gustav Herzog (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Thomas Jarzombek (CDU/CSU) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Dirk Becker (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Martin Burkert (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Sabine Leidig (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Thomas Jarzombek (CDU/CSU) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Gustav Herzog (SPD) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Herbert Behrens (DIE LINKE) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Zusatztagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen CDU/CSU und FDP: Aktuelle Situation in der Türkei Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister AA Johannes Kahrs (SPD) Ruprecht Polenz (CDU/CSU) Sevim Da?delen (DIE LINKE) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hans-Werner Ehrenberg (FDP) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Lars Klingbeil (SPD) Gunther Krichbaum (CDU/CSU) Bijan Djir-Sarai (FDP) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 6: Bericht des Petitionsausschusses: Bericht und Beschwerden an den Deutschen Bundestag – Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2012 (Drucksache 17/13660) Kersten Steinke (DIE LINKE) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Klaus Hagemann (SPD) Dr. Peter Röhlinger (FDP) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Patricia Lips (CDU/CSU) Stefan Schwartze (SPD) Hagen Reinhold (FDP) Ingrid Remmers (DIE LINKE) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 3: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes (Drucksachen 17/12370, 17/13689) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Marco Wanderwitz, Johannes Selle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Claudia Winterstein, Burkhardt Müller-Sönksen, Reiner Deutschmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Originäre Kinderfilme aus Deutschland stärker fördern (Drucksachen 17/12381, 17/13689) c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem -Europäischen Übereinkommen vom 8. November 2001 zum Schutz des audiovisuellen Erbes und zu dem Protokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz des audiovisuellen Erbes betreffend den Schutz von Fernsehproduktionen (Drucksachen 17/12952, 17/13690) Bernd Neumann, Staatsminister BK Angelika Krüger-Leißner (SPD) Dr. Claudia Winterstein (FDP) Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Johannes Selle (CDU/CSU) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 5: Fragestunde (Drucksache 17/13810) Mündliche Frage 1 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abgabe der Überarbeitung der Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit und vereinbarte Prüfaufgaben Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 2 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Treffen von BMU und den Atomkraftwerkbetreibern seit April 2013 zur Frage einer Zwischenlagerung der zurückzuführenden radioaktiven Wiederaufarbeitungsabfälle und weitere geplante Treffen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfrage Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 3 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Rechtliche Handhabe gegenüber der Schweiz wegen dortiger Pläne für ein Atom-endlager in Grenznähe Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Mündliche Frage 5 Holger Krestel (FDP) Anzahl der Mitarbeiter des Umweltbundesamtes mit Tätigkeiten für Klimaschutz- und Umweltorganisationen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Zusatzfragen Holger Krestel (FDP) Mündliche Frage 44 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Planung, Durchführung und Unterstützung gezielter Tötungen mittels Drohnen in US-Einrichtungen in Deutschland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 50 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Vorgehen deutscher Sicherheitskräfte bei Demonstrationen in Frankfurt im Vergleich zum Vorgehen der Sicherheitskräfte in der Türkei und in Russland Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Zusatzfragen Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Mündliche Fragen 55 und 56 Nicole Gohlke (DIE LINKE) Einsatz von Reizmitteln bei der Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main durch die Bundespolizei Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Mündliche Frage 57 Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Konsequenzen aus dem Polizeieinsatz bei der Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main für die zukünftige Bereitstellung von Einheiten der Bundespolizei Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Andrej Hunko (DIE LINKE) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Nicole Gohlke (DIE LINKE) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Christine Buchholz (DIE LINKE) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Mündliche Frage 58 Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Polizeiliches Vorgehen bei der Blockupy-Demonstration Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Sabine Leidig (DIE LINKE) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Nicole Gohlke (DIE LINKE) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Andrej Hunko (DIE LINKE) Niema Movassat (DIE LINKE) Christine Buchholz (DIE LINKE) Mündliche Frage 61 Christine Buchholz (DIE LINKE) Anforderung der Bundespolizei und Lageeinschätzung vor dem Einsatz im Rahmen der Blockupy-Demonstration Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Christine Buchholz (DIE LINKE) Niema Movassat (DIE LINKE) Mündliche Frage 62 Christine Buchholz (DIE LINKE) Wahrung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit und unbeschadete Teilnahme an Demonstrationen von Journalisten, Rechtsanwälten, Sanitätern und Demons-trationsbeobachtern Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Zusatzfragen Christine Buchholz (DIE LINKE) Kathrin Vogler (DIE LINKE) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Mündliche Frage 78 Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bis zum 3. März 2011 im Euro-Hawk-Programm beglichene Kosten Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ullrich Meßmer (SPD) Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Mündliche Frage 79 Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vom BMVg geleistete Zahlungen im Zusammenhang mit dem Euro-Hawk-Programm Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Zusatzfragen Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Wolfgang Hellmich (SPD) Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Berichtigung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beatrix Philipp (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt (244. Sitzung, Tagesordnungspunkt 14) Anlage 3 Mündliche Frage 4 Holger Krestel (FDP) Umfang und Vergabepraxis der Fördermittel für Forschungsprojekte im Bereich Klimaschutz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 4 Mündliche Frage 6 Dirk Becker (SPD) EU-Pläne zur Begrenzung der Anrechnung konventioneller Biokraftstoffe aus Nahrungsmittelpflanzen beim Ausbauziel für erneuerbare Energien im Verkehrssektor Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 5 Mündliche Frage 7 Dirk Becker (SPD) Stärkere Gewichtung von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 6 Mündliche Frage 8 Ute Vogt (SPD) Folgen einer Mehrfachanrechnung von Biokraftstoffen aus gebrauchtem Speiseöl Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 7 Mündliche Frage 9 Ute Vogt (SPD) Sicherstellung des Einsatzes von gebrauchtem Speiseöl bei Anwendung des EU-Richtlinienvorschlags COM(2012) 595 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 8 Mündliche Frage 10 Dr. Matthias Miersch (SPD) Ziele der Bundesregierung bei den Verhandlungen über den EU-Richtlinienvorschlag COM(2012) 595 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 9 Mündliche Frage 11 Dr. Matthias Miersch (SPD) Erreichbarkeit des EU-Ausbauziels von 10 Prozent für erneuerbare Energien im Verkehrssektor bis 2020 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 10 Mündliche Fragen 12 und 13 Gerd Bollmann (SPD) Folgen einer stärkeren Förderung von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen und aus Reststoffen der Palmölproduktion im EU-Richtlinienvorschlag COM(2012) 595 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 11 Mündliche Frage 14 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Berücksichtigung der indirekten Landnutzungsänderungen in der Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen; etwaige Einführung von ILUC-Faktoren Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 12 Mündliche Frage 15 Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) Haltung der Bundesregierung zu einer Änderung des EU-Richtlinienvorschlags COM(2012) 595 unter Vermeidung der Anwendung von ILUC-Faktoren Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 13 Mündliche Frage 16 Marco Bülow (SPD) Rolle der Biokraftstoffe der ersten und zweiten Generation beim Ziel der Erzeugung von 10 Prozent des Endenergieverbrauchs im Wege von erneuerbaren Energien Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 14 Mündliche Frage 17 Marco Bülow (SPD) Maßnahmen zur Verhinderung von Landnutzungsänderungen Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 15 Mündliche Frage 18 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erhöhung des EU-Ausbauziels für erneuerbare Energien bis 2020 und weitere Zielsetzungen bis zum Jahr 2030 Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 16 Mündliche Frage 19 Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Vorlage des Monitoringberichts 2012 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 17 Mündliche Frage 20 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenhang zwischen Klimawandel und der Zunahme von Extremwetterereignissen; Konsequenzen für die Klimapolitik Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 18 Mündliche Frage 21 Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volkswirtschaftliche Gesamtkosten durch Extremwetterereignisse in den letzten zehn Jahren und Neubewertung hinsichtlich der Kosten der Energiewende Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 19 Mündliche Frage 22 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusammenhang von Hochwasserereignissen und Flächenverbrauch Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 20 Mündliche Frage 23 Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bemessungsgrundlage für vorbeugenden Hochwasserschutz Antwort Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin BMU Anlage 21 Mündliche Frage 24 Michael Gerdes (SPD) Kosten und Finanzierung der BMBF-App Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 22 Mündliche Frage 25 Michael Gerdes (SPD) Zielgruppe und Anzahl der Downloads der BMBF-App Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 23 Mündliche Frage 26 Oliver Kaczmarek (SPD) Informationeller Mehrwert der BMBF-App Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 24 Mündliche Frage 27 Oliver Kaczmarek (SPD) Ausrüstung von Schulen mit Laptops und Tablet-PCs mit finanzieller Unterstützung des Bundes Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 25 Mündliche Frage 28 Willi Brase (SPD) Zuständigkeit der Länder, Schulträger und Kommunen für den Einsatz digitaler Medien im Unterricht und diesbezügliche Initiativen der Bundesregierung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 26 Mündliche Frage 29 Willi Brase (SPD) Zuständigkeit für die Sanierung und Ausstattung der Fachräume in Schulen Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 27 Mündliche Frage 30 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Umsetzung der Eckpunkte zur Hochschulzulassung; Anzahl der zu vergebenden Studienplätze nach dem Dialogorientierten Serviceverfahren zum Wintersemester 2013/14 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 28 Mündliche Frage 31 Swen Schulz (Spandau) (SPD) Weiteres Verfahren zur Abschaffung des Kooperationsverbots im Bildungsbereich Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 29 Mündliche Frage 32 Ulla Burchardt (SPD) Aussagen des BMBF gegenüber einer Journalistin zu der vorgesehenen Änderung des Grundgesetzes Art. 91 b Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 30 Mündliche Frage 33 Ulla Burchardt (SPD) Auflistung der Anfragen für den „nano Truck“ für den Zeitraum Juni bis August 2013 Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 31 Mündliche Frage 34 René Röspel (SPD) Information von Bundestagsabgeordneten durch das Deutsche ITER-Industrie Forum e. V. Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 32 Mündliche Frage 35 René Röspel (SPD) Vorlage des Gutachtens zur Bewertung des Forschungskonzepts des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 33 Mündliche Frage 36 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Einsicht in das Gutachten zur Bewertung des Forschungskonzepts des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung nach dem Informationsfreiheitsgesetz Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 34 Mündliche Frage 37 Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Frauenanteil bei der Besetzung der Nationalen Plattform Zukunftsstadt Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 35 Mündliche Fragen 38 und 39 Sabine Zimmermann (DIE LINKE) Anzahl der Studenten mit einer Erwerbsarbeit und geleistete Wochenarbeitsstunden; Studenten ohne Abschluss des Studiums in der Regelstudienzeit und als arm eingestufte Studenten Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 36 Mündliche Frage 40 Klaus Hagemann (SPD) Inanspruchnahme externer Beratungsleistungen durch das BMBF im Rahmen des Vorhabens „Innovationsunterstützende Maßnahmen für Elektroniksysteme, Elek-tromobilität“ (Innovum) Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 37 Mündliche Frage 41 Klaus Hagemann (SPD) Konsequenzen aus dem Zwischenbericht des Vorhabens „r3“ und erste Untersuchung Antwort Dr. Helge Braun, Parl. Staatssekretär BMBF Anlage 38 Mündliche Frage 42 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaiges EU-Vertragsverletzungsverfahren aufgrund ausbleibender Meldung des Effizienzziels im Rahmen der EU-Energieeffizienzrichtlinie Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 39 Mündliche Frage 43 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gewinnbeteiligung der vom Netzausbau betroffenen Bürger durch eine „Bürger-dividende“ und Zeitplan der Umsetzung Antwort Ernst Burgbacher, Parl. Staatssekretär BMWi Anlage 40 Mündliche Frage 45 Andrej Hunko (DIE LINKE) Zusammenarbeit mit libyschen Behörden hinsichtlich bilateralen polizeilichen Projekten bzw. der EUBAM-Mission; Zuständigkeit der Sicherheitsorgane im Rahmen der inneren Sicherheit und der Grenzüberwachung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 41 Mündliche Frage 47 Erika Steinbach (CDU/CSU) Beeinflussung der türkischen Medien durch die türkische Regierung hinsichtlich der aktuellen Geschehnisse in der Türkei Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 42 Mündliche Frage 48 Erika Steinbach (CDU/CSU) Kenntnisse der Bundesregierung über Anweisungen der türkischen Regierung bezüglich des Einsatzes von Gewalt gegen Demonstranten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 43 Mündliche Frage 49 Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einfluss auf die türkische Regierung zur Beendigung der Gewalt gegen Demons-trantinnen und Demonstranten Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 44 Mündliche Frage 51 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Schlussfolgerungen aus dem politischen Umgang mit den Demonstrationen in der Türkei Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 45 Mündliche Frage 52 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Barrierefreiheit an deutschen Auslandsschulen und Angebot einer inklusiven Bildung Antwort Cornelia Pieper, Staatsministerin AA Anlage 46 Mündliche Frage 53 Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Beachtung des Brandschutzes und der Barrierefreiheit beim Neubau des BMI und Handlungsbedarf Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 47 Mündliche Frage 54 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Hinderung von Bundestagsabgeordneten am Zutritt zu Blockupy-Protesten durch die Polizei und Handlungsbedarf Antwort Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär BMI Anlage 48 Mündliche Frage 65 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Von den Offenlegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches befreite bundes-eigende Gesellschaften Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 49 Mündliche Frage 66 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Unterstützung der Flutopfer durch eine Erhöhung des Körperschaftsteuersatzes und Verbesserung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 50 Mündliche Frage 67 Dr. Axel Troost (DIE LINKE) Rechtsfolgen bei Fristüberschreitung EU-rechtlicher Vorgaben betreffend AIFM Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 51 Mündliche Frage 68 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Ankauf von Wirtschaftsgütern im Ausland zur Ausnutzung des Progressionsvorbehalts Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 52 Mündliche Frage 69 Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Anhebung von Kindergeld und Kinderfreibetrag Antwort Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 53 Mündliche Frage 70 Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Entwicklung der Bundes-Durchschnittskostensätze für Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit seit 2011 Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 54 Mündliche Fragen 71 und 72 Gabriele Hiller-Ohm (SPD) Vorlage einer Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMAS Anlage 55 Mündliche Frage 73 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anspruch auf Ersatz von Wildschäden für Personen mit Pachten in Jagdgebieten bzw. ethisch befriedeten Bezirken Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 56 Mündliche Frage 74 Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zwischenbericht über die Studie des Thünen-Instituts zur Biogaserzeugung Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 57 Mündliche Frage 75 Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kritik des Bundesbeauftragten für den Datenschutz an der Einführung von § 58 f Arzneimittelgesetz wegen Verhinderung von mehr Transparenz beim Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 58 Mündliche Frage 76 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Volkswirtschaftlicher Nutzen und Legitimität einer Fortführung der Agrogentechnikförderung angesichts des Rückzugs des Konzerns Monsanto; annullierte Zulassungsanträge für gentechnisch veränderte Organismen Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 59 Mündliche Frage 77 Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Erkenntnisse aus einer Studie der „Environmental Sciences Europe“ zum Thema Genmais und Nutzen der Agrogentechnik Antwort Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär BMELV Anlage 60 Mündliche Frage 80 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Überprüfung von Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr nach Amtsantritt von Bundesminister Dr. Thomas de Maizière und Bewertung des Sachstands des Euro-Hawk-Vorhabens Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 61 Mündliche Frage 81 Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einberufung einer Taskforce zur Verbesserung der Berichtspflicht im BMVg und Zeitpunkt des Abschlussberichts Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 62 Mündliche Frage 82 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Verweigerung der Unterzeichnung des Vertrages mit der Euro Hawk GmbH durch die Justiziarin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 63 Mündliche Frage 83 Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zulassung des Euro Hawk in Italien angesichts einer europaweit einheitlichen Zulassung für den Luftverkehr Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 64 Mündliche Fragen 84 und 85 Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kooperationen der Unternehmen IABG und EADS bei Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr; Beeinträchtigung der Einsicht in erforderliche Dokumentationen durch Vorgaben des US Department of State Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 65 Mündliche Frage 86 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Gespräche mit der Firma Cassidian am 10. Dezember 2012 und Information des Verteidigungsministers über die Zulassungsprobleme des Euro Hawk vor dem 13. Mai 2013 Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 66 Mündliche Frage 87 Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Etwaige Neuorganisation des BMVg aufgrund von Erkenntnissen bisheriger Entscheidungsprozesse bei der Beschaffung Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 67 Mündliche Fragen 88 und 89 Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Über die Probleme bei der Überführung des Euro Hawk nach Manching im Juli 2011 informierte Stellen im BMVg und Beginn der Testflüge nach Ablauf von zwei Jahren Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 68 Mündliche Frage 90 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tests des Aufklärungssystems ISIS im Luftraum; Veröffentlichung des Vermerks vom 20. März 2012 an den Verteidigungsminister Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 69 Mündliche Frage 91 Sevim Da?delen (DIE LINKE) Handgeld für die Organisation eines Trainingslagers in Mali und Soldatenausbildung im Rahmen der Flintlock-Übungen Antwort Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär BMVg Anlage 70 Mündliche Frage 92 Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Befreiung der Deutschen Bahn ProjektBau GmbH von den Offenlegungsvorschriften des Handelsgesetzbuches Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 71 Mündliche Fragen 93 und 94 Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nutzung der Wechselkennzeichen Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 72 Mündliche Frage 95 Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Überdeckelung der Bundesautobahn 98 im Abschnitt 98.5 Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 73 Mündliche Fragen 96 und 97 Gustav Herzog (SPD) Schlussfolgerungen aus dem aktuellen Hochwasserereignis für die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes im Hinblick auf Schließung der Ämter, Personalabbau und Erfüllung der Eigentümerverpflichtung Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 74 Mündliche Frage 98 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz für eine EU-Verordnung zum Schiffsrecycling Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 75 Mündliche Frage 99 Herbert Behrens (DIE LINKE) Gesetzesinitiativen zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 76 Mündliche Frage 100 Herbert Behrens (DIE LINKE) Prüfung der Umweltverträglichkeit der festgelegten Routen des Flughafens Berlin Brandenburg Antwort Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär BMVBS Inhaltsverzeichnis 245. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 Beginn: 13.00 Uhr Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet. Bitte nehmen Sie Platz. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank – Drucksachen 17/13829, 17/13901 – Überweisungsvorschlag: Finanzausschuss (f) Rechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Überweisung. Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 17/13829 und 17/13901 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir gemeinsam die Überweisung so beschlossen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 2 a und 2 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbraucherinnen und Verbraucher stärken – Marktwächter einführen – Drucksache 17/13709 – Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Gesundheit Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Ausschuss für Kultur und Medien Haushaltsausschuss b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) – zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbraucherschutz stärken – Finanzmarktwächter einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Axel Troost, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Finanzmärkte verbrauchergerecht regulieren – Finanzwächter und Finanz-TÜV einführen – zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dr. Gerhard Schick, Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Finanzmarktwächter im Verbraucherinte-resse einrichten – Drucksachen 17/8894, 17/8764, 17/6503, 17/9759 – Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Kerstin Tack Dr. Erik Schweickert Caren Lay Nicole Maisch Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Auch hier gibt es keinen Widerspruch. Dann haben wir das so beschlossen. Jetzt eröffne ich die Aussprache. Ich habe gerade die Liste der Redner bekommen. Die erste Rednerin – – (Petra Ernstberger [SPD]: Die Rednerin hat ihre Unterlagen vergessen!) – Dann können wir doch tauschen. (Petra Ernstberger [SPD]: Das ist sehr nett!) Dann machen wir das problemlos, es sei denn, sie kommt in diesen Sekunden noch herein. – Nein. Dann ist der erste Redner für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Ralph Brinkhaus. Bitte schön, Kollege Ralph Brinkhaus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Vielen Dank, Herr Präsident. – Um die Verwirrung ein bisschen aufzulösen: Diese Debatte, die sehr wichtig ist, wollten wir eigentlich am Donnerstagabend letzter Woche durchführen. Wie der eine oder andere von den Zuschauern in der Zeitung gelesen hat, ist der Bundestag am Donnerstagabend bei einer Abstimmung nicht mehr beschlussfähig gewesen. Ich finde es richtig, dass diese Debatte nun heute stattfindet. Wundern Sie sich aber gleich bitte nicht, wenn einige Kollegen und Kolleginnen aus dem Finanzausschuss wie eine Polonaise aus dem Saal ziehen. Diese Debatte kollidiert nämlich mit wichtigen Ausschusssitzungen, die schon lange angesetzt waren, bevor diese Verschiebung stattgefunden hat. Grundsätzlich freue ich mich, dass ich als Finanzpolitiker über Verbraucherschutz reden kann. Ich freue mich deswegen, weil es ein sehr wichtiges Thema ist. Ich freue mich auch deswegen, weil wir sehr viel im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes gemacht haben. Das wird der Schwerpunkt meiner Ausführungen sein. Ich werde gleich darauf zurückkommen. Aber zunächst einmal drei Vorbemerkungen: Die erste Vorbemerkung bezieht sich auf den Begriff Finanzmarktwächter bzw. Marktwächter. Er ist sehr irritierend. Ich finde, Sie sollten sich dafür einen anderen Begriff überlegen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachtwächter!) Der Begriff Wächter hört sich nach Überwachungsstaat in einem schlechten Science-Fiction-Film an. Ich glaube, mit diesem Begriff werden Sie dem Anliegen, welches durchaus ehrenwert ist, nicht gerecht. Zweite Vorbemerkung. Formulierungen in den einzelnen Anträgen, insbesondere im jüngsten Antrag der SPD zu diesem Thema, sind ganz großes Drama. Im Antrag steht zum Beispiel der Satz: „Die soziale Marktwirtschaft ist aus dem Lot geraten.“ (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist so!) Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier kann man etwas mehr in die Tiefe gehen. Das leitet zu meiner dritten Vorbemerkung über: Die Marktwirtschaft ist nicht aus dem Lot geraten. Es ist auch nicht so, dass der Verbraucherschutz in Deutschland nicht existiert, dass wir in diesem Punkt eine Wüstenei sind, im Gegenteil: Es ist in der letzten Zeit sehr viel gemacht worden. Ich glaube, Sie haben es auch nicht nötig, Ihre Anträge so zu verbrämen. Im Hauptantrag der SPD „Marktwächter einführen“ – wir besprechen heute ja mehrere Anträge – stehen durchaus einige sehr interessante, richtige und gute Dinge. So heißt es dort: „Die Märkte sind immer vielfältiger und … komplexer geworden.“ Das ist uneingeschränkt wahr. Das ist im Übrigen auch uneingeschränkt gut. Es hat nämlich etwas mit Entscheidungsfreiheit zu tun, wenn auf den Märkten Vielfalt herrscht. Es ist aber auch uneingeschränkt richtig, dass Vielfalt auf den Märkten dazu führt, dass sie komplexer werden. Es ist auch richtig, wenn man sagt, dass daraus ein Handlungsbedarf resultiert. Ja, es ist ein Handlungsbedarf daraus entstanden, dass die Märkte komplexer geworden sind. Ja, es ist richtig, dass die Anbieter und Verbraucher nicht mehr auf Augenhöhe miteinander argumentieren. Deswegen muss etwas getan werden. Sie kommen in Ihrem Antrag zu dem Schluss, dass wir eigentlich andere Aufsichtsstrukturen brauchen. Auch das ist richtig. Das ist aber ein Schritt zu früh. Bevor andere Aufsichtsstrukturen implementiert werden, brauchen wir erst einmal bessere Regeln. Diese Bundesregierung hat ziemlich viel dafür getan, dass wir bessere Regeln im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes und auch in den anderen Bereichen des Verbraucherschutzes – darauf wird meine Kollegin Heil gleich eingehen – bekommen haben. Ich möchte Ihnen das einmal aufzählen: Wir haben ganz früh in dieser Legislaturperiode das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz verabschiedet, im Rahmen dessen wir die Wertpapierberatung der Banken reguliert haben. Wir haben uns mit offenen Immobilienfonds und der Herstellung von möglichst viel Transparenz beschäftigt. Wir haben die – das hört sich sehr kompliziert an – OGAW-IV-Richtlinie umgesetzt, also europäisches Recht im Bereich der Fonds umgesetzt. Das hat dazu geführt, dass es Key Information Documents gibt und wir dadurch bessere Verbraucherinformation haben. Wir haben uns mit Verjährungsfristen beschäftigt. Wir haben darüber hinaus das Finanzanlagenvermittlergesetz verabschiedet. Wir haben damit einen Bereich, der bisher kaum reguliert war, reguliert. Wir haben diesen Bereich als Erste angepackt und damit einen Bereich aus dem grauen Kapitalmarkt herausgeholt. Wir haben das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik für den Bereich der Wertpapierberatung ein Honorarberatungsgesetz verabschiedet. Das ist neu. Daran werden wir weiter arbeiten. Das Gesetz muss noch weiter aufgebaut werden. Aber auch das haben wir in dieser Legislaturperiode noch hinbekommen. Wir haben das große AIFM-Umsetzungsgesetz verabschiedet. Wir haben damit einen riesigen Bereich aus dem grauen Kapitalmarkt herausgebrochen. Dadurch wurden geschlossene Fonds, die in der Tat Problemprodukte waren, wie offene Fonds reguliert und vieles andere mehr auf den Weg gebracht. Wir haben uns darüber hinaus mit vielen kleinen Themen beschäftigt: mit Kontonummern, mit Geldautomaten, mit E-Geld. Wir haben – das ist sehr interessant – die Provision im Bereich der privaten Krankenversicherungen und der Lebensversicherungen gedeckelt. Wir haben also sehr viel gemacht. Wir sind nicht nur bei den Regeln stehen geblieben, sondern haben auch das gemacht, was Sie fordern: Wir haben Aufsichtsstrukturen im Hinblick auf den Verbraucherschutz neu organisiert. Wir haben die deutschen Aufsichtsstrukturen reformiert. Wir haben den Begriff „Verbraucherschutz“ – auch das ist neu – in die Politik der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, eingeführt. Der Verbraucherbeirat, der von uns eingerichtet worden ist, wird in diesen Wochen das erste Mal tagen. Wir haben darüber hinaus versucht, Beschwerdeverfahren weiter zu normieren. Es ist also ganz viel gemacht worden. Es ist jetzt natürlich das Privileg der Opposition, zu sagen: Es ist nicht genug; es hätte noch höher, schneller und weiter gemacht werden können. Aber dafür sind Sie Opposition und wir Regierung; wir müssen ja etwas haben, über das wir uns kabbeln können. Ich denke, es ist ganz vernünftig gelaufen und wird auch weiterhin so laufen. Jetzt kommen Sie, nachdem Sie die Aufsichtsstrukturen abgearbeitet haben, zu einer sehr interessanten Erkenntnis: Der Staat kann nicht alles regeln. Da müsste jetzt eigentlich Beifall von der liberalen Seite kommen. (Zuruf von der FDP: Dafür müssten Sie mal eine kurze Pause machen!) Das ist auch richtig: Der Staat kann in diesem Bereich nicht alles regeln. Sie kommen nun zu der Erkenntnis und sagen, na ja, es gibt ja neben dem Staat noch etwas anderes: die NGOs und die Verbraucherzentralen. Diese machen doch einen guten Job in Deutschland. – Das ist richtig. Wir haben über 200 Beratungsstellen in Deutschland, die tagtäglich viele Beratungen durchführen und darauf achten, dass die Verbraucherrechte, im Übrigen auch die individuellen Verbraucherrechte, beachtet werden. Sie von der Opposition haben nun eine Idee und sagen: Machen wir diese Verbraucherzentrale doch zu Marktwächtern; ich benutze dieses Wort jetzt einmal, obwohl ich es eigentlich nicht mag. Das hat einen gewissen Charme und hört sich gut an. Jetzt muss ich aber zweimal Wasser in Ihren Wein gießen: Erstens. Wenn die Verbraucherzentralen die Interessenvertreter der Verbraucher sind, dann sind sie parteiisch. Das heißt, sie müssten Partei ergreifen. (Ulrich Kelber [SPD]: Sie sind die Interessenvertreter der Verbraucher!) Sie müssten für den Verbraucher teilweise übertrieben Partei ergreifen. Sie könnten also den Markt, der aus Verbrauchern und Anbietern besteht, doch eigentlich nicht objektiv beaufsichtigen. Das ist der erste Widerspruch. (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen wir auch nicht! – Ulrich Kelber [SPD]: Das ist der Sinn dahinter!) Zum zweiten Widerspruch in Ihrem Anliegen: Der Verbraucherzentrale Bundesverband und die einzelnen Verbraucherzentralen, werden – je nachdem, in welchem Bundesland sie sich befinden – bis zu 85 Prozent durch staatliche Gelder refinanziert. Wenn sie dann – so steht es zwar nicht in Ihrem Hauptantrag, aber in einigen -anderen Anträgen – quasi hoheitliche Aufgaben übernehmen, also das Recht haben, die BaFin zu etwas aufzufordern, dann stellt das eine Verlagerung in den außerdemokratischen Bereich dar; das muss man auch wissen. (Ulrich Kelber [SPD]: Zivilgesellschaft ist doch nicht außerdemokratischer Bereich!) Wer kontrolliert denn eigentlich dann das Verhalten der Verbraucherzentralen? Wenn Sie dieser Zivilgesellschaft Regierungsrechte übertragen, dann haben Sie damit ein Problem. Das muss man anerkennen. Dementsprechend weiß ich nicht, meine Damen und Herren, ob es eine gute Idee ist, die Verbraucherzentralen zu Marktwächtern zu machen. Aber ich würde Ihnen ein Angebot machen, denn wir haben eine Lücke: Wir können die Informationen, die die Verbraucherzentralen täglich in vielen Gesprächen in den 200 Beratungsstellen generieren, viel besser nutzen, indem wir die BaFin auf der einen Seite und die Verbraucherzentralen auf der anderen Seite zusammenbringen und einfach für einen vernünftigen Informationsfluss sorgen. Ich würde mir wünschen, dass der Verbraucherbeirat bei der BaFin diese Aufgabe angeht. Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen. Ich glaube – da sind wir uns wohl alle einig –, dass die Verbraucherpolitik insbesondere im Bereich des finanziellen Verbraucherschutzes noch nicht vollkommen ist; da sind wir noch nicht fertig. Wir werden in der nächsten Legislaturperiode eine Menge Projekte anpacken müssen. Wir haben es bewusst so aufgeteilt; denn die beste Verbraucherschutzpolitik besteht darin, dass die Finanzmärkte stabil sind. Wir haben in dieser Legislaturperiode angefangen, dafür zu sorgen, und haben fast alles, was auf nationaler Ebene zu regeln war, geregelt, haben über 25 Gesetze auf den Weg gebracht. Ich denke, die nächste Legislaturperiode ist für uns Finanzer zumindest im Hinblick auf das, was wir auf nationaler Ebene machen müssen, die Legislaturperiode, in der der Verbraucherschutz noch viel stärker in den Fokus gerückt werden muss. Wir müssen zusehen, dass die unglaublich vielen Informationen, die wir generiert haben, für den Verbraucher lesbarer werden. Wir müssen an der einen oder anderen Stelle nachschärfen, wir müssen das Ganze unbürokratischer machen. Das haben wir uns als Regierungskoalition fest vorgenommen, und wir denken, wir bekommen auch den Auftrag dafür. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – -Zuruf von der SPD: Na, na!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Ralph Brinkhaus. – Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Kerstin Tack. Bitte schön, Frau Kollegin Tack. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Kerstin Tack (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 3. Juni, also vor anderthalb Wochen, hatten wir den Deutschen Verbrauchertag. Das ist traditionell der Tag, an dem sich Vertreter aller Fraktionen vor die Kameras stellen und die Wertschätzung für den Verbraucherschutz und die hervorragende Arbeit der Verbraucherorganisationen zum Ausdruck bringen, aber auch die Mängel ansprechen, die wir feststellen müssen, wenn es um Information, um Transparenz und um die Stärkung der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher geht. Am 3. Juni hat auch die Bundeskanzlerin in ihrem Beitrag bei der Veranstaltung des Verbraucherzentrale Bundesverbands zum Deutschen Verbrauchertag sehr deutlich gesagt, dass der Verbraucherschutz und die Stärkung der Verbraucherrechte Anliegen dieser Bundesregierung seien. Jetzt geht es darum, zu schauen: Was hat diese Behauptung mit den Taten zu tun, die wir vorfinden? Dazu sagen wir: Bei der Stärkung der Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher geht es um mehr als die Frage, ob man bei der BaFin oder anderen Aufsichtsbehörden Verbraucherbeiräte ohne jegliche Kompetenz einrichtet, nur um zu zeigen, dass man da etwas für die Verbraucher vorgesehen hat. Das kann es nicht sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Verbraucherpolitik – auch das sagen wir ganz deut-lich – darf sich auch nicht nur auf den Bereich der Lebensmittel fokussieren. Beim Verbraucherschutz geht es um Gesundheit, um die digitale Welt, um den Anlegerschutz, aber auch um Fragen der Datensicherheit und der Energiewende. All das ist Verbraucherschutz. Wir in den Oppositionsfraktionen sind uns sehr einig, dass wir für die Finanzmärkte in unserem Land einen Finanzmarktwächter konzipieren sollten. Wir von der SPD sagen außerdem, dass wir auch für andere wesentliche Märkte so etwas wie eine Marktwächterfunktion benötigen. Was sollen diese Marktwächter denn nun tun? Sie sollen in unserem Gesamtsystem der Aufsicht ein Stück weit die Funktion eines Sensors und Frühwarnsystems übernehmen, quasi eine kollektive Wahrnehmung von Verbraucherinteressen; und das ist auch richtig so. Denn das, was der individuelle Verbraucher als sein Problem wahrnimmt, ist doch in Wirklichkeit ein Problem, das viele andere Verbraucherinnen und Verbraucher auch haben. Vor dem Hintergrund, dass die Verbraucherzentralen in unserem Land ein Höchstmaß an Vertrauen genießen – und das ist gut so –, sagen wir: Es lohnt sich, die Verbraucherzentralen zu stärken, weil sie die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher vertreten, und zwar einseitig. Das ist unser Konzept. Wir glauben, dass der Verbraucherschutz in Deutschland letztendlich nur dann gelingen kann, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher gestärkt werden. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deswegen wollen wir neben dem Finanzmarktwächter einen Marktwächter für Energie, für digitale Welt, für Lebensmittel und für Gesundheit. Diese Marktwächter haben fünf Funktionen: Sie sollen beobachten, beraten, bewerten, bearbeiten und bekämpfen. Was sollen sie beobachten? Sie sollen den Markt in fünf Kernbereichen systematisch beobachten und stichprobenhaft analysieren, an welcher Stelle der Markt Missstände aufweist. Auch Testkäufe sollen erfolgen. Verbraucherministerin Aigner hat sie einmal gewollt, konnte sich aber nicht durchsetzen. Jetzt schiebt sie es auf angebliche Verfassungsprobleme; dabei sind die alle ausgeräumt. Wir wollen, dass systematische Analysen am Markt möglich sind. Wir wollen, dass die Marktwächter beraten. Die derzeit bereits geleistete Beratung soll systematisch und -immens ausgeweitet werden. Wir wissen, dass die Verbraucherzentralen diese Kompetenz haben. Die Marktwächter sollen ihre Erkenntnisse bündeln. Sie sollen Informationsportale im Internet aufbauen, damit jeder, auch derjenige, der keine Verbraucherzentrale fußläufig in der Nähe hat, Beratung und Unterstützung findet. Die Marktwächter sollen bewerten, und zwar das verbrauchergerechte Verhalten von Unternehmen; denn genau an dieser Stelle sind Transparenz und Vergleichbarkeit häufig nicht gegeben. Das kann der Verbraucher, die Verbraucherin nicht alleine leisten. Deswegen wollen wir, dass das Vorgehen ein Stück weit kollektiviert wird. Auch die AGBs und andere Aspekte wollen wir in eine Gesamtschau stellen. Dann sollen die Marktwächter bearbeiten, und zwar Hinweise. Diese sollen sie an die Aufsichtsbehörden mit dem Recht auf Gehör und an die Politik weitergeben. Schließlich sollen die Marktwächter bekämpfen, und zwar rechtswidrige Marktpraktiken. Um hier die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher durchzusetzen, sollen sie kollektive Klagerechte erhalten. Wir wollen 50 Millionen Euro für diese Arbeit bereitstellen. Finanzieren wollen wir das über die Kartell- und Bußgeldstrafen. Gerade gab es einen Skandal wegen Absprache der Kartoffelpreise. Hier hat man den Verbraucherinnen und Verbrauchern Geld genommen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist doch überhaupt noch nicht geklärt!) Das geben wir ihnen zurück, indem wir die Arbeit der Verbraucherzentralen unterstützen. Man kann also heute sehen, wem Verbraucherschutz wirklich wichtig ist. Sie hatten ja arge Probleme, unserem Konzept etwas Kritisches abzuringen. Deswegen gehen wir davon aus, dass Sie heute zustimmen. Danke. (Beifall bei der SPD – Lachen des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP] – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Haben Sie schon ein Urteil von dem Kartoffel-Vorfall?) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Kerstin Tack. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin Frau Caren Lay. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der LINKEN) Caren Lay (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir, die Linke, waren die erste Partei, die zu Beginn dieser Legislaturperiode einen umfangreichen Antrag zur Stärkung des finanziellen Verbraucherschutzes eingebracht hat. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Gut, gut!) Das schien uns logisch und völlig richtig; denn wir steckten mitten in der Finanzkrise. Viele Menschen hatten ihre Wertpapiere, ihre Lebensversicherungen verloren und hatten Angst, dass sie weiterhin Geld bei den Banken und an den Börsen verlieren. Es ist nicht gerade motivierend – das sage ich als jemand, der in dieser Legislaturperiode zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag gewählt wurde –, wenn ich das Gefühl habe, dass sich nichts geändert hat. Ich könnte den gleichen Antrag heute noch einmal einreichen, ich könnte die gleiche Rede noch einmal halten, weil diese Regierung ihre Energien eher darauf verwendet hat, Banken zu retten, statt die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Mechthild Heil [CDU/CSU]: Sie hätten diese Rede ja gern schon am Donnerstag gehalten! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das ist leider kein Gefühl, sondern Tatsache! – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Völliger Blödsinn!) – Ich habe den Zwischenruf von der FDP „Völliger Blödsinn!“ gehört. Ich will Ihnen einmal sagen, was diese Koalition in dieser Legislaturperiode aus meiner Sicht hätte tun müssen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Da bin ich mal gespannt!) Bevor wir anfangen, über Zinsen und Aufsichten zu reden, müssen wir erst einmal dafür sorgen, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ein Konto hat. Es ist allerdings traurige Realität, dass immer noch über 600 000 Menschen in diesem Land kein Girokonto besitzen. Stellen Sie sich das einmal vor! Sie haben nicht einmal die Möglichkeit, die Miete per Dauerauftrag zu überweisen. Wahrscheinlich bekommen Sie auch gar keinen Mietvertrag. Denn welcher Vermieter wird nicht skeptisch, wenn der potenzielle Mieter keine Kontoverbindung nachweisen kann? (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Im größten Wahlkreis in Rheinland-Pfalz, Mayen-Koblenz, gibt es ganze neun Personen, die kein Konto haben!) Die größte Ungerechtigkeit ist, dass diejenigen, die wegen ihrer Armut kein Girokonto bekommen, dann auch noch die Überweisungs- und Einzahlungsgebühren zahlen müssen. Es ist beschämend, dass es diese Regierung nicht geschafft hat, das Recht auf ein Girokonto einzuführen. Das wird höchste Zeit. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Kerstin Tack [SPD] – Mechthild Heil [CDU/CSU]: Frau Lay, neun Personen in meinem Wahlkreis Mayen-Koblenz! Sie können zu den Kreissparkassen gehen! Die kennen die alle!) Ich komme zu einem weiteren Punkt: Was tun die Banken, wenn sie kein Geld haben? Sie leihen sich Geld bei anderen Banken. Die Europäische Zentralbank sorgt da für günstige Konditionen. Der Leitzins liegt mit 0,5 Prozent auf einem historischen Tiefpunkt. Was machen die Verbraucher, wenn sie kein Geld haben? In aller Regel müssen sie ihren Dispokredit in Anspruch nehmen. Dann zahlen sie im Schnitt sage und schreibe 12 Prozent Dispozinsen – bei manchen Banken müssen sogar 18 Prozent Dispozinsen gezahlt werden –, das entspricht einer Gewinnspanne von 11,5 Prozentpunkten im Schnitt, die die Banken auf Kosten der schwächsten Verbraucherinnen und Verbraucher erzielen. Ich finde, das gehört sich nicht. Das ist unfair. Wir nennen das Ab-zocke. (Beifall bei der LINKEN) Ich bin vor diesem Hintergrund froh, dass die Partei Die Linke als erste Partei schon vor fünf Jahren gefordert hat, die Dispozinsen endlich einmal zu deckeln. Unser Vorschlag lautet seit fünf Jahren: 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Dann können die Banken immer noch Gewinn machen, aber diese Regelung wäre fair für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich freue mich, dass Grüne und SPD im Kern unserer Forderung gefolgt sind. Das zeigt doch, dass die Linke wirkt. (Beifall bei der LINKEN – Lachen bei der SPD – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Hört! Hört! Grüne und SPD sind links!) – Ich freue mich, dass auch die SPD diese Forderung erhebt. Sie fordern maximal 8 Prozent Dispozinsen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass Sie sich bei unseren Anträgen zu diesem Thema enthalten haben. Es ist doch schön, dass wir diesbezüglich eine gemeinsame Linie gefunden haben. Ich komme zum letzten Punkt, zum Thema Finanzaufsicht. Wir als Linke fragen zunächst einmal: Was wollen die Verbraucher? Sie wollen, dass ihr Geld sicher angelegt ist, sie wollen gut beraten werden, und sie wollen vertrauen können. Deswegen sagen wir ganz klar: Wir brauchen vor allen Dingen erst einmal einen Finanz-TÜV, damit Schrottpapiere überhaupt nicht auf den Markt kommen. Diese Schrottpapiere gehören nicht auf den Markt, sondern in den Schredder. (Beifall bei der LINKEN) Stichwort „Finanzwächter“: Herr Kollege Brinkhaus, Sie haben gesagt, dass die Aufsicht im Kern eine hoheitliche Aufgabe sein muss. Diese Position teilen wir als Linke. Deswegen fordern wir beispielsweise in unserem Antrag die Einrichtung einer auch für die Finanzmärkte zuständigen Verbraucherbehörde. Das ist eine hoheitliche Aufgabe. Es gibt überhaupt keinen Grund, dass es zwar bezogen auf andere Märkte solche behördlichen Strukturen gibt, bezogen auf die Finanzmärkte aber nicht. Das alles ist aber kein Argument gegen die Finanzwächter. Auch wir wollen die Verbraucherzentralen stärken. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Wir auch! Wir tun das!) Wir wollen in der Tat, dass sie sich parteiisch für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher einsetzen können. Beispielsweise wollen wir das Recht auf Sammelklagen und Verbandsklagerechte erweitern. Das ist ein Weg, den Sie vielleicht mitgehen können. Sie könnten ja dem Antrag der Linken gleich bei der Abstimmung zustimmen. (Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/CSU] – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Frau Lay, das wollen wir gar nicht erst anfangen! Schon gar nicht in der Endphase!) Meine Damen und Herren, die Menschen fragen sich natürlich: Wo ist mein Geld sicher? Wo kann ich es anlegen? In den letzten Tagen konnten sie in den Zeitungen lesen, dass sie, wenn sie es auf der Bank haben, faktisch Geld verlieren, weil die Zinsen niedriger sind als die Inflationsrate. Ich glaube, dass der Deutsche Bundestag ein Signal aussenden sollte, dass wir den finanziellen Verbraucherschutz ernst nehmen. Deswegen sage ich: Es wird Zeit, dass Sie endlich unseren Anträgen zustimmen. Sonst dürfen wir uns nicht wundern, wenn die Menschen irgendwann wieder anfangen, Omas Sparstrumpf zu stopfen. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Caren Lay. – Nächster Redner für die Fraktion der FDP ist unser Kollege Dr. Erik Schweickert. Bitte schön, Kollege Erik Schweickert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Erik Schweickert (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verbraucherschutz hat die Aufgabe, Informationsasymmetrien zwischen Wirtschaft und Verbrauchern auszubalancieren. Der Markt der Möglichkeiten ist dabei meistens ein Segen; denn der Markt schafft Auswahl, Wettbewerb um Qualität, Preis und Leistung, und er versetzt die Verbraucher in die Lage, zwischen innovativen Produkten und Dienstleistungen das individuell Geeignetste auszuwählen. Ich bestreite nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, dass die Auswahl manchmal zu Unübersichtlichkeit führt. Informationen bleiben zuweilen unverständlich, Angebote vielleicht sogar undurchschaubar. Das machen sich schwarze Schafe zunutze, um Verbraucher hinters Licht zu führen. Klar ist: Verbraucher benötigen Orientierung, sie benötigen Schutz vor Abzockern und Gesundheitsgefahren – ich denke, das eint uns –, und sie benötigen Wissen über die Funktionsweise von Märkten, über wirtschaftliche Zusammenhänge, über die Konsumentenrolle und den Umgang mit Dienstleistungen. Genau dafür haben wir eine Vielzahl von Institutionen und Organisationen, die einen hervorragenden Job dabei machen, Verbrauchern genau diese Orientierung zu geben und Verbraucherkompetenzen zu vermitteln. Wir haben also bereits, wenn Sie es so nennen wollen, Marktwächter. Weil wir als schwarz-gelbe Koalitionsfraktionen um die große Bedeutung und Wichtigkeit dieser Institutionen und Organisationen wissen, (Zuruf von der SPD: Ach!) haben wir diese während unserer Regierungszeit gestärkt, und wir haben neue Ratgeber und neue Anlaufstellen für die Verbraucherinnen und Verbraucher geschaffen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrich Kelber [SPD]: Durch Kürzen der Finanzen!) Wir haben an erster Stelle die Verbraucherzentralen. Sie leisten einen unschätzbar hohen Beitrag für die Bildung von Verbrauchern, aber auch in der Beratung. Durch das Instrument der Abmahnung ist es ihnen auch möglich, Marktteilnehmer zur Räson zu rufen, die sich nicht an die Gesetze halten und versuchen, Verbraucher zu täuschen oder zu betrügen. Wir wissen um die Wichtigkeit der Verbraucherzentralen. Deshalb haben wir die Mittel allein bei der institutionellen Förderung des Bundes von 8,7 auf jährlich 9,44 Millionen Euro erhöht. Wir haben auch dafür gesorgt, dass die Verbraucherzentrale ein Verbindungsbüro in Brüssel aufbauen konnte, (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sehr -richtig!) um insbesondere die Einflüsse auf europäischer Ebene besser beobachten und somit auch besser auf die europäische Politik reagieren zu können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir haben zusammen mit dem vzbv die Deutsche Stiftung Verbraucherschutz ins Leben gerufen, die sich insbesondere um die Verbraucherbildung kümmert. Es war die schwarz-gelbe Bundesregierung, die die Gründung dieser Stiftung durch das Bereitstellen von Grundkapital in Höhe von 10 Millionen Euro ermöglicht hat. Denn es ist uns wichtig, Verbraucherinnen und Verbraucher über die Herausforderungen der Märkte aufzuklären und ihre Rolle als selbstbestimmte Marktteilnehmer zu stärken. Wir haben die Stiftung Warentest, die mit Informationen und Produkttests den Verbrauchern wichtige Hinweise über Angebote gibt und vor möglichen Gesundheitsgefahren sowie vor Abzockmaschen warnt. (Kerstin Tack [SPD]: Das ist ja wohl pein-lich! – Ulrich Kelber [SPD]: Wie ist denn deren Finanzstatus, Herr Dr. Schweickert?) Die schwarz-gelbe Regierung hat durch Aufstockung des Stiftungskapitals um 50 Millionen Euro dazu beigetragen, (Ulrich Kelber [SPD]: Bei gleichzeitigem Kürzen der Jahreszuschüsse!) dass diese Stiftung von den jährlichen Zuweisungen des Deutschen Bundestages unabhängiger wird, dass sie tatsächlich die Unabhängigkeit hat, die sie braucht. Wir haben außerdem mit weiteren 2 Millionen Euro im Haushalt 2013 für die Stiftung Finanztest dafür gesorgt, dass auch ihr wichtiger Beitrag beim finanziellen Verbraucherschutz stärker zur Geltung kommt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Da wir gerade beim Thema Finanzmarkt sind: Dazu gehört natürlich auch, dass wir die nationale Finanzaufsicht in den Verbraucherschutz einbezogen haben. Auf den Beirat bei der BaFin wurde vorhin schon hingewiesen. Ich kann mich da nur anschließen: Banken zu retten heißt auch, das Vermögen der Verbraucherinnen und Verbraucher zu retten. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben im Energiebereich nicht nur eine Schlichtungsstelle für Verbraucher eingerichtet, sondern auch eine Markttransparenzstelle für Strom und Gas. Damit haben wir neue Möglichkeiten geschaffen, dass zum Beispiel die Verbraucher Beratung und Unterstützung bekommen, wenn es Probleme gibt. Im Telekommunikationsbereich haben wir die Bundesnetzagentur. Es gibt verschiedene Ombudsleute, beispielsweise für Banken, Versicherungen und auch im Gesundheitsbereich. Dem Verbraucher fehlt es also nicht an Informations-, Aufsichts- und Beschwerdestellen. (Zuruf von der SPD: Sondern?) Nun soll nach dem Willen der Opposition ein Marktwächter nach dem Prinzip „Schnüffeln, Bellen, Beißen“ folgen. Ich sage Ihnen: Beim Schnüffeln wäre ich vorsichtig; nicht dass sich gemäß Ihrem Modell nachher Google und Facebook noch Marktwächter nennen dürfen. (Kerstin Tack [SPD]: Also Herr Schweickert!) Ich bin nicht für einen Schnüffelstaat. Mir wäre es lieber, wir würden einen besseren Schutz der persönlichen Daten schaffen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hinsichtlich des Beißens sage ich: Ich bin der Meinung, dass dies eine staatliche Aufgabe ist. Schwarze Schafe haben am Markt nichts zu suchen. Mich wundert schon, dass ausgerechnet die SPD das Beißen an eine nichtstaatliche Stelle auslagern möchte. (Kerstin Tack [SPD]: Quatsch! Völliger Blödsinn!) Aber mir ist auch klar, warum Sie das möchten. Sie folgen dem Sprichwort: Hunde, die bellen, beißen nicht. (Kerstin Tack [SPD]: Sie haben das Konzept nicht verstanden!) So ist es ja auch mit der SPD: Vorher wird ordentlich gebellt, aber dann, wenn man Regierungsverantwortung hat, wird nicht gebissen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das zeigt sich auch daran – dieser Seitenhieb sei mir gestattet –, dass die ehemalige Justizministerin Frau Zypries im sogenannten Kompetenzteam von Herrn Steinbrück jetzt plötzlich für Verbraucherschutz zuständig sein soll. Wir aber waren es, die schwarz-gelbe Regierungskoalition, nicht Frau Zypries, die die Abzocke im Internet beendet haben. Wir haben Abofallen im Internet mit dem Bestätigungsbutton einen Riegel vorgeschoben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir waren es, nicht Frau Zypries, die die Abzocke bei Telefonwarteschleifen beendet haben. Wir waren es, nicht Frau Zypries, die die Schlichtungsstelle Luftverkehr auf den Weg gebracht haben, um geprellten Verbrauchern die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte einzuklagen. Wir waren es, nicht Frau Zypries und nicht Herr Steinbrück, die dafür gesorgt haben, dass der Anlegerschutz besser wird. Sie haben die Hedgefonds eingeführt. Wir haben Produktinformationsblätter, Sachkundenachweise bei Beratern, die Regulierung des grauen Kapitalmarkts und den Verbraucherbeirat bei der BaFin eingeführt. Das waren wir und nicht Frau Zypries. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD) Es waren wir, diese schwarz-gelbe Regierungskoalition, und nicht Frau Zypries, die ein Verbraucherinformationsgesetz auf den Weg gebracht haben, das seinen Namen verdient. (Ulrich Kelber [SPD]: So als Brüderle--Verschnitt sehen Sie nicht gut aus! – Kerstin Tack [SPD]: Das stimmt nicht!) Dabei mussten wir genau die Fehler ausmerzen, die Sie im ersten Entwurf dieses Gesetzes gemacht haben. (Kerstin Tack [SPD]: Quatsch!) Das VIG, das Verbraucherinformationsgesetz, ist nun unbürokratischer, es informiert auch über die Produkt-sicherheit, und es lässt eine schnellere Veröffentlichung zu. (Kerstin Tack [SPD]: Das ist doch der Pippi-Langstrumpf-Effekt: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt! – Ulrich Kelber [SPD]: Da sagen doch Ihre eigenen Landesminister was anderes! Einer hat doch hier geredet, der hat Sie doch auseinandergenommen!) Meine Damen und Herren, wir haben die schwarzen Schafe gebissen und ihre betrügerischen Geschäfts-modelle kaputt gemacht, und nicht Sie, Frau Zypries. Insofern kann ich nur feststellen: Nicht immer steht ein sogenanntes Kompetenzteam auch für Kompetenz. Schwarz-Gelb hat im Bereich der Verbraucherschutzes seinen Auftrag erfüllt. Einen besseren Marktwächter als diese christlich-liberale Koalition (Lachen der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]) können sich die Verbraucherinnen und Verbraucher gar nicht wünschen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kerstin Tack [SPD]: Oh Gott, oh Gott!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Schweickert. – Nächste Rednerin für die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen ist unsere Kollegin Frau Nicole Maisch. Bitte schön, Frau Kollegin Maisch. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Debatte und ganz besonders die Beiträge der -Koalition zeigen deutlich, wie wenig sich konzeptionell in acht Jahren unter Federführung der Union im Verbraucherschutzministerium getan hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Na ja! Eigentlich wissen Sie es ja besser, Frau Kollegin!) Horst Seehofer und später Ilse Aigner haben die Verbraucherpolitik in zwei Legislaturperioden an den politischen Katzentisch manövriert. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Ach!) Gravierende Fehlentwicklungen, etwa auf dem Finanzmarkt, und neue Herausforderungen wie im Bereich des Verbraucherdatenschutzes wurden entweder ausgesessen, oder man hat so schlechte Regelungen getroffen, dass sich für die Verbraucher kaum Verbesserungen ergeben haben. An entscheidenden Stellen hat sich Ihre Koalition nicht für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher, sondern einseitig für die Interessen der Anbieter eingesetzt. Ich nenne Ihnen gerne mehrere Beispiele. Die Lebensmittelampel haben Sie verhindert. Was die Veröffentlichung von Hygienekontrollen betrifft, haben Sie Instrumente geschaffen, die vor keinem Gericht Bestand haben; eine reife Leistung. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Na, na, na! Die Urteile gibt es doch noch gar nicht! – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ach was! So ein Quatsch!) Sie lassen Millionen genervter und geschädigter Opfer von unerlaubter Telefonwerbung, Abmahnfirmen und betrügerischem Inkasso im Regen stehen. Es ist doch jede Woche im Verbraucherausschuss das Gleiche: Wir warten auf das Anti-Abzocke-Gesetz der FDP, und -wieder kommt es nicht; (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das kriegen Sie nächste Woche!) ich finde, das ist eine verbraucherpolitische Bankrott-erklärung. (Lachen des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Den Satz „Das kommt nächste Woche“ können Sie jetzt noch genau einmal sagen; dann ist die Legislatur zu Ende. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Frau Maisch, Sie müssen auch mal zuhören!) Sie lehnen eine einheitliche Finanzaufsicht mit klarem Verbrauchermandat immer noch ab. Sie blockieren die Deckelung der Dispozinsen und das Girokonto für jedermann. Mit dem Produktinformationsblatt und dem Beratungsprotokoll haben Sie Instrumente geschaffen, die kaum Verbraucherschutzwirkung entfalten, sondern vor allem dazu dienen, dass sich Banken und Sparkassen vor Gericht gegenüber den geschädigten Anlegern absichern. Aber die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land durchschauen Ihre halbherzige Politik und sehen die negativen Konsequenzen. Zwei Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher vermuten, dass sie von Anbietern von Produkten im Finanzbereich oder bei Lebensmitteln getäuscht oder geschädigt werden. (Mechthild Heil [CDU/CSU]: Ja, ja! Das schreiben die Zeitungen! Aber fragen Sie die Menschen mal, wie viele von ihnen glauben, dass die Zeitungen mit dem, was sie schreiben, recht haben!) Über die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher fühlt sich schlecht oder falsch informiert. Das schlägt sich natürlich auch in der Bewertung der politischen Arbeit der Koalition nieder. In Sachen Verbraucherkompetenz wird der Union nach acht Jahren Regierungsverantwortung ein durchaus peinliches Zeugnis ausgestellt. 9 Prozent der befragten Verbraucherinnen und Verbraucher halten die CDU/CSU für die politische Kraft, die sich am stärksten für die Verbraucherinnen und Verbraucher einsetzt; 9 Prozent, wohlgemerkt nach zwei Legislaturperioden, in denen das Verbraucher-ministerium in Unionshand war. Die Selbstzufriedenheit, die Herr Brinkhaus hier zur Aufführung gebracht hat, spiegelt sich also nicht in der Meinung der Bevölkerung wider. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist immer so!) Ich denke, das ist die Quittung dafür, dass Sie konsequent auf PR statt auf Sacharbeit setzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Debatte um den Marktwächter ist eine strategisch wichtige Debatte. Die Zustände auf dem Finanzmarkt zeigen exemplarisch, wie notwendig neue Instrumente der Verbraucherpolitik sind. Es war interessant, zu -sehen, wie Sie versucht haben, sich an dem Begriff „Finanzmarktwächter“ aufzuhängen, um Argumente gegen systematische Marktbeobachtung zu finden. Wir können das Ding auch „Ralph“ oder „Erik“ nennen, wenn es -Ihnen hilft und Sie unseren Konzepten dann folgen. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Kerstin Tack [SPD]: Oh nein! Da bin ich -dagegen!) Ich finde diese verklausulierten Debatten um die Begriffe eher albern. Es geht uns darum, die Verbraucherzentralen in ihrer Marktwächterfunktion zu stärken – nicht als Ersatz für staatliches Handeln, sondern als sinnvolle zivilgesellschaftliche Ergänzung. Es gibt in anderen Bereichen durchaus sinnvolle Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Akteuren und staatlichem Handeln. Denken Sie zum Beispiel an den Fall, dass bei Ihnen zu Hause in der Kommune Baugebiete ausgewiesen werden: Bei der Regionalplanung bringen sich die Träger öffentlicher Belange ein, arbeiten Umweltverbände mit. Das ist doch nicht vordemokratisch oder undemokratisch, sondern die moderne Art, die Zivilgesellschaft zu beteiligen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das kann man doch überhaupt nicht vergleichen! Wollen Sie einen Wächter oder einen Berater?) Statt Finanzmarktwächter zum Schutz des Verbraucherinteresses weiterzuentwickeln, speisen Sie die Anlegerinnen und Anleger mit Placebos ab. Statt mehr Geld in systematische Marktbeobachtung und Analyse der Beratungen in den Verbraucherzentralen zu investieren, richten Sie ein Verbrauchertelefon ein und schaffen so eine teure und überflüssige Weiterverweisstruktur, die als Datenbasis für zukünftige Verbraucherpolitik sicherlich nicht zu gebrauchen sein wird. Statt Verbraucherschutz als Kernaufgabe der BaFin zu etablieren und die Verbraucherzentralen mit einem formalen Anrufungsrecht – nicht mit Durchgriffsrechten – auszustatten, bekommen die Verbraucherzentralen -einen Platz im Verbraucherbeirat. Da kann man dann darüber reden; substanziell wird sich beim Verbraucherschutz aber nichts tun. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das sieht Herr Billen anders!) Auch beim kollektiven Rechtsschutz für Verbraucherinnen und Verbraucher hat Schwarz-Gelb nichts vorzuweisen. Europa geht voran, und die Grünen waren unwesentlich schneller: Wir haben Ihnen einen Gesetzentwurf zur Gruppenklage vorgelegt. Wir hoffen, dass Sie daraus sinnvolle Inspiration für Ihre politische Arbeit ziehen werden. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das Europabüro wurde aufgebaut!) Die Debatte über die Marktwächter und über die Zukunft der Verbraucherpolitik in diesem Land ist mit unserem heutigen Antrag nicht zu Ende. Sie haben gezeigt, dass Sie diese Zukunft nicht weiter gestalten sollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie stimmen aber heute zu!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Nicole Maisch. – Nächste Rednerin für die Fraktion von CDU und CSU ist unsere Kollegin Frau Mechthild Heil. Bitte schön, Frau Kollegin Heil. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Mechthild Heil (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man sagt: Mit Speck fängt man Mäuse. – Wenn der Wahlkampf beginnt, holt die Opposition große Speckstücke heraus. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprechen Sie jetzt von den ungedeckten Wechseln von Frau Merkel?) Sie glauben wohl, dass Ihre Finanzmarktwächter als eine riesige Speckschwarte dienen können. „Finanzmarktwächter“, das klingt einfach super, eine tolle Wortschöpfung. Die SPD fordert sogar gleich mehrere Marktwächter. Sie wollen, dass nicht nur für Finanzen, sondern auch für Energie, für die digitale Welt, für -Gesundheit und für Lebensmittel Wächter eingesetzt werden. Sie malen das Bild eines Wächters, der die verunsicherten Verbraucher beschützen will und sie beruhigt, eines Wächters, der in seinem Bereich über alle Produkte gleichermaßen wacht und sie in gute und schlechte Produkte einteilt, eines Wächters, der alles überprüft und auch in die letzte dunkle Ecke hineinleuchtet, (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Schnüffelt!) eines Wächters, der uns die Welt erklärt und sie in mundgerechte Bissen zerlegt. Fragt sich, wer dieser Wächter sein soll: Wer hat das Recht, das Wissen und auch die Unabhängigkeit, ein solcher Wächter zu sein? Gute, helfende Wächter – was für ein falsches, naives Bild malen Sie da! (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kerstin Tack [SPD]: Sie haben das nicht gelesen!) Mit der Realität hat dieses Bild überhaupt nichts zu tun. Ihr Vorschlag löst auch gar keines der Probleme, vor -denen wir stehen. Im Gegenteil: Mit den Doppel- und Dreifachstrukturen, die Sie schaffen, wachsen die Bürokratie und die Kosten. Die Verbraucherpolitik der Union betrachtet dagegen die Wirklichkeit. (Kerstin Tack [SPD]: Ihre Wirklichkeit! – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist etwas ganz Neues!) Die Wirklichkeit ist viel komplexer, als Sie denken. Die Finanzmärkte, die digitale Welt, der Energiemarkt, ja -sogar Lebensmittel lassen sich nicht einfach, wie Sie es gerne hätten, in gut und schlecht oder in gesund und ungesund einteilen. Wir setzen deswegen nicht auf Wächter, sondern auf Wissen, Erfahrung und Durchsetzungskraft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Kerstin Tack [SPD]: Sie haben das null begriffen! Das ist ja peinlich! Mensch, ein bisschen Sachlichkeit hier!) Das beweisen auch die Maßnahmen, die wir in der Finanzkrise getroffen haben: Wir haben über 30 Gesetze für den Verbraucherschutz im Bereich Finanzen beschlossen. (Kerstin Tack [SPD]: Sie waren daran nicht beteiligt, Frau Heil, ganz sicher nicht!) Ein Beispiel dazu: Seit 2011 müssen die Kunden bei -einer Wertpapierberatung ein kurzes, verständliches und wertungsfreies Produktinformationsblatt erhalten. So können sie die verschiedenen Finanzprodukte besser vergleichen und herausfinden, welche Anlage sich für sie am besten eignet. Wir wissen dabei: Produktinformation ist nie fertig. Sie ist immer im Fluss. Sie muss immer weiter entwickelt werden. Genau das verlangen wir auch von den Anbietern. Sie dürfen eben nicht in dem Bemühen nachlassen, ein noch so komplexes Anlageprodukt leicht verständlich und gleichzeitig umfassend darzustellen. Damit sind wir auf dem richtigen Weg. Das zeigt auch eine Studie, in deren Rahmen herausgefunden wurde, dass fast alle Verbraucher – nämlich 80 Prozent – die Produktinformationsblätter sehr interessiert lesen. Die anderen haben sie zumindest überflogen. Verbraucher wollen also diese Information, und sie nutzen diese auch. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Verbraucher benötigen dafür ein gewisses Maß an Bildung bzw. Verbraucherbildung. Genau deshalb hat das Bundesverbraucherministerium die Initiative -„Verbraucherbildung – Konsumkompetenz stärken“ gestartet. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt bei der Stärkung der Finanzkompetenz. Verbraucher wollen keine Politik, die sie bevormundet. Sie wollen einen Markt, dem sie vertrauen können und in dem sie sich nach ihren eigenen Vorstellungen für ein Produkt entscheiden können. Genau das ist es, was wir meinen, wenn wir in der christlich-liberalen Koalition sagen: Wir trauen den Menschen etwas zu. (Kerstin Tack [SPD]: Aber die Menschen Ihnen nicht! 9 Prozent sind ja nicht gerade bahnbrechend! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber die Menschen verstehen Sie nicht! 9 Prozent!) Wir schaffen dafür gute Rahmenbedingungen, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher den Märkten vertrauen können. Deswegen haben wir mit dem Gesetz zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen, die BaFin, zu einer noch schlagkräftigeren Behörde ausgebaut. (Ulrich Kelber [SPD]: Die haben Sie Anfang der Legislatur noch wegmachen wollen! Das muss man auch dazusagen!) Die BaFin hat jetzt mehr Kompetenz bekommen. Sie wurde ausdrücklich auch damit beauftragt, für mehr Verbraucherschutz zu sorgen. Es gibt den Verbraucherbeirat bei der BaFin, in dem das Verbraucherministerium, aber auch Vertreter von Verbraucher- und Anlegerschutz-organisationen vertreten sind. Für Verbraucher und -Verbraucherverbände wurde ein Beschwerdeverfahren geschaffen, sodass die BaFin Verstöße gegen Verbraucherschutzbestimmungen jetzt auch verfolgen kann. Die BaFin kennt den Finanzmarkt und seine Produkte wie kein anderer auf dem Markt. Sie ist getragen von -hoher Sach- und Fachkompetenz. Warum sollte man dann einen neuen Marktwächter einführen, der diese Kompetenz nun einmal nicht hat und sich diese erst mühsam erarbeiten müsste? Nein, wir sagen: Die BaFin bleibt die zentrale Finanzaufsichtsbehörde. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Kerstin Tack [SPD]: Sie haben das gar nicht verstanden!) Neben der BaFin stehen noch weitere Akteure auf dem Marktplatz, die für den Verbraucherschutz sorgen. Zum Beispiel haben wir die Stiftung Warentest. Ihr -Anspruch ist ein bisschen anders, nämlich den Verbrauchern die Informationen zu Finanzfragen zu geben, welche die allermeisten Verbraucher betreffen und interessieren. Die Stiftung leistet eine hervorragende -Arbeit. Deshalb unterstützen wir sie jetzt jährlich mit -zusätzlich 2 Millionen Euro. Die Stiftung Warentest hat einen exzellenten Ruf und genießt ein hohes Vertrauen bei den Menschen. Warum sollen wir dann daneben einen neuen Wächter etablieren? Wir haben auch noch die Verbraucherzentralen. Sie leisten ebenfalls gute Arbeit, indem sie die Verbraucherinnen und Verbraucher individuell und unkompliziert beraten. Man könnte es auch so ausdrücken: Sie arbeiten niederschwellig. Auch sie weisen auf Missstände hin. Deshalb kann man sagen, dass sie ebenfalls einen Teil des Finanzmarktes überwachen. Sie sind – wie Sie, Frau Tack, es gefordert haben – der „Sensor“ in dem Markt. Die Verbraucherzentralen haben aber nicht genügend Personal und nicht das Know-how, um die gewünschten Marktwächterfunktionen wahrzunehmen. Außerdem können sie keine öffentlich-rechtliche Überwachungsfunktion übernehmen. Was für den Finanzmarkt gilt, trifft auch auf die anderen Märkte zu: Wir brauchen kein Mehr an Wachen, kein Mehr an Bevormundung und auch kein Mehr an Behörden. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie schön!) Wir haben gute Strukturen. Wir müssen diese guten Strukturen nur nutzen und stärken. Genau das machen wir in der christlich-liberalen Verbraucherpolitik sehr erfolgreich. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass das keiner glaubt!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Mechthild Heil. – Letzte Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Brigitte Zypries. Bitte schön, Frau Kollegin Zypries. (Beifall bei der SPD) Brigitte Zypries (SPD): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Heil, wahrscheinlich ist es in der Tat so, dass man sich darüber unterhalten muss, wie man den Verbraucherschutz sinnvoll gestaltet. Sie nehmen das für sich in Anspruch. Wir nehmen es ebenso für uns in Anspruch. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wir können das gern im Ausschuss einmal miteinander besprechen!) – Sekunde; lassen Sie mich einfach ausreden. – Dann muss man überlegen, was man Vernünftiges macht. Wir haben Ihnen ein Konzept vorgestellt, das Sie zur Kenntnis nehmen und mit uns diskutieren sollten. Herr Dr. Schweickert, es ist in der Tat so, dass Sie versucht haben, die eine oder andere Lücke zu stopfen. (Zuruf des Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP]) – Moment mal! – Das funktioniert nur nicht. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Gern!) 2001, nach den Vorfällen um die Mitternachtsnotare, als den Leuten reihenweise Schrottimmobilien angedreht wurden, haben wir das Gesetz geändert und gesagt: Zwischen Kaufvertrag und der notariellen Beurkundung muss eine 14-Tage-Frist eingehalten werden. Was wurde dann gemacht? Diese Frist wurde umgangen, indem der Käufer unterschreiben sollte, dass er den Kaufvertrag schon entsprechend lange vorliegen hatte, und deshalb mussten der Bundesrat und der Bundestag das Gesetz jetzt gemeinsam ändern und nachjustieren. Ein anderes Beispiel sind die Warteschleifen. Wir haben gesagt: Anrufe auf einer 0180er-Nummer sollen nichts mehr kosten. Was machen die Unternehmen jetzt? Wenn man eine solche Nummer anruft, wird man gefragt, ob man erstens eine Auskunft möchte, zweitens eine Frage hat oder drittens etwas anderes möchte, und aufgefordert, 1, 2 oder 3 zu wählen. Sie wählen dann 1, 2 oder 3, und schon hängen Sie wieder in einer kostenpflichtigen Warteschleife. Das ist doch ein bisschen so wie das Spiel „Hase und Igel“. Herr Dr. Schweickert, dies ist Ihre erste Legislaturperiode hier. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis, dass es für manche Dinge in diesem System einfach ein bestimmtes Verfahren gibt, und fangen Sie nicht an, hier Beschuldigungen aufzustellen, die wirklich an den Haaren herbeigezogen sind. (Beifall bei der SPD – Dr. Erik Schweickert [FDP]: Geben Sie mal ein Beispiel!) – Ich habe Ihnen gerade schon Beispiele genannt, und ich finde, wir können sinnvoll darüber diskutieren. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie haben kein Beispiel genannt! Gar nichts! Sie haben sich nicht um die Warteschleifen gekümmert!) – Können Sie jetzt mal die – – (Lachen bei Abgeordneten der FDP) Ich mache Ihnen das gerne noch einmal verständlich. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Sie müssen einfach mal in den Ausschuss kommen und mit uns diskutieren!) – Herr Präsident, können Sie dem jetzt nicht einmal sagen, dass er ruhig sein soll? (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin, wir kennen Sie natürlich; Sie haben es noch immer geschafft, sich durchzusetzen. Aber natürlich haben Sie recht. (Hans-Michael Goldmann [FDP]: Womit?) – Sie hat zumindest recht, dass sie das Recht hat, dass alle ihr zuhören, Herr Kollege. – Bitte schön, Frau Kollegin Zypries, Sie haben das Wort. (Gisela Piltz [FDP]: Sie muss doch nicht davon Gebrauch machen!) Brigitte Zypries (SPD): Sie brauchen nicht zuzuhören, Sie sollen nur nicht dazwischenreden. Mir geht es nur darum, Ihnen noch einmal zu erklären, was wir hinsichtlich der Marktwächter wollen. Wir wollen, dass diese Marktwächter eine Funktion als Sensor und Frühwarnsystem für systemische Verbraucherprobleme übernehmen. Es geht nicht um individuelle Verbraucherprobleme, sondern um systemische. Das kann ich Ihnen an einem Beispiel schön deutlich machen, nämlich am Beispiel des Energiemarkts. (Abg. Dr. Erik Schweickert [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage) – Ich lasse keine Zwischenfrage zu. Vizepräsident Eduard Oswald: Herr Schweickert, Sie haben es gehört. Brigitte Zypries (SPD): Wir wollen natürlich, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher den Wettbewerb am Energiemarkt durch einen Anbieterwechsel ankurbeln. Gleichzeitig haben wir aber zugeschaut, wie Hunderttausende Verbraucher durch die Pleiten von TelDaFax und FlexStrom geschädigt wurden. Wir glauben, das sollte nicht sein; denn so verlieren die Verbraucherinnen und Verbraucher ihr Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft. Deswegen sind wir froh, dass die Bundesnetzagentur jetzt ihre Aufgabe wahrnimmt und dem Anbieter Care Energy stärker auf die Finger schaut. Das ist genau unsere Idee: Wir wollen, dass systemische Probleme beobachtet und angegangen werden. Die Verbraucherzentralen wussten in diesem Fall aus ihrer Beratungstätigkeit früh, dass die genannten Anbieter die Rückzahlung von Abschlägen hinauszögerten oder die Bonuszahlungen mit windigen Begründungen verweigerten. Dieses Wissen wollen wir den Verbraucherschützern gerne zugänglich machen. Deswegen sagen wir auch gar nicht, Frau Heil, dass hier irgendjemand gegeneinander arbeiten oder dass die BaFin bestimmte Aufgaben nicht mehr haben sollte, sondern wir sagen: Die Verbraucherschützer sollen die Aufsichtsbehörden über genau solche systemischen Probleme informieren, damit die Aufsichtsbehörden handeln können. (Beifall bei der SPD) Es geht um eine Zusammenarbeit zwischen der Zivilgesellschaft und den staatlichen Aufsichtsbehörden. Ich meine, das ist ein vernünftiger Ansatz, weil es doch einfach nicht zu verkennen ist, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in dieser digitalen und vernetzten Welt – gerade in den Bereichen Finanzmarkt, Telekommunikation, Internet und digitale Welt und vor allem auch im Bereich Gesundheit, wo die digitale Welt eine immer größere Rolle spielt – unbedingt noch eine Unterstützung brauchen, um ihre Position zu stärken. Viele wissen doch gar nicht mehr richtig, was eigentlich geschieht, was zum Beispiel Netzneutralität heißt, und was die ganze Diskussion, die wir führen, bedeutet. Oder zum Beispiel fragen sich Verbraucherinnen und Verbraucher, die sich ein digitales Buch kaufen: Kann ich das Buch, nachdem ich es gelesen habe, genauso verschenken wie ein Buch aus Papier? Wie gehe ich mit diesen ganzen Sachen um? Es gibt siebenundzwanzig verschiedene Modelle im Internet, wie man so etwas regeln kann. Wie soll sich eine Verbraucherin oder ein Verbraucher, die oder der nicht den ganzen Tag Zeit hat, sich um die Wahl eines sinnvollen Modelles zur Befriedigung der entsprechenden Bedürfnisse zu kümmern, hier entscheiden können? Da brauchen wir einfach systemisch aufbereitete Hilfen und Unterstützungen und eine bessere Zusammenarbeit mit den Aufsichtsstrukturen. Auch im Bereich des Urheberrechts brauchen wir dringend eine Änderung in Form des sogenannten dritten Korbes des Urheberrechts, aus der in dieser Legislaturperiode nun leider nichts geworden ist, wo aus verbraucherpolitischer Sicht aber dringender Handlungsbedarf besteht. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Brigitte Zypries. – Nun hat das Wort zu einer Kurzintervention unser Kollege Dr. Erik Schweickert. Dr. Erik Schweickert (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Kollegin Zypries, Sie sagten zwar, Sie ließen keine Zwischenfragen zu und der Kollege solle irgendetwas halten. Aber ich möchte Sie in einer Kurzintervention doch fragen, ob – das ist der erste Punkt – Sie mir zustimmen, dass laut Novelle des Telekommunikationsgesetzes dieser schwarz-gelben Bundesregierung der automatisierte Dialog – da gebe ich Ihnen recht –, sofern er zur Bearbeitung des Anliegens dient, etwas kosten darf, die nachgelagerte Warteschleife bei zeitabhängigen Tarifen aber nichts kosten darf. Sind Sie mit mir einig, dass das im Gesetz steht und dass das, was Sie gerade gesagt haben, nämlich dass diese Warteschleife kostenpflichtig sei, falsch ist? Als zweiten Punkt, Frau Zypries, möchte ich von Ihnen gerne wissen, ob – das kann man Ihnen nicht vorwerfen, da Sie die bisherigen Diskussionen zur Verbraucherpolitik nicht verfolgt haben; Sie waren nicht im Ausschuss – Ihre Vorstellung und auch die Vorstellung der Opposition von einem Marktwächter der Definition „schnüffeln, bellen, beißen“ entspricht? Das interessiert mich doch sehr. Vizepräsident Eduard Oswald: Frau Kollegin Brigitte Zypries, Sie haben die Möglichkeit, zu antworten. Bitte schön. Brigitte Zypries (SPD): Herr Kollege, ich kenne leider den Text des Telekommunikationsgesetzes nicht auswendig. Ich weiß nur, dass seit dem Zeitpunkt, seit dem ich im Kompetenzteam von Peer Steinbrück für Verbraucherschutz zuständig bin, mich 50 Leute auf diese besonderen Anrufnummern und die neuen Warteschleifen angesprochen haben. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Seit 1. Juni!) Alle sagen, da liege eine erneute Umgehung der gesetzlichen Regelungen vor, und ich habe keinen Grund, daran zu zweifeln. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Seit dem 1. Juni!) Der Kollege Kelber hat richtig darauf hingewiesen, dass diese Sache bereits bei der Bundesnetzagentur anhängig ist. Mir ging es nur darum, Ihnen zu sagen: Seien Sie doch nicht so selbstgerecht, sondern erkennen Sie doch die Bemühungen aller an, bestimmte Veränderungen zu erreichen, wobei an vielen Stellen im Gesetz immer wieder nachjustiert werden muss. Die Sache mit den Mitternachtsnotaren, bei der wir damals Regelungen beschlossen haben und Sie jetzt nachgebessert haben, ist doch das beste Beispiel dafür, dass nachjustiert werden muss, weil immer wieder versucht wird, die gesetzlichen Regelungen zu umgehen. Auf diesen Sachverhalt kann man sich doch verständigen; das ist doch kein Problem, oder? (Beifall bei der SPD) Im Übrigen möchte ich gerne noch etwas zu den Marktwächtern sagen. Nein, wir legen diese B’s nicht so aus, wie Sie das tun. Wir sagen: Die Marktwächter sollen beobachten, beraten, bewerten, bekämpfen und beteiligen, nämlich die Aufsichtsbehörde. Bekämpfen geschieht in vielen Bereichen schon dadurch, dass man Öffentlichkeit herstellt. Insofern ist das eine Vorstufe, wenn Sie so wollen, und entspricht dem, was Verbraucherberatungen heute schon tun; denn inzwischen funktioniert schon eine Menge in der Selbstregulation. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Zypries. – Ich schließe nun die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 17/13709 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sie sind damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann haben wir die Überweisung so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/9759. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8894 mit dem Titel „Verbraucherschutz stärken – Finanzmarktwächter einführen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das sind Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Fraktion Die Linke. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8764 mit dem Titel „Finanzmärkte verbrauchergerecht regulieren – Finanzwächter und Finanz-TÜV einführen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen, Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. Gegenprobe! – Das ist die Fraktion Die Linke. Enthaltungen? – Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6503 mit dem Titel „Finanzmarktwächter im Verbraucherinteresse einrichten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Enthaltungen? – Sozialdemokraten und Linksfraktion. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 4 auf: Befragung der Bundesregierung Die Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzung mitgeteilt: Mobilitäts- und Kraftstoff-strategie der Bundesregierung – Energie auf neuen Wegen. Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Bericht hat der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Herr Enak Ferlemann. – Bitte schön, Herr Kollege. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geschätzter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung ist der konkrete Beitrag des Verkehrsbereichs, um die im Energiekonzept festgelegten Ziele für den Sektor Verkehr umzusetzen: 10 Prozent Endenergieeinsparung bis 2020 und 40 Prozent Endenergieeinsparung bis 2050. Das Basisjahr dafür ist das Jahr 2005. Der Verkehrssektor insgesamt muss seinen Beitrag zu den Energie- und Klimaschutzzielen der Bundesregierung leisten. Um die Energiewende im Verkehr zukunftsfest auszurichten und ökonomisch, ökologisch und sozialverträglich zu gestalten, bedarf es ebenso wie im Gebäude- und Strombereich angemessener und rechtzeitiger politischer Weichenstellungen, damit sich Fahrzeugindustrie, Energiewirtschaft, Transportgewerbe sowie Bürgerinnen und Bürger hierauf einstellen können und Investitionen mit einer langfristigen Perspektive erfolgen. Die MKS ist hierfür ein realistisches Zukunftskonzept und ein tragfähiger und nachhaltiger Fahrplan für die konkrete Umsetzung. Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss ist nicht das Ende des Prozesses erreicht, sondern wird die Tür aufgemacht zu einer, wie wir es nennen, lernenden Strategie. Damit soll in Zukunft die Weiterentwicklung im Bereich Verkehr und Energie analysiert, das entstandene Netzwerk genutzt und auf Innovationen und neue Entwicklungen reagiert werden können. Im Kern beschäftigt sich die MKS mit dem Themenbereich Verkehr und Energie. Sie beschreibt, welche Antriebs- und Kraftstoffoptionen der Verkehrssektor, und zwar alle Verkehrsträger – Straße, Luft, Schiff und Schiene –, hat und welche Energieinfrastrukturen benötigt werden, um bis 2050 die Ziele des Energiekonzeptes und der Energiewende in Deutschland zu erfüllen. Deutlich wird, dass wir eine 40-prozentige Endenergiereduktion im Verkehrsbereich bis 2050 nur erreichen, wenn wir zusammengefasst folgenden Weg beschreiten: Erstens müssen wir weiter konsequent den Weg der Energieeffizienz gehen. Hier bekommen neue Antriebstechnologien mit Batterie und Brennstoffzelle und die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen langfristig entscheidende Bedeutung für den Straßenverkehr. Zweitens müssen wir die Energiebasis des Verkehrs auf ein breiteres Fundament stellen. Der Slogan „Weg vom Öl“ ist kein Selbstzweck, sondern ökonomisch und ökologisch sinnvoll. In dem Zusammenhang erhält Erdgas im Übrigen auch als Speicher für Strom aus fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen zunehmende Bedeutung, und zwar auch in Verbindung mit Biomethan oder zum Beispiel als LNG, Liquefied Natural Gas, in der Schifffahrt sowie ganz entscheidend Strom aus Wind und Sonne für den Verkehrsbereich. Drittens. Wir brauchen eine robuste Biokraftstoffstrategie. Hier herrschen vor dem Hintergrund sich derzeit verändernder Rahmenbedingungen und Diskussionen Unsicherheiten über die künftigen nachhaltigen Potenziale. Hier braucht der Verkehrsbereich Planungssicherheit: eine zentrale Aufgabe für die MKS als lernende Strategie und Arbeitsauftrag für die kommenden Monate. Viertens. In dem Zusammenhang müssen wir für den Straßengüterverkehr sowie den Luftverkehr robuste Zukunftskonzepte entwickeln. Für beide Bereiche gibt es eine besondere Herausforderungssituation. Hier müssen wir zum Beispiel nicht nur die Rolle von Biokraftstoffen, die derzeit einzige Kraftstoffalternative beispielsweise in der Luftfahrt, bewerten, sondern auch die Technologieentwicklung insbesondere in den Blick nehmen. Dies gilt zum Beispiel für die Elektrifizierung des Lkw oder sogenannte Dual-Fuel-Lösungen mit Erdgas oder LNG. Bei alledem gilt: Es gibt nicht die eine Lösung. Deshalb bleibt es wichtig, technologieoffen und ohne ideologische Scheuklappen alle Optionen im Blick zu behalten. Bevor wir die Strategie formuliert haben, gab es ein breites Beteiligungsverfahren mit Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir kommen nun zu den Fragen dieses Themenbereichs. Erster Fragesteller ist der Kollege Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, im Koalitionsvertrag steht, dass Sie eine Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie vorlegen werden. Was Sie uns aber vorgelegt haben, ist maximal eine Kraftstoffstrategie. Deshalb stellt sich die Frage: Warum gibt es nicht wie versprochen eine Mobilitätsstrategie? Warum ist die Kraftstoffstrategie an vielen Punkten so vage? Ich habe gezählt: 24-mal kommt das Wort „prüfen“ und 43-mal das Wort „sollte“ vor. Aber als ich nach Maßnahmen, die wirklich umgesetzt werden sollen, gesucht habe, habe ich festgestellt, dass das Wort „beschließen“ gar nicht vorkommt. Das heißt, Sie nennen überhaupt keine konkreten Maßnahmen, geschweige denn Etappenziele. Ich bin schon etwas enttäuscht. Warum haben Sie keine Mobilitätsstrategie vorgelegt, und warum sind die Ziele und Maßnahmen, die Sie formulieren, so vage? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Kollege, wie der Begriff „Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie“ schon sagt, handelt es sich um zwei Seiten ein und derselben Medaille. Die Kraftstoffstrategie beinhaltet natürlich eine Mobilitätsstrategie. Gleichwohl gebe ich Ihnen recht: Eine ausführliche Mobilitätsstrategie wird ergänzend noch erarbeitet. Sie muss in den Gesamtzusammenhang gestellt werden. Kraftstoff ist dabei nur ein Teilbereich. Ich freue mich, dass Sie die einzelnen Worte des Berichts intensiv gezählt haben, kann aber Ihre Conclusio daraus nicht bestätigen. Sehr viele konkrete Ziele und Maßnahmen sind genannt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist Kollege Martin Burkert. Martin Burkert (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, meine Frage befasst sich – wie kann es anders sein? – mit der Schiene. Die Bundesregierung sieht besondere Ausgleichsregelungen für die Schiene vor. Ich frage Sie, ob bei der geplanten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes diese Ausgleichsregelungen für die Schiene beibehalten werden sollen und ob man, was die Biotreibstoffe angeht, einen besonderen Schwerpunkt auf der Schiene legt. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Kollege Burkert, Ihre Frage beantworte ich wie folgt: Die Schiene ist für das Erreichen der Energie- und Klimaziele im Verkehr unabdingbar. Der Schienenverkehr stellt bereits seit Jahrzehnten den traditionellen Anwendungsfall für den Einsatz von elektrischer Energie dar. Eine Umstellung auf 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energiequellen bis zum Jahr 2050 ist zum Beispiel in der Strategie der DB AG fest verankert. Daran sollten sich alle anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen nach unserer Auffassung orientieren. Zu Ihrer Frage nach der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes: Ja, die Ausnahmen für die Schiene sollten nach Möglichkeit erhalten werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist Herbert Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich schließe mich der Feststellung des Kollegen Kühn an, dass es sich, wenn überhaupt, um eine Kraftstoffstrategie handelt. Aber selbst da beantworten Sie bestimmte Fragen nicht. Sie haben sich mit 300 Fachleuten beraten. Dabei wird die Energieversorgung mittels Biokraftstoffen sicherlich eine Rolle gespielt haben. Bitte sagen Sie uns doch, in welchen Größenordnungen Sie Biokraftstoffe einsetzen wollen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Für eine 100-prozentige Deckung des Bedarfs durch Biokraftstoffe reichen unsere Ackerflächen bei weitem nicht aus. Das würde zu einem massiven Kolonialismus führen, weil wir unseren Biokraftstoffbedarf dann nur durch das Besetzen von Ackerflächen irgendwo anders decken könnten. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Kollege Behrens, ich bin bereits in meinem Statement auf die Frage nach der Bioenergie eingegangen. Man darf nicht vergessen, dass es bei dieser Diskussion – ich verkürze das sehr stark und formuliere es plastisch – um die Frage „Tank oder Teller?“ geht. Es ist ganz klar, dass für die Bundesregierung der „Teller“ und nicht der „Tank“ Vorrang hat. Daran muss sich die Strategie orientieren. Gleichzeitig ist die Kraftstoffstrategie in weltweite Entwicklungen eingebunden. Wie Sie wissen, geht es in der internationalen Diskussion, gerade wenn es die Bioenergie betrifft, um andere Gesichtspunkte als um die, über die wir diskutieren. Insofern hat die Bioenergie sicherlich einen Vorteil, den sie auch in die Kraftstoffstrategie einbringen kann. Aber er ist begrenzt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nun hat Kollege Gustav Herzog das Wort. Gustav Herzog (SPD): Herr Staatssekretär, Sie haben im ersten Punkt Ihrer einführenden Worte die Energieeffizienz angesprochen und dabei auch die Brennstoffzelle erwähnt. Nun kann man bei einem solchen kurzen einführenden Vortrag keine langen Ausführungen machen. Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, nachzufragen, was von Ihrer Strategie in Sachen Wasserstoff und Brennstoffzelle zu erwarten ist. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Herzog, Sie wissen aus Ihrer Erfahrung im Verkehrsausschuss, dass wir große Anstrengungen unternehmen, um die Brennstoffzelle in vielen Bereichen zum Einsatz zu bringen. Das gilt insbesondere für den Straßenverkehrssektor, aber auch für den Schienensektor; es gibt sogar Überlegungen, die Anwendung dieser Technologie auf den Luftsektor auszuweiten. Wir haben vor, in diesem Bereich erhebliche Fortschritte zu machen. Wir fördern die Bemühungen im Rahmen der Wasserstofftechnologieinitiative der Bundesregierung mit erheblichen Mitteln, um zu einer breiteren Anwendung dieser eigentlich sehr guten und energieeffizienten Form der Antriebe zu kommen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Ulrike Gottschalck. Ulrike Gottschalck (SPD): Herr Ferlemann, ich hätte gern von Ihnen im Hinblick auf alternative Kraftstoffe – für die wollen wir ja werben – erfahren: Plant die Bundesregierung, eine besondere Beschilderung zum Beispiel an Bundesautobahnen anzubringen, um die Menschen darauf hinzuweisen, wo sie alternative Kraftstoffe tanken können? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Gottschalck, auch dieser Vorschlag ist von uns geprüft und für gut befunden worden. Sie wissen, dass es an einigen Autobahnabfahrten bereits jetzt Schilder gibt, die auf bestimmte Kraftstoffarten hinweisen. Auch für alternative Kraftstoffe wird es das geben, sofern es eines Tages dieses engmaschig geknüpfte Netz gibt. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist Hans-Joachim Hacker. Bitte schön, Herr Kollege. Hans-Joachim Hacker (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär Ferlemann, wie viele Elektrofahrzeuge sind in Deutschland insgesamt angemeldet, und wie hoch ist die Zahl der angemeldeten reinen Elektrofahrzeuge im Jahr 2013? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Die genaue Anzahl kann ich Ihnen im Einzelnen nicht nennen. Ich kann sie Ihnen gerne schriftlich nachreichen. In jedem Fall befinden wir uns nach wie vor in einer Phase der Entwicklung. Das heißt, wir haben noch kein Massenprodukt. Die deutsche Automobilindustrie wird in diesem Jahr zum ersten Mal Massenfahrzeuge in diesem Bereich auf den Markt bringen. Ausländische Hersteller haben das schon getan und werden auch mit mehr Modellen auf den Markt kommen. Wir gehen also davon aus, dass bis 2015 die Marktreife so weit ist, dass diese Fahrzeuge in großem Umfang gekauft werden können. Wir gehen davon aus, dass wir bis 2020 1 Million Fahrzeuge mit Elektroantrieb auf Deutschlands Straßen haben werden. Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Damit nicht der Eindruck entsteht, ich hätte nur Wörter gezählt, komme ich zu einer konkreten inhaltlichen Frage. Sie haben eine Biokraftstoffstrategie im Rahmen der Kraftstoffstrategie angemahnt. Ich komme in diesem Zusammenhang auf den Luftverkehr zu sprechen. Auf Seite 44 haben Sie das theoretische Potenzial der Biokraftstoffe beschrieben. Wenn man alle verfügbaren Ressourcen für Biokraftstoffe in Europa zusammennehmen und ins Verhältnis zu dem gesamten Kerosinverbrauch der deutschen Luftfahrtwirtschaft setzen würde, dann käme man zu dem Ergebnis, dass die Biokraftstoffe rein theoretisch maximal 11 Prozent ausmachen würden. Das heißt, eine Biokraftstoffstrategie allein wird dem Luftverkehr, was die Abhängigkeit von Kerosin angeht, nicht helfen. Daher die Frage: Welche weiteren Instrumente und Maßnahmen wollen Sie konkret ergreifen, um dieser Branche bei der Lösung ihres Problems der Abhängigkeit vom fossilen Kerosin zu helfen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Kühn, in der Tat beschreiben Sie das Problem sehr richtig. Wir haben beim Flugverkehr derzeit keine andere Möglichkeit, als auf diese Kraftstoffstrategie, wie Sie es geschildert haben, hinzuweisen und daran zu arbeiten. Gleichwohl beschäftigen wir uns intensiv damit, dass die Forschung, Wasserstoff als Energieträger auch in diesem Bereich mehr zum Einsatz zu bringen, vorangetrieben wird. Der Luftverkehr hat bisher aber nur diese Möglichkeit. Deswegen ist er aus Sicht der Kraftstoffstrategie unser größtes Sorgenkind. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Die nächste Fragestellerin ist Frau Kollegin Sabine Leidig. Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich möchte in meiner Frage auf die Elektroautos zu sprechen kommen, die Sie als ein zentrales Element der Mobilitätsstrategie beschreiben. Sie sprechen jetzt von 1 Million Fahrzeugen, was etwa 2 Prozent des Gesamt-Pkw-Bestandes im Jahr 2020 entspräche. Zugleich gehen Sie davon aus, dass der Pkw-Bestand insgesamt um 3 Prozent steigt. Es ist an dieser Stelle also gar nicht ersichtlich, worin die Kraftstoffsparstrategie eigentlich bestünde. Ich möchte folgende Frage stellen: Wie wollen Sie mit dem Problem umgehen, dass zur Herstellung von Batterien in hohem Maße seltene Rohstoffe benötigt werden, die praktisch komplett importiert werden müssen und um die es schon heute eine heftige Konkurrenz gibt? Sie könnten sehr leicht dem Vorwurf ausgesetzt sein, eine Art Rohstoffkolonialismus zu betreiben; denn insbesondere im globalen Süden wehren sich immer mehr Menschen dagegen, dass auf ihre Kosten seltene Rohstoffe ausgebeutet werden. (Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Von der Diskussion haben Sie nun überhaupt keine Ahnung!) Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ihre Feststellung kann ich nicht bestätigen. Denn wir glauben nicht, dass die Menschen sich dagegen wehren. Wir glauben, dass sie vielmehr froh sind, wenn sie an der Entwicklung der Weltwirtschaft teilhaben können. Das gilt auch für den Abbau von Rohstoffen. Richtig ist, dass wir auch Seltene Erden gerade für die Produktion von Batterien und anderem brauchen. Darum werden wir nicht herumkommen; diesem Problem müssen wir uns stellen. Auf der anderen Seite ist es so: Die Elektromobilität ist die Antwort auf den Klimawandel. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass das Ziel, dass bis 2020  1 Million Elektrofahrzeuge zugelassen sind, zwar durchaus ehrgeizig klingt, wir aber natürlich versuchen wollen, danach wesentlich höhere Ziele zu erreichen. Die Zukunft des Automobils wird in der Elektromobilität liegen. Die Frage ist natürlich, ob wir auf direkte Stromladung oder auf Transmissionsriemen, wie es etwa beim Wasserstoff als Energieträger der Fall ist, setzen. Das wird die Zukunft zeigen. Wir sind technologieoffen; das habe ich in meinem Eingangsstatement erwähnt. Wir machen dabei keine Vorgaben und forschen und fördern deswegen in allen Bereichen, um möglichst viele Elektromobile auf die Straße zu bringen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist der Kollege Dirk Becker. Dirk Becker (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie haben eben mehrfach die Biokraftstoffstrategie angesprochen. Aktuell debattieren wir europäische Vorgaben, sprich: die Deckelung der Biokraftstoffe der ersten Generation auf 5 Prozent. Die restlichen 5 Prozent sollen unter anderem aus Altfetten bzw. aus Biokraftstoffen der zweiten Generation stammen. Das Problem bei den Altfetten ist die Zertifizierung; darüber diskutieren wir parallel. Es wird in Zukunft so sein, dass das vorgesehene Zertifizierungssystem der EU dazu führt, dass Pflanzenkraftstoffe aus Deutschland nicht mehr auf die Quote angerechnet werden können, weil sie aufgrund globaler Abholzungen mit einem sehr negativen Faktor belegt werden. Man kann aber Palmöl, das nach einer Regenwaldrodung gewonnen wird und das früher als Speisefett eingesetzt worden wäre, nach Deutschland bringen und es auf die Quote anrechnen lassen, und zwar doppelt. Wie wird sich die Bundesregierung bezüglich dieser beiden Gegebenheiten in europäischen Diskussionen in Brüssel verhalten? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Herr Kollege, das ist in der Tat eine schwierige Diskussion. Deswegen habe ich gesagt, dass wir gerade bei den Biokraftstoffen im internationalen, vor allem im europäischen Zusammenhang vor großen Diskussionen stehen. Die Bundesregierung beteiligt sich intensiv an der Diskussion, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller ist der Kollege Martin Burkert. Martin Burkert (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, die deutsche Automobilbranche wünscht sich Unterstützung in Form von finanziellen Mitteln. Beabsichtigt die Bundesregierung, einen Kaufpreisanreiz zu setzen, sprich: Bargeld zu geben, wenn jemand ein Elektroauto kauft? Wenn ja: Kann man etwas über die Höhe dieses Betrages erfahren? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrter Kollege Burkert, die Antwort ist Nein. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist unser Kollege Herbert Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, noch einmal zu der Frage, die Sie mir vorhin beantwortet haben, nämlich bezüglich der Reflexion des Problems: Zielkonflikt bei biogenen Kraftstoffen. Sie haben erwähnt, dass Sie – wie haben Sie es genannt? – einen gewissen Anteil biogener Kraftstoffe einsetzen möchten. Gibt es eine konkrete Zahl, die das ein bisschen präzisiert? Ich möchte eine Vorstellung davon bekommen, ob es möglich ist, diesen Bedarf national zu decken, oder ob es zu solchen Effekten kommen wird, wie sie eben beschrieben wurden. Gibt es in der Strategie – eine Strategie muss ja eigentlich mit einer Taktik unterlegt werden, damit sie umgesetzt werden kann – dazu Zahlen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Konkrete Zahlen wären genau das Falsche; denn es ist eine lernende Strategie – so habe ich es bezeichnet –, weil wir wollen, dass sich die Richtung, in die sich ein Markt entwickelt, auch verändern kann. Ein Fragesteller hatte sich vorhin danach erkundigt, wie es mit der Strategie hinsichtlich der biogenen Kraftstoffe aussieht. Es kann sich durchaus ergeben, dass wir ihren Anteil deutlich reduzieren wollen. Von daher wäre jede Festlegung einer Quote genau das Falsche. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller: Kollege Hans-Joachim Hacker. Hans-Joachim Hacker (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär Ferlemann, Sie hatten in Ihrer Antwort auf die Frage meiner Kollegin Ulrike Gottschalck darauf hingewiesen, dass es notwendig ist, in der Fläche ein Netz von Wasserstofftankstellen zu errichten. Daran knüpfe ich die Frage an: Unterstützt die Bundesregierung im Rahmen der nationalen Wasserstoffstrategie noch das vor zwei Jahren kreierte Projekt, mit Berlin und Hamburg gemeinsam eine sogenannte Wasserstoff-Autobahn einzurichten, das heißt, zu erreichen, dass auf der Autobahn zwischen Hamburg und Berlin, durch entsprechende Tankstellen an der Autobahn abgesichert, Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb fahren können? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ja. (Hans-Joachim Hacker [SPD]: Vielen Dank!) Vizepräsident Eduard Oswald: Kollege Gustav Herzog ist der nächste Fragesteller. Gustav Herzog (SPD): Herr Staatssekretär, das Binnenschiff ist wohl das energieeffizienteste Transportmittel. Unabhängig davon, dass wir bei der WSV-Reform und der Kategorisierung unterschiedlicher Auffassung sind, denke ich, stimmen wir überein, dass eine Verlagerung auf das Binnenschiff helfen kann, weniger Kraftstoff zu verbrauchen. Deswegen frage ich Sie: Welchen Stellenwert hat die Verlagerung auf das Binnenschiff in Ihrer Strategie? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Einen überragend wichtigen, Herr Kollege; das wissen Sie. Wir beide sind große Anhänger des Verkehrsträgers Binnenschiff, weil es in der Tat das effizienteste und ökologisch sinnvollste Verkehrsmittel ist. Allerdings bedingt die Strategie der Verlagerung auf das Binnenschiff große Investitionen in die Infrastruktur, was die Schleusenkammergröße, die Anzahl der Schleusen, aber auch die Ertüchtigung von Flüssen, Kanälen usw. anbetrifft. Das heißt, die Verlagerungsstrategie ist richtig, aber ihr muss eine Investitionsstrategie vorausgehen, damit die notwendige Tonnage erzielt werden kann. Vom Grundsatz her gilt: Die Verlagerung ist absolut richtig und wichtig und ein großes Ziel der Bundesregierung. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin: unsere Kollegin Frau Dr. Valerie Wilms. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, es hört sich ja so toll an: Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie. – Das sind zwei Begriffe. Da steht nicht nur „Kraftstoff“. Aber in den Fragen vorhin ging es immer nur um Kraftstoffe: Biokraftstoffe, Wasserstoff. Das hörte sich so an, als ob das alles realisiert werden könnte. Die Frage, die ich habe, lautet: Wo steckt denn eigentlich die Mobilitätsstrategie in Ihrem Papier? Die EU-Kommission sagt im Weißbuch Verkehr ganz eindeutig, dass wir die CO2-Emissionen senken müssen. Da hilft uns nicht der große Fächer. Ich vermisse die Vision. Wohin wollen Sie eigentlich? Wie wollen Sie das strategisch umsetzen? Es geht mir um die Ziele. Wo wollen Sie landen? Wie stellen Sie sich das vor? Oder wollen wir nur diese lernende Nummer haben und hoffen, dass es dann irgendwann zu einem Ende kommt? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr verehrte Frau Kollegin, die lernende Nummer, wie Sie das nennen, ist schon einmal ein großer Fortschritt. Die bisherigen Bundesregierungen haben diese lernende Nummer nie auf die Reihe bekommen. So sind wir ganz froh, dass wir so weit sind, dass wir diese Strategie jetzt haben. Vor allem geht es darum, die Dinge technologieoffen zu diskutieren. Bei der Mobilität geht es unserer Regierung nicht darum, den Leuten vorzuschreiben, wie, wo und wann sie zu fahren haben. Vielmehr sollen sie das Verkehrsmittel ihrer Wahl nutzen können, nur muss das Verkehrsmittel ihrer Wahl so umweltfreundlich wie nur möglich sein. Zur Erreichung dieser Mobilität müssen umweltgerechte Kraftstoffe und umweltgerechte Antriebstechnologien zur Verfügung stehen. Sie können in der Strategie erkennen, wie wir diese Verknüpfung vorgenommen haben. Vizepräsident Eduard Oswald: Der nächste Fragesteller ist Thomas Jarzombek. Bitte schön, Kollege Jarzombek. Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, ich komme noch einmal auf die Frage nach der Subventionierung von Elektrofahrzeugen zurück, die vorhin gestellt wurde. Hängt es in Anbetracht der Schaufenster für Elektromobilität und der gesamten Forschungsförderung, die vorgenommen wurden sowie des Nachteilausgleiches, bei dem der Staat eine Menge gemacht hat, jetzt nicht von der Industrie ab, -faszinierende Produkte auf den Markt zu bringen? Ich habe gelesen, dass Tesla in Amerika von dem neuen Modell mehr Fahrzeuge verkauft hat als Audi und Mercedes mit ihren entsprechenden Topmodellen zusammen. Dieses Auto ist total faszinierend. Die Kinder drücken sich die Nase an der Scheibe platt. Ist die Industrie jetzt nicht viel stärker gefordert, als dass es auf Subventionen ankäme? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr verehrter Kollege, ihre Leidenschaft für ein bestimmtes Automobil teile ich vielleicht privat. Aus Sicht der Bundesregierung muss ich deutlich machen: Wir sind für alle Modelle von allen Herstellern offen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch der Staatsminister? – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frage, ob wir diesen Bereich noch mehr fördern sollten, habe ich beantwortet. Ich glaube, dass die Fördermöglichkeiten, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat, sehr umfangreich und umfassend sind. Ich gebe Ihnen absolut recht: Jetzt ist die Industrie am Zuge, das umzusetzen. Ich habe bereits gesagt, dass die deutsche Automobilindustrie noch in diesem Jahr eine Reihe von neuen Fahrzeugen vorstellen wird, die elektromobil sind. Wir hingen etwas zurück. Aber die deutsche Industrie hat absolut aufgeholt. Die Förderung der Bundesregierung hat dafür gesorgt, dass wir jetzt vorankommen. Ich glaube, dass sich diese Entwicklung weltweit fortsetzen wird. Wenn Sie das Modell, das Ihnen vorschwebt, in Deutschland genießen wollen, so können Sie das schon jetzt tun. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist der Kollege Dirk Becker. Dirk Becker (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie haben vorhin die Rolle des Biomethans innerhalb der Biokraftstoffstrategie erwähnt. Bei diesem Thema bin ich an Ihrer Seite. Ich kämpfe schon seit vier Jahren für eine Verbesserung des Umfeldes, um Biomethan stärker in den Verkehr zu bringen. Es hat die beste CO2-Bilanz und ist der günstigste Treibstoff. Leider sieht das keiner. Es gibt wenig Hemmnisse, die zu beseitigen keine Förderung erforderlich macht: Bei der Preisauszeichnung könnte das Eichgesetz angepasst werden – eine Kleinigkeit –, und der steuerliche Nachteil im Vergleich zum Erdgas könnte abgeschafft werden. Biomethan wird im Unterschied zum Erdgas nämlich regulär besteuert. Diese kleinen Hemmnisse sind innerhalb von zwei Minuten durch das Kabinett zu beseitigen. Gedenkt die Bundesregierung, diesbezüglich etwas zu tun? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich teile Ihren Optimismus nicht, dass wir innerhalb von zwei Minuten eine solche Regelung im Kabinett erledigen können. (Dirk Becker [SPD]: Das liegt dann aber an Ihnen!) Das Kabinett kann zwar in dieser Geschwindigkeit beschließen. Der Zeitbedarf für die Vorbereitung solcher Maßnahmen ist aber erheblich größer. Auch ich bin ein großer Anhänger des Methans. Wer Chemie in der achten Klasse hatte, weiß, dass es ein Stoff ist, der sehr umweltfreundlich ist und den wir sehr gut nutzen können – Stichwort: Power to Gas. Sie werden dieses Prinzip kennen. Ich nehme Ihre Anregung gerne auf und werde sie in die Regierungsarbeit einbringen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller: Stephan Kühn. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herzlichen Dank. – Ich komme noch einmal auf das Thema Erdgas zu sprechen. Wir wissen, dass es, je mehr Erdgasfahrzeuge wir haben wollen, dann um die Frage der Steuervergünstigungen geht. Die Hersteller brauchen darüber Klarheit, weil sie ihre Produkte auf den Markt bringen wollen. Auch für denjenigen, der ein solches Produkt kaufen möchte, ist es relevant, wie es mit der Steuervergünstigung nach 2018 weitergeht. Dies ist keine allzu komplexe Frage, aber man muss sich zeitnah entscheiden. Ich dachte, beim Lesen der Kraftstoffstrategie finde ich eine Erklärung. Aber: Der Satz, den ich dazu gefunden habe, beginnt so: Die Bundesregierung wird prüfen, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen in Betracht gezogen werden können … Warum ist es nicht gelungen, innerhalb von zwei Jahren, die Frage, ob es nach 2018 diese Steuervergünstigungen weiter geben wird, zu klären? Warum ist es in zwei Jahren in Zusammenarbeit mit dem BMF – diese Frage könnte auch Herr Staatssekretär Kampeter beantwor-ten – nicht gelungen, Klarheit für den Hersteller und für die Kunden zu schaffen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sicherlich kann diese Frage auch der Kollege Kampeter beantworten. Da ich sie aber auch beantworten kann, will ich die geschätzte Arbeit des Kollegen Kampeter nicht stören und werde die Frage selber beantworten. Die Antwort auf diese Frage ist ganz einfach: Das steht im Moment nicht an. Wie Sie wissen, dient diese Steuererleichterung der Markteinführung von Erdgasfahrzeugen. In den Jahren 2016, 2017 müssen wir sehen, ob das, was wir gemeinsam beschlossen haben, gegriffen hat oder nicht. Ich sehe, dass wir jedes Jahr eine zunehmende Anzahl an erdgasbetriebenen Fahrzeugen zu verzeichnen haben. Es sind sogar meist Dual-Fuel-Fahrzeuge, die auf den Markt kommen. Bei weiter steigenden Benzinpreisen dürfte der Trend dorthin noch deutlich zunehmen. Das liegt vor allem daran, dass Erdgas in der Bevölkerung ein sehr positives Image hat und dieser Antrieb im Moment technologisch ausgereift zu sein scheint. Es gibt immer Weiterentwicklungen. Zumindest in den Augen der Bevölkerung ist das Produkt nun aber markt- und -serienreif. Insofern stellt sich folgende Frage: Wenn es ein ganz normales Produkt auf dem Markt ist, muss es dann noch weiter steuerlich gefördert werden? Sie werden wahrscheinlich erleben, wie Herr Kampeter und ich im Jahr 2017 darüber intensiv verhandeln und dann auch zu guten Lösungen kommen werden. (Stephan Kühn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vorschläge aus der Opposition nehmen wir dann gerne zur Kenntnis!) – Vorschläge aus der Opposition nehmen wir an. Sie werden auf Ernsthaftigkeit geprüft und dann abgewogen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist Martin Burkert. Martin Burkert (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Der ländliche Raum ist der SPD ein besonderes Anliegen. Ich frage die Bundesregierung: Welche Marktanreize will man schaffen, um die Betreiber von land- und forstwirtschaftlichen Maschinen im ländlichen Raum dazu zu bringen, Bio-reinkraftstoffe einzusetzen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Ich glaube nicht, dass es Aufgabe der Bundesregierung ist, einen ganz speziellen Zweig extra zu fördern. Das gilt für die ganze Breite der Produktion von landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Maschinen. Aber wir fördern zum Beispiel Anwendungen, die auf der Hybridisierung aufbauen. Das kann auch eine Möglichkeit für den forstwirtschaftlichen Bereich sein, muss es aber nicht. Wir sind technologieoffen und überlassen es der Industrie, die entsprechenden Fahrzeuge so zu konstruieren, dass sie im ländlichen Raum eingesetzt werden können. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin ist unsere Kollegin Sabine Leidig. Sabine Leidig (DIE LINKE): Meine Frage lautet, wie Sie die Perspektive, die Sie beschreiben, in Verbindung bringen mit dem Istzustand und mit der Tatsache, dass heutzutage eine enorme Menge an Subventionen in den Verbrauch konventioneller Kraftstoffe fließt. Da ist das sogenannte Dienstwagenprivileg mit 500 Millionen Euro, die Steuervergünstigung für Diesel mit 6,6 Milliarden Euro, die Mineralölsteuerbefreiung des Kerosins mit 7 Milliarden Euro bis hin zu mehreren Milliarden Euro, die in den Lkw-Verkehr gesteckt werden; denn die Mauteinnahmen decken die gesellschaftlichen Kosten nicht. Wenn Sie von Energieeinsparungen in der Perspektive sprechen: Wie stellen Sie sich vor, diese Subventionen abzubauen? Wie können Sie den Verbrauch von konventionellem Kraftstoff mit den Zielen bezüglich Kraftstoffeinsparungen und Klimaschutz in Deckung bringen? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Frau Kollegin Leidig, ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass es hier zu einer ungewollten Ausnutzung von Steuergeldern kommt. Jede Unterstützung, sei es für eine Branche, sei es für eine bestimmte Antriebsart, sei es für eine bestimmte Verbrauchsart, hat ihren Sinn. Denn wir leben nicht auf einer Insel in Deutschland, so gern das die Linken vielleicht hätten. Wir sind Teil des euro-päischen Verbundes und müssen uns im europäischen Wettbewerb behaupten können. Deswegen gibt es diese unterschiedlichen Unterstützungen. Daran wird die Bundesregierung auch festhalten. Unabhängig davon analysieren wir – das steht im Bericht – die heutige Situation. Wir beschreiben relativ deutlich, mit welchen Mitteln wir zum Ziel eines anderen Kraftstoffverbrauchs kommen wollen. Im Grunde genommen kann man es relativ einfach zusammenfassen: Los vom Öl. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Fragesteller ist der Kollege Thomas Jarzombek. – Bitte schön, Herr Kollege. Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, ich möchte gern eine Frage in Bezug auf wasserstoffbetriebene Elektromobilität stellen. Da findet sich im Bericht der Hinweis, dass mit Serienfahrzeugen ab 2017 zu rechnen sei. Jetzt hat ein asiatischer Hersteller – ich nenne die Marke jetzt nicht – -angekündigt, tatsächlich schon in diesem Jahr erste Fahrzeuge für Kunden als Leasingfahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Wer mit einem solchen Auto gefahren ist, merkt auch, dass die Serienreife nicht mehr fern ist. Man hört von den Ingenieuren dieser Autos immer die Klage, dass dieser Bereich in ihren Unternehmen zu wenig Beachtung findet, weil es noch keine ausreichende Infrastruktur gibt. Denn es gibt für diese Art von Fahrzeugen nur 15 Tankstellen, wie auch in Ihrem Bericht erwähnt wird. Insofern würde ich Sie bitten, darzustellen, wie diese Infrastruktur ausgebaut werden soll. Nachdem schon andere Kollegen nach lokalen Besonderheiten gefragt haben, frage ich nach der Wasserstoffpipeline, die schon heute quer durch Nordrhein-Westfalen, an den Chemiestandorten entlang, verläuft. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Wir haben Wasserstoff als Energieträger sehr wohl im Blick. Allerdings entscheidet die Industrie, was sie bei den Kraftfahrzeugen zur Anwendung bringen will. Richtig ist, dass wir in den Testserien sehr gute Erfahrungen mit den Testmodellen gesammelt haben. Auch hier in Berlin gibt es Wasserstofftankstellen sowie Firmen, die bereits Wasserstoff als Treibstoff für ihre Kraftfahrzeuge nutzen. Das wird sicherlich noch ausgeweitet. Ich glaube, dass die deutsche Industrie genauso leistungsfähig ist wie die asiatische. Wir haben schon viele Ankündigungen gehört, was der eine und was der andere kann. Als Vertreter der Bundesregierung vertraue ich der deutschen Industrie. Sie wird die Produkte rechtzeitig so weit entwickelt haben, dass sie marktreif und marktfähig sind und im Wettbewerb bestehen können. Es kann im Jahr 2017 so weit sein, es kann aber auch eher sein – je schneller, desto besser. Wichtig ist aber, dass bei uns Technologieoffenheit herrscht. Wir werden die Technologie nicht vorgeben, sondern lassen die Industrie forschen. Wenn Sie Fragen zu Beschwerden innerhalb der Unternehmen haben, dann sollten Sie sich vielleicht an die Unternehmen wenden. Wir tun das auch; wir sind täglich in Kontakt. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller: Kollege Gustav Herzog. Gustav Herzog (SPD): Herr Staatssekretär, Ihre Antwort auf die vorletzte Frage des Kollegen Jarzombek, dass die Bundesregierung für alle Automodelle offen ist, hat mich spontan zu der Frage animiert, ob Sie als Bundesregierung im Rahmen der verabschiedeten Strategie als Vorbild vorangehen wollen, ob es also Überlegungen gibt, die Fahrzeugflotte der Bundesregierung, insbesondere die Ihres Ministeriums und der nachgeordneten Behörden, umzustellen, sodass die zahlreichen Vertreter der Bundesregierung, die jetzt anwesend sind, in Zukunft vielleicht mit wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen und Elektroautos anreisen. Der Außenminister im wasserstoffbetriebenen Fahrzeug – das wäre doch ein schönes Bild. Ist in Ihrer Strategie auch vorgesehen, die Beschaffungsrichtlinien der Bundesregierung und aller Häuser dahin gehend zu ändern, dass in Zukunft auf alternative Kraftstoffe und Elektromobilität umgestellt werden muss? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege, ich bin Ihnen für Ihre Frage außer-ordentlich dankbar, weil sie zeigt, dass Sie davon aus-gehen, dass ich auch in der nächsten Legislaturperiode für diesen Aufgabenbereich zuständig sein werde. (Gustav Herzog [SPD]: Da täuschen Sie sich!) Denn es macht letztlich keinen Sinn, für die letzten drei Monate dieser Legislaturperiode die ganze Fahrzeugflotte umzustellen. Also macht es Sinn, dieses Thema in der nächsten Legislaturperiode anzugehen. Ich freue mich, dass Sie das Vertrauen in mich setzen, dass ich das dann umsetzen kann. (Gustav Herzog [SPD]: Herr Kollege, das werden wir machen!) Um die Frage konkret zu beantworten: Wir, das -Bundesverkehrsministerium, testen sowohl die Elektromobilität als auch die wasserstoffbetriebene Mobilität direkt; wir haben unsere eigenen Erfahrungen mit diesen Fahrzeugen. Wir sehen aber, dass diese Fahrzeuge noch nicht so serienreif sind, wie wir es gerne hätten. Wenn ich meinen geschätzten Kollegen Staatssekretären, den Ministern und vor allem der Bundeskanzlerin ein solches Fahrzeug zwangsweise per Verordnung oder Richtlinie, wie Sie es sagen, zur Verfügung stellen soll, dann muss die Technologie so ausgereift sein, dass die Bundeskanzlerin, jeder Bundesminister und jede Bundesministerin sicher von A nach B kommen, (Gustav Herzog [SPD]: Keine schöne -Antwort!) vor allem auch die Staatssekretäre mit ihren vielfältigen Aufgaben. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen werde ich dies dann anregen, wenn wir technologisch so weit sind, dass wir dies umsetzen können. Aber Ihre Anregung ist vom Grundsatz her für die fernere Zukunft richtig. Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. – Nächster Fragesteller: Kollege Herbert Behrens. Herbert Behrens (DIE LINKE): Herr Präsident, vielen Dank. – Herr Staatssekretär, warum setzt die Bundesregierung nicht stärker auf Verkehrsvermeidung? Energie nicht zu verbrauchen, ist, glaube ich, die beste Strategie. In Ihrer Strategie, gerade auch im Kapitel zur „lernenden Strategie“, ist sehr wenig zum Thema Schienenpersonennahverkehr zu lesen. Das einzig Konkrete ist, dass es dazu leider nur sehr schlechtes statistisches Material gibt. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus? Die zweite Frage ist – sie gehört dazu –: Inwieweit sind die 300 Experten, mit denen Sie zusammengearbeitet haben, auf die Frage der Verkehrsverlagerung hin zu mehr öffentlichem Personennahverkehr eingegangen? Spiegelt das, was wir dazu in Ihrem Bericht lesen, -wirklich die Bedeutung dieses Themas in der Diskussion wider? Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Herr Kollege Behrens, Verkehrsvermeidung ist für ein Verkehrsministerium eine einzigartige Provokation. Wir sind dafür da, den Verkehr zu organisieren. Wir wollen Verkehr – in jeder Form. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: Ich weiß nicht, ob das hierhergehört! – Martin Burkert [SPD]: Der Kollege will in die heute-show!) Der Bürger und die Wirtschaft sollen sich aussuchen, welchen Verkehrsträger sie nutzen möchten. Wir -möchten Verkehr nicht vermeiden, sondern ihn intelligent organisieren. Zu einer intelligenten Organisation gehört zum Beispiel das Verlagern des Individualverkehrs auf den öffentlichen Personennahverkehr. Wir haben derzeit in Deutschland einen großen Zuzug in die großstädtischen Ballungsräume zu verzeichnen. Deutschland verändert sich damit in seinem Aufbau. Wir werden deutlich mehr schienengebundenen Personennahverkehr und auch öffentlichen Personennahverkehr brauchen. Ein wichtiger Ansatz in unserer Strategie ist, auch für diese Verkehrsträger eine entsprechende Kraftstoff- und Mobilitätsstrategie zu entwickeln; denn wir müssen dem steigenden Anspruch der Bürger, diese Verkehrsmittel zu nutzen, nachkommen – und das zu vertretbaren Preisen, umweltgerecht und umweltgünstig. Hierin liegt ein großer Schwerpunkt unserer Arbeit. Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Fragestellerin: Frau Kollegin Dr. Valerie Wilms. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, das war ja eben eine richtige Steilvorlage. (Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause) Wir müssen in der nächsten Wahlperiode das Ministerium in „Mobilitätsministerium“ umbenennen, damit Sie nicht nur an den Bau von Verkehrswegen denken; sogar Ihr Kollege Außenminister hat eben gezögert. (Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister: -Lassen Sie mich da mal raus! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Zu meiner Frage. Die Bundesregierung hat sich – wenn wir das richtig wahrgenommen haben – gewisse Ziele in Bezug auf die Reduzierung des Endenergieverbrauchs gesetzt. Dazu sagen Sie in Ihrem Bericht auch etwas. Wie gedenken Sie diese ernsthaft umzusetzen? In Ihrer Kraftstoffstrategie fehlen mir griffige Lösungen. Sie hoffen, dass Ihnen von der Industrie etwas zugeliefert wird. Ich erwarte schon etwas mehr. Es ist etwas kursorisch über „Power to Gas“ sinniert worden, ohne dass ein Gesamtkonzept dahintersteckt. Gerade LNG und Ähnliches könnten wir nicht nur in der Schifffahrt, sondern auch im Flugverkehr einsetzen. Mir fehlt eine Erklärung, wie Sie das überhaupt machen wollen. Enak Ferlemann, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Sehr geehrte Frau Kollegin, zuallererst: Unser Ministerium als Mobilitätsministerium zu bezeichnen, darüber kann man nachdenken. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr schön!) Sie dürfen dabei aber nicht vergessen, dass wir auch für den Baubereich zuständig sind. Wir werden häufig fälschlicherweise als Verkehrsministerium bezeichnet, aber wir sind genauso das Bauministerium. Darauf muss ich hinweisen. Denn wir haben in diesem Bereich sehr engagierte Kolleginnen und Kollegen; derzeit wird zum Beispiel der Grundstein für das Stadtschloss gelegt. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, das brauchen wir! Dringend!) Ich lege großen Wert darauf, dass wir nicht nur das Ministerium für Mobilität sind – das auch gerne –, sondern genauso auch das Ministerium für das Bauwesen und für die Raumordnung. Zu Ihrer Frage. Wir haben beschrieben, wie wir die Ziele erreichen wollen. Sie haben das Beispiel der Seeschifffahrt herausgegriffen. Natürlich ist unser großes Ziel die Landstromversorgung. Es macht absolut Sinn, dass wir die Schiffe in den Häfen an Landstrom anschließen. So könnten wir verhindern, dass die Energieversorgung der Schiffe durch Diesel, wie es derzeit der Fall ist, erfolgt. Das ist technologisch, vor allem anwendungstechnologisch, heute in dem von uns gewünschten Umfang leider noch nicht möglich. Stellen Sie sich vor, in einem Welthafen wie Hamburg würden alle Schiffe mit Landstrom versorgt. Wir brauchten einen Kraftwerkspark, um die dafür benötigte Menge an Energie erzeugen zu können. Hier wird die Dimension des Problems deutlich. LNG kann eine Lösung sein, sie wird auch Anwendung finden. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Wir haben die SECA-Gebiete ausgewiesen; das betrifft – Sie wissen das – auch die Nord- und die Ostsee. Das wird dazu führen, dass wir in der Schifffahrt vermehrt auf LNG als Energieträger zurückgreifen müssen. Es gibt also eine Bandbreite verschiedener Anwendungen, die wir nutzen wollen. Diese sind auch beschrieben worden. (Dr. Valerie Wilms [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie es doch einmal fest!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank. Wir sind am Ende dieses Komplexes. Es gibt noch eine Frage zur heutigen Kabinetts-sitzung. Dazu gebe ich dem Kollegen Volker Beck das Wort. – Bitte schön, Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Das Kabinett hat heute infolge des Urteils vom letzten Donnerstag den Gesetzentwurf zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht verabschiedet. Bei der Lektüre des Gesetzentwurfes ist mir aufgefallen, dass einiges fehlt. Sie haben sich auf eine Regelung beschränkt, die lautet: Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden. So weit, so schön, so gut. Aber warum sind die Folgeänderungen bei der Abgabenordnung, beim Wohnungsbau-Prämiengesetz und bei der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung nicht enthalten? Eine Frage beschäftigt mich wirklich; denn das ist mehr als ein rechtstechnischer Fehler. – Herr Kampeter, Sie müssen mir zuhören; denn man kann die Frage nicht beantworten, wenn man sie nicht kennt. Das ist selbst -Ihnen nicht gegeben. – Sie haben zwar den im Einkommensteuergesetz festgelegten Kinderfreibetrag in den Gesetzentwurf übertragen, das Kindergeld aber nicht angefasst. Steckt eine rechtspolitische Absicht dahinter, oder wollen Sie das im Beratungsverfahren nachbessern? Vizepräsident Eduard Oswald: Für die Bundesregierung: der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter aus dem Finanzministerium. – Bitte schön. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, herzlichen Dank für die Frage. Sie gibt mir die Möglichkeit, deutlich zu machen, dass der Bundesregierung daran gelegen war, das Verfassungs-gerichtsurteil möglichst rasch eins zu eins umzusetzen. Daher haben die Koalitionsfraktionen in dieser Woche die politische Rückendeckung für eine Beschlusslage in der heutigen Kabinettssitzung gegeben. Die schlanke Lösung, die Sie ansprachen, hängt damit zusammen, dass wir unmittelbar in den Beratungs-prozess eintreten wollen. Sie haben sehr zutreffend analysiert, dass sich daraus weiter gehende Änderungen -ableiten. Wir halten die Vornahme dieser Änderungen aber für eine Aufgabe der nächsten Legislaturperiode, da wir der Sorgfaltspflicht in notwendiger und hinreichender Weise gerecht werden wollen. Angesichts der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts dürften keine Benachteiligungen entstehen. Mögliche Folgeänderungen werden wir in der nächsten Legislaturperiode miteinander beschließen. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich gebe noch die Möglichkeit zu einer Nachfrage. – Bitte schön. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich sehe da ein gravierendes neues verfassungsrechtliches Problem, das Sie schaffen, wenn Sie den Kinderfreibetrag übertragen, aber den Leuten, die keine Steuern zahlen, das Kindergeld verweigern. Das kann doch rechtspolitisch nicht Ihr Ernst sein. Man weiß doch, dass man, wenn man an das eine herangeht, das andere entsprechend anpassen muss. Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege, ich wiederhole, dass uns daran gelegen war, rasch eine schlanke Eins-zu-eins-Umsetzung des Verfassungsgerichtsurteils vorzunehmen. Wir haben -dafür den schnellstmöglichen Weg gewählt. Selbstverständlich werden von Ihnen angesprochene Fragestellungen im Gesetzgebungsverfahren zu erörtern sein. Die von Ihnen schlussgefolgerten negativen Entscheidungen wurden vom Kabinett allerdings nicht getroffen. Ich habe ausdrücklich deutlich gemacht, dass wir davon ausgehen, dass wir weitere Folgeänderungen im Recht aus der heutigen Entscheidung des Bundeskabinetts ableiten werden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Justizministerium schweigt!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Parlamentarischer Staatssekretär. – Ich danke auch dem Parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann für die Beantwortung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun den Zusatzpunkt 1 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen CDU/CSU und FDP Aktuelle Situation in der Türkei Erster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Dr. Guido Westerwelle. – Bitte schön, Herr Außenminister, Sie haben das Wort. Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und -Herren Kolleginnen und Kollegen! Die jüngsten Entwicklungen in der Türkei bereiten uns große Sorgen. Deswegen ist es gut und richtig, dass der Deutsche -Bundestag sich jetzt in einer Aktuellen Stunde mit der Situation in der Türkei befasst. Wir wollen dem Ernst der Lage mit großer Ernsthaftigkeit in der Debatte begegnen. Die Bilder, die uns vom Taksim-Platz in Istanbul und aus anderen Städten in der Türkei erreichen, sind verstörend. Dazu gehört der erneute massive Polizeieinsatz bei der Räumung des Platzes. Die türkische Regierung sendet mit dieser Eskalation das falsche Signal – das falsche Signal ins eigene Land, aber auch das falsche Signal nach Europa. (Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind unveräußerliche Grundrechte in -jeder Demokratie und in jedem modernen Staat. Jetzt muss sich zeigen, dass sich die Modernisierung der Türkei nicht nur auf die Wirtschaft beschränkt. Diese Modernisierung muss auch gesellschaftliche Pluralität und Bürgerrechte umfassen. Das ist die wohl größte Bewährungsprobe der türkischen Regierung seit Amts-antritt der Partei von Ministerpräsident Erdogan. Die türkische Regierung muss Europa und der Welt zeigen, dass sie sich von den Grundsätzen leiten lässt, zu denen sie sich im Rahmen des Europarates verpflichtet hat: Demokratie, Freiheitsrechte und die Herrschaft des Rechts. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Gewalt muss ein Ende haben. Der Konflikt wird nicht durch harsche Rhetorik, sondern nur durch Dialog und Deeskalation zu lösen sein. Deswegen möchte ich um eine differenzierte Debatte bitten und erlaube mir den Hinweis, dass es in der Türkei sehr differenzierte Reaktionen gibt. Ich möchte hier ausdrücklich die sehr besonnene Reaktion von Staatspräsident Gül positiv erwähnen und würdigen. Jetzt geht es darum, dass die Gesellschaft durch eine scharfe Eskalation der Worte und durch eine Eskalation der Taten eben nicht gespalten werden darf, sondern dass gesellschaftlicher Zusammenhalt gestiftet werden muss, um die Rechte der Einzelnen zu schützen. Ich kann Ihnen versichern, dass die deutsche Bundesregierung durch ihre diplomatischen und konsularischen Vertretungen die Vorgänge, wie Sie mutmaßlich persönlich wissen, sehr genau verfolgt, nicht nur das, was in den Nachrichten gesendet wird, die Bilder vom Taksim-Platz, sondern auch weitere Vorkommnisse, zum Beispiel gegenüber Rechtsanwälten, die zu kostenlosen Verteidigungen und Rechtsberatungen bereit gewesen sind. Ich denke, dass wir hier keine Differenz zwischen dem Parlament und der Regierung oder der Opposition und der Koalition haben. Wir werden gemeinsam, jeder an seiner Stelle, diese Entwicklungen genauestens beobachten und unsere Sorge zum Ausdruck bringen. Die türkische Regierung muss jetzt sicherstellen, dass die Bürger ihre Grundrechte wahrnehmen können. Demonstrationen, wie sie jetzt stattfinden, sind ein Zeichen der Reifung und der Stärkung der Zivilgesellschaften. Darüber muss man sich freuen, und davor darf man sich nicht fürchten. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich erwarte, dass Ministerpräsident Erdogan im Geiste europäischer Werte deeskaliert und einen kon-struktiven Austausch und friedlichen Dialog sucht. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Herr Bundesminister. – Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten: unser Kollege Johannes Kahrs. Bitte schön, Kollege Johannes Kahrs. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Westerwelle, Sie haben hier in Ihrer Rede das Richtige und Notwendige gesagt. Dazu kann ich Sie nur beglückwünschen. Ich glaube, dass die Situation in der Türkei so ernst ist, dass es wichtig ist, dass wir als Deutscher Bundestag und die Bundesregierung gemeinsam das Signal an die Regierung Erdogan aussenden, dass diese Zustände nicht tolerabel und nicht haltbar sind. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, dass ganz besonders zu betonen ist, wie wichtig es für uns ist, dass sich die Türkei jetzt nicht spaltet. Wir alle kennen die innere Verfasstheit der Türkei, die Aufteilung nach Regionen, nach Nationalitäten, nach Religionen. Wenn man sich die Situation in Syrien und im Libanon anschaut, dann weiß man, dass genau das in der Türkei nicht passieren soll und darf. Wichtig ist, dass sich die Türkei als Ganzes findet und ihren Weg nach Europa weiter fortsetzt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn man sich die Entwicklung anguckt, dann stellt man fest – das ist eben dargestellt worden –, dass die Demonstrationen eher ein Zeichen dafür sind, dass sich die Türkei in die richtige Richtung entwickelt, dass sich eine Bürgergesellschaft, eine Zivilgesellschaft entwickelt, dass dies aber auch das Ergebnis des jahrelang andauernden Beitrittsverfahrens ist; der EU-Beitritt der Türkei wurde ja von großen Teilen dieses Hauses angestrebt. In der Vergangenheit hatten wir durch das EU-Beitrittsverfahren immer auch die Möglichkeit, in der Türkei für die Werte zu werben, für die Europa steht und für die die Demonstranten kämpfen. Diese Werte fordern wir nicht nur ein, sondern wir hoffen auch, dass sie sich in der Türkei am Ende durchsetzen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Türkei ist eine Demokratie auf dem Weg nach Europa. Deswegen haben wir es als sehr bedauerlich erachtet, dass der EU-Beitrittsprozess von Sarkozy und Frau Merkel gestoppt wurde, dass das Signal Europas an die Türkei war: Wir wollen euch nicht. (Michaela Noll [CDU/CSU]: Quatsch!) Eine privilegierte Partnerschaft alleine hat nicht gereicht; diese Diskussion haben wir auch in der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe geführt. Wichtig ist, heute zu sagen, dass der EU-Beitrittsprozess weiter -gewollt wird, dass wir die Türkei auffordern, ihn weiter voranzutreiben, dass wir uns wünschen, dass auch die europäischen Staaten diesen Prozess weiter vorantreiben. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Das ist doch echt zynisch!) Keiner will die Türkei, so wie sie jetzt ist – eins zu eins –, als Mitglied der Europäischen Union. Aber wir alle wollen, dass es einen Beitrittsprozess gibt, und zwar deshalb, weil Europa eine Wertegemeinschaft ist. Wir wollen, dass der Beitrittsprozess die Türkei in die richtige Richtung führt und in der Türkei eine Entwicklung befördert, die es uns erlaubt, die Türkei als Mitglied der Europäischen Union begrüßen zu können. Dieser Weg ist lang, und er wird hart, insbesondere für die Türkei. Sie wird sich in vielen Punkten ändern und weiterentwickeln müssen. Ich glaube, jede Form der Unterstützung ist dort wichtig. Die Werte, die die Demonstranten einfordern, sind zu einem wesentlichen Teil die Werte, die auch im Rahmen des Beitrittsprozesses eingefordert werden. Da ich gerade Claudia Roth sehe, möchte ich sagen: Bei unseren vielen Besuchen in der Türkei haben wir in Anbetracht des Beitrittsprozesses immer wieder einfordern können, dass es in der Türkei zu Veränderungen kommt, zu Veränderungen, die in die richtige Richtung gehen und gegangen sind, auch zu Zeiten von AKP und Erdogan. Das hat sich am Ende aber alles falsch entwickelt. Da ein EU-Beitritt als nicht mehr realistisch angesehen wird, gibt es bei den Menschen in der Türkei keine Mehrheit für den Beitrittsprozess mehr; sie ist gebrochen. Die Zustimmung ist nicht mehr so groß wie früher. Wenn die Menschen den Glauben daran verlieren, irgendwann einmal Mitglied der Europäischen Union sein zu können, dann ist der Motor für eine positive Veränderung nicht mehr vorhanden. Es ist an uns allen, an die Menschen in der Türkei das Signal zu senden, dass wir die Werte, für die sie stehen und für die sie kämpfen, im Rahmen des Beitrittsverfahrens weiter fördern wollen. Das wird ein schwieriger und langer Prozess. Es würde mich freuen, wenn wir alle hier im Deutschen Bundestag dieses Anliegen gemeinsam vorantreiben und bei diesem Thema zusammenstehen würden. Minister Westerwelle hat die richtigen Ansagen gemacht. Ich glaube, wenn wir es schaffen, den Beitrittsprozess voranzutreiben, dann helfen wir der Türkei und auch uns selber. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU] und Bijan Djir-Sarai [FDP]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Johannes Kahrs. – Nächster Redner in unserer Aktuellen Stunde ist für die Fraktion von CDU und CSU unser Kollege Ruprecht Polenz. Bitte schön, Kollege Ruprecht Polenz. Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Vorbemerkung beginnen. Heute Morgen konnte man in den Zeitungen lesen, dass der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker -Perthes, im Hinblick auf Syrien davor warnt, dass dort Zustände wie in Somalia eintreten könnten. Analysten, die sich mit der Region beschäftigen, sehen ein Zerbrechen der – in Anführungszeichen – „Ordnung“, die nach dem Ersten Weltkrieg ausgehend vom Sykes-Picot--Abkommen von 1916 entstanden ist und die wir auf der Landkarte an den wie mit dem Lineal gezogenen Grenzen erkennen können. Diese Grenzen sind natürlich nicht gut; sie sind aber – da sind sich bisher alle einig – besser als Grenzen, die infrage gestellt sind. Wir stehen jetzt vor der Situation, dass möglicherweise Syrien zerbricht, der Irak seine staatliche Einheit nicht wirklich wiederfindet und der Libanon das gleiche Schicksal erleiden könnte. Auch Jordanien steht unter entsprechendem Druck. In dieser Region ist die Türkei trotz aller Mängel, über die wir heute leider sprechen müssen, ein demokratischer stabiler Staat. Wir hoffen, dass die Türkei in der Lage sein wird, die rechtsstaatlichen Defizite, die in den Ereignissen der letzten Tage noch einmal sehr deutlich zutage getreten sind, zu überwinden. Diese Defizite sind, wie man in den Fortschrittsberichten der Europäischen Union immer wieder nachlesen konnte, auch struktureller Art. Ich will eine zweite kurze Vorbemerkung machen: Wenn wir uns heute mit dieser Frage beschäftigen, dann ist das keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Aus der Souveränität eines Staates folgt nicht, dass man die Gewährleistung der Grund- und Menschenrechte nicht beachten müsse. Spätestens seit der Wiener Konferenz ist klar: Das geht uns alle an. – Deshalb bringen wir das hier auch zur Sprache. Im Falle der Türkei kommt hinzu, dass sie seit 1949 Mitglied im Europarat ist – übrigens ein Jahr länger als die Bundesrepublik Deutschland – und dass die Türkei Mitglied der Europäischen Union werden will. Verhandelt wird seit 2005 mit dem Ziel des Beitritts. Die Türkei ist also aufgefordert – das haben die Vorredner zu Recht gesagt –, die Grundrechte der Meinungsfreiheit und der Demonstrationsfreiheit zu respektieren. Angesichts der überharten Polizeieingriffe in den zurückliegenden Tagen muss man sagen: Das hat die Türkei nicht getan. – Ich fordere dazu auf, diese Vorfälle zu untersuchen und die dafür Verantwortlichen auch zur Rechenschaft zu ziehen. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn man sich anschaut, wie aus einem Protest im Zusammenhang mit einem sicherlich wichtigen zentralen Platz in Istanbul landesweite Proteste – jedenfalls in den Städten der Türkei – geworden sind, dann wird deutlich: Es geht auch noch um etwas anderes. Es geht darum, dass es in der Türkei eine wachsende Zivilgesellschaft gibt, die sich nicht bevormunden lassen möchte und die einen Teil der gegenwärtigen Regierungspraxis im Allgemeinen und des Ministerpräsidenten im Besonderen als genau diese Art der Bevormundung von oben herab empfindet und dagegen aufbegehrt. Es ist wichtig, das anzusprechen; denn wie wir diese ganze Entwicklung beurteilen, hängt damit wesentlich zusammen. Wenn es in der Türkei gelingen würde, dass alle Seiten aufeinander zugehen und man die demokratischen Grundtugenden Toleranz und Kompromissbereitschaft an den Tag legt, dann besteht die Chance, dass die türkische Demokratie aus dieser Situation gestärkt hervorgeht und dass Zivilgesellschaft und Staat einander in Zukunft stärker auf Augenhöhe begegnen, als das in der Vergangenheit der Fall war. Was können wir tun? Ich denke, wir müssen den Prozess des EU-Beitritts neu beleben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte hier ganz bewusst Kapitel 23 – Justiz und Grundrechte – ansprechen. Dieses Kapitel wäre ideal geeignet, um gerade jetzt mit der Türkei über die notwendigen strukturellen Veränderungen zu sprechen, die in den Fortschrittsberichten der Europäischen Union immer wieder angemahnt worden sind. Dort ist zu Recht festgestellt worden, dass es beim Demonstrationsrecht und bei der Ahndung polizeilicher Übergriffe in der Vergangenheit keine wesentlichen Fortschritte gegeben habe; jetzt mussten wir erleben, was in den letzten Tagen geschehen ist. Die Verhandlungen über Kapitel 23 werden gegenwärtig durch Zypern blockiert. Es liegt also an der Europäischen Union selbst, diese Blockade aufzuheben. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Sagen Sie mal etwas zu den Gründen der Blockade! Die ist doch wohl begründet!) Ich möchte dazu auffordern, auf Zypern in dieser Frage einzuwirken; denn das Kapitel 23 wird allein von Zypern blockiert. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) In diesem Falle bestünde die Möglichkeit, auch institutionell – über das, was wir in dieser Aktuellen Stunde ansprechen, hinaus – nachhaltig auf die Türkei einzuwirken. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Ruprecht Polenz. – Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin Frau Sevim Da?delen. Bitte schön, Frau Kollegin Da?delen. (Beifall bei der LINKEN) Sevim Da?delen (DIE LINKE): Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Polenz, ich kenne Sie aus dem Auswärtigen Ausschuss als einen sehr integren Vorsitzenden; aber eines muss ich Ihnen – auch angesichts der Rede meines Kollegen Kahrs – schon sagen: Ihre Illusion über die Türkei verstellt Ihnen den Blick für die Realität. Die Realität ist eben nicht so, dass es dort Dinge wie Versammlungsfreiheit, Meinungsfreiheit und Pressefreiheit gibt. All das gibt es nicht in der Türkei. Deshalb gehen dort seit fast zwei Wochen Hunderttausende Menschen auf die Straße. Diese jedoch begegnen einem Polizeiterror bzw. einem staatlichen Terror. Das muss meines Erachtens Konsequenzen haben. Sie sollten Politik nicht an Illusionen ausrichten, sondern an der Realität in der Türkei. (Beifall bei der LINKEN – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er nun wirklich nicht gesagt!) Der Polizeiterror auf Befehl des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan hat gestern einen traurigen Höhepunkt erreicht. Wir alle zusammen sollten hier im Bundestag ein Zeichen dagegen setzen und sagen: Herr Erdogan, stoppen Sie diesen staatlichen Terror gegen die Demonstranten. – Wir als Linke sind mit der Protestbewegung und den Demonstranten, die für Freiheit, Rechtsstaat und soziale Gerechtigkeit auf die Straße gehen, solidarisch. (Beifall bei der LINKEN) Nachdem es bisher nicht gelang, diese vielfältige, bunte, junge, breite und dynamische Protestbewegung durch staatlichen Terror verstummen zu lassen, sollen jetzt die einzig noch verbliebenen regierungskritischen Fernsehsender mundtot gemacht werden. Ihr Vergehen ist es, dass sie über den Protest der letzten 14 Tage berichtet haben. Dafür soll es jetzt Geldstrafen geben. Ich finde das unerträglich. An dieser Stelle muss auch ein klares Signal an Erdogan gesendet werden, dass dieser Unterdrückungsstaat – der mittlerweile ein islamistischer Unterdrückungsstaat ist – auch vom Deutschen Bundestag verurteilt wird. (Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU]) Auch von Minister Westerwelle sind hier wohlfeile Appelle in dem Sinne ergangen, dass in der Türkei jetzt endlich die rechtsstaatlichen Normen umgesetzt werden müssten. Das alles finde ich ganz toll. Politikerinnen und Politiker werden aber nicht nur an dem gemessen, was sie sagen, sondern auch an dem, was sie tun. Was macht die deutsche Bundesregierung? Diese deutsche Bundesregierung kooperiert polizeilich, militärisch und geheimdienstlich mit der Türkei. Das ist meines Erachtens angesichts dieser harschen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei unverantwortlich. Diese Kooperation mit der AKP-Regierung – das sagt die Linke ganz klar – muss beendet werden. Es müssen Konsequenzen folgen. (Beifall bei der LINKEN) Die Menschen in der Türkei gehen nicht nur gegen eine Politik im Stil eines autoritären Neoliberalismus auf die Straße, sondern auch gegen die Privatisierungspolitik. Bei ihnen handelt es sich nicht nur um Mitglieder der Bürgergesellschaft, sondern das ist eine ganz breite Protestbewegung, die Linke ebenso wie Nationalisten einschließt. Sie sind gegen die islamistische Gängelung durch den Tugendterror der AKP. Bei meinem Besuch der Demonstranten im Istanbuler Gezi-Park letzte Woche konnte ich erfahren, dass auch sie Sehnsucht nach Frieden haben. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Sie möchten Frieden in der Türkei und eine auf Frieden zielende Außenpolitik. Sie wollen keinen Krieg gegen Syrien, und sie verurteilen die Unterstützung Erdogans für die Al-Qaida-Milizen in Syrien. Deshalb stehen wir solidarisch hinter dieser Protestbewegung. Die Bundesregierung wie auch die SPD und die Grünen sollten diese gefährliche Militärpolitik des Systems Erdogan nicht mehr unterstützen. Deshalb sagt die Linke – dabei spricht sie auch für die Protestbewegung –: Ziehen Sie endlich die Bundeswehr und die Patriot-Raketen aus der Türkei ab. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung darf nicht länger wegschauen, meine Damen und Herren. Wir dürfen die Demonstranten nicht länger alleinelassen. Auch dürfen wir das autoritäre AKP-Regime für den Amoklauf gegen Demokratie und Menschenrechte nicht noch belohnen. Es ist doch skandalös, dass die EU – auch Sie wollen das – neue Beitrittskapitel eröffnen möchte. Die Menschen, mit denen ich gerade noch telefoniert habe – das sind die Sprecherinnen und Sprecher der auf dem Taksim-Platz demonstrierenden Solidaritätsbündnisse –, sagen: Das ist eine Bestrafung der Bevölkerung, ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die dort für Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und soziale Gerechtigkeit protestieren. – Ja, Sie belohnen die AKP-Regierung damit sogar; (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, was für ein Unsinn!) denn Erdogan geht gestärkt aus dieser Situation hervor, wenn die EU, wie er sagt, jetzt auch noch weitere Beitrittskapitel aufmacht. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil ist richtig!) Die Linke sagt: Angesichts dieser massiven systematischen Menschenrechtsverletzungen müssen die Beitrittsgespräche ausgesetzt werden, Herr Westerwelle. Diese autoritäre AKP-Regierung darf nicht auch noch belohnt werden. Das ist die Antwort der Linken auf diese autoritäre AKP-Politik. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Einzige, der Ihnen zustimmen wird, ist der Kollege Silberhorn!) Lassen Sie mich dem Bundestag zum Schluss noch einen Vorschlag machen. Ich sage Ihnen: Solidarität muss sich in konkreten Handlungen ausdrücken. Es darf nicht nur bei einem wohlfeilen Appell bleiben. Lassen Sie uns gemeinsam als Deutscher Bundestag an diesem Wochenende eine parlamentarische Delegation in die Türkei entsenden, die mehr Öffentlichkeit herstellt und sich dafür einsetzt, dass endlich statt der Gewalt ein tatsächlicher, wirklicher Dialog mit den Protestierenden und nicht mit den AKP-nahen Organisationen eröffnet wird. Lassen Sie uns das tun! Dies wäre ein Schritt in die richtige Richtung und Ausdruck der praktischen Solidarität mit den Demonstranten. Die Linke ist jedenfalls bereit für diesen konkreten Schritt als Ausdruck unserer Solidarität. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Claudia Roth für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sind mit unseren Herzen bei den Tausenden von Menschen, die seit 14 Tagen in Istanbul, in Ankara, in Adana, in Izmir, in Bodrum friedlich demonstrieren. Wir sind in Gedanken bei den sehr vielen Verletzten und trauern um die Opfer massiver staatlicher Repression. Wir klagen brachiale Gewalt und den Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschossen an, und wir sind wütend über die brutale Räumung des Taksim-Platzes gestern Abend, auf dem sich Zehntausende von Menschen friedlich versammelt hatten – darunter sehr viele Familien. Erdogan hat gestern im Parlament gefragt – ich zitiere –: Gibt es etwas, was wir nicht verstanden haben? – Ich sage: Ja, Tayyip Bey, Sie haben nicht verstanden, dass die Gewährung demokratischer Grund- und Freiheitsrechte kein Gnadenakt eines Ministerpräsidenten ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie haben nicht verstanden, dass das Demonstrationsrecht, das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit Grundnahrungsmittel in jeder Demokratie sind. Sie sperren diese Freiheit hinter Gitter und lassen die Menschenrechte niederknüppeln. Sie verwechseln Stärke mit bloßer Gewalt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Joachim Spatz [FDP]) Ein Präsident, der Sie ja werden wollen oder wollten, darf die türkische Gesellschaft aber nicht spalten, sondern muss sie zusammenführen. Er darf nicht rhetorisch aufrüsten und, wie gestern wieder, Hass predigen, indem er Demonstranten kriminalisiert und als Terroristen, von außen gelenkte Spione und Vandalen bezeichnet. Sind die jungen Frauen und Männer, die den Gezi-Park, eine der letzten grünen Oasen in Istanbul, schützen wollen, die Vandalen, die der Türkei schaden? Schadet nicht eher eine Politik, die nicht nur 600 Bäume, sondern auch den demokratischen Protest plattmachen will? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie haben den Kern der neuen Protestbewegung nicht verstanden, Tayyip Erdogan. Diese neuen Proteste und ihre Akteure machen Schluss mit dem alten, klassischen Kultur- und Machtkampf in der Türkei, der die Geschichte des Landes in den letzten Jahrzehnten entscheidend geprägt hat: die kemalistische Elite zusammen mit dem Militär gegen die sogenannten Traditionalisten und Religiös-Konservativen. Die aktuellen Proteste zeigen, dass dieses Muster der Vergangenheit angehört. Sie zeigen, worum es geht: Es geht gegen den Ausverkauf der Natur, gegen einen radikalen Umbau der Gesellschaft, gegen eine von Beton überzogene Türkei, gegen riesige Staudammprojekte und gegen den Bau von AKW in Erdbebengebieten. Es geht gegen eine neoliberale Strategie – (Zurufe von der FDP: Oh!) – warum fühlen Sie sich denn da gleich angesprochen? –, der die Umwelt und das historische Erbe nichts wert sind. Vor allem zeigen diese Proteste die Ablehnung eines mehr und mehr autokratischen, autoritären Politikstils, der an die gelenkte Demokratie Putins erinnert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Menschen auf der Straße kämpfen für eine demokratische Teilhabe aller Bürger und Bürgerinnen in der Türkei, für mehr Selbstbestimmung, für Selbstverwaltung, für eine rechtsstaatliche, transparente, bürgernahe Justiz. Vor allem fordern sie die Gewährung demokratischer Rechte. Genau das ist doch unser gemeinsames Wertefundament. Dafür gehen die Menschen in der Türkei auf die Straße. Hier sehen sie ihre Zukunft. Das sehe ich ganz anders als Sevim Da?delen. Diese Menschen sehen ihre Zukunft in einer rechtsstaatlichen Türkei, die gleichberechtigtes Mitglied in der Europäischen Union ist. Dafür gehen sie auf die Straße. Das müssen wir unterstützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Das stimmt doch gar nicht!) Diese Türkei wird durch Erdogans Politik nicht repräsentiert. Wenn wir von der Türkei sprechen, dann ist -damit nicht Erdogans Politik gemeint. Wer jetzt den Beitrittsprozess abbrechen will, wer jetzt die Türen verschließen will, (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Aussetzen, habe ich gesagt! ) fällt dem demokratischen Protest in den Rücken und stärkt damit Erdogan. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Sie stärken Erdogan!) Das ist das Gegenteil dessen, was die Linke angeblich vertritt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Genau das wäre ein gefährlich falsches Signal. Ich stimme absolut mit Ruprecht Polenz überein, der sagt: Genau das Gegenteil muss jetzt passieren, nämlich eine Verstärkung des demokratischen Prozesses, indem wir die Beitrittsperspektive offenhalten. Was fordern wir? Wir fordern die türkische Regierung zum sofortigen Ende der Gewalt auf. Wir fordern sie auf, einen glaubwürdigen Dialog mit den Protestierenden einzuleiten, (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Nichts als wohlfeile Appelle sind das!) ernsthafte Gesprächsbereitschaft zu zeigen; denn es geht darum, dass Politik im Interesse der Menschen und gemeinsam mit den Menschen gemacht wird und nicht in einer Bulldozer-Logik à la Erdogan. Nur die Schaffung und die Gewährung von demokratischer Teilhabe aller Menschen in der Türkei kann zum sozialen Frieden führen, wobei die alten Konflikte, wie die Kurdenfrage, die Armenierfrage und auch die Frage der Religionsfreiheit für alle Glaubensrichtungen, weiterhin mit besonderem Augenmerk, mit besonderem Elan und mit besonderem Krafteinsatz angepackt und gelöst werden müssen. Vizepräsidentin Petra Pau: Kollegin Roth, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Letzter Satz. – Angesichts dieses Demokratiewachstums und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit in Bezug auf die Beitrittsperspektive wollen wir die Demokraten und Demokratinnen in der Türkei aktiv unterstützen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Ihr unterstützt Erdogan!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Hans-Werner Ehrenberg hat nun für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP) Hans-Werner Ehrenberg (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Lage in der Türkei ist besorgniserregend. Die Proteste in Istanbul und in vielen anderen Städten haben in den letzten Tagen eine gefährliche Dynamik entwickelt, die kaum vorauszusehen war. Deshalb begrüßt auch die FDP-Fraktion ausdrücklich diese Aktuelle Stunde; denn sie gibt uns nicht nur Gelegenheit, Schlüsse aus der aktuellen Entwicklung zu ziehen, sondern vor allem auch die Chance, unseren Standpunkt hinsichtlich der Türkei zu überdenken. Wir alle haben uns in der Vergangenheit viel zu sehr mit Europa beschäftigt und es darüber versäumt, uns mit unserem Nachbarn und Partner Türkei ausführlich zu beschäftigen. Dabei gehört die Türkei zu Europa. Das haben wir als FDP schon seit langem erkannt und eine Politik gefordert, die der Bedeutung dieses wichtigen Landes gerecht wird. Erdogans wirtschafts- und reformpolitische Leistungen der letzten zehn Jahre, zu denen im Übrigen auch die Beschneidung der Macht des Militärs gehört, sind unbestritten. Die wirtschaftliche Reformpolitik hat der Türkei ein Wachstum und einen Wohlstand beschert, der sie die Finanzkrise fast unbeschadet hat überstehen lassen. Die Türkei ist uns aber vor allem seit Jahrzehnten ein verlässlicher Bündnispartner und seriöser Mittler im Nahen und Mittleren Osten. Ohne die Türkei wären unsere Beziehungen zu den arabischen Ländern einseitiger und unsere demokratischen Einflussmöglichkeiten weit geringer. Auch im Bereich der Bürger- und Menschenrechte hat die Türkei trotz der hier zu Recht angebrachten Kritik einige Fortschritte in Richtung Rechtsstaat und Demokratie getan, zumindest wenn wir die Entwicklung als Ganzes betrachten. Wir haben allerdings der Türkei in den letzten Jahren nicht die Anerkennung gegeben, die sie im Grunde verdient hätte. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Noch schlimmer: Wir haben uns in der Vergangenheit nicht die Mühe gemacht, eine bessere und engere Form der Zusammenarbeit nachdrücklich anzubieten. Eine einzigartige, enge Partnerschaft wäre möglich gewesen und hätte uns die Chance verschafft, der Türkei beim Lösen ihrer gesellschaftlichen Probleme behilflich zu sein. Es ist allerhöchste Zeit, hier umzudenken, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das gilt natürlich auch für Präsident Erdogan. Er muss erkennen, dass Wasserwerfer, Tränengas und Verhaftungen das Problem nicht lösen, sondern verschärfen. Er muss bereit sein, vorhandene Konflikte gewaltfrei und konstruktiv auszutragen. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Er erkennt es aber nicht!) An der Stelle darf ich ruhig einmal an den klugen Umgang mit der PKK in den letzten Monaten erinnern. Dies zeigt, dass Erdogan auch durchaus fähig ist, über seinen Schatten zu springen. (Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nur Taktik!) In gewisser Weise ist der Aufstand auch eine Folge der Erdogan’schen Reformen. Denn unter seiner Regierung hat sich die türkische Zivilgesellschaft entfalten können wie nie zuvor. Jetzt offenbart sich sehr deutlich, dass sich große Teile der türkischen Gesellschaft unversöhnlich gegenüberstehen. Das ist nicht allein Erdogans Schuld. Die Entstehung der Risse in der türkischen Gesellschaft reicht weit in die Zeit vor seinem Regierungsantritt zurück. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Türkei ihren Weg nach Europa findet, ohne dass Teile ihrer Gesellschaft auf der Strecke bleiben. Denn letztendlich sind die Demonstrationen ein Schrei nach Europa, nach mehr Freiheit, nach mehr Mitsprache. Es kann eigentlich auch nur im Interesse der Türkei und der Regierung Erdogan liegen, diesen Wunsch aufzunehmen und umzusetzen. Genau hier sind wir jetzt gefragt. Auch wir sollten über unseren Schatten springen und durch gewisse Vorleistungen der Türkei die Chance und den Anreiz geben, ihren damals eingeschlagenen Reformweg weiterzugehen. Das ist gut für uns, das ist gut für Europa, und das ist vor allem gut für die Menschen in der Türkei. Schönen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Angelika Graf für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schauen wir uns die Entwicklung in der Türkei in den letzten Tagen an: Am Anfang ging es „nur“ um einen Park bzw. um ein Bauvorhaben in Istanbul. Die Menschen haben sich zusammengetan, um friedlich ihre Meinung kundzutun. Die Polizei hat diese Demonstration unverhältnismäßig gewaltsam niedergeschlagen und Demonstrierende willkürlich festgenommen. Die Reaktion der politischen Führung darauf war sehr zwiespältig: Unter dem internationalen Druck hat sich Gül entschuldigt und geschworen, es werde nicht mehr vorkommen. Kurz darauf wurde aber wieder Gewalt gegen die Protestierenden eingesetzt. Letzte Nacht ist der Taksim-Platz geräumt worden. Nun bietet Erdogan Gespräche mit den Demonstranten an. So kann es nicht gehen. Aus dem Konflikt um den Park hat sich ein Aufbegehren gegen gesellschaftliche und politische Missstände, gegen eine restriktive, frauenfeindliche Gesetzgebung in der jüngsten Zeit und gegen die Wandlung der Türkei – so empfinde ich es zumindest – von einem -laizistischen Staat in ein eher autokratisches Gemeinwesen entwickelt, in dem die Religion immer mehr Staatsziel ist. Was denken Sie: Worüber hat die Presse informiert? (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Pinguine!) Mir wurde berichtet, man habe über Pinguine, Kochsendungen und Quizshows berichtet, immer nach dem Motto: Was man nicht zeigt, das passiert vielleicht auch nicht. Jedoch über die neuen Medien, über Twitter und Facebook, wurde öffentlich, was die Regierung und die regierungstreuen Medien meinten den Bürgern vorenthalten zu müssen. Die Ignoranz der Medien gegenüber den Ereignissen draußen wurde im Internet heftig diskutiert und kritisiert und über die Grenzen der Türkei hinaus verbreitet. Die Selbstzensur der Fernsehsender erboste neben der ausufernden Gewalt die Menschen. Vor allen Dingen Schauspieler, Schriftsteller, Musiker und Intellektuelle prangerten die Berichterstattung an. Daraus hat sich der Konflikt gespeist und weiterentwickelt. Die Ereignisse in Istanbul, Ankara und anderen Städten der Türkei in diesen Tagen führen uns ein Problem vor Augen, welches den Kern der sich entwickelnden türkischen Demokratie grundsätzlich berührt: die eingeschränkte Presse- und Meinungsfreiheit sowie die mit Selbstzensur behaftete Medienlandschaft. Gegen Journalisten, die versuchen, über Proteste vor Ort zu berichten, geht die Polizei brutal vor; wir haben vorhin davon gehört. Mindestens 14 Journalisten sollen verletzt worden sein. Die Meinungsfreiheit ist prinzipiell durch 14 Gesetzesparagrafen stark eingeschränkt. 2012 waren mindestens 42 Journalisten und 4 Medienmitarbeiter in der Türkei inhaftiert. Das war der höchste Wert weltweit. Den meisten Journalisten werden Straftaten nach dem umstrittenen Antiterrorgesetz zur Last gelegt. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ rangiert die Türkei auf Platz 154 von 179 Ländern. Die Medienlandschaft wird dominiert von wirtschaftlichen Interessen und bestimmt durch die Handlanger der Regierung. Als eine von der Regierung unabhängige vierte Gewalt kann man das meiner Ansicht nach wirklich nicht bezeichnen. Was stellen wir in diesem Zusammenhang nun fest? Ich denke, der EU-Beitrittsprozess hat zweifellos große positive Entwicklungen in der Türkei angestoßen. Ich weiß, wovon ich spreche; denn ich kenne die Türkei sowie ihre Politik und Entwicklung schon seit langem. Seit einigen Jahren aber gerät dieser Prozess ins Stocken. Wir sorgen uns nun über manche gegenläufige Entwicklung. Johannes Kahrs hat bereits angesprochen, wie wenig effektiv es wäre, nun den Beitrittsprozess zu stoppen oder ihn auszusetzen, und zwar gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen. Wer das in der Vergangenheit gefordert hat, sollte in sich gehen und sich fragen, ob das wirklich die richtige Strategie in der jetzigen Situation ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU]) In den jüngsten EU-Fortschrittsberichten werden vor allem die Defizite bei der Meinungs- und Pressefreiheit, die zum aktuellen Konflikt in der Türkei geführt haben, angemahnt. Es geht um die sich verschärfende Situation der christlichen Kirchen sowie um die Kurden und ihre kulturellen und sozialen Rechte, mit denen wir uns seit vielen Jahren befassen. Immer wieder schütteln wir den Kopf über Urteile, die wir nicht nachvollziehen können, wie zum Beispiel das Urteil gegen Pinar Selek. Ich hoffe, dass der Umgang mit den Verhafteten und den Demonstranten nicht ein weiterer Punkt ist, mit dem wir uns in den nächsten Jahren befassen müssen. Ich glaube aber, dass wir den Beitrittsprozess dringend fortführen müssen. Daher ist es mir und meiner Fraktion umso wichtiger, endlich das Kapitel der Rechtsstaatlichkeit in den Beitrittsverhandlungen anzugehen; Herr Polenz hat das schon angesprochen. Dies scheint aus meiner Sicht eine echte Chance zu sein, den Demokratisierungsprozess voranzutreiben. In der aktuellen Situation müssen aber auch Signale der Besonnenheit gesendet werden. Wir sollten uns – da bin ich bei allen, die das schon angesprochen haben – ganz massiv um die Stabilität in der Region, vor allem mit Blick auf Syrien, sorgen. Das geht nur in Gesprächen. Man kann nicht einfach sagen: Wir sprechen jetzt nicht mehr mit euch. – Wir müssen massiv Druck machen und dafür sorgen, dass in Zukunft entsprechende Gespräche stattfinden werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU] und Bijan Djir-Sarai [FDP]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn für die Unionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es erreichen uns schlimme Bilder aus Istanbul, Ankara und anderen Städten der Türkei. Zehntausende Demonstranten hat die Polizei heute Nacht mit Gewalt aus-einandergetrieben. Dieses gewaltsame Vorgehen ist ein massiver Angriff auf die Freiheitsrechte der Bürger, auf die Meinungsfreiheit, auf die Versammlungsfreiheit und die Pressefreiheit, auf Grund- und Menschenrechte, zu deren Gewährung sich die Türkei als Mitgliedstaat des Europarats verpflichtet hat. Deswegen müssen wir schon den Finger in diese Wunde legen. Wir beobachten hier ein zunehmend autoritäres Regime, das die Grund- und Menschenrechte von friedlichen Demonstranten und von regierungskritischen Journalisten missachtet und diese Leute nach dem eigenen Antiterrorgesetz verfolgt. Die Botschaft dieser Stunden muss lauten: Die Europäische Union steht auf der Seite der Freiheit und auf der Seite des Rechts. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es müssen nun alle, die daran mitwirken können, einen Beitrag dazu leisten, diese Auseinandersetzung zu deeskalieren, einen Dialog in Gang zu setzen. Das geht auch uns etwas an. Die Türkei ist unser Partner im -Europarat, in der NATO, in den Beziehungen zur Europäischen Union, und diese Beziehungen müssen wir jetzt nutzen; denn wenn Partnerschaft etwas wert sein soll, dann jetzt. Jetzt besteht unsere Aufgabe darin, klare Erwartungen an die türkische Seite zu formulieren. Erdogan hat in den letzten Tagen mehrfach Gespräche mit den Demonstranten angekündigt. Bevor diese für heute in Aussicht gestellten Gespräche stattgefunden haben, wurden die Demonstrationen mit Gewalt aufgelöst. Das ist keine Basis für einen Dialog. Erdogan hat seine Glaubwürdigkeit im Kern infrage gestellt, weil auf sein Wort derzeit offenbar kein Verlass ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen muss die klare Botschaft sein: Erdogan muss einlenken, wenn die Eskalation gestoppt werden und ein Dialog in Gang kommen soll. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Auch wir als Europäische Union müssen konsequent sein, damit wir glaubwürdig bleiben können. Die Türkei ist offenkundig noch nicht reif für einen Beitritt zur Europäischen Union. Wir verzeichnen eher Rückschritte und keine Fortschritte. Diese klare Analyse darf man nicht ignorieren. Es gibt gravierende Verstöße gegen Grund- und Menschenrechte von Demonstranten und Journalisten, Religionsfreiheit wird nicht gewährleistet. Ich bin der Meinung: Wir dürfen diese Vorkommnisse nicht auch noch dadurch belohnen, dass wir ein weiteres Kapitel in den Beitrittsverhandlungen eröffnen, (Johannes Kahrs [SPD]: Das ist keine Belohnung! – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür die Demonstranten bestrafen!) sondern wir sollten kritisch überprüfen, ob wir auch die nötige Distanz zu der Regierung Erdogan halten. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das passt gut zu Sevim Da?delen! Linkspartei und CSU Seite an Seite!) Wir sollten uns bemühen, dies alles einmal aus der Perspektive der Demonstrantinnen und Demonstranten auf den Plätzen zu betrachten. Denn welche Botschaft wird denen vermittelt? Wir dürfen doch nicht den Demonstranten den Eindruck vermitteln, dass wir Erdogan einen Freibrief ausstellen, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) sondern wir müssen ein Stoppschild gegen dieses gewaltsame Vorgehen aufstellen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie müssen die Demonstranten und die Demokratie unterstützen!) Deswegen halte ich es für notwendig, dass wir ein Signal für Freiheit und Recht setzen, ein Signal für Meinungsfreiheit, für Versammlungsfreiheit, für Pressefreiheit und für Religionsfreiheit. (Beifall bei der CDU/CSU) Deswegen wäre jetzt der Zeitpunkt, um die Beitrittsverhandlungen zumindest auszusetzen und dieses Signal für Recht und Freiheit zu setzen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super! Das hilft den Demonstranten! – Johannes Kahrs [SPD]: Das wollten Sie ja schon immer!) Es ist doch jetzt nicht die Zeit für einseitige Vorleistungen der Europäischen Union an die Türkei, sondern wir müssen im Gegenteil klarmachen, dass es die türkische Regierung ist, die jetzt liefern muss; sie muss von den Rückschritten Abstand nehmen und zu Fortschritten gelangen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Schäbig! Das ist genau das, was Sie schon immer wollten!) Deswegen plädiere ich sehr dafür, unmissverständlich klarzumachen, dass wir hinter den friedlichen Demonstranten stehen und sie auf ihrem Weg zu Demokratie, zu Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei unterstützen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Schlechteste Rede heute hier! – Zweitschlechteste!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Lars Klingbeil hat für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Lars Klingbeil (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder, die uns in den letzten zwei Wochen aus der Türkei erreicht haben, haben uns, glaube ich, alle schockiert. Ich begrüße es ausdrücklich, dass wir heute in einer Aktuellen Stunde über die aktuelle Situation in der Türkei diskutieren. Die überzogene Härte durch die Polizei und den türkischen Staat werden wir hier kritisch diskutieren. Das haben wir gezeigt. Wir sind der Meinung: Diese überzogene Härte, die wir erlebt haben, hat in einem demokratischen Staat nichts zu suchen. Das autoritäre Auftreten des Ministerpräsidenten der Türkei hat die Lage verschärft, anstatt sie zu beruhigen. Es ist gut, dass aus dieser Aktuellen Stunde ein deutliches Signal an die friedlichen Demonstranten in der Türkei geht: dass wir an ihrer Seite stehen, wenn es darum geht, für die Rechte in der Türkei zu kämpfen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrte Kollegen, es macht Mut, die jungen Menschen in der Türkei auf der Straße zu sehen. Die Zusammensetzung und Vielfalt der Demonstranten zeigt, dass es hier nicht um einzelne Strömungen oder einzelne Gruppen geht. Es sind verschiedene gesellschaftliche Schichten mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, die dort gemeinsam auf die Straße gehen, und das nicht nur in Istanbul und Ankara, sondern in allen Regionen und Provinzen des Landes. Sogar die Fans der drei großen Istanbuler Fußballvereine haben sich zusammengetan – das ist eine besondere Situation –, und sie demonstrieren gemeinsam für mehr Demokratie, für Freiheitsrechte und für ein Ende der übertriebenen Härte durch die Polizei. Es geht auch nicht länger um die Frage von 600 Bäumen auf dem Taksim-Platz. Das harte Vorgehen der -Regierung gegen die jungen Demonstranten hat dazu geführt, dass sich in der türkischen Gesellschaft etwas entladen hat: Wir sehen, dass die Regierungspolitik als Ganzes infrage gestellt wird. Es geht um die Polarisierung in der türkischen Gesellschaft. Es geht um Intransparenz und um undemokratisches und autoritäres Verhalten. Die Demonstranten haben das Gefühl, an ihnen werde vorbeiregiert. Hier setzt gerade die junge Generation ein deutliches Signal und kämpft für Veränderungen. Die unter 30-Jährigen in der Türkei bilden 50 Prozent der Gesellschaft, und sie kämpfen für Demokratie. Sie wollen Demokratie, sie wollen Freiheit, und sie wollen diese Freiheit verteidigen. Sie organisieren sich über -Facebook und Twitter und formulieren ganz deutlich den Anspruch auf eine freie und demokratische Gesellschaft. Ich sage Ihnen: Wir müssen an ihrer Seite stehen, wenn es um diesen Kampf in der Türkei geht. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Für uns sollten daraus drei Punkte folgen: Erstens. Die Menschen, die gerade in der Türkei friedlich demonstrieren, gehen für Werte auf die Straße, die auch unserem Verständnis von Demokratie entsprechen. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Sie gehen für die Meinungsfreiheit auf die Straße, für das Recht auf Versammlungen, für das Recht auf freie Berichterstattung, und sie kämpfen für eine freie Zivilgesellschaft. Diesen friedlichen Kräften müssen wir als Parlament in aller Deutlichkeit sagen: Wir stehen an -eurer Seite. Wir teilen euren Wunsch nach Freiheit und Demokratie. Wir unterstützen euch. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Bijan Djir-Sarai [FDP]) Zweitens. Wir als Parlament müssen unsere Bundesregierung auffordern, den Druck auf Ministerpräsident Erdogan zu erhöhen, damit es einen ernsthaften Dialog mit den Demonstranten gibt. Es muss in der Türkei zu tiefgreifenden Reformen kommen. Das politische System und das Vorgehen der Sicherheitsbehörden müssen sich an demokratischen Maßstäben messen lassen. Ich füge auch an: Erdogan hat in den letzten Wochen versagt, wenn es darum ging, eine Vorbildfunktion in der Region im Umgang mit Demonstranten und im Umgang mit der politischen Opposition zu erfüllen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drittens. Wir müssen der Türkei eine deutliche, eine klare europäische Perspektive aufzeigen. Da geht es nicht um weniger europäische Perspektive, wie es mancher in der Diskussion heute gesagt hat, sondern um mehr europäische Perspektive. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Selbst Mitglieder der Regierungsfraktionen haben sich über Ihre Türkei-Politik in den letzten Jahren kritisch -geäußert. Die „privilegierte Partnerschaft“ gehört in meinen Augen an dieser Stelle beerdigt. Wir müssen endlich über eine ernsthafte europäische Beitrittsper-spektive für die Türkei reden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Herr Silberhorn, ich hatte mir eigentlich vorgenommen, an dieser Stelle friedlich zu bleiben. Aber ich will schon sagen: Wenn Sie davon sprechen, dass es um Belohnung geht, dann offenbart das ein Verständnis, das doch nicht unseres sein kann. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es geht darum, dass in Europa Menschen mit den gleichen Wertvorstellungen zusammenwachsen. Daher ist die Zeit vorbei, wo die Deutschen in Europa Belohnungen verteilen; so ähnlich war Ihre Wortwahl. Ich bin schockiert darüber. Ich denke, wir sind da weiter in der Diskussion. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was soll es für ein Signal an die Demonstranten sein, wenn wir sagen: „Wir wissen, ihr geht für dieselben Werte wie wir auf die Straße“, aber wenn wir dann auch sagen: „Wir machen die Tür an dieser Stelle zu“? Das ist das falsche Signal. Noch einmal: Es geht um mehr Europa und nicht um -weniger. Das muss doch Linie des Parlaments, der Bundesregierung sein. Hier bitte ich um Unterstützung. Vielen Dank fürs Zuhören. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU]) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Gunther Krichbaum für die Unionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Gunther Krichbaum (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder, die uns gegenwärtig aus der Türkei erreichen, erfüllen uns mit großer Sorge. Sie dürfen uns nicht gleichgültig sein, und sie sind uns auch nicht gleichgültig, wie allein schon die Aktuelle Stunde heute Nachmittag beweist. Es wurde schon mehrfach angesprochen: Der geplante Bau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände des Gezi-Parks ist nur der Anlass, aber keinesfalls die Ursache dessen, was wir hier erleben. Es ist eine Protestbewegung, die erfüllt ist von der Sorge, dass genau das infrage gestellt wird, was sich an politischer Entwicklung in den letzten 20 Jahren in der Türkei vollzogen hat. Nach einer schwierigen Geschichte, geprägt von einer Militärdiktatur, befand sich die Türkei auf einem guten Weg der Demokratisierung. Viele fürchten, dass genau das, was mühsam erkämpft wurde, jetzt infrage gestellt wird. (Beifall des Abg. Hans-Werner Ehrenberg [FDP]) Es geht für die Zukunft um viel; denn das, was wir heute erleben, bestimmt letztlich den Kurs der Türkei über die nächsten Wochen, Monate und Jahre. Es geht um die Positionierung eines ganzen Landes, eines Schlüssellandes für die gesamte Region. Wer sich anschickt, nach Europa, in die Europäische Union zu gehen, ihr Mitglied zu werden, der muss auch bereit sein, die Werte dieser Europäischen Union zu -teilen, Werte wie – um nur einige zu nennen – Rechtsstaatlichkeit und Friedenswahrung, aber natürlich auch Demokratie. Demokratie setzt Teilhabe voraus, setzt Pressefreiheit voraus; ohne Pressefreiheit natürlich keine Meinungsfreiheit, ohne Meinungsfreiheit keine Demokratie. „Taksim“ heißt übersetzt letztlich nichts anderes als „Teilung“. „Taksim“ könnte auch weiter interpretiert werden, nämlich als eine Spaltung, die hier droht, die Spaltung einer ganzen Gesellschaft. – Was die Übersetzung angeht, habe ich übrigens vor allem die Hilfe -meines Kollegen Kilic in Anspruch genommen. – Wir dürfen genau diese Spaltung der Gesellschaft nicht zulassen. Es wäre jetzt sicherlich falsch, eine Art Türkei--Bashing zu betreiben – darum darf es nicht gehen –, dies würde vor allem viele in Mithaftung zu nehmen, die genau die gegenteilige Entwicklung der Türkei wollen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Es wäre, glaube ich, auch ein Fehler, die Regierung -Erdogan jetzt in Bausch und Bogen zu verurteilen; die Sache liegt etwas differenzierter. Diese Regierung wurde in demokratischen Wahlen wiederholt an die Macht gewählt. Aber es ist wichtig, zu erklären, was Demokratie bedeutet: die Respektierung auch einer Minderheit. Es darf nicht sein, dass die Mehrheit die Minderheit ignoriert, diese geradezu an die Wand drückt. Es entspricht jedenfalls auch nicht unserem Demokratieverständnis, wenn Ministerpräsident Erdogan fortwährend von -„unsere 50 Prozent“ spricht und die Protestbewegung geradezu verunglimpft. Es werden Behauptungen aufgestellt wie die, dass die Demonstranten in den Moscheen Alkohol trinken würden bzw. Frauen mit Kopftüchern angreifen würden. Hier wird Stimmung gemacht, und genau das dürfen wir an dieser Stelle nicht zulassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir dürfen auch nicht zulassen, wie hier Politik verstanden wird. Ministerpräsident Erdogan macht Politik als Machtpolitik. Auch das ist nicht das Verständnis, das wir von Politik haben. Wie können die Konsequenzen aussehen? Ich denke, ein Abbruch der Beitrittsgespräche wäre nicht das richtige Signal. (Beifall bei der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Leere Stühle führen keine Verhandlungen. In diesem Moment würden wir uns der Einwirkungsmöglichkeiten begeben, die wir an dieser Stelle aber brauchen. Es wird wichtig sein, dass die Europäische Union mit einer Stimme spricht. Es kann geradezu eine Sternstunde der Europäischen Union werden, wenn wir hier mit einer abgestimmten europäischen Haltung aufwarten können. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Diese Signale müssen kommen. Es müssen auch -Signale aus der Türkei selbst kommen. Dann haben wir die Chance, dass „Taksim“ noch in einer anderen Bedeutung gelesen werden kann, nämlich in der altosmanischen. Da bedeutet „Taksim“ nämlich „Einleitung“. „Taksim“ kann auch die Einleitung eines demokratischen Prozesses bedeuten, den die ganze Region in jedem Fall dringend braucht. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Djir-Sarai für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP) Bijan Djir-Sarai (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind alle empört über die Bilder, die uns derzeit aus der Türkei erreichen. Wir sind geschockt über das Ausmaß der Gewalt, die dort stattfindet. Die Demonstrationen auf dem Taksim-Platz haben friedlich begonnen. Sie sind – das wissen wir inzwischen alle – mittlerweile in heftige Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Protestierenden ausgeartet. Das besorgt uns alle sehr. Das muss uns auch besorgen. Dazu muss hier in diesem Haus Stellung bezogen werden. Mit dieser Aktuellen Stunde machen wir das. Es ist allerdings wichtig, dass wir diese Diskussion ohne Häme und ohne Emotionen, sondern sachlich und nüchtern führen. Frau Kollegin Da?delen, ich möchte noch etwas zu Ihrer Rede sagen. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Das kann man auch!) – Selbstverständlich. – Wir beobachten selbstverständlich die Ausschreitungen in Istanbul und in anderen Teilen der Türkei. Aber man kann ja die Ereignisse in der Türkei nicht mit dem arabischen Frühling gleichsetzen. (Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Das sagt niemand! Davon distanzieren sich die Leute! – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Das hat sie nicht gesagt!) In Nordafrika und in der arabischen Welt lehnten sich die Menschen gegen jahrzehntewährende autoritäre Herrschaften auf. Dort sind die Menschen regelrecht unterdrückt worden. Das können Sie nicht mit der Situation in der Türkei vergleichen. Das ist in der Türkei definitiv nicht der Fall. (Beifall bei der FDP – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Aber sie hat es doch nicht gemacht! Was reden Sie hier?) Die Türkei hat auf dem Weg zu einer demokratischen Gesellschaft noch viele Herausforderungen vor sich. Sie muss noch viele Probleme lösen. Aber insgesamt kennen wir die Türkei als ein modernes, freundliches und dynamisches Land. Ich kann nur hoffen, dass sie auch nach den Demonstrationen ein solch modernes und dynamisches Land bleibt. Die anhaltenden Proteste sind viel eher Ausdruck eines demokratischen Verständnisses, an öffentlichen und politischen Entscheidungen teilhaben zu wollen. Demonstrationen gehören zu einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Gerade deswegen bitten wir beide Seiten – die Demonstranten wie die Sicherheitskräfte –, sich zu mäßigen, sich zu beruhigen und endlich mit dem friedlichen Dialog zu beginnen. Das ist jetzt das Entscheidende, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Die Türkei ist ein stolzes Land, und sie hat auch allen Grund dazu. In den letzten zehn Jahren hat sie eine enorme Entwicklung hinter sich gebracht, wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Sie gilt als das Vorbild in Nord-afrika und in der arabischen Welt, weil sie Demokratie und eine islamisch geprägte Kultur modern vereint und damit sehr erfolgreich ist. Die Demokratie ist das Fundament, auf dem dieser Erfolg ruht. Wenn die türkische Regierung jetzt endlich mit den Demonstranten des Taksim-Platzes in den friedlichen Dialog einträte, wäre dies ein weiterer Grund für die Türken, stolz auf ihr Land zu sein. Es wäre nicht nur ein richtiger Schritt in der Gegenwart, sondern auch der richtige Schritt in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft. Wir in Deutschland verstehen uns als enger Freund der Türkei. Unter Freunden wird das offene Wort geschätzt. Europa ist eine demokratische Wertegemeinschaft. Die schrecklichen Bilder aus der Türkei sind daher für uns nicht akzeptabel. Das muss ganz deutlich gesagt werden. Daher bitten wir alle Beteiligten, Gewalt unter allen Umständen zu vermeiden. Unsere Botschaft an die türkische Regierung lautet daher: Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit sind fundamentale Prinzipien eines demokratischen Staates. Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind nicht hinnehmbar. Bürgerrechte sind nicht nur zu achten, sie müssen auch in der Türkei gewährleistet sein. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, eine besondere Verantwortung, die Lage zu beruhigen, trägt natürlich auch der türkische Ministerpräsident Erdogan; viele Redner haben darauf hingewiesen. Ich muss gestehen, dass ich die derzeitige Rhetorik des türkischen Ministerpräsidenten nicht nachvollziehen kann. Ministerpräsident Erdogan muss gerade in dieser schwierigen Situation der Ministerpräsident aller Türken sein und darf nicht durch einseitige Rhetorik das Land spalten. Die jetzigen Proteste, die auf eine allgemeine Unzufriedenheit hindeuten, sollte die Regierung eher als Chance statt als Bedrohung wahrnehmen. Es ist die Chance, die Demokratie in der Türkei zu stärken. Es ist die Chance, der internationalen Gemeinschaft zu zeigen, wie selbstverständlich sich ein islamisches Land zur Demokratie bekennt und sie auch lebt. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich gebe zu: Die Proteste sind eine harte Probe für die Türkei. Ich bin aber zuversichtlich, dass die türkische Regierung diese Probe zusammen mit der türkischen Gesellschaft am Ende des Tages bestehen wird. Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Anmerkung machen: Mit Blick auf die Bilder aus der Türkei fühlen sich in diesen Tagen all diejenigen bestätigt, die immer der Meinung waren, die Türkei gehöre nicht nach Europa, und benutzen diese schrecklichen Bilder als Beweis dafür. Das ist falsch, und das ist unklug. (Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Ruprecht Polenz [CDU/CSU]) Herr Kollege Silberhorn, ich schätze Ihre Analyse und Ihre Einschätzung. Ich glaube aber: In dieser Situation sollte Europa genau das Gegenteil tun. Gerade in dieser Situation braucht die Türkei die europäische Perspektive. Gerade in dieser Situation sollte Europa auf die junge türkische Generation vertrauen, die gerade zeigt, dass die Türkei und Europa zu einer Wertegemeinschaft gehören. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Petra Pau: Letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde ist der Kollege Hartwig Fischer für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin der festen Überzeugung, dass Rückschläge uns nicht entmutigen dürfen. Das hat sich in der Vergangenheit auch gezeigt. Es hat im deutsch-türkischen Verhältnis immer wieder Rückschläge gegeben. Ich erinnere an den Versuch im Jahre 1997, das syrisch-orthodoxe Kloster Mor Gabriel zu schließen. Ich erinnere daran, dass man dort den Sprach- und Religionsunterricht verhindern wollte. Der Dialog hat dazu geführt, dass der Unterricht trotz der schwierigen Situation weitergeführt werden konnte. 2008 hat es erneut Ansätze staatlicher Repression gegeben, als versucht wurde, das Kloster zu enteignen. Wir haben erlebt, dass die Bundesregierung und alle Fraktionen sich hinter dieses Kloster gestellt und durch Dialog etwas erreicht haben. Wir haben erlebt, dass im März 2003 vier Stiftungen eingeschüchtert wurden, indem man gerichtlich gegen sie vorgegangen ist. Dazu gehörte auch die Orient-Stiftung, es ging also nicht nur um die politischen Stiftungen. Wie steht es in der Verfassung für Europa? Das Erbe Europas ist, sich zu den unverletzlichen und unveräußerlichen Rechten der Menschen sowie zu Freiheit, Demokratie, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit als universelle Werte zu bekennen. Europa will ein Kontinent bleiben, der für Kultur, Wissen und sozialen Fortschritt offen ist. Europa will Demokratie und Transparenz als Grundlage seines öffentlichen Lebens stärken und auf Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität in der Welt hinwirken. Von dem Anspruch auf die Mitgliedschaft in der europäischen Familie mit allen Rechten und Pflichten entfernt sich Herr Erdogan nach meiner Überzeugung im Augenblick. Er handelt entgegen den Interessen seines Volkes und der Zivilgesellschaft. Das schadet. Es nützt aber nichts, in Rhetorik zu verfallen. Es nützt nur, auf beide Seiten zuzugehen und den Dialog zu führen. Denn wir wissen, dass die Frage der Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union in der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland noch immer umstritten ist. Wir müssen auch die eigene Bevölkerung mitnehmen, wenn wir in dieser Frage weiterkommen wollen. Ich sage: Es ist schändlich, dass jetzt die sozialen Netzwerke in der Türkei einfach abgeschaltet werden. Das ist eine Entwicklung, die wir während des arabischen Frühlings auch erlebt haben. Man versucht, Meinungsfreiheit und Transparenz, die Bewegung in alle Welt transportieren, abzuhacken. Das wird nicht gelingen. Es bedeutet, dass von politischer Seite versucht wird, Entwicklungen, die von einem Volk getragen werden, und deren Veröffentlichung zu verhindern. Ich appelliere von meiner Seite mit unseren Kolleginnen und Kollegen – ich glaube, mit allen im Parlament –, dass diese sozialen Netzwerke wieder freigeschaltet werden. Soziale Netzwerke können dazu benutzt werden, Demokratie zu stärken. Gleichzeitig können sie, wie wir sehen, auch Gefahren entwickeln, weil nicht alles, was in sozialen Netzwerken richtig ist, die Grundlage für tatsächliches Handeln und tatsächliches Vorgehen ist. Frau Da?delen, ich wünsche Ihnen, dass Sie sich nicht zu Trittbrettfahrern und Scharfmachern entwickeln. Wir müssen dem, was dort stattfindet, eine eigene Entwicklung ermöglichen, und sollten nicht versuchen, von außen auf die Zivilgesellschaft einzuwirken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir können sie unterstützen, indem wir im Dialog mit den Verantwortlichen aus der Politik deutlich machen, dass wir die Tür nicht zuschlagen, weil es die Tür ist, durch die in Zukunft die Bevölkerung der Türkei nach Europa kommen soll. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sevim Da?delen [DIE LINKE]: Ein Hohn! Ein blanker Hohn! Das ist echt Zynismus pur!) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist damit beendet. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf: Beratung des Berichts des Petitionsausschusses Bericht und Beschwerden an den Deutschen Bundestag Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2012 – Drucksache 17/13660 – Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich bitte, die offensichtlich notwendigen Umgruppierungen im Plenarsaal jetzt zügig vorzunehmen, sodass ich dann die Aussprache geordnet eröffnen kann. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Vorsitzende des Petitionsausschusses, die Kollegin Kersten Steinke. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Kersten Steinke (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Seit 2006 habe ich einen Traum: Ich träume davon, dass der Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages seinen Jahresbericht am Donnerstagvormittag zur Kernzeit vortragen darf. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD) Leider hat sich mein Traum auch in diesem Jahr nicht erfüllt, aber ich werde ihn mir auf jeden Fall bewahren. Ich möchte mich trotzdem ganz herzlich beim Präsidenten, Herrn Lammert, und bei den Parlamentarischen Geschäftsführern aller Fraktionen dafür bedanken, dass ich der Verwirklichung meines Traums mit der heutigen Debatte zu dieser Uhrzeit etwas näher gekommen bin. (Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN und der SPD – Iris Gleicke [SPD]: Ach, deshalb war der Hammelsprung! Jetzt verstehe ich!) Man sollte bedenken, dass der Petitionsausschuss seit nunmehr 64 Jahren eine Art Innenrevision unseres Grundgesetzes durchführt. Insofern bleibt zu hoffen, dass diese Rolle endlich durch eine angemessene Platzierung auf der Tagesordnung gewürdigt wird. Zwei Zahlen prägten die Arbeit des Petitionsausschusses im Jahr 2012 in besonderer Weise. Die erste Zahl ist die Zahl der Gesamteingaben: 15 724 Petitionen wurden im Berichtsjahr eingereicht. 6 748 davon gingen auf elektronischem Weg ein; das sind 43 Prozent der Gesamteingaben, womit der Anteil an online eingereichten Petitionen – die Möglichkeit besteht seit 2005 – einen neuen Spitzenwert erreicht hat. Der Trend, dass jedes Jahr mehr Bürgerinnen und Bürger das Internet nutzen, um sich mit ihren Anliegen an das Parlament zu wenden, setzt sich also fort. Die zweite prägende Zahl ist weitaus imposanter: 1,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger haben sich bis Ende 2012 auf der Internetseite des Petitionsausschusses angemeldet, um auf elektronischem Weg eine Petition einzureichen, eine öffentliche Petition mitzuzeichnen oder auch zu diskutieren. Diese Zahlen zeigen: Der Petitionsausschuss hat in der Bevölkerung einen hohen Stellenwert, und das Vertrauen in seine Arbeit ist gewachsen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Vertrauen gilt es jedes Jahr aufs Neue zu rechtfertigen und vor allem auch zu stärken. Eine uns häufig gestellte Frage ist die nach der Anzahl der positiv erledigten Eingaben. Diese Frage kann man nicht mit einer absoluten Zahl beantworten, weil in manchen, oft sehr komplexen Fällen zumindest Teil-erfolge erzielt werden konnten. Jedoch können wir mehr als ein Drittel der Vorgänge im Berichtsjahr im weiteren Sinne als positiv erledigt ansehen, wobei oftmals schon ein Rat, eine Auskunft oder ein Verweis auf die richtige Institution geholfen hat. Von den 15 724 Petitionen entfiel knapp ein Viertel der Gesamteingaben, also 3 379 Vorgänge, auf das Ressort Arbeit und Soziales. Wie auch in den Vorjahren belegt es damit den Spitzenplatz unter den betroffenen Bundesministerien; denn wenn es um Beruf, Einkommen, gerechte Renten und angemessene Hilfe geht, kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen Staat und Bürgern. Allein zum Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung gab es 1 468 Petitionen. Hier ging es zum Beispiel um die bisher unterbliebene Ost-West-Rentenangleichung. Auf dem zweiten Platz folgt das Bundesministerium der Justiz mit 2 072 Eingaben, also 13 Prozent der gesamten Eingaben. Hier fordert ein Petent zum Beispiel eine höhere Freiheitsstrafe für Angriffe auf Nothelfer. Auslöser hierfür war unter anderem der brutale Angriff auf einen jungen Mann am Alexanderplatz in Berlin, der einem anderen zu Hilfe kommen wollte und dafür mit dem Leben bezahlt hat. Der Petent fordert, solche Nothelfer unter den besonderen Schutz des Gesetzes zu stellen. Seine Petition wurde von Hunderten von Bürgerinnen und Bürgern unterstützt. Nach Klärung des Sachverhalts stellte der Petitionsausschuss zwar fest, dass Angriffe auf Nothelfer schon jetzt hart bestraft werden können, doch hielt er es für denkbar, die Nothilfe explizit als weitere Variante in den Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung aufzunehmen. Als Anregung für mögliche Initiativen wiesen wir die Regierung und die Fraktionen auf diese Petition hin. Neben seinen 23 regulären Sitzungen hat der Ausschuss 28 Berichterstattergespräche mit einzelnen Regierungsvertretern der Ministerien geführt, um Lösungen für schwierige Fälle zu finden. Hier wurden zum Beispiel das Bankenwesen, der Lärmschutz im Luftverkehr und die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts thematisiert. Hervorzuheben sind die vier öffentlichen Sitzungen, in denen zwölf Petitionen in Einzelberatungen aufgerufen wurden. Themen waren unter anderem: die Vergütung von medizinischen Leistungen, die bedarfsgerechte Versorgung mit Hospizplätzen, der Schutz von landwirtschaftlichen Nutzflächen, das Urheberrecht, das europaweite Verbot der Vorratsdatenspeicherung und die Einrichtung von Masterstudienplätzen. In drei Fällen führte der Ausschuss Ortstermine durch. Gemeinsam mit den Petenten und den Vertretern der zuständigen Verwaltungen wurden die Liegenschaften des Bundes in Rottweil sowie das Thema Lärmbelästigung durch Bahnstrecken in Bremen-Walle und Duisburg-Neudorf besprochen. Die Möglichkeit, Petitionen im Internet zu veröffentlichen und online zu unterstützen, erlaubt es interessierten Menschen, sich gemeinsam für ein Anliegen starkzumachen. Diese Möglichkeit wird seit 2005 rege genutzt, die Zahlen beweisen das. Neben den bereits erwähnten 1,4 Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern der Internetseite wurden die im Berichtsjahr 526 veröffentlichten Petitionen mit über 500 000 Mitzeichnungen unterstützt. Eine weitere Zahl, die ins Auge sticht und dem scheinbar politischen Desinteresse der Bürgerinnen und Bürger widerspricht: Mit 2 bis 3 Millionen Seitenaufrufen pro Monat ist das Internetportal des Petitionsausschusses klarer Spitzenreiter des Internetangebotes des Deutschen Bundestages. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die meist mitgezeichneten öffentlichen Petitionen im Berichtsjahr sind die Forderungen nach Steuerfreiheit für private Ballett-, Tanz- und Musikschulen mit über 97 000 Mitzeichnungen und die Forderungen nach Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Altenpflege mit knapp 93 000 Mitzeichnungen. Mit den öffentlichen Petitionen werden gesellschaftliche Probleme angesprochen, die zwar von allgemeinem Interesse sind, aber nur eine relativ kleine Gruppe betreffen. Ein Beispiel: Im letzten Jahr reichte ein Petent eine öffentliche Petition ein, mit der er die bedarfsgerechte Versorgung mit Hospizplätzen forderte. In einer öffentlichen Sitzung schilderte uns der Petent eindrucksvoll, wie seine Mutter in den letzten Monaten ihres Lebens keinen Platz im einzigen Hospiz ihrer Heimatstadt bekommen habe und sie bis kurz vor ihrem Tod mehrfach von zu Hause ins Krankenhaus und zurück verlegt wurde. Dieser entwürdigende Umgang führte dazu, dass die Mutter und die ganze Familie nie zur Ruhe kamen. Ergriffen von der Geschichte waren wir uns fraktionsübergreifend einig, dass das sensible Thema des Sterbens weiter in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen und politischen Interesses gerückt werden muss. (Beifall im ganzen Hause) Bei all den Möglichkeiten, die das Petitionsrecht in Verbindung mit dem Internet bringt, dürfen wir nicht vergessen, dass die privaten Sorgen und Nöte des einzelnen Bürgers nach wie vor Hauptanteil unserer Arbeit sind: (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) die Bearbeitung von persönlichen Bitten und Beschwerden, wie die falsch berechnete Rente, der nicht finanzierte Rollstuhl, das abgelehnte Besuchervisum. Dies alles sind für den Einzelnen, der sich an uns wendet, existenzielle Probleme. Unserer Arbeit sind aber auch Grenzen gesetzt; denn der Petitionsausschuss kann die Bundesregierung zwar auffordern, dem Anliegen von Petitionen zu entsprechen, zu einem positiven Handeln zwingen kann er sie leider nicht. So hat der Petitionsausschuss auch im Jahr 2012 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sehr hohe Voten gegenüber der Bundesregierung auszusprechen. Unsere Erwartungen wurden in einigen Fällen aber nicht erfüllt. Wir wünschen uns mehr Akzeptanz für unsere Empfehlungen; denn Entscheidungen mit hohen Voten werden von den Ausschussmitgliedern aller Fraktionen getragen. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Um unsere Arbeit immer weiter zu verbessern, pflegen wir eine intensive Zusammenarbeit mit den Peti-tionsausschüssen der Landesvolksvertretungen sowie auf europäischer und internationaler Ebene. Turnusgemäß fand 2012 die Tagung der Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden der Petitionsausschüsse des Bundes, der Länder sowie der Bürgerbeauftragten aus der Bundesrepublik Deutschland und dem deutschsprachigen Raum Europas in Erfurt statt. Viele internationale Gäste führten auch 2012 informative Gespräche mit den Mitgliedern des Petitionsausschusses. Zu den Besuchern im Jahr 2012 gehörten Vertreterinnen und Vertreter aus der Republik Usbekistan, Mitglieder der Volksanwaltschaft Tirol und der Generalsekretär des Europäischen Ombudsmann-Instituts, Abgeordnete des südafrikanischen Parlamentsausschusses für Petitionen, Abgeordnete des mongolischen Petitionsausschusses sowie eine Delegation des kambodschanischen Parlaments. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die heutige Debatte dazu nutzen, mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes ganz herzlich für ihre fleißige und engagierte Arbeit und für ihren Einsatz zu bedanken. Ohne sie wären wir aufgeschmissen. Ich glaube, das gilt jedes Jahr. (Beifall im ganzen Hause) Es geht eine Wahlperiode mit vielen Wechseln und einer dünnen Personaldecke zu Ende. Nach dreimaligem Wechsel des Unterabteilungsleiters bin ich froh, dass Herr Dr. Schotten nun schon über anderthalb Jahre für eine konstruktive Zusammenarbeit sorgt. Herzlichen Dank, Herr Dr. Schotten! Mein besonderer Dank gilt Herrn Finger, der mich seit zwei Wahlperioden kontinuierlich durch alle Höhen und Tiefen der Petitionsausschussarbeit mit Seriosität und Humor begleitet. Dafür ganz herzlichen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Darüber hinaus möchte ich mich natürlich ganz, ganz herzlich bei meinen Ausschussmitgliedern für die sachliche und gute Zusammenarbeit bedanken. Bei aller Ernsthaftigkeit, mit der wir die vielen Petitionen behandeln, bleibt es dabei: Eine sachliche und freundliche Arbeitsatmosphäre trägt in vielen Fällen zum Erfolg bei. Ich habe mich stets um diese Atmosphäre bemüht. Sie haben es mir aber auch leicht gemacht. Herzlichen Dank dafür! (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, möchte ich kurz etwas anmerken: Sie haben gesehen, dass der Dank der Vorsitzenden an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsausschusses vom gesamten Haus getragen wurde. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Wie vieles, Frau Pau!) Das halten wir an dieser Stelle fest. Wir wünschen Ihnen weiterhin erfolgreiche Arbeit und natürlich die Unterstützung der Mitglieder des Petitionsausschusses in der zukünftigen, der 18. Wahlperiode. (Beifall im ganzen Hause) Das Wort hat der Kollege Paul Lehrieder für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Besuchertribünen! Ich spreche insbesondere die jungen Leute an, die hier zugegen sind: Sie erleben abermals eine Sternstunde des deutschen Parlamentarismus. Dies ist eine der wenigen Debatten, in denen wir oft gemeinsam klatschen. Das kommt in diesem Hohen Hause nicht so oft vor. Ich bin von einem Kollegen aus meiner Fraktion gefragt worden: Warum klatscht ihr bei den Linken? – Da habe ich gesagt: Weil das eine gute Frau ist, weil sie in vielen Punkten recht hat. Meine Damen und Herren! Gerne würden wir der grundlegenden Bedeutung des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages gerecht werden. Dann müssten wir statt einmal im Jahr jede Sitzungswoche über die Petitionen hier im Plenum debattieren. Frau Steinke, Sie haben recht: Eigentlich hätten wir es verdient, am Donnerstagmorgen in der Kernzeit zu debattieren. Vielleicht schaffen wir das in der nächsten Periode. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die besondere Bedeutung des Petitionsausschusses zeigt sich nicht nur an seiner verfassungsrechtlichen Verankerung, sondern auch in der Zahl der Eingaben, die den Deutschen Bundestag jedes Jahr erreichen – Sie haben die Zahl bereits genannt –: Allein im Jahr 2012 durfte der Petitionsausschuss, also der Ausschussdienst und die Abgeordneten, 15 724 Petitionen bearbeiten. In Art. 17 sowie in Art. 45 c unseres Grundgesetzes ist dieser Weg normiert. Kein anderer Ausschuss des Deutschen Bundestages genießt diesen Verfassungsrang. Auch das sollte uns selbstbewusst machen. In keinem anderen Bereich haben die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, ihre Interessen, ihre Sorgen und Nöte unmittelbar gegenüber ihren gewählten Vertretern zu artikulieren. Das sonst so stark repräsentativ geprägte parlamentarische Verfahren wird mit dem Petitionsausschuss durch ein direktes plebiszitäres Element bereits jetzt ergänzt. Nach meiner nunmehr achtjährigen Tätigkeit im Petitionsausschuss kann ich bestätigen, dass man in keinem anderen Gremium eine derart unmittelbare Berührung mit den Anliegen der Bürgerinnen und Bürger hat. Der Petitionsausschuss ist wahrlich nahe am Menschen. Auch wenn dieser Ausschuss mit Sicherheit einer der arbeitsintensivsten ist, bin ich froh, hier mitarbeiten zu dürfen. Der Erfolg unserer Arbeit ist mit jeder einzelnen Petition, die wir positiv abschließen können, direkt sichtbar. Wie auch in den Jahren zuvor war der Bereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, für den ich hauptsächlich Bericht erstatten darf, der Bereich mit den mit Abstand meisten Eingaben; Frau Steinke, Sie haben bereits darauf hingewiesen. Von den insgesamt etwa 15 700 Petitionen stammten etwa 3 300, immerhin über 21 Prozent, aus dem Bereich Arbeit und Soziales. (Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU] – Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Lehrieder hat einen Fan!) Stellvertretend für die zahlreichen Eingaben an den Deutschen Bundestag möchte ich im Folgenden von einer Petition berichten, die mir sehr am Herzen liegt. Mit dieser Petition forderte der Petent für seinen Musikverein eine Befreiung von der Künstlersozialabgabe. Der Musikverein, der seit 1979 gemeinnützige Tätigkeit im Bereich der Kultur- und Jugendarbeit leistet, verfügt über ein eigenes Blasorchester. Um später in diesem mitwirken zu können, können die Jugendlichen im Verein Instrumentalunterricht nehmen. Die ehrenamtlichen und laienhaften Tätigkeiten der Mitglieder erfolgen ausschließlich in deren Freizeit. Daher ist es für den Petenten nicht nachvollziehbar, weshalb der Musikverein zur Künstlersozialabgabe verpflichtet wurde. Ich denke, wir alle sind uns einig, dass die Künstlersozialversicherung, in deren Rahmen die Künstlersozialabgabe zu entrichten ist, für die soziale Absicherung der Kunstschaffenden unverzichtbar ist. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch Künstler haben selbstverständlich Anspruch auf soziale Absicherung und natürlich später auf eine auskömmliche Rente. Allerdings handelt es sich vorwiegend um einen sogenannten Laienmusikverein, dessen Musikunterricht ausschließlich der Nachwuchsförderung des vereinseigenen Orchesters dient. Der Verein fördert das Musikleben der Stadt und Umgebung und probt hierfür einmal wöchentlich. Sämtliche Mitglieder sind ehrenamtlich tätig. Da mir die Interessen der Blaskapellen und der Musikvereine besonders am Herzen liegen, bin ich persönlich sehr froh, dass wir alle uns darüber einig waren, dass der gesellschaftlich wertvollen Arbeit unserer Musikvereine durch eine rechtssichere Regelung bezüglich der Abgabepflicht für die Ausbildung des Nachwuchses Rechnung getragen werden muss. Diese Frage wurde von allen Gerichten, landauf, landab, Sozialgericht, Landessozialgericht bis zum Bundessozialgericht, bereits behandelt. Wir haben jetzt in Kooperation mit einem konstruktiv mitarbeitenden Ministerium eine Regelung für eine Abgrenzung zwischen Musikschulen und Musikvereinen erreicht. Hierfür ein herzliches Wort des Dankes. Ich werde die entsprechende Sitzung im Januar 2013, also vor wenigen Wochen, im Deutschen Bundestag nicht vergessen, lieber Klaus Hagemann. Als die Obleute sich am Vorabend abgestimmt hatten, wurde gesagt, wir könnten doch warten, bis die Massenpetition des Bayerischen Blasmusikverbandes kommt. Ich habe dann darauf hingewiesen – so haben Sie es auch gerade gesagt, Frau Steinke –, dass dieser Einzelfall, dieser einzelne Musikverein einen Anspruch darauf hat, dass wir uns um sein Problem kümmern. Das haben wir getan. Ich darf mich bei allen Kolleginnen und Kollegen dafür bedanken, dass es uns gelungen ist, einstimmig, mit allen Parteien, zu sagen: Jawohl, hier ist Handlungsbedarf. – Wir reden nicht nur am Sonntag über das Ehrenamt, sondern handeln auch am Montag entsprechend. Wir haben hier die bürokratische Belastung der Musikvereine, der Vorstände und der Kassierer in den Vereinen, gemindert und dafür eine Regelung geschaffen. Herzlichen Dank dafür! (Beifall im ganzen Hause) Mit Bescheid vom 25. April 2013, also vor genau sechs Wochen, wurde die ursprünglich im Jahr 1996 festgestellte Abgabepflicht von Beginn an aufgehoben. Der Verein hat recht bekommen. Zwischenzeitlich ist der Musikverein Rehau, dessen Petition wir im Januar behandelt hatten, von der Abgabepflicht freigestellt worden. Wir haben innerhalb von wenigen Monaten eine Befreiung des Vereins erreichen können. Dafür ein herzliches Wort des Dankes! In meinem Manuskript stehen noch einige gute Gedanken, aber ich möchte, um es nicht zu vergessen, auf jeden Fall meinen Dank vorziehen. Ich darf natürlich, ebenfalls wie die Frau Vorsitzende, dem Ausschussdienst für die konstruktive Zusammenarbeit sehr herzlich danken. Die Mitglieder des Ausschussdienstes sitzen gerade auf der Bundesratsbank. Herzlichen Dank! Wir machen es Ihnen ja nicht immer leicht. Oft genug brauchen wir etwas länger, bis wir die Petitionen bearbeitet haben. Dann kommt ein ganzer Schwung zurück, und dann wollen wir natürlich in einer Sitzung nach Möglichkeit nicht mehr als 35 Petitionen behandeln. Von daher herzlichen Dank für die nicht immer ganz einfache Zusammenarbeit mit uns. Ich wünsche Ihnen auch weiterhin viel Kraft für die Arbeit mit den Abgeordneten dieser Legislaturperiode und der nächsten Legislaturperiode. Es wird spannend bleiben. Bedanken darf ich mich auch bei den jeweiligen petitionspolitischen Sprechern, bei meinem, bei Günter Baumann, bei Klaus Hagemann, bei Kollegen Röhlinger, bei Kollegen Kilic, Kollegen Ott, Kollegin Remmers und ganz besonders bei einem, bei Anton Schaaf. Lieber Anton, du musst jetzt tapfer sein; das war ja letzte Woche auch schon so. Ich habe dich erlebt bei der Behandlung einer Petition. Hier geht es um die Ost-West-Rentenangleichung, die Fremdrentenproblematik und das Renten-Überleitungsgesetz. Da war die Frage: Wie schaffen wir es, bei der Zusammenführung der beiden Rentensysteme etwas mehr Gerechtigkeit hinzubekommen? Du hast im Ausschuss für Arbeit und Soziales einen Antrag formuliert. Dazu haben wir gesagt: So, wie du das in dem Antrag formuliert hast, können wir das nicht machen. – Aber wir behalten diese Petition im Blick. Vor wenigen Wochen haben wir ein sehr eingehendes Gespräch geführt, an dem für die FDP der Kollege Kolb teilgenommen hat. Wir haben darüber gesprochen, wie wir die empfundene Ungerechtigkeit allmählich beseitigen können. Wir arbeiten daran. Es ist aber verdammt schwierig. Das ist eine komplizierte, komplexe Materie; (Iris Gleicke [SPD]: Wir helfen Ihnen gerne!) wenn das einfach wäre, hätten es andere schon längst gemacht. Aber wir haben nicht lockergelassen. Wir werden versuchen, hier eine Lösung zu finden. Das wird uns sicher nicht mehr in dieser Legislaturperiode gelingen. Aber bei Petitionen hat man den Vorteil, dass sie über eine Legislaturperiode hinaus bearbeitet werden können. Ich bin zuversichtlich, dass wir es in der nächsten Legislaturperiode schaffen werden, erste Schritte hin zu einer Angleichung der Renten zwischen Ost und West zu machen. Wenn es um die Abgrenzung zwischen Renten-Überleitungsgesetz und Fremdrentengesetz ging, habe ich dich – auch bei manch einem Bier in der Parlamentarischen Gesellschaft – immer als einen fairen Kollegen erlebt, der gesagt hat: Ich weiß, was ihr meint; da müssen wir etwas hinbekommen. – Wir konnten uns über Parteigrenzen hinweg regelmäßig super abstimmen, lieber Anton Schaaf. Du wirst dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Ich glaube, die Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserer Republik verlieren damit einen guten – zugegebenermaßen: einen sozialdemokratischen – Anwalt für die Belange der kleinen Leute. Toni, ich wünsche dir alles Gute. Auch den anderen Kollegen alles Gute und Gottes Segen. Danke für die Zusammenarbeit! (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Herr Kollege Klaus Hagemann hat nun für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kersten Steinke [DIE LINKE] und Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Klaus Hagemann (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Ich darf gleich an das anschließen, was der Kollege Lehrieder und die Frau Ausschussvorsitzende ausgeführt haben. Zuvor möchte ich noch eine ganz kurze persönliche Bemerkung machen: Dies wird voraussichtlich die letzte Rede sein, die ich im Deutschen Bundestag halte. Ich bin froh und dankbar, dass ich diese Rede zum Jahresbericht des Petitionsausschusses halten darf; vielen Dank. Wenn meine Redezeit reicht, komme ich nachher noch einmal kurz darauf zu sprechen. (Beifall im ganzen Hause) Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, in den 15 Jahren, die ich dem Petitionsausschuss angehöre – ich glaube, genauso lange, Günter Baumann, wie du –, habe ich festgestellt, dass das Petitionswesen, das Petitionsrecht eine Perle – ich sage ausdrücklich: eine Perle – in den Kronjuwelen des Deutschen Bundestages ist. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das gilt sowohl für das Petitionsrecht als auch für den Petitionsausschuss und den Petitionsausschussdienst. Allerdings ist nicht allen bekannt, welch eine Perle hier vorhanden ist; wenn ich mich jetzt umgucke, meine ich: Auch den Vertretern auf der Regierungsbank ist das nicht in dem Maße bekannt. Wir, die Mitglieder des Petitionsausschusses, können Menschen helfen, wenn es um ihr persönliches Schicksal geht. Aber wir können auch dazu beitragen, dass politische Fragen angepackt werden. Es ist gut, dass wir im Jahre 2005 nach längeren Debatten, lieber Günter Baumann, das Petitionswesen erneuern und fortschreiben konnten, dass wir elektronische Petitionen und öffentliche Petitionen eingeführt haben. Die Frau Ausschussvorsitzende hat ausdrücklich und gut dargelegt, dass dies von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird. Die Zahlen sind beeindruckend. Ich glaube, das war der richtige Weg. Wir haben die richtige Entscheidung getroffen. Diese Maßnahme wurde auch wissenschaftlich evaluiert. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass unsere Entscheidung richtig war und dass durch diese Maßnahme weitere Bevölkerungsgruppen erreicht bzw. für Petitionen gewonnen werden konnten. Nach acht Jahren – wir können uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen – wäre es eigentlich notwendig, einen weiteren Schritt bei der Reformierung des Petitionswesens zu machen. Ich hatte große Hoffnungen darauf gesetzt, dass wir in dieser Legislaturperiode vorankommen. Das war einer der wenigen Fälle, in denen mich der Koalitionsvertrag überzeugt hat. Da steht unter dem Stichwort „Moderner Staat“ – ich darf zitieren –: Wir wollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung stärken. Es ist vorgeschlagen worden, das Petitionsrecht über das Anhörungsrecht bei öffentlichen Petitionen weiterzuentwickeln. Leider ist von der Koalition kein Antrag dazu vorgelegt worden. Wir hätten daran gerne mitgewirkt. Wir hätten sogar zugestimmt. Vielleicht schaffen wir das noch in dieser Woche; ich weiß es nicht. (Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Na, Klaus, -übertreib’ es nicht!) – Vielleicht ist diese Erwartung aber auch ein bisschen überzogen. Wir jedenfalls wollen daran mitwirken, weil dieser Schritt notwendig ist. Ein kleines Reförmchen ist erreicht worden: Die Mitzeichnungsfrist bei öffentlichen Petitionen ist von drei auf vier Wochen verlängert worden. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, reicht aber nicht aus; deswegen empfehle ich, diesen Punkt in der nächsten, 18. Legislaturperiode noch einmal zu behandeln und ihn zu diesem Zweck in die – wie man das heute nennt – To-do-Liste aufzunehmen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich möchte an Beispielen noch einmal deutlich machen, wie wichtig es ist, dass die Mitzeichnungsfrist verlängert worden ist. Am Ende der letzten Legislaturperiode ging es um ein Gesetz zur „Internetzensur“. Frau von der Leyen bzw. die damalige CDU/CSU-SPD-Koalition hat hier ein entsprechendes Gesetz vorgelegt und dieses dann auch beschlossen. Es war nicht gut, dass wir dieses Gesetz beschlossen haben. Es wurde nämlich schnell deutlich, dass dies so nicht handhabbar ist, dass Sperren hier nichts bringt und Löschen der richtige Weg ist. Das haben wir dank einer Petition, die weit über 100 000 Unterschriften gewinnen konnte, erkannt. Der Kollege Schwartze konnte in seiner ersten öffentlichen Sitzung deutlich machen, dass hier Handlungsbedarf bestand. Leider wurde die Änderung von der Koalition lange hinausgezögert. Erst nach einem Jahr hat man endlich ein Gesetz vorgelegt, um – das war richtig – dieses alte Gesetz abzuschaffen. Dies wurde, wie gesagt, durch eine Petition erreicht. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Wir wollten eben gründlich nachdenken!) – Ja, gut; aber wir hatten schon früher gründlich nachgedacht, Frau Kollegin Vogelsang, (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Na ja, es ging ja schief!) und hatten gleich Entsprechendes vorgelegt. Ihr solltet öfter einmal unseren Ratschlägen folgen! (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Frau Bundeskanzlerin tut das ja auch: Beim Mietrecht, bei der Ganztagsschule, beim Mindestlohn und in vielen anderen Bereichen schlägt sie jetzt all das vor, was wir schon seit Wochen diskutieren. Aber wieder zurück zu den Petitionen. Uns liegt eine Petition von Herrn Scheller aus Tübingen vor, diesmal zur Netzneutralität: dass man nicht der Telekom überlassen soll, wer was wann wie ins Netz einstellen kann, sondern dass dies gesetzlich geregelt werden muss. Gott sei Dank konnten wir uns schnell einigen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dass die öffentliche Behandlung jetzt am 24. Juni stattfindet. Ich hoffe, liebe Kollegin Vogelsang, dass wir die Beratung noch in dieser Legislaturperiode positiv abschließen können und das spätestens im September so beschlossen werden kann. Denn 130 000 Menschen haben die Petition mitgezeichnet. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]) Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen: die Petitionsbeschlüsse. Wir können sie leider nicht anordnen. Dazu haben wir nicht das Recht, sondern das ist Sache der Bundesregierung, die heute immerhin mit zwei Staatssekretären vertreten ist – herzlich willkommen! –, besser als sonst in den zurückliegenden Jahren. Wir haben in dieser Wahlperiode weniger hohe Voten als in der letzten Legislaturperiode gefasst; aber wir haben auch feststellen müssen – die Frau Vorsitzende hat darauf hingewiesen –, dass die Umsetzung manchmal fehlt. Zwei Beispiele: Es war beantragt worden, dass Telefon- und Internetkosten von Soldaten im Auslandseinsatz vom Staat übernommen werden. Der Beschluss „Berücksichtigung“ wird nicht umgesetzt durch die Bundesregierung. Es war auch beantragt worden, dass Elternassistenz für Eltern von behinderten Kindern mitfinanziert wird. Dazu haben wir von der Bundesregierung zwei Meinungen von zwei Ministerien gehört; umgesetzt wurde aber nichts Entsprechendes. Im Hinblick auf meine Redezeit will ich noch einen letzten Punkt ganz kurz anschneiden: Die öffentliche Beratung von Petitionen und die Vor-Ort-Termine sind wichtig. Ich möchte an die Kolleginnen und Kollegen des nächsten Petitionsausschusses – in der 18. Wahlperiode – weitergeben: Gehen Sie vor Ort! Reden Sie mit den Menschen! – Ich habe gerade signalisiert bekommen, dass dank des Besuches des Petitionsausschusses in Duisburg eine positive Entscheidung getroffen worden ist: die Entscheidung, dass Lärmschutzmaßnahmen vorgenommen werden. Viele andere Beispiele sind noch zu nennen. Meine Damen und Herren, ich darf zum Abschluss kommen. Meine Redezeit ist um. Meine Dienstzeit ist nach 19 Jahren hier im Deutschen Bundestag auch zu Ende. (Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Ein bisschen gibt es noch zu tun!) Ich bedanke mich sehr herzlich für die gute und faire Zusammenarbeit. Ich darf hier insbesondere meinen Kollegen Günter Baumann ansprechen, weil ich mit ihm am längsten und am fairsten zusammengearbeitet habe. Auch wenn wir mit unseren Ansichten manchmal aufeinandergeprallt sind, lieber Günter Baumann, möchte ich dafür herzlichen Dank sagen. Auch den anderen Kollegen, den Obfrauen und Obmännern und der Frau Vorsitzenden ein herzliches Dankeschön und Glückauf für die Demokratie und das Petitionsrecht im Deutschen Bundestag! Herzlichen Dank. (Anhaltender Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Peter Röhlinger für die FDP-Fraktion. Dr. Peter Röhlinger (FDP): Vielen Dank, Frau Vorsitzende. – Sehr geehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Rängen! Sie kennen möglicherweise die Emilia Galotti von Lessing: Es lüftet sich der Vorhang, und am Schreibtisch sitzt der Prinz und sagt: Klagen, nichts als Klagen! Bittschriften, nichts als Bittschriften! Der Petitionsausschuss sieht sich nicht als die Fortsetzung dessen, was Lessing damit gemeint hat, sondern wir fordern die Bürger geradezu auf, dieses Recht wahrzunehmen, weil wir diejenigen sind, die einen besonders engen Kontakt zu ihnen haben. Deshalb gibt es diese beeindruckende Zahl von Petitionen, die wir bearbeiten. Was unseren Ausschuss bzw. unsere Arbeitsgruppe angeht, möchte man meinen, dass darin nur Juristen vertreten sind. Das ist bei unserer Arbeitsgruppe, mit Verlaub gesagt, nicht der Fall. Ich habe gelernt, dass dies auch ganz gut so ist. Wir lassen uns gerne von Juristen beraten; aber die Entscheidungen dürfen auch andere treffen. (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Nachdem wir jetzt vier Jahre gut zusammengearbeitet haben, kann man sagen: Es geht. (Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]) Besonders Ihre Arbeit, Frau Steinke, hat mir Spaß gemacht. Als Leiterin des Ausschusses zeichnen Sie sich insbesondere durch Pünktlichkeit aus: pünktlicher Beginn, pünktlicher Abschluss. (Beifall des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE]) Damit verbunden ist auch ein Time-out. Wenn die Leute zu lange reden würden, könnten Sie nie pünktlich sein. Es gelingt Ihnen immer, mit freundlichen Worten zu disziplinieren. Manchmal reicht auch die Körpersprache, um deutlich zu machen: Es ist nun genug geredet worden. – Wir arbeiten in einer Stunde 30 und mehr Petitionen ab. Das geht natürlich nur, wenn man sich gut vorbereitet. Unsere Zuschauer würden ansonsten denken: Da möchte ich dabei sein. Darüber kann doch gar nicht diskutiert werden. – Nein, es kann. Auf Wunsch und bei Notwendigkeit kann jede aufgerufene Petition besprochen werden. Manchmal ist es so, dass eine Petition nur aufgerufen wird und die Diskussion ausfällt. Wegen der guten Vorbereitung und der guten Gesprächsführung schaffen wir das, Frau Steinke. Daran haben Sie einen hohen Anteil. Gestern haben Sie beim Bundestagspräsidenten auch erreicht, dass wir nicht in die Zeit geschoben worden sind, in der zu Protokoll gegeben wird. Vielmehr haben Sie erreicht, dass wir immerhin am frühen Nachmittag – wenn andere Leute ihren Kaffee trinken – zu Potte kommen können. Ich möchte die Gelegenheit nehmen, mich herzlich bei den Kolleginnen und Kollegen vom Ausschussdienst zu bedanken, auf deren Zuarbeit wir immer rechnen können. Das ist auch notwendig, wenn wir uns der Juristerei durch Dritte bedienen wollen. Ich möchte noch kurz zwei fachliche Dinge ansprechen: Erstens. Für einen Kommunalpolitiker ist es ein gutes Gefühl, wenn man – und das bei unterschiedlichen Grundpositionen – bisweilen fraktionsübergreifend – das gelingt uns im Petitionsausschuss – zu einer einheitlichen Auffassung kommt. Darüber freuen wir uns eigentlich alle. Das wird durch Applaus und Willenskundgebungen deutlich gemacht. Zweitens. Wir artikulieren die unterschiedlichen Positionen so, dass wir uns nicht provozieren oder verletzen. Im Plenum erleben wir hin und wieder auch andere Töne. Ich bin heilfroh, dass wir die Zeit nicht damit verschwenden, uns gegenseitig zu provozieren und zu beleidigen, sondern dass wir versuchen, bestimmte Dinge mit Humor zur Kenntnis zu nehmen. Ich möchte mich auch bei dieser Gelegenheit für die angenehme Atmosphäre im Ausschuss bedanken. (Beifall im ganzen Hause) Zum Schluss möchte ich mich auch an die Gäste und Zuschauer wenden. Ich weiß, dass sich manche unter dem Petitionsausschuss nicht sehr viel vorstellen können, und möchte Sie bitten: Nehmen Sie zumindest zur Kenntnis – ich habe es mir extra noch einmal aufgeschrieben –, dass sich nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern alle Mitbürger in diesem schönen Lande mit ihren Petitionen an uns wenden können. Das sollte Sie ermuntern, sich mit Ihren Sorgen an uns zu wenden. Als Kommunalpolitiker bin ich auch ganz froh, dass manches nicht auf dem Tisch des Bürgermeisters landet, sondern dass man „gleich nach Berlin geht“. Ich habe mich ganz oben gemeldet, wie man früher sagte. Seien Sie nicht traurig, wenn es nicht geklappt hat. In immerhin 40 Prozent der Fälle – das habe ich mir aufgeschrieben – konnten wir den Petenten helfen; das ist viel. Das heißt nicht, dass sie immer Recht bekommen haben, aber wir haben wenigstens einen Weg aufgezeigt, wie man in den Ländern und Städten mit dem Problem umgehen kann. Auf eines legen wir Wert: Die Petenten sollen die Antwort verstehen können. Das Deutsch und die Diktion müssen so sein, dass sie sich nicht beleidigt oder als Bittsteller fühlen, sondern sagen: Sie konnten zwar nicht helfen, hätten aber vielleicht ganz gerne helfen wollen. In der Summe kann ich als jemand, der von vorn-herein gesagt hat, dass er nur für eine Wahlperiode zur Verfügung steht, sagen: Es hat Spaß gemacht. Es ist nicht unbedingt der Wirtschaftsausschuss oder der Auswärtige Ausschuss, in dem man am meisten bewegen kann und mindestens einmal in der Woche die Hand für wichtige Entscheidungen heben muss, sondern der Petitionsausschuss. Deshalb kann ich alle, die sich für den Bundestag bewerben, nur ermuntern: Gehen Sie in den Petitionsausschuss! Das ist eine tolle Truppe. Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Memet Kilic für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Sehr geehrter Herr Kollege Röhlinger, Sie haben die Größe, hier das Defizit Ihrer Fraktion zu erwähnen, nämlich die Tatsache, dass Sie in Ihren Reihen keine Juristen haben. Das ist schlimm. (Heiterkeit des Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP]) Beim nächsten Mal können Sie es besser machen. Juristen sind nämlich – darauf wollte ich hier hinweisen – immer gut. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Wir stellen heute den letzten Jahresbericht des Peti-tionsausschusses in dieser Legislaturperiode vor. In den vergangenen vier Jahren haben wir vielen unterschiedlichen Anliegen der Bürgerinnen und Bürger Gehör geschenkt. Wir waren vor Ort, um uns die geschilderten Umstände anzusehen, und wir haben die Initiatoren der Petitionen nach Berlin zu Berichterstattergesprächen eingeladen. Wir beschäftigten uns mit unterschiedlichsten Themen, sind am Rande der Berichterstattergespräche mit den Sachverständigen ins Gespräch gekommen und haben dadurch immer gewusst, wo der Schuh drückt. Das alles wäre ohne den unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes, innerhalb unserer Fraktionen und in unseren Büros nicht zu bewältigen gewesen. Dafür möchte ich mich bei ihnen herzlich bedanken. (Beifall im ganzen Hause) Das Petitionsrecht nimmt schon dadurch eine Sonderstellung ein, dass es in der Verfassung verankert ist. Von diesem Recht haben im vergangenen Jahr über 15 000 Bürgerinnen und Bürger Gebrauch gemacht. Oft sind es jahrelange Leidenswege und bewegende Schicksale, mit denen wir uns befassen und die unser Engagement verlangen. Nicht selten wird eine Petition verfasst, weil man keinen anderen Weg sieht, um auf das Unrecht aufmerksam zu machen, das einem widerfahren ist. Daher müssen wir jede einzelne Petition ernst nehmen und angemessen bearbeiten. Dies haben wir auch in den vergangenen vier Jahren nach bestem Wissen und Gewissen gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der LINKEN) Unsere Arbeit steht vielleicht nicht immer im Mittelpunkt des Medieninteresses, aber wir sind immer an der Seite der Bürgerinnen und Bürger. Der Petitionsausschuss ist immer nah dran an gesellschaftlichen Entwicklungen. Ich erinnere nur an ACTA, an die vielen Petitionen zum Atomausstieg und aktuell an die Petition zur Verpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutralität. Ende Mai übersprang die Zahl der Petitionen zur Verpflichtung der Internetanbieter zur Netzneutralität innerhalb von drei Tagen die 50 000er-Hürde, ein Rekord für die aktuelle Legislaturperiode. Das ist enorm. Schneller war nur 2009 die Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen. Es ist gut, dass es der Ausschuss noch vor dieser Sommerpause ermöglichen konnte, gemeinsam mit den Petenten das Anliegen in einer öffentlichen Anhörung zu beraten. Dafür herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Eine weitere Petition, die ich besonders erwähnen möchte, befasste sich mit der Entschädigung ehemaliger sowjetischer Kriegsgefangener der Nationalsozialisten. Diese Menschen erlebten Hunger, Elend und Tod. Wir müssen die Überlebenden dieser Gräueltaten angemessen entschädigen und ihre Lebensleistungen würdigen. Das sind wir ihnen und all jenen, die nicht mehr am Leben sind, schuldig. Deshalb wünsche ich mir, dass der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode die entsprechenden vorliegenden Anträge beschließt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Eine weitere Petition liefert den Beweis dafür, dass unser Petitionsausschuss sehr empfindliche und lange Sensoren hat. Diese reichen bis ins Ausland. Wir haben vor gerade einer Stunde in einer Aktuellen Stunde über die Verhältnisse in der Türkei debattiert. Vor einem Jahr waren wir in der Türkei und haben dort ein Gefängnis mit 10 000 Insassen besucht. Dort haben wir den Journalisten und Abgeordnetenkollegen von der Oppositionspartei, Herrn Mustafa Balbay, besucht. Er hat uns eine Petition des Inhalts übergeben, insbesondere in den Gesprächen über die Beitrittsverhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei die Türkei auf die Einhaltung von Menschenrechten, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit sowie eine faire Justiz hinzuweisen. Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen der Fraktionen, dass wir diese Petition, bevor die Demonstrationen in der Türkei überhaupt losgingen, einstimmig mit „Berücksichtigung“, dem höchsten Votum, versehen haben. Ich bin stolz auf unseren Petitionsausschuss, dass er sich für die Menschenrechte in der ganzen Welt einsetzt. (Beifall im ganzen Hause) Wie wichtig den Bürgerinnen und Bürgern die Einflussnahme auf politische Verfahren ist, sehen wir deutlich bei den finanziell ausufernden Großprojekten, wie Stuttgart 21 oder dem leidigen Thema Flughafen. Es ist nicht zu übersehen, dass sich die Bürgerinnen und Bürger informieren und gegenseitig mobilisieren. Sie wollen auf die Politik Einfluss nehmen. Lange, intransparente Verfahrenswege werden in unserer heutigen, zunehmend digitalisierten Gesellschaft nicht mehr wortlos hingenommen. Rot-Grün hat 2005 mit der Einführung der elektronischen und öffentlichen Petition einen wichtigen Schritt getan. Diesem müssen weitere folgen. Die Mitzeichnungsfrist ist immer noch zu kurz, die Anforderungen des Quorums sind immer noch zu hoch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) In der nächsten Legislaturperiode muss der Ausschuss diesbezüglich endlich eine einfache und für die Bürgerinnen und Bürger zufriedenstellende Lösung finden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie am Infostand stehen oder Hausbesuche machen, erzählen Sie ruhig ein wenig über unseren Ausschuss. Ich bin mir sicher, dass der Petitionsausschuss seine Arbeit nach der Wahl am 22. September weiterhin mit großem Elan fortsetzen wird. Wir bedanken uns bei allen Kolleginnen und Kollegen in den unterschiedlichen Fraktionen herzlich für ihre kollegiale Zusammenarbeit, aber auch bei unserer Vorsitzenden für ihre kompetente und sympathische Sitzungsleitung. Vielen herzlichen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Patricia Lips für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Patricia Lips (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Bericht des Peti-tionsausschusses für 2012 ist einmal mehr beeindruckend. Wir haben es schon gehört: Von Anfang an war und ist das Petitionsrecht in der Bundesrepublik Deutschland ein Grundrecht, verankert im Grundgesetz. Diesem folgend ist auch die Einrichtung eines Petitionsausschusses zwingend vorgeschrieben. Man sollte vielleicht an dieser Stelle erwähnen und hervorheben: Das ist leider bei weitem nicht überall der Fall. Ich selbst bin erst mitten in der Legislaturperiode in diesen Ausschuss gekommen, und ich gestehe, dass ich diese Arbeit aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr missen möchte, selbst wenn man manches Mal in das Büro zurückkommt und erneut ein dicker Packen Akten mit neuen Petitionen auf einen wartet. Wir haben – die Kolleginnen und Kollegen können das bestimmt bestätigen – in unseren Büros auch hin und wieder Praktikanten, die uns überallhin begleiten, sowohl in die eigentlichen Fachausschüsse, aber eben auch in diesen Ausschuss. Oft finden diese jungen Menschen den Petitionsbereich am interessantesten und am spannendsten. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, dass sie die Themen auf Anhieb verstehen und dass es nicht immer um Gesetzentwürfe und Anträge von Fraktionen geht, die in einer manchmal auch für junge Menschen schweren Sprache verfasst sind, sondern um Petitionen zu Anliegen, die von Menschen aus der Mitte des Lebens formuliert und vorgetragen werden, so wie es diese jungen Menschen auch selber erleben. Es hat aber auch etwas mit der kollegialen Zusammenarbeit und der Atmosphäre im Ausschuss zu tun. Auch wenn die eigentlich nicht vorgesehene politische Diskussion schon mal die Gemüter erhitzt, gerade wenn es um Brennpunktthemen wie Arbeit, Soziales oder auch Energie geht, so kommt man doch eher wieder zusammen und ist eher bemüht, fraktionsübergreifend Einigkeit herzustellen. Für diese Atmosphäre danke auch ich allen Kolleginnen und Kollegen am Ende der Legislaturperiode. Wir haben es gehört: Einige werden dem neuen Parlament nicht mehr angehören. Sie werden sicher diesen Ausschuss in einer ganz besonderen Erinnerung behalten. (Beifall im ganzen Hause) Meine sehr geehrten Damen und Herren, es sind bereits viele Zahlen genannt worden. Allen gemeinsam ist, dass sie stetig zunehmen, in den letzten Jahren teilweise sprunghaft. Beschäftigt man sich damit, dann kann man eine hohe Sensibilität und auch ein verstärktes Interesse an politischen Inhalten der Bürgerinnen und Bürger erkennen. Manch eine Petition hätte es verdient, heute noch mehr Erwähnung zu finden, als es schon geschieht. Ausgehend von einem aktuellen Anlass möchte ich zunächst zwei ansprechen: Wir erleben zurzeit eine dramatische Flutkatastrophe in Teilen unseres Landes. Es geht nicht nur um materielle Werte, die verloren gehen. Die Menschen erleben eine schwere, emotionale Zeit, und selbstverständlich muss ihnen sehr schnell in der Existenzsicherung sowie Schadensregulierung geholfen werden, Bund-Länder- und parteiübergreifend. Groß ist aber auch das Angebot der unmittelbaren Hilfe, wie sie die Fernsehbilder zurzeit prägen: Nachbarn, Freunde, Einsatzkräfte von THW und Feuerwehren aus allen Landesteilen. Die Allermeisten leisten diese Arbeit unentgeltlich im Ehrenamt. Ihnen gehört unser Dank. (Beifall im ganzen Hause) Warum führe ich dieses Beispiel an? Zahlreiche Petitionen haben sich mit einer verbesserten Anerkennung des Ehrenamtes befasst, beispielsweise mit einer Anpassung von Aufwandsentschädigungen, aber auch anderem, und fanden Eingang in den Bericht. Der Petitionsausschuss hielt es für erforderlich, hier tätig zu werden. Im Februar dieses Jahres haben wir dann mit breiter Mehrheit und ohne Gegenstimmen ein Gesetz zur Stärkung des Ehrenamtes hier im Parlament verabschiedet. Das Ehrenamt ist uns allen wichtig, und was es zu leisten imstande ist, sehen wir auch in Tagen wie diesen. Gleichermaßen im Einsatz ist die Bundeswehr. Zahlreiche Soldatinnen und Soldaten helfen Schulter an Schulter mit den Menschen vor Ort, was ihnen Anerkennung und Respekt entgegenbringt. Auch ihnen gehört unser Dank. Die Bundeswehrreform brachte erneut eine hohe Zahl an Petitionen. Eine möchte ich herausgreifen: Der Ausschuss unterstützt die Forderung eines Petenten, Dienstzeiten von Soldaten auf Zeit bei einer späteren Einstellung im öffentlichen Dienst als einschlägige Berufserfahrung zu berücksichtigen. Wir wollen die Attraktivität der Arbeit in unserer Bundeswehr stärken. Im öffentlichen Dienst können und müssen wir darauf Einfluss nehmen, dass diese Menschen nach ihrer Zeit im Einsatz nicht Berufsanfängern gleichzustellen sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder Petent erhält im Verfahren die gleiche Aufmerksamkeit. Wir müssen auch in Zukunft darauf achten, dass wir bei der stark steigenden Zahl der Online- oder Massenpetitionen und dem Wunsch nach öffentlichen Petitionen den Blick für das Einzelschicksal nicht vergessen. Stellvertretend möchte ich abschließend eines benennen: Eine Petentin beschwerte sich über das Geschäftsgebaren einer Bank bzw. Bausparkasse, die ihr zum Kauf einer bestimmten Immobilie geraten hatte. Zur Finanzierung musste sie ihre gesamten Ersparnisse verbrauchen und einen hohen Kredit aufnehmen. Zu diesem Zeitpunkt war die Petentin bereits 64 Jahre alt und hätte den Kredit ohnehin niemals tilgen können. Ob und inwieweit durch die Bank Aufklärungspflichten verletzt wurden, ließ sich abschließend nicht mehr klären, zumal ein Gericht zu diesem Zeitpunkt den Antrag der Petentin auf Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussichten bereits abgelehnt hatte. Wir sind nicht befugt, gerichtliche Entscheidungen zu überprüfen, aufzuheben oder gar abzuändern. Aber wir konnten in mehreren Gesprächen – auch mit der zuständigen Bank – der Petentin aus ihrer schwierigen Situation helfen, indem nun wenigstens auf die Zahlung noch bestehender Restforderungen verzichtet wurde. Jede Petition bedarf der Vorbereitung und Aufarbeitung. Ich danke deshalb besonders den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes. Ihnen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, habe ich schon gedankt. Aber gestatten Sie mir, in Ihrem Namen auch den Mitarbeitern in unseren Büros ausdrücklich Dank zu sagen. (Beifall im ganzen Hause) Sie haben es nicht immer einfach mit uns. Wir wissen, welche Vorarbeiten sie leisten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Stefan Schwartze für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Stefan Schwartze (SPD): Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ausschussdienstes! Liebe Frau Vorsitzende und ganz besonders liebe Bürgerinnen und Bürger! Die Vorstellung des Jahresberichts des Petitionsausschusses ist das Ergebnis Ihrer Eingaben an den Deutschen Bundestag, ein Recht, das Ihnen nach dem Grundgesetz zusteht. Als Mitglieder des Petitionsausschusses lernen wir bei jedem Anliegen jeden Tag dazu. Wir lernen dazu, was die Menschen in unserem Land bewegt. Es gab viele Einzelanliegen und persönliche Probleme, aber auch viele Petitionen, die sich für das Wohl der Gesellschaft, für Bedürfnisse anderer, also für das Miteinander, einsetzten. Das Miteinander macht auch wichtige Teile der Ausschussarbeit aus. Als Erstes möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes herzlich danken. Wir als Berichterstatter sind ganz besonders auf ihre gute fachliche Zuarbeit angewiesen. Manchmal kommen wir nicht umhin, den einen oder anderen Sonderwunsch an sie zu richten. Dafür, dass sie uns immer zuarbeiten, helfen und unterstützen, danke ich ihnen ganz besonders. Ich hoffe weiterhin auf gute Zusammenarbeit; denn ich möchte sie dafür gewinnen, das Petitionswesen in der Zukunft noch populärer zu machen. Im Netz tummeln sich mittlerweile Plattformen, die keinen Draht zum Parlament haben, (Klaus Hagemann [SPD]: So ist es!) es aber schaffen, Scharen an Unterstützern für gewisse Petitionen zu gewinnen. Ich möchte diese Leute zu uns holen. Mit dem Petitionsausschuss des Bundestages und dem Petitionsrecht kann man politisch etwas bewegen und ändern. Bei uns kommt es zu einem parlamentarischen Prozess. Wir kümmern uns um jede Petition. Die entscheidende Frage lautet: Wie erreichen wir mehr Bürgerbeteiligung? Ich wünsche mir, die Mitzeichnungsfrist für öffentliche E-Petitionen zu verlängern und das Quorum zu senken. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vielleicht erreichen wir somit eine größere Bandbreite für unsere öffentlichen Beratungen. Gerade im Bereich der Netzpolitik haben wir gesehen, dass eine große Beteiligung an Mitzeichnungen erfolgt. Das Anliegen, ACTA nicht zu ratifizieren, erreichte schon nach kurzer Zeit das notwendige Quorum. In knapp zwei Wochen geht es um die gesetzliche Verankerung der Netzneutralität. Da hat es tatsächlich ein 19-Jähriger bereits nach drei Wochen geschafft, fast 80 000 Unterschriften zu sammeln. Das heißt, man braucht keine große Organisation und auch keinen großen Verband. Auch der Einzelne kann das schaffen. Wie Sie sehen, hat unser System viel Potenzial, und das müssen wir weiter ausschöpfen. Wir wollen mehr direkte Demokratie. Es gibt viele Möglichkeiten und Ideen, die wir als SPD in der nächsten Legislaturperiode voranbringen möchten. Wir wollen besondere Petitionen auch im Plenum behandeln. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auch das stand in Ihrem Koalitionsvertrag. Ich hoffe, dass wir uns in der nächsten Wahlperiode darauf einigen können. Ein weiterer Punkt ist die Ausgestaltung unserer Ortstermine. Die Ortstermine haben eine besondere, eine ganz eigene Gewichtung. Es kommt nicht nur gut an, wenn der Ausschuss vor Ort ist, sondern im persönlichen Gespräch und durch Anschauung vor Ort kommen wir oftmals zu einer anderen Sichtweise. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dies wollen die Petenten erreichen, und wir wollen in möglichst vielen Fällen weiterhelfen. Daher spreche ich mich klar für die Ausweitung solcher Möglichkeiten aus. Ein weiterer Punkt, den ich gerne ansprechen möchte, ist, dass wir weiter mit der technischen Entwicklung mitgehen. Die E-Petition war eine große Bereicherung, lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, ob wir nicht eine Petitions-App starten, um den modernen Medien Rechnung zu tragen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]: Das finde ich cool!) – Danke. – An dieser Stelle möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen bedanken. Die Arbeit in den letzten vier Jahren hat mir sehr viel Spaß gemacht. Das liegt nicht zuletzt an dem kollegialen Umgang, den wir miteinander hatten. Der persönliche Einsatz von jedem und das persönliche Gespräch haben uns oft zum Erfolg gebracht. An einer Stelle hätte ich mir aber ganz besonders einen gemeinsamen Erfolg gewünscht. Leider war das mit der Union bisher nicht zu erreichen. Ich spreche von der Petition des Vereins KONTAKTE-KOHTAKTbl zur Wiedergutmachung des Schicksals der ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen. Das Anliegen stammt aus der letzten Wahlperiode. Mehr als zwei Drittel der ehemaligen Kriegsgefangenen haben unter den Nazis die Kriegsgefangenschaft nicht überlebt. Sie wurden sys-tematisch vernichtet. Im Moment leben noch ganze 4 000 von ihnen. Lassen Sie uns jetzt helfen, bevor es auch für den letzten Überlebenden zu spät ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, geben Sie sich an dieser Stelle einen Ruck! Der gemeinsame Antrag von SPD und Grünen liegt jetzt vor. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zum Schluss noch einige persönliche Worte. Mein persönlicher Dank und der Dank unserer Arbeitsgruppe geht an die Mitglieder des Ausschusses, von denen wir wissen, dass wir sie in der nächsten Wahlperiode nicht wiedersehen werden. Ich möchte mich ganz herzlich bei Herrn Dr. Röhlinger für die nette, freundliche und immer sehr menschliche und an der Sache orientierte Zusammenarbeit bedanken. Ich möchte mich bei Frau Vogelsang bedanken. Wir haben gemeinsam für die Sternenkinder wirklich etwas Gutes auf den Weg gebracht. Ich habe gerne mit Ihnen zusammengearbeitet und wünsche Ihnen alles Gute. (Beifall im ganzen Hause) Bedanken möchte ich mich auch bei meinem Freund Toni Schaaf, der uns allen nicht nur als Rentenfachmann fehlen wird. Viel größer, Toni, ist die Lücke, die du als Mensch, als ehrlicher Ratgeber und guter Freund in meinem Berliner Alltag hinterlässt. Danke Toni. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Meinen besonderen Dank und den Dank der ganzen AG möchte ich an Klaus Hagemann richten. Lieber Klaus, angefangen hast du in der Kommunalpolitik; sieben Jahre lang warst du Bürgermeister von Osthofen. Diese Zeit hat dich geprägt und dafür gesorgt, dass du immer dein Ohr und dein Herz bei den Menschen hast. Seit 19 Jahren bist du im Bundestag. Seit 15 Jahren – wir durften es eben noch einmal erleben – streitest du leidenschaftlich für das Petitionsrecht, für das Anliegen des Einzelnen und für die Sache. Du hast in dieser Wahlperiode das Sprecheramt unserer Arbeitsgruppe übernommen, mit lauter Neulingen an deiner Seite, und hast uns mutig in das Petitionswesen eingeführt. Eines bist du immer geblieben, nämlich Lehrer. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deine Klassen hast du dir jede Sitzungswoche neu zusammengestellt. Die Zahl der Praktikanten über die Jahre kann man nur schätzen. Dein Büro meint, es seien deutlich über Tausend gewesen. Von Brasilien bis Usbekistan, von Kamerun bis Australien, alle Kontinente waren vertreten. Besonders wichtig war es dir, den jungen Menschen aus Frankreich und Polen die Möglichkeit zu geben, einen Einblick in die Politik in Deutschland, aber auch in das Leben in unserem Land zu geben. Also: Lehrer aus Leidenschaft. Das ist dein ganz persönliches Programm der Völkerverständigung gewesen und wird es wahrscheinlich auch noch bleiben. Du hast uns allen Petitionen nahegebracht und unsere Leidenschaft dafür geweckt. In unserer AG werden die Ideen der Mitarbeiter und Praktikanten genauso ernst genommen wie die der Abgeordneten. Toni Schaaf hat es auf den Punkt gebracht: AG kann auch Spaß machen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Lieber Klaus, ich danke dir für deine Unterstützung und das Vertrauen, das du mir und uns allen entgegengebracht hast. Ich habe mich über jeden Tag gefreut, den wir zusammengearbeitet haben. Ich wünsche dir alles Gute und sage an dieser Stelle einfach: Danke, Klaus. (Beifall im ganzen Hause) Liebe Präsidentin, ich bedanke mich ganz herzlich auch bei Ihnen. Vizepräsidentin Petra Pau: Ich gestehe, in anderen Debatten nützt das Abdecken des Lichtsignals nichts. Das sage ich vorsorglich mit Blick auf die Folgenden. Jetzt hat der Kollege Hagen Reinhold für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hagen Reinhold (FDP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Bürger! Ich schließe mich meinem Vorredner ganz ausdrücklich an: Ohne Sie, die Bürger, und ihre fleißige Arbeit ständen wir heute nicht hier. Jedem sollte bewusst sein, dass es nicht nur uns viel Arbeit macht, Petitionen zu bearbeiten; vielmehr ist auch der Weg zu uns hin tatsächlich nicht immer ein kurzer, schon gar nicht, wenn die Bürgerinnen und Bürger dafür viele Unterstützer sammeln. Herr Kilic, ich muss Ihnen sagen: Ich sehe es übrigens nicht als Defizit, dass ich nicht als Rechtsanwalt vor Ihnen stehe, sondern nur als Bauunternehmer. Ich finde das sogar ganz angenehm und sage Ihnen auch gleich, warum. Frau Lips hat sich schon als eine Person geoutet, der erst später dazugekommen ist. Mir ging es genauso: Vor einigen Monaten stieß ich zu Ihnen und durfte im Petitionsausschuss mitarbeiten. Ich kann aus meinem Blickwinkel Aspekte nennen, die mir in diesen wenigen Monaten aufgefallen sind. Ein Aspekt ist, dass ich es ausgesprochen gut finde, dass sich im Petitionsausschuss Abgeordnete einmal über das Fachgebiet, das sie sonst vertreten, hinaus, um Angelegenheiten kümmern können. Sie können dabei eine Sichtweise einnehmen, die Fachpolitiker manchmal nicht haben. Ganz aktuell ist mir eine Petition zur Dialyse in Erinnerung; dafür wurden in kurzer Zeit, ich glaube, 80 000 Unterschriften gesammelt. Ich gehöre nicht dem Gesundheitsausschuss an. Ich fand es unheimlich angenehm und auch sehr hilfreich, dass wir einmal einen Blick über den Tellerrand hinaus wagen konnten. Als Personen, die eben nicht im Gesundheitsausschuss gefangen sind, konnten wir einen ganz anderen, offenen Blick für die Dinge haben. Ich glaube, so etwas ist an vielen Stellen sehr hilfreich. (Beifall im ganzen Hause) Ich freue mich, in dieser Debatte feststellen zu können, dass wir über alle Fraktionen hinweg diese lebendige Bürgerbeteiligung unterstützen, weiter hegen und pflegen wollen. Genauso wie Petitionen Legislaturperioden überleben – Herr Hagemann, da greife ich einmal auf, worauf Sie und andere Ihrer Fraktion hingewiesen haben –, überleben selbstverständlich gute Ideen. Auch ich würde mich freuen, wenn wir es schaffen würden, Bürgerplenarverfahren einzuführen. Es wäre dann möglich, dass Bürger Tagesordnungspunkte im Plenum bestimmen. Ich freue mich einfach darauf, dass Sie dem Gesetzentwurf, den die Regierungsfraktion FDP in der nächsten Legislaturperiode initiieren wird, zustimmen. Ich bin ganz optimistisch, dass das passieren wird. Es wurde schon viel darüber gesagt, inwiefern die vielen Tausend Petitionen, die beim Petitionsausschuss eingegangen sind, ein Seismograf der Gesellschaft sind. Diese Petitionen zeigen uns Missstände und auch Auswirkungen von Gesetzen auf, die wir manchmal vielleicht nicht bedenken. Um ein kurzes Beispiel zu nennen, verweise ich auf einen ziemlich hartnäckigen Petenten, der es im rechtspolitischen Bereich bereits zweimal geschafft hat, dafür zu sorgen, dass sein Anliegen im Bundesgesetzblatt Niederschlag findet. Sein Name ist wahrscheinlich vielen bekannt; ich will ihn hier nicht nennen. Das zeigt, Petitionen sind nichts, was einfach an einem vorbeigeht. Ganz im Gegenteil, sie wirken. Man kann mit ihnen die Politiker sehr gut zum Nachdenken bringen. Manches Anliegen erlangt tatsächlich Gesetzesform. Das sollte den Leuten Mut machen, weiter an Petitionen zu arbeiten und sie einzureichen. Selbstkritisch sei mit Blick auf meine Erfahrungen in den vergangenen Monaten gesagt: Mir erscheint die Zeit manchmal ziemlich lang, die es braucht, bis die Antwort auf eine Petition den Petenten erreicht. Ich glaube, an dieser Sache sollten wir alle arbeiten. Das zeigt zwar, dass wir uns sehr viel Mühe machen bei der Prüfung, bei Berichterstattergesprächen, wenn wir die Antworten der Ministerien durcharbeiten, wenn wir Expertengespräche führen – all das zeichnet unseren Ausschuss auch aus –, aber, ich glaube, es ist wichtig, dass wir dem Petenten relativ schnell eine Antwort zur Verfügung stellen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich rufe alle Bürger auf, weiterhin so fleißig zu sein, würde mir auch wünschen – dafür muss noch Zeit sein –, dass wir für den nächsten Bericht etwas mehr Petitionen aus den neuen Bundesländern – bei aller Skepsis dem Staat gegenüber; das hat historische Gründe; ich kann das nachvollziehen – auf den Tisch bekommen. Wenn wir uns den Bericht anschauen, können wir da eine Unausgewogenheit feststellen. Petitionen sind wichtig. Sie zeigen uns Sachen auf, an die wir im politischen Alltag manchmal nicht denken. Alle sind aufgerufen, hier weiter mitzumachen. Ich will nicht versäumen, an dieser Stelle auch dem Ausschussdienst zu danken. Den Mitarbeitern in den Büros ist schon gedankt worden. Aber auch den Mitarbeitern in den Fraktionen gilt mein Dank. Es ist schon gesagt worden: Es ist sehr viel Arbeit, Petitionen zu beraten und darüber zu entscheiden. Viele haben einen Anteil daran. Das sollte an dieser Stelle erwähnt werden. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Ingrid Remmers für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Ingrid Remmers (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren des Ausschussdienstes! Bei so viel berechtigter Lobhudelei tut es mir fast schon ein bisschen leid, jetzt doch etwas Essig in den Wein gießen zu müssen; es wäre sonst aber auch langweilig. Nichtsdestotrotz habe ich dann gleich noch ein paar -positive Punkte. Ich freue mich natürlich, auch in diesem Jahr wieder zum Jahresbericht des Petitionsausschusses reden zu können. Lieber aber noch würde ich über andere Themen reden, zum Beispiel über das bedingungslose Grundeinkommen. (Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Zu diesem Thema gab es nämlich sage und schreibe 56 Petitionen, und sie wurden von mehr als 57 000 Menschen unterstützt. In fast allen Parteien wurden dazu Vorschläge erarbeitet, und in der Öffentlichkeit gab es breite Diskussionen dazu. Da kann man sich doch zu Recht einmal fragen: Warum wird dieses Thema nicht auch im Plenum des Deutschen Bundestages diskutiert? (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Iris Gleicke [SPD]: Bringen Sie doch einen Antrag ein!) Dieselbe Frage kann ich zu vielen anderen Themen stellen, die sich in Form öffentlicher Petitionen als Themen von großem öffentlichen Interesse erweisen. Dazu gehören zum Beispiel die Existenzfrage freiberuflicher Hebammen, die große Empörungswelle gegen die Sperrung von Internetseiten, die Forderung nach Abschaltung der Atomkraftwerke, alles Themen mit überwiegend mehr als 100 000 Unterschriften, die beweisen, dass das jeweilige Thema die Menschen in diesem Land bewegt. Im Bundestag diskutiert werden dürfen sie aber nur, wenn eine Fraktion einen Antrag dazu stellt. (Iris Gleicke [SPD]: Ja, eben!) Die Bevölkerung selbst hat keinen direkten Einfluss darauf. Wenn aber diese Fragen die Menschen so sehr bewegen, warum geben wir ihnen dann nicht endlich die Möglichkeit, ihr Thema über den Weg der öffentlichen Petition selber auf die Tagesordnung des Deutschen Bundestages zu setzen? (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch der Antrag meiner Fraktion dazu konnte die Unionsfraktion leider nicht bewegen, den Bürgerinnen und Bürgern zu erlauben, eigene Themen zu setzen, und das, obschon vier von fünf Fraktionen in diesem Haus genau das fordern. Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, halten Sie sich nicht einmal – das haben wir schon gehört – an Ihren eigenen Koalitionsvertrag, und Sie zeigen damit, was Sie von mehr Bürgerbeteiligung tatsächlich halten, nämlich doch eher wenig. Sie setzen weiterhin darauf, dass wir in Hinterzimmern Absprachen zu Petitionen treffen, sodass die Bürgerinnen und Bürger außen vor bleiben und möglichst nicht ganz so genau erfahren, wie wir mit ihren Anliegen umgehen. Das sollten wir dringend ändern. (Beifall bei der LINKEN) Entscheidend bei einer Petition ist natürlich, was am Ende herauskommt. Es gibt viele Themen, bei denen es gar kein rechts oder links gibt, die Reform der GEMA zum Beispiel. Sie wurde 2012 nun schon mit der zweiten öffentlichen Ausschusssitzung allein in dieser Legislaturperiode gefordert. Zur Reform der GEMA gab es seit 1998 insgesamt 1 063 Petitionen. Herzlichen Dank an den Kollegen Lemme für diese Zahl, wie immer du sie herausbekommen hast. Wir haben es nicht geschafft. Die Bundesregierung weiß spätestens seit dem Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ aus dem Jahr 2008, was geändert werden muss. Sie tut aber nichts. Ähnliches gilt für die Forderung nach einer Finanztransaktionsteuer. Sie wurde 2012 mit der Begründung, dass dem Anliegen bereits „teilweise entsprochen“ wurde, von der Ausschussmehrheit abgesetzt. Diese -Formulierung ist eigentlich eine Zumutung für die mehr als 66 000 engagierten Unterzeichnerinnen und Unterzeichner. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was ist so schlimm daran, solche Anliegen mit einem hohen Votum an die Regierung zu überweisen und dadurch zu gewährleisten, dass das Thema nicht versandet und im Ausschuss regelmäßig über Fortschritte oder Nichtfortschritte berichtet werden kann? Im Falle der Transaktionsteuer haben sich schließlich sogar die Bundeskanzlerin und der Finanzminister dazu bekannt, sie einführen zu wollen. Ebenfalls im Jahr 2012 erhielten wir die Antwort der Bundesregierung auf eine Petition, die die Schließung des Bombenabwurfplatzes in Nordhorn in Niedersachsen forderte. Der Ausschuss hatte die Petition als -Material überwiesen, per einstimmigem Beschluss. Die Bundesregierung antwortete im Mai 2012, dass „alternative Übungsmöglichkeiten für die Luftstreitkräfte geprüft“ und eine „gerechte Lastenverteilung“ angestrebt würden. Der Presse mussten wir Abgeordnete entnehmen, dass nach der Schließung des Luft-Boden-Schießplatzes in Siegenburg/Bayern Nordhorn der einzige noch verbleibende Luft-Boden-Schießplatz in ganz Deutschland sein wird. Als wäre es noch nicht genug, dass die -Einwohnerinnen und Einwohner seit mehr als 60 Jahren unter dem Lärm und den Gefahren leiden, werden dort jetzt zu allem Überfluss auch noch Drohneneinsätze trainiert. Wenn der Ausschuss seine Arbeit wirklich ernst nehmen würde, dann müssten die zuständigen Staatssekretäre diese Vorgänge im Ausschuss erklären. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Um aber wenigstens zu kleineren Verbesserungen in unseren Wirkungsmöglichkeiten zu kommen, möchte ich etwas anregen: In der nächsten Legislaturperiode sollte der Petitionsausschuss überlegen, einen Härtefallfonds einzurichten (Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]) – herzlichen Dank, Frau Kollegin –, mit dem der Ausschuss in Einzelfällen auch einmal schnell und unbürokratisch helfen kann. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU] und Memet Kilic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie erinnern sich sicherlich, liebe Kolleginnen und Kollegen – Herr Schwartze hat es eben angesprochen –, an die Petition des Vereins KONTAKTE, der sich für die Einbeziehung der sowjetischen Kriegsgefangenen in die Entschädigungszahlungen der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ eingesetzt hat. Am Ende hieß es, die Stiftung habe kein Geld mehr, und die wenigen noch lebenden Hochbetagten gingen leer aus. Ich denke, es würde dem Ausschuss gut zu Gesicht stehen, wenn pro Jahr für solche oder ähnliche Fälle eine Summe X zur Verfügung stünde. Der Ausschuss könnte dann entscheiden, welche Petenten im Einzelfall eine Zuwendung erhalten, zum Beispiel für medizinische Leistungen oder andere Härtefälle, bei denen keine andere Rechtsgrundlage für Hilfe vorhanden ist. Der Peti-tionsausschuss in Thüringen hat übrigens einen solchen Härtefallfonds. Ich würde mich freuen, wenn der künftige Petitionsausschuss diesem guten Beispiel folgen würde. Nichtsdestotrotz hat dieser Ausschuss – wir haben es jetzt vielfach gehört – im vergangenen Jahr viel Gutes geschafft. Ein Beispiel hat die Kollegin Lips eben schon angesprochen. Es ging um den Fall einer alten Dame, die wir in Zusammenarbeit mit der Kollegin Sabine Weiss von der CDU entschulden konnten. Ich finde, dass das ein sehr schönes Ergebnis ist. Das zeigt, dass man in solchen Fällen parteiübergreifend gut zusammenarbeiten kann. Herzlichen Dank auch dafür! (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Auch die öffentliche Ausschusssitzung zum Thema ACTA – davon haben wir eben auch schon gehört – und viele andere habe ich in guter Erinnerung. Die vielen Zehntausend Unterschriften haben auf jeden Fall mitgeholfen, die geplante Internetüberwachung zu stoppen. Von diesen guten Arbeitsergebnissen gibt es noch eine ganze Reihe. Auch deshalb werde ich die Arbeit im Petitionsausschuss in guter Erinnerung behalten. Ich bedanke mich bei den Ausschussmitgliedern für die, trotz aller Kritik, gute Zusammenarbeit. Mein Dank gebührt natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschussdienstes für ihre unermüdliche Arbeit mit den vielen Tausend Akten. Ich wünsche dem neu zu wählenden Petitionsausschuss viel Erfolg und hoffe natürlich, dass dann die Verfahrensgrundsätze, lieber Klaus, wieder auf den Prüfstand kommen. Im digitalen Zeitalter müssen wir auch neue Wege für bessere Bürgerbeteiligung in der Politik finden. Das kann uns niemand abnehmen. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt die Kollegin Stefanie Vogelsang von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich glaube, 7 oder 8 Mitarbeiter des Ausschussdienstes sitzen auf der Tribüne stellvertretend für die 85 Kolleginnen und Kollegen, die für uns im Ausschussdienst tätigen werden, die hin und her recherchieren, die der Regierung manchmal auf die -Nerven gehen, wenn sie einen Aktenvorgang zwei-, drei- oder viermal an ein Regierungsmitglied schicken, und mit viel Geduld unsere Arbeit vorbereiten. Ich möchte ihnen stellvertretend für alle Kolleginnen und Kollegen, die dort mitwirken, herzlich danken. (Beifall im ganzen Hause) Ein herzlicher Dank geht auch an die Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss. Ich arbeite nicht nur im Petitionsausschuss, sondern auch im Haushalts- und im Gesundheitsausschuss, und ich kann Ihnen sagen: Die Arbeit im Petitionsausschuss macht am meisten Spaß. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN sowie des Abg. Dr. Peter Röhlinger [FDP]) Normalerweise ist es so, dass man als letzte Rednerin in einer Debatte versucht, einen versöhnlichen Endpunkt zu finden, also das Ganze zu einem positiven Ende zu führen. Insofern bin ich Ihnen, Frau Remmers, sehr dankbar, dass ich hier mit Kritik nicht ganz alleine stehe. Ich habe den Jahresbericht gelesen. Hier und vor allen Dingen in Ihrer Rede, Frau Ausschussvorsitzende, zum Jahresbericht haben Sie darauf hingewiesen, dass es in diesem Jahr weniger hohe Voten gegeben hat als in den Jahren davor. (Kersten Steinke [DIE LINKE]: Herr Hagemann hat es kritisiert!) – Ich glaube, neben Herrn Hagemann haben Sie es auch gesagt. – Sie haben insbesondere kritisiert, dass die Bundesregierung von den Vorhaben mit einem hohen Votum, die wir ihr also zur Berücksichtigung oder Erwägung überwiesen haben, relativ wenig umgesetzt hat, dass sie an relativ wenig herangegangen ist. Eine Möglichkeit, warum das so ist, haben Sie dabei völlig außer Acht gelassen, nämlich die Arbeit des Gesetzgebers. Wenn Sie sich einerseits die Petitionen mit den jeweiligen Voten im Petitionsausschuss anschauen und andererseits die verschiedenen Gesetze vergegenwärtigen, über die wir beraten haben, dann werden Sie feststellen, dass es in kaum einer anderen Wahlperiode so viele Petitionen gegeben hat, bei denen die besonders aktive Arbeit der Kolleginnen und Kollegen in ihren Fachausschüssen dazu geführt hat, dass es zu dem Votum kam: Abschluss, weil erledigt bzw. teilweise erledigt. Der Kollege von der FDP hat gesagt, dass es hilfreich sei, wenn man im Petitionsausschuss Fachbereiche -behandle, mit denen man sich nicht im Fachausschuss beschäftige, weil man so einen anderen Blick für die Dinge habe. Ich glaube, dass auch die Kombination etwas Gutes hat: Einerseits sind Leute da, die einen anderen Blick haben, andererseits sind Leute da, die im Fachausschuss – vielleicht dank ihres offenen Blicks – den Finger in die Wunde legen können. Ich will Ihnen dazu ein Beispiel aus dem Jahre 2012 bringen. Wir hatten eine Petition der Deutschen Schmerzliga, (Klaus Hagemann [SPD]: Frau Koch!) vertreten durch Marianne Koch, die wir alle kennen. Wir haben zur Zeit der Großen Koalition gemeinsam und mit großer Unterstützung der Fraktion der Grünen ein Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung verabschiedet, durch das die Möglichkeit sogenannter Rabattverträge für die gesetzlichen Krankenversicherungen eingeführt wurde. Mit diesen Rabattverträgen sollen die Preise nach unten gedrückt werden. Wir alle haben in unseren Wahlkreisen in den Bürgerbüros mit Kritik der Bürgerinnen und Bürger an diesen Rabattverträgen zu tun; gerade ältere Menschen sind nicht ganz sicher, ob sie das Richtige bekommen, wenn der Wirkstoff zwar der gleiche ist, aber das -Medikament ausgetauscht wurde. Bei Schmerzpatienten, die mit sehr starken Opioiden oder anderen Schmerz-medikamenten behandelt werden müssen, geht es aber nicht nur um den Austausch der Medikamente, sondern auch um entsprechende Begleiterscheinungen, die mit den Medikamenten einhergehen. Von diesen Begleit-erscheinungen hängt das Wohlbefinden der Patienten und die Wirksamkeit des Medikaments ab. Wir, der Petitionsausschuss, haben uns in einer öffentlichen Anhörung intensiv damit beschäftigt. Diejenigen, die Kontakt zur Gesundheitspolitik haben, haben sehr stark dafür gekämpft, dass wir ein Gesetz bekommen, in dem Ausnahmen vorgesehen werden, damit der mit den Rabattverträgen verbundene Zwangsaustausch des Medikaments insbesondere bei Schmerzpatienten nicht mehr stattfinden muss. Wir als Gesetzgeber haben im Jahre 2012 dann ein entsprechendes Gesetz verabschiedet; dafür haben wir die Regierung gar nicht gebraucht. Dieses Gesetz ist im Oktober 2012 in Kraft getreten. Man müsste nun annehmen: Der Petitionsausschuss hat das Anliegen aufgenommen, es ist von den Parlamentariern in den Gesundheitsausschuss transportiert worden, ein Gesetz wurde erlassen und den Menschen ist geholfen. Im Gesundheitswesen ist es nun so, dass konkrete Entscheidungen eher von den Fachleuten im Gemein-samen Bundesausschuss getroffen werden. Die gesetzliche Krankenversicherung und die Apotheker haben dieses ausgesessen. Wir haben entsprechende Hinweise darauf bekommen, von der Deutschen Schmerzliga erhielten wir ein Schreiben, dass sich auch infolge der Umsetzung der Petition nichts getan hat. Wir als Petitionsausschuss haben das bei einem Gespräch mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss angesprochen. Heute Morgen hat der Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages eine Entschließung gefasst und darin die Apotheker und die gesetzliche Krankenversicherung aufgefordert, endlich tätig zu werden. Wir sind einstimmig übereingekommen: Ihr müsst das bis 1. August dieses Jahres tun und nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag. Der Petitionsausschuss ist also nicht nur Seismograf für Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern, sondern der Petitionsausschuss ist auch für uns Fachpolitiker sehr wichtig. Wir sollten dabei nicht nur auf das Tun der Bundesregierung schielen, sondern selbst im Rahmen unserer Ausschussarbeit als Gesetzgeber tätig werden, und die Regierung sollte dann gefälligst das tun, was wir ihr sagen – Entschuldigung, Herr Staatssekretär. Dieser ganze Aspekt hat mir in Ihrem Bericht, Frau Vorsitzende, gefehlt. Ich glaube, dass das zu berücksichtigen ist. Ich möchte mich bei meinen supernetten Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss bedanken, bei meinem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, der immer ein offenes Ohr für unsere Kümmernisse hat. Ich danke auch Ihnen, Frau Vorsitzende, denn bei aller Kritik: Sie haben das klasse gemacht. Herr Schwartze, vielen Dank für die netten Worte. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-regierung eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes – Drucksache 17/12370 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) – Drucksache 17/13689 – Berichterstattung: Abgeordnete Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Angelika Krüger-Leißner Dr. Claudia Winterstein Kathrin Senger-Schäfer Claudia Roth (Augsburg) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Marco Wanderwitz, Johannes Selle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Claudia Winterstein, Burkhardt Müller-Sönksen, Reiner Deutschmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Originäre Kinderfilme aus Deutschland stärker fördern – Drucksachen 17/12381, 17/13689 – Berichterstattung: Abgeordnete Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Angelika Krüger-Leißner Dr. Claudia Winterstein Kathrin Senger-Schäfer Claudia Roth (Augsburg) c) Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 8. November 2001 zum Schutz des audiovisuellen Erbes und zu dem Protokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz des audiovisuellen Erbes betreffend den Schutz von Fernsehproduktionen – Drucksache 17/12952 – Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) – Drucksache 17/13690 – Berichterstattung: Abgeordnete Johannes Selle Angelika Krüger-Leißner Burkhardt Müller-Sönksen Kathrin Senger-Schäfer Tabea Rößner Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Staatsminister Bernd Neumann. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Bernd Neumann, Staatsminister bei der Bundeskanzlerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Kollegen, die politisch zu diesem Bereich gehören, sind mittlerweile atemlos hier im Saal angekommen. Ich freue mich, dass ich das Thema nicht alleine vertreten muss. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Die sitzen hier, Herr Staatsminister!) Das Filmförderungsgesetz ist ja ein zeitlich begrenztes Gesetz. Alle fünf Jahre ist eine Novellierung erforderlich. Ich selbst bin mittlerweile zum vierten Mal aktiv daran beteiligt – passiv noch länger –: zweimal aus der Perspektive des Abgeordneten und zweimal aus der -Perspektive des Kulturstaatsministers. Bemerkenswert dabei war und ist, dass wir jedes FFG mit großer Einmütigkeit beschlossen haben. Es gab immer so gut wie keine Gegenstimmen, so jetzt auch im Kulturausschuss. Das heißt, in Bezug auf den Bereich der Filmpolitik gibt es im Deutschen Bundestag, von Einzelfragen abgesehen, prinzipiell einen fraktionsübergreifenden Konsens. Das tut dem deutschen Film und der Filmwirtschaft gut. Dass man ohne Übertreibung sagen kann, dass die Filmpolitik in den letzten Jahren zu den besonders erfolgreichen Kapiteln der Kulturpolitik auf Bundesebene gehört – so zumindest sieht es die gesamte Community –, ist ein gemeinsamer Erfolg, an dem alle Fraktionen beteiligt sind. Deshalb danke ich Ihnen dafür sehr herzlich. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Dem Staatsminister besonders!) Das FFG ist immer wieder Spiegel der aktuellen Filmpolitik. Meine Kollegen Selle und Börnsen werden gleich aus Sicht der CDU auf die Veränderungen im heute zu verabschiedenden Entwurf eingehen. Ich selbst möchte zum Ende dieser Legislaturperiode gern eine kurze filmpolitische Bilanz ziehen. Lassen Sie mich fünf Punkte hervorheben: Erstens. Deutschland ist wieder ein attraktiver internationaler Produktionsstandort. Der Deutsche Filmförderfonds, den es seit 2007 gibt, der also in der Zeit der Großen Koalition aufgelegt wurde – damals hatte er ein Volumen von 60 Millionen Euro – und von der jetzigen Koalition fortgesetzt wurde – im Jahr 2013 wurde das Volumen auf 70 Millionen Euro erhöht –, ist ein Erfolgsmodell. Viele kleine anspruchsvolle Filme werden stärker unterstützt. Über das Studio Babelsberg, das fast illiquide, fast zahlungsunfähig war, kann man mittlerweile sagen: Babelsberg lebt und produziert. Internationale Großproduktionen finden wieder in Deutschland statt. Deutsche Schauspieler werden in diese internationalen Produktionen einbezogen und können deshalb Weltstars werden; dazu muss man ja eine gewisse Spielfläche haben. Seit 2007 wurden mehr als 375 Millionen Euro Fördermittel im DFFF bewilligt. Sie lösten Folgeinvestitionen in sechsfacher Höhe aus, also ohne staatliche Mittel. Davon wurden allein 2,2 Milliarden Euro in Deutschland ausgegeben. Ich kenne kein anderes Subventionsmodell des Staates, das so rentierlich ist. Deshalb muss der DFFF fortgesetzt werden, wenn es nach mir geht, zukünftig dauerhaft, ohne Begrenzung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Angelika Krüger-Leißner [SPD]) Zweitens. Die Kinodigitalisierung schreitet voran. Bis Ende 2013 wird die Bundesregierung dafür 21 Millionen Euro ausgegeben haben. Zurzeit sind in Deutschland fast 70 Prozent der Kinosäle digitalisiert. Damit ist auch die technische Wettbewerbsfähigkeit der Kinos in der Fläche, der Arthouse- und Programmkinos erreicht; nur diese Kinos unterstützen wir ja. Das war eine Gemeinschaftsleistung von Bund, Ländern und Filmwirtschaft, die wahrscheinlich Ende dieses Jahres abgeschlossen sein wird. Drittens. Langfristig kann das Kino nur bestehen, wenn es auch morgen noch wahrgenommen wird. Deshalb ist es wichtig, auch die junge Generation an das Kino heranzuführen. Die Vision Kino GmbH leistet hier wertvolle Arbeit. Im Schuljahr 2012/2013 nahmen bundesweit rund 684 000 Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte an Kinovorstellungen in den SchulKinoWochen teil. So konnte Vision Kino seinen Status als wichtigstes filmpädagogisches Projekt in Deutschland erneut untermauern. Viertens. Um die entstandenen Filme auch langfristig zu erhalten, müssen wir unser Filmerbe schützen. Angelika Krüger-Leißner, da engagieren wir uns schon seit Jahren; schrittweise bewegen wir uns sogar. Mit der Novellierung des Bundesarchivgesetzes erfolgt die Einführung einer Pflichtregistrierung aller deutschen Kinofilme, sodass alle neu produzierten Filme erfasst werden. Der Produzent muss eine Kopie vorhalten; in der Regel wird es eine digitale sein. Somit kann filmisches Erbe zukünftig nicht mehr verloren gehen. Darüber hinaus trägt der BKM durch Fördermittel beträchtlich dazu bei, dass eine bedeutende Anzahl von Filmerbe-Klassikern – es muss ja der Wunsch, sie zu sehen, erfüllt werden können; das ist der besondere Sinn – digitalisiert wird und auf diese Weise für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetzentwurf zur Änderung des FFG wird die Digitalisierung des Filmerbes zudem ausdrücklich in den Aufgabenkatalog der FFA aufgenommen. Hierdurch wird der finanzielle Beitrag der Filmwirtschaft zu dieser wichtigen Aufgabe sichergestellt. Es ist ja nicht einzusehen, dass der Staat allein das alles macht. Auch die Filmwirtschaft muss ihren Beitrag zum Erhalt ihres kulturellen Erbes leisten. Fünftens. In Brüssel haben wir durch gemeinsames Auftreten mit Frankreich bei der Überarbeitung der Kinomitteilung der Europäischen Kommission bereits wichtige Erfolge erzielt. Im Vergleich zu den ersten Fassungen der Kinomitteilung enthält der aktuelle Entwurf deutlich positive Aspekte, beispielsweise erkennt die Kommission erstmalig an, dass Kinofilme und Kinos Kultur sind – zu Recht. Für eine weitere wichtige Änderung kämpfe ich noch gemeinsam mit meiner französischen Kollegin Filippetti und dem italienischen Kollegen Bray. Wir verfolgen das Ziel, Fördersysteme wie den DFFF in seiner jetzigen Ausgestaltung zu sichern; denn wir wollen nicht zulassen, dass die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Films gegenüber der außer-europäischen Konkurrenz beeinträchtigt und die europäische Filmkultur ernsthaft gefährdet wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Sehr gut!) Abschließend, meine Damen und Herren: Der Bund der Steuerzahler hat jüngst plakativ gefordert – manche Zeitungen haben sich dem angeschlossen –: „Das Päppeln der Filmbranche mit Subventionen muss ein Ende haben!“ Das ist in jeder Hinsicht zu kurz gesprungen. Der Kinofilm ist wie das Theater Ausdruck unserer weltweit einzigartigen kulturellen Vielfalt, die wir erhalten wollen. Was für das Theater gilt, trifft auch auf den Film zu. Beide kommen ohne Förderung nicht aus. Da der Film nicht nur ein Kulturgut, sondern auch ein Wirtschaftsgut ist, (Beifall des Abg. Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]) ist die Filmförderung auch noch eines der erfolgreichsten Wirtschaftsförderprogramme, wie es am Beispiel des DFFF deutlich wird. Ich danke allen Fraktionen für die Unterstützung bei den von mir genannten wichtigen erfolgreichen Punkten. Sie waren ja nicht streitig. Man kann sehen: Wenn man sich über die eigene Partei hinaus mit den anderen einig ist, dann kann man etwas bewirken. Das haben wir gemeinsam erreicht. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Angelika Krüger-Leißner von der sozialdemokratischen Fraktion. Angelika Krüger-Leißner (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade hat es Staatsminister Neumann gesagt. Passend zur Verabschiedung der siebten Novelle des Filmförderungsgesetzes meldete sich wieder einmal der Bund der Steuerzahler über seinen Präsidenten und verkündete letzte Woche: „Schluss mit den Millionen für Kassenschlager!“ Gute Filme bräuchten keine Förderung, sie würden auch ohne entstehen. Auch wenn diese Einstellung des Bundes der Steuerzahler nicht wirklich überrascht, da wir ihn kennen, so ist es dennoch sehr ärgerlich, dass es immer noch so viel Unkenntnis über die Filmförderung in Deutschland gibt. Aufgrund unserer föderalen Strukturen wird sie von mehreren Säulen getragen: über die Länderförderung, über den Beauftragten für Kultur und Medien, über den DFFF, bei internationalen Projekten auch über EU-Mittel, von den Fernsehsendern und eben über die Filmförderung des Bundes auf der Grundlage des Filmförderungsgesetzes, das wir heute novellieren wollen. Zudem wollen wir es an die technischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen fünf Jahre anpassen. Gerade dieses Gesetz erbringt seine Leistung für die Branche aus der Branche, nämlich über die Filmabgabe der Kinos, die Abgabe der öffentlich-rechtlichen und privaten Sender sowie der Verleiher, die Videoabgabe sowie die Rückzahlung und Tilgung der Projektträger. Hier werden also keine Steuermittel, sondern Mittel aus der Filmbranche eingesetzt. Dies habe ich jetzt noch einmal dargelegt, damit es in diesem Land wahrgenommen wird. Darum ist es auch so wichtig, dass wir uns das Ziel setzen, die Leistungsfähigkeit und die Strukturen der deutschen Filmwirtschaft mit jeder Novelle zu verbessern. Die Filmförderungsanstalt wird in diesem Jahr 45 Jahre alt. Viereinhalb Jahrzehnte hat sie für erfolgreiche Filmförderung gewirkt. Die ersten Monate dieses Jahres haben wieder einmal gezeigt, dass die Film-akteure, die Regisseure, die Drehbuchautoren, die Schauspieler und die Produzenten, wirklich gute Arbeit leisten – aber auch die Filmförderung. Der Marktanteil deutscher Filme liegt in diesem Jahr noch bei über 30 Prozent – das ist gut –, und es gibt bereits vier Besuchermillionäre, drei davon gefördert von der FFA, ob über Drehbuch-, Projekt- oder Verleihförderung oder Referenzförderung, die für den Erfolg des vorhergehenden Films gezahlt wird. Bei durchschnittlichen Herstellungskosten zwischen 4 und 6 Millionen Euro für einen abendfüllenden Spielfilm leuchtet eigentlich jedem ein, dass solche Filmprojekte ohne Förderung gar nicht zu realisieren sind. Der große deutsche Filmregisseur und Produzent Bernd Eichinger hat einmal gesagt: Der deutsche Film kann ohne Förderung nicht -leben! Das muss allen klar sein. Bei kleinen Projekten ist die Bewilligung der Förderung oft existen-tiell, bei großen, auch internationalen Koproduk-tionen hilft sie wesentlich, das Vorhaben auch tatsächlich in absolut höchster Qualität zu realisieren. Ich finde, das stimmt. Darum ist es wichtiger denn je, die überregionale bundesweite Förderung durch das FFG zu stärken. Diese Novellierung steht unter einem besonderen Zeichen und, ich glaube, auch unter vielen Blicken. Wir alle wissen, dass das Bundesverfassungsgericht derzeit die Klage einer Kinokette prüft und entscheiden muss, ob das FFG verfassungsgemäß ist und der Bund die Zuständigkeit für diese gesetzliche Regelung hat. Aus unserer Sicht ist das so. Schließlich haben wir das auch in einer gemeinsamen Stellungnahme so formuliert; das ist nachzulesen. Dieser besondere Umstand ist auch ein Beleg dafür, dass es keine grundlegenden Änderungen an der Systematik des FFG gibt. Viele aus der Filmbranche hätten sich mutigere Schritte, mehr Balance, mehr Gerechtigkeit bei den Abgaben und Förderungen gewünscht. Ich sage: Das läuft uns nicht weg. Das Urteil aus Karlsruhe sollten wir abwarten. Dann werden wir uns an die große Arbeit machen; das verspricht meine Fraktion. Auch wenn ich das Ergebnis etwas einschränkend beurteilt habe, glaube ich dennoch, dass uns nach einigem Entgegenkommen von allen Seiten ein guter Kompromiss gelungen ist. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dafür mein Dank an alle Kollegen, besonders an Herrn Börnsen! (Beifall des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU] – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der quatscht gerade mit dem Staatsminister!) – Also wirklich! Wenn ich ihm einmal danke, bekommt er es nicht mit. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber schade!) Ich darf im Folgenden auf die für meine Fraktion wichtigen Änderungen eingehen. Als zukunftsweisend sehe ich die Verbesserung der Möglichkeiten der Teilhabe behinderter Menschen an geförderten Filmen und zum Besuch eines Kinos an. Mit Untertitelung und Audiodeskription eröffnen wir mehr als 1,4 Millionen behinderten Bürgern das Recht, Filme im Kino zu erleben, später auf DVD oder im Fernsehen. Der neue Förderbereich, die Digitalisierung des alten Filmerbes, ist dazugekommen. Dass es Zeit wurde, bestätigen die vielen schon vorliegenden Anträge. Hier geht es uns nicht nur um die Langzeitsicherung, sondern vor allem auch um die Zugänglichmachung des deutschen Filmerbes. Hier liegt noch ein Stück Arbeit vor uns; da sind wir uns einig. Einiges ist uns wirklich gut gelungen, so zum Beispiel das zukünftige Heranziehen der Video-on-Demand-Anbieter, die ihren Sitz im Ausland haben. Damit haben wir einen Akteur mehr im Boot, der sich an der Abgabe beteiligt, weil auch er am deutschen Film verdient. Das ist unser Prinzip. Sie wissen: Ich hätte gern auch die Internet- und Kabelzugangsanbieter mit im Boot gehabt, zumindest mit einem freiwilligen Beitrag wie anfangs die Fernseh-anstalten. Aber die Anhörung hat gezeigt, dass es noch zu früh dafür ist. Dennoch: Das ist der Markt der Zukunft. Momentan beträgt sein Anteil an der Nutzung des deutschen Films circa 10 Prozent, aber die Zuwachsraten, sagen die Experten, liegen bei 50, 60, 70 Prozent. Das ist ein künftiges Aufgabenfeld. Sehr positiv ist auch die Konzentration auf Förderschwerpunkte, hier besonders die Stärkung der Absatzförderung, zu bewerten. Auch die Referenzfilmförderung ist ein hocheffizientes Förderinstrument; hier werden besonders erfolgreiche Filme belohnt, und es soll auch Antrieb für Folgeprojekte gegeben werden. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Verschlechterung für den Dokumentar- und Kinderfilm und für den Low-Budget-Film bei der Referenzfilmförderung konnten wir abwenden. Es bleibt bei der bisherigen Regelung. Das war uns wichtig, und das hat nichts mit Privilegien für diesen besonders sensiblen Filmbereich zu tun. Die Resonanz auf diese Entscheidung zeigt mir, dass sie richtig war. Überhaupt ist die Initiative, „den besonderen Kinderfilm“ zu fördern und dieses Modell als weiteren Baustein in die Förderung einzubauen, geradezu genial. Es wurde ein Fördermodell entwickelt, das das Ziel verfolgt, dem Kinderfilm in Deutschland wieder mehr Präsenz und ein stärkeres Gewicht zu verleihen. In dieser Initiative steht der reale Kinderfilm im Mittelpunkt. Er beruht nicht auf bekannten Literaturvorlagen, sondern auf originären Stoffen, in denen sich die Kinder wiederfinden, weil sie etwas mit ihrer Beziehungs- und Gefühlswelt zu tun haben. Ich begrüße das außerordentlich, und ich werde diese Entwicklung im Auge behalten. Wir haben für diesen Bereich außerdem auch eine Evaluierung vorgesehen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU]) – Vielen Dank. Ich weiß: Das liegt auch Ihnen am Herzen. Zuletzt möchte ich einen Punkt ansprechen, der meiner Fraktion sehr wichtig war: Die Arbeitsbedingungen bei Filmproduktionen haben sich in den letzten Jahren unter dem zunehmenden Kostendruck verschärft. Dazu tragen übrigens auch die öffentlich-rechtlichen Sender bei. Dieser Kostendruck wird weitergeleitet an die Filmschaffenden vor und hinter der Kamera. Es kommt immer wieder zu Verstößen gegen soziale und tarifliche Standards. Ich finde, da es sich hier um öffentliche Förderung handelt, stehen wir in der politischen Verantwortung und müssen handeln. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie kennen unser Engagement für diesen Bereich. Daher ist es nicht neu für Sie, dass wir wollen, dass soziale Standards eingehalten werden. Die bisherigen Regelungen – aus der letzten Novellierung des Filmförderungsgesetzes – reichen nicht aus. In dem Bewusstsein, dass bei deutschen Koproduktionen mit internationaler Beteiligung das EU-Recht wirkt, haben wir einen Weg gesucht, soziale Mindeststandards deutlich sichtbar im FFG zu verankern. Unser Vorschlag, dass erhoben wird, inwiefern die Standards am Set geförderter Produktionen eingehalten werden – er ist weder bürokratisch noch mit Sanktionen verbunden –, ist legitim; die Erhebung wäre ein deutliches Signal an die Branche gewesen. Ich gehe, da ich viele Produzenten in diesem Bereich kenne, davon aus, dass es zum Selbstverständnis eines jeden Produzenten gehört, dass er gute Arbeitsbedingungen am Set bietet. Ich kann nur sagen: Es ist schade, dass Sie uns in diesem Punkt nicht weiter entgegengekommen sind; aber wir werden dranbleiben. Zum Schluss möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen und Ihnen, Herr Kulturstaatsminister Neumann, meinen Dank aussprechen. Wir haben diese siebte Novelle ganz gut hinbekommen. Sie ist ein Gewinn für die weitere Entwicklung des deutschen Kinofilms, für die Entfaltung seiner Qualität und für die Gewährleistung der Vielfalt des deutschen Films. Dieses Signal mögen draußen alle hören! Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Kollegin Dr. Claudia Winterstein das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Claudia Winterstein (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als das Filmförderungsgesetz 1967 erstmals in diesem Hause diskutiert wurde, ahnte wahrscheinlich kaum jemand, welche Erfolgsgeschichte es in den nächsten 45 Jahren tatsächlich schreiben würde. Das Filmförderungsgesetz ist eine Erfolgsgeschichte, weil alle an der Filmbranche Beteiligten die Finanzierung gemeinsam tragen: die Kinos, die Videowirtschaft, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die privaten Rundfunkanbieter; die Branche steht zusammen. Genauso wichtig ist es, dass wir, die Parlamentarier, zusammenstehen; auch das ist gelungen. Das ist für die Filmbranche, denke ich, ein wichtiges Signal. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Durch den Konsens von Union, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen senden wir auch ein deutliches Zeichen an das Bundesverfassungsgericht: Wir stehen zu dem System der Filmförderung und der Erhebung der Filmabgabe, wir stehen hinter der Filmförderungsanstalt als nationaler Förderinstitution. Das, meine Damen und Herren, ist die Botschaft aus dem Parlament. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte mich bei meinen Kollegen Wolfgang Börnsen, Angelika Krüger-Leißner und Claudia Roth für die gute Zusammenarbeit an dieser Stelle bedanken. Der FDP war bei der Novelle des Filmförderungsgesetzes Folgendes besonders wichtig: Wir wollen die Barrierefreiheit für hör- und sehbehinderte Menschen verbessern. Deshalb muss jetzt von jedem geförderten Film auch eine barrierefreie Fassung hergestellt werden. Wir wollen den Dokumentarfilm und den originären Kinderfilm stärken. Deshalb erleichtern wir Kinderfilmen, die auf Originalstoffen beruhen, den Zugang zu Förderung. Weil die Produktion von Kinder- und Dokumentarfilmen ein besonderes wirtschaftliches Risiko darstellt, erweitern wir den Zeitraum für die Sammlung von Referenzpunkten von zwei auf drei Jahre. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: Guter Weg!) Das Filmförderungsgesetz, wie wir es heute beschließen, ist auf drei Jahre angelegt. Mit unserem Entschließungsantrag, der von allen Fraktionen mitgetragen wurde, machen wir deutlich, dass bei der nächsten Novelle gegebenenfalls auch die Anpassung des Abgabesystems angepackt werden muss; denn wir wollen die Erfolgsgeschichte des Filmförderungsgesetzes fortsetzen. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Diese Erfolgsgeschichte liegt in der Geschlossenheit der Branche; sie liegt darin begründet, dass alle Beteiligten einzahlen. Meine Damen und Herren, mit dieser siebten Novelle werden wir den deutschen Film weiter stärken. Dieses Ziel sollten wir auch alle gemeinsam weiterverfolgen. Ich glaube, wir empfinden alle so, wie es Bruno Ganz, der ehemalige Präsident der Filmakademie, einmal gesagt hat: Es gibt keine Magie, die so groß ist wie die, wenn im Kino das Licht ausgeht und die Leinwand zu leuchten anfängt. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Gutes Zitat!) In diesem Sinne – und weil dies meine letzte Rede im Deutschen Bundestag ist – bedanke ich mich für die kollegiale Zusammenarbeit im Kulturausschuss, im Rechnungsprüfungsausschuss und in besonderem Maße im Haushaltsausschuss. Es war eine spannende Zeit, manchmal wie im Film. Auch hier im Plenum hat so manch ein Kollege seine schauspielerischen Fähigkeiten gezeigt. Aber Spaß beiseite: Bei aller notwendigen parteipolitischen Auseinandersetzung war es ein faires Miteinander. Wir haben in der Sache gestritten, aber auch miteinander gelacht. Es hat mir viel Freude gemacht, insbesondere in den letzten vier guten Jahren, in denen ich so viel mitgestalten konnte. Ich freue mich auf neue Herausforderungen und wünsche allen – ob Sie nun weiter in diesem Parlament arbeiten oder zu neuen Ufern aufbrechen – alles erdenklich Gute für die Zukunft. Vielen herzlichen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt die Kollegin Kathrin Senger-Schäfer das Wort. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Siegmund Ehrmann [SPD]) Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der Koalition, ganz so harmonisch, wie es Staatsminister Neumann beschworen hat, ist es dann doch nicht gewesen. Wir sind der Meinung, dass heute eher eine halbherzige Gesetzesänderung vorliegt. Deshalb werden wir dieser Novelle nicht zustimmen. (Christoph Poland [CDU/CSU]: Dann haben wir was richtig gemacht!) Die Linke hat von vornherein auf den sozialen Standards für die Filmschaffenden beharrt. Das heißt für uns ganz klar: gute Löhne für gute Arbeit. Wir haben die konkrete Ausgestaltung der Digitalisierung des Filmerbes angemahnt. Auch haben wir – das ist uns ganz wichtig – für die Weiterführung der filmberuflichen Weiterbildung gekämpft. In Ihrem Gesetz sind diese Punkte für uns jedoch nur ungenügend berücksichtigt worden; daher werden wir nicht zustimmen. Es ist zumindest – das gebe ich gerne zu – gelungen, fraktionsübergreifend in einer Entschließung das Gesamtproblem zu erfassen. Gut ist Ihre Erkenntnis, dass Filmförderung zugleich Wirtschafts- und Kulturförderung ist. Gut ist auch, dass die soziale Lage der Filmschaffenden dem Deutschen Bundestag ein besonderes Anliegen ist. Weiterhin gut ist die Aufforderung an den Verwaltungsrat der Filmförderungsanstalt, die Digitalisierung des Filmerbes in einer Richtlinie zu konkretisieren. Die Linke stellte diese Forderung übrigens schon 2008 auf. Diese Entschließung ist also durchaus wegweisend. Allerdings kann man nicht alle Schwierigkeiten und Missstände dauerhaft in die Zukunft delegieren. Regierung und Teile der Opposition machen das in diesem Hause oft. Das hat bei Ihrem Management in der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht geklappt und wird auch bei der Lösung der anstehenden Probleme bezüglich der Filmförderung nicht klappen. Kein Autor, keine Regisseurin, kein Kameramann und auch keine Cutterin kann sich im Ernstfall auf eine Entschließung des Deutschen Bundestages berufen. Ich bitte Sie! (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Seit Jahren wird in der Öffentlichkeit über die schlechte Bezahlung der Kolleginnen und Kollegen im Film- und Fernsehbereich debattiert. Dass etwas Nachhaltiges für sie getan werden muss, meinen wir doch alle. Die Erfahrung zeigt aber: Was nicht in Gesetzesbuchstaben gegossen wird, ist am Ende nicht mehr als Schall und Rauch. Deshalb ist die Linke nicht dafür, dass der Paragraf, der die filmberufliche Weiterbildung regelt, wegfällt; denn nur aufgrund dieser Regelung wissen die Antragstellerinnen und Antragsteller, was ihnen zusteht. Wir brauchen diesen Paragrafen; denn was nicht explizit angeboten wird, wird auch nicht abgefordert. Wir sagen, dass die Weiterbildung Bestandteil der Filmförderung sein muss, und halten daher die ersatzlose Streichung von § 59 des Filmförderungsgesetzes für ein völlig falsches Signal. So geht das nicht! (Beifall bei der LINKEN) Ein weiterer Punkt: ARD und ZDF werden ja schon seit längerem von der Öffentlichkeit dazu gedrängt, sich zum Kinofilm zu bekennen und sich für die Koproduk-tionen von Kinofilmen und die Ausstrahlung kulturell ausgewiesener Werke einzusetzen. Die Entschließung zum Filmförderungsgesetz betont nun, dass der Deutsche Bundestag dies als elementaren Bestandteil des kulturellen Auftrages der Öffentlich-Rechtlichen ansieht, der allein den Rundfunkbeitrag rechtfertigt. Ich frage Sie nun ganz ernsthaft: So etwas muss der Deutsche Bundestag extra betonen? Gehört es nicht zum Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, dass der Verfassungsauftrag eingehalten wird? Was aber ist die Realität? Es wird weiter rücksichtslos auf die Quote geschielt. Anspruchsvolle Spiel- und Dokumentarfilme verschwinden im Nachtprogramm. Auf das völlig veränderte Nutzerverhalten der jüngeren Generationen reagieren die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weitgehend mit Ratlosigkeit. (Burkhardt Müller-Sönksen [FDP]: ZDFneo!) Sehr bald sind dann eben auch die Zuschauerinnen und Zuschauer öffentlich-rechtlicher Angebote völlig verschwunden. Der Rundfunkbeitrag für alle ist nur dann wirklich gerechtfertigt, wenn sich auch alle von dem Programmangebot angesprochen fühlen. (Christoph Poland [CDU/CSU]: Nein! Das ist gar keine Logik!) Deshalb frage ich Sie: Warum werden die finanziellen Mittel für die öffentliche Förderung des Kinderfilms eigentlich nicht aufgestockt? Warum soll es lediglich bei einer Selbstverpflichtung von ARD und ZDF zur Steigerung der Mittel für die Kinderprogramme bleiben? Auf greifbare Resultate dieser Selbstverpflichtung kann man nach Lage der Dinge lange warten. Die Fraktion Die Linke lehnt den Kinderfilmantrag der Koalition vor allem aus diesen beiden Gründen ab. Ich wünsche mir sehr, dass die folgende Novellierung des FFG tatsächlich auch die sozialen Interessen der Filmschaffenden, Fragen der Integration und die verstärkte Förderung von Frauen berücksichtigt. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Wir denken: Wer heute nicht kritisiert, wird morgen keinen Fortschritt haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war meine letzte medienpolitische Rede als Mitglied des Deutschen Bundestages. Auch ich möchte mich herzlich für die gute und konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Claudia Roth das Wort. (Beifall des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oh, danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich zuerst bei -allen – inklusive Bernd Neumann – für die wirklich konstruktiven Diskussionen, die wir im Vorfeld der Novelle geführt haben, herzlich bedanken. Wir haben verantwortlich beraten, gerade – Frau Dr. Winterstein, da haben Sie recht – angesichts der Angriffe durch die großen Kinoketten, die aus der solidarischen Filmförderung des Bundes aussteigen wollen und deswegen eine Klagewelle losgetreten haben. Es ist wirklich so: Unser gemeinsames Signal ist auch ein deutliches Zeichen dafür, dass eine sehr breite Mehrheit im Deutschen Bundestag hinter unserer Filmförderung steht und dass wir dem bornierten und aus kurzfristigem Profitdenken erwachsenen Versuch, diese Filmförderung auszuhebeln, gemeinsam entgegentreten. Das war schon einmal sehr viel wert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]) Wir Grüne freuen uns sehr, dass wichtige Anliegen aufgenommen worden sind. Meine Vorrednerinnen haben zu Recht den barrierefreien Film benannt. Dass jetzt für Filme, die mit Bundesmitteln gefördert werden, Autodeskriptionen und Untertitel angefertigt werden müssen, ist zwar nur ein kleiner, aber dennoch sehr wichtiger Schritt hin zu mehr Teilhabegerechtigkeit für Menschen mit einer Seh- oder Hörbehinderung. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Demokratie lebt von Teilhabe, und ich glaube, hiermit haben wir ein großes Stück dazu beigetragen. Erste Schritte sind auch auf dem Weg der Filmerbe-digitalisierung gegangen worden, die nach der Kinodigitalisierung ja nur eine logische Konsequenz ist; denn wir dürfen unser unendlich reiches Filmerbe nicht von den neuen technischen Entwicklungen abkoppeln lassen, sondern müssen es breiter zugänglich machen. Ich hätte mir hier noch mehr vorstellen können, aber immerhin: Der Einstieg ist ein wichtiger erster Schritt. Richtig gut – das muss man wirklich sagen – war, dass die ursprünglich beabsichtigte Absenkung der Mittel für die Referenzfilmförderung in unserem Ausschuss buchstäblich im allerletzten Moment verhindert werden konnte. Danke, Wolfgang Börnsen. Er hat dazu wesentlich beigetragen. Die Kürzung dieser Förderung hätte vor allem die kleineren Player wie die Dokumentar- oder die Kinderfilmer getroffen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch positive Veränderungen im Gesetzentwurf will ich explizit benennen. Eine Änderung erfolgte hinsichtlich der Gremienbesetzungen der FFA. Dass es für die Vertreter der Vergabekommission nun 13 Sitze gibt, ist gut. Das ist wichtig, weil nun gerade die AG Kino-Gilde, die sich sehr um die Kulturkinos kümmert, einen Vertreter oder eine Vertreterin eigenständig entsenden kann und auch die Regisseure und die AG Kurzfilm angemessen berücksichtigt werden. Der zusätzlich vom BKM zu vergebende Sitz in dieser Kommission sollte in Zukunft auch den Kreativen zufallen, so wie es eigentlich vorgesehen ist. Unser gemeinsamer Entschließungsantrag schließlich umfasst wichtige Aufgaben für die Zukunft. Klar ist: Das darf jetzt nicht nur eine freundliche und unverbindliche Absichtserklärung sein, sondern die Entschließung muss Bindungswirkung haben. Als Grüne freue ich mich natürlich ganz besonders, dass es ein ausdrückliches Bekenntnis zum „Green Film“ und zu der auch in der Filmwirtschaft möglichen und nun anstehenden Ökologisierung von Produktion, Vertrieb und Abspiel gibt, die dringend nötig ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Einige sind hier vorangegangen, zum Beispiel die Film Commission der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein mit einem Grünen Drehpass – das ist richtig gut – und anderen Aktivitäten. Wir fordern die FFA auf, in diesem Bereich aktiv zu werden, und bieten einen kreativen Austausch an. In der Frage der Sozialstandards kam es zu erweiterten Formulierungen. Natürlich ist klar: Es muss so sein, dass derjenige, der Mittel aus der öffentlichen Filmförderung erhält, gültige Sozialstandards und bestehende Tarifverträge nicht unterlaufen darf, dass er sie respektieren und zur Anwendung bringen muss. Das ist nun wirklich eine elementare Grundfrage der sozialen Gerechtigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP) Summa summarum: Es ist viel Gutes hinzugekommen. Wir haben gemeinsam wirklich etwas erreicht. Ich bedanke mich noch einmal dafür, dass diese Zusammenarbeit möglich war, weil es ein deutliches Signal ist. Wir werden dieser Novelle aus Überzeugung zustimmen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Jetzt hat der Kollege Burkhardt Müller-Sönksen für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der diesjährige Oscar-Preisträger Amour und der im Vorjahr nominierte Film Pina sind einige von zahllosen Beispielen großartiger deutscher Filmproduktionen und deutscher Koproduktionen. Diese Erfolgsgeschichte wollen wir fortsetzen. Deshalb freue ich mich über die breite parlamentarische Unterstützung für die heute zu beschließende Novelle des Filmförderungsgesetzes. Das ist ein gutes Zeichen. Die zahlreichen Erfolgsgeschichten fußen auf einem stabilen Fundament. Bis heute sichert das Prinzip „Wer profitiert, der zahlt“ den verlässlichen Rückfluss an die Filmförderungsanstalt. Wir müssen gemeinsam an diesem Prinzip festhalten. Deshalb ist es das richtige Signal, dass wir uns heute fraktionsübergreifend zu diesem wirtschaftlichen Prinzip bekennen. (Beifall bei der FDP) Der Film ist nicht nur ein Kulturgut, sondern – das ist schon gesagt worden – auch ein Wirtschaftsgut. Gerade weil die Förderung auf dem Rückflussprinzip beruht, müssen wir uns aber auch um die wirtschaftliche Verwertbarkeit Gedanken und leider auch Sorgen machen. Nur wenn die Verwertungskette lückenlos funktioniert, stehen Fördergelder auch für Neuproduktionen verlässlich zur Verfügung. Ich will einmal auf ein Themenfeld aufmerksam machen, das heute noch nicht zur Sprache gekommen ist, nämlich die Filmpiraterie. Wir dürfen bei diesem Thema nicht untätig bleiben. Wo kriminelle Netzwerke entstanden sind, greift das geltende Strafrecht. Das zeigen die Verurteilungen am Beispiel Kino.to oder aktuell die Ermittlungserfolge bei Movie2k. (Zustimmung des Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]) Leider gleicht der Kampf der Urheberrechtsschützer dem gegen die Hydra: Sobald ein Portal geschlossen worden ist, wird die Datenbank anderswo gehostet oder geht irgendwo anders unter einem neuen Namen online. Wir müssen deshalb das Übel an der Wurzel packen. Es macht mich beispielsweise wütend, dass Movie2k in der vorvorletzten Woche auf Platz 17 der meistbesuchten Webseiten in Deutschland stand. Auch wenn die wenigsten Besucher in krimineller Absicht unterwegs sind, fehlt es ihnen offensichtlich an Unrechtsbewusstsein. Das sollten wir nicht nur durch Gesetze, sondern auch durch Diskussionen und gesellschaftspolitisches Handeln auch im Deutschen Bundestag entsprechend fördern. Meine Damen und Herren, hier muss Abhilfe geschaffen werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn wir die Förderung der Filmwirtschaft im digitalen Zeitalter ernst nehmen, dann müssen wir die gesellschaftliche Akzeptanz für den Wert kreativer Leistung stärken. Das schaffen wir nur gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Bereichen. Schon in den Schulen wünsche ich mir eine entsprechende Wertediskussion, damit Medienkompetenz ganzheitlich vermittelt wird. Neben der Filmbranche selbst ist insbesondere auch die Internetwirtschaft gefragt. Bei der jetzigen FFG--Novelle hat es keine Ausweitung des Einzahlerkreises gegeben. Wenn aber über Umwege Erlöse erzielt werden, erwarten wir auch größeres Engagement zum Beispiel der Provider. Auch die Werbewirtschaft muss sich fragen lassen, warum sie auf illegalen Portalen noch so intensiv Werbung schaltet. Ich freue mich sehr, dass eine Selbstverpflichtung gegen diese Praxis angestrebt wird. Es ist auch allerhöchste Zeit. (Angelika Krüger-Leißner [SPD]: Absolut!) Bevor ich zum Schluss komme, möchte auch ich meinen Dank an unseren Kollegen Wolfgang Börnsen richten. Lieber Wolfgang, du hast die Kulturpolitik dieses Hauses so viele Jahre erfolgreich gestaltet, und ich persönlich schätze dich für deine Erfahrung ebenso wie für deine norddeutsche Knorrigkeit – auch ich stamme aus Norddeutschland –, die du immer positiv für die Sache eingesetzt hast. Ab jetzt freue ich mich auf die außerparlamentarischen Debatten mit dir, und dann sage ich am Ende: Kiek mol wedder in! Vielen Dank. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Johannes Selle das Wort. (Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt es das dritte Mal!) Johannes Selle (CDU/CSU): Das kann gar nicht oft genug kommen. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute neben dem Entwurf der siebten Novelle des Filmförderungsgesetzes den Antrag zur Stärkung des originären Kinderfilmes. Die parlamentarische Finte der Linken letzte Woche hat es möglich gemacht, dass heute unser Kollege Börnsen sprechen kann, der letzte Woche verhindert war: (Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]) eine wichtige Stimme, die sich um den Film sehr verdient gemacht hat. Kollege Börnsen hat es stets verstanden, Humor, große Ernsthaftigkeit und konsequentes Engagement auf das Glaubwürdigste zu verbinden, (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das war auch richtig!) ein Kollege, der trotz seines klaren Standpunktes hohe Anerkennung über die Fraktionsgrenzen hinweg genießt. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Nur weiter!) Auch in Bezug auf seine letzte Rede im Plenum zu dem für Deutschlands Filmwirtschaft so wichtigen Filmförderungsgesetz erwarten wir Leidenschaft und Fachkompetenz. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Das habe ich mir gedacht!) Kollege Börnsen lag es daran, dass bei diesem Gesetz deutlich wird: Alle Fraktionen unterstützen die Film-förderung in Deutschland und halten sie für die weitere Entwicklung für wichtig. Ihm lag daran, dass das Filmförderungsgesetz nicht nur ein Gesetz der Regierungsfraktionen wird, sondern dass alle Fraktionen zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Denn gegen die Filmförderung wird von wenigen, aber beharrlichen Verweigerern in Deutschland immer noch geklagt. Wir setzen dem heute unsere Entschlossenheit entgegen, Filmförderung in Deutschland fortzuführen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Beim FFG ist uns das gelungen. In der vorletzten Ausschusssitzung haben in diesem Sinne Kollege Börnsen und Kollegin Krüger-Leißner den Weg freigemacht. Bei dem vorliegenden Antrag „Originäre Kinderfilme aus Deutschland stärker fördern“ ist uns das leider nicht gelungen. Eigentlich sollte das Thema nicht strittig sein. (Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Richtig!) Tatsache ist: Es gibt zu wenig Filme aus der Lebenswirklichkeit der Kinder. Sie haben aber Anspruch darauf, wie Erwachsene ernst genommen zu werden. Ihre Themen müssen vorkommen, lebensbejahend wirken und Zuversicht ermöglichen. Am Zustandekommen des Antrags hat die Kinderfilmbranche großen Anteil genommen und wesentlich mitgewirkt. Stellvertretend sei hier dem Förderverein Deutscher Kinderfilm und Margret Albers, Geschäftsführerin und Festivalleiterin der Deutschen Kindermedienstiftung Goldener Spatz gedankt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Arbeit für den Kinderfilm hat an Schwung gewonnen, als der Freistaat Thüringen sich entschied, medienpolitisch einen Schwerpunkt auf Kindermedien zu legen und Kindermedienland zu werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Begleitet und unterstützt von der Mitteldeutschen Me-dienförderung wurde mit „Kids regio“ eine internationale Plattform in Erfurt initiiert, die in der Analyse auch auf internationalem Niveau zu gleichen Erkenntnissen kommt und 2009 in der Erfurter Deklaration fünf Schwerpunkte herausarbeitet, die in unseren Antrag eingegangen sind. Seit dem Sommer 2000 veranstaltet die Akademie für Kindermedien in Erfurt in Thüringen jährlich einen Workshop für Autoren zu originären Kinderfilmstoffen, dessen Ergebnisse dann in einem professionellen Pitching Produzenten und Sendern vorgestellt werden. Die wenigen originären Kinderfilme, die es gegeben hat, entstammen überwiegend der Akademie für Kindermedien. Diese und weitere Initiativen, zum Beispiel vom Bundesverband Jugend und Film, sowie das Internationale Filmfestival für Kinder und junges Publikum, Schlingel, waren Vorläufer und Wegbereiter, bis es dann zum Antrag und zu einem parlamentarischen Verfahren kommen konnte. Und da war es auch Kollege Börnsen, der das parlamentarische Verfahren hier im Deutschen Bundestag stark beförderte. Ich denke dabei nur an die erfolgreichen Anhörungen. Alle Vorschläge an die Bundesregierung aus diesem Antrag sind, soweit das FFG betroffen ist, in die Novellierung eingeflossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dazu zählt, dass der originäre Kinderfilm nun zu den Schwerpunkten gehört und insbesondere mit einer sogenannten vorgezogenen Verleihförderung schon in der Produktionsphase unterstützt werden kann. Der Antrag kommt zur rechten Zeit. Die Filmbranche ist der Initiative der Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks, Frau Professor Wille, zur Produktion von jährlich zwei besonderen Kinderfilmen mit unglaublicher Resonanz gefolgt. Die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Sender sowie die Bundes- und Länderförderer -unterstützen das Anliegen. Dem ersten Aufruf folgten 108 Anträge, darunter die vieler namhafter Autoren und Produktionsfirmen. Zum Filmfest in München werden die Auswertungsergebnisse der Jury öffentlich vorgestellt. Nachlassen dürfen wir allerdings nicht im Engagement für unsere Kinder und Jugendlichen. In Erfurt wird auch die erfolgreichste Kinderfernsehserie Schloss Einstein produziert, die auf originären Stoffen beruht. Inzwischen sind wir bei 800 Folgen. Eine großartige Leistung der Autoren und der Produzenten! Die Qualität ist unbestritten. Die Zuschauerquote ist hervorragend. Trotzdem gefährden Partikularinteressen diese erfolgreiche Serie. Auch das muss erwähnt werden. Das Thema originäre Stoffe hat eben viele Facetten und benötigt weiteres Engagement. Kinder brauchen einen starken Partner. Den haben sie im deutschen Parlament. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und in Thüringen! Das haben wir jetzt gelernt!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt der Kollege Wolfgang Börnsen für die CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Beabsichtigt man, diese Debatte über das Filmförderungsgesetz zu dramatisieren, reicht die Feststellung: Sie findet im Schatten der Guillotine statt. Das Fallbeil steht in Karlsruhe. Noch in diesem Jahr wird das Bundesverfassungsgericht darüber befinden, ob der Bund eine Kulturkompetenz für die Filmförderung hat. Große Kinoketten, aus dem Ausland gesteuert, haben dem Film als Kulturgut bei uns den Krieg erklärt. Ihnen reicht die Privilegierung durch eine ermäßige Mehrwertsteuer nicht aus. Ihre Gier geht weiter. Sie wollen frei von jeder Abgabe sein, sich der Mitverantwortung für das Filmland Deutschland entziehen. Das ist nicht akzeptabel. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich betrachte es genauso wie Claudia Winterstein als einen elementaren Gewinn für Politik und Gesellschaft unserer Republik, dass Bundestag und Bundesrat, alle Filmverbände genauso wie alle Fraktionen des Deutschen Bundestages einstimmig in ihrer Stellungnahme zu Karlsruhe erklärt haben: Wir stehen an der Seite der Filmschaffenden. Für uns ist der Film beides: Kultur- wie Wirtschaftsgut. Dabei bleiben wir auch. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Verfassungsrichter werden registrieren, ob unsere Einmütigkeit über alle Fraktionen hinweg auch bei der aktuellen Novellierung anhält. Wir vonseiten der Regierungskoalition haben nachweislich eine klare Kompromissbereitschaft gezeigt. Claudia Roth, die Filmbegeisterte, ist Zeugin. (Beifall der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir setzen auf einen gemeinsamen parlamentarischen Erfolg. Das neue Filmförderungsgesetz ist eine Gemeinschaftsleistung von Regierung und Parlament; damit schließe ich die Opposition ausdrücklich ein. Dieses FFG ist ein Quantensprung in der deutschen Filmpolitik. Erstmalig wird dem lebensnahen Kinderfilm eine Plattform geboten, erstmalig erhalten die Kreativen Sitz und Stimme bei der FFA, erstmalig wird dem grünen Film eine Perspektive gegeben und dem Dokumentarfilm eine Breitenwirkung, erstmalig werden verbindliche Rahmenbedingungen für den barrierefreien Film geschaffen. Auf mehr als 9 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserem Land, die seh-, hör- und körperbeschädigt sind, wird endlich mehr Rücksicht genommen. Das war lange überfällig. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Was aussteht und noch angepackt werden muss, wenn die Karlsruher Entscheidung gefallen ist, ist ein konsequentes Konzept für die Verbesserung der sozialen Lage der Künstler. Meine Fraktion wird sich daran aktiv beteiligen. Das gilt auch für die KSK, die Künstlersozialkasse. Sie grundsätzlich infrage zu stellen, wie es große Verbände derzeit tun, halte ich für falsch, unsozial und für unerträglich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Künstler mit einem Jahresdurchschnittseinkommen von 12 500 Euro haben einen Anspruch auf Finanzleistung. Die KSK ist eine notwendige und zu erhaltende soziale Errungenschaft. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Was bei ihrer Gründung galt, gilt auch heute: Die Kreativen sind ein Gewinn für unser Land, sie haben Förderung verdient. Sollte eine Beitragserhöhung notwendig werden, wird auch ein Bundeszuschuss dazukommen können. Das halte ich für sachgerecht. Eine Rückkehr zum alten Satz, wie er einmal gewesen ist, ist eine mögliche Lösung für dieses Problem. Dieser Beitrag heute wird meine letzte Bundestagsrede sein – nach 26 Jahren ununterbrochener Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und davor 24 Jahren -ehrenamtlicher kommunalpolitischer Arbeit in meiner Heimatregion Flensburg-Schleswig, die immer noch südlich von Kopenhagen liegt. Das sind 50 Jahre Dienst für unser Land, (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 50 Jahre für unseren Staat und 50 Jahre Einsatz für unsere Demokratie: Diese Arbeit habe ich gern geleistet. Der Abschied fällt mir schwer. Es ist meine persönliche Entscheidung. Ich gehöre einer Generation an, die durch die Nachkriegszeit geprägt wurde, die noch den langen Schatten von Krieg und Diktatur gespürt hat. Danach habe ich auch mein politisches Handeln ausgerichtet, nämlich alle Kraft dafür einzusetzen, dass in unserem Land eine Diktatur für alle Zeit ausgeschlossen wird, Freiheit und Recht in unserem Land garantiert sind. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Demokratiesicherung ist mein Leitmotiv über alle Jahrzehnte geblieben. Mein erstes Parlamentsbuch – dem habe ich dieses Thema gewidmet – Vorbild mit kleinen Fehlern ist inzwischen in zehn Sprachen übersetzt worden. Gerade in den vielen jungen Republiken Osteuropas möchte man wissen, weshalb in Deutschland der Parlamentarismus so erfolgreich praktiziert wird. Das Wort „Vorbild“ im Titel wurde ganz bewusst gewählt. Ob wir wollen oder nicht, wir Abgeordnete sind Vorbilder. Wir haben eine Vorbildfunktion. Entsprechend sollten wir uns verhalten; das tun wir nicht immer. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Regierung spielt in unserem System zwar die erste Geige, aber die Musik wird im Parlament gemacht. Die Legislative ist der Kern unserer Demokratie. So will es unsere Verfassung. Dieses Herzstück unseres politischen Systems benötigt nach meiner Auffassung eine neue Faszination. Dazu gehört eine Reform an Haupt und Gliedern, angefangen bei mehr Bürgeremanzipation und -partizipation über eine fünfjährige Legislaturperiode bis hin zu einer neuen Dramaturgie unserer Parlamentsdebatten. Es ist doch peinlich, dass Fernsehtalkshows und nicht wir, das Parlament, versuchen, die Debattenkultur in unserem Land zu bestimmen. (Beifall im ganzen Hause) In meinem neuen Parlamentsbuch wird darüber mehr zu erfahren sein. Damit ist der Werbeblock abgeschlossen. (Heiterkeit) Die Präsidentin ist hoffentlich gnädig und wird mir noch eine kurze Bemerkung erlauben. Ein weiterer Punkt treibt mich um. Will ich Rechtsanwalt werden, benötige ich vorher ein Jurastudium. Als Handwerksmeister komme ich ohne eine Lehre nicht aus. Nur beim Abgeordneten, der mitverantwortlich für die Gesetzgebung von über 80 Millionen Menschen ist, genügt allein der gesunde Menschenverstand. Ein bisschen mehr sollte es schon sein. Für junge Politiker aus 30 verschiedenen Ländern praktiziert der Deutsche Bundestag seit 25 Jahren eine Art Parlamentsertüchtigung. Fast 2 000 Stipendiaten haben dieses Turbotraining bereits absolviert. Sie alle sind daran beteiligt. Für sie ist unser Bundestag ein Lernmodell. Ich habe dieses weltweit einmalige Konzept von Beginn an mitverantworten dürfen wie auch den deutsch-amerikanischen Schüleraustausch. Ich möchte alle Fraktionen ermutigen, daran festzuhalten. (Beifall im ganzen Hause) Wir stärken Freiheit und erhalten Freunde. Das gilt auch für das Sonderprogramm mit den arabischen Staaten. Es ist großartig, dass unser Land mit seiner schwierigen Geschichte jetzt auch Demokratie und Parlamentarismus exportiert. Die 26 Jahre als Volksvertreter haben – damit komme ich zum Ende – mein Leben bereichert. Ich habe viele gute Freunde gefunden, nicht nur in meiner eigenen Fraktion, nicht wahr, Claudia Roth? (Heiterkeit) Ich weiß um den Fleiß und die Verantwortung und die Hingabe der Kollegen dieses Parlamentes im Hinblick auf ihre selbst gewählte Aufgabe. Das gilt auch für unsere Mitarbeiter. Das gilt auch für die Mitarbeiter in der Bundestagsverwaltung. Unser Parlament ist besser als sein Ruf. (Beifall im ganzen Hause) Bei aller Freude gab es auch zweimal Momente, in denen ich kurz davor war, aufzuhören. Beide Male ging es um Morddrohungen. Damals wurde meine Familie mit vier Kindern monatelang unter Polizeischutz gestellt. Auch das gehört zur Wirklichkeit eines Abgeordnetendaseins. So, jetzt werden wir über das FFG entscheiden. Lassen Sie uns das gemeinsam tun. Danke. (Anhaltender Beifall im ganzen Hause – Die Abgeordneten erheben sich – Abg. Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU] nimmt Glückwünsche entgegen) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege Börnsen, ich erlaube mir, Ihnen im Namen des ganzen Hauses sehr herzlich für 26 Jahre gute Zusammenarbeit und für Ihren wunderbaren Humor zu danken. Danken muss ich Ihnen auch für Ihren großen Einsatz für die Sache, manchmal auch auf Platt, und vor allen Dingen für Ihren nachhaltigen Einsatz für Zusammenarbeit und Demokratie. Ganz herzlichen Dank! (Beifall im ganzen Hause) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Filmförderungsgesetzes. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13689, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12370 in der Ausschussfassung anzunehmen. Diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, mögen bitte das Handzeichen geben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Enthalten hat sich die Fraktion Die Linke. Alle übrigen Fraktionen waren dafür. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf ist, möge sich bitte erheben. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher in dritter Beratung angenommen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP mit dem Titel „Originäre Kinderfilme aus Deutschland stärker fördern“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13689, den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/12381 anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Die Gegenstimmen! – Enthaltungen? – Damit ist diese Beschlussempfehlung angenommen bei Gegenstimmen der Fraktion Die Linke und ohne Enthaltungen; die übrigen Fraktionen waren dafür. Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13689 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Entschließung ist einstimmig angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 8. November 2001 zum Schutz des audiovisuellen Erbes und zu dem Protokoll vom 8. November 2001 zum Europäischen Übereinkommen zum Schutz des audiovisuellen Erbes betreffend den Schutz von Fernsehproduktionen. Der Ausschuss für Kultur und Medien empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13690, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12952 anzunehmen. Zweite Beratung und Schlussabstimmung. Wer will dem Gesetzentwurf zustimmen? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktionen haben sich enthalten; Gegenstimmen gab es keine. Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 5 auf: Fragestunde – Drucksache 17/13810 – Wir beginnen mit den Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Zur Beantwortung steht die Parlamentarische Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser bereit. Ich rufe die Frage 1 von Frau Kotting-Uhl auf: Für wann ist die Abgabe der in der Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 3 (Plenarprotokoll 17/242, Anlage 4) genannten Überarbeitung der Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit, GRS, mbH vereinbart bzw. zu erwarten – bitte möglichst genaues Datum angeben; falls nicht möglich, bitte hilfsweise Kalenderwoche oder notfalls zumindest grob geschätzte Angabe –, und welche „Prüfaufgaben für alle Beteiligten“ wurden ganz konkret bei dem in der Antwort genannten Gespräch am 24. und 25. Januar 2013 vereinbart – bitte Angabe der Aufgaben im Wortlaut und möglichst mit Zeitplan? Es geht um die Abgabe der überarbeiteten Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zur beantragten Leistungserhöhung des AKW Gundremmingen. – Frau Staatssekretärin. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin Kotting-Uhl, bei der Genehmigung, deren Erteilung Gegenstand Ihrer Frage ist – das Verfahren zur Erteilung der Genehmigung läuft –, handelt es sich um eine Veränderungsgenehmigung für eine komplexe kerntechnische Anlage. Die Prüfaufgaben beziehen sich auf technische Sach-fragen zu einzelnen Aspekten der umfangreichen tech-nischen Genehmigungsunterlagen. Dabei werden Sachfragen zu den Themenfeldern der Reaktorphysik, der Störfallanalysen, Fragen zu Komponentenprüfungen und Fragen der Nachwärmeabfuhr sowie der im Einzelfall heranzuziehenden technischen Bewertungsmaßstäbe angesprochen. Ein genauer Zeitpunkt – das ist der andere Teil Ihrer Frage –, zu dem die Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit ihre Stellungnahme zur geplanten Leistungserhöhung in Gundremmingen abgibt, kann bedingt durch die noch laufende ergebnisoffene Klärung der technischen Sachfragen nicht angegeben werden. Diese Klärung bedarf eines intensiven fachlichen Austausches der beteiligten Experten und einer sorgfältigen Dokumentation. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kotting-Uhl, haben Sie eine Nachfrage? – Das sieht so aus. Bitte schön. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Um vielleicht auch für die Zuhörer diese technischen Dinge ein bisschen zu erklären: Es geht um das Atomkraftwerk Gundremmingen, für das eine Leistungserhöhung beantragt worden ist. Das ist ein ganz besonderer Fall; das gab es bei Atomreaktoren in Deutschland sonst noch nicht. Es geht nun darum, das zu genehmigen bzw. zunächst eine Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zu bekommen. Meine Frage ist: Ist es beabsichtigt, auch von der -Reaktor-Sicherheitskommission eine Stellungnahme einzuholen? In meinen einleitenden Worten habe ich -begründet, dass der Antrag auf Leistungserhöhung von Atomreaktoren in Zeiten eines Atomausstiegs ein singulärer Fall ist. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Ihre Darstellung bezüglich der Leistungserhöhung des AKW Gundremmingen muss ein bisschen korrigiert werden. Bereits seit 1999 wird eine Leistungserhöhung angestrebt. 2001 lag der Antrag des Betreibers in der jetzigen Form vor. Es gab immer wieder – ich darf das so salopp formulieren – ein Schleifen der Überprüfungen. Heute sind wir in einem neuen Genehmigungsverfahren zu Gundremmingen. Inwieweit die Reaktor-Sicherheitskommission damit befasst ist, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Das müsste ich Ihnen nachliefern. Ich gehe davon aus, dass sich auch die RSK noch einmal damit befassen wird. Zurzeit geht es darum – das habe ich vorhin geschildert –, dass die sehr komplexen technischen Fachpunkte abgearbeitet werden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kotting-Uhl, Sie haben eine zweite Nachfrage? – Bitte sehr. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön; diese Möglichkeit nutze ich gerne. – 2009 gab es eine Ablehnung des Genehmigungsentwurfs durch die bayerische Atomaufsichtsbehörde, unter anderem mit der Begründung, dass die GRS Defizite festgestellt hat. Außerdem spiegelte der Entwurf nicht den Stand von Wissenschaft und Technik wider, der heutzutage zur Schadensvorsorge maßgeblich ist. Insofern fände ich es wichtig, dass das BMU tatsächlich verlangt, dass auch die Reaktor-Sicherheitskommission neben der GRS eine Stellungnahme abgibt. Noch eine eher politische Frage. Sie haben gesagt, wie lange dieser Genehmigungsantrag schon vorliegt. Dieser lag schon deutlich vor dem Atomausstieg vor. Deutlich vor dem in dieser Legislaturperiode von vier Fraktionen gemeinsam beschlossenen Atomausstieg gab es eine Ablehnung des Genehmigungsentwurfs. Spielt in der politischen Entscheidung, die zwar mit der Genehmigung selbst nichts zu tun hat, sehr wohl aber mit dem -Understanding, das es von Umweltminister zu Umweltminister gibt, die Tatsache eines Atomausstiegs, dass wir also die Stromproduktion aus Atomkraftwerken zurückfahren wollen, eine Rolle? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Zum ersten Teil Ihrer Frage zur Befassung der Reaktor-Sicherheitskommission darf ich sagen: Im Jahr 2007 – das haben Sie zu Recht gesagt – wurde uns schon einmal ein Antrag auf Genehmigung vorgelegt. Damals gab es eine umfangreiche Stellungnahme und eine Liste sehr konkreter Fragen der Reaktor-Sicherheitskommission. In Bayern ist dies sehr gut abgearbeitet worden, und zwar mit verschiedenen Nachträgen zu TÜV--Gutachten usw. Das, was damals gefordert wurde, ist entsprechend nachgearbeitet worden. Wir warten jetzt erst einmal die technischen Überprüfungen ab, bei denen es um die Leistungsänderung geht. Dann wird es sicherlich von uns als oberste Aufsichts-behörde entsprechend bewertet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herzlichen Dank. – Wir kommen zu Frage 2 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl: Wann genau (Kalenderdatum bitte) gab es seit April 2013 bis dato Treffen, insbesondere zur Frage einer Zwischenlagerung der 26 aus Frankreich und England zurückzuführenden Behälter mit verglasten radioaktiven Wiederaufarbeitungs-abfällen an anderen Zwischenlagerstandorten als Gorleben, zwischen dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BMU, und den vier großen, Atomkraftwerke betreibenden Energieversorgungsunternehmen -sowie eventuell deren gemeinsamer Tochterfirma GNS, -Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (bitte mit Angabe der Arbeitsgruppe und BMU-Ebene), und für wann genau (Kalenderdatum bitte) sind weitere derartige Treffen geplant, insbesondere auf Spitzenebene? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Liebe Kollegin Kotting-Uhl, dieses Thema beschäftigt uns zurzeit sehr intensiv im Rahmen unserer Diskussion über das Standortauswahlgesetz. Zwischen Bundesminister Altmaier und den Vorstandsvorsitzenden der kernenergienutzenden Energieversorgungsunternehmen wurde am 24. April 2013 vereinbart, die genehmigungstechnischen, rechtlichen und logistischen Fragen sowie die Kostenfragen im Zusammenhang mit der Rückführung von fünf Behältern mit verglasten mittelradioaktiven Abfällen aus Frankreich sowie von bis zu 21 Behältern mit verglasten hochradioaktiven Abfällen aus Großbritannien vertieft zu erörtern. In mehreren Gesprächen wurden die offenen Fragen auf unterschiedlichen Ebenen detailliert erörtert. Weitere Gespräche zwischen Bundesminister Altmaier und den Vorstandsvorsitzenden haben stattgefunden, eines davon in dieser Woche. Um Ihre nächste Frage vorwegzunehmen, damit Sie Raum für weitere Fragen haben, Frau Kotting-Uhl, kann ich Ihnen sagen, dass das Gespräch in dieser Woche sehr konstruktiv verlaufen ist, aber Details noch geklärt werden müssen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kotting-Uhl, haben Sie dennoch eine Nachfrage? – Bitte schön. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin ganz gerührt davon, wie gut mich Frau Heinen-Esser zu kennen glaubt. Von den Gesprächen hatte ich tatsächlich schon in der Zeitung gelesen. Ich hatte diese Frage eingereicht, bevor ich den neuen Kenntnisstand hatte. Aber ich würde in dem Zusammenhang gerne eines wissen. Es gibt immer wieder Gerüchte und Hinweise, dass man zumindest in Sellafield, Großbritannien, vielleicht erleichtert wäre, wenn man noch ein bisschen mehr Zeit bekäme. Haben Sie vielleicht aus dem -Kontakt mit dem Betreiber in Großbritannien Erkenntnisse gewinnen können, wann die Transportbehälter dort überhaupt transportbereit wären? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Es tut mir leid, Frau Kotting-Uhl, dazu habe ich keine Erkenntnisse. Aber ich werde Ihre Frage gern zum -Anlass nehmen, das zu recherchieren. Wir können es vielleicht morgen im Rahmen des Berichterstatter-gespräches vertieft erörtern. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine zweite Nachfrage? Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich hatte eigentlich eine zweite Nachfrage, aber ich glaube, dass ich sie angesichts der aktuellen Gemengelage und der Debatten, die geführt werden, besser vertage, eventuell auf morgen, in der Hoffnung, dass dann gute Ergebnisse vorliegen und diese Frage überflüssig ist. – Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Bitte! Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Damit kommen wir zu Frage 3 der Kollegin Schwarzelühr-Sutter: Teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass ein Staatsvertrag mit der Schweiz wegen des unmittelbar in Grenznähe geplanten Atomendlagers für hochradioaktiven Abfall notwendig ist, vor dem Hintergrund, dass die Schweiz weder die sogenannte Espoo- noch die Aarhus-Konvention unterzeichnet hat, und welche rechtliche Handhabe hat nach Auffassung der Bundesregierung die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Schweiz? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Kollegin Schwarzelühr-Sutter, zur wirksamen Einbringung der Belange Deutschlands bei der in der Schweiz derzeit durchgeführten Suche eines Standorts für ein atomares Endlager für hochradioaktive Abfälle ist der Abschluss eines Staatsvertrags aus Sicht der Bundesregierung nicht erforderlich. Vielmehr gewährleisten bereits die bestehenden Vereinbarungen, dass die deutschen Behörden sowie betroffene Gemeinden in vielfältiger Weise in den Prozess der Standortsuche einbezogen werden. Die Schweiz ist, anders als in Ihrer Frage vorausgesetzt, Vertragspartei der Espoo-Konvention. Danach ist die Schweiz verpflichtet, vor der Zulassung eines End-lagers für hochradioaktive Stoffe eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Eine solche grenz-überschreitende UVP wäre auch im Verhältnis zu Deutschland notwendig, wenn sich die Schweiz für einen Endlagerstandort entscheidet, bei dem erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen auf deutsches Gebiet auftreten könnten. Bei dem derzeit in der Schweiz durchgeführten Verfahren handelt es sich zunächst um ein vorgelagertes Standortauswahlverfahren. Gleichwohl wird Deutschland schon heute sehr intensiv von der Schweiz an der laufenden Standortsuche beteiligt. Bilateral wurde 1983 die Deutsch-Schweizerische Kommission für die Sicherheit kerntechnischer Einrichtungen eingesetzt, deren Hauptaufgabe es unter anderem ist, die beide Seiten interessierenden Fragen der Entsorgung radioaktiver Abfälle auszutauschen und zu bewerten. Die derzeitige Standortsuche in der Schweiz erfolgt auf der Grundlage des schweizerischen Kernenergiegesetzes und des vom Schweizer Bundesrat gebilligten Sachplans „Geologische Tiefenlager“. In der begonnenen Etappe 2 wirken 190 schweizerische Gemeinden und 13 deutsche Gemeinden am Prozess mit. In den kommenden Jahren werden zum einen die vorgeschlagenen Standortgebiete sicherheitstechnisch vertieft untersucht und zum anderen in Regionalkonferenzen die mögliche Ausgestaltung der Oberflächeninfrastruktur unter Berücksichtigung möglicher Umweltauswirkungen erarbeitet und konkretisiert. Die Regionalkonferenzen sind anteilig mit deutschen und schweizerischen Vertretern besetzt. Das BMU ist im Ausschuss der Kantone, der aus Regierungsmitgliedern zusammengesetzt ist, vertreten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Ich hatte es durch den Wissenschaftlichen Dienst noch einmal prüfen lassen. Es ist tatsächlich so: Für Pläne und Programme, wie den Sachplan „Geologische Tiefenlager“, die den Rahmen für eine zukünftige Genehmigung eines Vorhabens wie dem eines Endlagers festlegen, sieht das Protokoll zur Espoo-Konvention über die strategische Umweltprüfung ein grenzüberschreitendes Beteiligungsverfahren vor – ja –, aber die Schweiz hat dieses Protokoll nicht unterzeichnet. Wir befinden uns mitten in diesem Endlagerverfahren. Alle Standorte für die Lagerung hochradioaktiven Abfalls befinden sich in direkter Nähe. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Wie steht es um die Rechtsverbindlichkeit, die der deutsche Staat von der Schweiz einfordert, wenn das Protokoll tatsächlich nicht unterzeichnet wurde? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Frau Kollegin, der Wissenschaftliche Dienst und das Bundesumweltministerium scheinen in dieser Frage unterschiedlicher Auffassung zu sein. Wir müssen die Frage, inwieweit die Schweiz Vertragspartei der Espoo-Konvention ist, gesondert klären. Ich werde Ihnen die entsprechende Antwort zukommen lassen. Zum jetzigen Zeitpunkt gehe ich davon aus, dass das UVP-Verfahren durchgeführt wird. Ich muss dazusagen, dass wir, gerade was die Suche eines Endlagers angeht, mit der Schweiz sehr eng zusammenarbeiten. Ich habe als Staatssekretärin an entsprechenden Veranstaltungen mit den schweizerischen Behörden teilgenommen. Es gibt regionale Partizipation, auch auf deutscher Seite. Wir finanzieren zum Beispiel mit dem Land -Baden-Württemberg zu gleichen Teilen eine entsprechende Geschäftsstelle vor Ort. Seit 2005 gibt es die Begleitkommission Schweiz des BMU, die sich zweimal im Jahr mit Vertretern der betroffenen Landkreise trifft. Es gibt eine „Expertengruppe Schweizer Tiefenlager“, die das gesamte Verfahren begleitet. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Haben Sie eine zweite Nachfrage? – Bitte sehr. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Frau Staatssekretärin, im Mittelpunkt bleibt aber die Frage nach der Rechtsverbindlichkeit. Inwieweit kann die deutsche Seite bei den Regionalkonferenzen mitentscheiden? Es stimmt: Die deutschen Kommunen und Kreise sind mit dabei; aber sie haben kein Beteiligungsrecht, sie dürfen nicht mitstimmen, sie sitzen quasi am Katzentisch. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen: Auf welche Rechtsverbindlichkeit kann sich der deutsche Staat stützen? Denn es geht um ganz andere Laufzeiten als bei AKWs. Bei einem Endlager geht man davon aus, dass es mindestens 100 Jahre dauert, bis es verschlossen wird. Sie wissen, dass man die Zeiträume danach, also bis der letzte Stoff nicht mehr giftig ist, gar nicht abschätzen kann. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Im Gegensatz zum Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages gehen wir davon aus, dass die Schweiz Espoo-Mitgliedstaat ist und verpflichtet ist, eine grenzüberschreitende UVP durchzuführen. Wir gehen aufgrund der geografischen Situation und aufgrund der bilateralen Zusammenarbeit mit der Schweiz davon aus, dass die Schweiz nach Vorliegen der erforderlichen -Voraussetzung eine entsprechende Notifizierung gegenüber Deutschland vornehmen wird. Die Bundesregierung wird sich im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für eine umfassende Beteiligung der deutschen Öffentlichkeit einsetzen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Vielen Dank. – Die Frage 4 des Kollegen Holger Krestel wird schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Holger Krestel auf: Wie viele Mitarbeiter des UBA waren vor ihrer dortigen Tätigkeit für Klimaschutz- und Umweltorganisationen tätig, und wie viele Mitarbeiter sind neben ihrer Arbeit für das UBA für solche Organisationen tätig? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktor-sicherheit: Es gibt also nur eine Frage des Kollegen Krestel. – Kein Mitarbeiter des Umweltbundesamtes ist derzeit für Klimaschutz- und Umweltorganisationen tätig. Was Vortätigkeiten angeht: Entsprechende Daten können mangels elektronischer Erfassung und Auswertbarkeit mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand kurzfristig nicht erhoben werden. Das UBA hat – das wissen Sie wahrscheinlich selbst, Herr Krestel – 1 500 Mitarbeiter, davon 635 wissenschaftliche Mitarbeiter. Es war uns in der Kürze der Zeit nicht möglich, deren Lebensläufe durchzuchecken. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Holger Krestel (FDP): Sie schauten eben ein bisschen erstaunt. Die Frage 5 sollte auf der Frage 4 aufbauen. Die Frage 4 ist aber – das wurde mir heute Mittag mitgeteilt – „konsumiert“ worden, weil hier im Plenum bereits über ein ähnliches Thema gesprochen worden ist. Deswegen ist diese Frage abgehakt. Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Ich danke für die Information. Holger Krestel (FDP): Bitte, gerne. – Meine erste Nachfrage: Können die Öffentlichkeit und ich davon ausgehen, dass personelle Verflechtungen zwischen dem Umweltbundesamt und Klimaschutz- und Umweltorganisationen keinen besonderen Einfluss auf die Studie des Umweltbundesamtes mit dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ gehabt haben? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Inwiefern Mitarbeiter des Umweltbundesamtes genauso wie wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages oder wie Mitarbeiter im Bundesumweltministerium nicht auch Mitglied von Umweltschutz- oder Naturschutzorganisationen sind, kann ich Ihnen – Stand heute – nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass kein Mitarbeiter zusätzlich für eine entsprechende Organisation tätig ist, was, wie ich glaube, ein Unterschied ist. Sie sprachen die Studie des Umweltbundesamtes an, die vor einiger Zeit für regen Wirbel gesorgt hat, vor allen Dingen in der Twitter-Community. Ich habe das verfolgt. Es gab auch den einen oder anderen Zeitungsartikel dazu. Lassen Sie mich dazu nur ganz kurz deutlich sagen, dass wir das unterstützen, was das Umweltbundesamt in seinen jüngsten Veröffentlichungen dargelegt hat. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage? Holger Krestel (FDP): Ja. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte schön. Holger Krestel (FDP): Ich muss noch einmal nachfragen: Wie stellen die Bundesregierung und das Umweltbundesamt sicher, dass alle wissenschaftlichen Positionen in der Klimadebatte bei politischen Entscheidungen berücksichtigt werden, und wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die genannte Studie inhaltlich, wenn man in Rechnung stellt, dass es nicht Aufgabe einer staatlichen Behörde sein kann, Schiedsrichter in einer wissenschaftlichen Debatte zu sein? Welche Auswirkungen hat das Handeln des Umweltbundesamtes für die Freiheit der Wissenschaft? Ursula Heinen-Esser, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Sehr geehrter Herr Kollege Krestel, wir sind nicht Ihrer Auffassung, die Sie in Ihrer Frage durchklingen lassen. Wir sind nicht der Meinung, dass das Umweltbundesamt in dieser Frage Schiedsrichter ist. Das Umweltbundesamt stellt den zurzeit gesicherten Stand im Bereich der Klimawissenschaft dar. Dieser Stand wurde insbesondere auch im letzten Sachstandsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen sowie in übergreifenden allgemeinverständlichen Veröffentlichungen von Klimawissenschaftlern dargestellt. Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass der durch menschliches Handeln verursachte Ausstoß von Treibhausgasen eine Hauptursache für die beobachteten und projizierten Veränderungen des Weltklimas ist. Wir sind der Meinung, dass das Umweltbundesamt zu Recht die in der Öffentlichkeit geführten Debatten skizziert. Damit erfüllt das UBA seine in § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Errichtung eines Umweltbundesamtes verankerte Informationsaufgabe. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herzlichen Dank, Frau Staatssekretärin. – Alle übrigen Fragen zu diesem Geschäftsbereich werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich dabei um die Fragen 6 und 7 des Abgeordneten Dirk Becker, die Fragen 8 und 9 der Abgeordneten Ute Vogt, die Fragen 10 und 11 des Abgeordneten Dr. Matthias Miersch, die Fragen 12 und 13 des Abgeordneten Gerd Bollmann, die Fragen 14 und 15 der Abgeordneten Waltraud Wolff, die Fragen 16 und 17 des Abgeordneten Marco Bülow, die Fragen 18 und 19 des Abgeordneten Hans-Josef Fell, die Fragen 20 und 21 des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott sowie die Fra-gen 22 und 23 der Abgeordneten Bettina Herlitzius. Auch die Fragen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung werden schriftlich beantwortet. Es handelt sich um die Fragen 24 und 25 des Abgeordneten Michael Gerdes, die Fragen 26 und 27 des Abgeordneten Oliver Kaczmarek, die Fragen 28 und 29 des Abgeordneten Willi Brase, die Fragen 30 und 31 des Abgeordneten Swen Schulz, die Fragen 32 und 33 der Abgeordneten Ulla Burchardt, die Fragen 34 und 35 des Abgeordneten René Röspel, die Fragen 36 und 37 der Abgeordneten Marianne Schieder, die Fragen 38 und 39 der Abgeordneten Sabine Zimmermann sowie die Fragen 40 und 41 des Abgeordneten Klaus Hagemann. Wir haben uns entschieden, die Fragen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes jetzt zu beantworten. Ich hatte gehört, dass die Frau Staatsministerin noch im Haushaltsausschuss ist, aber jetzt sehe ich sie hier. Insofern rufe ich jetzt den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes auf. Wir kommen zu Frage 44 des Kollegen Hans-Christian Ströbele: Schließt die Bundesregierung aus, dass in US-Einrichtungen in Deutschland – etwa Ramstein Air Base, AFRICOM in Stuttgart – gezielte Tötungen mittels Drohnen insbesondere in Afrika (Somalia unter anderem) geplant, durchgeführt, unterstützt werden, dass also die Antwort der Bundesregierung vom 27. März 2013 auf meine dahin gehende schriftliche Frage 9 auf Bundestagsdrucksache 17/12949 möglicherweise unzutreffend war, und was unternimmt die Bundesregierung nach den kürzlichen Berichten über solche Praktiken vor allem in Panorama, ARD, und der Süddeutschen Zeitung vom 30./31. Mai 2013, um die Begehung solcher schwerster Straftaten von Deutschland aus aktiv aufzuklären sowie für die Zukunft nachhaltig zu verhindern? Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin, und Dank auch für die Rücksichtnahme auf mein verspätetes Kommen. Ich hatte Pflichtpräsenz im Haushaltsausschuss. Ich möchte die Frage des Abgeordneten Ströbele wie folgt beantworten: Der Bundesregierung liegen keine eigenen gesicherten Erkenntnisse zu von US-Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland angeblich geplanten oder geführten Einsätzen vor. Die Bundesregierung ist mit den US-amerikanischen Partnern in einem kontinuierlichen und vertrauensvollen Dialog. Dieser umfasst auch aktuelle Fragen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, Sie haben eine Nachfrage? – Bitte schön. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, erst einmal meine Anerkennung für Ihren schnellen Fuß, dafür, dass Sie so schnell hierherkommen konnten. Ich hatte schon auf die schriftliche Beantwortung warten wollen. Ich bin mit Ihrer Antwort natürlich trotzdem nicht zufrieden. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Das habe ich erwartet. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hat die Bundesregierung aufgrund der Veröffentlichungen, wie zum Beispiel in der Sendung Panorama, aber auch in Zeitungsartikeln, nicht Anlass, mehr zu tun, als in einem kontinuierlichen Dialog mit den US-amerikanischen Freunden zu sein? Sollte sie hier nicht einmal ganz konkret nachfragen und möglicherweise auch selbst Ermittlungen anstellen, etwa – das soll sich ja alles in Deutschland abgespielt haben – in Stuttgart – sie hat einen Verbindungsbeamten bei den US-Militärs von AFRICOM – oder gar in Ramstein, was ja bekanntermaßen deutsches Gebiet ist? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Ströbele, ich habe mir schon gedacht, dass Sie mit der Beantwortung der Frage durch die Bundesregierung nicht ganz zufrieden sein werden. Da ich das Protokoll der letzten Fragestunde nachlesen konnte, in der ähnliche Fragen an meinen Kollegen Staatsminister Michael Link gestellt wurden, war ich über Ihre Unzufriedenheit informiert. Trotzdem kann ich Ihnen an dieser Stelle nur sagen, dass der Bundesregierung dazu keine Erkenntnisse vorliegen und dass Außenminister Westerwelle zuletzt bei seinem Besuch in den USA beim Zusammentreffen mit dem Außenminister John Kerry auch über dieses Thema gesprochen hat. Der amerikanische Außenminister hat ihm versichert, dass jedwedes Handeln der USA, auch auf deutschem Staatsgebiet, streng nach den Regeln des Rechts erfolgt. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Ströbele, haben Sie eine weitere Nachfrage? Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Bitte sehr. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, ich bekomme immer dieselbe Antwort. Es ist, glaube ich, nicht nur die gleiche Antwort, sondern dieselbe. – Was hat denn der Herr Bundesaußenminister den US-Außenminister konkret gefragt? Hat er diesen Fall angesprochen? Hat er seine Empörung darüber, wenn es stimmen sollte, zum Ausdruck gebracht? Was hat der US-Außenminister darauf geantwortet? Hat er nur eine allgemeine Floskel dergestalt verwendet, dass man sich immer an das Recht halte, oder hat er gesagt, dass das nicht stimmt, dass das nicht richtig ist, dass das eine Falschbehauptung von Panorama und anderen ist? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter, bitte gehen Sie davon aus, dass wir unsere Erkenntnisse natürlich nicht aus Fernsehsendungen erzielen können. Wir haben großes Vertrauen in die Zusicherung des amerikanischen Außenministers; das sagte ich bereits. Er hat versichert, dass jedweden Einsätzen, auch die von deutschem Staatsgebiet ausgehen, und gesagt, dass streng nach den Regeln des Rechts gehandelt wird. Ich glaube, dass man über Details des Gesprächs der beiden Außenminister nicht hier im Plenum berichten sollte. Dass es ein vertrauliches Gespräch war, ist, glaube ich, selbstverständlich. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen mehr war es schon!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Nouripour dazu, bitte schön. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatsministerin, Sie haben gesagt: „streng nach den Regeln des Rechts“. Welches Recht ist da angesprochen worden: amerikanisches Recht, deutsches Recht, amerikanisches Verständnis von Völkerrecht oder deutsches Verständnis von Völkerrecht? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Die Rechtstellung und damit die Befugnisse der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten US-Streitkräfte – Herr Abgeordneter, das wissen Sie – richten sich nach dem NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut. Gemäß Art. II des NATO-Truppenstatuts haben Streitkräfte aus NATO-Staaten das Recht des Aufnahmestaats zu beachten und sich jeder mit dem Geiste des NATO-Truppenstatus nicht zu vereinbarenden Tätigkeit zu enthalten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Weitere Nachfragen gibt es dazu nicht. Die Frage 45 des Kollegen Andrej Hunko wird schriftlich beantwortet. Die Frage 46 des Kollegen Andrej Hunko wird nicht beantwortet. Herr Hunko ist nicht anwesend. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Fragen 47 und 48 der Kollegin Erika Steinbach und die Frage 49 des Kollegen Memet Kilic werden schriftlich beantwortet. Dann kommen wir zur Frage 50 des Kollegen Gehrcke: Trägt es zur Glaubwürdigkeit der kritischen Kommentierung der Bundesregierung zum Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstrantinnen und Demonstranten in der Türkei und in der Vergangenheit zum Vorgehen russischer Sicherheitskräfte gegen Demonstrantinnen und Demonstranten bei, wenn deutsche Sicherheitskräfte in vergleichbarer Art und Weise in Frankfurt am Main gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten vorgegangen sind? Frau Staatsministerin. Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Vielen Dank. Ich bin auf die Frage des Abgeordneten Gehrcke vorbereitet, Frau Präsidentin. – Aufgrund der föderalen Aufgabenverteilung ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, Herr Abgeordneter, das Demonstra-tionsgeschehen anlässlich der Blockupy-Demonstrationen in Frankfurt am Main zu bewerten und auf die je-weilige polizeiliche Strategie und Taktik Einfluss zu nehmen. Für die Durchführung des Versammlungsgesetzes sind, wie Sie wissen, die Länder zuständig. Damit liegt der polizeiliche Einsatz anlässlich dieser Demonstration in Frankfurt am Main im Juni 2013 ausschließlich in hessischer Zuständigkeit und Verantwortung. Die Bundesregierung hat stets unterstrichen, dass entsprechende Einsätze an den selbst eingegangenen internationalen Verpflichtungen zur Einhaltung von Grund- und Menschenrechten zu messen und vor dem Hintergrund der jeweils aktuellen Situation zu betrachten sind. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Gehrcke, haben Sie eine Nachfrage? – Bitte. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatsministerin, ich möchte ein bisschen Ihre Fantasie bzw. Ihr Erinnerungsvermögen oder möglichst beides strapazieren, wenn Sie gestatten. Rufen Sie sich die Bilder des Vorgehens der Polizei in Moskau anlässlich der Demonstrationen gegen Putin ins Gedächtnis, rufen Sie sich die Bilder ins Gedächtnis, die zeigen, was gerade in der Türkei passiert ist – ich will das nicht eins zu eins übertragen –, und rufen Sie sich dann die Bilder ins Gedächtnis, auf denen zu sehen war, was bei den Blockupy-Demonstrationen im Frankfurter Kessel passiert ist. Finden Sie nicht, dass sich diese Bilder ungeheuer und auf beängstigende Weise ähneln? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich kann nur wiederholen, Herr Abgeordneter Gehrcke, dass die Verantwortung für Polizeieinsätze bei den Ländern liegt. Sie haben der Aktuellen Stunde gerade entnehmen können, dass die Bundesregierung verurteilt, wie die Menschenrechte bei den Demonstrationen in der Türkei, gerade auch das Versammlungsrecht, verletzt werden. Die Bundesregierung hat im Hinblick auf die Zivilgesellschaft und die Nichtregierungsorganisationen in Russland wiederholt Respekt und eine faire Behandlung gefordert. Ich glaube allerdings, wir bewegen uns hier auf unterschiedlichen Feldern. Man sollte das eine aus meiner Sicht nicht mit dem anderen vergleichen; denn die Verletzungen der Menschenrechte sind zurzeit gerade in der Türkei und in Russland dramatisch. Ich glaube, dass wir im Deutschen Bundestag gut daran tun, sehr oft darüber zu diskutieren und die Einhaltung der Menschenrechte anzumahnen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage? – Bitte schön. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Frau Staatsministerin, dass wir uns hier auf unterschiedlichen Feldern bewegen, ist für mich selbstverständlich; das werden Sie mir zugestehen. Der Außenminister, Herr Westerwelle, hat heute in der Aktuellen Stunde gesagt, er freue sich, dass demonstriert wird; er sprach allerdings von den Demonstrationen in der Türkei und nicht von denen in Frankfurt am Main. Meinen Sie nicht, dass es eine Geste der Bundesregierung wäre, zu sagen: „Wir freuen uns, dass Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und viele Gäste aus anderen europäischen Ländern in Frankfurt am Main von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht haben, und sind betroffen, dass sie eingekesselt worden sind“? Cornelia Pieper, Staatsministerin im Auswärtigen Amt: Ich glaube, Herr Abgeordneter, Sie können allen Äußerungen der Bundesregierung entnehmen, dass die Demonstrations- und Versammlungsfreiheit ein sehr wichtiges verfassungsrechtliches Gut ist. Daran wollen wir gar keinen Zweifel aufkommen lassen. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Schade, dass ich keine weitere Nachfrage mehr stellen kann!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie können keine weiteren Nachfragen stellen; das ist richtig. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Es ist aber verführerisch!) Die Frage 51 der Kollegin Sevim Da?delen und die Frage 52 des Kollegen Dr. Ilja Seifert werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit beim Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Zur Beantwortung steht der Parlamentarische Staatssekretär Dr. Ole Schröder bereit. Die Frage 53 des Kollegen Dr. Ilja Seifert und die Frage 54 der Kollegin Ulla Jelpke werden schriftlich beantwortet. Wir sind damit bei dem Themenbereich Blockupy-Proteste am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main. Wir kommen zunächst zur Frage 55 der Kollegin Gohlke: Haben Angehörige der Bundespolizei im originären Zuständigkeitsbereich oder unter Führung des Landes Hessen Reizmittel (Pfefferspray, Tränengas) gegen Personen im Bereich der Demonstrationsroute der Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main eingesetzt, und, wenn ja, wie schätzt die Bundesregierung die Verhältnismäßigkeit dieses Einsatzes mit Reizmitteln ein? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin, ich würde gerne die Fragen 55 und 56 gemeinsam beantworten. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dann rufe ich auch die Frage 56 der Kollegin Gohlke auf: Wie viele Personen sind durch den Einsatz von Reizmitteln durch die Bundespolizei verletzt worden, und welche Umstände erlauben es nach Auffassung der Bundesregierung der Polizei, Journalisten, die eine Demonstration bzw. einen damit in Zusammenhang stehenden Polizeieinsatz journalistisch begleiten, mit Reizmitteln anzugreifen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im Zusammenhang mit den Blockupy-Aktionstagen vom 31. Mai bis 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main -haben Einsatzkräfte der Bundespolizei im eigenen Aufgabenbereich keine Reizstoffsprühgeräte eingesetzt. Aussagen zu polizeilichen Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Landes Hessen obliegen den dort zuständigen Behörden. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch die Bundespolizei richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls auf der Grundlage der jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Kollegin Gohlke hat keine Nachfragen. Dann kommen wir zu Frage 57 der Kollegin Dr. Enkelmann: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus Medienberichten über die Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main, laut denen sich der Polizeieinsatz gegen eine friedliche Demonstration gerichtet hat, und erwägt die Bundesregierung in diesem Zusammenhang, künftig die Bereitstellung von Einheiten der Bundespolizei zumindest für solche Bundesländer, aus denen gravierende Verstöße gegen Grundrechte berichtet werden, restriktiver zu handhaben und an Bedingungen zu knüpfen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Enkelmann, ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Aufgrund der föderalen Aufgabenverteilung obliegt die Zuständigkeit für die Anordnung und Durchführung -polizeilicher Maßnahmen grundsätzlich allein den Ländern. Rechtsgrundlage für eine Unterstützung der Länder durch die Bundespolizei ist § 11 Bundespolizeigesetz. Danach werden die Einsatzkräfte der Bundespolizei dem jeweiligen Land rechtlich und tatsächlich unterstellt. Die Rechtmäßigkeit des Einsatzes liegt mithin allein in der Verantwortung des anfordernden Landes. Dies gilt auch für die Einhaltung des Grundgesetzes. Daher ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, das Demonstrationsgeschehen anlässlich der Blockupy--Demonstrationen in Frankfurt am Main zu bewerten und auf die polizeiliche Strategie und Taktik des Landes -Hessen Einfluss zu nehmen. Im Hinblick auf die föderale Aufgabenverteilung verfügt die Bundespolizei über keine Evaluierungsmechanismen, wie sie in der Frage beschrieben wurden. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Enkelmann hat eine Nachfrage. – Bitte schön. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Wir halten also fest: Erstens. Die Bundespolizei war im Einsatz. Insofern gibt es auch eine Verantwortung der Bundesregierung. Zweitens. Diese Demonstration war genehmigt. Sie verlief friedlich, bis es tatsächlich zu einem massiven Polizeieinsatz – richtig: in diesem Falle von Landespolizei, übrigens nicht nur aus Hessen – kam. Drittens spreche ich die Bedingungen an – daraus ergibt sich jetzt meine Frage –, unter denen die Bundespolizei zum Einsatz kam: Eine friedliche Demonstration ist sozusagen mit Gewalt bekämpft worden. Führt das möglicherweise dazu, dass die Bundesregierung sagt: „Wir müssen die Bedingungen, die wir an solche Einsätze knüpfen, deutlich korrigieren“? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Zunächst einmal, Frau Enkelmann: Demonstrationen müssen in Deutschland nicht genehmigt werden, sondern sie müssen (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: An-gemeldet werden!) angemeldet werden; das ist ein ganz großer Unterschied. Zum Zweiten ist es so, dass die Ausführung des Versammlungsrechts allein den Ländern unterliegt. Die Einsatzkräfte werden den Ländern vom Bund übertragen. Wir haben rein rechtlich überhaupt keinen Einfluss auf das Einsatzgeschehen. Deshalb können wir das Einsatzgeschehen auch nicht bewerten. Wir übergeben die Einsatzkräfte den Ländern auch nicht unter Vorbehalt. Ich möchte allerdings darauf hinweisen, dass die Bundespolizei in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich tätig war: im Bereich des Bahnhofs. Die Bundespolizei hat in das von Ihnen kritisierte Geschehen auch nicht eingegriffen. Selbst wenn sie dort im Einsatz gewesen wäre, würden wir keine Bewertung vornehmen. Aber in diesem konkreten Fall war es so, dass die Bundespolizeikräfte an der von Ihnen kritisierten Separierung von bestimmten Demonstrationsteilnehmern nicht beteiligt war. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Sie haben eine zweite Nachfrage, Frau Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Halten wir noch einmal fest: Bei dem Einsatz in Frankfurt am Main war die Bundespolizei mit dabei. Nicht nur von uns wird der Einsatz der Landespolizei kritisiert. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von uns auch!) Das Umgehen mit den Demonstranten wird nicht nur von uns kritisiert, sondern auch von sehr vielen Journalistinnen und Journalisten sowie von Beobachtern. Auch sind Journalisten erheblich verletzt worden. Das heißt, Kritik kommt von vielen Seiten. Haben Sie nicht Sorge, dass die Bundesregierung sozusagen in Verantwortung für einen Polizeieinsatz genommen wird, der sich eindeutig – ich sage das mal so – hart am Rande der Legalität befunden und dazu beigetragen hat, dass erhebliche Zweifel an der Versammlungsfreiheit, am Rechtsstaat und an der Demokratie in diesem Lande aufgekommen sind? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Diese Befürchtung teilen wir nicht. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Es gibt eine Nachfrage des Kollegen Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Schröder, auch ich musste leider Zeuge dieses rechtswidrigen Polizeieinsatzes in Frankfurt gegen die Blockupy-Proteste sein. Ich war erfreut, als ich zwei Tage später folgende Aussage von Regierungssprecher Seibert lesen konnte – ich zitiere –: Ein rechtsstaatliches Verständnis erfordert auch, dass die Sicherheitsbehörden stets verhältnismäßig und angemessen vorgehen. Bei genauerem Hinsehen musste ich feststellen, dass sich das auf die Türkei und nicht auf Frankfurt bezog. Die Bundesregierung ist also in der Lage, auch einen solchen Polizeieinsatz wie den in der Türkei zu beurteilen. Von daher habe ich, auch wenn es Ländersache ist, die Frage: Würden Sie diese Aussage auch in Bezug auf den Einsatz in Frankfurt machen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung bewertet nicht die Polizeieinsätze der Länder. Selbstverständlich sind die Länder verpflichtet, verhältnismäßig zu handeln. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Frau Dittrich hat eine Nachfrage. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, es geht um die Legalität des Verhaltens der Bundes- oder der Länderpolizei. Wie empfinden Sie es als Vertreter der Bundesregierung, dass ich als Bundestagsabgeordnete vor Ort nicht von einem Teil der Demonstration in den anderen Teil, zum Kessel, durfte? Die Polizisten haben mich als Bundestagsabgeordnete trotz Ausweis nicht durchgelassen. Wie finden Sie dieses Verhalten der Polizei? Damit war mein Mandat für die Bürger sozusagen gar nicht einsetzbar. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann den Vorfall nicht konkret beurteilen. Es ist Sache des jeweiligen Einsatzleiters bzw. der Polizei vor Ort, die Frage zu beurteilen, ob ein Bundestagsabgeordneter durch Polizeisperren durchgelassen werden darf oder nicht. Natürlich ist das immer eine Sache des Einzelfalls. (Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Kann ich noch eine Frage stellen?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dittrich kann keine weitere Frage mehr stellen; tut mir leid. – Bitte schön, Frau Gohlke. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Wir wissen alle um die föderalen Zuständigkeiten, die Sie hier schon mehrfach betont haben. Bevor Sie noch einmal wiederholen, dass die Bundesregierung den Einsatz nicht beurteilen möchte, möchte ich Sie fragen, ob Sie nicht einen offenkundigen Widerspruch darin erkennen, dass die Bundesregierung zwar die Einsätze in Russland und der Türkei beurteilen kann, aber nicht den Einsatz in einem Bundesland wie Hessen. (Beifall der Abg. Heidrun Dittrich [DIE LINKE]) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Für die Einsätze der Landespolizeien sind einzig und allein die Länder verantwortlich. Im föderalen Gefüge ist es nicht Aufgabe der Bundesregierung, diese konkreten Einsätze zu beurteilen und zu bewerten. Das haben wir noch nie gemacht, und das werden wir auch zukünftig nicht tun. Natürlich ist es in einer außenpolitischen Debatte auch Aufgabe der Außenpolitiker des Deutschen Bundestages, sich darüber auszutauschen, wie Einsätze in anderen Staaten zu beurteilen sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt stellt der Kollege Gehrcke die nächste Frage. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, nachdem ich Ihre Kollegin Frau Pieper nicht zu Kreativität und Erinnerung habe verführen können, versuche ich noch einmal, das ein bisschen aufzublättern. Sie finden es in Ordnung, dass die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung von hier aus beurteilen, ob die Einsätze in Moskau und in der Türkei in Ordnung waren. Gleichzeitig sagen Sie aber, dass es nicht in Ordnung und nicht möglich ist, einen Einsatz in Frankfurt am Main zu beurteilen. Frankfurt am Main ist inmitten der EU und liegt nicht hinter dem Ural. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Noch nicht! Vielleicht kommt das noch!) Es muss doch möglich sein, auch das zu beurteilen. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es ist selbstverständlich das gute Recht des Deutschen Bundestages, jeden Polizeieinsatz zu bewerten und die entsprechenden politischen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Das ist das gute Recht des Plenums, und das ist heute offensichtlich auch geschehen; ich selbst war nicht dabei. Aber noch einmal: Die Bundesregierung bewertet keine Polizeieinsätze der Länder. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Buchholz. (Heidrun Dittrich [DIE LINKE]: Ich habe eine Nachfrage dazu!) – Das mag ja sein, Frau Dittrich; aber zu den gestellten Fragen anderer Abgeordneter können Sie jeweils nur eine Zusatzfrage stellen, und die haben Sie gestellt. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ich erkläre das meinen Kollegen noch einmal!) – Ich bedanke mich für die Hilfestellung. – Bitte schön, Frau Buchholz. Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Kollege Schröder, Sie waren selbst nicht zugegen. Ich war bei der Demonstration und Augenzeugin dieses rechtswidrigen Einsatzes. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen. Genauso wie mehrere meiner Kolleginnen und Kollegen bin auch ich von der Polizei nicht durch die Ketten zu den Demonstrationsteilnehmern gelassen worden. Ich musste mehrfach intervenieren und belegen, dass ich -tatsächlich Abgeordnete bin, bis ich dann endlich durchgehen durfte. Anderen Kolleginnen und Kollegen gegenüber wurde sogar die Echtheit ihres Abgeordnetenausweises angezweifelt. Hier stellt sich für mich schon die Frage, wie Sie als Bundesregierung sicherstellen wollen, dass unsere Abgeordnetenrechte in Zukunft auch bei Polizeieinsätzen in den Bundesländern gewahrt werden, und ob es vielleicht zweckmäßig wäre, die Länderpolizeien über die Ausgestaltung der Abgeordnetenausweise zu unterrichten, damit solche Behinderungen unserer parlamentarischen Tätigkeit – Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Kollegin, denken Sie bitte auch an die Zeit. Christine Buchholz (DIE LINKE): – in Zukunft nicht mehr vorkommen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Noch einmal: Inwieweit es Abgeordneten gestattet wird, durch Polizeisperren zu gehen, ist immer eine Frage des Einzelfalls. Ich war heute beispielsweise in Lauenburg und habe dort die Einsatzkräfte besucht. Wenn ein Deich droht zu brechen, wenn sich weitere Personen auf diesem Deich bewegen, dann können Sie nicht mit Ihrem Abgeordnetenausweis in der Hand sagen: Ich möchte jetzt gerne auf den Deich. – Es gibt also auch Grenzen. Das ist immer eine Frage des Einzelfalls. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber sprechen wir gar nicht, Herr Schröder! In Frankfurt war kein Deich! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Thema!) Selbstverständlich sind die Einsatzkräfte der Polizei darin geschult, zu beurteilen, inwieweit Abgeordnete durch Polizeisperren dürfen und inwieweit nicht. Wie das in dem konkreten Einzelfall war, kann ich nicht beurteilen. Das möchte ich auch nicht, weil das offensichtlich ein Einsatz der Landespolizei war. Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt hat Frau Vogler das Wort. Danach würde ich gerne zur nächsten Frage übergehen. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, an dieser Stelle würde ich jetzt gerne noch einmal nachhaken. Sie sagen, die Einsatzkräfte seien darin geschult, Abgeordnetenausweise zu identifizieren und den Abgeordneten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben behilflich zu sein, wie das in unserem Abgeordnetenausweis ja auch steht. Nun habe ich persönlich schon die Erfahrung gemacht – das gilt für viele Kolleginnen und Kollegen ebenfalls –, dass viele Beamte dieses Dokument überhaupt noch nie gesehen, geschweige denn in der Hand gehabt haben. Ich möchte von Ihnen jetzt gerne wissen, ob Sie Erfahrung damit haben, wie in den Bundesländern und bei der Bundespolizei die von Ihnen zitierte Schulung im Umgang mit dieser Frage aussieht. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Für 620 Ausweise! – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das ist die wichtigste Frage!) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich kann nur für die Bundespolizei sprechen. Es ist natürlich sichergestellt, dass die Bundespolizisten wissen, was die Aufgaben von Abgeordneten sind, und sie wissen auch, damit entsprechend umzugehen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe nun die Frage 58 des Kollegen Birkwald auf: Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass während der Blockupy-Proteste am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main mehreren Hundert eingekesselten Demonstrantinnen und Demonstranten stundenlang durch die Bundes- und die Landespolizeien lebenswichtige Grundrechte, wie zum Beispiel die Versorgung mit Trinkwasser oder der Zugriff auf Maßnahmen der Ersten Hilfe, verwehrt wurden? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Der Bundes-regierung sind für den originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei keine der in der Fragestellung genannten Vorkommnisse bekannt. Die Bundesregierung nimmt zu polizeilichen Einsätzen, soweit sie im Verantwortungsbereich eines Landes liegen, hier des Landes Hessen, keine Stellung und bewertet diese nicht. Ich verweise diesbezüglich auf die Zuständigkeit des Landes Hessen und auf die Verpflichtung der Polizei und Ordnungsbehörden, das durch die Verfassung garantierte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und gerichtlichen Entscheidungen zu gewährleisten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage? – Bitte schön, Herr Kollege Birkwald. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Sie haben jetzt mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass Sie als Bundesregierung in der Lage sind, Einsätze der Polizei und deren Umgang mit Demonstrantinnen und Demonstranten in fernen Ländern zu beurteilen, aber nicht in Hessen. Das nehme ich sehr verwundert zur Kenntnis. Sie haben auch immer davon gesprochen, dass Sie keine rechtliche Bewertung vornehmen. Ich möchte Sie um eine politische Bewertung bitten. Darf ich jetzt Ihrer Antwort entnehmen, dass es in Ordnung ist, dass Bundespolizistinnen und Bundespolizisten, wenn ihnen die Verletzung von Grundrechten bekannt wird, nicht auf Landespolizeien einwirken sollen oder müssen? Das kann ich mir nicht vorstellen. Auch ich war als parlamentarischer Beobachter meiner Fraktion vor Ort, um zur Deeskalation beizutragen und zu verhandeln. Wenn man Kenntnis von Grundrechtsverletzungen erlangt, kann man doch nicht sagen: Die Landespolizei trägt die Verantwortung, das geht uns als Bund nichts an. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Dass hier Grundrechte verletzt worden seien, ist Ihre Bewertung. Ich schließe mich dieser Bewertung nicht an, weil wir solche Polizeieinsätze – ich sage es noch einmal – nicht bewerten. Das fällt einzig und allein in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Auch mögliche gerichtliche Beschwerden richten sich gegen das Land Hessen und nicht gegen den Bund, weil der Bund diese Polizeieinsätze nicht zu verantworten hat. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ihre zweite Zusatzfrage, bitte. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Es wurde den Demonstrierenden im Kessel über mehrere Stunden die Bereitstellung einer Toilette verwehrt. Es wurde ihnen über mehrere Stunden verwehrt, mit Trinkwasser versorgt zu werden. Es wurde ihnen über mehrere Stunden verwehrt, mit Erster Hilfe versorgt zu werden. Das sind eindeutig Verletzungen der Grundrechte. Da hat sich meines Erachtens die Bundespolizei, wenn sie in Kenntnis dessen gelangt, so zu verhalten, dass sie mit der Landespolizei darüber in Verhandlungen tritt und versucht, mäßigend einzuwirken und auf die Einhaltung der Grundrechte hinzuwirken. Mit welcher Begründung lehnen Sie eine solche Position ab? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wir nehmen keinen Einfluss auf die Polizeieinsätze der Länder, weil die Länder in eigener originärer Zuständigkeit Versammlungen genehmigen und auch die Polizeieinsätze entsprechend durchführen und der Bund überhaupt keine Zuständigkeit hat, hier einzugreifen. An diese Verteilung der Zuständigkeiten halten wir uns sehr strikt. Inwieweit diese Einsätze jetzt verhältnismäßig waren, haben selbstverständlich unabhängige Gerichte zu überprüfen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Leidig. Sabine Leidig (DIE LINKE): Ich möchte an die Fragen meines Kollegen Birkwald anschließen. Auch ich war in Frankfurt vor Ort. Meine Beobachtungen waren eindeutig die, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit für eine große Zahl von Demonstrierenden eklatant verletzt worden ist. Ich weiß nicht, ob Sie eine Vorstellung davon haben, was passiert, wenn Polizisten mit Kanistern voller Pfefferspray auf dem Rücken dieses so versprühen, als ob es sich dabei um Insektenvernichtungsmittel handeln würde, nämlich wahllos in die Menge. Es gab Schwerverletzte, weil es durch das Pfefferspray zu Verätzungen kam. Ich weiß nicht, ob Sie eine Vorstellung davon haben, wie dieses Gift wirkt. Es zerstört die Schleimhäute. Es kann zur Erblindung führen. Selbst völlig Unbeteiligte, die weit weg von dem Einsatzort waren, sind durch das Pfefferspray, das durch den dort herrschenden Wind verteilt wurde, verletzt worden und haben Verätzungen erlitten. Ich glaube, dass zumindest unterlassene Hilfeleistung ein Thema sein könnte, wenn die Bundespolizei sieht, was dort geschieht, und nicht eingreift, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Bürgerinnen und Bürger dieser Republik sicherzustellen. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Diese Unterstellung weise ich zurück. Die Bundespolizei ist im Rahmen der Unterstellung unter die Landespolizei nach dem Bundespolizeigesetz nicht dazu da, in die Einsätze der Landespolizei einzugreifen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich darf die Fragesteller noch einmal bitten, die Ein-Minuten-Regelung im Blick zu behalten, die ich bisher sehr großzügig ausgelegt habe. Da wir viele Wortmeldungen haben, kommen umso weniger zu Wort, je großzügiger verfahren wird. – Frau Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Schröder, ich muss Ihre bisherigen Auslassungen, glaube ich, so verstehen, dass die Bundesregierung sich für unzuständig erklärt, wenn es um die Einhaltung von Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes geht. Sie haben jetzt mehrfach erklärt, dass im Falle einer Verletzung von Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes durch Landesbehörden die Bundesregierung nicht zuständig ist. Nun stelle ich Ihnen die Frage: Macht sich die Bundesregierung eigentlich Gedanken darüber, inwiefern sie vielleicht wenigstens anständig sein könnte, wenn sie sich schon für nicht zuständig hält? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Generell berührt es uns alle, wenn Grundrechte nicht eingehalten werden. Ob in diesem konkreten Fall Grundrechte eingehalten wurden oder nicht, haben unabhängige Gerichte zu überprüfen. Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, Polizeieinsätze der Länder zu überprüfen und zu kontrollieren. (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Sehr richtig!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Gohlke. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär Schröder, Sie haben gerade in Zweifel gezogen, dass Grundrechte verletzt worden seien, bzw. Sie sagen: Diese Prüfung obliegt jetzt den Gerichten, die Bundesregierung möchte sich kein Bild machen. Ich frage Sie nach den Wellen, die dieser Einsatz innenpolitisch und medial geschlagen hat inklusive einer Rüge der OSZE wegen Behinderung bzw. Beschränkung der journalistischen Freiheit und vermehrter Einsprüche auch der journalistischen Verbände: Sieht die Bundes-regierung keine politische Notwendigkeit, sich ein genaueres Bild zu verschaffen und diese Vorwürfe zumindest zu prüfen, statt es allein auf die juristische Ebene zu schieben? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Die Bundesregierung ist keine Kontrollinstanz für -Polizeieinsätze der Länder, sondern die Gerichte sind die Kontrollinstanz. Wir sind ein Rechtsstaat, und das ist auch richtig so. Aber natürlich lässt es uns alle nicht kalt, wenn wir solche Bilder sehen. Aber ob es am Ende verhältnismäßig war oder nicht, entscheiden die Gerichte, und das obliegt nicht mir als Parlamentarischem Staatssekretär. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, in der Antwort auf die Frage meines Kollegen Birkwald, der darauf hingewiesen hat, dass Essen, Trinken und andere Grundbedürfnisse nicht erfüllt worden sind, haben Sie gesagt, das sei Ihnen nicht bekannt. Aber als Demonstrationsteilnehmerin habe ich gesehen, und es wurde auch gefilmt, dass ein Wassereimer vom dritten Stock eines Hauses in den Kessel herabgelassen wurde, um die Demonstranten zu versorgen. Das heißt, die Bevölkerung oder die Beschäftigten in dem Haus haben sich solidarisch gezeigt. Das ist also an die Öffentlichkeit gelangt. Wie können Sie denn dann sagen, Sie hätten keine Kenntnis davon, dass die Menschen im Kessel nichts zu trinken hatten? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Das habe ich gar nicht gesagt. Ich habe lediglich gesagt, dass es nicht meine Aufgabe ist und ich das rechtlich nicht beurteilen kann, sondern dass das Aufgabe der Gerichte ist. Das habe ich gesagt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Enkelmann. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, ich halte erstens noch einmal fest: Die Bundespolizei war in Frankfurt am Main im Einsatz. Zweitens. Es gibt deutliche Hinweise auf polizeiliche Übergriffe, die den Rahmen des Zulässigen überschritten haben. Ist die Bundesregierung bereit, ihren Beitrag zur Aufklärung der Ereignisse in Frankfurt am Main zu leisten? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Es macht relativ wenig Sinn, Frau Enkelmann, wenn Sie etwas zusammenfassen, das nicht dem entspricht, was ich gesagt habe. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Die Bundespolizei war im Einsatz!) Ich habe gesagt: Die Bundespolizei war im Einsatz. – Aber auch durch Weglassen kann man ein falsches Bild malen. Die Bundespolizei war jedenfalls an der Separierungsmaßnahme, um die es Ihnen geht, nicht beteiligt. Präsident Dr. Norbert Lammert: Aber, Herr Staatssekretär, unbeschadet der Frage, ob Sie die Zusammenfassung teilen, ist die Frage zulässig, ob die Bundesregierung sich an der Aufklärung der Vorgänge beteiligen kann oder beteiligen will. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Noch einmal: Die Bundesregierung beteiligt sich nicht an der rechtlichen Bewertung. Natürlich ist es unsere Aufgabe, das Parlament darüber in Kenntnis zu setzen, was dort passiert ist. Aber das ist Ihnen bekannt, wie gerade zu vernehmen war. Schließlich waren Sie alle selbst dabei. Aber eine rechtliche Bewertung nehmen wir nicht vor. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Hunko. Andrej Hunko (DIE LINKE): Wir fragen nach einer politischen und nicht nach einer rechtlichen Bewertung. Aber das ist nicht der Punkt, den ich ansprechen wollte. Eben wurde angesprochen, dass die Polizeieinsätze bei den Blockupy-Protesten eine internationale Dimension bekommen haben. Das ist kein Wunder, denn es ist eine internationale Demonstration gewesen, die vor der Europäischen Zentralbank stattfinden sollte. Die OSZE hat sich sehr kritisch dazu geäußert. In der Pressemitteilung heißt es: OSCE media freedom representative expresses concern about police treatment of media at „Blockupy“ protests in Germany. Es wird ausdrücklich gefordert, die Sicherheit von Journalisten in solchen Situationen zu gewährleisten. In der OSZE ist die Bundesregierung vertreten und nicht das Land Hessen. Argumentieren Sie in der OSZE, wenn Sie dort auf den Polizeieinsatz bei dieser Demonstration angesprochen werden, genauso wie hier, nach dem Motto: „Damit haben wir nichts zu tun; das ist Ländersache“, oder gehen Sie dort anders damit um? Das interessiert mich. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Auch gegenüber diesem internationalen Gremium nehmen wir auf das Bezug, was die Länder berichten. Für die politische Bewertung ist zunächst einmal die rechtliche Bewertung entscheidend, ob das am Ende als verhältnismäßig angesehen wird oder nicht. Sie können doch eine politische Bewertung nicht völlig frei von einer rechtlichen Bewertung vornehmen. Was dort geschehen ist, ist in Ihren Augen unverhältnismäßig und rechtswidrig. Es gibt aber auch noch andere Bewertungen, die öffentlich gemacht wurden. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sehr wenige!) Nun müssen unabhängige Gerichte eine rechtliche Beurteilung vornehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich möchte darauf hinweisen, dass die Grundrechte alle Staatsgewalt binden. Die Grundrechte sind nicht so ausgestaltet, dass der Staat zuerst mutwillig draufhauen und vorsätzlich die Grundrechte verletzten darf und dass die Gerichte das dann retten. Das darf nur der Ausnahmefall sein. Das grundrechtskonforme Verhalten des Staates sollte die Regel sein. Das ist eigentlich die Intention des Grundgesetzes und insbesondere der Grundrechte. Sie als Exekutive sollten sicherlich keine rechtliche Einschätzung vornehmen. Das Urteil sprechen letztlich die Gerichte. Aber Sie sind als Exekutive kraft Grundgesetz dazu berufen, eine politische Abwägung und Entscheidung vorzunehmen. Sie können sich nicht heraus-reden und sagen: Das machen dann die Gerichte; wir warten ab. – Natürlich können Sie nicht alles im Detail bewerten; das sehe ich genauso. Aber Sie können eine grundlegende politische Einschätzung abgeben, wie Sie zur Versammlungsfreiheit und zu anderen Grundrechten wie der Unverletzlichkeit der Person stehen. Sie kennen die Bilder aus Frankfurt. Ist eine grundlegende Einschätzung der Bundesregierung nicht möglich? – Danke schön. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Eine solche Einschätzung kann ich sofort vornehmen. Die Versammlungsfreiheit ist für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung konstituierend. Sie ist eines der wichtigsten Grundrechte. Die verfassungsgemäße Ordnung ist selbstverständlich von aller staatlichen Gewalt zu respektieren. Wir alle setzen uns in den unterschiedlichen Gremien und in unseren unterschiedlichen Funktionen dafür ein, dass genau das passiert. Wir nehmen natürlich auch politische Bewertungen vor, wie das Versammlungsrecht weiterzuentwickeln ist. Dafür sind nach der Föderalismusreform die Länder zuständig. Das gilt auch für die Rechtsetzung im Bereich des Versammlungsrechts. Wir nehmen aber keine Bewertung von konkreten Polizeieinsätzen der Länder vor, weil wir nicht die Supervisions-instanz für die Exekutivmaßnahmen der Länder sind. Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Nachfrage zu diesem Komplex, Frau Buchholz. Christine Buchholz (DIE LINKE): Herr Kollege Schröder, wir haben in diesem Jahr nicht das erste Mal schlechte Erfahrungen mit Maßnahmen im Rahmen der Blockupy-Demonstrationen -gemacht, sondern bereits im letzten Jahr wurden die Blockupy-Proteste kriminalisiert und das Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt, und zwar wegen einer aberwitzigen Gefahrenanalyse, aufgrund derer 1 000 Demonstrationsteilnehmerinnen und -teilnehmer rechtswidrig, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, von der Demonstration abgehalten wurden und letztendlich nur eine einzige Veranstaltung zugelassen wurde. Angesichts der Erfahrung von 2012 und der Erfahrung von diesem Jahr stellt sich für mich die Frage, ob es nicht langsam an der Zeit wäre, dass die Regierung überlegt, wie sie denn mit den Protesten im nächsten Jahr umgehen wird; denn es ist klar, dass es auch 2014 wieder Blockupy-Proteste in Frankfurt geben wird. Deshalb müssen Sie doch Schlussfolgerungen ziehen und schauen, was Sie der nächsten Regierung raten werden, wie auf die Länderpolizeien einzuwirken ist, um tatsächlich das Recht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten und dieses durchzusetzen. Nach den Erfahrungen von zwei Jahren muss man doch politische Konsequenzen ziehen. Dazu würde mich Ihre Meinung interessieren. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Für uns alle ist die Versammlungsfreiheit wichtig. Wir alle setzen uns dafür ein, dass Versammlungen friedlich stattfinden können. Der Bund und insbesondere die Bundesregierung ist aber nicht die für Versammlungen zuständige Behörde. Das sind vielmehr die Länder; die sind sowohl für die Rechtsetzung im Bereich des Versammlungsrechts als auch für die Ausführung des Versammlungsrechts zuständig. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zu den Fragen 59 und 60 der Kollegin Sabine Leidig stelle ich fest, dass die Fragestellerin nicht im Saal ist. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Wir kommen jetzt zur Frage 61 der Kollegin Buchholz: Von wem wurde die Bundespolizei im Rahmen der Blockupy-Demonstration am 1. Juni 2013 in Frankfurt am Main -angefordert – bitte mit Angabe des Datums –, und welche Stellen innerhalb der Bundespolizei oder des Bundesinnenministeriums haben unabhängig von Polizeieinsatzleiter Harald Schneider vor dem Einsatzbefehl eine Lageeinschätzung vorgenommen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport hat die Bundespolizei um Unterstützung ersucht. Die Lagebeurteilung für den Polizeieinsatz im Zuständigkeitsbereich des Landes Hessen oblag alleine dem anfordernden Land, also Hessen. (Iris Gleicke [SPD]: Das hatten wir schon!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Eine Zusatzfrage, Frau Buchholz. Christine Buchholz (DIE LINKE): Mir stellt sich die Frage, ob es keinerlei eigene Einschätzung der Bundespolizei über die Situation vor Ort gibt und ob es keinerlei Mechanismen gibt, zu einer gemeinsamen Lageeinschätzung während eines laufenden Einsatzes zu kommen. Diese Vorstellung halte ich wirklich für absurd; denn offensichtlich war klar – das berichten auch mehrere Journalisten –, dass diese Eskalation kurz vor der EZB geplant war. Daher würde es mich schon sehr wundern, wenn die Bundespolizei nicht zumindest im Rahmen der Gesamtlageeinschätzung über diese Eskalationsschritte informiert gewesen wäre. Dazu musste sie sich dann auch positionieren. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im eigenen Zuständigkeitsbereich nehmen wir selbstverständlich solche Lagebeurteilungen vor, also im Bereich des Bahnhofs, weil die Bundespolizei dafür zuständig ist. Wenn die Bundespolizeikräfte allerdings dem Land unterstellt sind, dann ist es Sache des Landes, diese Lagebeurteilung vorzunehmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Zusatzfrage, Frau Kollegin Buchholz. Christine Buchholz (DIE LINKE): Das Ganze gilt auch für diesen Fall, bei dem wir es mit einer Demonstration zu tun haben, von der keinerlei Gewalt ausging, bei der die Vermummung darin bestand, dass die Menschen Sonnenbrillen trugen und Regenschirme dabeihatten? Dann gilt diese Einschätzung genauso? Das halte ich für völlig absurd. Wir hatten die -Situation, dass Journalisten, Sanitäter und parlamentarische Beobachter von ihrer Arbeit abgehalten wurden; das hat doch eine Auswirkung auf den Einsatz am Bahnhof selbst gehabt, wo die Menschen an- und abreisten. Ich frage mich, warum diese Schnittstelle nicht funktioniert hat und wie Sie sicherstellen wollen, dass, wenn es beispielsweise im nächsten Jahr oder zu anderen Anlässen zu einer ähnlichen Situation kommt, solch ein Desaster, solch eine offensichtliche Unkenntnis der Bundespolizei hinsichtlich der Fehler der Landespolizei ausbleiben und dass es ein Einwirken auf das Agieren der Landespolizeien gibt. Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Im Bereich des Bahnhofs, also im originären Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei, gab es keine Zwischenfälle. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, mich würde interessieren, inwiefern die Bundespolizei in Vorbereitung und Koordination des Einsatzes eingebunden war. Waren Vertreter der Bundespolizei Teil der Einsatzleitung? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Da er in den originären Zuständigkeitsbereich des Landes fiel, ist dieser Einsatz einzig und allein durch die Landespolizei geleitet worden. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 62 der Abgeordneten Buchholz auf: Wie will die Bundesregierung künftig bei Protesten von bundesweiter Bedeutung sicherstellen, dass die Bundespolizei nicht zu Maßnahmen missbraucht wird, die das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit sowie die unbeschadete Teilnahme an Demonstrationen von Journalisten, Rechtsanwälten, Sanitätern und Demonstrationsbeobachtern missachten? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich beantworte Ihre Frage wie folgt, Frau Kollegin Buchholz: Polizeiliche Einsatzlagen im Zusammenhang mit Demonstrationslagen fallen in die Zuständigkeit der Länder. Es wird diesbezüglich auf die Zuständigkeit der Länder und auf die Verpflichtung der Polizei- und Ordnungsbehörden, das verfassungsmäßig garantierte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und gerichtlichen Entscheidungen zu gewährleisten, verwiesen. Zur Gewährleistung der inneren Sicherheit in Deutschland wird die Bundespolizei auch weiterhin in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben auf Anforderung die Polizeien der Länder unterstützen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Christine Buchholz (DIE LINKE): Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie nicht bereit sind, aus dem Desaster von Frankfurt Konsequenzen zu ziehen. Ich will noch einmal nachfragen. Angesichts der Tatsache, dass sich die Blockupy-Proteste, die sich gegen die Politik der EU-Troika und der Bundesregierung vor allen Dingen gegenüber den südeuropäischen Ländern gerichtet haben, liegt nahe: Solche Demonstrationen werden wir in den nächsten Zeiten vermehrt erleben. Glauben Sie nicht, dass es aus der Perspektive der Bundesregierung sinnvoll ist, eine Diskussion in dem von ihr zu verantwortenden Bereich darüber zu führen, wie man sicherstellt, dass Meinungsäußerungen, Pressefreiheit, Berichterstattung über diese legitimen Proteste tatsächlich gewährleistet werden? Schließlich wollen wir uns alle gemeinsam – das ist bisher in der Fragestunde, auch in Ihren Antworten, deutlich geworden – an den hohen Maßstäben von Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Einhaltung des Grundgesetzes messen lassen. Daher ist meine Frage: Wie wollen Sie die Einhaltung dieser Maßstäbe in Zukunft sicherstellen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Für uns alle ist das ein wichtiges Anliegen; wir sind uns da einig. Das Bundesministerium des Innern ist für die Bundespolizei zuständig. Zur originären Zuständigkeit der Bundespolizei gehört in diesem konkreten Fall der Bereich Bahnhof. Für alle anderen Bereiche und auch für die Ausführung des Versammlungsrechts sind die Länder zuständig, in diesem konkreten Fall das Land Hessen. Das Land Hessen hat selbstverständlich sicherzustellen, dass die Versammlungsfreiheit auch in diesem Kontext gewährleistet wird. Es ist jetzt Sache des Landes Hessen, die notwendigen Schlussfolgerungen aus den bisherigen Einsätzen zu ziehen. Das ist aber nicht Sache der Bundesregierung. Noch einmal: Wir sind nicht die Kontrollinstanz für die einzelnen Länderpolizeien. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Buchholz hat das Wort zu einer weiteren Zusatzfrage. Christine Buchholz (DIE LINKE): Auch Sie haben schon deutlich geäußert, dass es offensichtlich ein Problem mit dem Einsatz der hessischen Polizei gab. Für mich stellt sich die Frage: Beabsichtigen Sie, den Kontakt zu dem Kollegen Boris Rhein, dem hessischen Innenminister, aufzunehmen und das Gespräch mit ihm darüber zu suchen, wie die Versammlungsfreiheit in Frankfurt, in Hessen in Zukunft gesichert werden kann? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich habe nicht gesagt, dass es ein Problem mit Polizeieinsätzen des Landes Hessen gab. Ich habe nun schon – ich weiß nicht, wie häufig – gesagt, dass es nicht Aufgabe der Bundesregierung ist, die Polizeieinsätze des Landes Hessen zu bewerten. Diese Bewertung ist vielmehr allein Sache des Landes Hessen. Dort wird diese entsprechend vorgenommen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Vogler. Kathrin Vogler (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, obwohl Sie glauben, keine Zuständigkeit zu haben, und obwohl Sie angeben, über keinerlei Kenntnisse zu verfügen, würde ich doch noch -fragen wollen, ob diese Kenntnis- und Zuständigkeitslosigkeit in irgendeinem Zusammenhang damit steht, dass Hessen, wie der Bund auch, schwarz-gelb regiert wird und dass Sie Ihrem Parteifreund Boris Rhein, der parallel mit Ihnen im Wahlkampf steht – in Hessen wird ja auch neu gewählt –, an dieser Stelle nicht auf die Zehen treten möchten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Frage könnte ich jetzt auch beantworten. (Heiterkeit bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Sie können das gern überprüfen: Die Bundesregierung hat noch nie Polizeieinsätze der Länder bewertet. Wir bewerten zum Beispiel auch nicht die Polizeieinsätze des Landes Hamburg am 1. Mai; das ist einzig und allein Sache des Landes Hamburg, unabhängig davon, wer da gerade Erster Bürgermeister ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Letzte Zusatzfrage, Frau Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Vielen Dank für die Zulassung der Frage. – Würde es der Bundesregierung und Ihnen bei der organisierten Verantwortungslosigkeit der Bundesländer und der Bundesregierung vielleicht helfen, wenn wir als Linke bei Demonstrationen Nichtregierungsorganisationen herbeiholen, um dort zu beobachten, so ähnlich wie das Delegationen von Menschenrechtsorganisationen und Wahlbeobachter in der Türkei tun, wie das Mitglieder des Europarats tun? (Holger Krestel [FDP]: Mainzer Karnevals-verein!) Wäre das vielleicht nötig, um dem verfassungsmäßigen Recht der freien Meinungsäußerung zum Durchbruch zu verhelfen? Dr. Ole Schröder, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Wir haben klare Zuständigkeiten. Das ist auch wichtig für einen Rechtsstaat; denn nur bei klaren Zuständigkeiten, gerade im Bereich des Versammlungsrechts, hat der Bürger die Möglichkeit, rechtlichen Schutz zu erhalten. In diesem Fall wird der Polizeieinsatz, weil es ein -Polizeieinsatz des Landes Hessen ist, vom Land Hessen zu verantworten sein. Die Gerichte werden jetzt überprüfen, ob das verhältnismäßig war oder nicht. Das ist nicht Sache der Bundesregierung, und das finde ich auch richtig, gerade unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten. Es ist nicht Sache der Bundesregierung, sondern Sache der unabhängigen Gerichte, zu überprüfen, ob dieser Polizeieinsatz rechtmäßig oder rechtswidrig war. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich schließe damit diesen Geschäftsbereich ab. Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz: Die Fragen 63 und 64 des Kollegen Kolbe sind zurückgezogen worden. Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen: Die Frage 65 des Kollegen Hofreiter, die Fragen 66 und 67 des Kollegen Troost sowie die Fragen 68 und 69 der Kollegin Höll werden schriftlich beantwortet. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: Die Frage 70 der Kollegin Pothmer sowie die Fragen 71 und 72 der Kollegin Hiller-Ohm werden schriftlich beantwortet. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die -Fragen 73 und 74 der Kollegin Behm, die Frage 75 des Kollegen Ostendorff sowie die Fragen 76 und 77 des Kollegen Ebner werden ebenfalls schriftlich beantwortet. Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Der Kollege Parlamentarischer Staatssekretär Christian Schmidt steht für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung. Ich rufe die Frage 78 des Kollegen Dr. Tobias Lindner auf: Welche Kosten waren zum 3. März 2011 im Euro-Hawk-Programm bereits beglichen worden, und welche Zahlungsverpflichtungen standen zu diesem Zeitpunkt aus? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident! Lieber Kollege, zunächst wollte ich eigentlich sagen, dass die Zuständigkeit für Verteidigung so dezidiert beim Bund liegt, dass die Beantwortung der Fragen in kürzerer Zeit erfolgen kann. Dann habe ich mich daran erinnert, dass im Rahmen der Amtshilfe für die Bundesländer im Katastrophenschutz die Bundeswehr wegen des Hochwassers gerade mit 17 000 Soldaten im Einsatz ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ihre Frage, Herr Kollege, beantworte ich wie folgt: Am 3. März 2011 betrug der Ausgabenstand 395,5 Millionen Euro. Mit bereits eingegangenen, aber noch offenen vertraglichen Verpflichtungen von 158,97 Millionen Euro belief sich die Gesamtbindung auf 554,47 Millionen Euro. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Staatssekretär, dass Sie die Hoffnung haben, Fragen beantworten zu können; diese Hoffnung hatten wir aufseiten der Opposition in den letzten Wochen nicht immer. Ich entnehme Ihrer Antwort, dass etwa im Vergleich zu den Mitteln, die heute gebunden sind, durchaus noch eine Differenz besteht, weshalb das Bundesministerium der Verteidigung im Laufe dieses Programms auch verschiedene Varianten geprüft hat. Ich möchte gerne von Ihnen wissen, ob im Verlauf der Prüfung das Bundesministerium der Verteidigung überlegt hat, die Entwicklung des ISIS-Moduls auf der Basis der Euro-Hawk-Plattform zu stoppen und das ISIS-Modul auf einem anderen Trägersystem weiter zu entwickeln. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Sehr verehrter Kollege, die vertragliche Vereinbarung im Programm Euro Hawk hat die zwei Komponenten umfasst und umfasst sie noch. Der Vertrag hat nach wie vor Bestand für die Entwicklung eines Full Scale Demonstrators, also eines Prototypen – wenn man es so -sagen darf –, im fliegerischen Bereich und in der Integration dieses zu entwickelnden Aufklärungssystems Integrated SIGINT-System. Deswegen sind zu diesem Zeitpunkt solche Fragen natürlich nicht anständig gewesen. Dass sich im Verlaufe der Diskussion und im Rahmen der im Verteidigungsausschuss und Haushaltsausschuss in den letzten Tagen sehr intensiv diskutierten Fragen auch die Frage nach alternativen Trägerplattformen stellt, versteht sich von selbst. Vertraglich eingebunden ist dieses allerdings nicht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Weitere Zusatzfrage. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Diskussion – das schildern Sie zu recht – dreht sich um die Frage, ob die Probleme lösbar oder unlösbar sind. Mein landläufiges Verständnis von unlösbar ist, dass man es mit Sicherheit weiß, wenn das Problem unlösbar ist. Lösbarkeit ist eher eine Annahme darüber, -etwas lösen zu können. Hat Ihr Haus mit Blick auf die Probleme, die Sie als lösbar einstufen, eine Risikoanalyse gemacht oder auf irgendeine Art und Weise eine Annahme gehabt, mit welcher Wahrscheinlichkeit etwas lösbar sein könnte, oder war es vielmehr eine Annahme nach dem Motto „Da bietet sich ein weiterer letzter Strohhalm, nach dem man greifen könnte“? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Zur Risikoanalyse will ich vorneweg sagen, Herr -Kollege, dass wir uns bei den sehr komplizierten Beschaffungsvorgängen des Bundes, über die wir reden – übrigens reden wir nicht über das erste Entwicklungsprogramm, das entweder Verzögerungen oder Veränderungen erfahren hat –, im Rahmen des sogenannten CPM befinden. Was heißt CPM? Es heißt Customer -Product Management. Es ist ein Beschaffungssystem, das den EBMat alter Fassung abgelöst hat. Wieso führe ich das aus? Das damalige CPM wurde von Rudolf Scharping als Minister eingeführt, weil er gegenüber dem alten EBMat die Risk Reduction Phase, also Risikoreduzierung, hatte. Das heißt, dass man bei der Bestellung nicht gleich in Serie gegangen ist, sondern ein einzelnes Demonstratorstück hat entwickeln lassen, um zu verhindern, dass daraus der gesamte Kostenrahmen, der in Aussicht genommen war, sozusagen im Feuer ist. Ich will der Beantwortung Ihrer Antwort nicht ausweichen, aber ich gebe zu, dass ich in den letzten drei Wochen sehr viel über Zulassungswesen und technische Fragen gelernt habe. Ob ich es verstanden habe, weiß ich nicht. Ich möchte darum bitten, diese Detailfragen zum Zeitpunkt einer Risikoreduzierung heute nicht zu beantworten. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, schon gar nicht in der längst überschrittenen Zeit. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Präsident. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich bitte, die Zeit im Auge zu behalten, zumal es reichlich Nachfragen gibt. Die nächste Nachfrage kommt von Frau Dittrich. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Geehrter Herr Parlamentarischer Staatssekretär Schmidt, haben wir jetzt zu befürchten, dass bei jeder Erwähnung der Bundeswehr zunächst der positive Einsatz der Bundeswehr als Katastrophenhelfer bei der Flut zu hören ist, aber die Schülerinnen und Schüler, die vor Ort sind, oder auch Abgeordnete der Linken, wie Harald Koch in seinem Wahlkreis, nicht genannt werden? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo!) Wollen Sie damit davon ablenken, dass die Drohne, um die es bei dieser Frage geht, zum Töten entwickelt wurde und wir eine Bundeswehr nicht brauchen? (Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich! – Schämen Sie sich!) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, es gibt selten Fragen, bei denen ich der Meinung bin: Ich lasse sie stehen, ohne sie zu beantworten. – Ich erlaube mir, dass ich diese Frage in diese Kategorie einordne. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Brandl. Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, trifft es zu, dass das Aufklärungssystem ISIS, das jetzt kurz vor der Vollendung steht, nicht hätte weiterentwickelt werden können und jetzt auch dieses Geld verloren wäre, wenn das Euro-Hawk-Projekt am 3. März 2011 oder im Laufe des Jahres 2011 abgebrochen worden wäre? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Brandl, das ist insofern richtig, als die Integration und Entwicklung auf der Plattform von Euro Hawk geplant war. Das System an sich kann nach Entwicklung natürlich auch auf einer anderen Plattform aufgebaut werden. Die Integrationskosten, die Entwicklungskosten und möglicherweise Kosten weiterer Art wären dann allerdings in der Tat verloren gegangen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär Schmidt, meine Frage bezieht sich auf die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung von heute. Der Minister hat sowohl im Verteidigungsausschuss als auch in der Aktuellen Stunde behauptet, er sei nicht vor dem 13. Mai über gravierende Probleme informiert gewesen. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Unlösbare Probleme! – Gegenruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war später!) Nun informiert uns die Süddeutsche Zeitung von heute über ein 50-seitiges Papier, in dem – so wird es in der Zeitung dargestellt – auf schwere Probleme hingewiesen wird, und zwar am 10. Dezember. Wie erklären Sie sich diese Diskrepanz: Obwohl am 10. Dezember auf schwere Probleme hingewiesen wurde, behauptete Herr de Maizière in der letzten Woche, er sei am 13. Mai erstmalig über gravierende Probleme informiert worden? (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Unlösbare Probleme!) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, wenn Sie gestatten: Ich will der Frage nicht ausweichen oder die Antwort verlängern, aber derart komplizierte technologische Entwicklungen gebären regelmäßig sehr schwere Probleme. Manchmal lösen sie sich schneller als gedacht. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist kein technisches Problem! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe nach der Information des Ministers gefragt!) – Die Information, die ich nicht im Einzelnen kenne und in der Süddeutschen Zeitung kursorisch zitiert wird, diente der Vorbereitung eines Besuchs, bei dem übrigens das Thema Euro Hawk, soweit ich das weiß, gar nicht im Mittelpunkt stand, und ist sozusagen eine allgemeine Übersicht über den gegenwärtigen Stand bei Problemen, aber kein Hinweis darauf, dass sozusagen keine Möglichkeit mehr bestünde, in dem Programm fortzufahren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Nouripour. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich stelle fest: Erstens. Das ISIS-System ist nicht auf der Plattform des Euro Hawk zertifizierbar, weil dies nicht die endgültige Plattform ist. Das heißt, erst muss die Alternative beschafft werden, dann kann es zertifiziert werden. Das heißt, die Behauptung, jetzt werde das integrierte System zu Ende entwickelt, stimmt nicht; denn die Erprobung muss komplett neu anfangen, wenn die Alternative da ist. Zweitens. Es geht hier nicht um gravierende technische Mängel, so wie Sie es beschrieben haben. Wir haben es hier mit Zulassungsproblemen zu tun. Es geht nicht um Hightech oder darum, dass es nicht funktioniert. Meine Frage bezieht sich auf den Zeitpunkt, der in Frage 78 genannt wird: 3. März 2011. Inwieweit war sich die Führung des Hauses und wer war sich in der Führung des Hauses im März 2011 darüber im Klaren, dass im Vertrag zum Euro Hawk explizit eine Bemühensklausel steht, die dazu führen könnte, dass eine Haftung der Hersteller ausgeschlossen ist? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Präsident, jetzt habe ich zwei Probleme: Zum einen hören wir, dass ein formulierter Antrag besteht, einen Untersuchungsausschuss einzurichten; er ist noch nicht beschlossen. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das spielt hier keine Rolle! Das hat doch nichts mit der Frage zu tun! – Gegenruf des Abg. Florian Hahn [CDU/CSU]: Hören Sie erst mal zu!) – Danke für den Hinweis, Frau Kollegin. Ihre Erfahrung führt gepaart mit meiner dazu, dass ich vielleicht doch darauf hinweise, dass diese Detailfragen, auf die ich aus zwei Gründen nur begrenzt antworte, im Untersuchungsausschuss ihren Platz finden mögen. Lieber Kollege Nouripour, Ihre technischen Kenntnisse sind sehr beachtlich, aber ich kann sie weder bestätigen noch bewerten; denn – das gebe ich zu – ich bin kein Entwicklungsingenieur. Ich habe gelernt, dass man sehr gut beraten ist, sich bei der Bewertung, ob ein Zulassungsproblem ein technisches oder ein rechtliches Problem ist, sehr zurückzuhalten. Wir bewegen uns da beide auf sehr dünnem Eis. Ich verstehe, dass Ihr Drang, mich zu einer Aussage zu bringen, sehr groß ist. Ich will mir die Anempfehlung erlauben, Frau Kollegin Haßelmann, dass wir das im Untersuchungsausschuss vertiefen. Ich hoffe nicht, dass ich auf Ihren Widerstand stoße. Ihre zweite Frage befasst sich mit der Bemühensklausel in Bezug auf die Zulassung insgesamt. Das ist in der Tat ein Thema, gerade wenn es um die Struktur im Beschaffungswesen geht. Hier wurden übrigens gerade Änderungen vorgenommen. Die Bemühensklausel ist keine Erfindung des Vertrages, sondern in den allgemeinen Bedingungen für Entwicklungsverträge mit Ingenieuren enthalten, weil der in Entwicklungsverträgen vereinbarte Erfolg grundsätzlich regelmäßig nicht geschuldet werden kann. Im entsprechenden Vertrag wurde sogar noch einiges von der Bemühensklausel ausgenommen und in eine Erfolgsklausel umgesetzt. Aber das sind rechtliche Fragen, deren Bewertung wir en détail ebenso wenig vornehmen können wie die Bewertung der technischen Fragen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich weiß, dass es gelegentlich schwierig ist, die Fragen innerhalb des engen Zeitlimits zu beantworten, aber die Uhr läuft – sowohl bei den Fragen als auch bei den Antworten. Demnächst versuche ich es mit Winken. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Kann man zurückwinken?) Die nächste Frage stellt der Kollege Meßmer. Ullrich Meßmer (SPD): Herr Präsident! – Herr Staatssekretär, ich habe jetzt sowohl durch die Veröffentlichung, aber auch durch die Ausschusssitzung gelernt, dass bei der Zulassung die Unterscheidung zwischen lösbaren Problemen und unlösbaren Problemen eine große Bedeutung hat. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Sehr gut! Damit fängt es an!) Können Sie zeitlich ungefähr beziffern, wann im Ministerium – ich formuliere das jetzt untechnisch – von „lösbar“ auf „unlösbar“ geschaltet wurde? Welche Information von wem lag zum Zeitpunkt der Einschätzung „lösbar/unlösbar“ zugrunde? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Die Frage „lösbar/unlösbar“ ist eine für jedermann durchaus nachvollziehbare: Kommt man mit dem Thema voran, oder muss man umschalten? Das hat im Zuge der Vorbereitung der Entscheidungsvorlage vom 13. Mai stattgefunden. Ein solcher Prozess kann sich natürlich über einen gewissen Zeitraum hinziehen. Die Frage „lösbar/unlösbar“ war vorher allerdings noch nicht zu beantworten. Das mögen Sie meiner Antwort auf eine Frage des Kollegen Lindner vom Januar – wenn ich mich recht entsinne – entnehmen, als ich von Zeitverzögerungen berichtet habe, nicht von unlösbaren Problemen. Der Kollege Kossendey hat sich im März in ähnlicher Weise geäußert. Das entsprang natürlich nicht der Vorstellung, dem Parlament etwas zu verheimlichen. Vielmehr war es in der Tat so, dass der Euro Hawk damals im Dezember zum ersten Mal flog. Es gab also Hoffnung. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lösbare und unlösbare Widersprüche! Jetzt sind wir bei den unlösbaren! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, bei den gravierenden!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Brugger möchte jetzt diese Hoffnung aufgreifen. Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Staatssekretär, wie Kollegin Haßelmann möchte auch ich auf den Artikel der Süddeutschen Zeitung Bezug nehmen. Vielleicht ist Ihnen die Presseerklärung Ihres Hauses, die aufgrund des Artikels der Süddeutschen Zeitung heute veröffentlicht wurde, vertrauter. Der Minister sagte, er sei nicht informiert worden. Daraus wurde später, er sei nicht schriftlich über die unlösbaren Probleme informiert worden. Ihre Presseverlautbarung von heute räumt ein, dass für das Gespräch mit der Firma Cassidian am 10. Dezember letzten Jahres folgende Formulierungshilfe gegeben war: Es ist „keine Grundlage gegeben …, um eine Entscheidung für eine Serienbeauftragung zu befürworten oder gar zu beschaffen“. Das ist für mich ein Widerspruch zu den Aussagen des Ministers, den Sie uns hoffentlich jetzt erklären können. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Gerne. Frau Kollegin Brugger, das ist überhaupt kein Widerspruch. Wir haben zwei Verträge. Der eine betrifft einen Demonstrator; das habe ich vorhin ausführlich -dargelegt. Der andere betrifft die Beschaffung der Serie. Solange beim Demonstrator nicht alle Fragen geklärt sind, denke ich doch nicht im Traum daran, einen Vertrag mit Northrop Grumman abzuschließen, um die Serie zu beschaffen. Genau dies stand in der Erklärung. Das ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit der Lösung von Problemen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich rufe die Frage 79 des Kollegen Lindner auf: Zu welchen Zeitpunkten hat das Bundesministerium der Verteidigung, BMVg, Zahlungen in welcher Höhe zur Begleichung von Forderungen im Zusammenhang mit dem Euro-Hawk-Programm geleistet? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich verweise auf die Anlage C des Berichts der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Euro Hawk vom 5. Juni 2013. In dem sehr langen Konvolut wird das im Einzelnen dargestellt; das müsste Ihnen bereits vorliegen, Herr Kollege. Eine detaillierte Aufstellung zu den Zahlungen aller Verträge im Projekt Euro Hawk wie Entwicklungs-vertrag, Foreign-Military-Sales-Verträge – das sind die speziellen amerikanischen Verträge – und Customer--Logistics-Support-Verträge wird derzeit erarbeitet. Ich bitte, mir zu erlauben, das nachzuliefern. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zusatzfrage. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, hat denn das Bundesministerium der Verteidigung, bevor es zu den einzelnen Zeitpunkten Zahlungen geleistet hat, jeweils überprüft, ob Leistungen, die vertraglich vereinbart wurden, auch korrekt erbracht wurden und sich in den Fällen, in denen sich, um Sie zu zitieren, „lösbare Probleme“ ergaben, informiert, ob Schadenersatzansprüche bestehen? Oder ist die Realität so, dass auch während dieser Zahlungen eine Unklarheit oder verschiedene Rechtsauffassungen darüber bestanden, ob die Bemühensklausel für einzelne Verfahren des Zulassungsverfahrens anzuwenden ist? Sieht die Realität so aus, dass dies jetzt im Nachhinein über eine externe -Anwaltskanzlei geklärt werden muss? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Zur ersten Frage: Es hat einen Fall einer Kostenreduzierung bzw. einer Inanspruchnahme gegeben – ich will das nicht rechtlich qualifizieren, ob es sich um Schadenersatz oder um verminderte Leistung handelte –, und zwar, wie ich glaube, in der Höhe von 7 Millionen Euro. „Ich glaube“ heißt, ich muss Ihnen auch dies konkret noch sagen. Ich gehe davon aus – ich habe keinerlei andere Hinweise –, dass die Meilensteine im Vertrags-verlauf natürlich auch in den Zahlungen entsprechend beachtet worden sind. Aber das würde sich dann auch aus den Details der Auflistung ergeben. Zu Ihrer zweiten Frage, ob die Bemühensklausel in der Bewertung eine Rolle gespielt hat und wieso eine Anwaltskanzlei eingeschaltet wurde: Unsere Rechts-abteilung kommt in der Tat zu dem Ergebnis, dass diese Bemühensklausel gewisse Einschränkungen hat. Ich will als Rechtsanwalt, der nicht beteiligt ist – wie ich gehört habe, hat die eine oder andere Kollegin schon Interesse gezeigt, sich mandatieren zu lassen –, (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Streitwert von über 1 Milliarde!) doch sagen: Es ist manchmal gut, eine zweite Meinung zu hören, vor allem, wenn man mit öffentlichem Geld und möglichen Ersatzansprüchen umgehen muss. Deshalb halte ich es für richtig, dass wir zur Versicherung noch einmal eine Kanzlei eingeschaltet haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Zweite Zusatzfrage. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass der Bundesminister der Verteidigung als Inhaber der -Befehls- und Kommandogewalt der oberste Disziplinarvorgesetzte der Bundeswehr ist und ihn insofern die Pflicht zur Dienstaufsicht nach § 10 Abs. 2 des Soldatengesetzes trifft? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege Lindner, ich bestätige Ihnen, welche Aufgaben der IBuK hat. Ich unterstreiche, dass der IBuK nicht die Aufgabe hat, jede einzelne Kostenrechnung selber nachzurechnen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Nouripour. Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe Sie bisher so verstanden, dass sich der Minister erst dann mit Problemen beschäftigt, wenn sie unlösbar sind, und vorher liege die Verantwortung woanders. – Sie haben ja selbst gerade von anderen Tätigkeiten, die auch Sie ausüben könnten, gesprochen. Mich würde interessieren, ob Sie der Meinung sind, dass es im Falle eines Prozesses die Chancen der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei und des Mandanten, also des -Bundesverteidigungsministeriums, erhöht, Schadens-ersatz oder Haftungsmöglichkeiten bei der Industrie zu ersuchen, wenn vorher von Ihnen und vom Minister öffentlich erklärt wird, dass Sie davon ausgehen, dass es diese Haftung gar nicht gibt? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ich habe das nicht öffentlich erklärt. Ich habe nur darauf hingewiesen, Herr Kollege, dass die Bemühensklausel manche Einschränkungen in dieser Frage mit sich bringen kann und dass die Rechtsabteilung hieraus Schlüsse zieht. Sie haben mich auf meinen beruflichen Hintergrund, der sich im Arbeitsrecht bewegt, angesprochen. Durch diesen kenne ich das Gebot, dass man an jeder Stelle des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinzuwirken hat. Der Gerichtsprozess ist das letzte Mittel. Aber man muss sich die Instrumente einmal vor Augen führen und sich fragen, was unsere Positionen sind und wie man das eine oder andere vielleicht doch zu einem Erfolg bringen kann. Das ist der Verhandlungsprozess, den ich sehe. In diesem befinden wir uns schon allein dadurch, dass der Auftragnehmer mit Zahlenwerken Angebote zur Verbesserung macht, die aber mit unseren Kenntnissen nicht korrespondieren. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Brandl. Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Staatssekretär, könnten Sie erläutern, wer im Bundesministerium für Verteidigung im Rahmen des bisher gültigen Geschäftsverteilungsplans für die Entscheidung, eine Serie nicht zu beschaffen, zuständig war und immer noch ist? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Herr Kollege, im Bundesministerium der Verteidigung betrifft dies den Bereich des Beschaffungswesens. Ich will nicht auf die neue Regelung eingehen, weil dieses Verfahren nach der alten Regelung, nach der sogenannten Scharping-Regelung, abgewickelt wird. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) – Ja, es gibt eine De-Maizière-Regelung – das ist die neue – und eine Scharping-Regelung; das ist die alte. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind noch ein paar dazwischen! – Gegenruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]: Die anderen haben wir schon alle vergessen!) Der Flieger ist schon so lange unterwegs, dass er nach der alten Regelung bewertet wird. Die Entscheidungskompetenz liegt bei dem beamteten Staatssekretär, der nach Innenverteiler für den Bereich „Beschaffung und Ausrüstung“ zuständig ist. (Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Danke!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Brugger, bitte. Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, Euro Hawk ist ja sozusagen mit dem Ausdruck, dass eine Reißleine gezogen wurde, in die Schlagzeilen geraten. Deshalb würde ich Sie gerne fragen, ob durch den bisherigen Vertrag mögliche weitere Testflüge des Full Scale Demonstrators abgedeckt sind oder ob man hierfür neue vertragliche Vereinbarungen schließen muss und ob diese dann Zahlungen an das auftragnehmende Unternehmen enthalten. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Frau Kollegin, das geschlossene Auftreten des Bundesministeriums der Verteidigung auch in meiner Person umfasst nicht die Übernahme jeder Begrifflichkeit in bildhafter Art. „Reißleine“ könnte den falschen Eindruck erwecken, hier wäre jemand im freien Fall und müsse die Reißleine ziehen. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach dem Aufprall!) Das ist mitnichten so. Gerade vorgestern ist das Flugzeug sicher gestartet und nach stundenlangem Flug sicher gelandet. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und der Minister ist ausgestiegen und nach Hause gegangen!) Das heißt, es ist funktionsfähig mit einer vorläufigen Verkehrszulassung. Das Argument der Ausrichtung der Zulassung – ich weiß nicht, ob das technisch richtig ist – dieses Aufklärungssystems erfordert Flüge. Deswegen kann man auch in Zukunft mit diesem Gerät sicher fliegen. (Agnes Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden weitere Verträge geschlossen?) Deswegen würde ich sagen: keine Reißleine, sondern Testflüge. (Agnes Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage ist nicht beantwortet! – Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war nach weiteren Verträgen! Die Frage ist nicht beantwortet!) – Bitte? Bitte wiederholen Sie die Frage. (Agnes Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Frage war, ob weitere Verträge für die Testflüge abgeschlossen werden!) – Ach so, nein, die Verträge beinhalten ja bereits die Testflüge mit dem Abschluss dieses ISIS-Tests. Dies ist bereits jetzt Teil des Auftrags. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Hellmich. Wolfgang Hellmich (SPD): Danke, Herr Präsident. – Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage nach dem Zeitpunkt der ersten Testflüge. Mich interessiert, wann sie absolviert wurden und welche Kosten und welche Punkte der Vertragserfüllung dadurch ausgelöst wurden. In den Berichten, die Sie dazu abgeben, heißt es, dass Anfang dieses Jahres das Gesamtsystem mit 80 Prozent geflogen und entsprechend positiv bewertet worden ist, also weiterfliegen konnte. Auf welcher Grundlage haben Sie diese Entscheidung getroffen? Wie verhält sich dies zu den Ankündigungen im Wiener Dokument, Stand 1. Januar 2013, gegebenenfalls die Nutzung anderer Plattformen zur Schließung dieser Fähigkeitslücke zu avisieren? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Das Wiener Dokument? Was ist das? (Agnes Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen nicht, was das Wiener -Dokument ist? Das ist eine wichtige rüstungskontrollpolitische Errungenschaft! Das sollte man als Staatssekretär schon wissen!) Wolfgang Hellmich (SPD): Das ist der Bericht, den Ihr Haus, vielmehr die Bundesregierung, der OSZE zum Stand der Rüstungsbemühungen und der Ausrüstung der Bundeswehr abgeben muss. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Ach so, das OSZE-Dokument. Darin sind aber keine Hinweise auf technische Fragen enthalten. Da geht es nur um Abrüstung und gegenseitige Vertrauensbildung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Haßelmann. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Moment! Präsident Dr. Norbert Lammert: Ach, Sie waren noch nicht fertig? Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nein, ich habe die Frage noch gar nicht beantwortet. Präsident Dr. Norbert Lammert: Entschuldigung. Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Mit den Testflügen wurde – ich liefere Ihnen das genaue Datum gerne nach – nach meiner Kenntnis im Frühjahr dieses Jahres begonnen. Wieso? Weil die vorläufige Verkehrszulassung des Fluggerätes erst im Dezember letzten Jahres erteilt worden war; so lange war nach dem Überführungsflug Pause. Dann wurde das -SIGINT-System eingebaut. Danach hat es – Sie mögen das auch den deutschen Zulassungsregelungen zuschreiben – über ein halbes Jahr gedauert, bis klar wurde, ob der Hersteller, die Euro Hawk GmbH, ein luftfahrtlizenziertes Unternehmen ist; das ist also nur der administrativen Seite und nicht der technischen oder fliegerischen Seite zuzurechnen. Das Programm muss jetzt abgewickelt werden. Ohne das Wiener Dokument, den Bericht, den wir zum Thema Euro Hawk im Rahmen der OSZE abgegeben haben, zu kennen, gehe ich davon aus, dass genau dies darin steht, soweit es der OSZE zu berichten ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Nun Frau Haßelmann. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke. Ich habe schon gedacht, ich solle erklären, was das Wiener Abkommen ist. (Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Nein, nein. Es gibt übrigens mehrere Wiener Abkommen. Wir können uns gerne darüber unterhalten. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein. Ich will eine kurze Frage stellen. – Mir geht es um die Beurteilung der Aussage von Herrn de Maizière, vor dem 13. Mai dieses Jahres habe er nicht von unlösbaren Problemen gehört, und der Darstellung in diesem Bericht, der das Datum 10. Dezember 2012 nennt. Sie sind ja sehr interessiert daran, zu sagen: Das Erste waren gravierende, das Zweite schwere und das Dritte unlösbare Probleme. – Um das beurteilen zu können, wäre es für uns Parlamentarier sehr wichtig, diesen 50-seitigen Bericht zu bekommen. Deshalb möchte ich wissen, wann er uns zugestellt wird. (Markus Grübel [CDU/CSU]: Im Rahmen des Untersuchungsausschusses! Am 24. September!) Christian Schmidt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Verteidigung: Wenn es so wäre, dass über Probleme berichtet wird – das ist jetzt hypothetisch, weil uns der Bericht nicht vorliegt –, dann gestatte ich mir, die Gegenfrage zu stellen: Zu welchem Nutzen? Was will ich herausfinden? Ich denke, wir alle wollen wissen, ob dieses Projekt zu einem Erfolg geführt werden kann – wenn ja, zu welchem – und ob es einen Zeitpunkt gegeben hat – so verstehe ich Sie –, zu dem klar erkennbar war, dass dieses Projekt nicht mehr zu einem Erfolg geführt werden kann und deswegen die Reißleine hätte gezogen werden müssen. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 5. Mai zum Beispiel! Redaktions-besuch Donaukurier! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Präsident, ich habe nur gefragt, wann wir den Bericht bekommen!) – Ja, und ich antworte. Ich erlaube mir, festzuhalten, dass die Information des Ministers verfahrensmäßig nicht ganz optimal gewesen ist. Aber was die Entscheidung angeht, auch vom Zeitpunkt her, konnte mir bisher noch niemand sagen – es gab lediglich den Versuch, innerhalb des Hauses nach-zuweisen bzw. dem Haus zu unterstellen, hier hätte es Unregelmäßigkeiten gegeben –, was man falsch gemacht hat. Man hat gar nichts falsch gemacht. Es ist richtig entschieden worden. Sie gestatten, Frau Kollegin, dass ich auch sage: (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Ich möchte, dass Sie auf meine Frage antworten!) Wenn wir uns auf die sachlichen Themen konzentrieren, werden wir relativ schnell fertig. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe Sie was ganz Einfaches gefragt: wann wir die 50 Seiten bekommen, um zu beurteilen, ob Ihre Differenzierung der Begriffe und Adjektive nur irgendeinen Sinn ergibt! Die war ganz einfach, die Frage: Wann bekommen wir diesen Bericht?) – Soweit ich weiß, hat der Minister diese Frage bereits angesprochen und gesagt, dass das in einer Klärung ist. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der hat doch keine Fragen beantwortet!) – Diese Frage wurde doch im Verteidigungsausschuss gestellt. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Da war die -Kollegin nicht!) – Entschuldigung! Ich will darauf hinweisen, dass da ein Klärungsprozess stattfindet. Ich hoffe, dass wir uns bei den Informationen, die gegeben sind, nicht in Wortklaubereien verlieren, sondern dass es um Fakten geht. (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, wir sind jetzt, was unser Zeitregime angeht, am Ende der Fragestunde angelangt. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten für ihre Bemühungen um die Klärung komplizierter Sachverhalte. Wir sind damit zugleich am Ende unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 13. Juni, 9 Uhr, ein. Ich schließe die Sitzung mit allen guten Wünschen für einen hoffentlich angenehmen Verlauf des verbleibenden Abends. (Iris Gleicke [SPD]: Danke gleichfalls, Herr Präsident!) (Schluss: 20.01 Uhr) Berichtigung 244. Sitzung, Seite 31047 D, letzter Absatz, der vierte Satz ist wie folgt zu lesen: „Wir halten es auch für richtig, bei der bisherigen Obergrenze von 1 850 Kräften zu bleiben.“ Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Altmaier, Peter CDU/CSU 12.06.2013 Barthle, Norbert CDU/CSU 12.06.2013 Brackmann, Norbert CDU/CSU 12.06.2013 Brinkmann (Hildesheim), Bernhard SPD 12.06.2013 Dr. Danckert, Peter SPD 12.06.2013 Gabriel, Sigmar SPD 12.06.2013 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 12.06.2013 Hintze, Peter CDU/CSU 12.06.2013 Hofmann (Volkach), Frank SPD 12.06.2013 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12.06.2013 Hunko, Andrej DIE LINKE 12.06.2013 Kauder (Villingen-Schwenningen), Siegfried CDU/CSU 12.06.2013 Koch, Harald DIE LINKE 12.06.2013 Kopp, Gudrun FDP 12.06.2013 Dr. Koschorrek, Rolf CDU/CSU 12.06.2013 Kunert, Katrin DIE LINKE 12.06.2013 Lach, Günter CDU/CSU 12.06.2013 Lenkert, Ralph DIE LINKE 12.06.2013 Mattfeldt, Andreas CDU/CSU 12.06.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 12.06.2013 Müller (Aachen), Petra FDP 12.06.2013 Nietan, Dietmar SPD 12.06.2013 Paula, Heinz SPD 12.06.2013 Ploetz, Yvonne DIE LINKE 12.06.2013 Pronold, Florian SPD 12.06.2013 Rachel, Thomas CDU/CSU 12.06.2013 Rößner, Tabea BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 12.06.2013 Dr. Scheuer, Andreas CDU/CSU 12.06.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 12.06.2013 Schwabe, Frank SPD 12.06.2013 Dr. Sieling, Carsten SPD 12.06.2013 Steinbrück, Peer SPD 12.06.2013 Dr. Stinner, Rainer FDP 12.06.2013 Wolff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 12.06.2013 Ziegler, Dagmar SPD 12.06.2013 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Beatrix Philipp (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt (244. Sitzung, Tagesordnungspunkt 14) Ich stimme dem Gesetz in der jetzt vorliegenden Fassung nicht zu. Meine Bedenken gegen dieses Gesetz sind erheblich: Erstens. Dem Gesetz fehlen die genaue Definition des Ziels und der Adressatenkreis: Wer soll mit welchem Ergebnis erreicht werden? Dass sich die Zahl der Neugeborenentötungen und -aussetzungen in den vergangenen Jahren nicht verringert hat, also Neugeborenentötungen und aussetzungen durch die Duldung von Babyklappen und anonymer Geburt in den vergangenen 12 Jahren auch nicht verhindert wurden, ist hinreichend belegt; die Vermutung, dass Tötungen und Aussetzungen mit Anonymisierung vermindert oder gar vermieden werden können, ist also falsch. Zweitens. Das Gesetz eröffnet einen „dritten Weg“ neben der Babyklappe und der anonymen Geburt. Das war nie beabsichtigt. Ziel der „vertraulichen Geburt“ war es von Anfang an, die Duldung von Babyklappen und anonymen Geburten zu beenden. Eine kurze „Übergangszeit“ wäre vielleicht denkbar gewesen. Dieses Ziel ist im Laufe der Gespräche und Beratungen im Vorfeld dieses Gesetzentwurfes nicht mehr verfolgt worden. Die Annahme, dass durch die „vertrauliche Geburt“ Babyklappen und anonyme Geburt nicht mehr genutzt werden würden, ist durch nichts gerechtfertigt. Im Gegenteil: anonyme Geburt und Babyklappen sind die zweifellos sehr viel einfacheren Lösungen; sie lassen allerdings das Wohl der Mutter, die in einer ihr ausweglos erscheinenden Situation eine lebenslang irreversible Entscheidung trifft, ebenso außer Acht wie das Wohl des Kindes, das ein Leben lang nach seinen „Wurzeln“ bzw. seinen Eltern – oft – vergeblich suchen wird. Drittens. Babyklappen und anonyme Geburt sind verfassungswidrig, weil sie gegen das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Herkunft gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Grundgesetz verstoßen. Ebenso verstoßen sie gegen das Recht auf Kenntnis der Nachfahren, gegen das Recht auf physische und psychische Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG, gegen das Recht auf Erziehung und Pflege durch die Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 GG. Viertens. Die weitere Duldung der Babyklappe stellt einen Verstoß gegen Art. 8 der UN-Kinderrechtskonvention dar. Die Rechte des Vaters finden keine Berücksichtigung, das heißt auch das Recht des Kindes auf seinen Vater. Allein die Mutter entscheidet über Rechte und Pflichten. Fünftens. Babyklappen müssen geschlossen werden; sie sind auch heute jeder Kontrolle entzogen. Selbst neueste Zahlen belegen, dass bereits bestehende Gesetze nicht uneingeschränkt von allen Betreibern von Babyklappen eingehalten werden. Daher wird auch die Einhaltung der noch zu erarbeitenden „Standards“ nicht zu kontrollieren sein: Wer ist tatsächlich „Nutzer“ der Babyklappe, wie viele Kinder sind in welcher Zeit und wann in die Klappe gelegt worden, wann und wo sind die Kinder „dem Staat“ gemeldet worden? Neueste Zahlen belegen, dass Kinder, die dem Staat nicht gemeldet wurden, faktisch nicht existieren. Hier ist dem „Kinderhandel“ Tür und Tor geöffnet, weil die Kinder „verschwinden“, wenn nicht der Staat von deren Existenz weiß. Siebtens. Die vorgesehene Evaluierung setzt, wenn sie wissenschaftlichen Kriterien genügen soll, voraus, dass ein Ziel definiert wurde – siehe Erstens – und evaluiert wird, ob es erreicht wurde. Zusammenfassung: Ich begrüße den Ausbau der Beratungsangebote ausdrücklich. Ich unterstütze aber nicht die Schaffung der Parallelität der Angebote von „vertraulicher Geburt“ und bereits bestehenden Angeboten zur anonymen Kindesabgabe. Die „vertrauliche Geburt“ als alleiniges Angebot kann Eltern und Müttern in verantwortbarer Weise Hilfe in einer ausweglos erscheinenden Situation sein. Die „vertrauliche Geburt“ wird auch in Zukunft Neugeborenentötung oder -aussetzung nicht verhindern. Sie wird erst eine gewisse Akzeptanz erfahren, wenn die Duldung von Babyklappen und anonymer Geburt beendet wird. Solange die Angebote für die anonyme Kindesabgabe unverändert bestehen bleiben, wird sich das Angebot der „vertraulichen Geburt“ nicht als der bessere Weg für Mutter und Kind durchsetzen können. Auch die Legitimierung bzw. Duldung der lebenslänglichen Anonymisierung eines Kindes durch den Gesetzgeber bleibt zweifellos verfassungswidrig. Anlage 3 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Holger Krestel (FDP) (Drucksache 17/13810, Frage 4): In welchem Umfang fördern die Bundesregierung und das Umweltbundesamt, UBA, jährlich Forschungsvorhaben im Bereich des Klimaschutzes, und nach welchen Kriterien werden die Forschungsgelder vergeben? Die Forschungsförderung im Bereich des Klimaschutzes erfolgt in der Bundesregierung über das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF. Das BMBF, Einzelplan 30, plant, in der Projekt- und institutionellen Förderung im Bereich „Klimaschutz, Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Energieforschung einschließlich Energieversorgung der Zukunft, energetische Gebäudesanierung sowie Elektromobilität“ rund 750 Millionen Euro im laufenden Jahr aufzuwenden. Für die Projektförderung im Bereich der Klimaforschung im engeren Sinne sieht das BMBF im Jahr 2013 rund 100 Millionen Euro vor. Die Förderbekanntmachungen des BMBF geben die inhaltlichen Kriterien für eine Förderung vor. Skizzen und Anträge werden daraufhin von Einzelgutachtern oder Gutachtergremien geprüft. Im Falle der positiven Begutachtung sind darüber hinaus von den Antragstellern die Voraussetzungen zu erfüllen, die von der Bundeshaushaltsordnung in Verbindung mit den aus ihr resultierenden Bestimmungen, zum Beispiel die Nebenbestimmungen für Zuwendungen auf Kostenbasis des BMBF an Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, NKBF 98, oder Allgemeine Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung, ANBest-P, sowie dem Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVfG, vorgegeben werden. Das Umweltbundesamt fördert keine Forschungsvorhaben im Bereich Klimaschutz. Anlage 4 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 6): Wie steht die Bundesregierung zur im Vorschlag COM(2012) 595 der Europäischen Kommission enthaltenen Begrenzung der Anrechnung konventioneller Biokraftstoffe aus Nahrungsmittelpflanzen auf höchstens die Hälfte des 10Prozent-Ausbauziels für erneuerbare Energien im Verkehrssektor? Die Einführung einer Obergrenze für „konventionelle“ Biokraftstoffe in Höhe von 5 Prozent wird begrüßt, soweit die innerhalb dieser Obergrenze eingesetzten Biokraftstoffe als ILUC-frei gelten. Dies ist gerechtfertigt, da die durch diese Biokraftstoffe verursachten ILUC-Effekte in der Vergangenheit stattgefunden haben. Durch diese Obergrenze wird ein angemessener Bestandsschutz für Unternehmen geschaffen, die in der Vergangenheit investiert haben. Die Fortführung der Möglichkeit der Förderung von konventionellen Biokraftstoffen sollte bis 2030 erweitert werden, um bestehende Investitionen zu schützen. Anlage 5 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dirk Becker (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 7): Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag der Europäischen Kommission, Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen durch Mehrfachanrechnung stärker zu gewichten? Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass Biokraftstoffe, die aus bestimmten Rohstoffen, zum Beispiel Hausabfälle, biogener Anteil von Siedlungs- oder Industrieabfällen, Waldrestholz, Stroh, Gülle, Algen, hergestellt wurden, vierfach auf das 10-Prozent-Ziel angerechnet werden können. Diese als besonderer Anreiz von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Mehrfachanrechnung wird von der Bundesregierung derzeit noch intensiv geprüft. Eine Mehrfachanrechnung wird zwar grundsätzlich als geeignetes Instrument zur Förderung des Einsatzes von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen betrachtet; allerdings sieht der Vorschlag erstmals eine Vierfachgewichtung bestimmter Biokraftstoffe vor, die aufgrund des starken Anreizes auch unerwünschte Wirkungen auf bereits existierende Verwertungswege auslösen könnte. Anlage 6 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 8): Welche Folgen erwartet die Bundesregierung durch die im Vorschlag COM(2012) 595 der Europäischen Kommission vorgesehene Mehrfachanrechnung von Biokraftstoffen aus gebrauchtem Speiseöl? Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass Biokraftstoffe, die aus bestimmten Rohstoffen (zum Beispiel Hausabfälle, biogener Anteil von Siedlungs- oder Industrieabfällen, Waldrestholz, Stroh, Gülle, Algen) hergestellt wurden, vierfach auf das 10-Prozent-Ziel angerechnet werden können. Diese als besonderer Anreiz von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Mehrfachanrechnung wird von Deutschland derzeit noch intensiv geprüft. Eine Mehrfachanrechnung wird zwar grundsätzlich als geeignetes Instrument zur Förderung des Einsatzes von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen betrachtet, allerdings sieht der Vorschlag erstmals eine Vierfachgewichtung bestimmter Biokraftstoffe vor, die aufgrund des starken Anreizes auch unerwünschte Wirkungen auf bereits existierende Verwertungswege auslösen könnte. Anlage 7 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Ute Vogt (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 9): Kann nach Einschätzung der Bundesregierung sichergestellt werden, dass bei der im Vorschlag COM(2012) 595 der Europäischen Kommission vorgesehenen Mehrfachanrechnung von Biokraftstoffen aus gebrauchtem Speiseöl bei der Produktion dieser Biokraftstoffe wirklich gebrauchtes Speiseöl eingesetzt wird? Bereits seit dem Jahr 2011 können durch die 36. BImSchV Biokraftstoffe, die aus Abfällen und Reststoffen hergestellt worden sind, gegenüber dem Beitrag sonstiger Biokraftstoffe doppelt gewichtet auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden. Damit hat Deutschland Bestimmungen der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU in nationales Recht umgesetzt. Mit dieser Doppelanrechnung wird ein starker wirtschaftlicher Anreiz für Unternehmen geschaffen. Die Bundesregierung hat im vergangenen Herbst die Anforderungen an die Nachweisführung und Nachverfolgbarkeit von Abfallrohstoffen zur Doppelanrechnung mit der Novellierung der 36. BImSchV deutlich verschärft. Die Herkunft wird genau geprüft. An der inhaltlichen Ausgestaltung haben sich die heimischen Industrieverbände im Rahmen der Verbändeanhörungen beteiligt. Insgesamt wird die Novellierung von diesen Unternehmen inhaltlich begrüßt. Für die Biokraftstoffhersteller und die Rohstofflieferkette hat sich zum 1. Januar 2013 im Wesentlichen geändert, dass nun, zusätzlich zur allgemeinen Nachhaltigkeitsnachweisführung, auch die Voraussetzungen für eine Doppelgewichtungsfähigkeit einer durch die BLE überwachten, privatwirtschaftlich organisierten Zertifizierung unterliegen und Doppelgewichtungsnachweise über die Nabisy-Datenbank der BLE ausgegeben werden. Die Anrechnung erfolgt künftig unter Rückgriff auf das bestehende Nachweissystem der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung, das dem Nachweis der Nachhaltigkeit aller anzurechnenden Biokraftstoffe als weiterer Anrechnungsvoraussetzung dient. Dadurch wird eine – nicht nur auf die Bundesrepublik Deutschland beschränkte – umfassende Überwachung der gesamten Verarbeitungskette über Zertifizierungssysteme und -stellen sichergestellt. Anlage 8 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Matthias Miersch (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 10): Welche Ziele verfolgt die Bundesregierung im Rat der Europäischen Union in den Verhandlungen über den Vorschlag COM(2012) 595 vom 17. Oktober 2012 für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 98/70/EG über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 2009/28/EG zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen? Die Bundesregierung begrüßt die Vorlage eines Regelungsvorschlags mit dem Ziel der Vermeidung von negativen Effekten durch indirekte Landnutzungsänderungen, ILUC, im Zusammenhang mit der Förderung von Biokraftstoffen. Der Vorschlag enthält wichtige Aspekte, die auch von der Bundesregierung im Zusammenhang mit indirekten Landnutzungsänderungen gefordert wurden. Die Einführung einer Obergrenze für „konventionelle“ Biokraftstoffe in Höhe von 5 Prozent wird begrüßt, soweit die innerhalb dieser Obergrenze eingesetzten Biokraftstoffe als ILUC-frei gelten. Dies ist gerechtfertigt, da die durch diese Biokraftstoffe verursachten ILUC-Effekte in der Vergangenheit stattgefunden haben. Durch diese Obergrenze wird ein angemessener Bestandsschutz für Unternehmen geschaffen, die in der Vergangenheit investiert haben. Die Fortführung der Möglichkeit der Förderung von konventionellen Biokraftstoffen sollte bis 2030 erweitert werden, um bestehende Investitionen zu schützen. Anlage 9 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Matthias Miersch (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 11): Wie kann aus Sicht der Bundesregierung unter Berücksichtigung der Verhandlungen über den Vorschlag COM(2012) 595 sichergestellt werden, dass 2020 der Anteil von Energie aus erneuerbaren Quellen bei allen Verkehrsträgern in der EU mindestens 10 Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor entspricht? Da derzeit nicht absehbar ist, welche Ergebnisse die noch laufenden Verhandlungen zum Kommissionsvorschlag haben werden, kann die Frage nicht beantwortet werden. Unter derzeitigen Rahmenbedingungen werden Biokraftstoffe zur Erreichung des 10-Prozent-Ziels eine wesentliche Rolle spielen. Anlage 10 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Fragen des Abgeordneten Gerd Bollmann (SPD) (Drucksache 17/13810, Fragen 12 und 13): Welche Folgen erwartet die Bundesregierung durch die im Vorschlag COM(2012) 595 der Europäischen Kommission enthaltene stärkere Förderung von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen insbesondere in Bezug auf neue Nutzungskonkurrenzen? Welche Folgen erwartet die Bundesregierung durch die im Vorschlag COM(2012) 595 der Europäischen Kommission vorgesehene Mehrfachanrechnung von Biokraftstoffen aus Reststoffen der Palmölproduktion insbesondere in Bezug auf eine mögliche Ausweitung des Einsatzes und Anbaus von Produkten der Ölpalme? Die Bundesregierung prüft diesen Vorschlag derzeit intensiv. Aufgrund der starken Anreizwirkung der in dem Vorschlag nun erstmals vorgesehenen Vierfachgewichtung gilt es eingehend zu prüfen, inwieweit hieraus unerwünschte Wirkungen auf bereits existierende Verwertungswege entstehen können. Diese Wirkungen berühren möglicherweise auch gemeinschaftliche Zielsetzungen in den Bereichen der anderen erneuerbaren Energien, der Landwirtschaft, der Abfallwirtschaft und der biologischen Vielfalt. Entstehende Nutzungskonkurrenzen müssen sehr genau bedacht werden. Die Bundesregierung hat die Europäische Kommission daher aufgefordert, für die für die Vierfachgewichtung vorgesehenen Stoffe – soweit vorhanden – Potenzialabschätzungen vorzulegen; darunter würden auch die Abfallstoffe aus der Produktion von Palmöl fallen. Anlage 11 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 14): Welche Position vertritt die Bundesregierung zum im Vorschlag COM(2012) 595 der Europäischen Kommission enthaltenen Ansatz, die indirekten Landnutzungsänderungen in der Treibhausgasbilanz von Biokraftstoffen zu berücksichtigen und dazu einen sogenannten ILUC-Faktor einzuführen? Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass ein ILUC-Faktor nur im Rahmen von Berichtspflichten eingeführt wird. Bei der Quantifizierung der Treibhausgasemissionen im Rahmen der Nachhaltigkeitskriterien ist eine Nutzung des Faktors hingegen nicht vorgesehen. Die Kommission hat jedoch angekündigt, Werte in 2017 im Rahmen einer Überprüfung der Vorschriften für die Zeit nach 2020 einzuführen. Die Bundesregierung lehnt die Einführung eines ILUC-Faktors als Maßnahme zur Vermeidung von indirekten Landnutzungsänderungen ab, da seine Herleitung mit großen fachlichen Unsicherheiten behaftet ist. Anlage 12 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 15): Wie steht die Bundesregierung zum Vorschlag, statt der Anwendung von ILUC-Faktoren Biokraftstoffe aus Regionen aus der Anrechnung auf die Quote auszuschließen, in denen durch Landnutzungsänderungen für den Anbau der Biomasse mehr als 35 Prozent der Treibhausgasemissionen des Einsatzes von fossilen Treibstoffen emittiert werden, und den Vorschlag COM(2012) 595 entsprechend zu ändern? Der Kommissionsvorschlag sieht konkret keinen ILUC-Faktor vor, wie in der Antwort zur vorherigen Frage ausgeführt. Im Übrigen begrüßt die Bundesregierung die Vorlage der Kommission mit dem Ziel der Vermeidung von negativen Effekten durch indirekte Landnutzungsänderungen, ILUC, im Zusammenhang mit der Förderung von Biokraftstoffen. Der Vorschlag enthält wichtige Aspekte, die auch von der Bundesregierung im Zusammenhang mit indirekten Landnutzungsänderungen gefordert wurden. Eine Änderung des Vorschlags der Kommission im Sinne der Frage unterstützt die Bundesregierung nicht, da wesentliche Fragen der Umsetzung und Wirksamkeit dieses Ansatzes, zum Beispiel WTO-Fragen und Wirksamkeit der Maßnahme – Verdrängungseffekte –, ungeklärt sind. Auch wäre in der Folge mit höheren Preisen für den Verbraucher zu rechnen, da mit der vorgeschlagenen Maßnahme teilweise preiswertere Konkurrenten aus den Schwellenländern – zum Beispiel Ethanolhersteller aus Brasilien – wegfielen und die heimischen Anbieter angesichts der zu erwartenden stärkeren Knappheit künftig mehr für die von ihnen produzierten Biokraftstoffe verlangen könnten. Anlage 13 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 16): Welche Rolle spielen nach Auffassung der Bundesregierung Biokraftstoffe der ersten Generation und welche Rolle aus Abfall- und Reststoffen gewonnene Biokraftstoffe der zweiten Generation bei der Erreichung des Zieles, 10 Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien zu erzeugen? Zur Erfüllung des Ziels, 10 Prozent des Endenergieverbrauchs im Verkehrssektor aus erneuerbaren Energien zu erzeugen, werden auch Biokraftstoffe der ersten Generation einen wichtigen Beitrag liefern. Voraussetzung ist, dass sie die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen eine zunehmende Bedeutung erlangen. Die als besonderer Anreiz für fortschrittliche Biokraftstoffe von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Mehrfachanrechnung wird jedoch von Deutschland derzeit noch intensiv geprüft. Eine Mehrfachanrechnung auf das 10Prozent-Ziel wird zwar grundsätzlich als geeignetes Instrument zur Förderung des Einsatzes von Biokraftstoffen aus Rest- und Abfallstoffen betrachtet; allerdings sieht der Vorschlag erstmals eine Vierfachgewichtung bestimmter Biokraftstoffe vor, die aufgrund des starken Anreizes auch unerwünschte Wirkungen auf bereits existierende Verwertungswege auslösen könnte. Anlage 14 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Marco Bülow (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 17): Welche Maßnahmen sind nach Auffassung der Bundesregierung notwendig, um aus der Nutzung von Biokraftstoffen resultierende direkte und indirekte Landnutzungsänderungen zu verhindern? Direkte Landnutzungsänderungen, die ökologisch wertvolle Flächen betreffen, Flächen mit hohem Naturschutzwert – zum Beispiel Primärwälder – oder Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand – zum Beispiel Feuchtgebiete und Torfmoore –, sind bereits durch die geltende Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsanforderung für Biokraftstoffe erfasst. Ein Biokraftstoff, der solche Landnutzungsänderungen verursacht, ist nicht nachhaltig und kann nicht auf die Biokraftstoffquote angerechnet werden. Indirekte Effekte von Landnutzungsänderungen sind derzeit nicht messbar und nur anhand von Modellierungsansätzen darstellbar. Der von der Kommission vorgeschlagene Ansatz einer Obergrenze für den Anteil „konventioneller Biokraftstoffe“ wird von Deutschland unterstützt, um mögliche negative Umwelt- und Klimaschutzeffekte beim Ausbau des Biokraftstoffeinsatzes zu begrenzen. Dieser Ansatz ist ein angemessener Mittelweg zwischen dem Schutz von Umwelt und Natur (da er eine effektive Lösung zur Vermeidung von indirekten Landnutzungsänderungen darstellt) und dem Interesse der Biokraftstoffindustrie am angemessenen Bestandsschutz für getätigte Investitionen, die insbesondere die Fortführung der Möglichkeit der Förderung von Biokraftstoffen nach dem Jahr 2020 fordert. Anlage 15 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 18): Setzt sich die Bundesregierung für die Erhöhung des 20Prozent-Ausbauziels für 2020 für erneuerbare Energien in der EU-Richtlinie 2009/28/EG ein, und für welche Ausbauziele für erneuerbare Energien setzt sich die Bundesregierung für den Zeitraum bis 2030 ein? Die Bundesregierung setzt sich zur Erreichung des 20-Prozent-Ziels auf EU-Ebene für die Umsetzung der Erneuerbaren-RL 2009/28/EC ein. Das sich daraus ergebende 18Prozent-Ziel für Deutschland in 2020 steht im Einklang mit den Zielen des Energiekonzepts. Die Bundesregierung hat noch keine abgestimmte Position zu einem EU-Erneuerbaren-Ziel für 2030. Anlage 16 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 19): Wann legt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag den Monitoringbericht für das Jahr 2012 zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, nach § 65 a EEG 2012 vor, und welchen Inhalt hat der Bericht? Zu berichtende Angaben über den Ausbau der erneuerbaren Energien, über die Zielerreichung und die daraus resultierenden Herausforderungen gemäß § 65 a EEG sind für das Berichtjahr 2011 im Kapitel 6 des Ersten Monitoringberichts der Bundesregierung „Energie der Zukunft“ vom Dezember 2012 dokumentiert. Für das Berichtsjahr 2012 werden diese Angaben im zweiten Monitoringbericht der Bundesregierung fortgeschrieben. Der zweite Monitoringbericht „Energie der Zukunft“ soll im Dezember 2013 vorgelegt werden. Anlage 17 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 20): Wie bewertet die Bundesregierung den Zusammenhang zwischen dem Klimawandel und der Zunahme von Extremwetterereignissen wie zum Beispiel Starkregenereignissen, die zu häufigeren und stärkeren Überschwemmungen führen können, und welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem aktuellen Hochwasser im Hinblick auf ihre aktuelle Klimapolitik, insbesondere hinsichtlich einer Reform des Emissionshandels? Einzelne regionale extreme Wetterereignisse wie die Starkniederschläge der vergangenen Wochen sind nur indirekt auf den Klimawandel zurückzuführen. Höhere Durchschnittstemperaturen werden jedoch für mehr und intensivere Wetterextreme sorgen wie zum Beispiel Überschwemmungen oder Dürren. Dabei wird auch die Anzahl der besonders extremen und gefährlichen Wetterphänomene zunehmen. Das Schadenspotenzial durch Wetterextreme kann damit deutlich wachsen. Auch für Deutschland rechnet die Bundesregierung mit einer Zunahme von Starkniederschlägen, vor allem im Winter. Für die Sommer ist ebenfalls von häufigeren Starkniederschlägen auszugehen, wenngleich in etwas geringerem Maße. Entsprechend ist auch mit einer Zunahme von Überschwemmungsgefahren zu rechnen, auf die sich die jeweiligen Regionen entsprechend vorbereiten sollten. Die Bundesregierung steht zu ihren anspruchsvollen Klimaschutzzielen und arbeitet mit großem Nachdruck an deren Umsetzung. Leitbild der deutschen Energiepolitik ist eine sichere, bezahlbare und umweltverträgliche Energieversorgung. Das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent und bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern, ist ein entscheidender Treiber für den grundlegenden Umbau der deutschen Energieversorgung in Richtung erneuerbarer Energie und mehr Energieeffizienz. Hinsichtlich einer Reform des Emissionshandels sind auch die Energie- und Klimapolitik insgesamt und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Wirtschaft und deren internationale Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Der Zeitplan für das Verfahren liegt weiterhin in den Händen der europäischen Institutionen – vor allem auch des EP – ebenso wie die Fortentwicklung von Vorschlägen zur Stärkung des Emissionshandels. Anlage 18 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hermann E. Ott (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Fra-ge 21): Welche volkswirtschaftlichen Gesamtkosten sind nach Kenntnisstand der Bundesregierung durch Extremwetterereignisse in den letzten zehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere durch Starkregen- und Hochwasserereignisse entstanden (bitte Zahlen möglichst nach Ereignissen aufgeschlüsselt angeben), und inwieweit kommt die Bundesregierung angesichts der aktuellen Hochwasserereignisse zu einer Neubewertung hinsichtlich der Kosten der Energiewende und des weiteren Ausbaus der klimaschonenden erneuerbaren Energien? Der Bundesregierung liegen keine eigenen Berechnungen zu volkswirtschaftlichen Kosten durch Extremwetterereignisse vor. Nach den Daten der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft beliefen sich die durch Naturkatastrophen (geophysikalische, meteorologische, hydrologische und klimatologische Ereignisse) verursachten Gesamtschäden in Deutschland für den Zeitraum 2002 bis 2012 auf insgesamt 40,64 Milliarden Euro (inflationsbereinigt nach Werten von 2012). Die Kosten für versicherte Schäden betrugen dabei 15,77 Milliarden Euro (inflationsbereinigt nach Werten von 2012). Der Anteil der Kosten, verursacht durch meteorologische Ereignisse (Sturm), betrug insgesamt 20,57 Milliarden Euro. Hydrologische Ereignisse (Überschwemmung, Massenbewegung) trugen mit 17,08 Milliarden Euro und klimatologische Ereignisse (Temperaturextrem, Dürre und Waldbrand) mit 2,97 Milliarden Euro zu den Gesamtkosten bei. Für die Bundesregierung stellt die Vermeidung und Verringerung von Klimaschäden eine wesentliche Begründung für Klimaschutz und die Energiewende dar. Insofern sind die aktuellen Ereignisse kein Anlass für eine Neubewertung des Klimaschutzes und der Energiewende. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 22): Welchen Zusammenhang sieht die Bundesregierung zwischen dem konstant hohen Flächenverbrauch und den Folgen von Hochwasserereignissen? Soweit die Flächeninanspruchnahme zu einer zusätzlichen Versiegelung von Flächen führt, wird tendenziell der natürliche Wasserrückhalt in der Fläche verringert. Dies kann zu einem beschleunigten Oberflächenabfluss von Niederschlägen und damit zur Entstehung von Hochwasser beitragen. Zudem kann die zusätzliche Umwidmung von Flächen die nach § 77 Wasserhaushaltsgesetz, WHG, verlangte Erhaltung bzw. Wiederherstellung von Rückhalteflächen erschweren. Schließlich kann die Flächeninanspruchnahme je nach Flächennutzung und in Abhängigkeit vom Grad der Versiegelung zu einer Erhöhung des Schadenspotenzials beitragen. Um dem entgegenzuwirken, verpflichtet das Wasserhaushaltsgesetz in § 76 die Länder zur Festsetzung von Überschwemmungsgebieten, für die die besonderen Schutzvorschriften des § 78, WHG, gelten. Zu diesen besonderen Schutzvorschriften gehören insbesondere das Verbot des Umbruchs von Grünland in Ackerfläche sowie die grundsätzliche Untersagung der Ausweisung von Baugebieten sowie der Errichtung und Erweiterung baulicher Anlagen in den festgesetzten Überschwemmungsgebieten. Ausnahmen von diesen Einschränkungen hinsichtlich der Bebauung sind nur unter strengen Auflagen zulässig, durch die insbesondere sichergestellt wird, dass sowohl der Hochwasserabfluss als auch die Höhe des Wasserstandes nicht beeinflusst, der Hochwasserrückhalt und bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt, die Belange der Hochwasservorsorge berücksichtigt werden und eine Gefährdung von Leib und Leben oder erhebliche Gesundheits- oder Sachschäden nicht zu erwarten sind. Daneben muss es aus Hochwasservorsorgegesichtspunkten durch planerische Maßnahmen auch außerhalb von förmlichen Überschwemmungsgebieten unser Ziel sein, die in der Nachhaltigkeitsstrategie vorgesehene Reduzierung der Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke so weit wie möglich umzusetzen. Anlage 20 Antwort der Parl. Staatssekretärin Ursula Heinen-Esser auf die Frage der Abgeordneten Bettina Herlitzius (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 23): Reicht das 100-jährliche Hochwasserereignis als Bemessungsgrundlage für vorbeugenden Hochwasserschutz aus, oder müssen aufgrund des Klimawandels die Richtlinien verändert werden? Das sogenannte Hundertjährliche Hochwasser, also ein Hochwasser mit einer statistischen Eintrittswahrscheinlichkeit von mindestens einmal in 100 Jahren, wurde und wird in der Tat vielfach als sogenanntes Bemessungshochwasser bei der Planung von Hochwasserschutzmaßnahmen zugrunde gelegt. Dies gilt im Übrigen auch für die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten, die nach § 76 WHG verpflichtend vorgesehen ist. Dies ist Ausdruck der Tatsache, dass es einen hundertprozentigen Schutz gegen extreme Hochwasser nicht gibt und man sich daher auf ein bestimmtes Schutzniveau als Basis für Planung und Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen verständigen muss. Die Länder berücksichtigen allerdings in ihrer Planung abweichend davon bereits heute besondere Risikolagen und beziehen vielfach auch bereits Sicherheitszuschläge im Hinblick auf den Klimawandel mit ein. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 24): Welche Kosten sind dem Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, für die Entwicklung der BMBF-App (https://tunes.apple.com/de/app/bmbf/id544677411?mt=8) entstanden, und aus welchem Haushaltstitel wurde die Entwicklung der BMBF-App finanziert? Die App wurde gleichzeitig für die Systeme IOS und Android entwickelt. Die Entwicklungskosten beliefen sich auf circa 37 000 Euro und wurden aus dem Haushaltstitel 3003 541 01 finanziert. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Michael Gerdes (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 25): Welche Zielgruppen soll die BMBF-App erreichen, die bisher nicht über die vielfältigen Angebote der BMBF-Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden konnten, und wie viele Personen haben nach Kenntnis des BMBF die BMBF-App bis heute heruntergeladen? Eine App ist eine zeitgemäße, einfache und schnelle Möglichkeit, die Internetangebote des BMBF und damit verbundener weiterer Partner und Aktionen auf mobilen Endgeräten einsehen und nutzen zu können. Sie wurde für die immer größer werdende Zielgruppe der Nutzerinnen und Nutzer mobiler Endgeräte entwickelt. Die App stellt einen zusätzlichen Zugang zu den umfangreichen Internetangeboten des BMBF dar, mit der nicht zuletzt neue medienaffine Zielgruppen erreicht werden sollen. Im Zeitraum von Juli 2012 bis Ende Mai 2013 wurde die BMBF-App 2 185-mal heruntergeladen und installiert (1 392 IOS; 793 Android). Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 26): Welchen informationellen Mehrwert über die Arbeit des BMBF erwartet das Bundesministerium durch das Veröffentlichen von Terminen der Parlamentarischen Staatssekretäre etwa zur „symbolischen Übergabe von Förderbescheiden“ im Rahmen der BMBF-App, und werden die im Deutschen Bundestag für den jeweils betroffenen Wahlkreis zuständigen Abgeordneten unabhängig von einer möglichen Nutzung der BMBF-App über diese Termine vorab informiert? Die Übergabe von Förderbescheiden ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des BMBF, mit der über besondere Förderaktivitäten informiert wird. Im Rahmen der routinemäßigen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit werden die öffentlichkeitswirksamen Termine der Hausleitung auf der Homepage des BMBF veröffentlicht; die BMBF-App ist mit dieser verlinkt. Die Informationen stehen damit allen Abgeordneten zur Verfügung. Eine formalisierte Vorabinformation erfolgt nicht. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Oliver Kaczmarek (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 27): Welche verfassungsrechtlichen Voraussetzungen müssten nach Ansicht der Bundesregierung gegeben sein, um vonseiten des Bundes eine in Aussicht gestellte Ausstattung von Schulen mit Laptops und Tablet-PCs finanziell unterstützen zu können, und wäre eine solche Ausstattung in Form eines wie von der Fraktion der SPD vorgeschlagenen neuen Art. 104 c GG möglich? Schulrelevante Fragestellungen wie zum Beispiel die Bereitstellung digitaler Lerninhalte sowie die Ausrüstung von Schulen mit Tablet-PCs fallen in die Zuständigkeit der Länder, Kommunen und Schulträger. Bund und Länder stehen dennoch im Austausch zu Fragen der Optimierung und Verbesserung des schulischen Bildungssystems. Bund und Ländern ist es auch nach geltender Verfassungslage möglich, politische Abreden zu treffen, die im Rahmen der jeweiligen verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten umgesetzt werden. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Willi Brase (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 28): Ist die Aussage der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD zum Stand der Bildungsforschung (Bundestagsdrucksache 17/7776): „Schulrelevante Fragestellungen wie auch der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht liegen somit in der Zuständigkeit der Länder, Schulträger und Kommunen“, vereinbar mit möglichen Initiativen der Bundesregierung mit dem Ziel, etwa Tablets für alle Schülerinnen und Schüler bereitzustellen oder aber Maßnahmen zu treffen, um „Lerninhalte digital zugänglich zu machen“ (vergleiche Rheinische Post vom 2. Juni 2013, „Wahlkampf: CDU will die digitale Schule“), und, falls ja, welche diesbezüglichen Initiativen bereitet die Bundesregierung bereits vor? Schulrelevante Fragestellungen wie zum Beispiel die Bereitstellung digitaler Lerninhalte sowie die Ausrüstung von Schulen mit Tablet-PCs fallen in die Zuständigkeit der Länder, Kommunen und Schulträger. Bund und Länder stehen dennoch im Austausch zu Fragen der Optimierung und Verbesserung des schulischen Bildungssystems. Bund und Ländern ist es auch nach geltender Verfassungslage möglich, politische Abreden zu treffen, die im Rahmen der jeweiligen verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten umgesetzt werden. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des  Abgeordneten Willi Brase  (SPD)  (Drucksache 17/13810, Frage 29): Umfasst die Aussage der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion der SPD zum Stand der Bildungsforschung (Bundestagsdrucksache 17/7776): „Es wird darauf verwiesen, dass die Gestaltung der Rahmenbedingungen des Lehrerberufs (Arbeitsplatz, Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung usw.) aufgrund der föderalen Zuständigkeiten in der Verantwortung der Länder liegt“, auch die Ausstattung der Fachräume in Schulen, und fallen Maßnahmen, die etwa zur besseren Ausstattung der Fachräume einen Abbau des „Sanierungsstaus“ an Schulen zum Ziel haben, in die Zuständigkeit des Bundes (vergleiche Rheinische Post vom 2. Juni 2013, „Wahlkampf: CDU will die digitale Schule“)? Die Ausgestaltung von Unterrichtsräumen in allgemeinbildenden Schulen fällt aufgrund der föderalen Zuständigkeit allein in die Verantwortung der Länder und Schulträger. Bund und Länder stehen dennoch im Austausch zu Fragen der Optimierung und Verbesserung des schulischen Bildungssystems. Bund und Ländern ist es auch nach geltender Verfassungslage möglich, politische Abreden zu treffen, die im Rahmen der jeweiligen verfassungsrechtlichen Zuständigkeiten umgesetzt werden. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 30): Inwieweit konnten die in der Pressemitteilung des BMBF vom 3. März 2009 „Verfahren zur Hochschulzulassung wird entscheidend verbessert“ veröffentlichten – zwischen BMBF, Hochschulrektorenkonferenz und Kultusministerkonferenz vereinbarten – Eckpunkte zur Hochschulzulassung nach Einschätzung der Bundesregierung realisiert werden, und wie viele Studienplätze sollen im Rahmen des Dialogorientierten Serviceverfahrens zum Wintersemester 2013/2014 vergeben werden? Die im März 2009 von der Bundesministerin für Bildung und Forschung mit Vertretern der Kultusministerkonferenz, KMK, und der Hochschulrektorenkonferenz, HRK, vereinbarten Eckpunkte zur Verbesserung der Hochschulzulassungsverfahren wurden wie folgt umgesetzt: – Mit finanzieller Förderung des Bundes in Höhe von 15 Millionen Euro wurde die für das Dialogorientierte Serviceverfahren, DoSV, notwendige zentrale Software von der Firma – T-Systems im Auftrag der von den Ländern getragenen Stiftung für Hochschulzulassung, SfH, entwickelt und steht der SfH seit April 2011 einsatzbereit zur Verfügung. Die Projektförderung des Bundes ist zum 29. Februar 2012 ausgelaufen. – Die Länder haben mehrfach, zuletzt im Oktober 2012, in der KMK beschlossen, die Finanzierung des DoSV bis zum Anschluss einer Mehrzahl der Hochschulen in staatlicher Verantwortung zu sichern und mit Nachdruck darauf hinzuwirken, dass sich ihre Hochschulen am DoSV beteiligen. – Die Hochschulen haben in der Mitgliederversammlung der HRK am 21. April 2009 mit einer Mehrheit von 92 Prozent beschlossen, das DoSV ab seiner Verfügbarkeit nutzen zu wollen. Sie haben sich ferner auf einheitliche Termine für den Bewerbungsschluss und den Versand der Zulassungsbescheide verständigt. Seit Herbst 2009 wird jeweils im Anschluss an die regulären Zulassungsverfahren über die noch freien Studienplätze in einer von SfH und HRK gemeinsam betriebenen Online-Studienplatzbörse informiert. – Nach Angaben der SfH beteiligen sich am DoSV zum Wintersemester 2013/14 etwa 50 Hochschulen mit rund 170 Studiengängen. Die SfH geht von mindestens 13 000 Studienplätzen aus, deren Zulassung über das DoSV vergeben wird. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Swen Schulz (Spandau) (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 31): Welchen Fahrplan verfolgt die Bundesregierung bezüglich des weiteren Verfahrens zur Abschaffung des Kooperationsverbots, und mittels welcher Formulierung zur Änderung des Grundgesetzes plant das BMBF dem von der Bundesministerin Professor Dr. Johanna Wanka in einer Pressemitteilung des BMBF formulierten Ziel „hin zu einer besseren Bildungskooperation“ durch Änderung des Grundgesetzes Rechnung zu tragen (vergleiche BMBF-Pressemitteilung vom 16. Mai 2013, „Wanka fordert Grundgesetzänderung“)? In der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 16. Mai 2013 hat Frau Bundesministerin Professor Dr. Johanna Wanka ausgeführt, dass wir „bereits heute die Hochschulen stärker unterstützen und den ersten Schritt hin zu einer besseren Bildungskooperation gehen.“ Damit hat die Bundesministerin die unveränderte Auffassung der Bunderegierung zum Ausdruck gebracht, dass mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Art. 91 b GG die richtigen Weichen für eine nachhaltige Stärkung der Hochschulen in Deutschland gestellt werden. Die Realisierung dieses Gesetzgebungsvorhabens würde es Bund und Ländern ermöglichen, bei zentralen Zukunftsfragen im Wissenschaftsbereich ihre Kräfte auf Dauer zu bündeln und eine gemeinsame Strategie für den Wissenschaftsstandort Deutschland zu entwickeln. Nach Art. 79 Abs. 2 bedarf ein Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes jedoch der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Bundestages und zwei Dritteln der Stimmen des Bundesrates. Entsprechende Mehrheiten sind derzeit nicht erkennbar. Ungeachtet dessen ist die Bundesregierung nach wie vor zu weiteren Gesprächen bereit. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 32): Ist es zutreffend, dass das BMBF gegenüber einer Journalistin, die einen Beitrag für die international renommierte Zeitschrift Science vorbereitete, behauptet hat, dass die von der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung des Grundgesetzes (Änderung des Art. 91 b GG, Abschaffung des Kooperationsverbots) bereits vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden sei, und, falls dies zutrifft, wie begründet die Bundesregierung diese Aussage (vergleiche Science 2013, „In the Global Competition for Smart Minds, Germany Grows Its Catch“ vom 22. März 2013)? Die Autorin von Science wurde bei ihrer umfangreichen Recherche zur deutschen Exzellenzinitiative und zur Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands vor dem Hintergrund steigender Investitionen in Bildung und Forschung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, unterstützt. Dabei wurde sie auch auf den Stand und die verschiedenen Schritte dieses Gesetzgebungsverfahrens hingewiesen, die korrekt auf der BMBF-Homepage dargestellt sind. Ende Januar 2013 bat die Autorin bei einer letzten Abstimmung per Mail noch einmal um eine Bestätigung der dargestellten Fakten. Dabei ist es nicht zuletzt im Zuge mehrfacher Übersetzungen in der Antwort des BMBF zu einer Verwechslung der Begriffe „Kabinett“ und „Parlament“ gekommen. Die Autorin wurde hierauf inzwischen hingewiesen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Ulla Burchardt (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 33): Kann die Bundesregierung den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages eine Auflistung der Anfragen für den „nanoTruck“ für den Zeitraum Juni bis August 2013 mit Namen des Anfragenden bzw. der anfragenden Einrichtung sowie Eingangsdatum der Anfrage und – sofern eine entsprechende Information versandt wurde – den Originaltext von Informationsschreiben des BMBF an Mitglieder des Deutschen Bundestages, in denen über die Möglichkeit der Anforderung des „nanoTruck“ informiert wurde, zeitnah zur Verfügung stellen, und, falls ja, wann wird das BMBF die entsprechenden Unterlagen bereitstellen? Eine Aufstellung der Veranstaltungen/Veranstalter findet sich in der angehängten Tabelle für den Zeitraum Juni 2013 bis August 2013. Die Mitglieder des Bundestages wurden nicht speziell über die Anforderungsmöglichkeiten des „nanoTruck“ informiert. Die Informationen hierzu sind öffentlich auf der Internetseite der Initiative unter www.nanotruck.de einsehbar. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 34): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass das vom BMBF geförderte Deutsche ITER-Industrie Forum e. V., dessen Vorstandsvorsitzender ein ehemaliges, langjähriges Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist, parlamentarische Frühstücke durchführt, zu denen lediglich die Mitglieder der beiden Regierungsfraktionen, CDU/CSU und FDP, eingeladen werden, und unterstützt das BMBF eine solche selektive Informationspolitik von vom BMBF geförderten Einrichtungen? Das Deutsche ITER-Industrie Forum, DIIF, wurde gegründet, um die Chancen der deutschen Industrie bei der Realisierung des Projekts ITER, International Thermonuclear Experimental Reactor, sowie weiterer internationaler Forschungsprojekte der Kernfusion optimal zu positionieren, den Technologietransfer zwischen der deutschen Industrie, Forschungseinrichtungen in Deutschland und diesen internationalen Hochtechnologieprojekten zu fördern und die Öffentlichkeit über diese Projekt zu informieren. Dem Verein gehören interessierte Industrieunternehmen an, die die Arbeit des Vereins durch Mitgliedsbeiträge unterstützen. Vergleichbare Einrichtungen gibt es in Frankreich und anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Der Verein betreibt eine Internetplattform und unterhält ein Verbindungsbüro in Aix-en-Provence in der Nähe des Standorts von ITER. Gegenstand der Förderung des Deutschen ITER-Industrie Forums durch das BMBF ist die Beratung und Beteiligung der deutschen Industrie bei Ausschreibungen der Internationalen Organisation ITER, IO, und von Fusion for Energy, F4E, die Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen, die Durchführung von Informationsveranstaltungen und sogenannten Industrietagen vornehmlich in der Nähe des ITER-Standortes in Frankreich, die Entwicklung von Vorschlägen und die Beratung zu Fragen der Ausschreibungsbedingungen sowie die Organisation und Betreuung von Messebeteiligungen. Das Veranstalten von „Parlamentarischen Frühstücken“ gehört nicht zum Gegenstand der Förderung des BMBF. Anlage 32 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten René Röspel (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 35): Ist das BMBF bereit, den Mitgliedern des Bundestages das von einem internationalen Gutachtergremium erstellte Gutachten zur Bewertung des Forschungskonzepts des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung im Originaltext zur Verfügung zu stellen, und, falls nein, wie begründet die Bundesregierung, dass das BMBF einerseits eine Pressemitteilung he-rausgibt, in der es den Inhalt des Gutachtens bewertet (vergleiche BMBF, „Gutachter loben Berliner Institut für Gesundheitsforschung, (BIG)“, Pressemitteilung vom 7. Mai 2013), andererseits dem Deutschen Bundestag das Gutachten jedoch vorenthält? Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung die deutsche Übersetzung der Zusammenfassung der wesentlichen Begutachtungsergebnisse zeitnah zukommen lassen. Auf Wunsch kann auch der englischsprachige Originaltext der Zusammenfassung zur Verfügung gestellt werden. Das Gesamtgutachten befindet sich noch in der Abstimmung mit den Gutachtern. Es wird davon abgesehen, das Gutachten als Ganzes zur Verfügung zu stellen, da es vertrauliche Hinweise für die Zuwendungsgeber und für den Vorstand des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung, BIG, enthält und daher nicht öffentlich ist. Ferner setzt eine wissenschaftliche Begutachtung voraus, dass Experten in einem geschützten und vertraulichen Rahmen ihre fachliche Einschätzung ohne Vorbehalte äußern können. Nur dies gewährleistet, dass notwendige Kritik durch andere Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen tatsächlich geäußert wird. Anlage 33 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 36): Gibt es nach Auffassung der Bundesregierung Gründe nach § 4 oder § 6 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes, die einem Zugänglichmachen des Gutachtens zur Bewertung des Forschungskonzepts des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung entgegenstehen würden, und, falls ja, welche? Ausweislich der Gesetzesbegründung kann insbesondere der Zugang zu konkreten Gutachten im Verfahren der Forschungsförderung eingeschränkt bzw. versagt werden, denn eine wissenschaftliche Begutachtung setzt voraus, dass Experten in einem vertraulichen und geschützten Rahmen ihre fachliche Einschätzung offen und ohne Vorbehalte äußern können. Nur dies gewährleistet, dass notwendige Kritik durch andere Wissenschaftler tatsächlich geäußert wird. Daher kann der Zugang während laufender Verwaltungsverfahren gemäß §§ 3 und 4 IFG verweigert werden, weil die behördlichen Beratungen auch noch nicht abgeschlossen sind und um die Entscheidungsfindung nicht zu gefährden. Es wird zudem davon abgesehen, das Gutachten als Ganzes zur Verfügung zu stellen, da es vertrauliche Hinweise für die Zuwendungsgeber und für den Vorstand des Berliner Instituts für Gesundheitsforschung, BIG, enthält und daher nicht öffentlich ist. Um dem Informationsbedürfnis dennoch bestmöglich Genüge zu tun, wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung den Mitgliedern des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung die deutsche Übersetzung der Zusammenfassung der wesentlichen Begutachtungsergebnisse zeitnah zur Verfügung stellen. Anlage 34 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 37): Wie hoch liegt der Frauenanteil bei der Besetzung der Nationalen Plattform Zukunftsstadt, und warum ist es dem BMBF nicht gelungen, einen Anteil von 40 Prozent Frauen in dieses Gremium zu berufen (vergleiche BMBF, „Konzepte für die ZukunftsWerkStadt“, www.bmbf.de/de/21394.php, Zugriff 3. Juni 2013)? Die Nationale Plattform Zukunftsstadt will in zwei Jahren Konzepte entwickeln, wie Städte möglichst CO2-neutral, energieeffizient und klimaangepasst weiterentwickelt werden können. Dies geschieht gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Kommunen und Wirtschaft. Die beteiligten gesellschaftlichen Gruppen sind gebeten worden, ihre Spitzenrepräsentierenden zu benennen und zu entsenden. Der Anteil der Frauen im Stakeholder-Forum ergibt sich somit aus ihrer Repräsentanz in den beteiligten Organisationen. Das Stakeholder-Forum der Nationalen Plattform Zukunftsstadt zählt derzeit 31 Mitglieder. Darunter sind drei Frauen. Ihr Anteil beträgt demnach 10 Prozent. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Fragen der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Fragen 38 und 39): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Studierende neben ihrem Studium einer Erwerbsarbeit nachgehen und wie viele Wochenarbeitsstunden sie arbeiten (bitte jeweils Anzahl und Anteil für Gesamtdeutschland, Sachsen sowie alte und neue Bundesländer nennen)? Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, wie viele Studierende es nicht schaffen, ihr Studium in der Regelstudienzeit zu beenden (bitte Aufschlüsselung nach Studierenden insgesamt und BAföG-Empfängern), und wie viele Studierende als arm gelten (bitte jeweils Anzahl und Anteil für Gesamtdeutschland, Sachsen sowie alte und neue Bundesländer nennen)? Zu Frage 38: Die Ergebnisse der 19. Sozialerhebung – Befragung im Sommersemester 2009 – geben hierzu Auskunft. Danach betrug die Erwerbstätigkeitsquote der Studierenden insgesamt im Bundesdurchschnitt 67 Prozent, die der Studierenden im Erststudium 66 Prozent. Die Erwerbstätigkeitsquote in Sachsen betrug für Studierende im Erststudium – im Sommersemester 2009 – 53 Prozent. Die Erwerbstätigkeitsquote war in den alten Ländern mit Ausnahme von Niedersachsen und Schleswig-Holstein durchweg höher als in den neuen Ländern. Die Vollzeitstudierenden gehen zu 67 Prozent einer Erwerbstätigkeit von bis zu 15 Stunden wöchentlich nach. 12 Prozent der Vollzeitstudierenden gehen einer Erwerbstätigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich nach. Zu Frage 39: Der Bundesregierung liegen keine validen Daten zu Studienabschlüssen innerhalb der Regelstudienzeiten vor. Eine gesetzlich definierte oder nach allgemeinem Sprachverständnis unzweideutige Festlegung, ab wann Studierende als „arm“ gelten, besteht nicht. Für die finanzielle Unterstützung der Studierenden während ihres Studiums sind die nach dem Unterhaltsrecht ihnen gegenüber Unterhaltspflichtigen – in der Regel die Eltern – verantwortlich. In den Fällen, in denen die finanzielle Leistungsfähigkeit der Unterhaltspflichtigen nicht zur Ausbildungsfinanzierung ausreicht, haben Studierende in der Regel einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung nach dem BAföG. Dies ist der Fall, wenn das anrechenbare Elterneinkommen nicht die Höhe der Bedarfssätze nach § 13 Abs. 1 oder 2 sowie gegebenenfalls der Zuschläge nach §§ 13 a und 14 b BAföG erreicht. Darüber hinaus besteht für Studierende gegebenenfalls die Möglichkeit, einen zinsgünstigen Kredit nach dem Bildungskreditprogramm des Bundes oder auch als Studienkredit der KfW in Anspruch zu nehmen. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 40): Bei welchen einzelnen Veranstaltungen wurde das in der Liste der Zahlungen an externe Berater (Haushaltsausschussdrucksache 17(8)6030), die ansonsten im Wesentlichen Rechtsgutachten und IT-Beratungen umfasst, aufgeführte 2,63 Millionen Euro teure Vorhaben „Innovationsunterstützende Maßnahmen für Elektroniksysteme, Elektromobilität“ (Innovum) unter Angabe der jeweiligen Teilnehmer- bzw. Besucherzahlen in 2012 und bisher in 2013 im Einzelnen in der Praxis angewandt, und welche spezifischen Kompetenzen, die im BMBF nicht vorhanden sind bzw. waren, wurden dafür – unter Angabe des aktuellen Leistungserbringers – extern als Beratungsleistung eingekauft? Im Vorhaben „Innovationsunterstützende Maßnahmen für Elektroniksysteme, Elektromobilität“, Innovum, wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, flankierend zu seiner Forschungsförderung bei Maßnahmen zur Fachinformation und Nachwuchsförderung unterstützt. Es handelt sich in den Jahren 2012 und 2013 im Einzelnen um folgende Maßnahmen: Schülerwettbewerb INVENT a CHIP. INVENT a CHIP ist eine bundesweite Initiative des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V., VDE, und des BMBF, bei der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8 bis 13 (allgemein- und berufsbildende Schulen) sich mit Ideen für den Entwurf eines Mikrochips bewerben können. – 2012: 2 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dreitägiger Praxis-Workshop an der Leibniz Universität Hannover mit zwölf Schülerteams, Verleihung der vier Preise an sieben Schüler im Rahmen des VDE-Kongresses „Smart Grid“ in Stuttgart (5. bis 6. November 2012). – 2013: 1 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich seit Anfang Februar 2013 beworben, im September wird der Praxis-Workshop an der Leibniz Universität Hannover stattfinden; die Verleihung der Preise wird im Rahmen des Mikrosystemtechnikkongresses am 14. Oktober 2013 in Aachen stattfinden. Schülerwettbewerb SolarMobil Deutschland. SolarMobil Deutschland ist ein bundesweiter Wettbewerb, den der VDE und das BMBF ins Leben gerufen haben, um Jugendliche für das Zukunftsthema „alternative Fahrzeugantriebe und Energieeffizienz“ zu begeistern. – 2012: 60 Teams mit 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmern; Bundesfinale in Chemnitz am 20. September 2012. – 2013: Anfang April Bekanntgabe des Wettbewerbs; das Bundesfinale ist für den 20. September 2013 im Umfeld der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt/Main geplant. DRIVE-E-Programm für Studierende. DRIVE-E besteht aus vier Studienpreisen für Studierende von Fachhochschulen und Universitäten sowie der DRIVE-E-Akademie, einer Ferienschule für circa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Vorträgen ausgewiesener Fachexperten im Themenfeld. Das DRIVE-E-Programm wird zusammen mit der Fraunhofer Gesellschaft e. V. und einem wechselnden Universitätspartner durchgeführt. – 2012: 62 Bewerbungen für die Studienpreise; Verleihung war am 14. März 2012 in Aachen. 106 Bewerbungen für die Akademie vom 12. bis 16. März 2012 in Zusammenarbeit mit der RWTH Aachen – 2013: 48 Bewerbungen für die Studienpreise; Verleihung war am 6. März 2013 in Dresden. 139 Bewerbungen für die Akademie vom 4. bis 8. März 2013 in Zusammenarbeit mit der TU Dresden. Vorbereitung und Betreuung von Messeauftritten und Fachgesprächen – 2012: 23. bis 27. April 2012 Hannover Messe, BMBF-Stand sowie Beteiligung am Stand der Bundesregierung auf der MobiliTec, rund 195 000 Besucher; – Mai 2012 Leistungselektronik-Workshop im Umfeld der Leistungselektronik-Messe PCIM in Nürnberg, circa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer; – Dezember 2012 Statusseminar der BMBF-geförderten Projekte zur Elektromobilität in Bonn, circa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. – 2013: 8. bis 12. April 2013 Hannover Messe, BMBF-Stand sowie Beteiligung am Stand der Bundesregierung auf der MobiliTec, rund 217 000 Besucher; – 26. bis 27. Mai 2013 Internationale Konferenz Elektromobilität der Bundesregierung in Berlin (Interaktives Exponat zum Thema „Aus- und Weiterbildung in der Elektromobilität“), rund 900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die folgenden Kompetenzen wurden dabei als externe Leistung beauftragt: 1. Planung und Durchführung des jährlichen Schülerwettbewerbs INVENT a CHIP, 2. Planung und Durchführung des jährlich stattfindenden bundesweiten Programms zur Nachwuchsförderung im Bereich der Elektromobilität (DRIVE-E-Programm) mit den Modulen DRIVE-E-Akademie (Ferienschule) und DRIVE-E-Studienpreis, 3. Planung und Durchführung des jährlichen Bundeswettbewerbs für solarbetriebene Modellfahrzeuge SolarMobil Deutschland, 4. konzeptionelle Vorbereitung und Betreuung von Messeauftritten, Erstellung entsprechender Exponate, 5. inhaltliche Vorbereitung, Organisation und Durchführung von Fachgesprächen (Workshops) zu aktuellen Themen der Elektronik und Elektromobilität, 6. adressatengerechte Aufbereitung von Fachinformationen aus den Förderbereichen Elektroniksysteme und Elektromobilität. Der Vertrag fällt unter die Definition des Begriffs „externe Beratungsleistungen“ auf Basis des Beschlusses des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages vom 28. Juni 2006. Die Zuordnung dieses Vorhabens als „Beratervertrag“ ist administrativ korrekt; faktisch handelt es sich um organisatorische Unterstützungsleistungen, wie sich aus obiger Aufstellung ersehen lässt. Leistungserbringer ist die VDI Technologiezentrum GmbH, VDI TZ, in Düsseldorf, eine Einrichtung des Vereins Deutscher Ingenieure, VDI. Anlage 37 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Helge Braun auf die Frage des Abgeordneten Klaus Hagemann (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 41): Welche Konsequenzen in Bezug auf Projektlaufzeit, Arbeits- und Zeitplan sowie Förderhöhe hat die Bundesregierung beim Vorhaben „r3 – Aufschluss, Trennung und Rückgewinnung von ressourcenrelevanten Metallen aus Rückständen thermischer Prozesse“ aus dem ersten Zwischenbericht über den Projektfortschritt – unter Angabe der jetzt in 2013 für dieses Vorhaben vorgesehenen Förderung – gezogen, und inwieweit trifft es zu, dass dabei aktuell – auch ohne den Bau einer neuen Versuchsanlage – bereits erste Proben aus älteren Anlagen wissenschaftlich untersucht werden? Der Zwischenbericht für das Verbundvorhaben „r3 – Aufschluss, Trennung und Rückgewinnung von ressourcenrelevanten Metallen aus Rückständen thermischer Prozesse“, ATR, das im Jahr 2013 mit 580 000 Euro gefördert wird, wurde am 29. April 2013 vorgelegt. Die Zielerreichung des Gesamtvorhabens erscheint aus heutiger Sicht weiterhin sichergestellt. Eine Anpassung der Projektlaufzeit, des Arbeits- und Zeitplans sowie der Förderhöhe des Vorhabens ist derzeit nicht notwendig. Allerdings verschiebt sich die Errichtung der Versuchsanlage am Standort Hamburg voraussichtlich aufgrund genehmigungsrechtlicher Fragen im Zusammenhang mit dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, BImSchG, sowie Vorgaben des Flächennutzungsplans auf den Herbst 2013. Im Übrigen trifft es zu, dass bereits Schlackenproben aus anderen Quellen physikalisch-chemisch untersucht wurden. Anlage 38 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 42): Rechnet die Bundesregierung demnächst (bitte unter Angabe des Zeitraums) mit der Einleitung eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens aufgrund der bisherigen Nichtmeldung des Effizienzziels im Rahmen der EU-Energieeffizienzrichtlinie (siehe Antwort auf meine mündliche Frage 30, Plenarprotokoll 17/239, Anlage 16), und wie ist der derzeitige Verhandlungsstand innerhalb der Bundesregierung bezüglich der Meldung eines Ziels an die Europäische Kommission? Die Bundesregierung wird das indikative nationale Energieeffizienzziel gemäß Art. 3 EU-Energieeffizienzrichtlinie, EED, in Kürze an die EU-Kommission melden. Daher rechnet die Bundesregierung nicht mit der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Anlage 39 Antwort des Parl. Staatssekretärs Ernst Burgbacher auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 43): Wie ist der inhaltliche bzw. konzeptionelle Sachstand bezüglich der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, die vom Netzausbau betroffen sind und durch eine „Bürgerdividende“ am Gewinn durch den Leitungsausbau profitieren sollen, vor dem Hintergrund des Thesenpapiers vom September 2012 „Bürgerdividende Netzausbau“ vom Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Peter Altmaier, sowie der Antwort auf meine mündliche Frage 35, Plenarprotokoll 17/218, Anlage 20, und welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung hierbei zur Umsetzung? Aus Sicht der Bundesregierung kann die finanzielle Beteiligung von Bürgern an Leitungsbauprojekten ein wichtiger Baustein für die Akzeptanz des Netzausbaus und die Umsetzung der Energiewende sein. Das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium sind derzeit mit den Übertragungsnetzbetreibern hinsichtlich der Entwicklung und Ausgestaltung von Bürgerbeteiligungsmodellen im Gespräch. Ziel ist die Schaffung attraktiver Anlagemodelle mit einem angemessenen Rendite-Risiko-Profil für die vom Leitungsbau betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Damit Bürgerbeteiligungsmodelle erfolgreich umgesetzt und tatsächlich eine Beschleunigung des Netzausbaus erreicht werden können, ist aus Sicht der Bundesregierung wichtig, dass die Ausgestaltung und Umsetzung den Übertragungsnetzbetreibern obliegt. Nach Klärung offener Fragen – unter anderem rechtliche Anforderungen an Beteiligungsmodelle, organisatorischer Aufwand, Mehrkosten – wird die Bundesregierung zusammen mit den Übertragungsnetzbetreibern zeitnah einen gemeinsamen Vorschlag vorstellen. Die Erfahrungen aus dem Pilotvorhaben an der Westküstenleitung in Schleswig-Holstein werden die Beteiligten nutzen, um die Beteiligungsmodelle für Bürgerinnen und Bürger weiterzuentwickeln. Anlage 40 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 45): Welche libyschen oder sonstigen zivilen oder militärischen Behörden werden in bilateralen polizeilichen Projekten oder im Rahmen der EUBAM-Mission von Maßnahmen der 20 dort eingesetzten deutschen Polizistinnen und Polizisten konkret adressiert (bitte für jede einzelne Maßnahme/Workshop/Training der Bundespolizei und, soweit der Bundesregierung bekannt, der beteiligten Länderpolizeien darstellen), und wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die Zuständigkeit von Polizei und Militär für die Grenzüberwachung bzw. weitere Belange der inneren Sicherheit in Libyen derzeit geregelt (sofern in unterschiedlichen Provinzen zurzeit in unterschiedlicher Zuständigkeit, bitte jeweils einzeln darstellen)? EUBAM Libyen soll die libyschen Behörden durch Anleitung, Ausbildung und Beratung dabei unterstützen, kurzfristig die Kapazitäten zur verstärkten Sicherung der Land-, See- und Luftgrenzen Libyens auszubauen. Langfristig soll die Mission die libyschen Behörden bei der Ausarbeitung und Umsetzung einer umfassenderen Strategie für integriertes Grenzmanagement unterstützen. Vor diesem Hintergrund arbeitet EUBAM Libyen mit unterschiedlichen libyschen Behörden zusammen. Dazu gehören die dem Innenministerium unterstellte Grenzpolizei, der dem Finanzministerium unterstellte Zoll, die dem Verteidigungsministerium unterstellte neu geschaffene Institution der „Border Guards“ sowie unterschiedliche maritime Behörden, die dem Innen-, Finanz- oder Transportministerium unterstellt sind. Effektiver Grenzschutz lässt sich jedoch nur bei Vorhandensein eines effizienten Justizsystems umsetzen. Daher soll die Mission auch mit dem libyschen Justizministerium und dem Ministerium für lokale Regierung zusammenarbeiten. Derzeit sind ein Angehöriger der Bundespolizei sowie eine über das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, ZIF, entsandte Logistik-Expertin im Missionspersonal vertreten. Im Bereich der bilateralen polizeilichen Aufbauhilfe arbeitet das Bundeskriminalamt grundsätzlich mit dem libyschen Innenministerium zusammen. Die Auswahl der Lehrgangsteilnehmer erfolgt durch das libysche Innenministerium in Abstimmung mit Verbindungsbeamten des Bundeskriminalamtes. Zumeist handelt es sich um Angehörige des Innenministeriums oder der libyschen Polizeidienststellen. Die Strukturen und die Zuständigkeiten der libyschen Grenzüberwachung sind fragmentiert. Der Bundesregierung vorliegenden Informationen zufolge ist die Grenzpolizei an den 25 bestehenden libyschen Grenzübergängen für die Kontrolle illegaler Migrationsbewegungen zuständig. Zwei dieser 25 Grenzübergänge sind dem libyschen Innenministerium unterstellt. Die anderen werden von Milizen oder Stammesorganisationen überwacht. Der Süden des Landes wurde zu militärischem Sperrgebiet erklärt. Die dem Verteidigungsministerium unterstellten „Border Guards“ sollen die Landgrenzen in diesem Gebiet sichern. Die Seegrenzen im Norden des Landes werden durch die „Naval Coast Guard“ kontrolliert, die ebenfalls dem Verteidigungsministerium unterstellt ist. Anlage 41 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU) (Drucksache 17/13810, Frage 47): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Beeinflussung der türkischen Medien bzw. zur Zensur der türkischen Medien oder Kurznachrichtendienste wie Twitter durch die türkische Regierung angesichts des in der Türkei herrschenden „Ausnahmezustands“ („Es ist Revolution, und die Reporter gehen weg“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4. Juni 2013)? Die Bundesregierung hat keine Kenntnis von einer direkten anlassbezogenen Beeinflussung der türkischen Medien. Allerdings hat insbesondere ein Teil der Fernsehsender, zum Beispiel die Privatsender NTV und CNN Türk, nicht von Anfang an über die Ereignisse berichtet. Im Falle des zur Dogus-Gruppe gehörenden Senders NTV lösten Kunden der zu demselben Konzern gehörenden Garanti-Bank Konten im Wert von circa 50 Millionen Türkische Lira (circa 22 Millionen Euro) auf, woraufhin sich der Geschäftsführer für die Berichterstattung entschuldigte und öffentlich seine Unterstützung für die Demonstranten äußerte. Nach Kenntnis der Bundesregierung ist die Nutzung von Twitter uneingeschränkt möglich. Jedoch wurden in Izmir mindestens 40 Nutzer, in Adana 13 Twitternutzer verhaftet, die laut Medienberichten inzwischen aber wieder auf freiem Fuß sind. Ihnen wurde Anstachelung zum Aufstand, Propaganda und Desinformation vorgeworfen. Ebenso übte Premierminister Recep Tayyip Erdogan Kritik an den sozialen Medien und warf ihnen Verbreitung von Lügen vor. Anlage 42 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Erika Steinbach (CDU/CSU) (Drucksache 17/13810, Frage 48): Welche Kenntnis hat die Bundesregierung über die Anweisungen von Regierungsstellen bzw. amtlichen Stellen, mit Gewalt gegen die landesweiten Demonstrationen vorzugehen, die offenbar über 4 000 Verletzte und mindestens drei Tote nach sich gezogen haben („Demonstrationen forderten bereits drei Tote“, in: Die Welt vom 6. Juni 2013)? Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu entsprechenden Anweisungen von Regierungsstellen zum Vorgehen bei den Demonstrationen vor. Anlage 43 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 49): Inwiefern hat die Bundesregierung auf die türkische Regierung Einfluss ausgeübt bzw. gedenkt sie auszuüben, damit der brutalen Gewalt gegen die friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten ein Ende gesetzt wird und die Vorfälle rechtsstaatlich aufgeklärt werden? Die Bundesregierung verfolgt die aktuelle Lage in der Republik Türkei sehr aufmerksam. In den letzten Tagen haben sich Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Guido Westerwelle, und der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, Markus Löning, geäußert. Sie haben zur Deeskalation der Lage und zum Verzicht auf Gewalt aufgerufen und die Bedeutung des Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit unterstrichen. Bundespräsident Joachim Gauck hat gestern Abend mit dem Präsidenten der Republik Türkei, Abdullah Gül, telefoniert. Dabei hat er seine Besorgnis über die exzessive Gewalt zum Ausdruck gebracht und die Notwendigkeit der Deeskalation und des Dialoges betont. Anlage 44 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 51): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung bezüglich beispielsweise der Zusammenarbeit mit der Türkei (polizeiliche, justizielle und militärische) vor dem Hintergrund der staatlichen Gewalteskalation bzw. Polizeigewalt und brutalität sowie massiven Verletzung der Menschenrechte gegen die Protestierenden in der Türkei, und inwieweit teilt die Bundesregierung die Auffassung, dass von einer Demokratisierung durch die EU-Beitrittsverhandlungen und durch die jüngsten Verfassungsreformen in der Türkei keine Rede sein kann, sodass diese bis zum Ende der undemokratischen Maßnahmen und politischen Verfolgungswelle ausgesetzt werden sollten? Die Zusammenarbeit mit der Republik Türkei in den verschiedenen Bereichen dient insbesondere der Heranführung des Landes an EU-Standards. Im Jahr 2013 sind mit der Türkei im Rahmen der polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe des Bundeskriminalamtes ein Arbeitsbesuch und ein Lehrgang, unter anderem im Rahmen von EU-Twinningprojekten, geplant. Eine Einschränkung dieser Maßnahmen ist nicht vorgesehen. Die (grenz)polizeiliche Zusammenarbeit des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Inspekteurs der Bereitschaftspolizeien der Länder mit ausländischen Polizeibehörden hat neben der Kriminalitätsbekämpfung und Prävention stets das Ziel, die Achtung der Grundsätze des Rechtsstaates zu stärken. Auch gegenüber der Türkei wird das Bundesministerium des Innern weiterhin nach diesem Grundsatz verfahren. Zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem türkischen Justizministerium besteht eine institutionalisierte Kooperation auf dem Gebiet des Rechts. Das aktuelle Arbeitsprogramm sieht für das Jahr 2013 einen Erfahrungsaustausch über praktische Fragen der internationalen rechtlichen Zusammenarbeit in Strafsachen und ein Seminar über den Menschenrechtsschutz in der EU und im Europarat sowie die Vertretung von Menschenrechtsverfahren vor den europäischen Gerichten vor. Eine Aussetzung dieser Maßnahmen ist gegenwärtig nicht beabsichtigt. Soweit die Bundesregierung um Rechtshilfe in Strafsachen ersucht wird, prüft sie in jedem Einzelfall, ob die Menschenrechte im Strafverfahren im ersuchenden Staat gewahrt werden. Die Europäische Union ist eine Wertegemeinschaft, die mit den „Kopenhagener Kriterien“ hohe Ansprüche an die Kandidaten stellt und die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele kontinuierlich überprüft. Mit Blick auf die umfangreiche Reformbilanz der Türkei der letzten Jahre wird die transformative Wirkung des EU-Beitrittsprozesses kaum bezweifelt. Trotz der großen Fortschritte, die gemacht wurden, bestehen Defizite fort, die die Europäische Kommission in ihren jährlichen Fortschrittsberichten herausarbeitet und der Rat der Europäischen Union aufnimmt. Die Situation der Grundrechte und -freiheiten und insbesondere die Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei ist entsprechend Gegenstand regelmäßiger Treffen der EU-Kommission und der türkischen Regierung im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen. Dies wird auch bei den aktuellen Ereignissen in der Türkei der Fall sein. Anlage 45 Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 52): Welche der Auslandsschulen der Bundesrepublik Deutschland sind nicht barrierefrei, und welche Pläne hat die Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass all diese Schulen barrierefrei werden und eine inklusive Bildung anbieten? Grundsätzlich handelt es sich bei den von der Bundesregierung geförderten Auslandsschulen um Schulen in privater Trägerschaft, die ergänzend zu den innerdeutschen Empfehlungen auch den landesrechtlichen Bestimmungen zum Thema Inklusion des jeweiligen Gastlandes unterliegen. In der Praxis hat dies bisher dazu geführt, dass Inklusionsmaßnahmen an diesen Schulen in unterschiedlichem Maße realisiert werden konnten. Barrierefreiheit und inklusiver Unterricht sind wichtige Anliegen der fördernden Stellen – Auswärtiges Amt und Bundesverwaltungsamt bzw. Zentralstelle für das Auslandsschulwesen, ZfA. Im Rahmen ihrer gemeinsamen Schulaufsicht an den deutschen Auslandsschulen sind Bund und Länder bestrebt, die Umsetzung der innerdeutschen Empfehlungen und Standards zum Thema Inklusion auch an den Auslandsschulen zu fördern. So erfasst die ZfA beispielsweise jährlich an allen geförderten Auslandsschulen, welche sonderpädagogischen Maßnahmen zur Förderung behinderter bzw. lernschwacher Schülerinnen und Schüler an den einzelnen Schulen durchgeführt wurden. Um der Bedeutung des Themas weiteren Nachdruck zu verleihen, befasst sich seit 2012 eine Arbeitsgruppe des Bund-Länder-Ausschusses für Schulische Arbeit im Ausland, BLASchA, mit dem Thema Inklusion. Sie soll auf Grundlage der Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Inklusiven Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen in Schulen vom 20. Oktober 2011 den Rahmen für Inklusionsmaßnahmen unter den besonderen Bedingungen der Deutschen Schulen im Ausland vorgeben. Gemeinsam mit den Auslandsschulen wird dann erörtert, wie die Umsetzung vor dem Hintergrund der landesrechtlichen Bestimmungen und der bestehenden Kapazitäten und Ressourcen an den jeweiligen Auslandsschulen gelingen kann. Im Rahmen der laufenden parlamentarischen Beratungen unterstützt das Auswärtige Amt ferner die Bemühung um Aufnahme des Themas Inklusion in den Entwurf für das Auslandsschulgesetz. Der Entwurf beinhaltet eine Bestimmung, der zufolge im Fördervertrag zwischen Bund und Träger der deutschen Auslandsschule vereinbart werden muss, dass die Schulen innerhalb einer bestimmten Frist eine Konzeption zur Umsetzung des inklusiven Unterrichts und anschließend regelmäßige Fortschrittsberichte vorzulegen haben. Anlage 46 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage des Abgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 53): Inwieweit stimmen die Informationen der Medien, dass der Neubau des Bundesministeriums des Innern „nur bedingt fluchtbereit“ ist, da bei der Planung seit Jahren Mängel beim Brandschutz und bei der Barrierefreiheit missachtet werden und „zwischenzeitlich sogar die ,Separierung‘ der Behinderten – der Begriff taucht wörtlich in den Planungsunterlagen auf – erwogen worden war“ (siehe Berliner Morgenpost vom 3. Juni 2013, Seite 3), und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus? Die in ausgewählten Medien verbreiteten Informationen sind falsch. Beim Neubau des Bundesministeriums des Innern, BMI, wurden und werden alle baurechtlichen Bestimmungen – auch zur Barrierefreiheit und zum Brandschutz – eingehalten. Die Einhaltung aller den Neubau betreffenden gesetzlichen Vorgaben wurde durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung – Oberste Bauaufsicht – als zuständige Baugenehmigungsbehörde des Landes Berlin, das für die Bauplanung und -ausführung zuständige Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, BBR, und darüber hinaus das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung als oberste technische Instanz für alle Bauvorhaben des Bundes und Fachaufsicht über das BBR bestätigt. Die Unfallkasse Bund hat sowohl die Einhaltung der anerkannten Regeln zur Barrierefreiheit als auch der gesetzlichen Regeln für Flucht- und Rettungswege geprüft und deren Einhaltung bestätigt. Außerdem wurde das zur erteilten Baugenehmigung gehörende Konzept „Barrierefreies Bauen“ vom 25. Mai 2009 zuvor mit der Unfallkasse Bund und der zuständigen Koordinierungsstelle des Landes Berlin für Barrierefreies Bauen abgestimmt. Die Koordinierungsstelle hat das Konzept für gut befunden und die Eignung bestätigt. Bestandteil der Baugenehmigung ist darüber hinaus der Bericht Nr. 1 über den geprüften Brandschutznachweis des Prüfingenieurs für Brandschutz vom 21. Mai 2010. Der Bericht stützt sich unter anderem auf das Brandschutzkonzept vom 15. März 2010. In diesem sind Festlegungen zum Brandschutz und für die Gestaltung der Flurbreiten und Rettungswege enthalten. Auch hier wurde die Einhaltung aller gesetzlichen Vorgaben sowie der Auflagen der Feuerwehr bestätigt. Die Gewährleistung der Mitarbeitersicherheit im Katastrophenfall hat im BMI oberste Priorität. Insoweit wurden zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben spezifische Nutzeranforderungen für die Evakuierung definiert. Insbesondere gilt: Die Bauplanung ermöglicht für alle Beschäftigten, insbesondere auch für behinderte Menschen, eine sichere Evakuierung. Das Evakuierungskonzept geht über die bauaufsichtlichen Anforderungen hinaus. Die zugrundegelegte Gesamtevakuierung des Gebäudes ist eine erhöhte Anforderung des Nutzers BMI und geht über die Vorgaben der zuständigen Brandschutzbehörde und der Berliner Feuerwehr hinaus, die eine Evakuierung nur nach Brandschutzabschnitten fordern. Die Tür- und Treppenhausbreiten erfüllen die gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere wird eine lichte Türbreite von 105 Zentimetern realisiert, obwohl Gutachten zu dem Schluss kamen, dass auch bei einer Türbreite zum Fluchttreppenhaus von nur 0,86 Metern eine vollständige Evakuierung des gesamten Hauses in der vom Nutzer BMI geforderten Zeit möglich wäre. Auch die Darstellung einer angeblich erwogenen „Separierung der Behinderten“ ist falsch. Tatsache ist, dass der Begriff aus BMI-internen Unterlagen aus 2008 stammt. In diesen wurden die Forderungen des BMI zur Vermeidung einer Separierung von Behinderten dargestellt. Seitens BMI wurde von Anfang an darauf gedrungen, dass keine Separierung von Behinderten oder Zentralisierung bei der künftigen Unterbringung aus Kostengründen im Neubau zugelassen werden darf. Hintergrund dieser Forderungen waren Diskussionen in den Berichterstattergesprächen, die im Rahmen der Begleitung des Neubauvorhabens durch den Haushaltsausschuss stattfanden. Hierbei wurden vom BMI geltend gemachte Raumforderungen und Ausstattungsmerkmale, zum Beispiel Anzahl der im Gebäude vorgesehenen Behinderten-WCs, angesichts der Kostenfolgen von den Berichterstattern für den Einzelplan 06 und vom Bundesrechnungshof infrage gestellt – Baukosten pro Quadratmeter. Anlage 47 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 54): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass Mitglieder des Bundestages von den Blockupy-Protesten berichten, Polizisten hätten ihnen mit der Begründung, ihr Abgeordnetenausweis sei „gefälscht“, den Zutritt zu abgesperrten Bereichen verwehrt, Polizisten hätten in anderen Fällen einen solchen Zutritt erst gewährt, nachdem sie sich nach der Fraktions- bzw. Parteizugehörigkeit der Abgeordneten erkundigt hatten, und inwiefern hält es die Bundesregierung aufgrund solcher Berichte – und ähnlicher Berichte in der Vergangenheit – für geboten, die Länder aufzufordern, ihren Polizeibeamten den Umgang mit Abgeordneten sowie das Erkennen eines Abgeordnetenausweises zu vermitteln? Im Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei wurde keinem Abgeordneten des Deutschen Bundestages der Zutritt zu abgesperrten Bereichen verwehrt. Polizeiliche Einsatzlagen im Zusammenhang mit Demonstrationen und Versammlungen fallen in die Zuständigkeit der Länder. Die Bundesregierung nimmt zu polizeilichen Einsätzen, soweit sie im Verantwortungsbereich eines Landes liegen – hier des Landes Hessen –, keine Stellung und bewertet diese nicht. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es Aufgabe der zuständigen Länder, in eigener Verantwortung ihren Polizeibeamten die erforderlichen Kenntnisse im Umgang mit Abgeordneten und dem Erkennen von Ausweisen zu vermitteln. Anlage 48 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 65): Welche bundeseigenen Gesellschaften sind von den Offenlegungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs, HGB §§ 325 bis 329, befreit und aus welchem Grund? Die Entscheidung über die Nutzung der Befreiung von Offenlegungspflichten nach den §§ 325 ff. Handelsgesetzbuch von Unternehmen mit Bundesbeteiligung gehört zum operativen Geschäft des jeweiligen Unternehmens. Sie liegt allein im Verantwortungsbereich des Unternehmens. Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages hat dazu in seinem in der Bundestagsdrucksache 13/6149 wiedergegebenen Beschluss festgestellt, dass das parlamentarische Fragerecht solche Sachverhalte nicht umfasst. Hinzu kommt, dass aufgrund der dezentralen Beteiligungsführung des Bundes die gewünschten Informationen auch in den Fällen, in denen gesellschaftsrechtlich im Einzelfall ein entsprechendes Auskunftsrecht der Anteilseigner besteht, nicht zentral vorliegen. Eine Ressortabfrage innerhalb der beteiligungsführenden Ressorts hat nach den dort vorliegenden Erkenntnissen aufgrund freiwilliger Unternehmensangaben ergeben, dass bei den unmittelbaren Mehrheitsbeteiligungen des Bundes im Bereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie die WIK GmbH sowie deren Tochtergesellschaft die WIK Consult GmbH sowie aus dem Bereich des Ministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung die Deutsche Bahn AG für eine größere Zahl an Tochtergesellschaften – wie zum Beispiel die DB Mobility Logistics AG, die Schenker AG Essen, die Schenker Deutschland AG, die Stinnes Logistics GmbH Essen – von den Befreiungsmöglichkeiten zur Offenlegungspflicht nach den §§ 325 ff. Handelsgesetzbuch Gebrauch machen. Anlage 49 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 66): Erachtet die Bundesregierung es zur finanziellen Unterstützung der Flutopfer als geboten, ähnlich wie für den Veranlagungszeitraum 2003 den Körperschaftsteuersatz um 1,5 Prozentpunkte zu erhöhen, und erachtet die Bundesregierung es als sinnvoll, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden befristet zu verbessern, um einen zusätzlichen Spendenanreiz zur Unterstützung der Flutopfer zu bewirken? Anliegen der Bundesregierung ist es, die Schäden durch die Flutkatastrophe so weit wie möglich zu begrenzen und den Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen. Die Bundesregierung plant keine Steuererhöhung, um die hierzu erforderliche Beteiligung des Bundes sicherzustellen. Nach § 50 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 2 a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung können die obersten Finanzbehörden der Länder im Benehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen bestimmen, dass als Nachweis von Zuwendungen zur Hilfe in Katastrophenfällen der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung genügen. Die Länder Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Brandenburg und Thüringen haben unter Bezugnahme auf diese Regelung bereits entsprechende Ländererlasse in Abstimmung mit dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlicht. Diese Länder-erlasse enthalten neben den genannten Nachweiserleichterungen für Spenden zahlreiche weitere Regelungen, um den Geschädigten unbürokratisch zu helfen. Anlage 50 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage des Abgeordneten Dr. Axel Troost (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 67): Existiert aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben ein bestimmtes Datum, bis zu welchem das AIFM-Umsetzungs- und das AIFM-Steueranpassungsgesetz verkündet sein müssen, und welche Rechtsfolgen entstehen bei einer Überschreitung der Frist? Die sogenannte AIFM-Richtlinie (Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds) ist bis zum 22. Juli 2013 in nationales Recht umzusetzen. Die AIFM-Richtlinie enthält nur Regelungen zum Aufsichtsrecht und keine steuerlichen Vorgaben. Aus Sicht des Europarechts reicht es daher aus, dass das AIFM-Umsetzungsgesetz zu diesem Zeitpunkt in Kraft tritt. Da der Bundesrat am 7. Juni 2013 keinen Einspruch gegen das AIFM-Umsetzungsgesetz erhoben hat, werden die EU-rechtlichen Vorgaben aller Voraussicht nach fristgemäß umgesetzt. Dagegen hat der Bundesrat dem AIFM-Steueranpassungsgesetz nicht zugestimmt und den Vermittlungsausschuss angerufen. Das AIFM-Steueranpassungsgesetz dient jedoch nicht der Umsetzung der AIFM-Richtlinie. Daher gibt es keine EU-rechtlichen Fristen, die einzuhalten wären. Infolgedessen hätte eine Fristüberschreitung beim AIFM-Steueranpassungsgesetz keine EU-rechtlichen Rechtsfolgen. Anlage 51 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 68): Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung darüber, dass neben Gold auch andere Wirtschaftsgüter für die Ausnutzung des Progressionsvorbehalts bei Ankauf von Wirtschaftsgütern im Ausland – sogenanntes Goldfinger-Modell – eingesetzt wurden, und inwieweit beurteilt die Bundesregierung die Verschiebung von Bemessungsgrundlagen zwischen Veranlagungszeiträumen unter Geltung einer Einnahmeüberschuss-rechnung als Steuergestaltung? Das Modell funktioniert auch mit anderen Arten von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens. Umfassende Kenntnisse, mit welcher Art von Umlaufvermögen das Modell im jeweiligen Einzelfall konzipiert wurde, liegen der Bundesregierung nicht vor Die Gewinnermittlung durch Einnahmenüberschussrechnung ist eine vom Gesetzgeber geschaffene Gewinnermittlungsart für kleine und mittlere Unternehmen, die sich in jahrzehntelanger Praxis bewährt hat. Sie ist kein Steuergestaltungsmodell. Anlage 52 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hartmut Koschyk auf die Frage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 69): Mit welchen finanziellen Mehrbelastungen – bitte differenziert nach Steuergläubiger angeben – ist zu rechnen, wenn das Kindergeld pro Kind im Monat um 35 Euro und zugleich die Freibeträge für Kinder nach § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes für Zusammenveranlagte auf insgesamt 8 354 Euro angehoben werden, und sieht die Bundesregierung die gesetzgeberische Notwendigkeit, Kindergeld und Freibeträge für Kinder anzuheben? Bei einer Anhebung des monatlichen Kindergeldes um 35 Euro je Kind und gleichzeitiger Anhebung des Kinderfreibetrages auf 8 354 Euro würde die Aufkommenswirkung bei voller Jahreswirkung in 2014 rund -7,6 Milliarden Euro betragen. Nach dem Ergebnis des Neunten Existenzminimumberichts vom 7. November 2012 ist der Kinderfreibetrag bis einschließlich 2013 ausreichend bemessen. Anlage 53 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 70): Wie haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung die Bundes-Durchschnittskostensätze, B-DKS, für Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit seit 2011 entwickelt – bitte Durchschnittshöhe je Jahr in Euro differenziert nach Maßnahmeart darstellen? Die Bundesagentur für Arbeit ermittelt die Durchschnittskostensätze jährlich aus den Datensätzen, die ihr von den fachkundigen Stellen zu den für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Maßnahmen übermittelt werden. Die bundesweiten Durchschnittskostensätze sind nicht nach Maßnahmearten differenziert. Bis zum Jahr 2012 beruhten sie auf einer Bildungsziel-Clusterung, die sich aus der alten Klassifikation der Berufe aus dem Jahr 1988 ergab. Aufgrund der neuen Klassifikation der Berufe im Jahr 2010, KldB 2010, war auch eine Umstrukturierung der Bundes-Durchschnittskostensätze, B-DKS, erforderlich, da sich Aufbau und Struktur der neuen Berufsklassifikation grundlegend verändert haben. Die bundesweiten Durchschnittskostensätze für das Jahr 2013 richten sich erstmals nach der neuen Klassifikation der Berufe aus dem Jahr 2010. Deshalb sind die Kostensätze des Jahres 2013 nicht mit denen vorhergehender Jahre vergleichbar. Bei den 2012 ermittelten Durchschnittskostensätzen aus dem Jahr 2011 war nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit wie in den Vorjahren bei fast allen Bildungszielen eine Steigerung bei den Kostensätzen festzustellen. Bei den nach der neuen Klassifikation der Berufe ermittelten B-DKS 2013 ist allgemein festzustellen, dass die Kostensteigerungen moderater ausgefallen sind, zum Teil sind die Kostensätze auch gesunken. Die neuen Bundes-Durchschnittskostensätze sind auf der Internetseite der Bundesagentur veröffentlicht. Anlage 54 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Fragen der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm (SPD) (Drucksache 17/13810, Fragen 71 und 72): Warum hat die Bundesregierung bis heute keinen Gesetzentwurf zur Neufassung des Asylbewerberleistungsgesetzes, AsylbLG vorgelegt, obwohl im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012, Az.: 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11, nach dem das derzeitige AsylbLG grundgesetzwidrig ist, explizit eine „unverzügliche“ Neuregelung gefordert wird, und ist die Bundesregierung der Auffassung, dass es den Vorgaben des genannten Verfassungsgerichtsurteils entspricht, dass bis zum Ende der Legislaturperiode keine Neuregelung des AsylbLG beschlossen wird (bitte begründen)? Wie ist der konkrete Stand der Ressortabstimmungen (bitte einschließlich der begründeten Positionen der verschiedenen Bundesministerien) des Referentenentwurfs des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes“, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Stellungnahmen der Verbände, Länder und Kommunen zum genannten Referentenentwurf, die zum 7. Januar 2013 angefordert wurden, sowie aus der in diesem Zusammenhang stehenden Anhörung vom 10. Januar 2013? Zu Frage 71: Die Bundesregierung hat unverzüglich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit der Erstellung eines Referentenentwurfs zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes begonnen. Dieser befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Unabhängig davon, wann das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen wird, gewähren die Länder den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bereits heute in Umsetzung der vom Gericht selbst festgesetzten Übergangsregelung Leistungen in verfassungskonformer Höhe. Das Gericht hat kein Datum bestimmt, zu dem das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein muss. Die Bundesregierung strebt gleichwohl an, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts so schnell wie möglich umzusetzen. Zu Frage 72: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat den Referentenentwurf im Dezember 2012 an die Ressorts, Länder und Verbände versandt. Anfang Januar 2013 erfolgte die Anhörung der Ressorts, Länder und Verbände. Die Stellungnahmen werden bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs in den Willensbildungsprozess einbezogen. Anlage 55 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 73): Gegenüber wem haben Landwirte, die Flächen in ethisch befriedeten Bezirken gepachtet haben, nach den Regelungen des neuen Bundesjagdgesetzes zukünftig Anspruch auf Ersatz von Wildschäden, und inwieweit unterscheiden sich diese Ansprüche in finanzieller Hinsicht gegenüber den Ansprüchen von Landpächtern, die Flächen in bejagten Gebieten gepachtet haben? Für Schäden auf Grundstücken, die aus ethischen Gründen zu einem befriedeten Bezirk erklärt wurden, besteht nach den Regelungen des neuen Bundesjagdgesetzes zukünftig kein Anspruch auf Ersatz von Wildschäden. Auch Pächter solcher Flächen dürften unter Berücksichtigung der jüngeren höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Wildschadensersatz in befriedeten Bezirken im Gegensatz zu Bewirtschaftern bzw. Pächtern von Flächen, die nicht aus ethischen Gründen befriedet wurden, keinen Anspruch gegen die Jagdgenossenschaft auf Zahlung von Wildschadensersatz haben. Die Bewirtschafter von ethisch befriedeten Flächen haben jedoch die Möglichkeit, den Ersatz ihres Wildschadens im Rahmen des privatrechtlichen Pachtverhältnisses mit dem Eigentümer zu regeln bzw. – bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen – auf Vertragsanpassung zu dringen. Anlage 56 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage der Abgeordneten Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 74): Welche Aussagen enthält der bis zum Frühjahr 2013 vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut vorzulegende Zwischenbericht zur Studie über die Auswirkungen der Biogaserzeugung auf die Boden- und Pachtmärkte, die innersektoralen Wechselwirkungen sowie auf die Ernährungs- und Futtermittelindustrie hinsichtlich der Indikatoren, des zeitlichen Rahmens und der Strukturierung der Studie? Im Zwischenbericht des Johann-Heinrich-von-Thünen-Instituts werden hinsichtlich der Struktur der Studie die folgenden zu betrachtenden Unterthemen benannt, nach welcher sich die Studie gliedern soll: Einleitung und Problemstellung, Wirtschaftlichkeit von Biogasanlagen bei unterschiedlichen Rahmenbedingungen, Entwicklung des Anlagenbestandes, Abschätzung des erforderlichen Energiepflanzenbedarfs, innersektorale Wechselwirkungen, Auswirkungen auf die Boden- und Pachtmärkte, Auswirkungen auf die Ernährungs- und Futtermittelindustrie, zusammenfassende Bewertung und Schlussfolgerungen. Einzelne Indikatoren, die der Zwischenbericht kurz skizziert, sind unter anderem: regional differenzierte Analyse der Auswirkungen der Biogaserzeugung auf die Landwirtschaft beispielsweise nach Ackerbau- oder Viehhaltungsregionen, Analyse der Wirtschaftlichkeit für unterschiedliche Biogasanlagen jeweils in Abhängigkeit von wichtigen Rahmenbedingungen wie beispielsweise dem Getreidepreis, regional differenzierte Analyse der Entwicklung des Anlagenbestandes mit Blick auf die Anlagenstruktur – installierte elektrische Leistung –, geleistete Jahresarbeit in Kilowattstunden und EEG-Vergütungen, Analyse und Ermittlung des erforderlichen regionalen Energiepflanzenbedarfs für die Biogaserzeugung – ausgehend von dem für die Fütterung von Rauhfutterfressern notwendigen Grundfutterbedarf –, Analyse der regionalen Veränderungen insbesondere auf die Getreideerzeugung und Rindviehhaltung, Analyse und Ableitung der maximalen Zahlungsbereitschaft von Biogaserzeugern in Bezug auf die Boden- und Pachtmärkte zur Gewinnung von Rückschlüssen auf den innersektoralen Wettbewerb um Pachtflächen – ergänzend betrachtet werden Auswertungen aktueller Studien zu Auswirkungen der Biogasförderung auf den Bodenmarkt. Betrachtung qualitativer Darstellungen möglicher Wirkungszusammenhänge zwischen Biogaserzeugung und der Verwendung von pflanzlichen und tierischen Erzeugnissen in der Ernährungs- und Futtermittelindustrie – unter anderem Veränderung der Einstandspreise für landwirtschaftliche Rohstoffe, Bedeutung des Einsatzes einzelner landwirtschaftlicher Produkte in den Branchen des produzierenden Ernährungsgewerbes, Substitutionsbeziehungen zwischen agrarischen Rohstoffen sowie zwischen Rohstoffen inländischer und ausländischer Herkunft . Hinsichtlich des Zeitplans nennt der Zwischenbericht „Mitte August 2013“ als Vorlagetermin der fertigen Studie. Anlage 57 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 75): Wie beurteilt die Bundesregierung die öffentlich gewordene Kritik (vergleiche www.ndr.de/unternehmen/presse/pressemitteilungen/pressemeldungndr12373.html) des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, an Art. 1 Nr. 7 des Entwurfs des Sechzehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes bezüglich des in § 58 f vorgesehenen Verbots der „Übermittlung, Nutzung oder Beschlagnahme“ von Daten, das datenschutzrechtlich nicht begründbar mehr Transparenz bei der Erfassung des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung verhindere? Art. 1 Nr. 7 des genannten Gesetzentwurfs beinhaltet das Verbot, die im Rahmen des Antibiotikaminimierungskonzeptes gewonnenen Betriebsdaten über die Therapiehäufigkeit für Anfragen nach dem Verbraucherinformationsgesetz, VIG, oder den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder, IFG zu verwenden. Diese Regelung ist im Rahmen der Beratungen des Deutschen Bundestages in die 16. AMG-Novelle aufgenommen worden. Die Regelung zur Verwendung von Daten ist Gegenstand von Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Das Vermittlungsverfahren ist ein Verfahren zwischen dem Bundesrat und dem Bundestag. Für die Bundesregierung bleibt daher die weitere Befassung und Entscheidungsfindung des Vermittlungsausschusses abzuwarten, da sie nicht die Verfahrenshoheit im Vermittlungsausschuss hat. Anlage 58 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 76): Welche Schlussfolgerungen hinsichtlich des volkswirtschaftlichen Nutzens und der Legitimität einer weiteren öffentlichen Förderung der Agrogentechnik zieht die Bundesregierung aus der aktuellen Ankündigung des Agrogentechnikkonzerns Monsanto, sich mangels öffentlicher Akzeptanz dieser Technologie in Deutschland und Europa zukünftig auf die Züchtung und den Verkauf von konventionellem Saatgut konzentrieren zu wollen, und welche Kenntnisse liegen der Bundesregierung darüber vor, inwieweit durch Monsanto gestellte Zulassungsanträge für den Anbau bzw. Import von gentechnisch veränderten Organismen in Bezug auf die EU bislang zurückgezogen wurden oder zurückgezogen werden sollen? Als Reaktion auf Pressenachrichten bezüglich eines Verzichts der Firma Monsanto auf die Vermarktung von gentechnisch verbessertem Saatgut in Deutschland und Europa hat die Firma unter anderem erklärt, dass sie schon seit einigen Jahren nur dort gentechnisch veränderte Sorten anbiete, wo ein funktionierendes Zulassungssystem und breite Unterstützung auf landwirtschaftlicher und politischer Ebene für die Technologie vorhanden sei. Deshalb sei es grundsätzlich richtig, dass Monsanto sich in Deutschland und Europa auf Züchtung und Verkauf von konventionellem Saatgut und Pflanzenschutzmitteln konzentriert. Es handelt sich hier um eine unternehmerische Entscheidung, die die Bundesregierung nicht zu bewerten hat. Hinsichtlich einer eventuellen Rücknahme von Zulassungsanträgen seitens der Firma Monsanto liegen der Bundesregierung keine Angaben vor. Anlage 59 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frage des Abgeordneten Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 77): Wie bewertet die Bundesregierung die Ergebnisse einer aktuell im Fachjournal Environmental Sciences Europe veröffentlichten Studie (Hilbeck, Lebrecht et al.) unter anderem von Wissenschaftlern der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, wonach in Spanien und den USA, wo in erheblichem Umfang gentechnisch veränderter Mais angebaut wird, im Zeitraum 1995 bis 2011 keine höheren Maiserträge gegenüber EU-Ländern ohne Anbauflächen für GVO-Mais zu verzeichnen waren, gleichzeitig aber eine drastische Abnahme des Angebots an konventionellen Maissorten in Spanien erfolgte, und welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung daraus für ihre Einschätzung bezüglich des Beitrags der Agrogentechnik zur Steigerung von Erträgen sowie der Sicherung der Welternährung? Zur Bewertung sozioökonomischer Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Nutzpflanzen wurde von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU, Joint Research Center – JRC, in Sevilla das European Economic Social Bureau, ESEB, eingerichtet. Dies soll eine einheitliche Herangehensweise bei der Bewertung solcher Fragen auf EU-Ebene gewährleisten. Eine Adhoc-Arbeitsgruppe des ESEB soll Kriterien und Methoden erarbeiten, um die Auswirkungen des Anbaus von GVO auf die Sozioökonomie bewerten zu können. Anhand vorhandener wissenschaftlicher Veröffentlichungen und Studien sollen Indikatoren entwickelt werden, mit denen neben wirtschaftlichen auch weitergehende mikroökonomische und volkswirtschaftliche Auswirkungen der Agrogentechnik in die Bewertung des Anbaus von GVO eingebunden werden können. Die Veröffentlichung der schweizerischen Wissenschaftlergruppe um Frau Dr. Hilbeck stellt Ergebnisse zu den Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Maissorten auf die Sortenvielfalt dar, die sicherlich in der Erstellung eines ersten Papiers der Arbeitsgruppe zu den sozioökonomische Auswirkungen des Anbaus gentechnisch veränderter Maissorten in der EU mit berücksichtigt werden. Anlage 60 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 80): Inwieweit erfolgte nach Amtsantritt von Dr. Thomas de Maizière als Bundesminister der Verteidigung eine umfassende Überprüfung von Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr, und wie wurde der Sachstand des Vorhabens Euro Hawk nach dieser Überprüfung durch den Bundesverteidigungsminister bewertet? Mit Weisung vom 22. März 2011 hatte Minister Dr. de Maizière die Einrichtung eines Lenkungsausschusses für die Strukturreform und eines Arbeitsstabes Strukturreform angeordnet. Dem Lenkungsausschuss wurde die Verantwortung für die Gesamtstrategie und die Steuerung der Strukturreform sowie für die Vorbereitung der Ministerentscheidungen übertragen. Am 10. Juni 2011 wurden durch den Minister elf Projekte zur Neuausrichtung der Bundeswehr aufgelegt. Eines war die „Überprüfung von (Aus-)Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben“. Mit diesem Projekt wurde eine umfassende Überprüfung der Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben eingeleitet. Im Rahmen dieses Projektes wurden der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages und die Obleute des Haushaltsauschusses am 14. Oktober 2011 über die Obergrenzen der strukturbestimmenden Hauptwaffensysteme der Teilstreitkräfte unterrichtet. Das Projekt war im Februar 2012 abgeschlossen. Seit der Einnahme der neuen Struktur des Bundesministeriums der Verteidigung zum 1. April 2012 werden Rüstungs- und Beschaffungsvorhaben im Rahmen der neuen Prozesse der Bundeswehr und in den dort festgelegten Verantwortlichkeiten bearbeitet. Im Zuge der oben angegebenen Unterrichtung wurde das Vorhaben Euro Hawk mit einer empfohlenen Obergrenze von fünf Systemen zunächst durch Herrn Bundesminister gebilligt. Diese damalige Entscheidung wird im Zuge der Untersuchung alternativer Plattformen für das ISIS-Modul zur Schließung der bestehenden SIGINT-Fähigkeitslücke gegebenenfalls Ende des Jahres 2013 zu überprüfen sein. Anlage 61 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 81): Wer soll in die Taskforce von Bundesverteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière zur Erarbeitung von Vorschlägen bezüglich der Verbesserung der Berichtspflicht, der Fachaufsicht und Ähnlichem berufen werden, und bis wann soll ein Abschlussbericht vorgelegt werden? Die Taskforce wird aus Angehörigen des Stabes „Organisation und Revision“ im Bundesministerium der Verteidigung bestehen. Sie wird, soweit zusätzlicher Bedarf an Fachexpertise zum Beispiel auf technischen, rechtlichen oder anderen Spezialgebieten besteht, durch Angehörige anderer Bereiche des Bundesministeriums der Verteidigung verstärkt. Die Taskforce wird durch den Leiter des Stabes „Organisation und Revision“ gebildet. Der Abschlussbericht soll bis zum 16. August 2013 vorgelegt werden. Anlage 62 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 82): Stimmt es, dass die Justiziarin des Beschaffungsamtes der Bundeswehr ihre Unterschrift unter den Vertrag mit der EuroHawk GmbH verweigert hat, wie Der Spiegel in seiner Ausgabe vom 3. Juni 2013 berichtet, und, wenn ja, mit welcher Begründung? Den am 31. Januar 2007 geschlossenen Entwicklungsvertrag „Euro Hawk“ hat das Justiziariat des ehemaligen BWB mitgezeichnet. Die von dem zuständigen Mitarbeiter des Justiziariats hervorgebrachten Bedenken gegen die im Vertrag vorgesehenen eingeschränkten Nutzungsrechte des Bundes hat dieser nach Vornahme einer Abwägung zurückgestellt. Maßgeblich waren hierbei die Bedeutung des Großprojektes für die Bundeswehr, die Tatsache, dass der Global Hawk bereits ohne finanzielle Beteiligung des Bundes entwickelt wurde sowie die Exportrestriktionen der US-Regierung. Anlage 63 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 83): Aus welchen Gründen ist es nach Auffassung der Bundesregierung möglich, dass der mit dem deutschen Modell baugleiche Euro Hawk in Italien zugelassen werden kann, wenn doch die zivile Zulassung für den Luftverkehr europaweit einheitlich geregelt ist? Die deutsche Zulassungsproblematik beim Euro Hawk ist nicht ohne Weiteres auf die Zulassungssituation der Luftfahrzeuge „NATO AGS Core“ übertragbar. Die NATO beschafft ein System auf Basis des technisch fortgeschritteneren Global Hawk Block 40. Zulassung und Zertifizierung der „NATO AGS Core“-Luftfahrzeuge erfolgen in der Zuständigkeit Italiens durch die italienische militärische Zulassungsbehörde DAA. Dazu hat die NATO-Beschaffungsagentur NAGSMA im Januar 2013 eine entsprechende Vereinbarung mit der DAA unterzeichnet. Anlage 64 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fragen des Abgeordneten Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Fragen 84 und 85): Inwieweit kooperieren die Unternehmen IABG mbH und EADS bzw. deren Tochterunternehmen nach Kenntnis der Bundesregierung bei Beschaffungsvorhaben der Bundeswehr, und wie begründet das BMVg die Unabhängigkeit der Plausibilitätsprüfung und Bewertung der Aufwandseinschätzung durch die IABG für Qualifikation und Zulassung des Systems Euro Hawk? Was beinhalteten die Vorgaben des US Department of State, die zu einer Hinzufügung von Attachments zu dem Technical Assistance Agreement führten, und inwieweit wurde durch sie die Einsicht in erforderliche Dokumentationen beeinträchtigt? Zu Frage 84: Die IABG ist ein konzernunabhängiges privates Unternehmen, das unter anderem beratend für die Bundeswehr tätig ist. Im Rahmen von FuT-Studien, bei denen mehrere Unternehmen beteiligt sind, kann es durchaus vorkommen, dass die IABG auf Zuarbeit durch die Firma EADS angewiesen ist und dies durch entsprechende Unteraufträge regelt. Die Kurzstudie der Firma IABG zur Abschätzung des Mehraufwandes für die Musterzulassung für die Serienflugzeuge Euro Hawk erfolgte firmenintern ohne Einflussnahme von anderen Firmen und vom Auftraggeber. Die Firma IABG hat langjährige Erfahrung auf dem Gebiet der Luftfahrt und verfügt über ein entsprechendes Know-how, um solche Fragestellungen beantworten zu können. Zu Frage 85: Die US-Exportregeln wie ITAR, International Traffic in Arms Regulations, machen die Weitergabe von Dokumentationen zu rüstungsexportrelevanten US-Produkten an Dritte von der vorherigen Zustimmung des US Department of State abhängig. Die Weitergabe dieser Dokumentationen ist damit beschränkt. Diese Beschränkungen werden in Einzelverträgen mit dem US-Auftragnehmer, nicht den US-Behörden, in sogenannten Technical Assistance Agreements, TAA, umgesetzt. Mit einem TAA wird die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass technische Informationen aus den USA verbracht werden dürfen. Das unterzeichnete TAA wird dem US Department of State zur Zustimmung übersandt. Mit Unterzeichnung des TAA verpflichten sich die Parteien zugleich, die US-Exportregularien einzuhalten. Das TAA ist Voraussetzung für die Erteilung der Exportgenehmigung. In den Anlagen, Attachments, werden sowohl der Umfang der exportierbaren Daten und Dokumente als auch Informationen zu über Non-Disclosure Agreements eingebundene Parteien festgeschrieben. Anlage 65 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 86): Waren die Zulassungsprobleme des Euro Hawk Bestandteil der Gespräche des Bundesministers der Verteidigung am 10. Dezember 2012 mit der Firma Cassidian, und ist es zutreffend, dass der Bundesverteidigungsminister vor dem 13. Mai 2013 nicht über die gravierenden Zulassungsprobleme informiert war? Bei diesem Besuch lag einer der Schwerpunkte der Präsentation auf der Darstellung des Firmenprototypen „Barracuda“ und dessen Missionsausrüstung. Hinsichtlich des Full Scale Demonstrators Euro Hawk wurde die erfolgreiche Erteilung einer Vorläufigen Verkehrszulassung, VVZ, für den Erprobungsflugbetrieb kurz erwähnt. Über die Zulassungsprobleme ist Herr Bundesminister Dr. de Maizière vor dem 13. Mai 2013 mit Hinweis auf deren Lösbarkeit und die hierzu beschrittenen Wege hingewiesen worden. Anlage 66 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 87): Auf Grundlage welcher konkreten Erkenntnisse über Handlungsprozesse im Bundesministerium der Verteidigung sprach Bundesverteidigungsminister Dr. Thomas de Maizière in der Sendung Was nun? im ZDF am 5. Juni 2013 von „zu viel Interessensgemeinschaft zwischen denen, die etwas bestellen, und denen, die es liefern sollen“, und welche Konsequenzen plant der Bundesverteidigungsminister aus dieser Erkenntnis für die Organisation des Bundesministeriums zu ziehen? Bundesminister Dr. Thomas de Maizière beauftragte im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr auch die Schaffung eines neuen, effizienten und einheitlichen Ausrüstungs- und Nutzungsprozesses. Ausgangspunkt für die Erarbeitung des neuen Ausrüstungs- und Nutzungsprozesses, CPM nov., ist der „Bericht der Strukturkommission der Bundeswehr Oktober 2010; Vom Einsatz her Denken; Konzentration, Flexibilität, Effizienz“. Dieser Bericht führt zum vorhergehenden Verfahren aus, dass dieses sich grundsätzlich bewährt habe, jedoch in der konkreten Umsetzung insgesamt durch intransparente Prozesse sowie schwerfällige Kommunikationsstrukturen charakterisiert sei. Der CPM nov. setzt auf klare Verantwortlichkeiten, verbunden mit eindeutigen Entscheidungskompetenzen, einem weitgehenden Verzicht auf Mitzeichnungen und reduzierten Schnittstellen. Dieser CPM nov. zeichnet sich gegenüber dem vorhergehenden unter anderem durch eine klare Trennung der ministeriellen Steuerungs- von den ämterseitigen Durchführungsaufgaben, der Einrichtung von Integrierten Projektteams, IPT, während des gesamten Lebensweges von Produkten und Dienstleistungen mit klarer Zuordnung von Verantwortlichkeiten sowie sich ergebende Synergien aus Schaffung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr aus. Der CPM nov. wurde am 1. Januar 2013 in Kraft gesetzt. Anlage 67 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Fragen der Abgeordneten Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Fragen 88 und 89): Welche Stellen im BMVg wussten von den technischen Problemen bei der Überführung nach Manching im Juli 2011 – zweimal Kontaktverlust –, und warum wurden die Führungsebene des Bundesverteidigungsministeriums und der Bundesverteidigungsminister nicht informiert? Weshalb konnte erst zwei Jahre nach der Überführung mit den Testflügen begonnen werden? Zu Frage 88: Neben dem Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung, BWB, und der Wehrtechnischen Dienststelle 61, WTD 61, war auch das Amt für Flugsicherung der Bundeswehr direkt eingebunden. Die technische Ursache für diese Auffälligkeiten konnte verzugslos geklärt und für die Zukunft ausgeschlossen werden. Aus Flugsicherungssicht meldepflichtige Vorfälle waren mit diesen technischen Besonderheiten nicht verbunden. Vor diesem Hintergrund war eine Unterrichtung der Leitung des Bundesministeriums der Verteidigung nicht erforderlich. Zu Frage 89: Der Überführungsflug – ohne Missionsausstattung – von den USA nach Deutschland erfolgte am 20./21. Juli 2011. Die Wiederaufnahme des Erprobungsflugbetriebs erfolgte am 11. Januar 2013, also nach circa 18 Monaten. Nach dem Überführungsflug wurde das in Deutschland entwickelte ISIS-Missionssystem in das Luftfahrzeug eingebaut. Die Integration des Missionssystems einschließlich aller Funktionstests und Bodenüberprüfungen war Anfang Mai 2012 abgeschlossen. Zur Schaffung aller Voraussetzungen zur Aufnahme des Flugbetriebs in Deutschland wurde am 2. August 2012 festgelegt, dass die Euro Hawk GmbH sowohl als Entwicklungs- und auch als Instandsetzungsbetrieb umfänglich zugelassen sein muss. Im Zuge dieses Zulassungsprozesses erfolgte die Erteilung einer Vorläufigen Verkehrszulassung am 6. Dezember 2012. Witterungsbedingte Verzögerungen ließen einen ersten Sensortestflug erst im Januar 2013 zu. Anlage 68 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 90): Welche Angaben macht die Bundesregierung über die durchgeführten und noch anstehenden Tests im Luftraum des für die Drohne Euro Hawk vorgesehenen, doch auch anders fliegbaren Mobilfunk-„Aufklärungs“-Systems ISIS – bitte aufschlüsseln nach Datum, Ort, Umständen, Ergebnissen, Zahl der je aufgefangenen und ausgewerteten Handyverbindungen und betroffenen Nutzer, Datenweitergabe sowie -löschung –, und ist die Bundesregierung bereit, mir den – vom Bundesminister der Verteidigung in seinem Sprechzettel vom 5. Juni 2013 vor dem Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages eingeräumten – Vermerk seines Hauses an ihn persönlich vom 20. März 2012 zugänglich zu machen sowie dessen Inhalt in ihrer Antwort öffentlich zu nennen, trotz dessen Tenor, wonach Tests sowie der Einsatz von ISIS das Fernmeldegeheimnis/G-10-Gesetz beeinträchtigten, jedoch der Bundesminister die bisher schon 360 Millionen Euro teure Entwicklung sowie Tests von ISIS nun immer noch fortsetzen lassen will? Der Euro Hawk soll militärisch relevante Fernmeldeverkehre und Ausstrahlungen von Ortungs-, Lenkungs-, Leitungs- und Navigationssystemen im elektromagnetischen Spektrum erfassen und auswerten. Das Abhören von Mobilfunkverbindungen ist daher weder in der militärischen Forderung noch im Entwicklungsvertrag Euro Hawk gefordert. Das Abhören von Telefonaten und das Mitlesen von SMS ist nicht Teil des Nachweisprogramms. Durch technische und administrative Maßnahmen ist sichergestellt, dass die Erfassung und die Auswertung von Mobilfunkverbindungen und SMS unterbunden werden. Für die Flugerprobung des Euro Hawk wurde auf Forderung der G-10-Kommission des Deutschen Bundestages eine zusätzliche Verfahrensregelung eingeführt, um juristisch verwertbar zu dokumentieren, dass versehentliche Erfassungen von G-10-relevanter Kommunikation unverzüglich gelöscht werden. Anlage 69 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Sevim Da?delen (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 91): Aus welchem Haushaltstitel stammten die 100 000 Euro Handgeld, die ein Angehöriger des Kommandos Spezialkräfte einem Bericht des Schwarzwälder Boten zufolge erhalten hat, um „für KSK-Soldaten im westafrikanischen Mali im Jahr 2008 ein Trainingslager zu organisieren“, von denen er angeblich 39 700 Euro für eigene Zwecke abgezweigt hat (www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.calw-ksk-soldat-hat-geld-unterschlagen.bd907d43-7211-4a37-baa0-457140548c69.html), und welche Soldaten – aufgeschlüsselt nach Anzahl, Einheit und Herkunftsland – wurden vor Beginn der deutschen Beteiligung an der EU-Ausbildungsmission EUTM Mali durch Angehörige des Kommandos Spezialkräfte unter anderem im Rahmen der Übungen Flintlock 2005, Flintlock 2008, Flintlock 2010 und Flintlock 2011 in Mali aus- bzw. fortgebildet (vergleiche Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage 48 auf Bundestagsdrucksache 17/13579)? Die aus dem Handgeld, mit dem der Führer der an der Übung Flintlock 2008 beteiligten Soldaten der Bundeswehr ausgestattet war, getätigten Ausgaben wurden als „Sonstige Übungskosten“ in Kapitel 1403, Titel 532 22 des Bundeshaushalts verbucht. Im Jahr 2005 haben Angehörige der Bundeswehr an der ersten Übung der Reihe Flintlock in Mali in der Funktion als Beobachter teilgenommen. Im Rahmen der weiteren Beteiligung an dieser Übungsreihe wurde von deutschen Soldaten in den Folgejahren unter anderem auch Ausbildungsunterstützung für einzelne militärische Gruppen aus westafrikanischen Staaten geleistet und zwar vom 3. bis 20. November 2008 in Mali für Soldaten aus Mali und dem Senegal, vom 1. bis 22. Mai 2010 in Mali für Soldaten aus Mali und Nigeria, vom 21. Februar bis 15. März 2011 im Senegal für Soldaten aus dem Senegal und aus Nigeria. Über die exakte Anzahl der ausgebildeten Soldaten und ihre Zugehörigkeit zu bestimmten militärischen Einheiten der genannten Länder liegen keine Angaben vor. Anlage 70 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 92): Welche Argumente sprechen für die Befreiung der DB ProjektBau GmbH von den Offenlegungsvorschriften des HGB §§ 325 bis 329 für das Geschäftsjahr 2012 nach Maßgabe des § 264 Abs. 3 HGB, und in welchem Maße sollte aus Sicht der Bundesregierung Transparenz bezüglich dieser bundeseigenen Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn AG gewährleistet sein? § 264 Abs. 3 Handelsgesetzbuch räumt unter bestimmten Voraussetzungen im Einklang mit den europäischen Vorgaben konzernangehörigen Tochterunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft das Wahlrecht ein, ihre Rechnungslegungsunterlagen in vereinfachter Weise aufzustellen und von Prüfung und Offenlegung abzusehen. Bei der DB Projektbau GmbH handelt es sich um eine Kapitalgesellschaft, deren Anteile von der Deutsche Bahn AG und damit nicht unmittelbar vom Bund gehalten werden. Die Frage, ob die Gesellschafter einer Befreiung zustimmen und die DB Projektbau GmbH mithin das Wahlrecht nach § 264 Abs. 3 Handelsgesetzbuch ausüben soll oder nicht, wird daher nicht vom Bund, sondern von der Deutsche Bahn AG im Rahmen ihrer operativen Geschäftstätigkeit entschieden. Anlage 71 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Fragen 93 und 94): Wie viele Wechselkennzeichen sind im Zeitraum vom 1. Juli 2012 bis 31. März 2013 ausgegeben worden, und welchen Anteil an den neu- bzw. umgemeldeten Fahrzeugen seit dem 1. Juli 2012 und am Bestand zum 31. März 2013 haben die Fahrzeuge, die mit Wechselkennzeichen zugelassen wurden? Wie beurteilt die Bundesregierung die Einführung von Wechselkennzeichen zum 1. Juli 2012 vor dem Hintergrund, dass bis Ende 2012 gerade einmal rund 1 000 Autofahrer davon Gebrauch gemacht haben und ganze 2 115 Wechselkennzeichen ausgegeben wurden (Quelle: www.handelsblatt.com/auto/nachrichten/nur-2115-kunden-wechselkennzeichen-sind-ein-megaflop/8140484.html)? Zu Frage 93: Der Stand der zum 31. März 2013 ausgegebenen Wechselkennzeichen ist derzeit nicht ermittelbar. Mit Stand vom 29. April 2013 waren über den gesamten Zeitraum 3 660 Wechselkennzeichen ausgegeben. Zu diesem Datum waren aktuell 3 153 Wechselkennzeichen vergeben. Zum 1. Januar 2013 betrug der Fahrzeugbestand – Kraftfahrzeuge und Anhänger, ohne Fahrzeuge mit Versicherungskennzeichen – 58,7 Millionen, davon 43,4 Millionen Personenkraftwagen. Die Zahl der Pkw-Neuzulassungen betrug 2012 3,08 Millionen, die der Pkw-Besitzumschreibungen 6,88 Millionen. Eine entsprechend der Frage zeitraumbezogene Auswertung war in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Zu Frage 94: Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter, wissenschaftliche Einrichtungen und Verbände der Kraftfahrer, kurzum ein breiter Teil der Besitzer von zwei und mehr Fahrzeugen sowie diejenigen, die sich ein zweites, umweltfreundliches Fahrzeug anschaffen wollten, forderten die Einführung von Wechselkennzeichen. Mit den rechtlichen Regelungen zur Einführung von Wechselkennzeichen wurde diesen Forderungen entsprochen und wurden die bestehenden Möglichkeiten, beispielsweise die Verwendung von Saisonkennzeichen, sinnvoll ergänzt. Die Einführung von Wechselkennzeichen ist ein Angebot an alle Halterinnen und Halter von Zweitwagen und an alle Halterinnen und Halter, die sich einen Zweitwagen anschaffen wollen. Mit den Wechselkennzeichen wurde ein vollkommen neues System der Zulassung von zwei Fahrzeugen eingeführt, dessen Attraktivität sich mit zunehmendem Bekanntheitsgrad zeigen wird. Anlage 72 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) (Drucksache 17/13810, Frage 95): Erkennt die Bundesregierung die Notwendigkeit einer Überdeckelung der Autobahn 98 im Abschnitt 98.5 an, vor dem Hintergrund, dass mit dieser Maßnahme der Eingriff in eine Natur- und Erholungslandschaft und die Zerschneidung zweier Gemeinden verhindert werden könnte, sowie angesichts der Tatsache, dass es sich um eine Autobahn mit besonderem naturschutzfachlichem Planungsauftrag – Ökostern – im Bundesverkehrswegeplan handelt, und unterstützt sie diese Maßnahmen beispielsweise finanziell – bitte ausführen? Der in Rede stehende Streckenabschnitt A 98.5 im Raum Rheinfelden/Karsau bzw. Minseln ist im topografisch relativ bewegten Freigelände. Zwischen den genannten Ortsteilen ist ein rund 12 Meter tiefer und rund 60 Meter breiter Einschnitt vorgesehen. Das Gebiet ist geprägt von intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen und extensiv genutzten Offenland- und Wiesenflächen. Der offenen Führung im Einschnitt wurde im Einvernehmen zwischen Bund und Land Baden-Württemberg in allen bisherigen Planungsphasen der Vorzug gegeben, da die hier lokal relativ untergeordneten umweltfachlichen Aspekte – aus Sicht Artenschutz, FFH – die überaus kostenintensive Anlage eines Tunnelbauwerks nicht rechtfertigen. In naturschutzrechtlicher Hinsicht ist eine Überdeckelung nur zur Bewältigung der Eingriffe eines Straßenbauprojektes in Natur und Landschaft erforderlich. Diese Voraussetzung liegt aber nur vor, soweit ein landesweit bedeutsamer Biotopverbund geschützter Lebensräume von geschützten bodengebundenen Wildtierarten unvermeidbar straßenbaubedingt in Anspruch genommen und zerschnitten wird sowie ein sehr bedeutsamer Lebensraumverbund geschützter Tierarten gewährleistet werden muss. Nach den dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom Land Baden-Württemberg vorgelegten Unterlagen sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Die Bundesautobahn A 98 zerschneidet in diesem Straßenabschnitt keinen landesweit bedeutsamen Lebensraumverbund geschützter Wildtierarten. Darüber hinaus ist im Bundesprogramm Wiedervernetzung eine derartige Maßnahme in diesem Abschnitt nicht vorgesehen. Es handelt sich aus Bundessicht demzufolge nicht um eine prioritäre Wiedervernetzungsmaßnahme. Des Weiteren ergeben sich durch die derzeit geplante Lage im Einschnitt nur relativ geringe Schall- und Schadstoffimmissionen. Die bis zu rund 70 Meter angrenzenden locker bebauten Ortsteile Karsau und Minseln sind als Mischgebiete ausgewiesen. Die schalltechnischen Grenzwerte für Mischgebiete werden eingehalten, die Grenzwerte für allgemeine Wohngebiete sind in Einzelfällen überschritten. Insgesamt ist nach Auffassung des Bundes die Kombination aus Lage im Einschnitt mit einzelnen Lärmschutzwällen und gegebenenfalls passiven Schallschutzmaßnahmen angemessen und nur diese rechtlich vertretbar. Anlage 73 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Fragen des Abgeordneten Gustav Herzog (SPD) (Drucksache 17/13810, Fragen 96 und 97): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der aktuellen Hochwasserkatastrophe für die sogenannte Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, im Hinblick auf die beabsichtigte Schließung der Ämter Dresden und Lauenburg sowie der Direktion in Magdeburg, und inwieweit hält sie den geplanten Personalabbau um über 2 000 Stellen und insbesondere den Rückzug der WSV aus der Fläche unter den derzeitigen Umständen und im Hinblick auf zukünftiges Hochwasser für vernünftig? Inwieweit hat die Bundesregierung die Notwendigkeit einer kompetenten und leistungsfähigen WSV im Fall von katastrophalen Hochwasserereignissen in ihren Kategorisierungskriterien für die Bundeswasserstraßen berücksichtigt, und ist der Bund in der Lage, seinen Eigentümerverpflichtungen auch an Bundeswasserstraßen mit wenigen Güterverkehren nachzukommen, wenn er dort, wie beabsichtigt, Ämter schließt und Personal abbaut? Zu Frage 96: Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung führt unter anderem dazu, dass die Managementstrukturen innerhalb der Organisationseinheiten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung zugunsten der operativen Aufgabenerledigung der Außenbezirke, Bauhöfe und Verkehrszentralen deutlich gegenüber der heutigen Situation gestrafft werden. Die Handlungsfähigkeit der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung – auch bei unvorhersehbaren Ereignissen, zum Beispiel Hochwasser, Havarien etc. – fließt als wesentliches Element in die laufende Strukturanpassung der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ein. Zu Frage 97: Auch im Bereich der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung ist eine strenge Priorisierung des zur Verfügung stehenden Finanz- und Personalbudgets erforderlich. Durch Konzentration der Ressourcen auf Relationen mit einer hohen Verkehrsbelastung wird unter Wahrung der Eigentümerverpflichtungen eine bestmögliche Effizienz im Rahmen der verfügbaren Möglichkeiten angestrebt. Maßnahmen zum aktiven Schutz vor den von Hochwasser ausgehenden Gefahren und ihre Bekämpfung fallen in die Zuständigkeit der Bundesländer. Anlage 74 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/13810, Frage 98): Wird Deutschland am 12. Juni 2013 im Rahmen des sogenannten Trilogs weiterhin der irischen Präsidentschaft das Mandat für Verhandlungen zu einer Einigung über eine zukünftige Verordnung zum Schiffsrecycling verwehren, oder wird sich Deutschland konstruktiv auf der Seite der Mehrheit der EU-Mitgliedsländer für ein Zustandekommen einer zukünftigen Verordnung zum Schiffsrecycling einsetzen? Der Meinungsbildungsprozess innerhalb der Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Anlage 75 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 99): Welche der drei in diesem Jahr eingebrachten Bundesratsinitiativen zur luftverkehrsrechtlichen Stärkung des Schutzes von Fluglärm betroffener Menschen (Bundesratsdrucksachen 90/13, 124/13, 138/13) ist nach Auffassung der Bundesregierung die zielführendste (bitte begründen), und werden im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung eigene Gesetzesinitiativen zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm vorbereitet (bitte begründen)? Die genannten Länderinitiativen unterscheiden sich erheblich und sind derzeit Gegenstand weiterer Beratungen im Bundesrat. Aufgrund dessen sieht die Bundesregierung noch keine Veranlassung, sich hierzu abschließend zu positionieren. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beabsichtigt, derzeit keine eigene Gesetzesinitiative zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm vorzubereiten. Die Bundesregierung prüft jedoch derzeit, wie vor dem Hintergrund des Fluglärms eine bessere Verknüpfung des Planfeststellungsverfahrens für den Neu- und Ausbau von Flughäfen mit der Festlegung von Flugrouten erreicht werden kann. Anlage 76 Antwort des Parl. Staatssekretärs Enak Ferlemann auf die Frage des Abgeordneten Herbert Behrens (DIE LINKE) (Drucksache 17/13810, Frage 100): Welchen Einfluss hat nach Ansicht der Bundesregierung das jüngst eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Unterlassung einer Umweltverträglichkeitsprüfung der am Flughafen Berlin Brandenburg, BER, festgelegten Flugrouten auf das Flugroutensystem am BER, und wird die Bundesregierung vorsorglich die Umweltverträglichkeit der festgelegten Routen prüfen lassen (bitte begründen)? Das Vertragsverletzungsverfahren 2013/4000 bezieht sich allgemein auf die Umsetzung zweier EU-Richtlinien in deutsches Recht. Es gibt keine Veranlassung, die Umweltverträglichkeit der festgelegten Routen am Flughafen Berlin Brandenburg prüfen zu lassen. Anlagen 31174 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31175 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 38. Sitzung – 4. April 2003 4 31266 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 245. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 12. Juni 2013 31265