Plenarprotokoll 17/250 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 250. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2013 I n h a l t : Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Hans-Werner Kammer und Wolfgang Zöller Wahl des Herrn Professor Dr. Manfred Wilke als Mitglied des Beirats beim Beauftragten für die Unterlagen des Staats-sicherheitsdienstes der ehemaligen DDR Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung Absetzung der Tagesordnungspunkte 18, 23, 74, 76, 78, 79 i und 79 rr Tagesordnungspunkt 4: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfe" und zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz) (Drucksache 17/14176) b) Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 (Nachtragshaushaltsgesetz 2013) (Drucksache 17/14000) hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung (Drucksache 17/14020) Tagesordnungspunkt 5: Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin: zu den Ergebnissen des -G-8-Gipfels und zum Europäischen Rat am 27./28. Juni 2013 in Brüssel in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Serbien zur Europäischen Union und zur Empfehlung von Europäischer Kommission und Hoher Vertreterin vom 22. April 2013 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (Drucksache 17/14108) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin Peer Steinbrück (SPD) Dr. Rainer Stinner (FDP) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) Volker Kauder (CDU/CSU) Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Joachim Spatz (FDP) Michael Roth (Heringen) (SPD) Oliver Luksic (FDP) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU) Ruprecht Polenz (CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 6: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Für eine umfassende Pflegereform - Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken (Drucksachen 17/9977, 17/13319) b) Antrag der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Pflege-TÜV hat versagt - Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen (Drucksache 17/13760) Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) Dr. Karl Lauterbach (SPD) Willi Zylajew (CDU/CSU) Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE) Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Elke Ferner (SPD) Wolfgang Zöller (CDU/CSU) Hilde Mattheis (SPD) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU) Stephan Stracke (CDU/CSU) Erwin Rüddel (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 79: a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung (Drucksachen 17/572, 17/4488) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bedarfsfestlegung des Baus oder Ausbaus von Bundesfernstraßen (Drucksachen 17/7885, 17/8838) c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Volker Beck (Köln), Wolfgang Wieland, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht (Drucksachen 17/12068, 17/13809) d) Beschlussempfehlung und Bericht des -Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Verbesserung des Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen und Analphabeten (Drucksachen 17/12380, 17/13809) e) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Ulrich Schneider, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des aktiven Wahlrechts ab 16 Jahren im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz (Drucksachen 17/13257, 17/13999) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Ulrich Schneider, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 38) (Drucksachen 17/13238, 17/13999) f) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes - Störerhaftung (Drucksachen 17/11137, 17/14189) g) Antrag der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Katrin Werner, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unabhängige Unter-suchungen von Menschenrechtsver-letzungen durch Polizeibedienstete er-möglichen und unabhängiges Kontroll-gremium schaffen (Drucksache 17/10685) h) Antrag der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundeseinheitliche Chip- und Registrierungspflicht für Welpen einführen (Drucksache 17/13934) j) Antrag der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Den ökologischen Landbau stärken (Drucksache 17/14139) k) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Umstellung der Finanzierung von Neu- und Ausbauprojekten in Bundesschienenwege (Drucksachen 17/543, 17/3478) l) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Kirsten Lühmann, Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Logistik-standort Deutschland stärken - Transport- und Güterverkehr nachhaltig gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Modellversuche mit Gigalinern beenden - Umweltorientierten Aktionsplan Güterverkehr und Logistik auf den Weg bringen (Drucksachen 17/3430, 17/3674, 17/5226) m) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die finanzielle Deckelung von Reha-Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufheben - Reha am Bedarf ausrichten (Drucksachen 17/6914, 17/8446) n) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz zum Bau der ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm herstellen (Drucksachen 17/9741, 17/10865) o) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ursachen und Verantwortlichkeiten für das Berliner Flughafendebakel lückenlos aufklären - Chancen für besseren Lärmschutz nutzen (Drucksachen 17/9740, 17/10873) p) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Städtebauliche Qualität des Regierungsviertels verbessern (Drucksachen 17/9171, 17/10981) q) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Willi Brase, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Gutes Leben, Gute Innovationen, Gute Arbeit - Politik für ländliche Räume effektiv und effizient gestalten (Drucksachen 17/11031, 17/12744) r) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Renate Künast, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufsichtsrat neu besetzen, Geschäftsführer entlassen und den Flughafen Berlin Brandenburg skandalfrei fertigstellen (Drucksachen 17/11168, 17/12785) s) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Düngeverordnung novellieren (Drucksachen 17/10115, 17/13146) t) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung des ökologischen Landbaus - Wachstumspotenziale in Deutschland für deutsche Produzenten erschließen (Drucksachen 17/10862, 17/13147) u) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Markus Tressel, Markus Kurth, weiterer Abge-ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Verkehrsträgerübergreifende Fahrgastrechte stärken (Drucksachen 17/11375, 17/13150) v) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Deutschland braucht im ganzen Land einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Sabine Leidig, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die Bahn im Einklang mit dem Grundgesetz am Wohl der Allgemeinheit orientieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine konsequente Strukturreform der Deutschen Bahn AG (Drucksachen 17/4428, 17/4433, 17/4434, 17/13153) w) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: WHO-Tabakrahmenkonvention umsetzen - Vollständiges Tabakwerbeverbot einführen (Drucksachen 17/12838, 17/13368) x) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Einrichtung einer Bundesfinanzpolizei als Wirtschafts- und Finanzermittlungsbehörde (Drucksachen 17/12708, 17/13802) y) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Tabea Rößner, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ländliche Räume als Lebensräume bewahren und zukunftsfähig gestalten (Drucksachen 17/13490, 17/13997) z) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auf europäischer Ebene ein betrugssicheres, transparentes und bürokratiearmes Mehrwertsteuersystem schaffen (Drucksachen 17/12065, 17/14006) aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wirksame Anreize für klimafreundlichere Firmenwagen - zu dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dienstwagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient ausrichten (Drucksachen 17/9149, 17/8462, 17/14011) bb) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Memet Kilic, Dr. Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit einem Nationalen Aktionsplan die Chancen des demografischen Wandels ergreifen (Drucksachen 17/13246, 17/14012) cc) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Obdach- und Wohnungslosigkeit erkennen und bekämpfen - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern - Gemeinnützigen Wohnungswirtschaftssektor entwickeln (Drucksachen 17/13105, 17/13552, 17/14013) dd) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend - zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rechte intersexueller Menschen stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Diana Golze, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren - zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren - zu der Unterrichtung durch den Deutschen Ethikrat: Stellungnahme des Deutschen Ethikrates - Intersexualität (Drucksachen 17/13253, 17/12859, 17/12851, 17/9088, 17/14014) ee) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bettina Herlitzius, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Atomrisiken ernst nehmen - Auch in Bezug auf die nahe liegenden Atomkraftwerke in Belgien (Drucksachen 17/13491, 17/14027) ff) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Stefan Schwartze, Gabriele Fograscher, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Anerkennung der an den ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen begangenen Verbrechen als -nationalsozialistisches Unrecht und Gewährung eines symbolischen finanziellen Anerkennungsbetrages für diese Opfergruppe (Drucksachen 17/13710, 17/14056) gg) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ausbildungssituation im Hotel- und Gaststättengewerbe verbessern (Drucksachen 17/13549, 17/14088) hh) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Tourismus zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Barrierefreier Zugang zu Großveranstaltungen und Reisen (Drucksachen 17/13550, 17/14090) ii) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Ullrich Meßmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Klimawandel gefährdet Menschenrechte (Drucksachen 17/13755, 17/14183) jj) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Verbraucherinnen und Verbraucher stärken - Marktwächter einführen (Drucksachen 17/13709, 17/14199) kk) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung menschenrechtskonform gestalten (Drucksachen 17/12712, 17/14093) ll) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aufnahme -afghanischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr in Deutschland (Drucksachen 17/13729, 17/14180) mm) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Brigitte Pothmer, Arfst Wagner (Schleswig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Fortführung der arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge in der nächsten Förderungsperiode des Europäischen Sozialfonds (Drucksachen 17/13718, 17/14064) nn) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kommunen die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen ermöglichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Schaf-fung von Rechtssicherheit für Carsharing-Stationen und Elektrofahrzeug-Stellplätze (Drucksachen 17/781, 17/3208, 17/14089) oo) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Neustart für ein europäisches Zugsicherungssystem (Drucksachen 17/10844, 17/14092) pp) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Neue Impulse für die Förderung des Radverkehrs setzen - Den Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten - zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Markus Tressel, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nationalen Radverkehrsplan 2020 zum ambitionierten Aktionsplan der Radverkehrsförderung weiterentwickeln (Drucksachen 17/11000, 17/11357, 17/14086) qq) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Matthias Miersch, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Monitoring für versenkte Atommüll-fässer im Atlantik sicherstellen und Maßnahmen gegen weitere Strahlen-exposition einleiten (Drucksachen 17/7633, 17/14177) ss) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Lehren aus der Atomkatastrophe in Fukushima ziehen (Drucksachen 17/12688, 17/14178) tt) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wildtierhandel und -haltung in Deutschland einschränken und so den Tier- und Artenschutz stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Tier- und Artenschutz durch Beschränkung des Wildtierhandels stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Matthias Miersch, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Wildtierhandel und -haltung in Deutschland einschränken und so den Tier- und Artenschutz stärken (Drucksachen 17/13712, 17/13713, 17/12386, 17/14087) uu) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anton Schaaf, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Richt-linien zur konzerninternen Entsendung und zur Saisonarbeit sozial gerecht gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Sevim Dagdelen, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung - (KOM(2010) 378 endg.; Ratsdok. 12211/10) - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Vorschlag der Europäischen Kommission zur Kon-zernentsenderichtlinie zurückwei-sen - zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Alexander Ulrich, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung - (KOM(2010) 379 endg.; Ratsdok. 12208/10) - hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Vorschlag der Europäischen Kommission zur Saisonarbeiterrichtlinie zurückweisen - zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Beate Müller--Gemmeke, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung (KOM(2010) 378 endg.; -Ratsdok. 12211/10) - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Richtlinie zur konzerninternen Entsendung grundsätzlich überarbeiten - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn, Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsange-hörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung - (KOM(2010) 379 endgültig) - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union - Rechte der Saisonarbeitskräfte stärken (Drucksachen 17/4190, 17/4039, 17/4045, 17/4885, 17/5234, 17/14182) vv) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2011 - Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2011 - - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen: Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2011 - Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2011 - - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2011) - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof: Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes - Weitere Prüfungsergebnisse - (Drucksachen 17/9908, 17/9909, 17/11330, 17/12990, 17/14149) ww) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes: Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2012 - Einzelplan 20 - (Drucksachen 17/13640, 17/14150) xx) Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 9 - über die dem Deutschem Bundestag zugeleiteten -Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 17/14152) yy) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: zu Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Fünfte Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes (Drucksache 17/14153) zz)-eee) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 608, 609, 610, 611, 612 und 613 zu Petitionen (Drucksachen 17/13918, 17/13919, 17/13920, 17/13921, 17/13922, 17/13923) Zusatztagesordnungspunkt 5: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz - -BUK-NOG) (Drucksachen 17/12297, 17/13808) b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Drucksachen 17/13662, 17/14202) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates - (KOM(2011) 451 endg.; Ratsdok. 13195/11) - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/6985 Nr. A.58, 17/11847) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: zu dem Paket "Verkehrs-sicherheit" - Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/40/EG - (KOM(2012) 380 endg.; Ratsdok. 12786/12) - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/10710 Nr. A.53, 17/13165) e) Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Wolfgang Wieland, Daniela Wagner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rente für Dopingopfer in der DDR (Drucksachen 17/12393, 17/14016) f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Priska Hinz (Herborn), Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparente Kriterien und verbindliche Rahmenbedingungen schaffen für die Bundesförderung von kulturellen Institutionen und Projekten (Drucksachen 17/12196, 17/14057) g) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit - Partnerschaft für eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung (Drucksachen 17/13728, 17/14065) h) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Aydan Özoguz, Daniela Kolbe (Leipzig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Einrichtung eines Zentrums für Alevitische Studien fördern (Drucksachen 17/5517, 17/14104) i) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haltung von Delfinen beenden (Drucksachen 17/12657, 17/13847) j)-s) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 614, 615, 616, 617, 618, 619, 620, 621, 622 und 623 zu Petitionen (Drucksachen 17/14164, 17/14165, 17/14166, 17/14167, 17/14168, 17/14169, 17/147170, 17/14171, 17/14172, 17/14173) Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) (Drucksachen 17/11471 (neu), 17/13537, 17/13879, 17/14120) Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes (Drucksachen 17/11293, 17/11873, 17/12526, 17/12924, 17/14121) Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/.../EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. .../2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD-IV-Umsetzungsgesetz) (Drucksachen 17/10974, 17/11474, 17/13524, 17/13541, 17/13876, 17/14122) Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG) (Drucksachen 17/13023, 17/13531, 17/13875, 17/14123) Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz über die Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten (Drucksachen 17/12479, 17/13132, 17/13135, 17/13878, 17/14124) Zusatztagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksachen 17/12636, 17/13452, 17/13454, 17/13881, 17/14125) Zusatztagesordnungspunkt 12: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Wahlversprechen von CDU/CSU - Mögliche Risiken auf die Haushalte von Bund und Ländern Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD) Hermann Gröhe (CDU/CSU) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) Dr. Florian Toncar (FDP) Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär BMF Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Otto Fricke (FDP) Dagmar Ziegler (SPD) Alexander Dobrindt (CDU/CSU) Katja Mast (SPD) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) Norbert Barthle (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 20: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (Drucksachen 17/13057, 17/13429, 17/14192, 17/14216) b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung (Drucksachen 17/6482, 17/14192, 17/14216) c) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung und der Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen (Drucksachen 17/6483, 17/14192, 17/14216) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Renate Künast, Jürgen Trittin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens (Drucksachen 17/12620, 17/14192, 17/14216) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unseriöses Inkasso zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stoppen - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unseriöses Inkasso eindämmen (Drucksachen 17/9746, 17/11837, 17/14036) Stephan Thomae (FDP) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD) Marco Wanderwitz (CDU/CSU) Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Erik Schweickert (FDP) Thomas Oppermann (SPD) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 8: a) Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gleiche Arbeit - Gleiches Geld in der Leiharbeit (Drucksache 17/12560) b) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen (Drucksache 17/12373) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Beate Müller--Gemmeke, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) (Drucksachen 17/13106, 17/14074) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen (Drucksachen 17/12378, 17/14074) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Statistische Ermittlung des Einsatzes von Werkverträgen und Leiharbeit in Unternehmen (Drucksachen 17/9980, 17/12111) e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Lohndumping im Einzelhandel stoppen - Tarifverträge stärken, Entgelte und Arbeitsbedingungen verbessern (Drucksachen 17/13104, 17/14001) f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Willi Brase, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bedingungen bei Tiertransporten und in Schlachtbetrieben verbessern - zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bedingungen in Schlachthöfen verbessern (Drucksachen 17/11148, 17/11355, 17/12215) Klaus Ernst (DIE LINKE) Karl Schiewerling (CDU/CSU) Hubertus Heil (Peine) (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Klaus Ernst (DIE LINKE) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU) Gabriele Groneberg (SPD) Hans-Michael Goldmann (FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Gitta Connemann (CDU/CSU) Tagesordnungspunkt 9: - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2064 (2012) vom 30. August 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Drucksachen 17/13753, 17/14161) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14162) Joachim Spatz (FDP) Wolfgang Hellmich (SPD) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) Inge Höger (DIE LINKE) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Florian Hahn (CDU/CSU) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 10: a) Antrag der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Lisa Paus und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft knüpfen (Drucksachen 17/14133, 17/13803) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Lisa Paus, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe (Drucksachen 17/10770, 17/13803) Lisa Paus (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) Dr. Carsten Sieling (SPD) Dr. Volker Wissing (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU) Manfred Zöllmer (SPD) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 11: - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 (Drucksachen 17/13754, 17/14174) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14175) Marina Schuster (FDP) Dr. h. c. Gernot Erler (SPD) Philipp Mißfelder (CDU/CSU) Jan van Aken (DIE LINKE) Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU) Namentliche Abstimmung Ergebnis Tagesordnungspunkt 12: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dagmar Freitag, Martin Gerster, Christine Lambrecht, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dopingbekämpfung im Sport (Anti-Doping-Gesetz - ADG) (Drucksachen 17/13468, 17/14015) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär BMI Christine Lambrecht (SPD) Dr. Lutz Knopek (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Klaus Riegert (CDU/CSU) Dagmar Freitag (SPD) Joachim Günther (Plauen) (FDP) Tagesordnungspunkt 13: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksachen 17/13870, 17/14195, 17/14260) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14206) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht (Drucksachen 17/13871, 17/14195, 17/14260) c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Lisa Paus, Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht (Drucksachen 17/13872, 17/14195, 17/14260) Olav Gutting (CDU/CSU) Ingrid Arndt-Brauer (SPD) Dr. Daniel Volk (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU) Johannes Kahrs (SPD) Michael Kauch (FDP) Namentliche Abstimmungen Ergebnisse Tagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kooperativen Föderalismus für Bildung stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Kooperationsverbot in der Bildung unverzüglich aufheben - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen - zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Krista Sager, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam für gute Schulen und Hochschulen sorgen - Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung abschaffen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kooperation ermöglichen - Gemeinsam Verantwortung für die großen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft übernehmen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft - Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern (Drucksachen 17/8455, 17/5911, 17/785, 17/6094, 17/1984, 17/8902, 17/9565, 17/14105) Tagesordnungspunkt 15: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Jens Spahn, Stefanie Vogelsang, Michael Grosse-Brömer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Heinz Lanfermann, Gabriele Molitor, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig stärken: Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Transparenz und öffentliche Kontrolle im Prozess der Organspende herstellen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Organspende in Deutschland transparent organisieren (Drucksachen 17/13897, 17/12225, 17/11308, 17/14200) Tagesordnungspunkt 16: - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Agnes Alpers, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz (Drucksachen 17/11701, 17/14191) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Agnes Alpers, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz (Drucksachen 17/11703, 17/14191) Tagesordnungspunkt 17: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel (Drucksachen 17/13834, 17/14163) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel (Drucksachen 17/13708, 17/14163) Christoph Schnurr (FDP) Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Inge Höger (DIE LINKE) Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Zusatztagesordnungspunkt 13: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Korrup-tionsregister-Gesetz) (Drucksachen 17/11415, 17/13974) Tagesordnungspunkt 7: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Ak-tiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012) (Drucksachen 17/8989, 17/14214) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Poß, Ingo Egloff, Burkhard Lischka, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Exorbitante Managergehälter begrenzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Tobias Lindner, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Keine Mitfinanzierung exorbitanter Gehälter durch die Allgemeinheit - Steuerliche Abzugsfähigkeit eingrenzen (Drucksachen 17/13472, 17/13239, 17/14214) c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung (Drucksachen 17/11587, 17/13561) Tagesordnungspunkt 19: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten (Drucksachen 17/13706, 17/14193, 17/14215) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland (Drucksachen 17/10843, 17/13179) Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Uta Zapf, Dr. Rolf Mützenich, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ergebnisse und Folgen der Beschlüsse des NATO-Gipfels von Chicago für Abrüstung, Raketenabwehr und europäische Sicherheit (Drucksachen 17/11905, 17/13820) Tagesordnungspunkt 22: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher -Genitalien (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StrÄndG) (Drucksachen 17/13707, 17/14218) - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG) (Drucksachen 17/1217, 17/14218) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christine Lambrecht, Burkhard Lischka, Sonja Steffen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung (Drucksachen 17/12374, 17/14218) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Monika Lazar, Jerzy Montag, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung (Drucksachen 17/4759, 17/14218) Tagesordnungspunkt 29: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Ernährung sichern, (Über-)Lebensbedingungen in Entwicklungsländern strukturell verbessern - Ländliche Entwicklung als Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut - zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Harald Ebner, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine kohärente Politikstrategie zur Überwindung des Hungers (Drucksachen 17/12379, 17/13492, 17/13900) Helmut Heiderich (CDU/CSU) Dr. Sascha Raabe (SPD) Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP) Niema Movassat (DIE LINKE) Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 24: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Prävention (Drucksachen 17/13080, 17/14184) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Prävention (Drucksachen 17/13401, 17/14184) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14205) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Bas, Angelika Graf (Rosenheim), Dr. Marlies Volkmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kinder- und Jugendgesundheit: Ungleichheiten beseitigen - Versorgungslücken schließen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edgar Franke, Christine Lambrecht, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen (Drucksachen 17/9059, 17/12213, 17/14184) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen - zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Birgitt Bender, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen (Drucksachen 17/12451, 17/12693, 17/14158) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Bärbel Bas, Dr. Karl Lauterbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Potenziale der Prävention erkennen und nutzen - Prävention und Gesundheitsförderung über die gesamte Lebensspanne stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: -Prävention weiter denken - Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Fritz Kuhn, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung schaffen - Gesamtkonzept für nationale Strategie vorlegen (Drucksachen 17/5384, 17/6304, 17/5529, 17/9375) Tagesordnungspunkt 25: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Sicherungslücke im Übergang von Arbeitslosengeld in eine Erwerbsminderungsrente schließen (Drucksachen 17/13113, 17/13622) Paul Lehrieder (CDU/CSU) Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU) Gabriele Lösekrug-Möller (SPD) Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 26: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Mel-debestimmungen (Drucksachen 17/13704, 17/14185) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14207) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses - zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne bekämpfen - zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Globale Steuergestaltung verhindern - Regulierungsschlupflöcher stopfen - zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und in Europa vorantreiben (Drucksachen 17/12819, 17/13716, 17/13717, 17/14185) c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten (Drucksachen 17/13664, 17/14159) Tagesordnungspunkt 27: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Für eine Ausstellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen bei durch den Bund geförderten Ausstellungen (Drucksachen 17/8379, 17/6346, 17/13485) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Prekäre Situation von Lehrbeauftragten an Musikhochschulen sowie Hochschulen für Musik und Theater beenden - Rahmenbedingungen zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe schaffen (Drucksachen 17/7825, 17/8960) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Birgitt Bender, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zeitnahes Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte sowie Selbständige (Drucksachen 17/12067, 17/13628) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Angelika Krüger-Leißner, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die soziale und wirtschaftliche Lage der Kultur- und Kreativschaffenden verbessern (Drucksachen 17/11832, 17/13487) Monika Grütters (CDU/CSU) Christoph Poland (CDU/CSU) Siegmund Ehrmann (SPD) Reiner Deutschmann (FDP) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 28: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (Drucksachen 17/13221, 17/14203, 17/14204) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (Drucksachen 17/13617, 17/13964, 17/14203, 17/14204) - Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/14235) Tagesordnungspunkt 31: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Gerdes, Ulrike Gottschalck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Bildungschancen mit guten Ganztagsschulen für alle verbessern (Drucksachen 17/13482, 17/14098) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Aydan Özoguz, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Eine moderne Integrationspolitik für mehr Chancengleichheit (Drucksachen 17/13483, 17/14197) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Förderung der Bildungsforschung weiter vorantreiben (Drucksachen 17/8604, 17/14099) d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Die Herausforderungen der Bildungsrepublik mit den Erkenntnissen aus dem Nationalen Bildungsbericht angehen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Krista Sager, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Konsequenzen aus dem nationalen Bildungsbericht ziehen - Bildungsblockaden aufbrechen und mehr Teilhabe ermöglichen (Drucksachen 17/12384, 17/11074, 17/14101) Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU) Oliver Kaczmarek (SPD) Aydan Özoguz (SPD) Sylvia Canel (FDP) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 30: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur (Drucksachen 17/12115, 17/13698) b) Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Aufarbeitung der SED-Diktatur weiterentwickeln: Opferhilfe verbessern - Expertenkommission zur Perspektive des BStU einsetzen (Drucksache 17/14109) Maria Michalk (CDU/CSU) Beatrix Philipp (CDU/CSU) Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Stefan Liebich (DIE LINKE) Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 38: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (1. WissZeitVG-ÄndG) (Drucksachen 17/12531, 17/14186) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Befristung von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft eindämmen - Gute Arbeit in Hochschulen und Instituten fördern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven von Promovierenden verbessern - zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wissenschaftszeitvertragsgesetz wissenschaftsadäquat verändern (Drucksachen 17/6488, 17/11044, 17/7773, 17/14186) c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Tankred Schipanski, Dr. Stefan Kaufmann, Albert Rupprecht (Weiden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Exzellente Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Personaloffensive für den wissenschaftlichen Nachwuchs starten - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wissenschaft als Beruf attraktiv gestalten - Prekarisierung des akademischen Mittelbaus beenden - zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und zukunftsfähige Personalstrukturen an den Hochschulen initiieren (Drucksachen 17/9396, 17/6336, 17/4423, 17/4203, 17/12116) Tankred Schipanski (CDU/CSU) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 32: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie - zu der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung: Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Drucksachen 17/8721, 17/11670, 17/14008) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 14: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung: Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (Arbeitsbericht der 17. Wahlperiode) (Drucksachen 17/13064, 17/14156) Tagesordnungspunkt 33: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie - zu dem Antrag der Abgeordneten Johanna Voß, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Handwerkskammern demokratisieren und transparent gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Johanna Voß, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Handwerksnovelle evaluieren, hohes Qualifikationsniveau sicherstellen (Drucksachen 17/9220, 17/9221, 17/12561) Lena Strothmann (CDU/CSU) Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) Jörg von Polheim (FDP) Johanna Voß (DIE LINKE) Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 34: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien - zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar G. Wöhrl, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der -Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter erhöhen - Initiative der Bundesregierung verstetigen und ausbauen - zu dem Antrag der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Lars Klingbeil, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Ein Pakt für die Kreativwirtschaft (Drucksachen 17/12383, 17/12382, 17/13486) Johannes Selle (CDU/CSU) Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) Siegmund Ehrmann (SPD) Lars Klingbeil (SPD) Reiner Deutschmann (FDP) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 35: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs (DaBaGG) (Drucksachen 17/12635, 17/14190) Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU) Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU) Dr. Edgar Franke (SPD) Mechthild Dyckmans (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 36: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dorothea Steiner, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Geplanten Verschleiß stoppen und die Langlebigkeit von Produkten sichern (Drucksachen 17/13917, 17/14201) Mechthild Heil (CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Dr. Erik Schweickert (FDP) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 37: Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses: zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten - Die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten - [KOM(2013) 114 endg.; Ratsdok. 7677/13] - hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung des gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes (Drucksachen 17/13183 Nr. A.12, 17/14148) Tagesordnungspunkt 40: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Ilja Seifert, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Gemeinsam lernen - Inklusion in der Bildung endlich umsetzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Markus Kurth, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen (Drucksachen 17/10117, 17/11143, 17/11163, 17/14100) Oliver Kaczmarek (SPD) Sylvia Canel (FDP) Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 39: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales - zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Karl Schiewerling, Paul Lehrieder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Sebastian Blumenthal, Heinz Golombeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für eine humane Arbeitswelt - Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten erhalten - Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Psychische Gefährdungen mindern - Alters- und alternsgerecht arbeiten (Drucksachen 17/13088, 17/12818, 17/11042, 17/10867, 17/13851) Max Straubinger (CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Josip Juratovic (SPD) Pascal Kober (FDP) Jutta Krellmann (DIE LINKE) Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 46: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Sören Bartol, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Vorrang für Verbraucherinteressen im Gentechnikrecht verankern (Drucksachen 17/6479, 17/7559) Dr. Max Lehmer (CDU/CSU) Elvira Drobinski-Weiß (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 41: Antrag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln (Drucksache 17/14110) Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU) Johannes Pflug (SPD) Bijan Djir-Sarai (FDP) Stefan Liebich (DIE LINKE) Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 42: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Die -Agrarwissenschaften in Deutschland auf höhere Anforderungen ausrichten (Drucksachen 17/4531, 17/13998) Christoph Poland (CDU/CSU) Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 43: Antrag der Abgeordneten Anette Hübinger, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Dr. Peter Röhlinger, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutschland in der Globalen Wissensgesellschaft klar positionieren - Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter vorantreiben (Drucksache 17/14111) Anette Hübinger (CDU/CSU) Ulla Burchardt (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 44: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Straßen- und Schienenlärm wirksam reduzieren (Drucksachen 17/13915, 17/14151) Thomas Jarzombek (CDU/CSU) Daniela Ludwig (CDU/CSU) Gustav Herzog (SPD) Judith Skudelny (FDP) Sabine Leidig (DIE LINKE) Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 45: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz (Drucksachen 17/13428, 17/14219, 17/14220) Thomas Silberhorn (CDU/CSU) Burkhard Lischka (SPD) Stephan Thomae (FDP) Michael Schlecht (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 48: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), Christel Humme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Diskriminierung abbauen - In jedem Alter (Drucksachen 17/11831, 17/13996) Markus Grübel (CDU/CSU) Petra Crone (SPD) Nicole Bracht-Bendt (FDP) Heidrun Dittrich (DIE LINKE) Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 47: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes (Drucksachen 17/10308, 17/14221, 17/14222) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) Dr. Matthias Miersch (SPD) Dr. Christel Happach-Kasan (FDP) Stephan Thomae (FDP) Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 51: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu dem Antrag der Abgeordneten Lars Klingbeil, Martin Dörmann, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Potenziale von WLAN-Netzen nutzen und Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber schaffen (Drucksachen 17/11145, 17/13793) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Lars Klingbeil (SPD) Claudia Bögel (FDP) Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 15: Antrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dirk Fischer (Hamburg), Ulrich Lange, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Oliver Luksic, Petra Müller (Aachen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Stärkung des Ausbaus von grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen (Drucksache 17/14140) Zusatztagesordnungspunkt 16: Antrag der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dirk Fischer (Hamburg), Jürgen Klimke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Torsten Staffeldt, Dr. Christel Happach-Kasan und der Fraktion der FDP: Die Elbregion mit einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept ökologisch und ökonomisch weiterentwickeln (Drucksache 17/14112) Tagesordnungspunkt 49: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Raju Sharma, Jan Korte, Petra Pau, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz - StAblG) (Drucksachen 17/8791, 17/13156) Beatrix Philipp (CDU/CSU) Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD) Dr. Stefan Ruppert (FDP) Raju Sharma (DIE LINKE) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 17: Antrag der Abgeordneten Ingo Gädechens, Gero Storjohann, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Torsten Staffeldt, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung gewährleisten (Drucksache 17/14113) Tagesordnungspunkt 50: Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Kindernachzugsrecht am Kindeswohl ausrichten (Drucksachen 17/12395, 17/13801) Michael Frieser (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Sevim Dagdelen (DIE LINKE) Memet Kilic (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 18: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Monika Grütters, Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutsche Sprache fördern und sichern (Drucksache 17/14114) Tagesordnungspunkt 52: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Den demographischen Wandel bei den Aufwendungen für Leistungen zur Teilhabe in der gesetzlichen Rentenversicherung besser berücksichtigen (Drucksachen 17/8602, 17/13972) Max Straubinger (CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Anton Schaaf (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 19: Antrag der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dorothee Bär, Dr. Reinhard Brandl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Kulturgüterschutz stärken - Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen (Drucksache 17/14115) Tagesordnungspunkt 55: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes (Drucksachen 17/13424, 17/14157) Helmut Brandt (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zusatztagesordnungspunkt 20: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Drucksachen 17/13423, 17/14194, 17/14217) - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes (Drucksachen 17/5053, 17/14194, 17/14217) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Burkhard Lischka, Dr. Peter Danckert, Martin Dörmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - UrhWahrnG) (Drucksachen 17/3991, 17/14194, 17/14217) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Dr. Konstantin von Notz, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zugang zu verwaisten Werken erleichtern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Krista Sager, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung (Drucksachen 17/4695, 17/7031, 17/14194, 17/14217) Tagesordnungspunkt 53: Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Wirksamer Schutz für Flüchtlinge, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden (Drucksachen 17/9193, 17/13788) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Serkan Tören (FDP) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 54: Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Ingo Egloff, Burkhard Lischka, Sebastian Edathy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Genossenschaftsgründungen erleichtern, Wohnungsgenossenschaften stärken, bewährtes Prüfsystem erhalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Johanna Voß, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Genossenschaften aktiv fördern, Mitgliedschaften erleichtern und unterstützen - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Ingrid Hönlinger, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kleine und Kleinstgenossenschaften stärken, Bürokratie abbauen (Drucksachen 17/9976 (neu), 17/11828, 17/11579, 17/14037) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Marco Buschmann (FDP) Johanna Voß (DIE LINKE) Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 56: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Marianne Schieder (Schwandorf), Frank Hofmann (Volkach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Konsum kristalliner Methamphetamine durch Prävention eindämmen - Neue synthetische Drogen europaweit effizienter bekämpfen (Drucksachen 17/10646, 17/14007) Karin Maag (CDU/CSU) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) Frank Tempel (DIE LINKE) Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 59: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit - zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Dr. Edgar Franke, Dr. Carola Reimann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Überlebenshilfe in der Drogenpolitik - Situation der Substitution von Opiatabhängigen verbessern - Substitutionsbehandlung im Strafvollzug gewährleisten - zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Abhängigen helfen - Substitutionstherapie erleichtern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Versorgungsqualität und Therapiefreiheit in der Substitutionsbehandlung stärken (Drucksachen 17/12181, 17/12825, 17/13230, 17/14017) Karin Maag (CDU/CSU) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) Frank Tempel (DIE LINKE) Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 57: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Senger-Schäfer, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung (Drucksachen 17/12095, 17/14226) Lothar Riebsamen (CDU/CSU) Mechthild Rawert (SPD) Lars Lindemann (FDP) Harald Weinberg (DIE LINKE) Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 58: Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Daniela Wagner, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vergabekriterien für Sportgroßveranstaltungen fortentwickeln - Menschen- und Bürgerrechte bei Sportgroßveranstaltungen stärker berücksichtigen (Drucksachen 17/9982, 17/14091) Eberhard Gienger (CDU/CSU) Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) Martin Gerster (SPD) Nicole Bracht-Bendt (FDP) Katrin Kunert (DIE LINKE) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 60: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Informationsfreiheit und Transparenz unter Einschluss von Verbraucher- und Umweltinformationen - Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz (Drucksachen 17/13467, 17/13800) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) Lars Klingbeil (SPD) Kirsten Lühmann (SPD) Gisela Piltz (FDP) Jan Korte (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 63: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) (Drucksachen 17/12484, 17/13995) Ingo Wellenreuther (CDU/CSU) Martin Dörmann (SPD) Jimmy Schulz (FDP) Jan Korte (DIE LINKE) Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 61: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales - zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: 10 Euro Mindestlohn jetzt - zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mit einem einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn Lohndumping bekämpfen und fairen Wettbewerb schaffen (Drucksachen 17/13551, 17/13719, 17/14002) Gitta Connemann (CDU/CSU) Ulrich Lange (CDU/CSU) Anette Kramme (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Jutta Krellmann (DIE LINKE) Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 62: Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umfassende Visaliberalisierungen für Menschen in Russland und Osteuropa - zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Memet Kilic, Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Visapolitik liberalisieren (Drucksachen 17/9191, 17/9951, 17/13347) Reinhard Grindel (CDU/CSU) Rüdiger Veit (SPD) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 64: a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten - Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft ausbauen (Drucksachen 17/13090, 17/14102) b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern (Drucksachen 17/11687, 17/14106) Florian Hahn (CDU/CSU) René Röspel (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 65: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrentengesetzes (FRG) (Drucksache 17/14107) b) Bericht des Rechtsausschusses gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Lesben und Schwulen in beiden deutschen Staaten - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in Deutschland wegen homosexueller Handlungen Verurteilten (Drucksachen 17/10841, 17/4042, 17/14196) Ansgar Heveling (CDU/CSU) Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) Anton Schaaf (SPD) Sonja Steffen (SPD) Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 66: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung - zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Kooperation von Hochschulen und Unternehmen transparent gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Freiheit von Forschung und Lehre schützen - Transparenz in Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Unternehmen bringen - zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern (Drucksachen 17/9168, 17/9064, 17/11029, 17/14103) Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU) René Röspel (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Nicole Gohlke (DIE LINKE) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 67: Antrag der Abgeordneten Herbert Behrens, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Umfassenden Lärmschutz am BER sicherstellen - Sanierung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg auf Kosten der Anwohner verhindern (Drucksache 17/14118) Jens Koeppen (CDU/CSU) Peter Wichtel (CDU/CSU) Kirsten Lühmann (SPD) Petra Müller (Aachen) (FDP) Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE) Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Tagesordnungspunkt 68: Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie - zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Dörmann, Lars Klingbeil, Wolfgang Tiefensee, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit gesetzlich regeln, Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen sichern und schnelles Internet für alle verwirklichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Netzneutralität gesetzlich festschreiben (Drucksachen 17/13892, 17/13466, 17/14188) Andreas G. Lämmel (CDU/CSU) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Martin Dörmann (SPD) Claudia Bögel (FDP) Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Nächste Sitzung Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage 2 Erklärung der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Katja Dörner, Volker Beck (Köln), Dr. Anton Hofreiter, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmink und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammel-übersicht 611 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 79 ccc) Anlage 3 Erklärung der Abgeordneten Agnes Brugger, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke, Dr. Hermann E. Ott, Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dorothea Steiner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und Arfst Wagner (Schleswig) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammel-übersicht 611 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 79 ccc) Anlage 4 Erklärungen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 611 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 79 ccc) Katja Kipping (DIE LINKE) Alexander Süßmair (DIE LINKE) Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Zusatztagesordnungspunkt 11) Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über den Antrag: Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Serbien zur Europäischen Union und zur Empfehlung von Europäischer Kommission und Hoher Vertreterin vom 22. April 2013 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (Zusatztagesordnungspunkt 4) Anlage 7 Erklärung des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/.../EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. .../2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD-IV-Umsetzungsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Raju Sharma, Dr. Kirsten Tackmann und Halina Wawzyniak (alle DIE LINKE) zu den Abstimmungen über den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (Tagesordnungspunkt 20 a) Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstimmungen über den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (Tagesordnungspunkt 20 a) Manuel Höferlin (FDP) Anette Hübinger (CDU/CSU) Uwe Schummer (CDU/CSU) Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 (Tagesordnungspunkt 11) Anlage 11 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Veronika Bellmann (CDU/CSU) Michael Kauch (FDP) Patrick Meinhardt (FDP) Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Katherina Reiche (CDU/CSU) Tankred Schipanski (CDU/CSU) Marina Schuster (FDP) Joachim Spatz (FDP) Erika Steinbach (CDU/CSU) Manfred Todtenhausen (FDP) Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ernst Hinsken, Karl Holmeier und Franz Obermeier (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Pascal Kober und Gisela Piltz (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 14 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tages-ordnungspunkt 13 a) Manfred Kolbe (CDU/CSU) Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU) Anlage 15 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volkmar Klein und Stefanie Vogelsang (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 16 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Jan-Marco Luczak, Elisabeth Winkelmeier-Becker (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 17 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus, Reiner Deutschmann, Patrick Döring, Rainer Erdel, Manuel Höferlin, Petra Müller (Aachen) und Johannes Vogel (Lüdenscheid) (alle FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 18 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sebastian Blumenthal, Claudia Bögel, Marco Buschmann, Sylvia Canel, Bijan Djir-Sarai, Jörg van Essen, Otto Fricke, Miriam Gruß, Sebastian Körber, Gabriele Molitor, Jan Mücke, Dirk Niebel, Jörg von Polheim, Judith Skudelny und Serkan Tören (alle FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012) - Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: - Exorbitante Managergehälter begrenzen - Keine Mitfinanzierung exorbitanter Gehälter durch die Allgemeinheit - Steuerliche Abzugsfähigkeit eingrenzen - Entwurf eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung (Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Burkhard Lischka (SPD) Marco Buschmann (FDP) Richard Pitterle (DIE LINKE) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken - Kooperationsverbot in der Bildung unverzüglich aufheben - Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen - Gemeinsam für gute Schulen und Hochschulen sorgen - Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung abschaffen - Kooperation ermöglichen - Gemeinsam Verantwortung für die großen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft übernehmen - Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft - Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern (Tagesordnungspunkt 14) Monika Grütters (CDU/CSU) Ewa Klamt (CDU/CSU) Oliver Kaczmarek (SPD) Swen Schulz (Spandau) (SPD) Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig stärken: Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken - Transparenz und öffentliche Kontrolle im Prozess der Organspende herstellen - Organspende in Deutschland transparent organisieren (Tagesordnungspunkt 15) Rudolf Henke (CDU/CSU) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU) Dr. Marlies Volkmer (SPD) Gabriele Molitor (FDP) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz - Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz (Tagesordnungspunkt 16) Norbert Geis (CDU/CSU) Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) Dr. Edgar Franke (SPD) Marco Buschmann (FDP) Jens Petermann (DIE LINKE) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Entwürfe: Gesetz zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel (Tagesordnungspunkt 17) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Ute Granold (CDU/CSU) Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) Dr. Eva Högl (SPD) Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP) Ulla Jelpke (DIE LINKE) Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Antwort auf die Große Anfrage: Ergebnisse und Folgen der Beschlüsse des NATO-Gipfels von Chicago für Abrüstung, Raketenabwehr und europäische Sicherheit (Tagesordnungspunkt 21) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) Uta Zapf (SPD) Dr. Rainer Stinner (FDP) Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StrÄndG) - Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG) - Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung (Tagesordnungspunkt 22) Ute Granold (CDU/CSU) Sonja Steffen (SPD) Marco Buschmann (FDP) Halina Wawzyniak (DIE LINKE) Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwürfe: Gesetz zur Förderung der Prävention - Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: - Kinder- und Jugendgesundheit: Ungleichheiten beseitigen - Versorgungslücken schließen - Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen - Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen - Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen - Potenziale der Prävention erkennen und nutzen - Prävention und Gesundheitsförderung über die gesamte Lebensspanne stärken - Prävention weiter denken - Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken - Gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung schaffen - Gesamtkonzept für nationale Strategie vorlegen (Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 d) Dietrich Monstadt (CDU/CSU) Stefanie Vogelsang (CDU/CSU) Angelika Graf (Rosenheim) (SPD) Dr. Martina Bunge (DIE LINKE) Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Daniel Bahr, Bundesminister BMG Anlage 28 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen - Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: - Aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne bekämpfen - Globale Steuergestaltung verhindern - Regulierungsschlupflöcher stopfen - Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und in Europa vorantreiben - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten (Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 c) Manfred Kolbe (CDU/CSU) Lothar Binding (Heidelberg) (SPD) Holger Krestel (FDP) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Dr. Nils Schmid, Minister (Baden-Württemberg) Anlage 29 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (Tagesordnungspunkt 28) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Marco Buschmann (FDP) Richard Pitterle (DIE LINKE) Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Unterrichtungen: Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Tagesordnungspunkt 32 und Zusatztagesordnungspunkt 14) Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) Ulrike Gottschalck (SPD) Michael Kauch (FDP) Ralph Lenkert (DIE LINKE) Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 31 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten - die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten; (KOM(2013) 114 endg.; Ratsdok. Nr. 7677/13) - hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 37) Norbert Barthle (CDU/CSU) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) Otto Fricke (FDP) Steffen Bockhahn (DIE LINKE) Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär BMF Anlage 32 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Korruptionsregister-Gesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 13) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) Ingo Egloff (SPD) Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP) Werner Dreibus (DIE LINKE) Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 33 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Stärkung des Ausbaus von grenzüberschreitenden Schienenverkehrs-achsen (Zusatztagesordnungspunkt 15) Karl Holmeier (CDU/CSU) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Martin Burkert (SPD) Michael Groß (SPD) Sabine Leidig (DIE LINKE) Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Jan Mücke, Parl. Staatssekretär BMVBS Anlage 34 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Die Elbregion mit einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept ökologisch und ökonomisch weiterentwickeln (Zusatztagesordnungspunkt 16) Jürgen Klimke (CDU/CSU) Arnold Vaatz (CDU/CSU) Gustav Herzog (SPD) Torsten Staffeldt (FDP) Roland Claus (DIE LINKE) Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 35 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung gewährleisten (Zusatztagesordnungspunkt 17) Ingo Gädechens (CDU/CSU) Gero Storjohann (CDU/CSU) Bettina Hagedorn (SPD) Torsten Staffeldt (FDP) Herbert Behrens (DIE LINKE) Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 36 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Deutsche Sprache fördern und sichern (Zusatztagesordnungspunkt 18) Monika Grütters (CDU/CSU) Johannes Singhammer (CDU/CSU) Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD) Reiner Deutschmann (FDP) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE) Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 37 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kulturgüterschutz stärken - Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen (Zusatztagesordnungspunkt 19) Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU) Ulla Schmidt (Aachen) (SPD) Reiner Deutschmann (FDP) Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP) Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE) Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 38 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - UrhWahrnG) - Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Zugang zu verwaisten Werken erleichtern - Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung (Zusatztagesordnungspunkte 20 a und 20 b) Ansgar Heveling (CDU/CSU) Tankred Schipanski (CDU/CSU) René Röspel (SPD) Stephan Thomae (FDP) Dr. Petra Sitte (DIE LINKE) Krista Sager (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Anlage 39 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung zu den Anträgen: - Das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen - Gemeinsam lernen - Inklusion in der Bildung endlich umsetzen - Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen (Tagesordnungspunkt 40) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) Anlage 40 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14230) (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 41 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der DIE LINKE zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14231) (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 42 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14232) (Tagesordnungspunkt 13 a) Anlage 43 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14233) (Tagesordnungspunkt 13 a) Inhaltsverzeichnis 250. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2013 Beginn: 9.02 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie alle herzlich. Ich freue mich über die erkennbar gute Laune und bin gespannt, wie lange sie anhält. (Heiterkeit) Wir haben uns für den heutigen Tag und bis weit in die Nacht besonders viel vorgenommen. Ich habe auch noch ein paar ergänzende bzw. korrigierende Bemerkungen zur Tagesordnung zu machen. Bevor ich damit beginne, möchte ich den Kollegen Hans-Werner Kammer und Wolfgang Zöller zu ihren Geburtstagen gratulieren, die sie in den vergangenen Tagen gefeiert haben, (Beifall) dem Kollegen Kammer zum 65. und Wolfgang Zöller zum 71. Geburtstag. Alle guten Wünsche im Namen des ganzen Hauses! Wir müssen auch noch die Wahl eines Mitgliedes des Beirates beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR gemäß § 39 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes durchführen. Die Fraktion der CDU/CSU schlägt vor, für eine weitere Amtszeit Herrn Professor Dr. Manfred Wilke als Mitglied des Beirates zu berufen. Stimmen Sie dem zu? - Das ist der Fall. Dann ist Herr Professor Wilke in den Beirat gewählt. Schließlich ist interfraktionell vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern: ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Flutopfern helfen - Hochwasserfonds einrichten - Drucksache 17/13896 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus ZP 2 Beratung des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Flutopfern solidarisch helfen - Hochwasserschutz ökologisch modernisieren - Drucksache 17/14079 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus (ZP 1 und ZP 2 siehe 248. Sitzung) ZP 3 Vereinbarte Debatte Konsequenzen für Deutschland aus der internationalen Internetüberwachung (ZP 3 siehe 249. Sitzung) ZP 4 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Serbien zur Europäischen Union und zur Empfehlung von Europäischer Kommission und Hoher Vertreterin vom 22. April 2013 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen - Drucksache 17/14108 - ZP 5 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache Ergänzung zu TOP 79 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz - BUK-NOG) - Drucksache 17/12297 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - Drucksache 17/13808 - Berichterstattung: Abgeordnete Miriam Gruß b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Drucksache 17/13662 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - Drucksache 17/14202 - Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller c) Beratung der Beschlussempfehlung und Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2011) 451 endg.; Ratsdok. 13195/11 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Drucksachen 17/6985 Nr. A.58, 17/11847 - Berichterstattung: Abgeordnete Kirsten Lühmann d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Paket "Verkehrssicherheit" Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/40/EG KOM(2012) 380 endg.; Ratsdok. 12786/12 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Drucksachen 17/10710 Nr. A.53, 17/13165 - Berichterstattung: Abgeordneter Gero Storjohann e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Sportausschusses (5. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Wolfgang Wieland, Daniela Wagner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rente für Dopingopfer in der DDR - Drucksachen 17/12393, 17/14016 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Riegert Martin Gerster Dr. Lutz Knopek Jens Petermann Viola von Cramon-Taubadel f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Priska Hinz (Herborn), Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparente Kriterien und verbindliche Rahmenbedingungen schaffen für die Bundesförderung von kulturellen Institutionen und Projekten - Drucksachen 17/12196, 17/14057 - Berichterstattung: Abgeordnete Siegmund Ehrmann Reiner Deutschmann Dr. Lukrezia Jochimsen Agnes Krumwiede g) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit - Partnerschaft für eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung - Drucksachen 17/13728, 17/14065 - Berichterstattung: Abgeordnete Sibylle Pfeiffer Stefan Rebmann Joachim Günther (Plauen) Annette Groth Ute Koczy h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Aydan Özoguz, Daniela Kolbe (Leipzig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Einrichtung eines Zentrums für Alevitische Studien fördern - Drucksachen 17/5517, 17/14104 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Swen Schulz (Spandau) Patrick Meinhardt Dr. Petra Sitte Krista Sager i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Haltung von Delfinen beenden - Drucksachen 17/12657, 17/13847 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Heinz Paula Hans-Michael Goldmann Alexander Süßmair Undine Kurth (Quedlinburg) j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 614 zu Petitionen - Drucksache 17/14164 - k) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 615 zu Petitionen - Drucksache 17/14165 - l) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 616 zu Petitionen - Drucksache 17/14166 - m) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 617 zu Petitionen - Drucksache 17/14167 - n) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 618 zu Petitionen - Drucksache 17/14168 - o) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 619 zu Petitionen - Drucksache 17/14169 - p) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 620 zu Petitionen - Drucksache 17/147170 - q) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 621 zu Petitionen - Drucksache 17/14171 - r) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 622 zu Petitionen - Drucksache 17/14172 - s) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 623 zu Petitionen - Drucksache 17/14173 - ZP 6 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) - Drucksachen 17/11471 (neu), 17/13537, 17/13879, 17/14120 - Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen ZP 7 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksachen 17/11293, 17/11873, 17/12526, 17/12924, 17/14121 - Berichterstattung: Abgeordneter Michael Grosse-Brömer ZP 8 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/.../EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. .../2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD-IV-Umsetzungsgesetz) - Drucksachen 17/10974, 17/11474, 17/13524, 17/13541, 17/13876, 17/14122 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister ZP 9 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG) - Drucksachen 17/13023, 17/13531, 17/13875, 17/14123 - Berichterstattung: Abgeordneter Karl Schiewerling ZP 10 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz über die Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten - Drucksachen 17/12479, 17/13132, 17/13135, 17/13878, 17/14124 - Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen ZP 11 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze - Drucksachen 17/12636, 17/13452, 17/13454, 17/13881, 17/14125 - Berichterstattung: Abgeordneter Michael Grosse-Brömer ZP 12 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Wahlversprechen von CDU/CSU - Mögliche Risiken auf die Haushalte von Bund und Ländern ZP 13 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Korruptionsregister-Gesetz) - Drucksachen 17/11415, 17/13974 - ZP 14 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (Arbeitsbericht der 17. Wahlperiode) - Drucksachen 17/13064, 17/14156 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Thomas Gebhart Dr. Matthias Miersch Michael Kauch Ralph Lenkert Dr. Valerie Wilms ZP 15 Beratung des Antrags der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dirk Fischer (Hamburg), Ulrich Lange, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Oliver Luksic, Petra Müller (Aachen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Stärkung des Ausbaus von grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen - Drucksache 17/14140 - ZP 16 Beratung des Antrags der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dirk Fischer (Hamburg), Jürgen Klimke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Torsten Staffeldt, Dr. Christel Happach-Kasan und der Fraktion der FDP Die Elbregion mit einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept ökologisch und ökonomisch weiterentwickeln - Drucksache 17/14112 - ZP 17 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingo Gädechens, Gero Storjohann, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Torsten Staffeldt, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung gewährleisten - Drucksache 17/14113 - ZP 18 Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Monika Grütters, Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Deutsche Sprache fördern und sichern - Drucksache 17/14114 - ZP 19 Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dorothee Bär, Dr. Reinhard Brandl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Kulturgüterschutz stärken - Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen - Drucksache 17/14115 - ZP 20 a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Drucksache 17/13423 - - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Drucksache 17/5053 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Burkhard Lischka, Dr. Peter Danckert, Martin Dörmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - UrhWahrnG) - Drucksache 17/3991 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/14194 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Geis Ansgar Heveling Burkhard Lischka Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jerzy Montag b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Dr. Konstantin von Notz, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zugang zu verwaisten Werken erleichtern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Krista Sager, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung - Drucksachen 17/4695, 17/7031, 17/14194 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Geis Ansgar Heveling Burkhard Lischka Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jerzy Montag ZP 21 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Jan van Aken, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Flutopfern helfen - Hochwasserfonds einrichten - zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Flutopfern solidarisch helfen - Hochwasserschutz ökologisch modernisieren - Drucksachen 17/13896, 17/14079, 17/14264 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider (Erfurt) Otto Fricke Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz (Herborn) ZP 22 - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Betreuungsgeldgesetzes (Betreuungsgeldergänzungsgesetz) - Drucksache 17/11315 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) - Drucksache 17/14198 - Berichterstattung: Abgeordnete Dorothee Bär Christel Humme Miriam Gruß Diana Golze Katja Dörner - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14208 - Berichterstattung: Abgeordnete Andreas Mattfeldt Rolf Schwanitz Dr. Florian Toncar Steffen Bockhahn Sven-Christian Kindler ZP 23 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Dörner, Ekin Deligöz, Sven-Christian Kindler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rechtsanspruch auf Bildung, Erziehung und Betreuung zügig realisieren - Qualitätsoffensive in Kitas und Tagespflege in Angriff nehmen - Drucksache 17/14135 - ZP 24 Beratung des Antrags der Abgeordneten Caren Marks, Petra Crone, Kerstin Griese, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD U3-Rechtsanspruch sichern - Qualität verbessern und auf Betreuungsgeld verzichten - Drucksache 17/14138 - ZP 25 - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze (Standortauswahlgesetz - StandAG) - Drucksache 17/13471 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle und zur Änderung anderer Gesetze (Standortauswahlgesetz - StandAG) - Drucksachen 17/13833, 17/13926 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - Drucksache 17/14181 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Maria Flachsbarth Ute Vogt Angelika Brunkhorst Ralph Lenkert Sylvia Kotting-Uhl - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14209 - Berichterstattung: Abgeordnete Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Beckmeyer Stephan Thomae Roland Claus Sven-Christian Kindler ZP 26 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zwei Jahre Fukushima - Ohne ehrlichen Atomausstieg keine erfolgreiche Energiewende - Drucksachen 17/12509, 17/14179 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein Marco Bülow Angelika Brunkhorst Ralph Lenkert Sylvia Kotting-Uhl ZP 27 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Edelgard Bulmahn, Dr. Matthias Miersch, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Transparenz bei Rückstellungen im Kernenergiebereich schaffen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dorothée Menzner, Eva Bulling-Schröter, Ralph Lenkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Überführung der Rückstellungen der AKW-Betreiber in einen öffentlich-rechtlichen Fonds - zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rückstellungen der Atomwirtschaft in Ökowandel-Fonds überführen - Sicherheit, Transparenz und ökologischen Nutzen schaffen, statt an Wettbewerbsverzerrung und Ausfallrisiko festhalten - Drucksachen 17/5901, 17/5480, 17/6119, 17/14187 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein Marco Bülow Michael Kauch Ralph Lenkert Sylvia Kotting-Uhl ZP 28 Beratung des Antrags der Abgeordneten Willi Brase, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Betriebliche Ausbildung weiter denken - Qualität erhöhen, Gleichwertigkeit durch einen attraktiven Dualen Bildungsweg herstellen - Drucksache 17/14134 - Das beeindruckt umso mehr, als hier niemand den Eindruck hatte, dass wir heute zu wenige Punkte auf der Tagesordnung hatten. - Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll dabei, soweit erforderlich, abgewichen werden. Immerhin sollen die Tagesordnungspunkte 18, 23, 74, 76, 78, 79 i und 79 rr abgesetzt werden. (Zurufe: Oh!) - Ich werte diese Reaktion als besondere Form der Zustimmung. (Heiterkeit) Gibt es weitere Anträge zur heutigen Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir das mit den gerade vorgetragenen Veränderungen offenkundig so beschließen. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b auf: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Aufbauhilfe" und zur Änderung weiterer Gesetze (Aufbauhilfegesetz) - Drucksache 17/14176 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss (f) Innenausschuss Rechtsausschuss Finanzausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Technologie Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung Ausschuss für Tourismus b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2013 (Nachtragshaushaltsgesetz 2013) - Drucksache 17/14000 - hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung - Drucksache 17/14020 - Überweisungsvorschlag: Haushaltsausschuss Eine Aussprache darüber ist heute nicht vorgesehen. Deswegen kommen wir gleich zur Überweisung. Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 17/14176 und 17/14020 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. - Damit sind Sie offensichtlich einverstanden. Dann sind die Überweisungen so beschlossen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 sowie den Zusatzpunkt 4 auf: 5 Abgabe einer Regierungserklärung durch die Bundeskanzlerin zu den Ergebnissen des G-8-Gipfels und zum Europäischen Rat am 27./28. Juni 2013 in Brüssel ZP 4 Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Serbien zur Europäischen Union und zur Empfehlung von Europäischer Kommission und Hoher Vertreterin vom 22. April 2013 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen - Drucksache 17/14108 - Zu der Regierungserklärung liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der SPD, ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke und zwei Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung 90 Minuten vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Ich würde schon jetzt gerne eine Vereinbarung herbeiführen, dass wir zur Einhaltung eines ohnehin extrem engen Zeitplans Zwischenfragen und Interpellationen aller Art auf das offenkundig Unvermeidliche begrenzen sollten. Sonst sprengen wir die Tagesordnung gleich zu Beginn zusätzlich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) - Ich bedanke mich. - Dann haben wir auch das damit vereinbart. Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nicht die Weltwirtschaft stand zu Beginn des Treffens der G-8-Staats- und Regierungschefs in Nordirland im Mittelpunkt, sondern die Tragödie in Syrien. Mehr als 93 000 Menschen sind nach Angaben der Vereinten Nationen inzwischen dem Bürgerkrieg in Syrien zum Opfer gefallen. 1,6 Millionen Syrer sind auf der Flucht. Seit vielen Monaten erleben wir, dass die Vereinten Nationen dieser Katastrophe mehr oder weniger tatenlos zusehen müssen, dass sie im Grunde handlungsunfähig, wenn nicht gar ohnmächtig sind. In dieser verzweifelten Lage, die zunehmend auch zu einer Bedrohung der ganzen Region wird, hat sicher jeder von uns Verständnis, wenn unsere Freunde und Partner in Amerika, in Großbritannien und in Frankreich zum Beispiel überlegen, Teilen der syrischen Opposition auch mit Waffenlieferungen zu helfen. (Zuruf der LINKEN: Das ist keine Hilfe!) Ob das tatsächlich ein erfolgversprechender Weg wäre, ist eine völlig andere Frage. Die Risiken wären aus meiner Sicht jedenfalls kaum abzuschätzen. Aber Verständnis für den Wunsch, dem Töten in Syrien endlich wirkungsvoll zu begegnen und dem Treiben des Assad-Regimes ein Ende zu machen, hat sicher jeder, jedenfalls jeder, der ein Herz hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich habe beim G-8-Gipfel in Nordirland unmissverständlich deutlich gemacht, dass Deutschland schon aus rechtlichen Gründen keine Waffen in Bürgerkriegsgebiete liefert, so auch nicht nach Syrien. Aber ich habe ebenso unmissverständlich deutlich gemacht, dass Deutschland weiter alles in seiner Macht Stehende tun wird, den Menschen in Syrien einen Ausweg aus der Katastrophe zu ermöglichen. Dazu ist in Nordirland ein erster Schritt gelungen, klein genug, aber immerhin ein erster Schritt. Zum einen haben alle G-8-Staaten, also auch Russland, mit Blick auf die Genfer Konferenz einmütig zur Bildung einer Übergangsregierung mit Exekutivgewalt aufgerufen. Das heißt, das syrische Volk soll seine zukünftige Regierung selbst bestimmen. Damit zeigt auch Russland, dass es sich eine friedliche Zukunft in Syrien nunmehr auch ohne das Assad-Regime vorstellen kann. Wie gesagt, das war nur ein kleiner Schritt nach vorn, aber immerhin einer in die richtige Richtung, der der Genfer Konferenz ein klares Ziel gibt. Zum anderen haben wir uns gemeinsam dafür ausgesprochen, dass die Vereinten Nationen vor Ort, also in Syrien, den Einsatz von Chemiewaffen untersuchen. Die Untersuchungskommission muss jetzt Zugang nach Syrien bekommen, damit sie so schnell wie möglich dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ihre Ergebnisse vorlegen kann. Die Not der Menschen in Syrien ist unermesslich groß. Ihre Lage ist unerträglich. Um ihnen wenigstens etwas zu helfen und auch den von der Flüchtlingswelle besonders betroffenen Nachbarstaaten Libanon, Jordanien und der Türkei bei der Bewältigung dieser humanitären Katastrophe zur Seite zu stehen, haben wir auf dem G-8-Gipfel über 1,1 Milliarden Euro an zusätzlicher humanitärer Hilfe zugesagt. Allein 200 Millionen Euro hiervon wird Deutschland zusätzlich zu den schon geleisteten 164 Millionen Euro tragen. Meine Damen und Herren, die Diskussion zur Lage in Syrien hat einmal mehr gezeigt, welch hohe Bedeutung manchen Unkenrufen zum Trotz die Runde der G 8 unverändert hat; denn nichts geht über das direkte persönliche Gespräch. Dafür bieten G-8-Gipfel einen ausgezeichneten Rahmen. Das gilt selbstverständlich auch für die Fragen der Weltwirtschaft. So hat dieser Gipfel in Nordirland der Steuerhinterziehung den Kampf angesagt. Wir haben ein klares Bekenntnis dazu abgegeben, dass der automatische Informationsaustausch ausgebaut werden muss und somit internationale Standards geschaffen werden müssen. Wir sind noch einen Schritt weiter gegangen, denn wir haben in Nordirland ein kleines - -, ein klares Zeichen (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein kleines!) gegen aggressive Steuervermeidung multinationaler Konzerne gesetzt. Damit unterstützen wir die Arbeiten der OECD, die hierzu Empfehlungen ausarbeitet. Die G 8 wird dieses Thema auf dem G-20-Gipfel im September geschlossen weiter vorantreiben; denn wenn sich alle G-20-Staaten diesen OECD-Standards anschlössen - darauf arbeiten wir hin -, hätten wir einen großen Schritt getan, um die Steuervermeidung großer multinationaler Konzerne beträchtlich einzuschränken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deutschland wird in Sankt Petersburg beim G-20-Treffen entschieden dafür werben. Großkonzerne müssen wie alle anderen auch einen fairen Beitrag zum Steueraufkommen leisten. Dazu müssen Steuerschlupflöcher geschlossen werden, so zum Beispiel die Möglichkeit der sogenannten doppelten Nichtbesteuerung. Das heißt, es muss Schluss damit sein, dass die Besteuerung von Großkonzernen weder beim Konzernsitz noch bei der Produktionsstätte erfolgt. Ich glaube, das ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger in allen Ländern, in denen diese Konzerne tätig sind. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ganz oben auf der Tagesordnung der G 8 in Nordirland stand auch die Förderung des freien Handels. Wir setzen uns unverändert für Fortschritte in der Doha-Runde und für den weiteren Abbau protektionistischer Maßnahmen ein. Letztes Jahr haben sich die Staaten auf dem G-20-Gipfel in Mexiko dazu verpflichtet, bis 2014 keine neuen Handelshemmnisse zu errichten und bestehende abzubauen. In Nordirland haben wir in der G 8 nun vereinbart, diese Absprache gemeinsam in der G 20 über 2014 hinaus zu verlängern. Ein geradezu einzigartiges Signal für freien globalen Handel haben in Nordirland die Europäische Union und die USA gesetzt; denn wir haben den Gipfel genutzt, um den Startschuss für Verhandlungen über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zu geben. Das Ergebnis wird die größte Freihandelszone der Welt sein. Von ihr profitieren werden die Weltwirtschaft insgesamt und auch die europäische Wirtschaft; davon bin ich zutiefst überzeugt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb ist die Förderung des freien, fairen und offenen Handels auch Teil der Wachstumsagenda der Europäischen Union. Genau diese wird auch Thema des heute beginnenden Rates der europäischen Staats- und Regierungschefs sein. Um Europa, insbesondere die Euro-Zone, zu neuer Stärke zu führen, sind unverändert erstens ehrgeizige strukturelle Reformen in den Mitgliedstaaten und zweitens eine engere wirtschaftspolitische Koordinierung zur Stärkung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erforderlich. Das Ergebnis werden mehr Wachstum und damit auch mehr Beschäftigung in Europa sein. Das hat uns im Übrigen auch bei den Beratungen zum mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 geleitet. Alle Beteiligten müssen sich jetzt entschlossen für eine Einigung hierzu einsetzen. Deutschland, die deutsche Bundesregierung jedenfalls, tut dies. Im Dialog mit dem Parlament müssen endlich die letzten Hürden überwunden werden. Aktuell laufen dazu in Brüssel Gespräche. Ich kann nur sagen: Wenn wir vor dem Sommer nicht zu einem Abschluss dieser mittelfristigen Finanzplanung kommen, dann wird Ergebnis sein, dass Tausende von Menschen in Europa ihren Arbeitsplatz verlieren, weil keine Planbarkeit zum Beispiel für ESF-Mittel und anderes möglich ist. Die Zeit drängt. Deshalb muss hier eine Einigung erzielt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ein gestärktes Europa der Stabilität und des Wachstums hat den französischen Staatspräsidenten François Hollande und mich geleitet, als wir am 30. Mai unsere Vorschläge für den heute beginnenden Rat vorgelegt haben. Es kann gar nicht oft genug gesagt werden: Wachstum und Haushaltskonsolidierung sind keine Gegensätze; im Gegenteil: sie bedingen einander. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nebenbei bemerkt: In Deutschland haben wir doch gezeigt, wie das geht. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Oh ja! - Weitere Zurufe von der SPD) Wer heute nicht glaubt, dass wir in der nächsten Legislaturperiode den Menschen etwas von den sprudelnden Steuereinnahmen zurückgeben und gleichzeitig den Schuldenberg abbauen werden, muss nur auf die Bilanz der Bundesregierung der letzten vier Jahre schauen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben gezeigt: Wir können das. Wir können beides. Wir haben Familien und Unternehmen entlastet, in Bildung und Forschung investiert und das Anwachsen des Schuldenbergs gestoppt. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alle Probleme verschoben!) Sie haben dies gestern an der Vorlage des Haushaltes für 2014, der eine strukturelle Null aufweist, gesehen; am Ende der Großen Koalition hatten wir eine Neuverschuldung von 50 Milliarden Euro. Wir können beides: Wachstum und Haushaltskonsolidierung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Was wir einmal geschafft haben, das schaffen wir in der nächsten Legislaturperiode wieder. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine Drohungen!) Wir lassen Taten sprechen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wollen angesichts der höchsten Steuereinnahmen, die es jemals in der Bundesrepublik Deutschland gab, nichts anderes, als wieder die Leistungsträger in der Mitte unserer Gesellschaft belasten - das ist Ihre Politik -, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) wir definitiv nicht. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir sind überzeugt, dass Investitionen zu neuen Arbeitsplätzen führen. Neue Arbeitsplätze führen zu neuen Steuereinnahmen und zu mehr Geld in den Sozialkassen. Mehr Steuereinnahmen führen wieder zu solideren Finanzen. - Das ist der Kreislauf, auf den wir setzen. Der hat sich bewährt, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Weil Wachstum und Haushaltskonsolidierung zusammengehören, ist es auch gut, dass das Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages, der die Euro-Staaten zu dauerhaft soliden Staatsfinanzen verpflichtet, vom Deutschen Bundestag und vom Bundesrat gemeinsam verabschiedet wird. Das heißt: Wir alle bekennen uns zu diesem Fiskalvertrag, zu seiner innerstaatlichen Umsetzung und damit zu soliden Finanzen. Ich weiß nicht, warum das, was für Deutschland gilt, nicht auch für Europa gelten soll. Deshalb haben wir für ganz Europa diesen Fiskalvertrag erarbeitet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Weil Haushaltskonsolidierung und Wachstum zusammengehören, haben wir im vergangenen Jahr auch den Pakt für Wachstum und Beschäftigung geschlossen, den wir auf diesem Europäischen Rat noch einmal überprüfen werden. Heute, ein Jahr nach Beschluss des Paktes, sehen wir erste wichtige Ergebnisse, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Spanien zum Beispiel hat wichtige Arbeitsmarktreformen angestoßen. Auch Frankreich hat diesen Weg im Sozialpartnerdialog eingeschlagen. Die Haushaltsdefizite werden trotz des schwierigen Umfeldes abgebaut. Viele Länder arbeiten an Reformen der Aus- und Weiterbildung, führen Programme der Privatisierung durch und verbessern die Effizienz der staatlichen Institutionen. Es ist völlig klar: Diesen Weg müssen wir weitergehen. Er verbessert die Bedingungen für private Investitionen, und damit entstehen weitere Chancen für Wachstum und Beschäftigung. Im Rahmen des erneuerten Stabilitäts- und Wachstumspaktes gibt die Kommission in jedem Jahr den einzelnen Mitgliedstaaten länderspezifische Empfehlungen. Ich werde mich beim Europäischen Rat dafür einsetzen, dass diese länderspezifischen Empfehlungen auch von allen angenommen werden, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auch von Ihnen?) selbst wenn nicht jeder mit jedem Detail einverstanden ist; denn diese Empfehlungen weisen in Richtung von mehr Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten. Eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit, ausgerichtet an den weltweit Besten, ist der Schlüssel für Europa zum Wachstum. Natürlich macht uns die hohe Arbeitslosigkeit, insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit der jungen Menschen in Europa, größte Sorgen. Es führt überhaupt kein Weg daran vorbei, dass wir mehr tun müssen, um gerade jungen Menschen den Einstieg in das Berufsleben zu ermöglichen. Wir müssen ihnen Zukunftschancen geben, weil sie unsere Zukunft sind. Das sind wir der Jugend Europas schuldig. Wir sind es ihr deshalb besonders schuldig, weil sie, die Jugend, keinerlei Schuld an den Versäumnissen der vergangenen Jahre hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie schon vor zwei Jahren gesagt!) Die Förderung der Jugendbeschäftigung ist zu Recht ein Schwerpunkt des Europäischen Rates. Es steht außer Frage: Die Verpflichtungen, die die Mitgliedstaaten hierzu auf europäischer Ebene eingegangen sind, müssen so schnell wie möglich umgesetzt werden. Natürlich müssen die 6 Milliarden Euro aus der mittelfristigen Finanziellen Vorausschau verfügbar sein, damit wir etwas tun können. Sie werden im Übrigen nicht gleichermaßen auf alle Jahre der Vorausschau verteilt, sondern können schnellstmöglich in den ersten beiden Jahren ausgegeben werden. Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Jugendbeschäftigungsgarantie, also das Ziel, jungen Menschen unter 25 Jahren eine Arbeitsstelle guter Qualität, eine weiterführende Ausbildung oder einen hochwertigen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz anzubieten. Es ist in diesem Zusammenhang auch eine gute Nachricht, dass wir uns politisch auf konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Berufsanerkennung in Europa einigen konnten. Das heißt, dass künftig Qualifikationen in vielen Berufen schneller und leichter anerkannt werden, wenn man in einem anderen Land der Europäischen Union arbeiten möchte. Weil aber alle europäische Unterstützung nichts bringt, wenn die Mitgliedstaaten ihre Hausaufgaben nicht machen, kann gar nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass sie es sind, die in erster Linie gefordert sind, die notwendigen Reformen durchzuführen, um Hindernisse bei der Einstellung von jungen Menschen zu beseitigen und Beschäftigungschancen zu verbessern. Ich habe deshalb zu einer Konferenz zur Förderung der Jugendbeschäftigung am 3. Juli 2013 nach Berlin eingeladen, an der neben der litauischen EU-Ratspräsidentin Grybauskaite - Litauen hat ab Montag die EU-Ratspräsidentschaft - und neben den Spitzen der EU-Institutionen viele weitere EU-Staats- und Regierungschefs sowie die Arbeitsminister und die Chefs der Arbeitsverwaltungen teilnehmen werden. Auf Einladung von Bundesministerin von der Leyen werden zuvor die europäischen Arbeitsministerinnen und Arbeitsminister mit den europäischen Sozialpartnern zusammenkommen. Wir werden mit dem European Round Table, den größten Unternehmen Europas, sprechen. (Zuruf von der SPD: Was soll dabei herauskommen?) Bei dieser Konferenz geht es auch darum, wie wir die 6 Milliarden Euro, die zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zur Verfügung stehen, am effizientesten ausgeben. Wir wollen die jeweiligen nationalen Erfahrungen - Deutschland hat hier breite Erfahrungen, gerade aus der Zeit der deutschen Einheit - zur Förderung der Jugendbeschäftigung miteinander teilen und die erfolgversprechendsten Maßnahmen identifizieren. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Deutschland und andere Mitgliedstaaten, wie etwa Österreich, die Niederlande oder Dänemark, können die guten Erfahrungen weitergeben, die zum Beispiel mit den dualen Ausbildungssystemen, aber auch mit anderen Arbeitsmarktprogrammen über Jahre und Jahrzehnte gesammelt werden konnten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Bundesarbeitsministerin steht hierzu bereits in bilateralen Kontakten mit einigen europäischen Partnern. Darüber hinaus sind durch die im letzten Jahr erfolgte Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank um 10 Milliarden Euro gute Projekte in vielen Mitgliedstaaten verwirklicht worden. Auch nicht abgerufene Mittel aus den europäischen Strukturfonds sollen gezielt zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit genutzt werden. Das geschieht bereits und führt zum Beispiel dazu, dass die Mittel jetzt sehr viel besser ausgegeben werden, sodass wir für das Jahr 2013 auf der Ebene der Europäischen Union einen umfangreichen Nachtragshaushalt benötigen. Deutschland leistet aber auch bilateral Unterstützung, zum Beispiel über den Sachverstand der KfW, die etwa in Spanien die dortige Förderbank finanziell unterstützen wird. Ähnliche Projekte hat Wolfgang Schäuble mit Portugal und Griechenland vereinbart, genauso der Bundeswirtschaftsminister. Zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen gehört nämlich auch, dass wir über eine intelligente Regulierung verfügen und die Bürokratie, die es in Europa gibt, abbauen. Wir freuen uns sehr, dass die Kommission im September einen Vorschlag machen will, wo auf europäischer Ebene Bürokratie abgebaut werden kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine zentrale Frage, die sehr viele Unternehmen in europäischen Ländern spüren, ist, wie europäische Banken das Vertrauen der Investoren zurückgewinnen können; denn die hohen Zinssätze, gerade für mittelständische Unternehmen, und die Schwierigkeiten bei der Kreditvergabe haben im Kern etwas damit zu tun, dass in einigen Ländern das Vertrauen der Investoren in die Banken nicht gegeben ist. Alle Bemühungen dienen deshalb dem Ziel einer Bankenunion, speziell erst einmal einer gemeinsamen Bankenaufsicht, die wir vereinbart haben. Dank des Einsatzes von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble haben wir bei der Richtlinie zur Bankenabwicklung heute Morgen eine Einigung im Rat erzielt, die vorsieht, dass bei der Bankenabwicklung in Zukunft primär die Gläubiger und Eigentümer zur Verantwortung gezogen werden. Wir kommen weg davon, dass die Steuerzahler immer wieder für die Banken geradestehen müssen. Das ist das, was wirklich notwendig ist. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Neben einer engeren, transparenteren und strengeren Aufsicht über die Banken und den notwendigen Regelungen dazu ist eine weitere wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Euro-Zone, dass es eine engere Wirtschaftsunion gibt. Ich habe in diesem Hause bereits darauf verwiesen, dass Jaques Delors und andere schon vor der Inkraftsetzung des Euro darauf hingewiesen haben, dass eine gemeinsame Währung nur funktionieren kann, wenn es mehr Wirtschaftskoordinierung gibt. Die Mitgliedstaaten müssen nicht die gleiche Wirtschaftspolitik verfolgen; aber sie müssen sich für das Gelingen besser abstimmen. Dazu haben Frankreich und Deutschland vorgeschlagen, beim Europäischen Rat einen zweistufigen Ansatz für das zweite Halbjahr zu verankern. Wir wollen heute und morgen festlegen, dass wir beim Europäischen Rat im Oktober in einem ersten Schritt über den Inhalt und die Substanz einer gestärkten wirtschaftspolitischen Koordinierung beraten. Die Mitglieder einer Währungsunion müssen zu einer gemeinsamen Bewertung dessen kommen, was wir als Wirtschafts- und Währungsunion und deren Mitgliedstaaten tun müssen, damit unsere Volkswirtschaften dauerhaft auf Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet sind. Tatsache ist, dass das gemeinsame Verständnis, welche Voraussetzungen eigentlich notwendig sind, damit Wachstum entsteht, bis heute nicht vorhanden ist. Nur mithilfe einer solchen gemeinsamen Bewertung wird es gelingen, eine gemeinsame langfristige Wachstumsstrategie zu entwickeln. Eine Beratung über die Fragen, welche Indikatoren wichtig sind - zum Beispiel Lohnstückkosten, Investitionen in Forschung und vieles andere mehr -, und welche Politikbereiche dafür entscheidend sind, muss gut vorbereitet werden. Damit müssen wir uns auf den Sachverstand auch anderer Institutionen stützen, zum Beispiel der Kommission oder der OECD. Wenn wir eine solche gemeinsame Bewertung haben, können wir einen zweiten Schritt gehen, nämlich verbindliche Verabredungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission zu treffen. Wir haben heute länderspezifische Empfehlungen. Dabei handelt es sich aber um keine verbindlichen Verabredungen; sie beruhen auch nicht auf einem gemeinsamen Verständnis von dem, was wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit ist. Solche Verabredungen müssten dann auch von den nationalen Parlamenten gebilligt werden, damit sie legitimiert sind. Konkret soll das also heißen: vertragliche Vereinbarungen für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. In diesem Zusammenhang halte ich einen an enge Bedingungen geknüpften Solidaritätsmechanismus für denkbar, zum Beispiel in Form eines Fonds für die Euro-Zone. Meine Damen und Herren, ich sage aber ganz klar: Immer wenn in Europa von Solidaritätsmechanismen gesprochen wird, passiert es, dass diese sofort erhöht und ausgeweitet werden, und zum Schluss spricht man nicht mehr über die Parameter für die Wettbewerbsfähigkeit, sondern nur noch über eine neue Finanzquelle. Und das genau wird es mit Deutschland nicht geben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Bundesregierung besteht darauf, dass die Probleme, die Europa und die Euro-Zone haben, an der Wurzel angepackt und Schritt für Schritt gelöst werden, (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!) damit die Währungsunion endlich eine Stabilitätsunion wird. Dafür brauchen wir in Europa eine solide Finanzpolitik, Wachstumsförderung durch Strukturreformen, mehr Investitionen in Bildung und Forschung. Und genau das leistet auch die mittelfristige Finanzielle Vorausschau. Wir wollen, dass Europa stärker aus der Krise hervorgeht, als es in sie hineingegangen ist. Deutschland hat es geschafft, stärker aus der internationalen Finanzkrise herauszukommen, als es in sie hineingegangen ist. Und Europa wird und muss dies auch schaffen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dies ist im Übrigen zutiefst im deutschen Interesse; denn Deutschland wird es auf Dauer nur gutgehen, wenn es auch Europa gutgeht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr gut! - Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sagen Sie das einmal den Griechen und Zyprioten, dass es ihnen gutgeht!) Wir dürfen nie vergessen: Im Kern haben wir es bei der europäischen Staatsschuldenkrise mit einer Vertrauenskrise zu tun, und die ist noch längst nicht ausgestanden. Wir dürfen keine Sekunde nachlässig werden, nur weil der Euro nicht mehr jeden Tag die Schlagzeilen beherrscht. Wir dürfen auch keinesfalls Fehler der Vergangenheit wiederholen, indem wir unsere eigenen Regeln nicht einhalten oder sie im Zweifel etwa dehnen. Nur wenn wir unsere Aufgaben und unsere Grundlagen tatsächlich ernst nehmen, wird Europa auch in Zukunft ein Kontinent des Wohlstands und der sozialen Sicherheit sein. Es geht in diesem Jahr um nicht mehr und nicht weniger als um die Rolle Europas in der Welt und um die Frage: In welchem Wohlstand können die Bürgerinnen und Bürger morgen und übermorgen noch leben? Deshalb muss diese Aufgabe gut und gründlich erfüllt werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Deshalb freue ich mich darüber, dass wir beim Europäischen Rat mit Lettland auch über den Beitritt eines Landes zur Euro-Zone zum 1. Januar 2014 sprechen können, das gezeigt hat, wie es möglich ist, mit einem Reformkurs eine tiefe Wirtschaftskrise zu überwinden. Ich freue mich auch darüber, auf welcher Grundlage sich der Europäische Rat mit dem möglichen Beginn von Beitrittsverhandlungen mit Serbien befassen wird. Ohne Zweifel haben Serbien und Kosovo in den letzten Monaten bei der Normalisierung ihres Verhältnisses entscheidende Fortschritte gemacht. Aber nun müssen die Vereinbarungen auch wirklich umgesetzt werden. Erst nach einer Bestätigung der Implementierungsfortschritte im Dezember kann die erste Beitrittskonferenz im Januar 2014 zusammentreten. Der Normalisierungsprozess muss fortgesetzt werden, und vor dem Beitritt Serbiens zur Europäischen Union muss es zu einer vollständigen Normalisierung kommen. Ich freue mich auch darüber, dass wir zur Eröffnung eines nächsten Verhandlungskapitels mit der Türkei ein Ergebnis gefunden haben, das einerseits ermöglicht, dass die Beitrittsverhandlungen im Herbst fortgesetzt werden können, mit dem andererseits aber angesichts der Entwicklung in den letzten Wochen in der Türkei nicht so getan wird, als sei nichts geschehen. Es ist maßgeblich unserem Bundesaußenminister Guido Westerwelle zu verdanken, dass dieses Ergebnis, das beide Anliegen berücksichtigt, erzielt werden konnte. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dieses Ergebnis macht deutlich: Die Türkei ist ein wichtiger Partner, doch unsere europäischen Werte wie Demonstrationsfreiheit, Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Religionsfreiheit gelten immer. Sie sind für uns nicht verhandelbar, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mehr denn je überzeugt: Wenn Europa weiter aus seinen Fehlern der Vergangenheit lernt, und zwar auf allen Gebieten, wenn Europa diesen Weg konsequent fortsetzt, dann werden wir unsere Ziele erreichen: eine starke und stabile Wirtschafts- und Währungsunion, eine starke und stabile Europäische Union als Ganzes, mit - ab Sonntagnacht - 28 Mitgliedstaaten, weil dann auch Kroatien zu uns gehören wird. Unser Ziel ist ein starkes, ein gestärktes Europa der Stabilität und des Wachstums, ein Europa, das so auch in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts seine Werte und seine Interessen behaupten kann. Dafür wird diese Bundesregierung weiter mit ganzer Kraft arbeiten, und dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung. Herzlichen Dank. (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das war doch eine schlechte Rede! Wie kann man da so lange applaudieren?) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält als erster Redner der Kollege Peer Steinbrück für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Peer Steinbrück (SPD): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Bundeskanzlerin, je länger ich Ihnen zuhörte, desto mehr erinnerte ich mich an einen großen Sozialdemokraten; es handelt sich um Fritz Erler. Er hatte dieselbe Aufgabe wie ich, nämlich seinerzeit auf die Regierungserklärung von Ludwig Erhard zu antworten. (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Wir alle kennen noch Erhard!) Fritz Erler sagte in seiner Rede sinngemäß den Satz: Ihre Rede, Herr Bundeskanzlers, war sehr reziplikativ. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Unruhe) Daraufhin gab es eine ähnliche Unruhe wie jetzt, weil sich alle fragten: Was heißt "reziplikativ" eigentlich? (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD) Daraufhin sagte Fritz Erler: "Das heißt gar nichts; das spricht sich nur so schön." (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit bei der LINKEN) So ist das auch mit Ihren Regierungserklärungen: (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mannomannomann!) Abgesehen vom aktuellen Hintergrund jüngster Regierungskonferenzen und bevorstehender Konferenzen hat man den Eindruck, dass man diese Regierungserklärung schon drei-, viermal gehört hat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der SPD: Mindestens! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du warst nicht so oft da!) Das ist auch der Grund dafür, dass die Hälfte der Regierungsbank absolut überwältigt ist, allerdings vom Schlafbedürfnis; das sieht man denen an. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe eigentlich erwartet, dass an irgendeiner Stelle in dieser Regierungserklärung der Satz kommt: Eine gute Grundlage ist die beste Voraussetzung für eine solide Basis in Europa, meine Damen und Herren. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deutschland und Europa, Frau Merkel, brauchen keine Stehsätze. (Klaus Brähmig [CDU/CSU]: Das ist doch gar nichts! Nichts ist das!) Sie brauchen keine politischen Ansagen, die erkennbar in einem so großen Widerspruch zu den Fakten und Problemen in Europa stehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Arbeitslosigkeit in Europa hat sich durch das maßgeblich von Ihnen zu vertretende Sparprogramm auf 26 Millionen Menschen erhöht. Die Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist bei den unter 25-Jährigen auf fast 6 Millionen gestiegen. Gab es vor Ausbruch der Finanzkrise in Europa in keinem einzigen europäischen Land eine Jugendarbeitslosigkeit, die über 25 Prozent lag, gibt es jetzt in 12 von noch 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Jugendarbeitslosigkeit bei den unter 25-Jährigen, die über 25 Prozent - teilweise über 50 Prozent - liegt. Statt die Schulden zu senken - mit diesem Vorsatz treten Sie ja an -, haben die europäischen Länder im letzten Jahr, in 2012, 500 Milliarden Euro zusätzliche Schulden gemacht. Der Teufelskreis von Sparen, Wachstumseinbrüchen, höherer Arbeitslosigkeit, höherer Jugendarbeitslosigkeit und größeren Schwierigkeiten, die Defizite zu finanzieren, weil die Einnahmen einbrechen, ist ungebrochen. Und darüber verlieren Sie in der heutigen Regierungserklärung keinen einzigen Satz! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es gibt ein krasses Missverhältnis zwischen den deutschen Rekordzahlungsbilanzüberschüssen von inzwischen fast 7 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts und den Zahlungsbilanzdefiziten unserer Nachbarländer, was irrsinnige Turbulenzen auslöst. Das ist ein riesiges Problem, aber darüber habe ich Sie noch nie reden hören. Dabei gibt es doch ein Stabilitäts- und Wachstumsgesetz, das im magischen Viereck auch außenwirtschaftliches Gleichgewicht fordert. Warum gehen Sie auf diese Problematik, die eine der zentralen Ursachen für die Krise in Europa ist, nicht ein? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Jugendarbeitslosigkeit, von der Sie hier reden, und die hohe Arbeitslosigkeit insgesamt, Frau Bundeskanzler, sind eine direkte Folge der völlig einseitigen Sparpolitik, die Sie in Europa maßgeblich betrieben haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU) Wachstum und Haushaltskonsolidierung bedingen einander, haben Sie gesagt. Ja, aber warum haben sich dann die Beratungen im Europäischen Rat zum überwiegenden Teil auf Sparprogramme konzentriert und nicht auf die Wachstumsimpulse? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Warum haben Sie immer mitgemacht?) Wir wollen die Umsetzung des Paktes für Wachstum und Beschäftigung überprüfen, sagen Sie. Donnerwetter! Aber da gibt es nicht viel zu überprüfen. Die Kritik der Europäischen Kommission weist aus, dass seit dem vom Europäischen Rat im Juni 2012 verkündeten Wachstumspakt zu wenig geschehen ist. Wir kennen also bereits das Ergebnis dieser Überprüfung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Bundesregierung unterstützt das Ziel der Jugendbeschäftigungsgarantie, heißt es ferner bei Ihnen. Das ist doch eine Floskel! Womit denn? Wie? Mit den 6 Milliarden im europäischen Haushalt bis 2020? Oder mit Vorschlägen, die erst in einigen Jahren greifen können? Oder mit dem Hinweis auf das bewährte und wirklich wichtige deutsche duale Ausbildungssystem? Das lässt sich in unseren europäischen Nachbarstaaten doch nicht in einem Urknall realisieren. Oder auf dem nächsten Gipfel der EU-Arbeitsminister am 3. Juli, wenige Tage nach dem Europäischen Rat? Die Erklärung dieses Gipfels dürfte mit den Erklärungen dieses Europäischen Rates ziemlich identisch sein. Die Schlussfolgerungen dürften sich kaum unterscheiden. Ist das dann der 46. folgenlose Gipfel, den Sie veranstalten? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit Blick auf den 3. Juli bitte ich Sie, Frau Merkel: Vermeiden Sie eine weitere Show, die Erwartungen auslöst, die dann unerfüllt bleiben. Denn damit sorgen Sie dafür, dass sich Millionen junger Bürgerinnen und Bürger in Europa von der Politik und auch von Europa entfremden. Was Sie dort beraten, muss schon sehr konkret sein. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Der luxemburgische Arbeitsminister Schmit trifft in meinen Augen den Nagel auf den Kopf, wenn er sagt, die einzige Lösung sei, dass die Europäische Union endlich Geld zur Förderung von Wachstum in die Hand nehme und ihre Sparpolitik überdenke. Das ist die Antwort eines Arbeitsministers, der Sie besuchen wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich füge im Übrigen hinzu: Die perspektivisch bis 2020 vorgesehenen 6 Milliarden Euro als Sofortprogramm gegen die Jugendarbeitslosigkeit sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Erforderlich wären in meinen Augen mindestens 20 Milliarden Euro, und zwar konzentriert auf die nächsten beiden Jahre. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Erforderlich wird es sein, alle Mittel, die noch in europäischen Fonds sind, zu bündeln und der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zuzuführen. Soweit Mittel nicht abgerufen werden, sollten sie nicht an die Länder zurücküberwiesen werden, sondern ganz gezielt in die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gesteckt werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie einen Gipfel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa vom Verdacht des Populismus und auch des hektischen Stillstandes freihalten wollen, dann trommeln Sie doch die Unternehmen, die Gewerkschaften und die Mitgliedstaaten zusammen und verabreden mit ihnen bindend, in den nächsten drei Jahren 500 000 Arbeits- und Ausbildungsplätze für die Jugendlichen zu schaffen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sammeln Sie deutsche Unternehmen, die Standorte in mediterranen Nachbarstaaten haben, und verabreden Sie mit diesen deutschen Unternehmen, dass sie an diesen ausländischen Standorten bindende Verpflichtungen eingehen, um junge Spanier, junge Griechen, junge Italiener zu beschäftigen! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Das wäre ein bemerkenswerter Beitrag. Das würde das in manchen europäischen Nachbarländern beschädigte Ansehen Deutschlands auch wieder etwas auffrischen, (Widerspruch bei der FDP) und vor allen Dingen würde es auch im Interesse unserer deutschen Exportindustrie sein. Unter dem deutschen Druck ist Europa bienenfleißig gewesen, bienenfleißig klare, konkrete Festlegungen zu Zielen und Zeitplänen von Sparprogrammen in Gang zu setzen. Die europäischen Banken sind mit sage und schreibe 1,2 Billionen Euro staatlicher Unterstützung stabilisiert worden, was übrigens ein wesentlicher Grund für die Staatsverschuldung in manchen Ländern ist, und nicht etwa ihr Fehlwirtschaften. (Beifall bei der SPD) Aber dieser Bienenfleiß, bezogen auf Sparprogramme, bezogen auf Konsolidierung, steht in einem diametralen Gegensatz zu der Bereitschaft und Fähigkeit, entsprechende Präzision auch bei Wachstumsimpulsen in Europa zu entwickeln. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Im Übrigen, Frau Bundeskanzlerin: Wie wirkt es eigentlich auf unsere Partner und auf unsere Nachbarländer, die unter erheblichem Konsolidierungsdruck stehen und denen wir nicht nur Maßhalteappelle entgegenschallen lassen, sondern auch Zwangsjacken verpassen, wenn Sie im Wahlprogramm der CDU/CSU unfinanzierte Wahlgeschenke in der Größenordnung von 50 Milliarden Euro in den Bundestagswahlkampf einführen wollen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Welches Bild geben wir denn da in Europa ab? Erklären Sie das einmal den Griechen, den Spaniern, den Italienern, den Portugiesen! Hier haben Sie die Spendierhosen an und geben uns keinerlei Hinweis darauf, wie Sie all diese Wahlgeschenke finanzieren wollen. (Zuruf von der CDU/CSU: Doch!) Während Sie dort eisernes Sparen fordern, schöpft Ihre Regierung hier gleichzeitig aus dem Vollen. Trotz sprudelnder Einnahmen, trotz sprudelnder Steuereinnahmen, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wollen Sie noch mehr Steuern einnehmen?) trotz deutlicher Entlastungen auf dem Arbeitsmarkt und eines enormen Zinsvorteils, der Herrn Schäuble in die Lage versetzt, deutsche Staatsanleihen mit einer gewissen Laufzeit zu einem Realzins von nahezu null zu platzieren, hat diese Ihre Regierung in dieser Legislaturperiode 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP) - Ja, werden Sie noch nervöser; das würde mich freuen, denn dann hätte ich Trefferwirkung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Dr. Rainer Stinner [FDP]: Treffer!) Sie, Frau Bundeskanzlerin, haben einen Satz gesagt, der voll zutrifft: Das ist uns in dieser Legislaturperiode gelungen, und das wird uns auch in der nächsten Legislaturperiode gelingen. - Donnerwetter! Das heißt, auch in der nächsten Legislaturperiode wird es Ihnen gelingen, 100 Milliarden Euro neue, zusätzliche Schulden zu machen. Im Übrigen ist das noch viel schlimmer. Die gesamtstaatliche Schuld in Deutschland ist in dieser Legislaturperiode von Schwarz-Gelb um 400 Milliarden Euro gestiegen. (Zuruf von der FDP: Gesamtstaatlich? - Weiterer Zuruf von der FDP: NRW!) Der Punkt ist einfach: Sie können nicht mit Geld umgehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ja, genau so ist das. Sie können nicht mit Geld umgehen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: WestLB!) Wenn Sie in der Wüste regieren, wird der Sand knapp. So ist das. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heiterkeit bei der LINKEN) Was wir unseren Nachbarn abverlangen, meine Damen und Herren, würden wir in Deutschland übrigens unter keinen Umständen akzeptieren. Das, was wir unseren Nachbarn an Sparmaßnahmen abverlangen, würde hier in Deutschland zu Protesten führen, die die Straßen füllen würden; denn wenn wir in Deutschland so sparen müssten, wie wir das den Griechen abverlangen, dann hätten wir allein 2012 im Bundeshaushalt bzw. über alle vier öffentlichen Haushalte - Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen - 172 Milliarden Euro einsparen müssen. Das machen wir aber mit anderen Ländern. Ich sage dies, um einmal die Dimensionen deutlich zu machen, wenn wir manchmal etwas abfällig über die Anstrengungen in den anderen Ländern reden und den pädagogischen Zeigefinger zu hoch heben. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Dazu haben Sie gar keinen Grund! Denken Sie an Ihr Wort von der Kavallerie!) Im Übrigen sei daran erinnert, Herr Kauder: Auch wir Deutschen waren einmal am Boden; auch wir Deutschen waren einmal diejenigen, die der Hilfe bedurften. Nach dem Zweiten Weltkrieg - - (Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei Rot-Grün!) - Mein Gott, Sie leben doch von der Rendite, die wir erwirtschaftet haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP - Volker Kauder [CDU/CSU]: Da muss er selber lachen!) Nennen Sie mir ein einziges Reformprogramm in dieser Legislaturperiode, das historischen Bestand haben wird. Pflegereform nichts, Rentenreform nichts, Bundeswehrreform nichts, Steuerreform nichts - nichts ist da vorzuweisen. Nichts! Das sind alles leere Schachteln, die Sie hierhingestellt haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie sind die größte Schachtel!) Da ist nichts drin. Wenn man in die Schachteln reinguckt, stellt man fest, dass da nur ein Haufen Luft drin ist. Ernsthaft gesprochen: Auch wir Deutschen waren einmal am Boden. (Lachen bei der FDP) - Mein Gott, wenn Sie so leicht zu belustigen sind, fällt es mir leicht, das fortzuführen. (Zurufe von der FDP) Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, haben wir von unseren europäischen Nachbarn Hilfe empfangen, insbesondere von den Amerikanern, aber auch von den Franzosen. Frankreich musste für die 1951 gegründete Montanunion souveräne Rechte an Deutschland abtreten. Sieben Jahre nach Ende der Besetzung, nach Ende der Okkupation Frankreichs, 1951, stimmte das französische Parlament dem Abtreten souveräner Rechte an Deutschland zur Bildung der Montanunion zu, (Ulla Burchardt [SPD]: Das wissen die doch gar nicht! - Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Die sind doch alle ahistorisch da!) und zwar trotz und gegen die Stimmung im französischen Volk; aber es wurde gemacht - von klugen Staatsmännern. Das war Führung, Frau Bundeskanzlerin, in einer Situation, in der wir das brauchten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ihnen fehlt - das mache ich Ihnen zum Vorwurf - das historische Bewusstsein für Europa. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben keine Idee von Europa. Sie haben keine Strategie, sondern Sie wurschteln sich von einem Europäischen Rat zum anderen durch. Ich sage sehr bewusst: Das Erbe von Helmut Kohl ist bei Ihnen nicht gut aufgehoben. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Thomas Oppermann [SPD]: Das tut weh!) Das Thema Bankenunion wird auf dem Europäischen Rat auch erörtert, wie ich annehme, insbesondere nach den Ergebnissen der nächtlichen Ecofin-Sitzung. Die Haftungskaskade, die dabei festgelegt worden ist - von den Aktionären über die Gläubiger bis hin zu den großen Anlegern -, hat die SPD immer für richtig erachtet. Das haben wir immer vertreten, sogar schon vor Ihnen. (Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister: Stimmen Sie jetzt zu?) - Darauf komme ich jetzt zu sprechen, Herr Schäuble. - Der Punkt ist, dass Sie, Frau Merkel, gegen den Willen der eigenen Fraktion, der eigenen Koalition in der Sitzung des Europäischen Rates Ende Juni 2012, also vor einem Jahr, einer Direktkapitalisierung von Banken aus dem ESM grundsätzlich zugestimmt haben. Das ist nach wie vor, auch nach den Ergebnissen dieses Ecofin, nicht ausgeschlossen. Das heißt, es könnte sein, dass eine gewisse Summe des ESM für die Direktkapitalisierung von Banken zur Verfügung gestellt werden muss, womit der Steuerzahler in Europa wieder in Haftung tritt und nicht diejenigen, die als Eigentümer, als Gläubiger dieser Banken verantwortlich gemacht werden müssen. Für diesen Punkt werden Sie die Zustimmung der SPD nicht bekommen. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie haben durch Ihre grundsätzliche Zustimmung - ich betone: "grundsätzliche", weil ich weiß, dass das an Kautelen gebunden ist - zur Direktkapitalisierung von europäischen Banken damals, im Juni 2012, Ihre Kollegen Regierungs- und Staatschefs in der Überzeugung in die Hauptstädte zurückreisen lassen, dass die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland bereit ist, für die auflösenden Bedingungen zu sorgen, also eine Bankenunion herzustellen. Diese Staats- und Regierungschefs machen im Augenblick die Erfahrung, dass Sie die Realisierung dieser Bankenunion aufschieben, (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Verschleppen!) damit es zu dieser auflösenden Bedingung nicht kommt. Sie werden das zumindest bis zum 22. September 2013 verschieben. Dann werden Sie dem Publikum hier und woanders die Rechnung präsentieren. Präsentieren Sie die Rechnung jetzt und nicht erst nach dem 22. September! (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Meine Partei will europaweit eine substanzielle Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Krise. Um es noch einmal sehr deutlich zu sagen: Wir wollen so schnell wie möglich eine schlagkräftige Bankenunion mit einer europäischen Bankenaufsicht und einem europäischen Abwicklungs- und Restrukturierungsregime, mit einer europäischen Abwicklungsbehörde. Wir wollen die private Haftung durch Eigentümer und Gläubiger, und wir wollen einen bankenfinanzierten europäischen Restrukturierungsfonds. Wir wollen nicht, dass hierfür Steuergelder in Anspruch genommen werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Im Übrigen: Wie sieht die Beteiligung der Verursacher in Deutschland bisher eigentlich aus? Allein für die direkte Eigenkapitalhilfe musste Deutschland, musste der deutsche Steuerzahler in der Krise 50 Milliarden Euro an seine Banken zahlen. Was haben umgekehrt bisher die Banken als Bankenabgabe gezahlt? 500 bis 600 Millionen Euro jährlich, also ein Hundertstel der direkt vom Steuerzahler mitfinanzierten Rettungspakete. Das ist keine Beteiligung der Verursacher an den Kosten der Krise. Auch deshalb ist es notwendig, so schnell wie möglich eine Finanzmarkttransaktionsteuer in Europa einzuführen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Es ist übrigens mehr als eine Fußnote, mehr als ein schlechter Witz, dass manche Banken, die mithilfe der Steuerzahler gerettet worden sind, anschließend, wenn diese Steuerzahler einmal ihr Konto überziehen, Dispozinsen verlangen, die unverhältnismäßig hoch sind. Dagegen hätten Sie längst etwas unternehmen müssen in Deutschland, damit dieses Gebaren bei der Überziehung von Konten mit Dispozinsen, die teilweise 10, 11 oder 12 Prozentpunkte über dem Leitzins sind, unterbunden wird. Warum haben Sie da bisher nichts unternommen? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Präsident Obama hat in seiner Rede vor dem Brandenburger Tor von "peace with justice" gesprochen, also von Frieden durch Gerechtigkeit. Das gilt auch für Europa. Hohe Arbeitslosigkeit, zunehmende Verarmung, Perspektivlosigkeit einer ganzen jungen Generation - dies gefährdet den inneren und auch den äußeren Frieden in Europa. Will sagen: Mit dieser diplomatisch verklausulierten Formel hat Präsident Obama uns auch die Leviten gelesen für das bisherige Krisenmanagement in Europa, und dies ist maßgeblich Ihr Krisenmanagement. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die heutige Politikergeneration hat die historische Verantwortung dafür, dass Europa nicht auseinanderbricht, dass Europa nicht erodiert, dass die alten Grenzen nicht wieder schmerzvoll spürbar werden, dass die Jugend wieder eine Perspektive bekommt und dass nicht die Steuerzahler, nicht die Sparer die Haftenden in letzter Instanz sind. Die Krise in Europa ist auch eine Krise der europäischen Institutionen. Das haben gestandene Staatsmänner wie Giscard d'Estaing und Helmut Schmidt jüngst übereinstimmend festgestellt. Will sagen: Von den nächtlichen Pokerrunden des Europäischen Rates kamen bisher keine durchschlagenden Impulse, um die nach wie vor äußerst fragile Situation in Europa zu bewältigen. Wir brauchen daher, wie ich glaube, eine neue Europabewegung. Wir brauchen eine neue Idee von Europa, die den europäischen Institutionen auch einen Schub gibt, sich zu reformieren, und weiterführende Initiativen legitimiert. Deshalb sage ich mit Blick auf dieses Europa, in dem Deutschland allein seine Zukunft haben wird: Wir müssen auch in Europa mehr Demokratie wagen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Von dieser Bundesregierung haben wir nichts mehr zu erwarten. Sie bringt seit langem nichts mehr zustande. Es ist Zeit für einen Wechsel. Vielen Dank. (Langanhaltender Beifall bei der SPD - Anhaltender Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Der Satz "Es ist Zeit für einen Wechsel" könnte von Gabriel auf Sie gemünzt stammen!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Rainer Stinner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Rainer Stinner (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Steinbrück, Sie haben hier Ludwig Erhard zitiert. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Fritz Erler!) - Lesen Sie das Protokoll. Herr Steinbrück hat den Namen Ludwig Erhard in den Mund genommen. (Zurufe von der SPD: Oh!) Ich sage: Herr Steinbrück, Ihre Rede hat mich eher an Heinz Erhardt erinnert. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der SPD: Oh!) Ich bin Ihnen ja sehr dankbar, dass Sie Ihre Rede heute so aufgezogen haben. Jetzt ist die Alternative in Deutschland völlig klar: Wir können entweder einen Komiker bekommen, oder wir können die erfolgreiche und solide Arbeit unter Bundeskanzlerin Merkel fortsetzen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das weiß jeder in Deutschland. Herr Steinbrück, Sie haben das Thema - G-8-Gipfel, Europäischer Rat - relativ wenig beachtet. Auch da haben Sie Ähnlichkeit mit Heinz Erhardt. Der hat auch immer über das gesprochen, über das er gerne sprechen mochte. (Thomas Oppermann [SPD]: Kommen Sie zur Sache!) Das war auch meistens lustig; aber das ist nicht das, was wir heute hier brauchen. Meine Damen und Herren, wenn wir die Tagesordnungen des G-8-Gipfels und des Europäisches Rats nebeneinander legen, stellen wir fest, dass es große Gemeinsamkeiten gibt. Offensichtlich sind die Themen, mit denen wir uns in Europa beschäftigen, auch diejenigen, mit denen man sich weltweit beschäftigt. Zum Beispiel sind Wachstum und Beschäftigung ein Thema. (Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Och!) Herr Steinbrück, auch die G-8-Länder haben - vielleicht zu Ihrer Überraschung - das festgestellt, was die Bundesregierung sagt, dass nämlich Strukturreformen und strikte Haushaltspolitik die Grundlage für Wachstum und Beschäftigung bilden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Rolf Hempelmann [SPD]: Dann müssen Sie es aber auch machen!) Hier gilt also wieder einmal: Herr Steinbrück gegen den Rest der Welt. Es ist falsch, wenn Sie, Herr Steinbrück - der Sie mit der Kavallerie in befreundete Länder einreiten wollten -, uns vorhalten, wir würden mit dem Zeigefinger auf andere weisen. (Peer Steinbrück [SPD]: Habe ich gar nicht!) Herr Steinbrück, Sie sind derjenige, der am wenigsten andere darauf hinweisen kann, dass sie andere dominieren wollen. Fassen Sie sich da bitte an die eigene Nase. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, zum Thema "Wachstum und Beschäftigung" hat die Bundeskanzlerin das völlig Richtige - ich wiederhole es noch einmal aus liberaler Sicht - gesagt: Zwischen Strukturreformen und Wachstumsimpulsen gibt es keinen Widerspruch, sondern die bedingen einander. Wachstum fördert Wettbewerb, und es geht um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und auch Europas in dieser Welt. Die Frau Bundeskanzlerin ist völlig zu recht zu Beginn ihrer Rede mit großer Ernsthaftigkeit auf die humanitäre Katastrophe hinsichtlich der Bürgerkriegssituation in Syrien eingegangen. Wir können das, was Sie, Frau Bundeskanzlerin, gesagt haben, nur bestätigen. Die FDP-Fraktion unterstützt explizit Ihre Position und die des Bundesaußenministers, dass das Problem in Syrien nicht militärisch gelöst werden kann. Wir befürworten in außerordentlichem Maße die Position, die der Bundesaußenminister ständig in den europäischen Gremien und weltweit vertritt, dass Waffenlieferungen jedenfalls nicht der Weg sind, um in diesem Land Frieden zu schaffen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Auf beiden Gipfeln - sowohl auf dem G-8-Gipfel als auch beim Europäischen Rat - wird über Freihandel gesprochen. Das ist ganz wichtig. Ich bin sehr froh, dass das Thema Freihandel - insbesondere das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA - jetzt an der Spitze der politischen Agenda angekommen ist. Wir alle - ich sage es noch einmal ganz deutlich - wissen: Hier ist die Chance gegeben, dass in einem Raum von 800 Millionen Menschen, die gleich denken und auf gleiche Weise marktwirtschaftlich organisiert und orientiert sind, nicht nur daran gedacht wird, Wohlfahrtsgewinne für sich selber - durch Erhöhung des Sozialproduktes auf beiden Seiten des Atlantiks - zu erzielen, sondern gemeinsam weltweit Standards und Maßstäbe zu setzen. Das ist im Interesse der Amerikaner und auch der Europäer. Ich kann nur sehr hoffen, dass wir in absehbarer Zeit zu einem Abschluss dieses ganz wichtigen Abkommens kommen werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, am Ende der Legislaturperiode ist dies wahrscheinlich die letzte große Debatte zur Europapolitik. Wir haben in Europa vier schwere Jahre gehabt. Die schwierigen Euro-Fragen, die wir bewältigen mussten, dominierten unsere Agenda im Bundestag. Für mich kann ich sagen: Das waren für mich die schwierigsten Entscheidungen, die ich in elf Jahren im Deutschen Bundestag treffen musste; denn wir wussten nicht, ob die Entscheidungen richtig waren. Wir wissen es bis heute nicht; aber wir mussten uns entscheiden. Auch wissen wir, dass die Entscheidungen große Auswirkungen haben. In dieser schwierigen Zeit, Herr Steinbrück, meine Damen und Herren, konnten wir alle froh sein, dass das Staatsschiff Deutschlands durch diese Bundesregierung - mit Klarheit, ohne Aufregung und mit Engagement - gesteuert worden ist (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) und dass die Vertretung deutscher Interessen im Ausland in so guten Händen war. Das betrifft natürlich die Bundeskanzlerin und - in Finanzdingen - den Bundesfinanzminister. Ich wäre gern auf die Bankenunion eingegangen. Sie haben mir leider die Zeit geklaut, Herr Steinbrück. Weiter betrifft es natürlich insbesondere den Bundesaußenminister. Wenn die Frankfurter Rundschau, die nicht verdächtig ist, besonders FDP-nah zu sein - vielleicht ist sie deswegen pleitegegangen; das weiß man nicht -, (Heiterkeit bei der FDP) in ihrer gestrigen Ausgabe dem Bundesaußenminister ausdrücklich bescheinigt, dass er in Europa bzw. für Europa mittlerweile "zum anerkannten Vermittler gereift" ist, dann ist das eine Tatsache, die wir sehr begrüßen und zu der wir ihn beglückwünschen. Sie könnte aber auch hier im Deutschen Bundestag durch die Opposition sehr wohl anerkannt werden. Meine Damen und Herren, ich stelle fest - nach vier schweren Jahren für Europa -: Wir sind froh, dass diese Regierung am Ruder war. Es waren auch außen-, sicherheits- und europapolitisch vier gute Jahre für Deutschland. Danke schön. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gregor Gysi ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Türkei gab es bei Demonstrationen für den Erhalt eines Naturparks fünf Tote und 7 000 Verletzte. Das bedarf, Frau Bundeskanzlerin, auch durch Sie der schärfsten Kritik an Erdogan. Es ist überhaupt nicht hinnehmbar, was dort passiert ist. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich finde, die Bundesregierung müsste die militärische, polizeiliche und geheimdienstliche Zusammenarbeit sofort beenden. (Beifall bei der LINKEN) Ich möchte an etwas erinnern: Sie haben mehrheitlich beschlossen, Patriot-Raketen und deutsche Soldaten in die Türkei zu schicken. Stellen Sie sich doch einmal vor, jetzt müsste wirklich eine Patriot-Rakete abgeschossen werden. Dann wäre Deutschland Kriegspartei im Nahen Osten, auch noch an der Seite von Erdogans Türkei. Ich halte das für unverantwortlich. Sie müssen diese Raketen und die Soldaten sofort zurückziehen! (Beifall bei der LINKEN) Die Behauptung der Grünen, wonach wir für den Abbruch oder das Aussetzen der EU-Beitrittsverhandlungen sind, ist falsch. Die Gespräche und die Beitrittsverhandlungen müssen fortgesetzt werden. Allerdings sind wir strikt dagegen, ein neues Kapitel bei den Beitrittsverhandlungen aufzumachen. Denn das bedeutete, Erdogan zu loben, zu würdigen, ihm recht zu geben, und das geht gar nicht. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Übrigens: Das nächste Kapitel hat mit dem Thema Menschenrechte nichts zu tun, sodass ich gar nicht verstehe, warum Grüne und SPD fordern, das nächste Kapitel aufzumachen. Das ist das falsche Zeichen. Erdogan muss endlich eines begreifen: Religionsfreiheit gibt es nur, wenn es Religionsfreiheit für alle gibt, für alle Muslime, für alle Christinnen und Christen, für alle Jüdinnen und Juden, für alle Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften und Respekt gegenüber nicht religiösen Menschen. Das muss er lernen. Das hat er bis heute nicht begriffen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auf dem G-8-Gipfel haben Sie über Steuerflucht und Steuerhinterziehung gesprochen. Nach der Veröffentlichung von "Offshore-Leaks" wurden Steuerhinterziehung und Steuerflucht in einem enormen Ausmaß bekannt. 24 Billionen Euro - das ist ein Drittel des Weltsozialproduktes - werden weltweit vor den Steuerbehörden verborgen, 40 Prozent davon in Steueroasen. Den Staaten entgehen weltweit jährlich 148 Milliarden Euro, Deutschland 30 Milliarden Euro - nur durch Steuerhinterziehung. Das internationale Netzwerk Steuergerechtigkeit hat etwas festgestellt, Frau Bundeskanzlerin, was Sie eigentlich umhauen müsste; mich zumindest haut es um. Dort hat man eine Rangliste der Steueroasen der Welt aufgestellt. Welchen Platz nimmt Deutschland ein? Platz neun! Wir stehen auf Platz neun der Rangliste der Steueroasen. Ich bitte Sie! Die Schweiz ist noch vor uns - das stimmt -, Luxemburg auch. Aber wissen Sie, wo Zypern liegt? Auf Rang 20. Liechtenstein liegt auf Rang 34. Deutschland belegt Platz neun. Wir sind eine der größten Steueroasen auf der Erde. Das ist doch der Gipfel! Dagegen müssen Sie etwas unternehmen, und zwar so schnell wie möglich. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Deshalb sage ich: Deutschland war und ist der Motor des Steuerdumpings bei den Unternehmen- und Vermögensteuern, und zwar seit SPD und Grüne regiert haben. Es tut mir leid, Frau Merkel, aber Sie haben das alles fortgesetzt. Eine interessante Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung besagt: Es kam zu einer Absenkung der realen Unternehmensteuersätze, also bei Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer, Kapitalertragsteuer und bei den diesbezüglichen Einkommensteuern. 1992 betrugen sie 30,4 Prozent, 2001, unter Rot-Grün, nur noch 21,3 Prozent und 2008 nur noch 20,3 Prozent der Gewinne. Das DIW sagt, das bedeutet 120 Milliarden Euro weniger Einnahmen pro Jahr. Auch im Rahmen einer OECD-Studie hat man sich mit der Steueroase Deutschland beschäftigt. Es kam Folgendes heraus: Die Einnahmen aus der Unternehmensbesteuerung liegen im Schnitt der 35 OECD-Staaten - das sind alle großen Industriestaaten - bei 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, in Deutschland nur bei 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung. (Zuruf von der LINKEN: Pfui!) So wird man zur Steueroase. Die Unternehmensteuersätze der EU sind von 2000 bis 2011 um 9,1 Prozent gesenkt worden, in Deutschland um 29,8 Prozent. Das ist die Realität. Die Verbrauchsteuern in Deutschland sind dagegen erhöht worden: Union und SPD haben die Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte erhöht. Während Verbrauchsteuern alle zahlen müssen - selbst Hartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger -, geht der Anteil der anderen Steuern - Unternehmensteuer usw. - zurück. Sie haben die Vermögensteuer abgeschafft - jetzt gibt es sie nicht mehr in Deutschland -; dadurch werden die Vermögenden geschont. Sie haben den Spitzensteuersatz gesenkt; dadurch werden die Bestverdienenden geschont. Und Sie haben die großen Konzerne, Versicherungen, Hedgefonds und Banken entlastet. Finanzieren muss das jetzt die Mitte der Gesellschaft. Ich finde, es ist ein Ding, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie hier behaupten, die Linke wolle die Mitte der Gesellschaft zur Kasse bitten. Sie vergessen völlig, dass dieser Steuerbauch von Herrn Waigel eingeführt worden ist. Die Mitte der Gesellschaft zahlt bereits einen Großteil der Steuern. Wir wollen den Steuerbauch beseitigen und den Spitzensteuersatz erhöhen; damit täten wir etwas für die Mitte der Gesellschaft. (Beifall bei der LINKEN) Durch eine Wiedereinführung der Vermögensteuer täten wir noch mehr für die Mitte der Gesellschaft. Wir fordern, dass die Steuerpflicht endlich an die Staatsbürgerschaft gebunden wird. Die Reichen aus Deutschland können - ich habe nichts dagegen - gerne auf die Seychellen ziehen, und wenn sie dort Steuern zahlen, wollen wir das anerkennen; sie sollen aber die Differenz zu den Steuern, die sie hier zu zahlen gehabt hätten, nach Deutschland abführen müssen. Deutschland steht zu seinen Pflichten ihnen gegenüber; dann müssen sie auch ihre Pflichten Deutschland gegenüber erfüllen. Wir müssen die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft binden, wie das im Übrigen auch die USA machen. (Beifall bei der LINKEN) Wir brauchen angemessene Offenlegungspflichten der Banken. Wenn Banken diese Pflichten nicht erfüllen, dann muss ihnen die Lizenz entzogen werden. Wir brauchen eine Bundesfinanzpolizei und mehr Steuerprüferinnen und Steuerprüfer, die dann auch mehr Steuerprüfungen vornehmen. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben davon gesprochen, dass das, was in Syrien passiert, eine humanitäre Katastrophe ist. Damit haben Sie recht. In der EU gibt es in der Syrien-Frage jedoch keine Einigung, jeder macht, was er will. Ich sage ausdrücklich: Unser Außenminister hat recht, wenn er sagt, dass Waffenlieferungen der völlig falsche Weg sind. Die USA bilden in Jordanien und in der Türkei Assad-Gegner aus. Saudi-Arabien und Katar liefern massiv Waffen. Frankreich, Großbritannien und die USA wollen nun auch Waffen liefern. Russland liefert Waffen an Assad. Glauben Sie wirklich, so entsteht Frieden? (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Nein. Das verlängert doch den Krieg. Wir haben immer gesagt: Frieden schafft man nicht mit weiteren Waffen, sondern nur durch eine Verhandlungslösung, durch einen Waffenstillstand. Die Genfer Konferenz muss jetzt endlich forciert werden. (Beifall bei der LINKEN) Zur Euro-Krise. Der Internationale Währungsfonds hat an der einzig von uns, der Linken, abgelehnten Euro-Rettungspolitik, die nicht nur Griechenland in eine tiefe Krise trieb, vernichtende Kritik geäußert. Die Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland liegt jetzt bei 62,5 Prozent, in Spanien bei 56,4 Prozent. Was soll aus diesen Jugendlichen eigentlich werden? Jetzt sollen auf EU-Ebene 6 Milliarden Euro bereitgestellt werden. Diese Mittel waren längst eingeplant, sie werden bloß vorgezogen. Aber auch diese Mittel werden hinten und vorne nicht reichen, um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu lösen. Die Auflagendiktate der Troika sind nicht nur undemokratisch und unsozial, sie sind unverantwortlich. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt soll in Griechenland sogar der öffentlich-rechtliche Sender ERT geschlossen werden. Das ist völlig indiskutabel. Stellen Sie sich einmal vor, Deutschland müsste ARD und ZDF dichtmachen! Das geht einfach nicht. Wieso zwingen Sie Länder wie Griechenland zu solchen Schritten? Ich verstehe das nicht. Was haben Sie mit dieser Politik eigentlich erreicht? Die Wirtschaftsleistung dieser Länder sinkt, die Steuereinnahmen brechen ein. Daher können die Länder die Darlehen nicht zurückzahlen, und sie können ihre Schulden nicht verringern. Was wird passieren? Eines Tages - und dieser Tag liegt gar nicht mehr so fern - wird Deutschland für 27 Prozent dieser Schulden haften müssen. Das wird ein böses Erwachen geben. Natürlich versuchen Sie, dieses Erwachen auf einen Zeitpunkt nach dem 22. September zu verschieben; aber dieser Zeitpunkt wird kommen. Herr Steinbrück, ich habe Ihnen zugehört. Es war ja fantastisch, welche Kritik Sie an dieser gesamten Politik geäußert haben. Jetzt müssen Sie mir allerdings erklären: Wenn diese Rettungspakete doch so falsch waren, warum haben Sie all diesen Sparmaßnahmen immer zugestimmt? Sie sind doch mit schuld an der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien und in Griechenland. (Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der SPD) Hätten Sie doch einmal Nein gesagt! Sie waren in dieser Sache nie in der Opposition, nur die Linke war es. Als es um diese falsche Euro-Rettungspolitik ging, hat die SPD völlig vergessen, was die Rolle der Opposition ist. (Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der SPD) Nun zu Zypern. Die Troika hat Zypern die Auflage gemacht, die Laiki Bank abzuwickeln. Zuvor gab die zypriotische Regierung der Laiki Bank noch 9,2 Milliarden Euro, um den Konkurs zu verschleppen. Was passierte? Die ausländischen Banken, Versicherungen, Hedgefonds und Vermögenden nutzten die Chance und holten noch schnell 10 Milliarden Euro raus aus Zypern. Dann mussten die übrigen Zypriotinnen und Zyprioten und die kleinen und mittleren Unternehmen 6 Milliarden Euro bezahlen. Das erklären Sie mal! Erklären Sie, warum Sie zulassen, dass die Vermögenden 10 Milliarden Euro bekommen und die anderen 6 Milliarden Euro zu bezahlen haben. Nicht zu fassen ist das Ganze! (Beifall bei der LINKEN) Und nun sollen die maroden Banken im Zweifelsfall weitere 60 Milliarden Euro Steuergelder bekommen. Ich sage Ihnen: Das ist der falsche Weg. Banken müssen endlich für Banken haften, nicht die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Wir brauchen endlich einen europäischen Abwicklungsfonds, in den die Banken einzuzahlen haben. Wenn er nicht reichen sollte, dann müssen die Anteilseigner, die Aktionäre etc., haften. Damit will man nun ja auch beginnen. Aber warum denn erst jetzt, Herr Bundesfinanzminister? Von Anfang an hätte man das so handhaben müssen, auch um die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in ganz Europa zu entlasten. (Beifall bei der LINKEN) Erklären Sie mal einer Friseurmeisterin, die ihr Geschäft schließen muss, weil sie vor der Insolvenz steht, dass sie nichts erhält, aber die Banker machen können, was sie wollen. Dank Ihrer falschen Politik müssen immer die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für alle Schulden aufkommen. Das ist nicht länger hinnehmbar und auch nicht länger zu erklären. (Beifall bei der LINKEN) Außerdem brauchen wir in Europa endlich eine Millionärsteuer, damit die Nutznießer der Krise auch mal herangezogen werden, um sie zu bezahlen. Nicht die Friseurin, nicht der Bäcker, nicht der Stahlarbeiter in Griechenland, sondern die Millionäre müssen herangezogen werden. Warum haben Sie nicht einmal den Mumm, an die Reichen heranzugehen? Es ist wirklich nicht zu fassen! (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Bei Ihnen verdient die Friseurin sowieso nichts!) Ich fasse zusammen: Die Politik zur Euro-Krise ist gescheitert. Wir brauchen einen Marshallplan für die Krisenländer, damit sie wieder auf die Füße kommen, wirtschaftlich gesunden und nach Herstellung von Steuergerechtigkeit höhere Steuereinnahmen haben, um die Darlehen bedienen und die Schulden zurückzahlen zu können. Und wir brauchen einen Wachstumsplan für die EU und für Deutschland: höhere Löhne, höhere Renten, höhere Sozialleistungen. Das brauchen wir schon deshalb, weil unsere Exporteinnahmen sinken werden und wir dann die Binnenwirtschaft stärken müssen. Das geht nur mit einer höheren Kaufkraft - also mit solchen Maßnahmen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat festgestellt, dass in Deutschland ein Investitionsrückstand von 1 000 Milliarden Euro besteht. Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege! Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): - Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. - Wir müssten jährlich 75 Milliarden Euro für Energiewende, Bildung und Infrastruktur - das hat was mit Zukunft zu tun - ausgeben. Ich lasse jetzt einmal weg, was ich zu Ihrem Wünsch-dir-was-Katalog sagen wollte, Frau Bundeskanzlerin, aber mit Realitäten hat das alles nichts zu tun. Außerdem müssen Sie mal erklären, warum Sie das alles acht Jahre lang nicht gemacht haben, was Sie jetzt in Ihr Wahlprogramm reingeschrieben haben. Die FDP sagt ja sowieso, dass sie das nicht mitmacht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Herr Gysi, Sie kriegen sowieso nichts!) Und Sie, Herr Kauder, haben einen Finanzierungsvorbehalt formuliert und damit gleichzeitig gesagt, dass das Ganze ausfällt. Nein, das ist wirklich eine Märchenstunde; das können wir nicht gebrauchen. Das ist weniger als heiße Luft, was Sie da versprechen. Wir haben einen Reformstau. Wir brauchen eine andere Regierung, damit dieser Reformstau in Deutschland endlich aufgelöst wird. (Beifall bei der LINKEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Wunderbar!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Volker Kauder hat nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Peer Steinbrück hat hier an diesem Rednerpult (Zuruf von der SPD: Gut gesprochen! - Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Wo ist denn der Steinbrück?) etwas zu den Haushaltszahlen und zu seiner Sicht auf die Bilanz der letzten vier Jahre gesagt. Dazu nur zwei Zitate - deswegen habe ich zwei Zettel dabei -: Berliner Zeitung: Die deutschen Zahlen sehen für Schwarz-Gelb in der Tat glänzend aus. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD) Und Süddeutsche Zeitung: Der deutsche Schuldenberg schrumpft. Ende März summierten sich die Verbindlichkeiten von Bund, Ländern und Kommunen einschließlich aller Extrahaushalte auf 2,058 Billionen Euro, teilte das Statistische Bundesamt am Mittwoch mit. Das waren 0,7 Prozent ... weniger als Ende 2012. So viel zur Wahrheit Ihrer Zahlen, Herr Kollege Steinbrück. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Caren Marks [SPD]: Schaumschlägerei! - Peer Steinbrück [SPD]: Zutreffend! - Weitere Zurufe von der SPD) Im Übrigen: Wer wie Fritz Erler spricht, der bleibt auch Fritz Erler. Der hat nämlich immer hohe Staatsämter angestrebt. Aber erreicht hat er sie nicht, Herr Kollege Steinbrück. (Beifall und Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP - Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Der war nie Spitzenkandidat! Herr Kauder, Sie haben von Geschichte null Ahnung! - Thomas Oppermann [SPD]: Peinlich, peinlich! - Joachim Poß [SPD]: Leider sehr früh verstorben!) - Ich habe nicht gesagt, dass er Kanzlerkandidat war, sondern ich habe gesagt, Fritz Erler hat hohe Ämter angestrebt und hat sie nicht erreicht. (Axel Schäfer [Bochum] [SPD]: Er war aber trotzdem nicht Kanzlerkandidat!) Jetzt will ich noch etwas sagen, Herr Kollege Steinbrück. Schämen Sie sich eigentlich nicht, (Sigmar Gabriel [SPD]: Nein!) wenn Sie hier sagen, in den vier Jahren der Koalition sei die Nettoneuverschuldung - sie ist immer geringer geworden - auf knapp 100 Milliarden Euro gestiegen, (Thomas Oppermann [SPD]: Jetzt kommen Sie mit dem Konjunkturprogramm und was es gekostet hat!) während Sie selber in Ihrer Regierungszeit einen Haushalt mit einer Nettoneuverschuldung von 86 Milliarden Euro in einem Jahr vorgelegt haben? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Rainer Stinner [FDP], an die SPD gewandt: Unanständig! - Peer Steinbrück [SPD]: Das waren wir zusammen! Da waren Sie dabei, Herr Schäuble! - Weitere Zurufe von der SPD) - Wissen Sie, Herr Kollege Steinbrück, ich habe das doch gar nicht kritisiert. (Lachen bei Abgeordneten der SPD) Ich habe nur gesagt: Sie müssen Ihre Worte vorsichtig abwägen, weil das allermeiste, was Sie sagen, nicht stimmt. Das ist nämlich das Thema. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Um eine Passage aus Ihrer Rede aufzugreifen: Die Wirkung meiner Worte auf Sie und auf die SPD zeigt: Wirkungstreffer! Das hat also gesessen, um das einmal klar zu sagen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Zuruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Ich will noch einen Punkt ansprechen, der zeigt, dass das, was Sie sagen, nicht stimmt. Sie haben den Schuman-Plan erwähnt und Frankreich für seine Führung gelobt. Wissen Sie, was die SPD-Bundestagsfraktion über diesen Plan, der unter der Führung Schumans zustande kam, damals gesagt hat? Der Schuman-Plan sei zu konservativ. Kurt Schumacher hat für die SPD das abgelehnt, was Sie als große Führungsstärke gelobt haben. Herr Steinbrück, bei Ihnen passt aber auch gar nichts zusammen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Von mir noch ein kleiner Hinweis hinsichtlich des Wechsels - auch das haben Sie falsch verstanden -: In dieser Diskussion innerhalb der SPD geht es um Ihre Person, um nichts anderes. Das ist das Thema der Diskussion im Zusammenhang mit dem Wechsel. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Aber jetzt zur Sache. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Endlich! Zur Sache, Schätzchen!) Es geht um das Treffen der G 8 und um den EU-Gipfel. Frau Bundeskanzlerin, ja, es war richtig, dass sich die Mitglieder der G 8 mit einer der größten Fragen, die uns im Augenblick zum Thema Menschenrechte und Menschlichkeit bewegt, nämlich Syrien, befasst haben. Ich teile die Auffassung, dass es richtig ist, dass wir keine Waffen liefern, sondern dass wir humanitäre Hilfe leisten. Ich möchte zunächst einmal dem Bundesinnenminister ausdrücklich dafür danken, dass er die Voraussetzungen für die Aufnahme von weiteren 5 000 Kriegsflüchtlingen geschaffen hat, die nach Deutschland kommen dürfen. Herzlichen Dank dafür, auch im Namen von vielen Syrerinnen und Syrern, die auf dieses Signal gewartet haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die humanitäre Hilfe, die wir in Syrien leisten, muss verbessert und dahin gehend koordiniert werden, dass sie auch tatsächlich ankommt. Uns erreichen immer wieder dramatische Berichte, dass die Hilfe in bestimmten Gebieten, beispielsweise in dem heftig umkämpften Aleppo, nicht ankommt. Es berichten uns vor allem viele Christen, dass die Hilfe die von ihnen bewohnten Gebiete nicht erreicht. Deswegen bitte ich die Bundesregierung ausdrücklich, dafür zu sorgen, dass die Hilfe im ganzen Land verteilt wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Auf dem EU-Gipfel stehen wichtige Entscheidungen an. Eine der wichtigen Entscheidungen betrifft die Verhandlungen mit Serbien auf dem Weg nach Europa. Wir, Herr Kollege Steinbrück, unterstützen diese Verhandlungen. Aber anders als in dem Antrag der SPD zur heutigen Debatte, in dem sinngemäß die Festlegung eines Termins für den Beginn von Beitrittsverhandlungen verlangt wird, sagen wir zwar Ja zu Verhandlungen. Aber bevor ein Termin für die konkreten Gespräche genannt wird, müssen auch die Voraussetzungen dafür erfüllt werden. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben leider allzu oft in Europa erlebt, dass wir Ja gesagt haben und nachher Riesenprobleme hatten, das durchzusetzen, was uns zuvor versprochen wurde. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Deswegen ist Ihr Vorschlag im Hinblick auf den Weg für Serbien und den Kosovo nicht hilfreich. Es ist richtig, dass auf dem Gipfel auch über die Türkei gesprochen wird. Wir sind zwar der Meinung, dass wir mit der Türkei weiter sprechen müssen. Wir haben auch gar keine Vorbehalte, dass neue Verhandlungskapitel aufgenommen werden. Aber wir von der Unionsfraktion haben immer verlangt, dass vor oder bei der Aufnahme der Verhandlung über weitere Kapitel die Einhaltung der Menschenrechte bzw. der Grundrechte sowie insbesondere die Ausübung der Religionsfreiheit in der Türkei berücksichtigt werden. Es geht nicht, dass sich die Türkei weigert, die Grundpositionen in Europa zu solch zentralen Fragen einzunehmen. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum öffnen Sie dann die entsprechenden Kapitel?) Ich bitte Sie herzlich, Frau Bundeskanzlerin, dies der Türkei deutlich zu machen. Es reicht nicht, nur über wirtschaftliche Fragen zu sprechen und das, was sich momentan in diesem Land tut, positiv hervorzuheben. Wir wünschen auf gar keinen Fall, dass Menschenrechte und Religionsfreiheit als zweitrangig angesehen werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Es ist auch richtig, das Thema Jugendarbeitslosigkeit besonders in den Blickpunkt zu rücken. Aber es wird oft so getan, als ob die hohe Jugendarbeitslosigkeit in bestimmten europäischen Ländern das Ergebnis der Unterstützungsmaßnahmen wäre, die wir ergriffen haben und ergreifen. (Petra Merkel [Berlin] [SPD]: Natürlich!) Die Jugendarbeitslosigkeit beispielsweise in Frankreich, Spanien und Griechenland hatte schon immer ein beachtliches Ausmaß. Dazu habe ich von Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, immer nur gehört, dass wir uns in die inneren Angelegenheiten anderer Länder nicht einmischen sollten. Das war bislang Ihre Position, während wir immer darauf gedrängt haben, dieses Problem zu lösen. Herr Steinbrück, Sie haben sich hierhingestellt und eine Rede gehalten, als ob die Reformen, die Sie selber in Deutschland durchgeführt haben, nicht mehr das richtige Konzept für andere europäische Staaten wären. Wenn alle anderen das gemacht hätten, was die SPD noch zu ihren guten Zeiten auf den Weg gebracht hat, sähe es in Europa anders aus. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Nur durch Reformen, die Wachstum bringen, schaffen wir es. Von Ihnen, Herr Steinbrück, ist immer nur zu hören, dass mehr Geld ausgegeben werden muss und Steuern erhöht werden müssen. Ich kann Ihnen nur sagen: Mit einem Konzept, das Steuererhöhungen vorsieht, würden Sie nicht mehr Steuereinnahmen erzielen. Das zeigt gerade der Erfolg der christlich-liberalen Koalition in den letzten vier Jahren. Wir haben das mit Wachstumsperspektiven erreicht. Bei Modernität, Innovation sowie Forschung und Bildung haben wir uns besonders engagiert. Die Folge dieser Politik sind die nun erzielten positiven Ergebnisse. Genauso muss es auch in Europa sein. Wir müssen der Wirtschaft in allen anderen europäischen Ländern sagen: Ihr müsst wettbewerbsfähig bleiben. Wenn ihr keine Produkte herstellt, die auf dem Markt verkauft werden können, dann gibt es auch keine Arbeitsplätze und Ausbildungsplätze. Arbeitsplätze sind nicht allein mit Geld zu schaffen, sondern können nur durch Wachstum entstehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vor diesem Hintergrund kann ich nur sagen: Frau Bundeskanzlerin, Europa wettbewerbsfähig zu machen und für Wachstum zu sorgen, das ist der richtige Weg. Kurzfristige Umverteilung entfacht nur Strohfeuer, die zu nichts führen. Das war im Übrigen einmal ein Satz von Peer Steinbrück, als er noch Peer Steinbrück sein durfte und nicht Kanzlerkandidat der SPD war. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Ich kann nur sagen: Jawohl, unser Weg ist richtig. Wir unterstützen Sie dabei, Frau Bundeskanzlerin. (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Kauderwelsch!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun der Kollege Jürgen Trittin das Wort. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lieber Herr Kollege Kauder! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche Reden sind nicht einmal ein Strohfeuer, sondern nur ein Zündholz mit Ladehemmung. Sie haben soeben eine solche abgeliefert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Frau Bundeskanzlerin, die Muster Ihrer Regierungserklärungen über Europa sind immer gleich: Sie gehen auf die Themen ein. Sie benennen sie. Sie problematisieren durchaus. Aber Sie bleiben dann das schuldig, was man von einer Regierungserklärung erwartet, nämlich die Konkretion dessen, was Sie als Regierung tun werden, wie Sie regieren werden. Ich will das an einem kleinen Beispiel erläutern. Sie haben sich positiv auf die länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission bezogen. Sie wollen sich - so sagten Sie gerade - beim Europäischen Rat dafür einsetzen, dass diese länderspezifischen Empfehlungen angenommen werden, selbst wenn man nicht mit jedem Detail einverstanden ist, denn sie weisen in die richtige Richtung. Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie etwas zu den länderspezifischen Empfehlungen an Deutschland sagen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre eine Idee!) Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie sagen, wie Sie gedenken, die Empfehlung umzusetzen, Minijobs zu beenden und in ordentliche Arbeitsverhältnisse zu überführen. Das steht da nämlich drin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir hätten von Ihnen erwartet, dass Sie sagen, wie Sie umzusetzen gedenken, die Fehlanreize - so formulieren die da; das sind nicht meine Worte - für Zweitverdiener - richtigerweise müsste man sagen: Zweitverdienerinnen - zu beseitigen. Wollen Sie also das Ehegattensplitting abschmelzen? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Nein, das wollen wir nicht!) Oder welche anderen Maßnahmen wollen Sie ergreifen, um das umzusetzen, was die EU-Kommission von Ihnen verlangt? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie hätten uns sagen können, wie Sie gezielt die zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung für Geringverdiener beenden wollen. Wollen Sie - wie wir - das steuerfreie Existenzminimum anheben, um die Menschen auf diese Weise zu entlasten? Wollen Sie die Sozialversicherungsbeiträge durch die Einführung einer Bürgerversicherung senken? Oder was wollen Sie tun? Zu all dem haben Sie geschwiegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Ziehen wir Bilanz Ihrer vier Jahre Europapolitik und fangen beim Kern von Europa an, nämlich der Freiheit! Freiheit in Europa hat damit angefangen, dass Helmut Kohl die Schlagbäume an der deutsch-französischen Grenze abgebaut hat. Sie leisten sich einen Innenminister, der zustimmt, dass in Europa wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Sie machen die Freiheit von Helmut Kohl wieder rückgängig. Das ist Ihre Europapolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!) Wenn Sie der Auffassung sind, dass Menschenrechte immer gelten, was hindert Sie dann, das Menschenrechtskapitel - Kapitel 23, Justiz - mit der Türkei endlich zu eröffnen und mit Herrn Erdogan darüber zu konferieren? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Meine Damen und Herren, gelten für Sie Menschenrechte und Demokratie eigentlich wirklich immer? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht, wenn es um Panzer geht!) Warum lassen Sie sich dann von dem Erdogan von Ungarn, von Viktor Orban, auf einem Treffen der Europäischen Volkspartei die Hand küssen? (Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Unverschämt!) Warum ist, wenn Menschenrechte immer gelten, die Partei Fidesz immer noch Mitglied Ihrer Europäischen Volkspartei? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Frau Bundeskanzlerin, es mag sein, dass das Internet für Sie Neuland ist. (Caren Marks [SPD]: Ha, ha!) Für viele Menschen in diesem Lande ist das Netz alltägliche Praxis. Sie haben bisher geglaubt, es gebe auch im Internet eine Freiheit der Kommunikation. Das haben übrigens nicht nur Bürgerinnen und Bürger geglaubt, sondern auch Unternehmer, die beispielsweise ihre besonders geschützten Betriebsgeheimnisse darüber kommunizieren. Was passiert? Wir stellen fest, dass ein Mitgliedstaat der Europäischen Union die Bundesrepublik Deutschland im Internetverkehr gezielt und komplett ausspioniert. Was erwarten wir in einer solchen Situation von einer Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland? Wir erwarten, dass sie sich hierhinstellt und die Freiheit der Kommunikation im Internet für die Bürgerinnen und Bürger sowie den Schutz der Unternehmensgeheimnisse in diesem Land verteidigt. Was machen Sie? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sie wollen dieses Thema auf dem Gipfel nicht einmal ansprechen. Ja, meine Damen und Herren, ist denn die Freiheit der Bürger und der Unternehmen in diesem Lande kein Thema für den Europäischen Rat, oder wollen Sie es sich nur nicht mit David Cameron verderben, der Europa sowieso renationalisieren will? Das nenne ich Feigheit beim Eintreten für die Freiheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Sprechen wir über Gerechtigkeit. Sie predigen gerne Sparsamkeit. Es ist wahr: Sie haben in dieser Legislaturperiode über Steuergeschenke 35 Milliarden Euro an Ihre Klientel ausgeschüttet. Sie haben 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden gemacht. Von den über 2 Billionen Euro Staatsschulden stammen rund 500 Milliarden Euro aus Ihrer Amtszeit; mehr als ein Fünftel. Sie sind die Schuldenkanzlerin Deutschlands. Das ist die Wahrheit. Erzählen Sie uns nichts von Solidität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Stattdessen flüchten Sie sich in die Räume einer Werkstatt für Theaterkulissen, um das CDU-Wahlprogramm zu präsentieren. Ja, das war ein angemessener Ort. Von den 28 Milliarden Euro, die Sie ausgeben wollen, ist nicht ein einziger Euro durch irgendeine Einnahme gedeckt. Das ist die erste bittere Wahrheit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Die Zweite ist: (Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Sie sind langweilig!) Ein Großteil Ihrer Transferleistungen kommt nicht unten, sondern oben an. Dann tritt die FDP auf und sagt: So geht das aber nicht. Wir müssen auch konsolidieren. - Wie will die FDP konsolidieren? Sie will nicht 28 Milliarden Euro neue Schulden machen. Die FDP will 30 Milliarden Euro neue Schulden machen; dazu will sie neue Steuerschlupflöcher für transnationale Unternehmen öffnen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie hier versprochen haben, Frau Bundeskanzlerin. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Da haben wir es wieder: Sie erklären in Ihrer Regierungserklärung, man müsse etwas gegen die Steuergestaltung machen. Was machen Sie auf dem Gipfel der G 8? Sie setzen durch, dass es keine öffentliche Berichterstattung darüber gibt, welches Unternehmen wie viele Steuern in welchem Land bezahlt. Das sollen nur die Finanzbehörden erfahren. Aber die können damit nichts anfangen, weil kein Rechtsverstoß vorliegt. Meine Damen und Herren, das ist genau Ihre Politik. Sie benennen das Problem, und mit Ihrer tatsächlichen Handlung sorgen Sie dafür, dass dieses Problem weiter existiert. Das Ergebnis ist: Starbucks in Deutschland zahlt weiterhin keine Steuern. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann trinken Sie doch keinen Kaffee mehr!) Sie wollen, dass Google und Apple in Irland weiterhin mit lächerlichen Beträgen nach Hause gehen. Sie wollen die gleiche Praxis für BASF, Bayer und Volkswagen in Belgien ermöglichen. Das ist Ihre Klientel. Aber das ist nicht gerecht. Es ist nicht gerecht, dass Mittelständler brav ihre Steuern zahlen, die Großkonzerne sich aber vom Acker machen, wenn es um die Finanzierung der Infrastruktur in Deutschland geht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Gestern - Sie kämpfen immer noch dagegen - haben Sie Supercredits für Spritfresser bei den Verbrauchsobergrenzen durchgesetzt. Zurzeit haben wir nicht einen CO2-Ausstoß von 95 Gramm pro Kilometer, sondern von 111 Gramm pro Kilometer; der Wert wird also nur ganz wenig gesenkt. Diese Klientel bedienen Sie, aber selbst hier sind Sie noch dagegen. Den größten Anschlag auf den Klimaschutz in Europa haben Sie auch zu verantworten. Der heißt Günther Oettinger. Der Energiekommissar Oettinger ist der Cheflobbyist in Europa für Fracking und längere Laufzeiten von Atomkraftwerken. Und: Er ist der Cheflobbyist gegen die deutsche Energiewende, wenn ich die Summe seiner Auftritte in Deutschland zusammennehme. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Was machen Sie? Kein neues höheres Klimaschutzziel. Emissionshandel am Boden. Kein Backloading. Sie blockieren im Parlament wie im Rat. Das Ergebnis? Zum ersten Mal seit zehn Jahren steigen die CO2-Emissionen in Deutschland. Warum? Weil Sie es geschafft haben, die Emissionen aus Kohlekraftwerken um 15 Prozent nach oben zu treiben. Das ist nicht nur schädlich fürs Klima, es lässt auch die EEG-Umlage explodieren. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach Quatsch!) Deutschland ist unter Ihrer Kanzlerschaft vom Vorreiter zum Bremser beim Klimaschutz geworden. In Ihrer neuen Rolle als Kanzlerin verspielen Sie Ihr eigenes Erbe als Umweltministerin, liebe Frau Merkel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es zeigt sich: Konservative Mehrheiten im Rat und im Parlament bedeuten in Europa weniger Freiheit, weniger Gerechtigkeit und weniger Klimaschutz. Es zeigt sich, dass eine in Taten, nicht in Worten, neoliberale Klientelpolitik und mehr Europa eben nicht zusammengehen. Deswegen ist es Zeit für andere Mehrheiten, und zwar Mehrheiten für ein freieres Europa, Mehrheiten für ein gerechteres Europa und Mehrheiten für ein nachhaltigeres Europa - im Rat und im Europäischen Parlament. Dafür streiten wir am 22. September 2013. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächster Redner ist der Kollege Joachim Spatz für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Joachim Spatz (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine kleine Replik auf die Rede von Herrn Trittin: Wer einen Außenminister hat wie wir Guido Westerwelle, der mit der Rechtsstaatsinitiative in Europa konkret einfordert, dass die Einhaltung der Grundrechte, die uns alle vereinen, in Europa durchgesetzt wird, der braucht von Ihnen keine Belehrung in europäischer Demokratiepolitik. Wer wie die Bundesregierung eine Justizministerin hat, die wie keine andere für Datenschutz steht, (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Taten! Taten wollen wir sehen!) braucht von Ihnen keine Belehrung zum Thema Datenschutz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Meine Damen und Herren, die größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung war in der Tat, das Schiff Europa sicher durch die Unbilden der Krise zu manövrieren. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Grandios gemacht!) Die Sozialdemokratie hätte eigentlich stolz auf die Tradition sein können, dass die großen politischen Kräfte angesichts einer Herausforderung dieser Art zusammengehalten haben. Denn die Sozialdemokratie hat sowohl den Rettungspaketen als auch dem Fiskalpakt zugestimmt. Aber das wollen Sie heute nicht mehr wahrhaben. Sie bemängeln das Haftungsrisiko für den deutschen und europäischen Steuerzahler, das Sie selber mit beschlossen haben. Danach machen Sie die Krisendiagnose der Bundesregierung für das Haftungsrisiko verantwortlich. Wie arm muss man sein, dass man eine solche Begründung im Wahlkampf braucht? (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU]) Wie arm muss man sein, zu behaupten, dass die Analyse der Bundesregierung ursächlich für die Garantien ist? Das ist wahrlich beschämend. Sie verlassen eine Tradition der eigentlich gemeinsamen Verantwortung. Sie bemängeln, dass wir eine beispiellose einseitige Sparpolitik machen. Dabei wird in jeder Rede der Koalition betont, dass wir neben der Solidarität, die wir gewähren, auch die Solidität der Zielländer einfordern müssen. Denn wenn Sie Wachstum, die dritte Säule der Maßnahmen, generieren wollen, brauchen Sie solide Strukturen. Sonst ist das Geld verbrannt, versickert und sinnlos ausgegeben. Diese Art von Wachstumsstimulation, wie Sie sie wollen, wollen wir nicht. Wir wollen das Geld sinnvoll investieren. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Da Sie die Konditionalitäten als einseitige Sparpolitik diffamieren, frage ich Sie: Was wäre die Alternative gewesen? Hätten wir auf Konditionalitäten verzichten sollen? Hätten wir das Geld ohne Bedingungen geben sollen? Ich denke, das wäre der falsche Weg gewesen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Zum Schluss noch zwei Zitate von Peer Steinbrück. (Peer Steinbrück [SPD]: Ja!) Erstens: Wir haben nie gesagt, dass wir konditionslos für Euro-Bonds sind. Das heißt im Klartext, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger: Wir haben vor der Wahl nie gesagt, dass wir konditionslos für Euro-Bonds sind. Nach der Wahl sind wir für Euro-Bonds - zwar unter Bedingungen, aber wir sind für Euro-Bonds. Zweitens - noch deutlicher; wieder Peer Steinbrück -: Wir sagen: Es ist im nationalen Interesse und es ist europäische Verantwortung, gegebenenfalls mit unseren Ressourcen behilflich zu sein ... Das heißt, mit deutschem Geld bezahlen. Das heißt, Sie wollen am Ende der Reise den Weg in die Transferunion und die Haftungsunion. Das wollen wir nicht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Darüber werden die Wählerinnen und Wähler in Deutschland zu entscheiden haben. Ich bin mir sicher, sie sind für den Weg von Schwarz-Gelb: für Solidität, Solidarität und Wachstum. Danke schön. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich hoffe, der Kollege Michael Roth ist schon unterwegs, weil die Zeit ja kaum für die Strecke vom und zum Pult reicht. - Bitte schön. (Beifall bei der SPD) Michael Roth (Heringen) (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da steht etwas von Minuten. Insofern werde ich die Minuten auch gut zu füllen wissen. Herr Kauder ist heute ausnahmsweise mit einem Blatt Papier an das Redepult geschritten und meinte, eine Zeitung zitieren zu müssen, um deutlich zu machen, dass die selbst ernannten Kürzungsmajore Europas auch in Bezug auf die Innenpolitik haushaltspolitisch verantwortungsbewusst umgehen können. Ich möchte jetzt auch einmal zitieren. Das Handelsblatt von heute schreibt: Würden alle Unions-Wahlversprechen umgesetzt, dürfte es nichts werden mit der ab 2015 versprochenen Tilgung der Staatsschulden. Sie beschreiten konsequent den Weg des Verfassungsbruchs in Deutschland und in Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Während Sie innenpolitisch allen alles versprechen, versprechen Sie in Europa nichts. Im europapolitischen Teil des CDU-Wahlprogramms finden sich zu Europa nur einige dürre Zeilen. Sie sagen, dass Sie gegen den Beitritt der Türkei zur EU sind. Sie wollen Europa in der Welt starkmachen, und Sie wollen, dass EU-Erweiterungen den Bürgern zu dienen haben. Das ist alles. Die CDU ist in europapolitischen Angelegenheiten blank. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Die Merkel'sche Phrasendreschmaschine bringt nichts mehr zustande. Das haben inzwischen auch schon die eigenen CDU-Bataillone erkannt. Die NRW-CDU will eigene europapolitische Leitlinien beschließen. Herr Schäuble hat ja wenigstens noch Vorstellungen - Direktwahl des Kommissionspräsidenten und Ähnliches -, auch wenn wir die im Einzelnen nicht teilen. Reimer Böge, langjähriger Haushaltsberichterstatter der Europäischen Volkspartei, hat hingeschmissen, weil Sie blockieren, wenn es um einen tragfähigen Kompromiss für den mehrjährigen Finanzrahmen in Europa geht. Europa bräuchte jetzt Mut, Solidarität und mehr Demokratie. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Leider reicht das nicht!) Mit Frau Merkel als Bundeskanzlerin ist in dieser Europäischen Union nichts besser geworden. (Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Redezeit ist um!) Deshalb braucht die Bundesrepublik Deutschland in einem solidarischen Europa Peer Steinbrück und Rot-Grün. (Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Oje!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Oliver Luksic ist der nächste Redner für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Oliver Luksic (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem innenpolitischen Schlagabtausch will ich auf die Themen zu sprechen kommen, die beim Gipfel in Brüssel auf der Agenda stehen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kritik der CDU steht nicht auf der Agenda!) Ich glaube, es ist ein gutes Zeichen für Europa, dass wir die Währungszone um Lettland erweitern werden. Das zeigt: Die Stabilisierung des Euro ist erfolgreich. Das Beispiel Serbien zeigt, dass die EU ein Magnet für beitrittswillige Länder bleibt. Das sollte allen Europa- und Euro-Skeptikern zu denken geben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Mit dem Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo vom 19. April dieses Jahres hat die serbische Regierung einen historischen Schritt gemacht. Das Abkommen zeigt eine neue Bereitschaft des Landes, die Beziehungen zwischen beiden Ländern dauerhaft zu normalisieren. Das historische Momentum, das wir hier haben, ist wichtig für Serbien, den Balkan und Europa. Deswegen ist es gut und richtig, dass der Deutsche Bundestag in dieser Frage heute auch ein klares Signal senden wird. (Beifall bei der FDP) Den Worten müssen jetzt Taten folgen. Wir haben die einmalige Chance, diesen Konflikt, der die ganze Region belastet, wenigstens ein Stück weit aufzulösen. Diese Chance darf nicht verstreichen. Ich freue mich, dass wir heute dieses Signal senden, und ich freue mich, dass sich insoweit auch die Union bewegt hat; denn dies ist wirklich ein wichtiger Punkt für Europa. Wir werden darum auch klar aufzeigen, welche konkreten Schritte wir erwarten; denn jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Es ist richtig, dass wir die Eröffnung von Verhandlungen auch an ganz konkrete Auflagen knüpfen, auch wenn das nicht alle in Serbien oder in der EU so sehen. Deswegen ist auch die Rendezvous-Klausel richtig. Das heißt, der Bundestag geht mit seinen Mitbestimmungsrechten sehr verantwortungsvoll um. (Beifall bei der FDP) Wichtige Punkte sind bereits genannt worden: Ein serbischer Gemeindeverband muss geschaffen werden. Polizeidienststellen und Justizbehörden müssen in die Strukturen im Kosovo integriert werden. Das sind entscheidende Schritte zum Abbau von Parallelstrukturen. Wir müssen wissen, dass dies gerade innenpolitisch in Serbien ein wirklich schwieriger und immenser Schritt ist, der vor wenigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wäre. Deswegen ist es auch wichtig, dass der Deutsche Bundestag diesen schwierigen Schritt würdigt und wir unsererseits bereit sind, einen Schritt zu machen. Alles andere würde vor Ort niemand verstehen und würde zu Rückschritten statt zu Fortschritten führen. Alles, was Serbien alleine, ohne das Kosovo, tun kann, muss getan werden. Der Ball liegt jetzt im dortigen Feld. Der Abbau der Parallelstrukturen muss deutlich sichtbar und dauerhaft sein. Es kann nicht sein, dass kosovarische Zollbeamte ihren Arbeitsplatz nur auf dem Luftweg erreichen können, dass die serbischen Zahlungsströme nicht offen und transparent sind. Ich finde es auch wichtig, dass wir bei den Verhandlungen im Dezember nicht nur auf das Abkommen, sondern auch auf die Kernwerte Europas schauen, wie Rechtsstaatlichkeit, Justiz, Bekämpfung der organisierten Kriminalität. Deswegen ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung die Rechtsstaatsinitiative auch in Europa aufgegriffen hat. Hier geht es um die Grundwerte Europas, und diese müssen auch bei den Beitrittsverhandlungen im Mittelpunkt stehen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wenn sich Serbien weiter bereit zeigt, Reformen anzugehen und konstruktiv mit dem Kosovo zusammenzuarbeiten, dann steht der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen nach dem Dezember-Rat nichts mehr im Wege. Es muss gezeigt werden, dass die Worte ernst gemeint sind. Serbien scheint jedenfalls auf einem guten Weg in die richtige Richtung zu gehen. Das freut uns; denn das ist ein wirklich wichtiges Zeichen für den gesamten Balkan. Der Erweiterungsprozess macht gerade den jungen Menschen dort Hoffnung, die von besonders hoher Jugendarbeitslosigkeit betroffen sind. Dies macht deutlich: Es gibt kein anderes Instrument, das so wirksam ist wie der Erweiterungsprozess der Europäischen Union, und es gibt kein anderes Instrument, das so gut ist für Aussöhnung und Demokratisierung. Wir können hier nur eine Tür öffnen; den Weg müssen die Serben selber gehen. Ich hoffe, sie werden diesen Weg in Richtung Europa unumkehrbar gehen, nach vorne schauen und nicht zurück. Dann hat die gesamte Region eine Zukunft. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gerda Hasselfeldt hat nun das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Schwarzmalerei, die gerade auch in der Rede von Herrn Trittin über die Situation im Land zum Ausdruck kam, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: "Schwarzmalerei" aus Ihrem Munde ist doch ein Kompliment! Das verstehe ich gar nicht!) veranlasst mich, den Blick auf die Fakten und auf die tatsächliche Situation zu richten. Dazu gehört, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Deutschland geht es gut, den Menschen in unserem Land geht es so gut wie lange nicht mehr. Und das ist nicht das Ergebnis der Politik von Rot-Grün, sondern das ist das Ergebnis dieser Regierung unter Angela Merkel während der letzten Jahre. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das gilt für Deutschland, das gilt aber auch für Europa. Wir hatten während der letzten Jahre eine Fülle von wichtigen Entscheidungen zu treffen, mussten uns immer wieder mit der schwierigen Situation der Staatsschuldenkrise in Europa auseinandersetzen und werden das auch noch künftig tun müssen. Da gilt es, vor dem heute und morgen stattfindenden Gipfel den Blick auf die Frage zu richten: Was ist denn geschehen, und wie ist das Ergebnis? - Auch da können wir sagen: Der Kurs war und ist richtig. Das zeigt die Entwicklung in Deutschland, aber auch die Entwicklung in anderen europäischen Ländern, auch in den Krisenländern. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Es ist nur dem Beharren auf der Einhaltung der gegebenen Zusagen und der Durchführung notwendiger Strukturreformen zu verdanken, dass sich die Situation in vielen europäischen Ländern heute besser darstellt, als es noch vor wenigen Jahren der Fall war. Das gilt für die Problemländer, für die Länder, die unter dem Rettungsschirm sind, genauso wie für die anderen Länder, die in Schwierigkeiten sind; es gilt für viele europäische Länder. Sie stehen heute besser da als vor einigen Jahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dafür haben wir zu danken. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man muss dem Herrn für alles danken, auch für Unter-, Ober- und Mittelfranken!) Wir haben für die Hartnäckigkeit unserer Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers bei der konstruktiven Verhandlungsführung zu danken. Das möchte ich gerade an einem Tag wie heute, an dem weitere schwierige Verhandlungen und Gespräche auf europäischer Ebene anstehen, zum Ausdruck bringen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das Ziel all dieser Bemühungen, meine Damen und Herren, ist und muss es weiterhin sein, die Wettbewerbsfähigkeit jedes einzelnen europäischen Landes zu optimieren. Dies erreichen wir nicht dadurch, dass wir die Schulden der anderen übernehmen, dass wir uns lieb Kind machen, dass wir überall sagen: Wir vergemeinschaften dann die Schulden. - Diesen Kurs hätten die Oppositionsparteien gern genommen. Unser Kurs ist ein anderer: Man muss erstens für solide Haushalte sorgen, zweitens die notwendigen Strukturreformen auf den Weg bringen und drittens in Bildung und Innovation investieren. Das ist der richtige Kurs. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dieser Kurs war erfolgreich. Auf unserem Weg ist jedoch noch einiges weiterhin zu erledigen. Beispielsweise geht es um die Frage - Frau Bundeskanzlerin hat es heute angesprochen -, wie man noch mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit erreichen kann, mehr untereinander abstimmen kann, ohne gleich Kompetenzen abzugeben. Dies zu erreichen, ist sicherlich notwendig. Da ist jede Überlegung, jedes Bemühen sinnvoll. Ich will aber auch darauf hinweisen: Nicht alles, was man auf europäischer Ebene meint regeln zu müssen, ist am Ende gut. Ich bin sehr dankbar dafür und sehr froh darüber, dass es nach langen Diskussionen, nach schwierigen Verhandlungen und Gesprächen, gelungen ist, etwas zu verhindern, was die Europäische Kommission auf dem Schirm hatte: nämlich auch die Regelung der Trinkwasserversorgung über die Konzessionsrichtlinie. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da darf die FDP aber nicht klatschen!) Es ist gelungen, den zuständigen Kommissar davon zu überzeugen, dass es sich eben nicht um eine europäische Angelegenheit handelt, dass es nicht sinnvoll ist, die Frage der Trinkwasserversorgung, die bei uns in den Händen der Kommunen liegt, auf europäischer Ebene zu regeln. Das ist der Erfolg vieler Gespräche und vieler Verhandlungen. Es zeigt, dass es sich lohnt, auf europäischer Ebene und auf allen anderen Ebenen mit den Verantwortlichen zu reden und zu verhandeln. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich will ein weiteres Thema ansprechen, das uns in diesen Tagen ein wenig umtreibt - ich sage es ganz offen -, nämlich die Trilogverhandlungen zu den Themen CO2-Richtlinie, Klimapolitik und Klimaschutz. Hier geht es darum, alle Anstrengungen zu unternehmen, um negative Umwelteinflüsse zu reduzieren und die Situation der Umwelt zu verbessern. All das unterstütze ich. Aber, meine Damen und Herren, wir müssen dabei auch berücksichtigen, welche Auswirkungen das auf die Menschen, auf die Arbeitsplätze, auf die Strukturen in unserem Land hat. Bei den weiteren Gesprächen müssen wir bedenken: Wir erweisen niemandem einen guten Dienst, wenn wir unsere bewährten Strukturen im industriellen Bereich, zum Beispiel in der Automobilindustrie, und die damit zusammenhängenden Arbeitsplätze schwächen. Es geht hier nicht nur um Zahlen auf dem Papier, sondern es betrifft ganz konkret Arbeitnehmer und ihre Familien. Ohne die Berücksichtigung der Gesamtsituation können wir im Rahmen der Verhandlungen keine Entscheidungen treffen. Das müssen wir immer im Blick behalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich begrüße es außerordentlich, dass das Thema Jugendarbeitslosigkeit im Rat, der heute und morgen stattfindet, einen hohen Stellenwert einnimmt. Das ist ein Anlass, zu würdigen, dass zunächst wenigstens ein Teil der zur Verfügung stehenden 6 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit bereitgestellt werden soll. Jetzt geht es um eine möglichst schnelle Verabschiedung, damit diese Gelder zur Verfügung stehen. Aber auch hier gilt: Die Probleme sind nicht alleine mit Geld zu lösen. Die Zukunft der Jugendlichen hängt wesentlich davon ab, dass die Strukturen in den jeweiligen Ländern stimmen. Wieder gilt das Credo: Solide Haushalte und die Durchführung der notwendigen Strukturreformen sind die beste Basis, um das Problem der Jugendarbeitslosigkeit zu lösen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir wissen alle: Politik ist das Bohren dicker Bretter, auf europäischer Ebene in ganz besonderer Weise. Wir haben das große Glück, (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Die Bundeskanzlerin!) dass wir als Verhandlungsführerin die Bundeskanzlerin Angela Merkel haben. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ja! Danke schön!) Sie hat in all den Jahren die deutschen Interessen immer hervorragend vertreten, ohne den Blick auf Europa und die Zukunft Europas aus den Augen zu verlieren. (Michael Roth [Heringen] [SPD]: Den Blick aus den Augen zu verlieren! Das wäre auch schlecht!) Sie weiß - und das bringt sie bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck -: Deutschland geht es dann gut, wenn es Europa gut geht, und Europa geht es dann gut, wenn jedes europäische Land seine eigenen Potenziale voll entfalten kann. Daran zu arbeiten, ist eine wunderbare und reizvolle Aufgabe. Frau Bundeskanzlerin, wir danken Ihnen sehr herzlich für Ihr bisheriges Engagement und wünschen Ihnen bei den anstehenden Gesprächen und Verhandlungen weiterhin eine glückliche Hand. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt Rosamunde Pilcher!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der Kollege Ruprecht Polenz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ruprecht Polenz (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf ein Thema zu sprechen kommen, das - die Bundeskanzlerin hat in ihrer Regierungserklärung darauf hingewiesen - im Mittelpunkt des G-8-Gipfels gestanden hat: die Situation in Syrien. Wir alle setzen nun unsere Hoffnungen auf die Konferenz in Genf. Wir wissen allerdings noch nicht, ob sie stattfinden wird. Die Situation in Syrien kann man nur mit dem Begriff "humanitäre Katastrophe" beschreiben. Es gibt mehr als 90 000 Tote, 400 000 Verletzte, die Krankenhäuser sind überlastet, die Trinkwasserversorgung wird schlechter, es brechen Epidemien aus. Von den 20 Millionen Syrern ist jeder Vierte auf der Flucht. Täglich fliehen 8 000 Syrer über die Grenze: Frauen, kleine Kinder, alte Menschen, junge Menschen. In Jordanien halten sich bisher 478 000 Flüchtlinge auf, in der Türkei sind 387 000 in Lagern und weitere 200 000 verteilt über das Land. Die Türkei wendet bisher über 600 Millionen US-Dollar für diese Flüchtlinge auf. Im Libanon gibt es 546 000 registrierte Flüchtlinge. Angesichts der 4,2 Millionen Einwohner bedeutet das: Mindestens 15 Prozent der Bevölkerung bestehen aus Flüchtlingen. Die Zahl ist wahrscheinlich höher, weil es im Libanon sehr viele nichtregistrierte Flüchtlinge gibt. Es ist deshalb richtig, dass Deutschland seine Mittel für die Flüchtlinge mit zusätzlichen 200 Millionen Euro mehr als verdoppeln wird. Wir sind nach den USA der zweitgrößte Geber, der sich hier engagiert. Es ist auch richtig, Herr Innenminister, dass Deutschland jetzt 5 000 Flüchtlinge aus Syrien zusätzlich zu denen, die schon über Asylverfahren ins Land gekommen sind, aufnehmen will. Leider schließt sich außer Schweden in der Europäischen Union bisher kein Land diesem Schritt an, syrische Flüchtlinge in größerem Umfang aufzunehmen. Es gehört für mich auch zum Herzen Europas und zum Gefühl für unsere Verantwortung in Europa, dass sich das ändert. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte die Regierung bitten, bei ihren Gesprächen in Brüssel darauf hinzuwirken, dass sich hier auch die Europäische Union stärker engagiert. Das ist gerade deshalb so wichtig, weil wir von außen wenig tun können, um den Bürgerkrieg zu beenden. Umso mehr sind wir humanitär in besonderer Weise verpflichtet, zu helfen. Ich finde es gut, dass jetzt auch die Möglichkeit geschaffen wird, dass die etwa 40 000 bis 50 000 Syrer, die in Deutschland leben, ihre Verwandten, die sich ins Ausland haben retten können, zu sich nehmen können, wenn sie das wollen und die Möglichkeit dazu haben. Daher geht der Appell an die Bundesländer, über die Zuweisung nach dem Königsteiner Schlüssel hinaus die Erlaubnis hierzu zu erteilen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hoffnungen auf die Genfer Konferenz sind deshalb so dringlich, weil die Gefahr besteht, dass Syrien zerfällt. Wenn Syrien zerfällt, dann droht die ganze Ordnung, die nach dem Ersten Weltkrieg ausgehend vom Sykes-Picot-Abkommen in der Region entstanden ist, zu zerfallen, weil auch der Irak seine staatliche Einheit noch nicht wiedergefunden hat, weil der Libanon fragil ist und weil Jordanien ebenfalls unter Druck ist. Was es bedeuten würde, das aufzufangen, sehen wir an der Entwicklung im Balkan, wo wir bis heute damit zu tun haben - wir werden gleich noch etwas zu Serbien und Kosovo hören -, mit den Folgen des Zerfalls des ehemaligen Jugoslawiens fertig zu werden. Aber das, was sich in der Region zwischen Mittelmeer und dem Irak abspielen könnte, ist in der Dimension viel gewaltiger als das, was wir auf dem Balkan erlebt haben. Deshalb ist es so wichtig, dass die Genfer Konferenz zu einem Erfolg geführt wird. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dies ist jetzt nach 19 Jahren im Bundestag meine letzte Rede. Ich bedanke mich bei Ihnen allen für die kollegiale Zusammenarbeit, als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses vor allen Dingen bei den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, und bei den Außenministern Herrn Westerwelle und Herrn Steinmeier, den ich hier einschließen möchte, für die gute Zusammenarbeit. Ihnen allen wünsche ich für die Zukunft eine glückliche Hand, Gottes Segen und Glück auf. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Polenz, im Namen des ganzen Hauses danke ich Ihnen für Ihre langjährige Mitarbeit in diesem Hause und für Ihre kollegiale Zusammenarbeit. (Beifall) Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Philipp Mißfelder, ebenfalls für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte an die Worte anschließen, die der Präsident gerade gefunden hat, und dabei auch den Kollegen Rainer Stinner einbeziehen. Wir haben ja in den vergangenen Tagen hier schon bei einigen Debatten Kollegen verabschiedet. Lieber Ruprecht Polenz, lieber Rainer Stinner, ganz herzlichen Dank für die gute Zusammenarbeit in den letzten Jahren und vor allem für die treibende Kraft, die wir gemeinsam entwickeln konnten, auch mit Oppositionspolitikern wie Herrn Klose, der ebenfalls aus dem Bundestag ausscheidet. Es verlassen so viele Außenpolitiker wie selten zuvor gleichzeitig den Deutschen Bundestag. Ich hoffe, dass sich in der neuen Legislaturperiode viele neue Bundestagsabgeordnete und viele andere Kollegen in unserem gemeinsamen Sinne für diesen Ausschuss entscheiden. Ganz herzlichen Dank im Namen meiner Fraktion an euch beide, aber auch an Herrn Klose, den wir bei anderer Gelegenheit hier schon verabschiedet hatten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Auch inhaltlich möchte ich an das anknüpfen, was Ruprecht Polenz gesagt hat. Wir setzen nach wie vor auf eine politische Lösung im Syrien-Konflikt, selbst wenn dies vor dem Hintergrund der täglichen Ereignisse sehr schwerfällt. Natürlich drängt es einen, zu sagen: Man muss doch etwas tun; wir müssen doch mehr tun. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von mittlerweile 100 000 Toten. Die Zahlen sind im Detail veröffentlicht worden. 5 144 Kinder sind gezählt worden, die aufgrund der Auseinandersetzung gestorben sind. Natürlich drängt es einen, zu sagen: Jetzt muss man doch mehr machen; man kann doch nicht tatenlos wegschauen. Das tun wir auch nicht. Trotzdem muss ich hier anmerken: Das, was die UNO in den vergangenen anderthalb Jahren in Syrien abgeliefert hat, ist eine mehr als große Blamage. Das geht aus meiner Sicht an die Grundfesten der Glaubwürdigkeit dieser Institution. Natürlich kann man jetzt darüber diskutieren, was der nächste Schritt sein muss. (Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was macht man, wenn der Sicherheitsrat blockiert ist?) - Genau. Was macht man, wenn der Sicherheitsrat blockiert ist? Die UNO lähmt sich selbst, weil China und Russland blockieren, und das aufgrund geopolitischer Überlegungen, die angesichts der Tragödie, die die Menschen in diesem Land erleben, gar nicht mehr nachvollziehbar sind. Man darf nicht die Ausrede gelten lassen, dass russische oder chinesische Interessen tangiert sein könnten. Hier wird auf Kosten der Menschenrechte geostrategische Politik betrieben, und das halte ich für absolut verwerflich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Was kann man machen? Ich glaube, wir haben in Syrien den Zeitpunkt verpasst - das unterscheidet uns von unseren Verbündeten Frankreich und Großbritannien -, zu dem die Menschen auf der Straße deckungsgleich waren mit der syrischen Opposition. Wenn wir heute von Opposition in Syrien sprechen, dann ist das ein sehr weit gefasster Begriff. Sehr viele Kämpfer von auswärts sind eingesickert. Deshalb sind wir ja auch so zurückhaltend, wenn es um Waffenlieferungen geht. Wir wollen nicht, dass Waffen, die gegen Assad gerichtet werden sollen, nachher eventuell gegen uns gerichtet werden. Ich wiederhole, was Bundesminister Westerwelle hier vor ein paar Tagen gesagt hat: Wenn unsere Verbündeten Waffen liefern wollen, dann müssen sie auch den Verbleib der Waffen sicherstellen und klare Regeln festlegen, wer über diese Waffen verfügen soll. Wir wollen nicht, dass Syrien ein zweites Afghanistan wird: Dort wurden Waffen an Kurzzeitverbündete geliefert - der Zweck war zunächst gut -, die nachher gegen uns eingesetzt wurden. Das sollte uns nicht noch einmal passieren. Deshalb sind wir so zurückhaltend. Ruprecht Polenz hat es gesagt: Wir setzen auf die Genfer Friedenskonferenz. Deutschland engagiert sich dort massiv. Wir werden hier im Deutschen Bundestag weitere finanzielle Mittel mobilisieren, um die zivile Hilfe zu verstärken. Das ist für uns bei allen Mandaten - heute Nachmittag werden wir ja über weitere Mandate diskutieren - ein ganz wichtiger Punkt. Unser militärisches und diplomatisches Engagement geht immer einher mit einem massiven finanziellen Engagement im Zivilbereich. Das wird in der Öffentlichkeit zum Teil nicht so transportiert wie spektakuläre Militäraktionen. Aber wir werden unser ziviles Engagement, auch für die Opposition in Syrien, verstärken. Wir werden ganz genau darauf achten, dass ihnen das Geld definitiv nicht ausgeht. Ich glaube, wir sind, was unser politisches Angebot angeht, auf dem richtigen Weg, auch wenn das angesichts des tagtäglichen Desasters vor Ort natürlich sehr schwierig ist. Ein Satz zur Hisbollah: Die Hisbollah hat sich öffentlich auf die Seite von Assad geschlagen. Die Hisbollah wird zunehmend - das wird jeden Tag offensichtlicher - von Iran aus gesteuert. Ich habe kein Verständnis dafür, dass es bislang nicht gelungen ist, die Hisbollah auf die Terrorliste der Europäischen Union zu setzen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es wird höchste Zeit, dieses Thema entschieden anzugehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Johann Wadephul von der CDU/CSU-Fraktion. - Bitte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden jetzt gleich über die Frage abstimmen, ob nach § 10 EUZBBG Einvernehmen hinsichtlich des Beginns von Aufnahmeverhandlungen mit Serbien hergestellt werden kann. Wenn ich das richtig sehe, können wir fraktionsübergreifend Einvernehmen herstellen. Ich kann das nur sehr begrüßen. Ich kann die Linksfraktion nicht in Anspruch nehmen, aber SPD und Grüne wollen ebenfalls zustimmen. Das ist erfreulich. Das ist - Ruprecht Polenz hat es angesprochen - 20 Jahre nach Ende der Kriege in Jugoslawien, nach Massakern mit vielen Toten und nach einem NATO-Einsatz nicht selbstverständlich. Ich kann das nur begrüßen und unsere Freude darüber ausdrücken. Dass Serbien sich für Europa entscheidet, ist gut, und wir sollten deshalb zustimmen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Wir sollten auch aufpassen, dass es in der Tat - ich glaube, die Grünenfraktion hat darauf aufmerksam gemacht - keine unterschiedlichen Tempi gibt, das heißt, dass nicht einzelne Staaten sich schneller annähern können, während andere völlig den Anschluss verlieren. Deswegen möchte ich darauf aufmerksam machen - auch wenn wir heute über Serbien reden -, dass es bedauerlich ist, dass es in Mazedonien nicht weitergeht, dass die Namensstreitigkeit nicht gelöst ist. Ich kann beide Seiten nur auffordern - das gilt für Mazedonien ebenso wie für Griechenland -, diese Frage zu klären. Diese zwei wunden Punkte müssen geklärt werden. Serbien mit seiner geostrategischen Situation wie auch Mazedonien wollen und sollen Richtung Europa. (Zuruf der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich denke, wir müssen alles unternehmen, dass dies auch möglich ist. Wir müssen das Versprechen von Thessaloniki einlösen. Der Westbalkan gehört nicht nur geografisch zu Europa, sondern auch historisch. Wir sollten die Möglichkeit nutzen, diese Region in einem überwachten Prozess, aber doch mit Zuversicht und Optimismus nach und nach in die Europäische Union aufzunehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Aber ein Blick in Staaten, die wir aufgenommen haben, wie etwa Bulgarien, zeigt auch, dass Sorgfalt vor Geschwindigkeit geht. Die Entwicklung dort muss uns Sorgen machen. Der Blick nach Zypern zeigt, dass grundlegende Fragen des gegenseitigen Staatsverständnisses vor dem Beitritt geklärt werden müssen. Das gilt auch für das Verhältnis zwischen Serbien und Kosovo; darum drehen sich ja unsere Anträge, die leicht divergieren, aber nicht im Grundsatz. Es hat keinen Zweck, mit einem Staat Beitrittsverhandlungen aufzunehmen und ihn in die Europäische Union aufzunehmen, der sein Verhältnis zum Kosovo nicht geklärt hat. Deswegen ist dieser Normalisierungsprozess so wahnsinnig wichtig. Er wäre nicht so weit in Gang gekommen, wenn nicht die Bundesregierung und insbesondere die Bundeskanzlerin Wert darauf gelegt hätten, dass Serbien und Kosovo diese Frage unter Vermittlung der Europäischen Kommission und Lady Ashton miteinander klären. Es war richtig, die mutmaßlichen Kriegsverbrecher auszuliefern. Aber es ist genauso wichtig, dass wir hier zu einem Ausgleich kommen und dass Serbien sein Verhältnis zum Kosovo klärt, dass wir zu einer Normalisierung kommen und dass wir innerhalb Europas die Frage beantworten, ob die EU insgesamt das Kosovo anerkennt oder nicht. Wir dürfen den Fehler, der bei Zypern gemacht worden ist, nicht wiederholen. Das würde die Europäische Union schwer bereuen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen legen wir Wert darauf, dass die Staats- und Regierungschefs - und niemand anders - im Dezember noch einmal sehr genau schauen, inwieweit die Implementierung vorangeschritten ist und inwieweit dieser Plan umgesetzt wird. Man muss mit Sorge hören, dass Herr Pantic - er ist ein Vertreter der Republik Serbien und nicht eine im luftleeren Raum schwebende Figur; er vertritt im Norden des Kosovo die Interessen Serbiens - jetzt sagt, er werde die Kommunalwahlen am 3. November boykottieren und jede Zusammenarbeit mit dem Kosovo verweigern. Das wird nicht das letzte Wort sein, aber dieser Zwischenruf muss uns alarmieren. Er zeigt, dass man, auch wenn wir heute das Einvernehmen erklären, weiter Druck aufbauen muss, dass man weiter darauf dringen muss, dass das Implementierungsabkommen mit Leben erfüllt und umgesetzt wird. Wir können uns auf Dauer keine Parallelstrukturen im Norden des Kosovo erlauben. Deswegen muss Serbien hier deutliche Schritte vorangehen und Herrn Pantic an die Leine nehmen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Das gilt auch für die Finanzströme, die bisher noch nicht völlig offengelegt sind, und für den Abbau des Polizeiapparats. Jedermann wird einsehen, dass Sicherheitsstrukturen eines Landes nicht vom Nachbarstaat aufrechterhalten werden können. Hier gilt allerdings auch für die kosovarische Seite: Minderheitenrechte müssen gewahrt werden. Innerhalb des Kosovo sind die Serben eine Minderheit. Wir haben in Europa eine vielfältige Minderheitenpolitik; es gibt Minderheiten in Deutschland, Italien, Polen, Belgien und vielen anderen Ländern Europas. Minderheitenschutz gehört zur Minderheitenpolitik dazu. Deswegen ist es klar, dass im Norden des Kosovo auch die dort lebenden Serben ihre Rechte haben müssen. Sie müssen sich kommunal verwalten können, ohne natürlich eigene Strukturen zu bilden. Wir hoffen, dass dieser Normalisierungsprozess voranschreitet. Wir sind guter Dinge, aber wir legen Wert darauf, dass er weiter überwacht wird. Wenn dies geschieht, ist das ein gutes Zeichen für Europa. Es ist ein Zeichen der Attraktivität der Europäischen Union, dass Serbien beitreten möchte. Dann mag im Dezember so entschieden werden. Ich möchte alle sehr herzlich aufrufen, unserem Antrag zuzustimmen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14143. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der SPD-Fraktion und Enthaltung der Linken und der Grünen. Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14144. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dieser Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und denen der Linken bei Zustimmung der SPD und Enthaltung der Grünen. Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/14145. Wer stimmt dafür? - Dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14146. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen von Linken und Grünen und Enthaltung der SPD-Fraktion. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir haben zugestimmt, Herr Präsident!) - Dann wiederhole ich die Abstimmung. - Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14146. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Linken und der Grünen und Enthaltung der SPD-Fraktion. Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14147. Wer stimmt dafür? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Zustimmung der Grünen, Enthaltung der SPD und Gegenstimmen der Linken. Zusatzpunkt 4. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/14108 mit dem Titel "Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Serbien zur Europäischen Union und zur Empfehlung von Europäischer Kommission und Hoher Vertreterin vom 22. April 2013 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen". Dazu liegt uns eine persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung vor, die wir zu Protokoll nehmen. Wer stimmt für diesen Antrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen. Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 6 a und 6 b auf: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hilde Mattheis, Bärbel Bas, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Für eine umfassende Pflegereform - Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken - Drucksachen 17/9977, 17/13319 - Berichterstattung: Abgeordneter Jens Spahn b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Elisabeth Scharfenberg, Kerstin Andreae, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Pflege-TÜV hat versagt - Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen - Drucksache 17/13760 - Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Christine Aschenberg-Dugnus von der FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Vielen Dank. - Herr Präsident, bitte gestatten Sie mir, bevor ich mit meiner Rede beginne, ein Wort an unseren Minister. Lieber Daniel Bahr, ich glaube, ich spreche für alle Kolleginnen und Kollegen: Wir wollen dir und vor allen Dingen natürlich auch deiner Frau ganz herzlich zur Geburt eurer kleinen Carlotta gratulieren. (Beifall) Ganz persönlich möchte ich noch sagen: Carlotta hat wirklich Glück. Ich weiß, ihr beide werdet ganz tolle Eltern werden, und wir alle wünschen euch dreien ganz, ganz viel Glück in eurem Leben. (Beifall) Von einem neugeborenen Leben nun gleich zur Pflege, meine Damen und Herren. (Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie legen hier heute einen Antrag vor und tun so, als habe er irgendeine Zukunftsrelevanz. Dabei hat sich das, was Sie da beantragen, seit unserem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz inhaltlich doch eigentlich alles schon erledigt. (Steffen-Claudio Lemme [SPD]: Nur die FDP hat sich erledigt!) Ich habe gelesen, die Pflege soll bei Ihnen jetzt Chefsache werden. Donnerwetter! Ihr Kanzlerkandidat traut seinem Schattenmann offenbar nicht ganz so viel zu. Sonst hätte er bei seinem ersten offiziellen Termin nicht gleich erklärt, dass er sich selbst um die Pflege kümmern möchte. Das finde ich doch sehr bemerkenswert. Genauso bemerkenswert ist, dass Sie jahrelang Verantwortung für das Gesundheitsministerium hatten, es aber unterlassen haben, entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen. Was Sie und uns als Regierung unterscheidet, ist: Sie reden immer nur von "müssen", "wollen" und "sollen". Aber wir in der christlich-liberalen Koalition (Elke Ferner [SPD]: Sie tun nichts!) haben bereits ganz konkrete Verbesserungen für die Menschen in Gesetzesform gegossen; genau so ist es. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie würdigen in Ihrem Antrag die Reformen der sozialen Pflegeversicherung der Jahre 2002 und 2008, gehen aber mit keinem Wort auf das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ein. (Elke Ferner [SPD]: Das ist auch kein Wort wert!) Das hätten Sie aber fairerweise tun müssen, wenn es Ihnen wirklich um eine sachgerechte und zielführende Debatte gehen würde. Denn im Rahmen des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes wurde bereits eine Vielzahl der Fragestellungen und Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufführen, umgesetzt. Dazu jetzt ein paar Beispiele, damit Sie wissen, wovon ich rede. Sie eiern um den Pflegebedürftigkeitsbegriff herum. Dabei wissen Sie ganz genau, dass die Umsetzung Zeit braucht. Die Stichworte lauten: Qualitätskriterien, neue Begutachtungsrichtlinien, Schulung der Prüfer. (Rolf Hempelmann [SPD]: Ihre Regierung ist ein Pflegefall! - Elke Ferner [SPD]: Vier Jahre Stillstand! - Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE]: Genau! Vier lange Jahre!) Kollege Lauterbach, in Ihren gerade vorgestellten Pflegeeckpunkten kommt der Pflegebedürftigkeitsbegriff schon gar nicht mehr vor. (Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Was? Das ist ja erschreckend! - Jens Ackermann [FDP]: Das gibt es ja nicht!) Wir dagegen haben im Vorgriff auf die Neudefinition bereits gehandelt. Demenzkranke erhalten seit Januar dieses Jahres endlich nennenswerte Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Das hilft den Menschen. (Beifall bei der FDP - Elke Ferner [SPD]: Vorher auch schon, Frau Kollegin!) Weiterhin fordern Sie eine verbesserte Beratung Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen. Haben Sie das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz eigentlich einmal gelesen? Darin ist geregelt, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen innerhalb von 14 Tagen in ihrer häuslichen Umgebung eine umfassende Pflegeberatung erhalten. Das hilft den Menschen - mehr als Ihre Ankündigungen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Weiterhin fordern Sie die Erprobung und Förderung alternativer Wohnformen. Meine Damen und Herren, das haben wir doch alles schon längst gemacht. Pflege-WGs werden seit Januar dieses Jahres finanziell gefördert; auch das hat sich also schon erledigt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Nächster Punkt. Sie fordern mehr Unterstützung für die Selbsthilfe. Ein Blick ins Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz zeigt: Wir unterstützen die Selbsthilfe mit 10 Cent je Versichertem. In der Summe sind das 7 Millionen Euro. (Willi Zylajew [CDU/CSU]: Exakt!) Das waren nur ein paar Beispiele. Ich könnte Ihnen noch viel mehr Aspekte des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes vortragen. (Heinz Lanfermann [FDP]: Ja, da gibt es noch viel mehr!) Aber vielleicht schauen Sie einfach einmal selber hinein. Es lohnt sich nämlich wirklich. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unter dem Strich kann man sagen: Sie haben zehn Jahre lang viel geredet, aber nichts gemacht. Wir führen eben nicht nur akademische Diskussionen auf all den vielen netten Podien, sondern haben auch Maßnahmen eingeleitet, die den Menschen helfen (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat den Versicherungskonzernen geholfen!) und die einen weiteren Horizont haben als die vier Jahre einer Legislaturperiode. (Elke Ferner [SPD]: Damit haben Sie ja sowieso nichts mehr zu tun in der nächsten Wahlperiode!) Mit unserem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz haben wir die Weichen für die Zukunft gestellt, auch für die Zukunft von Carlotta. (Mechthild Rawert [SPD]: Nur die Pflegebedürftigen haben nichts davon!) Ihr Antrag, meine Damen und Herren von der SPD, taugt nicht einmal zur Bestandsaufnahme; denn ein Großteil der Probleme ist längst gelöst. Die Überschrift Ihres Antrages hätte eigentlich lauten müssen: Mehr, mehr und nochmal mehr. (Lachen der Abg. Hilde Mattheis [SPD]) Sie wollen nur die Umverteilungsmasse vergrößern, machen sich aber keine weiteren Gedanken. Ich komme jetzt zu dem Antrag der Grünen. Da findet man wenigstens noch einen Ansatz von qualitätsorientiertem Denken. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, Sie haben natürlich recht, dass der Pflege-TÜV, so wie wir ihn heute haben, nicht den Anforderungen genügt, die wir eigentlich alle für richtig halten. Das Ziel war es ja, dass die Menschen schnell und auf den ersten Blick sehen können, ob ein Pflegeheim oder ein Pflegedienst etwas taugt. Im System des Pflege-TÜVs ist es aber leider so, dass nicht unbedingt derjenige die besten Noten erhält, der am liebevollsten pflegt, sondern der, der am besten dokumentiert. Die Noten bilden also leider nicht immer die Qualität ab. (Zuruf von der SPD: Stimmt!) Das muss sich ändern - das sehen wir auch so -; denn die Menschen wollen, dass es ihren Angehörigen im Lebensherbst auch wirklich gut geht. Meine Damen und Herren, bei aller Kritik am derzeitigen System ist es aber auch keine Lösung und kein Weg, die Qualität der Pflege überhaupt nicht mehr zu prüfen. Die Notwendigkeit eines Mindestmaßes an standardisierter Überprüfung wird ja noch nicht einmal von den Betreibern selbst angezweifelt. Aber auch hier gilt: keine Schnellschüsse, sondern überlegtes Handeln. (Mechthild Rawert [SPD]: Sie haben nichts getan!) Deswegen haben wir im PNG geregelt, dass wir ergebnisorientierte Prüfmechanismen ausprobieren. Das ist der richtige Weg. Meine Damen und Herren, einen wichtigen Punkt noch zum Schluss: Viele hier im Hause tun ja immer so, als seien die 1,2 Milliarden Euro für die mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz verbundenen Verbesserungen nichts. Das sehen die Betroffenen jedoch ganz anders. Aus vielen Begegnungen vor Ort weiß ich: Die Menschen freuen sich über die zusätzlichen Leistungen, die es seit Januar gibt. Diese Leistungen waren notwendig. Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz geht es seit Januar sehr vielen Menschen sehr viel besser, und niemand wird schlechter gestellt. Wir haben eben nicht nur geredet, sondern wir haben gehandelt: für gute Pflege für die Menschen - konkret, punktgenau und auf die Zukunft ausgerichtet. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen der Abg. Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE]) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Karl Lauterbach. (Beifall bei der SPD - Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Das ist jetzt Chefsache!) Dr. Karl Lauterbach (SPD): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst einmal möchte auch ich dem Minister, Herrn Bahr, ganz herzlich gratulieren. Ich höre, der Vorname Ihrer Tochter ist Carlotta. Das geht schon in die richtige Richtung. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Und soweit ich weiß, ist Ihre Frau ja auch eine geborene Lauterbach. (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Da kann man sagen: Wenigstens in dieser Hinsicht gelingt es Ihnen, etwas mit Hand und Fuß zu produzieren. Das kann man für die Gesetze nicht unbedingt sagen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Trotzdem Glückwunsch im Namen unserer Fraktion und Glückwunsch für den Schritt in die richtige Richtung! Im Dezember 2010 kündigte der damalige Gesundheitsminister, Herr Rösler - der heutige, ich hauche dieses Wort, Vizekanzler -, für 2011 das "Jahr der Pflege" an. Erinnern Sie sich? Man hätte ehrlicher sein sollen: Man hätte das "Jahr der Lüge" ankündigen müssen. (Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Oh!) Denn was ist denn passiert im Jahr 2011? Es wurde nichts Wichtiges beschlossen. Es hat sich nichts verändert für die zu Pflegenden. Es hat sich nichts verändert für diejenigen, die in der Pflege arbeiten. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Lauterbachs Märchenstunde!) Es ist noch nicht einmal etwas angekündigt worden. Das "Jahr der Pflege" ist sozusagen sang- und klanglos verpufft. Die Beschäftigten sind enttäuscht worden. Die Menschen, die von der Pflege abhängen, sind enttäuscht worden. Es war ein Jahr der Entbehrung, es war ein verlorenes Jahr. Mehr ist das "Jahr der Pflege" nicht gewesen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der SPD: Vier verlorene Jahre!) Jetzt verweisen Sie hier darauf, dass Sie ein Gesetz beschlossen haben, mit dem Sie im Prinzip eine Neuordnung der Pflege beschreiben wollen. Der Name "Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz" ist, ehrlich gesagt, ein Witz. Denn was ist passiert? Innerhalb des bestehenden bürokratischen Systems hat es minimale Zuschläge für die Pflegestufen und für Demenzkranke gegeben, die jedoch nicht einmal in der Größenordnung eines Inflationsausgleichs liegen; mehr ist das doch nicht gewesen. Sie haben - in homöopathischen Dosen - in die Schaffung von Wohngemeinschaften investiert, sind jedoch selbst nicht in der Lage, auch nur die Zahl der Wohnungen zu benennen, die da geschaffen worden ist. Für die Menschen in der Pflege hat sich doch nichts verändert. Wie wäre die tatsächliche Lage in der Pflege derzeit sonst zu erklären? Derzeit sind etwa 200 000 Stellen in der Pflege nicht besetzt. In der Pflege werden nach wie vor Niedrigstlöhne gezahlt. Die Arbeit ist unsicher, die Arbeit ist hart; die Menschen leiden an Burn-outs und sind zu einem großen Teil krank und depressiv. Ein Arbeitsplatz in der Pflege ist für junge Menschen immer weniger attraktiv. Und diejenigen, die gepflegt werden, beklagen sich regelmäßig über die Qualität der Pflege. Sie aber feiern Ihre Reform. Ich sage: Das ist ein Hohn für die Beschäftigten wie für die Pflegebedürftigen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn es mit Blick auf die Pflegeversicherung in den nächsten vier Jahren nicht zu einer wirklich großen Reform kommt, die diesen Namen auch verdient, dann werden wir auch noch diejenigen verlieren, die jetzt in der Pflege tätig sind. Überlastung, lange Arbeitszeiten, nicht besetzte Stellen, Riesenbürokratie, fehlende Sicherheit des Arbeitsplatzes: Es ist Ihnen nicht nur nicht gelungen, die Probleme zu lösen, die schon bestanden, sondern Sie haben im Wesentlichen durch die Nichtbeachtung der Probleme, die dazugekommen sind - die Pflegebedürftigen sind älter geworden; sie müssen länger gepflegt werden; der Anteil der Demenzkranken ist gestiegen -, die Situation in der Pflege verschärft. Wir laufen ohne Wenn und Aber in einen Pflegenotstand hinein, wenn wir in den nächsten vier Jahren nicht eine richtige, große und ihren Namen verdienende Pflegereform durchführen. Das allein ist ein Grund, Schwarz-Gelb abzuwählen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Bleiben wir beispielsweise bei der Bürokratie. Sie haben die Bürokratie in keiner Weise eingedämmt. Sie haben nicht einmal einen Versuch dazu unternommen. Wie sinnvoll ist es, wenn Sie den Pflegenden durch Bürokratie, durch überflüssige Dokumentationspflichten quasi noch bei der Pflege die Zeit rauben? Wie sinnvoll kann das sein? Wie sinnvoll kann es sein, dass ein schwerkranker Mensch liegen gelassen wird, weil eine überflüssige Dokumentation ausgeführt werden muss, die nachher niemanden interessiert? Seit Jahren beklagen die Pflegeverbände die Geißel der Bürokratie in der Pflege. Und Sie haben es in vier Jahren noch nicht einmal geschafft, auch nur einen einzigen Vorschlag zur Entbürokratisierung zu machen. Die FDP, die einmal in einer ihrer Wahllügen versucht hat, sich als die Partei der Entbürokratisierung zu profilieren, hat mehr für die Verschlechterung im Gesundheitswesen durch Bürokratie getan als jede andere Partei, die dieses Ressort davor geleitet hat. (Beifall bei der SPD - Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Unsinn!) Was haben wir stattdessen gesehen? - Wir haben das gesehen, was wir auch an der Spitze sehen und was Peer Steinbrück eben zu Recht die "Gipfeldemokratie" genannt hat. Die Gipfeldemokratie ist eigentlich der Gipfel der Unverschämtheit, und zwar deshalb, weil dadurch kein Handeln ausgelöst wird. Stattdessen kommt es ständig zu neuen runden Tischen, großen Gipfeln, neuen Kommissionen, neuen Expertenbeiräten. Das alles sind Alibiveranstaltungen, durch die versucht werden soll, vom eigenen Regierungsversagen und vom internen Streit zwischen Schwarz und Gelb abzulenken. Das ist doch der wahre Grund, weshalb von Ihnen nichts Nennenswertes beschlossen wurde. (Beifall bei der SPD) Sie haben mit den Funktionären gefrühstückt; Sie haben Experten bestellt. Auch in dieser Woche sollen wir einen weiteren Expertenbericht von Ihnen vorgelegt bekommen. Ich sage Ihnen, was Ihnen besser getan hätte: sich vor Ort in den Pflegeeinrichtungen im Gespräch mit den dort Beschäftigten und mit den zu Pflegenden ein Bild zu machen. Denn wenn man Ihre abstrakten Vorschläge liest, ergibt sich der Eindruck, dass Sie es sich nie angetan haben, sich einmal die Basisarbeit anzuschauen. Dazu passt auch, dass der Bericht, der diese Woche vorgelegt werden soll, natürlich keinerlei Einfluss auf das Regierungshandeln haben kann. Ich bin ganz sicher, dass Sie nachher noch eine Ankündigung für uns in petto haben. Aber de facto bleibt es dabei: Die Ankündigungspolitik in der Pflege ist eine Ohrfeige für die Patienten und für die Beschäftigten. In diesem Zusammenhang will ich noch auf einen Punkt besonders hinweisen: Es ist bezeichnend für diese Regierung, dass sich Frau Merkel - ich habe das noch einmal geprüft - in diesen vier Jahren Regierungsarbeit nicht ein einziges Mal richtungsweisend oder inhaltlich tiefer gehend zum Thema Pflege geäußert hat - nicht ein einziges Mal. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Weil sie weiß, dass sie einen guten Minister hat! - Zurufe von der SPD) - Wenn der Minister so gut wäre, dann hätte es Taten gegeben statt Ankündigungen. 2,5 Millionen pflegebedürftige Menschen, 900 000 Beschäftigte in der Pflege, 5 Millionen betroffene Familien - all dies war der Frau Bundeskanzlerin nicht eine einzige Grundsatzrede zu diesem Thema wert. Wir haben diesbezüglich nichts von ihr vernommen. Daher trägt die Bundeskanzlerin eine Mitschuld an dem Versagen der Regierungskoalition. Dass hier nichts passiert ist, ist auch darauf zurückzuführen, dass dieser Bereich für sie keinerlei Bedeutung hat. Er war es ihr einfach nicht wert, etwas zu unternehmen. Das muss man feststellen, wenn man ehrlich ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Glauben Sie nicht, dass Sie mit der Einführung der Pflegezusatzversicherung und der 5-Euro-Zulage - ein Wahlgeschenk für die private Assekuranz - das Land täuschen können! Wer diese Versicherung abschließt, erhält einen Zuschuss von 5 Euro im Monat. Davon müssen fast 2,50 Euro für Bürokratie aufgebracht werden. Wer 30 Jahre lang einzahlt, der wird sich davon später zwei Monate Pflege leisten können. Glauben Sie denn wirklich, dass das ein nennenswerter Beitrag zur Beseitigung der Probleme in der Pflege ist? (Heinz Lanfermann [FDP]: Das ist doch Unsinn!) Die älteren Menschen, die bald der Pflege bedürfen, werden von dieser Maßnahme gar nichts haben. Glauben Sie, dass sich die Menschen in Pflegeberufen davon täuschen lassen? Das war doch nichts anderes als ein ideologisch geprägtes Wahlgeschenk der FDP an ihre klassische Klientel, die PKV. Mehr ist es nicht gewesen. (Beifall bei der SPD - Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Da sinkt das Niveau! - Heinz Lanfermann [FDP]: Peinlich!) Ich kann Ihnen sagen, was getan werden muss. Die sieben Punkte, die wir diese Woche vorgestellt haben, sind mehr wert als Ihre Gipfeltreffen, Gespräche, Kommissionen und Papiere, deren Inhalt Sie vorgetragen haben. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo ist denn der berühmte Herr Steinbrück?) Der Begriff der Pflege muss neu definiert werden. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich dachte, das ist Chefsache! Aber der Steinbrück ist nicht da!) Frau Aschenberg-Dugnus, in unserem Papier steht, dass dieser Begriff neu definiert werden muss. Wie sollen sonst die Maßnahmen greifen, wenn der Pflegebegriff nicht geändert wird? Obwohl der Begriff nicht fiel, hatte es jeder anwesende Journalist verstanden. Sie haben aber offenbar ein Problem, es zu verstehen. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Mit Ihnen habe ich ein Problem! Da haben Sie recht!) Ein Problem in der Pflege ist die Qualitätsorientierung, die Sie angemahnt haben. Wieso haben Sie denn nicht die eigene Regierungsarbeit dafür genutzt, hier etwas zu tun? Es ist doch nichts passiert. In unserem Papier haben wir darauf hingewiesen, dass zum Beispiel die unnötige Überbehandlung von zu pflegenden Menschen mit teuren Medikamenten den Pflegezustand dieser Menschen oft verschlechtert. Diese Medikamente sind zum Teil nie getestet worden. Hier machen wir einen konkreten Vorschlag. Wir machen einen Vorschlag zur Entbürokratisierung der Pflege. Wir machen einen Vorschlag, wie man Demenz in der Pflege verhindern kann, nämlich indem man Depressionen, in der Pflege einer der wichtigsten Risikofaktoren für Demenz, besser bekämpft. Somit haben wir in unserem kurzen Papier mehr Inhalt als Sie in Ihren Reden, Ihren Kommissionen und Ihren Gipfeltreffen. (Beifall bei der SPD) Wir brauchen dringend eine Regierung, die das Thema Pflege aufgreift. Wir brauchen dringend einen Bundeskanzler Peer Steinbrück, der dieses Thema in den nächsten Wochen aufnimmt. (Zuruf von der CDU/CSU: Oh!) - Er wird Ihnen die Nachhilfe geben, derer Sie dringend bedürfen. (Beifall bei der SPD - Lachen bei der CDU/CSU - Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Keine Drohungen!) Sie können von Peer Steinbrück in dieser Sache lernen. Peer Steinbrück repräsentiert ein schnell lernendes und kluges System. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) In kurzer Zeit werden Sie von Peer Steinbrück mehr lernen können als mithilfe der Kommissionen, die Sie in den letzten Monaten für viel Geld einberufen haben und die Sie sich hätten sparen können. (Beifall bei der SPD - Rolf Hempelmann [SPD]: Dazu gehört ein gewisses Maß an Lernfähigkeit!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Lauterbach, ich möchte Sie noch darüber in Kenntnis setzen, dass "Lauterbach" nicht der Mädchenname der Frau von Daniel Bahr ist, sondern der der Frau von Philipp Rösler. (Heiterkeit) Um Fehlinterpretationen vorzubeugen: Es gibt keine verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Gesundheitsminister und dem gesundheitspolitischen Sprecher der SPD. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Elke Ferner [SPD]: Da hat Herr Lauterbach Glück gehabt!) Bitte, Herr Kollege. Dr. Karl Lauterbach (SPD): Ich bitte, diesen Irrtum zu entschuldigen. Ich weiß nicht, was mir lieber gewesen wäre. Aber immerhin sind jetzt sowohl mein Vorname als auch mein Nachname bei Ihnen vertreten. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als nächster Redner hat der Kollege Willi Zylajew von der CDU/CSU-Fraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Willi Zylajew (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Lauterbach, das war nicht Ihr einziger Irrtum. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ihnen sind noch viel mehr Pannen unterlaufen. Aber diese jetzt aufzulisten, würde die Redezeit sprengen. Ich will auf den Antrag der SPD und den von den Grünen zu sprechen kommen. Diese Anträge bieten uns die Chance, uns in diesen Tagen, in denen für die Pflege Wichtiges passiert, noch einmal mit diesem Thema im Plenum zu befassen. Insofern sind wir Ihnen gar nicht böse. Uns wird in dieser Woche der neue Pflegebegriff, der das Ergebnis einer Expertenkommission ist, vorgestellt. (Mechthild Rawert [SPD]: Wie teuer wird er denn jetzt?) - Frau Kollegin Rawert, der Kollege Zöller, der Sie besonders schätzt, wird dazu nachher sicherlich noch etwas sagen. Die vorliegenden Anträge unterscheiden sich sehr deutlich. (Mechthild Rawert [SPD]: Kein Wunder, unserer ist von vor vier Jahren!) - Richtig, euer Antrag ist vier Jahre alt. Er ist aber in wesentlichen Teilen überholt. Sie haben die zwischenzeitliche Entwicklung gar nicht mitbekommen. Der Antrag der Grünen hat Substanz, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) weil in ihm präzise ausgeführt wird, dass der vorhandene Pflege-TÜV so nicht in Ordnung ist. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass er abzuschaffen ist. Das sehen wir anders; darauf komme ich noch zu sprechen. Für uns ist wichtig, die Pflegeversicherung weiterzuentwickeln. Herr Lauterbach, wir können nicht irgendwo einen Schnitt machen. Wir müssen vielmehr ein bewährtes System, auf das Menschen vertrauen und auf das sie sich verlassen können müssen, schlichtweg weiterentwickeln. Das ist ein durchgängiger Ansatz in der gesamten Sozialpolitik. Genau das wollen wir hier tun. Noch einmal zum Antrag der Grünen. Am 15. April, 19. April, 7. Mai und 10. Juni hat die Schiedsstelle von Wohlfahrtsverbänden und Pflegekasse getagt und festgestellt, dass die Ergebnisqualität stärker gewichtet, während anderes zurückgestellt werden muss. Ich darf Ihnen mitteilen, Frau Kollegin Scharfenberg: Am 26. Juni hat der Vorsitzende der Schiedsstelle dem Ministerium mitgeteilt, dass man ein Ergebnis erzielt hat. In vier Sitzungen hat man sich genau auf die substanziellen inhaltlichen Verbesserungen verständigt, die Sie sich wünschen. Die für die Pflegequalität maßgeblichen Kriterien werden hervorgehoben. Ich habe mir die Unterlagen angeschaut - ich verstehe etwas von diesem Bereich - und muss sagen: Das ist zufriedenstellend. Kompliment! - Ihr Antrag hatte vor ein paar Monaten noch seine Bedeutung, ist aber heute schlichtweg überholt. Wichtig ist, dass wir in der dargelegten Systematik fortfahren. Es handelt sich um einen ständigen Prozess. Herr Kollege Lauterbach, die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung hat eine Auszeit erlebt, als wir einen SPD-Kanzler hatten. Es kam nichts, aber auch gar nichts. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Nein! Das stimmt nicht! Ich bitte Sie!) Es musste erst eine Kanzlerin namens Merkel kommen, damit etwas passierte. Sie müssen sich schon schämen. Von 2005 bis 2009 haben wir gemeinsam vieles vorangebracht. Das geschah unter Frau Merkel. Von 2009 bis 2013 haben wir unter anderem das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz auf den Weg gebracht. Wer war zu dieser Zeit Kanzlerin? Frau Merkel! Die Bürger können sich also darauf verlassen: Pflegenullrunde unter SPD-Kanzler, Pflegeweiterentwicklung unter Unionskanzlerin. - Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Weiterentwicklung der sozialen Sicherungssysteme ist notwendig. Ich nenne als Beispiel nur die Behindertenhilfe. Wer hätte vor 15 Jahren gedacht, dass wir bei der Inklusion so mutige Schritte gehen? Das müssen wir im Pflegebereich fortsetzen. Das ist wichtig, und dafür stehen wir. Die Mitbürgerinnen und Mitbürger können sicher sein, dass wir, wenn wir nach dem 22. September wieder die Regierung stellen, dies fortsetzen und für eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung sorgen werden. Bei einem Wechsel würde nichts geschehen, Herr Lauterbach. Ich will die letzten beiden Reformen kurz ansprechen; die Kollegin Aschenberg-Dugnus hat auf das eine oder andere schon hingewiesen. Herr Schröder hätte die Chance gehabt, die Entgelte zu dynamisieren. Er hat sicherlich dynamisiert, aber in ganz anderen Bereichen. Er hat nämlich zugunsten von Bankenvorständen und Aufsichtsräten dynamisiert, aber nicht in den Bereichen, die im Interesse der Pflegebedürftigen liegen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Des Weiteren möchte ich die neuen Leistungen für Demenzkranke und die Flexibilisierungen im stationären bzw. ambulanten Bereich ansprechen. Das alles ist unter Frau Merkel geschehen, nicht unter einem SPD-Kanzler. Wir haben zudem eine Qualitätsvereinbarung zwischen Pflegekassen und Trägern erreicht. Die MDK - dort sitzen doch Ihre Freunde aus der Bürokratie - haben wir in die Schranken gewiesen, indem wir die maximale Bearbeitungszeit von Antragstellung bis Bescheid auf fünf Wochen festgeschrieben haben. Das waren doch nicht Sie. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Schauen Sie sich einmal frühere Reden an. Dann sehen Sie, wie stark Sie auf diese Institutionen gesetzt haben. (Mechthild Rawert [SPD]: Sie lehnen einen Antrag ab, weil geprüft werden soll!) Wir haben hier eine gewisse Waffengleichheit erreicht. Betreutes Wohnen, Pflegegeld, Kurzzeitpflege, Leistungen für Demenzkranke, Mindestlohn für Hilfskräfte - alles das ist in unserer Zeit passiert. Dabei haben wir noch die Situation der Beitragszahler im Auge behalten. (Mechthild Rawert [SPD]: Wer prüft?) Darauf können wir ein Stück stolz sein. Die Blüm'sche Pflegeversicherung war schon in Ordnung. Wir entwickeln sie weiter. (Mechthild Rawert [SPD]: Keine Antwort!) - Frau Rawert, ich sage noch einmal: Sie wollen irgendetwas Revolutionäres erreichen und verstehen überhaupt nicht, dass wir in der Pflege nicht nur mehr Geld benötigen, sondern auch mehr Fachkräfte brauchen, (Zuruf von der SPD: Wie viel Geld? - Mechthild Rawert [SPD]: Deswegen ist in dem Bereich auch nichts passiert! - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Niemand kritisiert Herrn Blüm!) die mit Herz, Verstand und Händen eine gute Arbeit leisten. Wir brauchen eine gesellschaftliche Anerkennung der Pflegekräfte, und wir brauchen auch eine stabile finanzielle Situation. (Hilde Mattheis [SPD]: Ankündigungspolitik!) All dies haben wir in den letzten Jahren erreicht. Wir werden es fortsetzen. (Mechthild Rawert [SPD]: Wer prüft? - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Brauchen wir es oder nicht?) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist meine letzte Rede. Ich will sie zum Anlass nehmen, mich sehr herzlich für die überwiegend kollegiale Zusammenarbeit zu bedanken, die wir in diesem Themenbereich pflegen. Ich bedanke mich aber auch bei den Mitarbeitern der Kolleginnen und Kollegen in den Abgeordnetenbüros, in den Fraktionen, in den Ministerien, bei den redlichen Kräften - die gibt es nämlich auch -, die bei den Leistungserbringern, den Wohlfahrtsverbänden, dem bpa, den Pflegekassen und den MDK in den Bundesländern zu finden sind. Engagierte Frauen und Männer findet man in der Pflege allerorten. Man kann nur wünschen, dass sie sich mit ihren Vorstellungen durchsetzen. Ich will ausdrücklich die Berufsverbände im Bereich der Pflege erwähnen, die diesen guten Prozess begleiten. Aber auch die Pflegewissenschaft, die Praktiker und auch die Berufsgenossenschaft für das Gesundheitswesen haben in wesentlichen Punkten zur Weiterentwicklung beigetragen. Wir müssen letztlich die betroffenen Menschen und ihre Angehörigen sowie deren Lebenssituation im Auge haben. Auf die kommt es ganz entscheidend an. Wenn wir die Pflege, an der Sache orientiert, weiterentwickeln, wird die Blüm'sche Pflegeversicherung dafür sorgen, dass Menschen weiterhin verlässlich und umfänglich Versorgung und Hilfe erfahren, die sie verdient haben. Es gehört ein Stück weit zur Menschlichkeit, sich um diejenigen zu kümmern, die gebrechlich sind, die dement sind, die unsere Hilfe benötigen, und dies in festen Strukturen. Deutschland hat - das meine ich nach wie vor - unter allen Ländern der Welt die beste pflegerische Versorgung. Sehen wir zu, dass wir sie aufrechterhalten! Ich bedanke mich sehr für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Zylajew, auch Ihnen danke ich im Namen des ganzen Hauses für Ihre Mitarbeit und Ihr kollegiales Verhalten und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Beifall) Das Wort hat jetzt die Kollegin Kathrin Senger-Schäfer von der Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Gesundheitsminister, wir freuen uns natürlich mit Ihnen. Die Linke freut sich über jedes neugeborene Kind. Wir gratulieren Ihnen ganz herzlich. Aber wir wünschen uns auch sehr, dass sich Carlotta später einmal keine Sorgen um ihre eigene Pflege machen muss. (Zuruf von der FDP: Das muss sie bei dem Vater auch nicht!) Dafür muss man aber etwas tun. Das ist Ihnen aus unserer Sicht in diesen vier Jahren Regierungsarbeit nicht gelungen. (Beifall bei der LINKEN) Die Pflege ist ein Stiefkind dieser Regierung. Wesentliche Verbesserungen in der Pflege sowohl für die zu Pflegenden als auch für die Pflegenden sind nicht erzielt worden. Wir haben also vier Jahre verschlafen. (Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Stimmt nicht!) Es ist zu beklagen, dass die Zeit nicht genutzt wurde. Vier Jahre sind nicht genutzt worden, um bei dem Thema Pflege voranzukommen. Das ist eine sehr traurige Bilanz für Ihre Regierungsarbeit im Bereich Pflege. (Beifall bei der LINKEN - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und bei der Rente!) Wir haben die Zahl schon gehört: 2,5 Millionen Pflegebedürftige leben in diesem Land und warten dringend darauf, dass die Politik ihnen die notwendige und auch dringend benötigte Hilfe zuteilwerden lässt. Fest steht aber, dass für die vielen Pflegebedürftigen, die vielen Pflegefachkräfte und die vielen pflegenden Angehörigen in vier Jahren Schwarz-Gelb keine wesentlichen Verbesserungen auf den Weg gebracht werden konnten. Fest steht auch, dass mit Ihrem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz und der damit verbundenen Einführung des Pflege-Bahr ein völlig falscher Weg in der Finanzierung der Pflegeversicherung eingeschlagen wurde. Pflege hängt heute mehr denn je von der Größe des eigenen Geldbeutels ab. Anstatt die soziale Schieflage der Pflegeversicherung an ihren Wurzeln zu packen, hat der Privatisierungswahn von Union und FDP die Pflegeversicherung völlig aus den Angeln der Gerechtigkeit gehoben. (Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der FDP: Oh!) - Das ist so. Fest steht auch, dass heute, nach der Übergabe des Berichts des Expertenbeirats, der die Details für die Umsetzung einer neuen Definition von Pflege vorbereiten sollte, eine umfassende Pflegereform auf die nächste Legislatur verschoben wurde. Die Bundesregierung ist damit eine Ankündigungsregierung, nicht mehr und nicht weniger. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Im Kern geht es natürlich um die Frage, wer als pflegebedürftig gelten soll und Geld aus der Pflegeversicherung bekommt. Sollen es nur diejenigen sein, die Hilfe beim Waschen und Anziehen brauchen, oder auch die, welche Beaufsichtigung und Betreuung brauchen, weil sie beispielsweise an Demenz erkrankt sind? Wir reden also davon, dass Menschen, die sich beispielsweise nicht mehr selbst waschen können, möglicherweise Geld von der Pflegeversicherung erhalten, während andere, die aufgrund von Demenz vergessen, dass sie sich überhaupt waschen müssen, oder die den Putzlappen mit einem Waschlappen verwechseln und deshalb Betreuung brauchen, im System der Pflegeversicherung faktisch keine Berücksichtigung finden und bei der Pflegeeinstufung durch das Raster, also in die Pflegestufe 0, fallen. Bei diesem wichtigen Punkt wird jedoch vergessen, dass es noch um weit mehr geht. Es geht nämlich um ein völlig neues und innovatives Verständnis von Pflege. Ist der Ausgangspunkt, was ein Mensch nicht mehr kann, oder ist der Ausgangspunkt, was er noch kann, also seine Selbstständigkeit? Das ist ein enormer Unterschied und entscheidend für die Frage von Selbstbestimmung und gesellschaftlicher Teilhabe, über die wir immer reden. (Beifall bei der LINKEN) Dies entscheidet letztlich darüber, ob wir pflegebedürftige Menschen auf das Abstellgleis der Gesellschaft stellen oder eben nicht. Sie erzählen uns immer wieder, dass die dürftigen Leistungsanhebungen, die Sie mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz für die sogenannte Pflegestufe 0 festschreiben, ein Vorgriff auf den neuen Pflegebegriff seien. Das ist unehrlich und falsch. (Beifall bei der LINKEN) Ein ebenso verheerendes Signal ist, dass sich die Arbeit am neuen Pflegebegriff zum Paradebeispiel des Aussitzens und des Vertagens entwickelt hat. Bereits mit der neuerlichen Einberufung des Beirats im letzten Jahr war abzusehen, dass wir in dieser Wahlperiode kein Gesetz bzw. keine Pflegereform, die diesen Namen auch nur im Ansatz verdient hätte, verabschieden werden. Seien wir einmal ehrlich: Selbst wenn der Beirat seine Ergebnisse zügig präsentiert hätte, wäre kaum genügend Zeit gewesen, diese in Gesetzesform zu gießen, zu beraten und auch noch zu verabschieden. Das ganze Unterfangen war nämlich von Anfang an zeitlich gesehen eine Farce und ein Spiel auf Zeit. (Beifall bei der LINKEN) Die Beiratsmitglieder wurden für diese Zeitschinderei und die Gesichtswahrung des Bundesgesundheitsministers missbraucht. Den Menschen wurde vorgeheuchelt, dass sich pflegepolitisch endlich etwas Substanzielles bewegen würde und sie bald grundlegende Verbesserungen erwarten könnten. Pustekuchen! Wir kennen das schon aus der letzten Legislatur. Zur schlimmen Wahrheit gehört mittlerweile auch, dass die Mitglieder des Expertenbeirats offenbar untereinander in Unstimmigkeiten verfallen sind und zeitweise sogar ein Scheitern befürchtet werden musste. (Otto Fricke [FDP]: Komisch, dass Experten nicht einer Meinung sind!) - Hören Sie einmal zu. (Otto Fricke [FDP]: Das mache ich die ganze Zeit!) Wohlfahrtsverbände und Arbeitgebervertreter drohten zuletzt sogar mit dem Ausstieg; das ist die Wahrheit. Was war der Grund für die Streitigkeiten? Schlicht und ergreifend das Geld; von 2 Milliarden Euro jährlich ist die Rede. Das löst bei mir wirklich Unverständnis aus, (Otto Fricke [FDP]: Ihre Rede bei uns auch!) zumal es vonseiten des Gesundheitsministeriums keine Vorgaben zum Finanzvolumen gab. Außerdem halte ich die genannte Summe von jährlich 2 Milliarden Euro für deutlich zu niedrig. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Elke Ferner [SPD] - Hilde Mattheis [SPD]: Wenn es denn 2 Milliarden wären!) Unserer Meinung nach lässt sich auf diese Weise kein neuer Pflegebegriff umsetzen. Unser Ziel ist es, dass viele bessergestellt werden und keiner schlechtergestellt wird. Mit der Linken wird es jedenfalls keinen "Pflegebegriff light" geben. Das kündige ich hier schon einmal für die nächste Legislatur an. (Beifall bei der LINKEN) Für die Linke gilt: Jeder Mensch, der von Pflege betroffen ist oder Betreuung und Assistenz benötigt, muss die bestmögliche Pflege erhalten, und zwar nach seinen individuellen Bedürfnissen. Für die Linke und für mich persönlich ist das eine Grundlage, auf der sich Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe überhaupt erst wahrnehmen lässt. Dazu gehört auch - das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Linken -, dass das Teilkostenprinzip der Pflegeversicherung endlich einmal infrage gestellt wird. (Beifall bei der LINKEN) Für die Linke ist das Teilkostenprinzip die Keimzelle der vielschichtigen Probleme, die heute im Pflegebereich zu verzeichnen sind. Denn die Pflegeversicherung billigt den Betroffenen nur einen Zuschuss zu den tatsächlichen Pflegekosten zu. Um die Kosten für den individuellen Pflege- und Betreuungsbedarf abzudecken, müssen die Betroffenen und ihre Angehörigen auf ihr Einkommen und Vermögen zurückgreifen. Den vielen, denen das nicht möglich ist, bleibt dann entweder nur die Sozialhilfe oder die Abhängigkeit von den Angehörigen, sofern sie welche haben. Zumeist handelt es sich dabei um Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter. Beispielsweise liegt in einer einfachen stationären Berliner Pflegeeinrichtung der Anteil der Kosten, der in der Pflegestufe III selbst zu bezahlen ist, bei 1 500,94 Euro monatlich. Zum Vergleich: Frauen im Westen scheiden heute mit einer durchschnittlichen Rente von 509 Euro aus dem Berufsleben aus. 509 Euro! (Agnes Alpers [DIE LINKE]: Skandal!) Auf diese Art und Weise produzieren wir Altersarmut und akzeptieren gleichzeitig Geschlechterungerechtigkeit, da es fast ausschließlich die Frauen sind, die pflegen. Nebenbei fördern wir auch noch einen unkontrollierten grauen Pflegemarkt, der eher an Sklaverei als an gute und hochqualitative Pflege erinnert. (Beifall bei der LINKEN - Heinz-Peter Haustein [FDP]: Eine Frechheit so was!) Ein für alle Mal: So darf es nicht weitergehen! Vieles spricht dafür, dass eine Vollversicherung in der Pflege, ein neuer Pflegebegriff und eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung die besten Zutaten für gute Pflege und attraktive Arbeitsplätze in der Pflege sind. Die Angehörigen werden auch durch eine echte Wahlfreiheit entlastet: Will ich pflegen, oder muss ich pflegen? Das ist doch die Frage. (Beifall bei der LINKEN) Kurzfristig müssen natürlich ordentliche Leistungsanhebungen und der Ausgleich des Werteverlustes in der Pflege erfolgen. Das fordern nicht nur die Linke, sondern auch viele Pflegeexpertinnen und -experten. Nun zur Kritik an den Pflegenoten. Die Pflegenoten werden im Internet veröffentlicht, um den Betroffenen und ihren Angehörigen die Auswahl und den Vergleich von Pflegeeinrichtungen zu erleichtern. Die Überarbeitung dieser Pflegenoten - das haben wir schon gehört - ist mehr als überfällig. (Willi Zylajew [CDU/CSU]: Das passiert!) Pflegenoten machen nämlich keinen Sinn, wenn zum Beispiel die Schriftgröße des Speiseplans in einen direkten Zusammenhang mit dem Wundliegen von Pflegebedürftigen gesetzt wird. Eine vorübergehende Aussetzung der Veröffentlichung der Pflegenoten macht Sinn. Denn die Gesamtnoten der Prüfberichte zeichnen ein unklares Bild der Qualität von Pflegeeinrichtungen; Unterschiede sind kaum festzustellen. Damit verfehlen die Pflegenoten ihr eigentliches Ziel: Transparenz und Übersicht herzustellen. Auch das ewige Hin und Her in der Debatte um die Messung von Ergebnisqualität verunsichert diejenigen, die sich meist sehr kurzfristig für eine Pflegeeinrichtung entscheiden müssen. Wenn Vater oder Mutter plötzlich zum Pflegefall werden, muss ich schnell und sicher eine Entscheidung treffen können. Das ist anhand dieser Pflegenoten nicht möglich. (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen: Die Linke hat die Aussetzung der Veröffentlichung der Pflegenoten bereits 2010 gefordert. Eines muss klar sein: Die Pflege muss als öffentliche Daseinsvorsorge und nicht als Geschäftemacherei begriffen werden. Wir sagen: Pflege ist keine Ware. Gute Pflege ist ein Menschenrecht. (Beifall bei der LINKEN) Von entscheidender Bedeutung ist zudem, wie und unter welchen Bedingungen das Pflegepersonal arbeitet. Erst durch gute Arbeitsbedingungen wird qualitativ hochwertige Pflege möglich. Das ist nach unserer Auffassung entscheidend und muss in eine gute Bewertung mit einfließen. (Otto Fricke [FDP]: Aber jetzt ist gut! - Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär: Wie lange darf die reden?) Wir sagen: Gute Pflege - hören Sie ruhig zu - kommt von guter Arbeit - das ist wesentlich -, von guten Löhnen und von einer guten Pflegeausbildung. Das ist und bleibt für uns, die Linke, der Maßstab. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin. Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Ich bin am Ende meiner Rede. Ich wollte mich noch kurz bedanken. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bitte. Kathrin Senger-Schäfer (DIE LINKE): Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich danke Ihnen allen für die konstruktive Zusammenarbeit, und ich bedanke mich bei all denen, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Danke schön. (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin Senger-Schäfer, auch Ihnen danke ich im Namen des ganzen Hauses für die gute Zusammenarbeit und das kollegiale Verhalten und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Beifall) Das Wort hat die Kollegin Elisabeth Scharfenberg von Bündnis 90/Die Grünen. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister, auch von unserer Seite Ihnen und Ihrer Frau die herzlichsten Glückwünsche zur Geburt Ihrer Tochter! Mit Blick auf den demografischen Wandel kann ich Ihnen und uns nur wünschen, dass das erst der Anfang ist. Ich habe selbst vier Töchter und lebe damit sehr gut. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten des BÜNDISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP) Zum Thema Pflege. Es ist ganz und gar nicht übertrieben, wenn ich sage: Es brennt in der Pflege. Da ist der Personalmangel. Da ist der noch ausstehende neue Pflegebegriff. Da ist die fehlende Umsetzung des Grundsatzes "ambulant vor stationär". Da ist die Missachtung von Prävention, um Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Da sind die noch ausstehende Entbürokratisierung, die unzureichende Entlastung von pflegenden Angehörigen usw., usw. Aus den einzelnen Brandherden wird zunehmend ein Flächenbrand. In dieser Legislaturperiode haben wir vergeblich darauf gewartet, dass die Feuerwehr anrückt. Leider war von der schwarz-gelben Regierung niemand dazu fähig, eine Feuerwehrmannschaft anzuleiten. Stattdessen stand man mit weit aufgerissenen Augen um das Feuer herum. Man staunte, wie sich die Probleme entwickelten, und man war überrascht, dass die Probleme immer größer wurden. Die kritische Lage in der Pflege hat sich unter der Federführung von Union und FDP weiß Gott nicht entspannt. Das macht auch der Antrag der SPD überdeutlich. Wir brauchen eine umfassende Pflegereform, und das mehr denn je. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Bereits unter der Großen Koalition wurde ein Bericht vorgelegt, der uns klar darin bestätigt hat, dass die Pflegeversicherung neu ausgerichtet werden muss. Nur so werden wir die zukünftigen Herausforderungen überhaupt schultern können. Der Bericht des Expertenbeirats zur Überarbeitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs hat uns zum Umdenken aufgefordert. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition beendet ihre Legislatur nun genauso wie 2009 mit der Vorlage eines Berichts des Expertenbeirats - ich betone: ein Bericht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Aktiv an der Umsetzung arbeiten wollte und will man aber nicht. Nach jahrelangem Nichtstun haben Sie, Herr Bahr, den Beirat erst 2012 wieder eingesetzt, um noch offene Fragen zu klären. Aber es gab kein Konzept und keinen Rahmen. So hat man sich im Beirat an Themen festgebissen, für die es verschiedene Lösungen gibt, für die es aber einfach auch politischer Entscheidungen bedarf. Die Aufgabe des Beirates ist es, Empfehlungen zu geben und Optionen zu eröffnen, mehr nicht. Der Beirat kann dem Minister die Arbeit nicht abnehmen. Herr Bahr, da müssen Sie schon selbst ran. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Bahr, Ihnen muss doch klar gewesen sein, dass nach dem Bericht die eigentliche Arbeit erst losgeht. (Otto Fricke [FDP]: Ja! Die nächsten vier Jahre!) Trotzdem haben Sie dem Beirat so viel Zeit für die weitere Arbeit gegeben, dass das Ganze gar nicht mehr umzusetzen ist. (Elke Ferner [SPD]: Genau!) Die Zeit in dieser Legislatur reicht schlichtweg nicht mehr aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wohlwollend könnten wir hier alle sagen: schlechtes Timing. Aber - Herr Minister, das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen - man kann es auch anders sagen: Das war reine Drückebergerei. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN - Zurufe von der FDP: Oh!) Uns allen ist klar, dass wir bei der pflegerischen Versorgung grundsätzlich umdenken müssen. Doch wenn wir uns die Pflegepolitik der schwarz-gelben Regierung anschauen, dann erleben wir einen Stillstand, dann erleben wir Verzögerungstaktik, wir erleben Gesprächsrunden nach dem Motto: "Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis". Meine Damen und Herren, wir brauchen nicht noch mehr Runde Tische, wir brauchen keine medienwirksam zelebrierten Spitzentreffen mit Vertreterinnen und Vertretern der Pflegebranche, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) wie sie Herr Rösler so gerne einberufen hat. Es wurde bereits über alle wichtigen Themen, die die Pflege angehen, genug geredet. Der Notstand wurde studiert, er wurde analysiert, und es wurde viel darüber philosophiert. Aber Löschversuche des Flächenbrandes gab es bis jetzt nicht. Philipp Rösler wollte 2011 mit dem Jahr der Pflege und einer Pflegereform das Feuer ersticken. Unter seiner Federführung ist gar nichts passiert. Der Ankündigungsminister übergab dann den Staffelstab an seinen Nachfolger Daniel Bahr, und der sollte die vielfältigen Versprechungen dann einlösen. Unter Zeitdruck erblickte 2012 eine Pflegereform das Licht der Welt. Und die Namen wurden immer verheißungsvoller. Da redeten wir dann vom Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz. Aber: von Neuausrichtung keine Spur! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Der Name ist eine Verbrauchertäuschung erster Klasse; denn neu ausgerichtet wurde in der Pflegeversicherung gar nichts. Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz als "Reförmchen" zu bezeichnen, ist noch Euphemismus. Wenn Sie das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, Herr Minister, gar einen "Meilenstein" nennen, dann muss ich Ihnen und auch Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ehrlich sagen: Das grenzt für mich an Realitätsverlust. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Natürlich gab es einige Verbesserungen, beispielsweise für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Aber diese Verbesserungen reichen doch hinten und vorne nicht. Es fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept. Die Verbesserungen sind zum Teil auch noch zeitlich begrenzt. Noch dazu ist dieses Mehr an Leistungen noch nicht einmal nachhaltig finanziert. (Mechthild Rawert [SPD]: Richtig!) 2015 geht der Pflegeversicherung die Puste aus. (Heinz Lanfermann [FDP]: Woher wollen Sie das denn wissen?) Und was machen wir dann, liebe Kolleginnen und Kollegen? (Mechthild Rawert [SPD]: Keine Nachhaltigkeit!) Union und FDP haben die zwei wesentlichen Hausaufgaben nicht gemacht: Sie haben keine nachhaltige und solide Reform der Finanzierung hinbekommen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) und sie haben die Einführung des neuen Pflegebegriffs keinen Schritt vorangebracht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Tatsächlich haben sie der Pflege sogar noch geschadet. Sie haben die Vergütung für Pflegekräfte geschwächt. Vor der Pflegereform war die Zulassung einer Einrichtung oder eines Dienstes nämlich daran gebunden, den Pflegekräften ein Entgelt zu zahlen, das sich an der ortsüblichen Vergütung orientiert. (Hilde Mattheis [SPD]: So ist es!) Mit der Pflegereform wurde diese Vorgabe ersatzlos gestrichen. Man wollte wohl die unternehmerische Freiheit stärken, und das auf Kosten der Pflegekräfte. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, lässt tief blicken, und das zeigt uns, dass Sie das Feuer in der Pflege an einigen Stellen sogar noch mit Brandbeschleunigern genährt haben, anstatt es zu löschen. Ihnen geht es nicht um die Pflegekräfte, Ihnen geht es auch nicht um die betroffenen Menschen. Ihnen geht es nur darum, Ruhe in ein für Sie offensichtlich lästiges Thema zu bringen. Auch der Anspruch der Kanzlerin, dass Pflege ein schwerer Job ist, zeigt das ganz deutlich. Ja, Frau Merkel hat da eine ganz treffsichere Analyse gemacht. Aber sie schlussfolgert nichts daraus. Was wollen Sie denn tun, damit die Menschen, die pflegen, mehr Anerkennung bekommen? Ich meine die Menschen, die professionell pflegen, und auch die pflegenden Angehörigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Auch beim Thema "Entbürokratisierung in der Pflege" sind Sie nicht wirklich weitergekommen. Die vorgelegten Ergebnisse gehen gegen null. Die Ombudsfrau zur Entbürokratisierung der Pflege im Gesundheitsministerium hat sich durch ihre Arbeit wirklich verdient gemacht. Aber da von ihren Vorschlägen nichts umgesetzt wird, hätte man sich diese Stelle auch sparen können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wir haben nicht einmal einen Abschlussbericht zur Arbeit der Ombudsfrau und zu ihren Vorschlägen erhalten. Dieser Bericht sei nämlich intern - so hat es uns die Staatssekretärin gesagt. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was?) Ganz ehrlich: Geheimsache Bürokratieabbau - das ist doch wirklich absurd, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Für mich ist damit klar: Man hat Angst vor den Folgen, die sich aus der Analyse der Situation ergeben könnten. Dann würde nämlich offensichtlich, dass man den sogenannten Pflege-TÜV abschaffen müsste; denn der Pflege-TÜV hat sich überhaupt nicht bewährt. Niemand kann aufgrund der vergebenen Noten gute von weniger guten Pflegeeinrichtungen oder Pflegediensten unterscheiden. Der Pflege-TÜV misst nämlich nur die Qualität der Dokumentation, und darauf haben sich die Dienste und Einrichtungen eingestellt: Sie dokumentieren mehr und besser als jemals zuvor. Damit schneiden sie bei den Prüfungen sehr gut ab; das Ergebnis der Prüfung ist dann eine super Pflegenote. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine sehr gefährliche Entwicklung. Hier wird den Verbraucherinnen und Verbrauchern eine Qualität vorgegaukelt, die aber nur auf dem Papier steht. Wir müssen uns von diesem System schnellstens entfernen. Wir müssen den Weg für den Umstieg auf eine Qualitätsprüfung frei machen. Es geht hier nicht darum, an ein paar Stellschrauben zu drehen; es geht darum, einen Neuanfang zu wagen. Darum fordere ich Sie auf: Setzen Sie die Vergabe der Pflegenoten aus, bis Sie einen Umstieg geschafft haben. Stimmen Sie unserem Antrag zu. Die Ergebnisse, die ab dem 26. Juni - das war gestern - vorliegen sollten, liegen noch nicht vor. Die Aussetzung der Benotung oder die Beauftragung eines unabhängigen Instituts wurden nicht gefordert. Ich denke, es wird ein bisschen nachjustiert. Da gibt es noch einiges zu tun. Wir haben schon zu lange über die Probleme der Pflege geredet. Der Pflege droht ein Flächenbrand. Jetzt muss es an die Bekämpfung der Probleme gehen. Dass alle dazu bereit sind, zeigt auch die Gründung des Bündnisses für gute Pflege. Darin haben sich die Berufsverbände, die Wohlfahrtsverbände, die Leistungserbringer, Selbsthilfeinitiativen, Gewerkschaften und viele andere mehr zusammengefunden, um gemeinsam für eine bessere Versorgung zu kämpfen. Man will nicht mehr sehenden Auges die Pflege verbrennen lassen. Man will die Pflege wirklich neu ausrichten. Das ist gut und richtig. (Beifall der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich freue mich sehr, dass man sich auf breiter Ebene zusammengeschlossen hat. Diese Stimme ist für die Pflege enorm wichtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es braucht endlich eine umfassende Strukturreform, es braucht eine wirklich nachhaltige Finanzierung der Pflege. Das muss angepackt werden, ganz egal, wer im Herbst die Pflegepolitik dieses Landes übernimmt. Sehr geehrte Vertreter der schwarz-gelben Koalition mitsamt der Regierung, die Wählerinnen und Wähler werden Sie hoffentlich im September hängen lassen, (Otto Fricke [FDP]: "Hängen lassen"?) so wie Sie es mit den Menschen gemacht haben, die in unserem Land auf Hilfe und Pflege angewiesen sind. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben in den letzten vier Jahren einfach weggeschaut. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Das gibt mir Gelegenheit, ihm im Namen des ganzen Hauses zur Geburt seiner Tochter sehr herzlich zu gratulieren und für die Vaterschaft viel Freude und Glück zu wünschen. (Beifall) Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich sehr herzlich für die vielen Wünsche zur Geburt unserer Tochter. Ich gestehe, dass ich nach einer sehr kurzen Nacht immer noch sehr müde bin, (Iris Gleicke [SPD]: Das wächst sich aus!) weiß aber, dass Mutter und Tochter wohlauf sind. Deswegen habe ich mir erlaubt, für die zwei Stunden der Pflegedebatte hier zu sein und nachher zu meiner Tochter und zu meiner Frau zurückzukehren. Das Thema Pflege ist wichtig, und ich möchte einiges ganz bewusst geraderücken. Lieber Herr Lauterbach, seien Sie gewiss, meine Frau und ich haben bei der Namenswahl wirklich nicht an Politiker gedacht, erst recht nicht an solche aus der Opposition, sondern allein an das Wohl unseres Kindes. Um zur Sache zu kommen: Pflege wird in Deutschland von den Familien geleistet. Die Hauptleistung in der Pflege wird in Deutschland durch die Familien erbracht. Zwei Drittel der Menschen werden zu Hause gepflegt. 80 Prozent der Menschen wünschen sich, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben. Es ist das Ziel der christlich-liberalen Koalition, ihnen diesen Wunsch, soweit es geht, zu ermöglichen; denn es geht um Selbstbestimmung und um die Wahrung von Würde im Alter. Wenn sich die Menschen wünschen, so lange wie möglich zu Hause zu bleiben, dann muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen, um ihnen das zu ermöglichen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir wissen, dass Pflege eine große gesellschaftliche Herausforderung ist. Gerade im Umgang mit dem Altern zeigt sich der Zusammenhalt in der Gesellschaft. Der Zusammenhalt in der deutschen Gesellschaft zeigt sich tagtäglich: Kinder und Enkelkinder pflegen ihre Eltern oder Großeltern. Auch die vielen Ehrenamtlichen, aber auch die vielen Professionellen, die in der Pflege arbeiten, leisten ihren Beitrag, damit wir uns in Deutschland auf eine gute Pflegeversorgung verlassen können. Wir wissen: Noch ist nicht alles so, wie wir uns das wünschen. Einiges kann noch besser werden, einiges muss besser werden. Daran arbeitet diese christlich-liberale Koalition. (Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD]) Wenn wir die Situation der letzten Jahre in Deutschland mit der Situation in anderen Ländern vergleichen, dann stellen wir fest: Es gibt kein zweites Land in der Welt, das die Leistung der Pflegeversicherung in diesen Jahren um 5 Prozent gesteigert hat. Gerade im Gesundheits- und Sozialbereich wurden in den letzten Jahrzehnten viele Gesetze verabschiedet. Ich kenne kein anderes Gesetz, das viele Menschen besser- und niemanden schlechtergestellt hat. Die betroffenen Menschen in Deutschland profitieren von einer Leistungsverbesserung von 5 Prozent. Das zeigt: Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ist ein gutes Gesetz, es ist ein großer, wichtiger Schritt in Richtung der Verbesserung der Pflegeversorgung der Menschen in Deutschland. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Das ist doch Inflationsausgleich!) Es ist richtig, dass es sich Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz nennt. 1995 wurde die Pflegeversicherung von einer christlich-liberalen Koalition aufgebaut. Unter Rot-Grün gab es dazu kein einziges Gesetz. Unter der Großen Koalition gab es ein Gesetz mit kleinen Verbesserungen. (Elke Ferner [SPD]: Das war größer als Ihres!) Mit unserem Gesetz sorgen wir erstmals dafür, dass die Menschen mit Demenzerkrankung eine Geld- oder Sachleistung aus der Pflegeversicherung erhalten. Bisher haben sie keine oder kaum eine Leistung erhalten. Das führt zu einer Verbesserung der Situation für eine halbe Million Demenzerkrankte und ihrer Angehörigen. Das ist Politik, die bei den Menschen ankommt. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir unterstützen die Angehörigen. Auch das verkörpert der Begriff "Neuausrichtung". Wir wollen Familien unterstützen; denn viele Familien signalisieren, dass sie manchmal nicht mehr können, dass sie die Last nicht mehr schultern können, weil sie sich ausgepowert fühlen. Wir sorgen dafür, dass Angehörige Unterstützung erhalten, indem die Pflegezeit bei der Rente berücksichtigt wird, indem sie die Möglichkeit erhalten, eine Auszeit zu nehmen - Verhinderungspflege, Kurzzeitpflege -, indem sie eine Kur in Anspruch nehmen können. Wir unterstützen die Angehörigen, weil wir wissen: Wir sind darauf angewiesen, dass Angehörige ihre Pflegebedürftigen gut betreuen. Wir sorgen für die Umsetzung des Grundsatzes "ambulant vor stationär". Wir sagen: Weg von der Minutenpflege. (Lachen der Abg. Elke Ferner [SPD] - Elke Ferner [SPD]: Wo denn?) Endlich können im Bereich der Pflegekonzepte starre Minutenvorgaben verlassen und andere Zeitkontingente vereinbart werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir werden wachsam verfolgen, dass die Pflegekassen das auch umsetzen und nicht durch konkrete Regelungen kaputtmachen. (Mechthild Rawert [SPD]: Wo steht denn das? Ankündigungen, Ankündigungen, Ankündigungen!) Wir sorgen dafür, dass der Wunsch der Menschen, so lange wie möglich selbstbestimmt zu leben, erfüllt wird. (Mechthild Rawert [SPD]: Das ist Selbstbetrug, was Sie da machen!) Wenn man nicht mehr zu Hause bleiben kann, dann kann man in einer Pflegewohngruppe gemeinsam jene Leistungen in Anspruch nehmen, die man sich alleine nicht leisten könnte. Wir sorgen für eine bessere Vergütung. Wir haben in den Verhandlungen mit den Pflegekassen über den Pflegesatz dafür gesorgt, dass Tariferhöhungen endlich als wirtschaftlich betrachtet werden. So können gute Löhne gezahlt werden. (Mechthild Rawert [SPD]: Wir sind nicht am Anfang der Legislaturperiode!) Wir sorgen für neue Fristen, innerhalb derer Leistungsentscheidungen getroffen werden müssen. Das ist im Sinne der Betroffenen. Wir sorgen dafür, dass es Alternativen zum monopolistischen Medizinischen Dienst der Pflegekassen gibt. So können auch andere Begutachter in Anspruch genommen werden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir sorgen außerdem für den Abbau von Bürokratie. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Wann fangen Sie denn damit an?) Vor einigen Wochen wurde der Bericht der Bundesregierung zum Bürokratieabbau im Kabinett verabschiedet. Das Bundesgesundheitsministerium hat in dieser Legislaturperiode für den größten Bürokratieabbau in Deutschland gesorgt, sowohl in der Gesundheit als auch in der Pflege. Das sind die Fakten. (Zurufe von der SPD) Aber auch das ist mir noch nicht genug. Ich weiß, dass noch mehr Bürokratie abgebaut werden muss. Ergebnisqualität muss das Ziel sein, nicht Struktur- und Prozessqualität, nicht die Dokumentation ist das Entscheidende, sondern die gute pflegerische Leistung für die Betroffenen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Lassen Sie mich eines klarstellen - denn wir müssen darauf achten, wie wir hier diskutieren -: Ausgerechnet diejenigen, die heute in dieser Debatte beklagen, es sei noch nicht genug Bürokratie abgebaut worden, sind diejenigen, die in den Medien, wenn die Magazine Fehler im Bereich der Pflege aufdecken, andauernd neue Kontrollen und noch mehr Dokumentation, also mehr Bürokratie, fordern. Wir brauchen in den Gesetzen und Verordnungen aber keine Kultur des Misstrauens, sondern wir brauchen eine Kultur des Vertrauens in diejenigen, die in der Pflege arbeiten. Dafür sorgen wir, das machen wir, das setzen wir um. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wir sorgen mit der privaten Pflegevorsorge dafür, dass die Lücke, die bei den Kosten bleibt, geschlossen werden kann. Keine Fraktion hier im Deutschen Bundestag hat in ihrem Programm stehen, dass es eine Vollkaskoabsicherung in der Pflege geben soll. (Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE]: Doch! Wir fordern das!) - Sie können hineinschreiben, was Sie wollen; Sie werden es nie umsetzen. Sie wollen ja nicht in die Regierung. Sie haben ja auch sonst bisher noch nichts umgesetzt. Eine Vollkaskoabsicherung in der Pflege - das wissen wir alle - ist nicht finanzierbar und ist auch nicht richtig. Es soll eine Teilkostenabsicherung sein. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Damit die PKV hineinkommt!) Wir wissen, dass ein erheblicher Eigenanteil zu schultern ist. Um diesen Eigenanteil zu schultern - wenn auch nicht voll -, um diese Lücke zu schließen, ist es sinnvoll, dass wir die private Vorsorge stärken. Rot-Grün hat doch im Zusammenhang mit der Riester-Rente dasselbe Problem erkannt, indem Sie hinsichtlich der Rente auch gesagt haben: Es braucht Eigenvorsorge zur Stützung. Warum soll, was in der Rente richtig ist, in der Pflege falsch sein? Es ist richtig: Wir brauchen Eigenvorsorge. Diese private Pflegevorsorge wird ein Erfolg und wird sich entwickeln. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Mechthild Rawert [SPD]: Wir haben das Ende der Legislaturperiode, nicht den Anfang! Ganz schlecht!) Zum Pflegebedürftigkeitsbegriff: Ich werde gleich den Bericht entgegennehmen; insofern bitte ich um Verständnis, dass ich zu den Details des Berichts noch nichts sage. Aber die Tatsache, wie lange darüber beraten wurde, zeigt doch, dass das Ganze viel komplexer ist, als einige gedacht hatten. Wenn es so einfach gewesen wäre, wäre ein solcher Begriff doch zum Ende der letzten Legislaturperiode noch schnell von Frau Schmidt ins Gesetz geschrieben worden. Aber Frau Schmidt selbst hat im Jahr 2011 gesagt, es brauche drei bis vier Jahre der Umsetzung, bis ein Pflegebedürftigkeitsbegriff komme. (Mechthild Rawert [SPD]: Die hätten Sie ja gehabt! - Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Sie haben nichts getan! - Weitere Zurufe von der SPD) - Das scheint Sie ja zu treffen. Es scheint Sie sehr zu treffen, dass ich Ihre eigene Kollegin zitiere. Es scheint bei Ihnen offenbar ein wunder Punkt zu sein, dass das so lange Zeit brauchte. Wir haben nicht daran gearbeitet, dass etwas in fernerer Zukunft kommt, sondern offene Fragen beantwortet. Daran haben wir gearbeitet und im Vorgriff auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff Leistungen für Demenzkranke erbracht. Das ist das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz. Glauben Sie mir - Sie wissen es doch -, der Gesundheitsminister wäre gerne heute hierhergekommen und hätte gesagt: alles umgesetzt, für die Betroffenen alles gelöst. (Zuruf von der SPD: Sie haben überhaupt keinen Plan!) Weil er ein vernünftiger Politiker ist, einer, der auch Realitäten erkennt, weiß er, dass eine Umsetzung schwierig ist. Die Zahlen haben seinerzeit belegt, dass unter dem neuen Begriff, wie er seinerzeit vorgestellt wurde, (Elke Ferner [SPD]: Sie haben überhaupt nichts gemacht!) 30 bis 40 Prozent der Pflegebedürftigen schlechtergestellt werden, selbst wenn man Milliarden in die Hand nimmt. Das ist nicht verantwortbar; dafür finden Sie keine Akzeptanz in der Gesellschaft. Deswegen war es richtig, dass wir die offenen Fragen beantwortet haben und schon im Vorgriff darauf schnell wirksame Verbesserungen für Betroffene vornehmen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Keine Ergebnisse!) Das ist kluge Politik, wie offenbar nur Christlich-Liberale sie umsetzen. Deswegen ist es gut, wenn Sie uns schon auffordern, was wir in der nächsten Legislaturperiode machen sollen. Wir werden es gerne machen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Hilde Mattheis [SPD]: Da bin ich gespannt, was Herr Zöller dazu sagt!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt die Kollegin Elke Ferner für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD - Jens Spahn [CDU/CSU]: Geht das Geschrei jetzt weiter?) Elke Ferner (SPD): Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Auch ich möchte Ihnen und Ihrer Frau, Herr Bahr, zunächst zur Geburt Ihrer Tochter gratulieren. Ich hoffe doch sehr, dass Sie nach der Wahl auch die Zeit haben, sich intensiv um Ihre Familie zu kümmern, und nicht mehr mit einem Amt belastet sind, das Sie nicht ausfüllen können. (Rudolf Henke [CDU/CSU]: Das ist wahre menschliche Größe! Eine nette Gratulation! Superfreundlich!) Was Sie hier machen, ist Etikettenschwindel. Wir brauchen eine neue Kultur; das ist wirklich wahr. Wir brauchen aber eine Kultur der Ehrlichkeit, Herr Bahr, und wir brauchen eine Kultur des Anpackens statt einer Kultur des Liegenlassens. Das haben Sie nämlich vier Jahre lang gemacht. (Beifall bei der SPD) Diese Wahlperiode begann mit folgender Vereinbarung in Ihrem Koalitionsvertrag: Wir wollen eine neue ... Definition der Pflegebedürftigkeit. Damit schaffen wir mehr Leistungsgerechtigkeit in der Pflegeversicherung. Damit sind Sie angetreten. Was ist in den knapp vier Jahren passiert? Nicht viel. Es gab vollmundige Ankündigungen der Minister Rösler und Bahr sowie die Ausrufung des Jahrs der Pflege. Herausgekommen ist ein Minireförmchen, ein Placebo, ein schlecht gelungener Etikettenschwindel. Wenn Sie heute Mittag von der Arbeitsgruppe, die Sie dann in Ihrer Verzweiflung eingesetzt haben, einen politisch zensierten Bericht bekommen werden, dann hat sich an der Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen nichts geändert. Sie haben eben zum wiederholten Male behauptet, dass Sie die erste Regierung waren, die etwas für Demenzerkrankte getan hat. Das ist falsch; das wissen Sie selber. Wir haben in der Großen Koalition erstmals festgelegt, dass, abhängig vom Grad der Demenzerkrankung, 2 400 bzw. 1 200 Euro pro Jahr gezahlt werden. (Beifall bei der SPD) Wir waren es, die zusätzliches Betreuungspersonal für die stationären Einrichtungen über die Pflegeversicherung finanziert haben. (Beifall bei der SPD) Natürlich, Sie haben etwas draufgesetzt. Aber seien Sie doch wenigstens so generös, auch das anzuerkennen, was die Regierung vor Ihnen getan hat. Aber das wichtigste Projekt, die Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes, haben Sie nicht auf die Reihe bekommen. Sie sind damit krachend gescheitert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Mechthild Rawert [SPD]: Richtig!) Ulla Schmidt hatte die Vorarbeiten gemacht. Sie haben den Bericht in die unterste Schublade gesteckt und über Jahre hinweg nichts getan. Dann haben Sie eine Arbeitsgruppe eingesetzt und nehmen jetzt deren Bericht entgegen. An dem Pflegebedürftigkeitsbegriff haben Sie überhaupt nichts geändert. Wir dagegen wollen einen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der sich an der gesellschaftlichen Teilhabe orientiert und den tatsächlichen Unterstützungsbedarf abdeckt und der vor allen Dingen Schluss macht mit der Minutenpflege. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen im Stich gelassen. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: So ein Blödsinn!) - Natürlich. Sie haben sie im Stich gelassen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vier Jahre lang haben Sie nichts getan. Ich sage Ihnen: Das ist erbärmlich, und das ist herzlos gegenüber den Menschen, die dieses Land mit aufgebaut haben und jetzt auf unsere Solidarität und Unterstützung angewiesen sind. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jens Ackermann [FDP]: Sie müssen einmal in den Ausschuss kommen! Kommen Sie einmal in den Ausschuss!) Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir haben kein Erkenntnisdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit. Ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der bessere und zielgerichtetere Leistungen mit sich bringt, eine flächendeckende und unabhängige Pflegeberatung, damit auch informierte Entscheidungen getroffen werden können, (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das haben wir doch!) bessere Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte und ein besserer Personalschlüssel sowie eine bessere Bezahlung, damit sich Menschen auch in Zukunft entscheiden, diesen Beruf auszuüben, und damit diejenigen, die tagtäglich eine wirklich tolle Arbeit leisten, besser wertgeschätzt werden: Nichts ist bei Ihnen passiert. Wir brauchen eine bessere Unterstützung der pflegenden Angehörigen, (Jens Ackermann [FDP]: Haben wir doch gemacht!) insbesondere wenn es um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf geht. Auch diesbezüglich ist nichts passiert. Es gibt dieses komische Pflegezeitgesetz von Frau Schröder und Ihren merkwürdigen Pflege-Bahr. Schauen Sie sich doch einmal die Nachfrage dazu an! Das ist doch wirklich bescheiden, äußerst bescheiden, was Sie da gemacht haben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE] - Hilde Mattheis [SPD]: 200! - Widerspruch bei der FDP) Sie haben nicht eine nachhaltige und dauerhafte Finanzierung der Pflege über eine Bürgerversicherung organisiert. (Lachen bei Abgeordneten der FDP) Was böte sich dafür besser an als die Pflegeversicherung? Damit hätten wir viele finanzielle Probleme gelöst. Vor allen Dingen hätten wir mehr Geld, um die Leistungen zu verbessern. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Heinz Lanfermann [FDP]: Jetzt kommt die Märchenstunde!) Sie haben auch keine Maßnahmen ergriffen, um die wohnortnahe Unterstützungsinfrastruktur zu verbessern. Von der Unterstützungsinfrastruktur hängt ab, ob Menschen häuslich gepflegt werden können oder nicht. Nichts haben Sie dafür getan. Wir sagen ganz klar: Das kostet Geld, jawohl, und zwar nicht 2 Milliarden Euro, wie Herr Spahn laut Ticker verkündet hat, sondern 5 Milliarden Euro. Wir sind bereit, für die notwendigen Verbesserungen der Leistungen und der Arbeitsbedingungen den Beitragssatz für die Pflegeversicherung anzuheben. (Lars Lindemann [FDP]: Aha!) Pro 1 000 Euro Einkommen wären das 2,50 Euro monatlich jeweils für die Versicherten und die Arbeitgeber. Ihnen fehlt dazu der Mut. Das ist Ihnen eine menschenwürdige Pflege nicht wert - uns schon, liebe Kollegen und Kolleginnen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist immer das Geld der anderen!) - "Das Geld der anderen." Es ist sehr schön, dass wir das hier protokollieren lassen, Herr Spahn. (Jens Spahn [CDU/CSU]: Sie verteilen immer großzügig!) Ich entnehme dem, dass Sie keine weiteren Leistungsverbesserungen vornehmen wollen, weil Sie kein zusätzliches Geld dafür über Beiträge generieren wollen. Wir werden das ja sehen. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Jetzt wird es lächerlich! - Zuruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Es ist ganz klar: Außer diesem Minireförmchen haben Sie vier Jahre lang nichts über die Rampe gebracht. Das würde auch in weiteren vier Jahren Schwarz-Gelb nicht besser werden. Deshalb sage ich, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen liebe Bürgerinnen und Bürger: Eine bessere, menschenwürdigere Pflege ist wählbar am 22. September 2013. (Beifall der Abg. Mechthild Rawert [SPD] - Jens Spahn [CDU/CSU]: Wir sind hier nicht auf dem Parteitag!) - Wir sind nicht auf dem Parteitag, sondern im Deutschen Bundestag. Das ist sehr richtig, Herr Spahn. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie werden die Quittung für Ihre miserable Pflegepolitik bekommen. Dem Kollegen Zöller hätte ich in seiner letzten Wahlperiode im Übrigen gewünscht, nicht einem Gremium vorzusitzen, das nichts umsetzen kann, sondern nur einen Bericht vorlegen darf. Ich hätte dir gewünscht, lieber Wolfgang, in Sachen Pflege auch inhaltlich weiterzukommen. In diesem Sinne wünsche ich dir alles Gute für den neuen Lebensabschnitt. (Beifall bei der SPD - Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein vergiftetes Lob am Anfang und ein vergiftetes Lob am Ende!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Wolfgang Zöller. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Grüß Gott, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich heute meine letzte Rede in diesem Hohen Hause halte, gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Wer eine saubere Analyse zu der medizinischen Versorgung von vor vier Jahren und der von heute vornimmt, wird zu dem Ergebnis kommen, dass noch nie so viele patientenbezogene Verbesserungen umgesetzt wurden wie in den letzten vier Jahren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hilde Mattheis [SPD]: Was ist das denn?) In der Gesundheitspolitik fand ein Paradigmenwechsel statt. Leider haben viele im System Beteiligte die neuen Möglichkeiten einer patientenfreundlicheren Versorgung noch nicht erkannt oder noch nicht umgesetzt. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Die Patienten zu dumm, oder was?) Jahrzehntelang war die Gesundheitspolitik darauf ausgerichtet, wie man vorhandene Strukturen erhalten kann. Demgegenüber sind wir die letzten vier Jahre dem Motto "Der Patient soll im Mittelpunkt stehen" wesentlich näher gekommen. (Hilde Mattheis [SPD]: Das ist echt ein Witz!) Lassen Sie mich ganz bewusst ein paar praktische Beispiele ansprechen. (Dr. Karl Lauterbach [SPD]: Jetzt bin ich gespannt!) 15 000 Tote durch Infektionen in Krankenhäusern! Mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes wurden die Voraussetzungen geschaffen, den Schutz der Patienten vor Infektionen wesentlich zu verbessern. Dass dies schnell möglich ist, sieht man zum Beispiel an einem Krankenhaus in Mülheim. Dort wurde es in kürzester Zeit geschafft, die Zahl der MRSA-Infektionen um 80 bis 90 Prozent zu reduzieren. Das bedeutet: weniger Infektionen, weniger Leid, weniger Tote und auch weniger Kosten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz haben wir Rahmenbedingungen geschaffen, die eine flächendeckende medizinische Versorgung sicherstellen sollen. Der vorgeschriebenen Beteiligung des Patientenvertreters bei der Bedarfsplanung müssen die Länderausschüsse endlich gerecht werden. Die Arzneimittelversorgung ist mit Ausnahme mancher Rabattverträge wesentlich patientenorientierter geworden. Die Nutzenbewertung schützt vor Scheininnovationen. Diese Woche regeln wir erfreulicherweise mit dem Arzneimittelaustauschverbot ein berechtigtes Anliegen besonders chronisch Kranker - dies betrifft natürlich vor allem auch Personen in Heimen -, die langfristig auf ein Medikament eingestellt wurden. Einer der Schwachpunkte in unserem System ist nach wie vor die fehlende Information von Patienten, Ärzten und Krankenkassen über ihre Rechte und Pflichten. Mit der gesetzlichen Regelung der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland haben wir die Informationsmöglichkeiten für die Versicherten wesentlich verbessert. Es war und ist erfreulich, vielen Menschen helfen zu können, aber es ist genauso ärgerlich, dass viele erst um ihr Recht kämpfen müssen. Mit dem Patientenrechtegesetz schaffen wir mehr Transparenz und Rechtssicherheit. Darin ist auch geregelt, dass es Aufgabe des Patientenbeauftragten ist, die Bevölkerung, wie es so schön heißt, in allgemein verständlicher Sprache über ihre Rechte zu informieren. Mit dieser Broschüre - das ist keine Eigenwerbung; das ist der Ratgeber für Patientenrechte -, (Der Redner hält eine Broschüre hoch) die wir gestern gemeinsam mit dem Bundesministerium der Justiz und unserem Gesundheitsminister Daniel Bahr der Öffentlichkeit vorgestellt haben, wird das Problem entschärft. Für über 2,5 Millionen Menschen und deren Angehörige ist die Pflegeversicherung eine mehr als hilfreiche Unterstützung. Ich finde es daher zum Teil auch unverantwortlich, wie manche interessengeleitete Äußerungen zur Verunsicherung pflegebedürftiger Menschen beitragen. (Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz haben wir einen großen Schritt in die richtige Richtung getan. Ich nenne nur einige Stichpunkte: Leistungsverbesserung für Demenzkranke und ihre Familien, Stärkung des Grundsatzes "Reha vor Pflege", Förderung neuer Wohnformen, bessere medizinische Versorgung in den Pflegeheimen, Förderung der Selbsthilfe und bessere Beratung. Gestatten Sie mir den Hinweis: Wer hier heute in der Debatte sagt, dass in den letzten Jahren nichts passiert ist, muss wirklich Wahrnehmungsschwierigkeiten haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf der Abg. Mechthild Rawert [SPD]) Sie erwarten von mir als einem der beiden Vorsitzenden des Expertenbeirates natürlich bestimmt einige Äußerungen zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff. (Hilde Mattheis [SPD]: Stimmt!) Eines möchte ich zurückweisen: In einem Nebensatz wurde hier gesagt, das sei ein politisch zensierter Bericht. Mich wundert, dass Sie den Bericht überhaupt schon kennen; er wird heute Mittag überreicht. Wenn er politisch zensiert gewesen wäre, wäre das nur dann der Fall gewesen, wenn man zum Beispiel Ihrer Forderung nachgekommen wäre, dass die Politik schon von vornherein einen Rahmen vorgibt, in dem wir uns bewegen dürfen. Das hat man ganz bewusst nicht gemacht, um dem Expertenbeirat Spielraum zu lassen, damit er wirklich ohne Vorgaben an die Problemlösungen herangehen kann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Der Bericht wird heute Mittag dem Minister für Gesundheit übergeben. Von dem 2009er-Beirat wurde ein neues Verständnis von Pflegebedürftigkeit im Rahmen der Pflegeversicherung entwickelt. Zentral ist ein neues Begutachtungsverfahren, das körperliche und kognitive Beeinträchtigungen gleichermaßen erfasst und entsprechend dem Grad der Selbstständigkeit in fünf Pflegegrade einordnet. (Hilde Mattheis [SPD]: Nicht neu!) - Ja, etwas Neues. Sie hätten den zweiten Satz noch abwarten sollen. - Es hatte sich schnell für denjenigen, der es mit der Umsetzung wirklich ernst meint, gezeigt, dass vorher noch sehr viele offene Fragen zu klären und zu beantworten waren. (Hilde Mattheis [SPD]: Das war auch schon so!) Dabei geht es zum Beispiel um eine begründete Zuordnung von Leistungsbeträgen zu den Pflegegraden. Wir wollten zudem, dass Schlechterstellungen vermieden werden. Weiter geht es um Schnittstellenlösungen. (Mechthild Rawert [SPD]: Wer prüft?) Ganz wichtig war auch die Frage: Wie können wir einen konkreten Zeitplan für alle aufeinander aufbauenden Umsetzungsschritte aufstellen? Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bericht macht der künftigen Regierung einen konkreten und umfassenden Umsetzungsvorschlag mit Zeitplan. Damit kann endlich der überfällige und notwendige Schritt getan werden: weg von der Scheingenauigkeit der Zeitmessung hin zur gerechteren Erfassung des Grades der Selbstständigkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei aller Kritik gilt die eine Feststellung: Die Patienten waren und sind in dieser Regierung in guten Händen. (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!) Lassen Sie mich mit einem Dank und einer Bitte schließen. Dank sage ich meiner Familie sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bzw. Kolleginnen und Kollegen, die mich ertragen haben. Die Bitte lautet: Nehmen wir uns alle ein Beispiel an den Helfern in den Hochwasserregionen! Ein bisschen mehr "wir" und weniger "ich". Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Zöller, auch ich danke Ihnen im Namen des ganzen Hauses für die lange, sechs Legislaturperioden dauernde Zusammenarbeit und das kollegiale Verhalten und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Beifall - Abg. Wolfgang Zöller [CDU/CSU] nimmt Glückwünsche entgegen) Das Wort hat jetzt die Kollegin Hilde Mattheis für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Hilde Mattheis (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal auch von meiner Seite herzliche Glückwünsche, Herr Bahr. Ihnen, Ihrer Frau und Ihrer Tochter alles Gute! Auch den beiden Kollegen von der CDU und der CSU wünsche ich für die nächste Lebensphase alles Gute. Klar ist schon: Eigentlich sind Herr Zöller und Herr Zylajew sehr nah bei uns - nur nicht in offiziellen Reden. (Elke Ferner [SPD]: Genau!) Das ist so, weil sie nämlich genau wissen, dass Pflegereform anders gehen muss. (Beifall bei der SPD) Wir haben in der einen oder anderen Debatte sowie in persönlichen Gesprächen selbstverständlich nicht nur immer aufeinander gehört, sondern uns war immer klar: Bei einer umfassenden Pflegereform muss es viele Mosaiksteine und Weichenstellungen geben, Mosaiksteine und Weichenstellungen, die nicht nur in wenigen punktuellen Verbesserungen zum Ausdruck kommen dürfen, sondern insgesamt ein umfassendes Pflegekonzept darstellen müssen. Das haben wir vorgelegt. Dabei haben wir ein Stück weit aus der schwarz-roten Koalition gelernt, in der Sie als Bremser dagestanden sind. Sonst wären wir heute schon viel weiter, und das, obwohl in den letzten vier Jahren nichts passiert ist. Unsere umfassende Pflegereform basiert auf einem Pflegebedürftigkeitsbegriff, der die Teilhabe in den Mittelpunkt stellt. Es geht um Verbesserungen für pflegebedürftige Menschen; da sind wir uns einig. Nur, was hat Herr Bahr gemacht? Er hat den Ball, der 2009 vom Beirat zur Politik geworfen worden ist, zurückgeworfen, weil er nicht entscheiden wollte. (Beifall bei der SPD) Er hat sich vier Jahre gedacht: Ich täusche mal vor, etwas zu tun, und werfe den Ball zurück. Schon 2009 wollten die Personen, die größtenteils auch jetzt im Beirat sitzen, wichtige Dinge für die Politik gemeinsam auf den Weg bringen. Es gibt auch einen Umsetzungsbericht. Von daher, Herr Zylajew: Ich verstehe Ihren Schmerz sehr gut. Sie hätten in dieser Legislaturperiode sehr viel mehr machen wollen. Ich glaube, dass Sie uns, was das Pflegekonzept angeht, das wir vorgelegt haben, recht geben. Neben Case- und Care-Management - unstrittig in der Fachwelt - wollen wir auch eine Verbesserung assistenzgestützter Systeme. Auch das ist ein wichtiger Punkt, wenn Pflegebedürftige im eigenen Haus bleiben wollen. Wir wollen für Pflegepersonen etwas schaffen, was Sie immer blockiert haben, nämlich nicht nur einen Anspruch auf Pflegezeit, sondern auch eine Unterlegung mit Lohnersatzleistungen; denn sonst kann sich das niemand leisten, zum Beispiel Frauen. (Beifall bei der SPD) Auch bei der Pflegezeit, beim flexiblen Zeitbudget von zehn Tagen, wollen wir eine bessere Anrechnung, was die Rente anbelangt, ja! Frauen erziehen erst Kinder, und am Ende ihrer Erwerbstätigenzeit kommt dann die Pflege naher Angehöriger. Dabei wollen wir die Pflegepersonen unterstützen. Das steht in unserem Pflegekonzept drin. Wo bleibt Ihre Antwort? (Beifall bei der SPD) Wir wollen natürlich auch die Kommunen unterstützen. Aber Sie waren diejenigen, die die Einrichtung von Pflegestützpunkten blockiert haben. Deshalb gibt es in manchen Ländern Umsetzungsschwierigkeiten. (Elke Ferner [SPD]: So ist es!) Ja, wir wollen in den Kommunen niedrigschwellige Beratungssysteme organisieren. Dabei brauchen die Kommunen unsere Unterstützung. (Beifall bei der SPD) Das darf keine Belastung, sondern muss eine Unterstützung sein. Denn nur so können wir dafür sorgen, dass sich die Menschen schon weit im Vorfeld der Pflegebedürftigkeit überhaupt mit diesem Thema befassen können, nämlich wenn sie Unterstützung, Beratung und womöglich auch Hinweise bekommen. Dazu finden Sie in unserem Konzept viele, viele Vorschläge. Wir hier in Berlin - da sind wir uns, glaube ich, einig - wissen nicht, welche Pflegeinfrastruktur in der einzelnen Kommune vorhanden ist. Aber sie muss vorhanden sein. Deswegen: Gucken Sie bitte in unser Konzept! Zum Schluss will ich gerne auf die Finanzierung zu sprechen kommen. Herr Zöller, ich verstehe, dass Sie am Ende Ihrer parlamentarischen Tätigkeit lieber positive Punkte ansprechen; das ist schon klar. Aber als Beiratsvorsitzender müssen Sie hier bitte schön auch feststellen, dass die politische Vorgabe für den Beirat nicht so gestaltet war, dass Sie ein ordentliches Ergebnis haben vorlegen können. Wo ist denn der Finanzrahmen, in dem Sie sich bewegen konnten? Wo ist das Geld? Unsere Aussage lautet: Pflege muss uns auch etwas wert sein. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Deshalb: Wir bekommen keine Reform hin, wenn dieses Vorhaben nicht auch mit mehr Mitteln unterlegt ist. Wir werden uns da immer sehr, sehr offensiv positionieren, auch im Wahlkampf; denn das gehört zur Redlichkeit dazu. Wer sich für eine gute Pflegeinfrastruktur, für Unterstützungssysteme, für pflegende Angehörige und vor allen Dingen auch für eine Unterstützung der Fachkräfte einsetzt, muss natürlich auch wissen, wie das zu finanzieren ist. Beim Thema Fachkräfte will ich gerne noch einmal ansetzen. (Jens Ackermann [FDP]: Nein! Sie wollten doch gerade etwas zur Finanzierung sagen!) - Das geschieht durch unsere Bürgerversicherung; das wissen Sie doch. Was hat denn der Pflege-Bahr gebracht? Bisher doch gar nichts. Er nützt niemandem. Den Pflege-Bahr kann sich der, für den er - vielleicht - Nutzen hätte, doch gar nicht leisten. (Jens Ackermann [FDP]: Wie sieht Ihre Finanzierung aus?) Die anderen nehmen ihn schlichtweg mit; das führt also zu Mitnahmeeffekten. (Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Blödsinn!) Wir wollen Pflegekräfte durch generalistische Ausbildung und vor allen Dingen auch durch einen Mindestlohn unterstützen. (Jens Ackermann [FDP]: Keine Antwort!) Herr Zöller und Herr Zylajew, da sind wir sicher einig: In der Pflege muss es ordentliche Löhne geben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Kathrin Senger-Schäfer [DIE LINKE]) Darüber hinaus braucht es Anerkennung, die sich nicht in Reden erschöpfen darf. Es geht da um Zukunftsperspektiven. Die Ausbildung muss so organisiert werden, dass man nicht noch Geld mitbringen muss, wenn man in diesem Beruf ausgebildet werden will, und, und, und. Ich lege Ihnen unser Pflegekonzept ans Herz. Ich bin sicher - so habe ich Sie beide hier schätzen gelernt, Herr Zöller, Herr Zylajew -, wir haben da, abgesehen vom Thema Bürgerversicherung, eine hohe Übereinstimmung. Ich wünsche Ihnen für Ihre nächste Lebensphase alles Gute. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Koschorrek von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Minister, lieber Daniel, dir und deiner Frau und deinem Kind alles Gute! Es soll ja, wenn ich das richtig verstanden habe, der Anfang einer großen Serie werden. (Heiterkeit der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]) Mal sehen, was da noch kommt. Ich wünsche euch jedenfalls alles erdenklich Schöne! Bei mir ist die Geburt meines Kindes jetzt 16 Jahre her. Mit einer 16-jährigen Tochter relativiert sich die Freude gelegentlich einmal. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP - Michaela Noll [CDU/CSU]: Das stimmt! - Hilde Mattheis [SPD]: Warten Sie auf Ihre Enkel, Herr Koschorrek!) Unter dem Strich ist es aber etwas ganz Tolles, als Vater eine Tochter ins Leben begleiten zu dürfen. Aber jetzt zum Thema der heutigen Debatte. Der Kollege Schatten-Kompetenzminister Lauterbach hat in seinem Beitrag leider kaum inhaltlich zum Antrag der SPD Stellung genommen. Allerdings steht im Antrag der SPD auch nicht so fürchterlich viel drin. Substanziell sind eigentlich nur die Ziffern 1 bis 7 vor den in Wirklichkeit dann sehr leeren Absätzen in diesem Antrag. Ich sehe vor allen Dingen wieder einen erheblichen Widerspruch zwischen dem erklärten Anspruch und der Wirklichkeit. Wenn ich in Ihre Reihen schaue, sehe ich bei Ihnen ein Defizit in der Akzeptanz der Pflegeproblematik: Ihre Partei- und Fraktionsführung glänzt heute durch kollektive Abwesenheit. (Lachen der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Ich möchte positiv anmerken, dass in Ihrem Antrag der Erfolg der 1995 eingeführten Pflegeversicherung, die eine passende Antwort auf den einsetzenden demografischen Wandel darstellte, durchaus gewürdigt wird. Auch die Anpassungen von 2002 - durch das Pflege-Qualitätssicherungsgesetz - und von 2008 - durch das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz - finden in Ihrem Antrag lobende Erwähnung. Das neueste Reformgesetz, das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, wird in Ihrem Antrag jedoch überhaupt nicht erwähnt. Mit diesem Gesetz, das vor einigen Monaten in Kraft getreten ist, wurden viele der Vorschläge, die in Ihrem Antrag enthalten sind, bereits in die Praxis umgesetzt. Das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz umfasst Leistungsverbesserungen im Umfang von über 1 Milliarde Euro pro Jahr für ambulante Pflege, neue Betreuungsleistungen zur Teilhabe, die Stärkung pflegender Angehöriger, die Förderung von bis zu 3 000 ambulant betreuten Wohngruppen, eine Stärkung des Grundsatzes "Reha vor Pflege", eine Verbesserung der haus-, fach- und zahnärztlichen Versorgung in Pflegeheimen und vieles andere. Die Demografiestrategie der Bundesregierung enthält ebenfalls Maßnahmen, mit denen den Missständen, die in Ihrem Antrag erwähnt werden, bereits entgegengewirkt wird. Hier werden Ziele formuliert und konkrete Schritte zu ihrer Realisierung vorgelegt und auch durchgesetzt. Zwei Handlungsfelder der Demografiestrategie überschneiden sich sogar sehr deutlich mit Teilen Ihres Antrags, nämlich den Punkten "Motiviert, qualifiziert und gesund arbeiten" und "Selbstbestimmtes Leben im Alter". Ein Thema liegt mir aufgrund meiner beruflichen Biografie besonders am Herzen: fachärztliche, speziell zahnärztliche Versorgung. Im Hinblick auf pflegebedürftige Menschen heißt es in Ihrem Antrag: Die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen kommen derzeit ihrem Versorgungsauftrag nur unzureichend nach. Im Anschluss daran fordern Sie - das ist aus meiner Sicht kaum zu glauben - im Widerspruch zur langen Tradition der ärztlichen Selbstverwaltung neue Konzepte, die die zahnärztliche Versorgung besser gewährleisten können. Ich glaube, dass es mitnichten nötig ist, solche Schritte zu ergreifen. Im Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz ist bereits festgelegt, dass das Aufsuchen von Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen im EBM als besondere zahnärztliche Leistung vergütet wird. Hierfür sind bei den GKV-Kassen Mehrausgaben in Millionenhöhe veranschlagt. Diese Mehrausgaben kommen den Pflegebedürftigen durch die verbesserte zahnärztliche Versorgung und bessere Mundgesundheit natürlich direkt zugute. Damit haben wir die zahnärztliche Versorgung und die Prophylaxe von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, deren Behandlungsbedarf bislang in der Tat deutlich zu wenig Berücksichtigung fand, erheblich verbessert. Man muss sich aber trotz allem fragen, welche Ziele Sie mit Ihrem Antrag zum jetzigen Zeitpunkt verfolgen. Wie ich soeben dargelegt habe, hat sich Ihr Kritikpunkt an der zahnärztlichen Versorgung von pflegebedürftigen Menschen, den Sie in Ihrem Antrag äußern, fast auf den Tag genau vor bereits einem Jahr mit der Verabschiedung des Pflege-Neuausrichtungs-Gesetzes erledigt. Neben diesem - gewissermaßen meinem persönlichen - Thema verweise ich an dieser Stelle noch einmal auf die bereits eingangs erwähnten weiteren Maßnahmen, die dieses Gesetz enthält. Da Ihr Antrag die Umsetzung von Maßnahmen fordert, die bereits längst angepackt sind, sehe ich auch überhaupt keinen Grund, diesem zuzustimmen. Was Sie hier machen, ist nichts anderes als der Versuch, Eulen nach Athen zu tragen. Auch handelt es sich nicht um eine geeignete Bestandsaufnahme möglicher Handlungsdefizite. Es ist - ganz einfach gesagt - ein weiterer Schatten, der aus Ihrem Kompetenzteam über die Realität geworfen wird. Dementsprechend werden wir diesen Antrag ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gestatten Sie mir, zum Abschluss darauf hinzuweisen, dass auch ich heute meine letzte Rede in diesem Parlament halte. Ich möchte mich für acht Jahre sehr angenehme Arbeit mit Ihnen allen bedanken. Ich habe viel lernen dürfen und sicherlich auch das eine oder andere mit gestalten und Wirklichkeit werden lassen können, für das ich hier angetreten bin. Ich habe in allen Fraktionen Freunde gefunden. Ich danke ganz besonders meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Christiane Rohrbach, Hildegard Niessen, Saskia Zink und Doris Scharnbach hier in Berlin und Laura Lass, Stefan Bartels und Heiner Schöne im Wahlkreis, die mich diese ganzen acht Jahre lang in großer Treue - es gab keine Wechsel beim Personal; das ist auch bedeutend - begleitet haben. Ohne sie wäre meine Arbeit hier nicht möglich gewesen. Des Weiteren möchte ich die sehr gute Zusammenarbeit in meiner Fraktion mit Jens Spahn, Michael Hennrich, Wolfgang Zöller, aber auch mit allen anderen während der letzten Legislaturperiode besonders betonen. Ich glaube, wir waren ein gutes Team. Ich wünsche euch für die nächste Legislaturperiode eine gute Hand und gute Ideen und uns allen hier im Parlament ein ausreichendes Maß an Gemeinsamkeit. Ganz herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Koschorrek, auch Ihnen danke ich im Namen des ganzen Hauses für die gute Zusammenarbeit und Ihr kollegiales Verhalten und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Beifall - Abg. Dr. Rolf Koschorrek [CDU/CSU] nimmt Glückwünsche entgegen) Das Wort hat jetzt der Kollege Stephan Stracke von der CDU/CSU-Fraktion. Stephan Stracke (CDU/CSU): Ein herzliches "Grüß Gott". Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind auf dem Weg in eine Gesellschaft des langen Lebens. Das können Sie in Ihren Familien und in Ihrem Freundeskreis tagtäglich erleben. Wer heute aus dem Berufsleben ausscheidet, der hat noch viele Jahre vor sich. Und ein immer größerer Teil dieser Jahre wird in guter Gesundheit verbracht. Die Gesundheit, die körperliche und seelische Verfasstheit haben einen großen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit. Aber es kommt immer auch auf die Lebenseinstellung und Lebensgestaltung des Einzelnen an. Deshalb ist für uns das Thema Prävention auch so wichtig. Gesundheitsförderung und Vorsorge betrifft alle Altersgruppen, auch unsere Seniorinnen und Senioren. Genau deshalb werden wir heute das Präventionsgesetz im Deutschen Bundestag verabschieden. (Elke Ferner [SPD]: Es geht um Pflege!) Wir stützen und unterstützen da, wo es notwendig ist und wo es um die konkreten Bedürfnisse jedes Einzelnen geht, wo es um Selbstbestimmung und Teilhabe geht. Besonders dann, wenn die Kräfte nachlassen und die gesundheitlichen Beeinträchtigungen zunehmen, bieten wir Hilfe und Unterstützung. Altwerden in Würde, das ist das zentrale Leistungsversprechen unseres Sozialstaates. Wir setzen dieses Versprechen um. Es war und ist immer eine unionsgeführte Bundesregierung, wenn es darum ging bzw. geht, Pflegebedürftigkeit abzusichern und die Menschlichkeit im Umgang miteinander in den Mittelpunkt zu stellen. Wir waren es, die 1995 die Pflegeversicherung eingeführt haben. Wir waren es, die den Grundsatz "Daheim vor stationär" gestärkt haben. Wir waren es, die in dieser Legislaturperiode erneut für Verbesserungen für die Menschen gesorgt haben. Wir werden es sein, die auch in Zukunft die Pflegeversicherung im Interesse der Menschen weiterentwickeln werden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Menschen vor Ort haben ein sehr gutes Gespür dafür, wer sich tatsächlich um die konkreten und ganz praktischen Anliegen und Dinge des Alltags kümmert (Mechthild Rawert [SPD]: Der Meinung sind wir auch!) und wer, wie die Opposition, nur davon spricht. 2,4 Millionen Menschen erhalten derzeit Leistungen aus der Pflegeversicherung. 2030 werden es weit über 3 Millionen Menschen sein. Immer mehr Menschen werden demenziell erkrankt sein. Jede zweite Frau, jeder dritte Mann wird von Demenz betroffen sein, so sagen uns die Experten. Wir haben dafür gesorgt, dass demenziell erkrankte Menschen bereits heute mehr Leistungen und mit der häuslichen Betreuung auch zielgenauere Leistungen erhalten. (Hilde Mattheis [SPD]: Durch Wiederholung wird es nicht wahrer!) 500 000 Pflegebedürftige profitieren davon. In der nächsten Wahlperiode werden wir den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff umsetzen. Kollege Wolfgang Zöller hat zusammen mit Klaus-Dieter Voß dazu eine Blaupause erstellt, auf der es aufzubauen gilt. Daheim alt zu werden, trotz Pflegebedürftigkeit in den eigenen vier Wänden zu wohnen, das ist der Wunsch vieler älterer Menschen. Dazu bedarf es der Unterstützung. Oftmals helfen die Angehörigen, der größte Sozialdienst Deutschlands. Sie helfen trotz der Doppelbelastung durch familiäre und berufliche Verpflichtungen. Deshalb haben wir dafür gesorgt, dass sich die Angehörigen einfacher eine Auszeit nehmen können und erstmals eine hälftige Fortzahlung des Pflegegeldes erhalten. Wir haben dafür gesorgt, dass sich die Rahmenbedingungen für Vorsorge- und Rehabilitationsangebote verbessert haben. Wir haben durch die Flexibilisierung von Leistungen im ambulanten Bereich dafür gesorgt, dass die Leistungen der Pflegedienste passgenauer werden. Die Pflege ist bei der Union, bei dieser Koalition in den besten Händen. Dies haben wir in der Vergangenheit unter Beweis gestellt. (Mechthild Rawert [SPD]: Sie haben nichts erreicht!) Wir werden auch in Zukunft mit dem festen Blick auf die Herausforderungen die pflegerische Versorgung der Menschen weiterentwickeln. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Der Kollege Erwin Rüddel hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Erwin Rüddel (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Botschaft des Expertenbeirats, den der Bundesgesundheitsminister eingesetzt hat, wird sicherlich eindeutig sein. Die Botschaft wird lauten: Wir brauchen eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung. (Hilde Mattheis [SPD]: Das ist ja entlarvend! Wir brauchen eine umfassende Reform in der Pflege!) Wir werden sie deshalb unmittelbar nach der Bundestagswahl in Angriff nehmen. Die Empfehlungen werden eine wichtige Handreichung für den Gesetzgeber sein. Der Begriff der Pflegebedürftigkeit ist neu zu definieren. Daran sind künftig die Leistungen der Pflegeversicherung auszurichten. Nach vorläufigen Schätzungen könnten künftig gut 200 000 Menschen zusätzlich Geld aus der Pflegekasse erhalten. Für bisherige Leistungsbezieher gäbe es in jedem Fall einen Bestandsschutz. Wir werden auf der Basis des Abschlussberichts die umfassendste Reform seit Einführung der Pflegeversicherung im Jahre 1995 zu beschließen haben. Die Pflegeversicherung wird künftig weit stärker als bisher für die Demenzkranken und deren Angehörige da sein. Dabei ist klar, dass dies nicht ohne finanziellen Mehraufwand gehen wird. Wir alle wissen aber, dass unsere Gesellschaft rasch altert und dass die Pflege in einer älter werdenden Gesellschaft teurer wird. Im Übrigen entspricht es unserem christlichen Verständnis, dass die Würde des Menschen in jeder Lebensphase der Ausgangspunkt allen politischen Handelns und aller Überlegungen sein muss. Das hat auch und gerade angesichts der Veränderung der Altersstruktur und der stetigen Zunahme der Zahl älterer Menschen zu gelten. Wir haben bereits seit Januar mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz zusätzliche Mittel für höhere Leistungen bereitgestellt, die Menschen mit Demenz, die zu Hause betreut werden, pflegenden Angehörigen und der Förderung neuer Wohngruppen zugutekommen. Pflegeleistungen können schon jetzt flexibler an konkrete Pflege- und Betreuungssituationen angepasst werden. Der Paradigmenwechsel, den uns der Expertenbeirat empfehlen wird, sollte sich allerdings nicht auf einen angemessenen Pflegebedürftigkeitsbegriff und eine Verbesserung der Betreuungsleistungen beschränken. Nach meiner Auffassung steht unser gesamtes Gesundheitssystem aufgrund der demografischen Entwicklung vor einer umfangreichen Neujustierung. Die medizinische Versorgung muss verstärkt auf die alternde Bevölkerung ausgerichtet werden. Das wird nach meiner Überzeugung neben einer umfangreichen Reform der Pflege eine zentrale Aufgabe der Gesundheitspolitik in der nächsten Legislaturperiode sein. Dabei gilt weiter der Grundsatz, alle Patienten gleich zu behandeln. Wir werden keinerlei altersdiskriminierende Muster zulassen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Alle Patienten in unserem Land müssen die medizinischen Leistungen erhalten, die notwendig sind. Konkret bedeutet das einen flächendeckenden Umbau des Systems, hin zu einer besseren Vernetzung der ambulanten und stationären Versorgung, zu gut ausgebildetem und ordentlich bezahltem Personal, zu einer weiteren Entlastung der Familien und einer angemessenen Wertschätzung von Pflege- und Betreuungsleistungen seitens der Gesellschaft. Ich plädiere gerade auch mit Blick auf ländliche Regionen dafür, künftig verstärkt auf Netzwerke zu setzen, wie medizinische Versorgungszentren, die die knapper werdenden Ärzteressourcen optimal einsetzen. Ferner müssen wir ein Auge darauf haben, das kleine bedarfsnotwendige Krankenhaus auf dem Land zu erhalten und, wenn nötig, zu fördern. Das gilt sowohl für die ambulante fachärztliche Versorgung als auch für die pflegerische Betreuung. Schließlich werden für Prävention und Behandlung ebenso wie für Rehabilitation und Pflege schon bald neue Technologien und Systeme eine breite Palette an Unterstützungs- und Hilfsangeboten bieten, Stichworte: Telemedizin, Nutzung digitaler Kommunikation, mobile Gesundheit, intelligentes Wohnen. Diese neue Technik wird zur Verbesserung der Lebensqualität und zu möglichst großer Selbstständigkeit alter, kranker und pflegebedürftiger Menschen beitragen und hat zudem das Potenzial, unser Gesundheitswesen und die Pflegeversicherung zu entlasten. Das sind die zentralen und dringendsten Aufgaben der nächsten Legislaturperiode und nicht die zum Teil abenteuerlichen Pläne, mit denen SPD, Grüne und Linke an unserem Gesundheitssystem herumdoktern wollen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Für eine umfassende Pflegereform - Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13319, den Antrag auf Drucksache 17/9977 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU und FDP. Dagegen hat die SPD-Fraktion gestimmt. Bündnis 90/Die Grünen und die Linke haben sich enthalten. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13760 mit dem Titel "Pflege-TÜV hat versagt - Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen". Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion und die Fraktion Die Linke. Die übrigen Fraktionen waren dagegen. Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 79 a bis h, 79 j bis qq und 79 ss bis eee sowie die Zusatzpunkte 5 a bis s auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist. Tagesordnungspunkt 79 a: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Ulla Jelpke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Wehrdisziplinarordnung - Drucksache 17/572 - Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuss) - Drucksache 17/4488 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Dr. Hans-Peter Bartels Burkhardt Müller-Sönksen Paul Schäfer (Köln) Katja Keul Der Verteidigungsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/4488, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/572 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt. Alle anderen Fraktionen waren dagegen. Damit entfällt die dritte Beratung. Tagesordnungspunkt 79 b: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bedarfsfestlegung des Baus oder Ausbaus von Bundesfernstraßen - Drucksache 17/7885 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - Drucksache 17/8838 - Berichterstattung: Abgeordneter Werner Simmling Der Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/8838, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/7885 abzulehnen. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Zustimmung durch Bündnis 90/Die Grünen und die Linke abgelehnt. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. CDU/CSU und FDP waren dagegen. Damit entfällt die dritte Beratung. Tagesordnungspunkt 79 c: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Markus Kurth, Volker Beck (Köln), Wolfgang Wieland, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wahlrecht - Drucksache 17/12068 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/13809 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Gabriele Fograscher Dr. Stefan Ruppert Ulla Jelpke Wolfgang Wieland Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13809, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12068 abzulehnen. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Zustimmung durch Bündnis 90/Die Grünen und Linke abgelehnt. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Die übrigen Fraktionen waren dagegen. Die dritte Beratung entfällt. Tagesordnungspunkt 79 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Verbesserung des Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen und Analphabeten - Drucksachen 17/12380, 17/13809 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Gabriele Fograscher Dr. Stefan Ruppert Ulla Jelpke Wolfgang Wieland Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12380 mit dem Titel "Verbesserung des Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen und Analphabeten". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen angenommen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 e: - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Ulrich Schneider, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung des aktiven Wahlrechts ab 16 Jahren im Bundeswahlgesetz und im Europawahlgesetz - Drucksache 17/13257 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Ingrid Hönlinger, Ulrich Schneider, Volker Beck (Köln), weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 38) - Drucksache 17/13238 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/13999 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Gabriele Fograscher Dr. Stefan Ruppert Ulla Jelpke Wolfgang Wieland Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13999, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13257 abzulehnen. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung bei Zustimmung durch die Oppositionsfraktionen abgelehnt. Dagegen waren die Koalitionsfraktionen. Der Innenausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13999, den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13238 abzulehnen. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Zugestimmt haben die Oppositionsfraktionen. Die Koalitionsfraktionen waren dagegen. Im Übrigen wäre hier eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Der Gesetzentwurf erfährt keine dritte Lesung. Tagesordnungspunkt 79 f: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Nicole Gohlke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes - Störerhaftung - Drucksache 17/11137 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) - Drucksache 17/14189 - Berichterstattung: Abgeordneter Andreas G. Lämmel Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14189, den Gesetzentwurf auf Drucksache 17/11137 abzulehnen. Wer stimmt dem Gesetzentwurf zu? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Die Gegenstimmen kamen von CDU/CSU und FDP. Zugestimmt haben die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Die dritte Beratung entfällt. Tagesordnungspunkt 79 g: Beratung des Antrags der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Katrin Werner, Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Unabhängige Untersuchungen von Menschenrechtsverletzungen durch Polizeibedienstete ermöglichen und unabhängiges Kontrollgremium schaffen - Drucksache 17/10685 - Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Dafür war die Fraktion Die Linke. Die übrigen Fraktionen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 h: Beratung des Antrags der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bundeseinheitliche Chip- und Registrierungspflicht für Welpen einführen - Drucksache 17/13934 - Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. CDU/CSU und FDP waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 j: Beratung des Antrags der Abgeordneten Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Den ökologischen Landbau stärken - Drucksache 17/14139 - Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt bei Zustimmung durch die einbringende Fraktion. SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Die Koalitionsfraktionen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 k: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Umstellung der Finanzierung von Neu- und Ausbauprojekten in Bundesschienenwege - Drucksachen 17/543, 17/3478 - Berichterstattung: Abgeordneter Ulrich Lange Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/3478, den Antrag auf Drucksache 17/543 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion Die Linke waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 l: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Kirsten Lühmann, Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Logistikstandort Deutschland stärken - Transport- und Güterverkehr nachhaltig gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Modellversuche mit Gigalinern beenden - Umweltorientierten Aktionsplan Güterverkehr und Logistik auf den Weg bringen - Drucksachen 17/3430, 17/3674, 17/5226 - Berichterstattung: Abgeordneter Thomas Jarzombek Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/3430 mit dem Titel "Logistikstandort Deutschland stärken - Transport- und Güterverkehr nachhaltig gestalten". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3674 mit dem Titel "Modellversuche mit Gigalinern beenden - Umweltorientierten Aktionsplan Güterverkehr und Logistik auf den Weg bringen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die Oppositionsfraktionen waren insgesamt dagegen. Tagesordnungspunkt 79 m: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die finanzielle Deckelung von Reha-Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung aufheben - Reha am Bedarf ausrichten - Drucksachen 17/6914, 17/8446 - Berichterstattung: Abgeordneter Peter Weiß (Emmendingen) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/8446, den Antrag auf Drucksache 17/6914 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 n: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz zum Bau der ICE-Neubaustrecke Wendlingen-Ulm herstellen - Drucksachen 17/9741, 17/10865 - Berichterstattung: Abgeordneter Werner Simmling Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/10865, den Antrag auf Drucksache 17/9741 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und Linke. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 o: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ursachen und Verantwortlichkeiten für das Berliner Flughafendebakel lückenlos aufklären - Chancen für besseren Lärmschutz nutzen - Drucksachen 17/9740, 17/10873 - Berichterstattung: Abgeordneter Torsten Staffeldt Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/10873, den Antrag auf Drucksache 17/9740 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Linke und Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 p: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Bettina Herlitzius, Daniela Wagner, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Städtebauliche Qualität des Regierungsviertels verbessern - Drucksachen 17/9171, 17/10981 - Berichterstattung: Abgeordneter Peter Götz Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/10981, den Antrag auf Drucksache 17/9171 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die CDU/CSU-Fraktion und FDP-Fraktion. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Bündnis 90/Die Grünen und Linke waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 q: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Willi Brase, Dr. Wilhelm Priesmeier, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Gutes Leben, Gute Innovationen, Gute Arbeit - Politik für ländliche Räume effektiv und effizient gestalten - Drucksachen 17/11031, 17/12744 - Berichterstattung: Abgeordnete Marlene Mortler Willi Brase Dr. Edmund Peter Geisen Alexander Süßmair Cornelia Behm Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12744, den Antrag auf Drucksache 17/11031 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 r: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Renate Künast, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufsichtsrat neu besetzen, Geschäftsführer entlassen und den Flughafen Berlin Brandenburg skandalfrei fertigstellen - Drucksachen 17/11168, 17/12785 - Berichterstattung: Abgeordneter Peter Wichtel Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12785, den Antrag auf Drucksache 17/11168 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Die Linke hat sich enthalten. Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 s: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Düngeverordnung novellieren - Drucksachen 17/10115, 17/13146 - Berichterstattung: Abgeordnete Alois Gerig Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Christel Happach-Kasan Alexander Süßmair Friedrich Ostendorff Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13146, den Antrag auf Drucksache 17/10115 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Die Koalitionsfraktionen waren dafür, die Oppositionsfraktionen dagegen. Tagesordnungspunkt 79 t: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Wilhelm Priesmeier, Willi Brase, Petra Crone, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Förderung des ökologischen Landbaus - Wachstumspotenziale in Deutschland für deutsche Produzenten erschließen - Drucksachen 17/10862, 17/13147 - Berichterstattung: Abgeordnete Hans-Georg von der Marwitz Heinz Paula Dr. Christel Happach-Kasan Alexander Süßmair Cornelia Behm Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13147, den Antrag auf Drucksache 17/10862 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Die Koalitionsfraktionen waren dafür, SPD und Bündnis 90/Die Grünen dagegen. Tagesordnungspunkt 79 u: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Markus Tressel, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Verkehrsträgerübergreifende Fahrgastrechte stärken - Drucksachen 17/11375, 17/13150 - Berichterstattung: Abgeordnete Marco Wanderwitz Marianne Schieder (Schwandorf) Judith Skudelny Jens Petermann Ingrid Hönlinger Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13150, den Antrag auf Drucksache 17/11375 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten haben sich SPD und Linke. Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen, die Koalitionsfraktionen dafür. Tagesordnungspunkt 79 v: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Uwe Beckmeyer, Sören Bartol, Bernhard Brinkmann (Hildesheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Deutschland braucht im ganzen Land einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Gregor Gysi, Sabine Leidig, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Bahn im Einklang mit dem Grundgesetz am Wohl der Allgemeinheit orientieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Anton Hofreiter, Winfried Hermann, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine konsequente Strukturreform der Deutschen Bahn AG - Drucksachen 17/4428, 17/4433, 17/4434, 17/13153 - Berichterstattung: Abgeordnete Ulrich Lange Werner Simmling Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4428 mit dem Titel "Deutschland braucht im ganzen Land einen verlässlichen und sicheren Schienenverkehr". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Die SPD-Fraktion war dagegen. Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4433 mit dem Titel "Die Bahn im Einklang mit dem Grundgesetz am Wohl der Allgemeinheit orientieren". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Die Fraktion Die Linke war dagegen. Es gab keine Enthaltungen. Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4434 mit dem Titel "Für eine konsequente Strukturreform der Deutschen Bahn AG". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dagegen hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gestimmt. Alle anderen waren dafür. Tagesordnungspunkt 79 w: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Karin Binder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE WHO-Tabakrahmenkonvention umsetzen - Vollständiges Tabakwerbeverbot einführen - Drucksachen 17/12838, 17/13368 - Berichterstattung: Abgeordnete Angelika Graf (Rosenheim) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13368, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12838 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten hat sich die Fraktion der SPD. Dagegen waren Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die Koalitionsfraktionen waren dafür. Tagesordnungspunkt 79 x: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Einrichtung einer Bundesfinanzpolizei als Wirtschafts- und Finanzermittlungsbehörde - Drucksachen 17/12708, 17/13802 - Berichterstattung: Abgeordnete Patricia Lips Dr. Barbara Höll Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13802, den Antrag auf Drucksache 17/12708 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen und Gegenstimmen der Fraktion Die Linke. Die Koalitionsfraktionen haben dafür gestimmt. Tagesordnungspunkt 79 y: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Cornelia Behm, Tabea Rößner, Harald Ebner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ländliche Räume als Lebensräume bewahren und zukunftsfähig gestalten - Drucksachen 17/13490, 17/13997 - Berichterstattung: Abgeordnete Marlene Mortler Willi Brase Dr. Edmund Peter Geisen Alexander Süßmair Cornelia Behm Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13997, den Antrag auf Drucksache 17/13490 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dafür haben die Koalitionsfraktionen gestimmt, dagegen Bündnis 90/Die Grünen. SPD und Linke haben sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 z: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Auf europäischer Ebene ein betrugssicheres, transparentes und bürokratiearmes Mehrwertsteuersystem schaffen - Drucksachen 17/12065, 17/14006 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Sabine Bätzing-Lichtenthäler Dr. Thomas Gambke Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14006, den Antrag auf Drucksache 17/12065 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Linke. Enthalten hat sich die SPD-Fraktion. Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 aa: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, Sabine Leidig, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wirksame Anreize für klimafreundlichere Firmenwagen - zu dem Antrag der Abgeordneten Lisa Paus, Dr. Thomas Gambke, Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Dienstwagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient ausrichten - Drucksachen 17/9149, 17/8462, 17/14011 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Annette Sawade Dr. Barbara Höll Lisa Paus Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9149 mit dem Titel "Wirksame Anreize für klimafreundlichere Firmenwagen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Dagegen war die Fraktion Die Linke. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8462 mit dem Titel "Dienstwagenprivileg abbauen und Besteuerung CO2-effizient ausrichten". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 bb: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Tabea Rößner, Memet Kilic, Dr. Tobias Lindner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit einem Nationalen Aktionsplan die Chancen des demografischen Wandels ergreifen - Drucksachen 17/13246, 17/14012 - Berichterstattung: Abgeordnete Katharina Landgraf Franz Müntefering Nicole Bracht-Bendt Heidrun Dittrich Ekin Deligöz Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14012, den Antrag auf Drucksache 17/13246 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen. SPD und Linke haben sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 cc: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Obdach- und Wohnungslosigkeit erkennen und bekämpfen - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Dr. Kirsten Tackmann, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern - Gemeinnützigen Wohnungswirtschaftssektor entwickeln - Drucksachen 17/13105, 17/13552, 17/14013 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl Holmeier Gero Storjohann Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13105 mit dem Titel "Obdach- und Wohnungslosigkeit erkennen und bekämpfen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Die Koalitionsfraktionen waren dafür, die Oppositionsfraktionen dagegen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13552 mit dem Titel "Bedarfsgerechtes Wohnen dauerhaft sichern - Gemeinnützigen Wohnungswirtschaftssektor entwickeln". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD. Dagegen war die Fraktion Die Linke. Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 dd: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Christel Humme, Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Rechte intersexueller Menschen stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Diana Golze, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren - zu dem Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren - zu der Unterrichtung durch den Deutschen Ethikrat Stellungnahme des Deutschen Ethikrates Intersexualität - Drucksachen 17/13253, 17/12859, 17/12851, 17/9088, 17/14014 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Peter Tauber Christel Humme Sibylle Laurischk Cornelia Möhring Monika Lazar Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13253 mit dem Titel "Rechte intersexueller Menschen stärken". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12859 mit dem Titel "Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12851 mit dem gleichlautenden Titel wie bei der Abstimmung zuvor, nämlich "Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Linke und Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss, die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Intersexualität auf Drucksache 17/9088 zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 79 ee: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, Bettina Herlitzius, Oliver Krischer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Atomrisiken ernst nehmen - Auch in Bezug auf die nahe liegenden Atomkraftwerke in Belgien - Drucksachen 17/13491, 17/14027 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Michael Paul Marco Bülow Angelika Brunkhorst Dorothée Menzner Sylvia Kotting-Uhl Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14027, den Antrag auf Drucksache 17/13491 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 ff: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Stefan Schwartze, Gabriele Fograscher, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, Claudia Roth (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Anerkennung der an den ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen begangenen Verbrechen als nationalsozialistisches Unrecht und Gewährung eines symbolischen finanziellen Anerkennungsbetrages für diese Opfergruppe - Drucksachen 17/13710, 17/14056 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Martin Gerster Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14056, den Antrag auf Drucksache 17/13710 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 gg: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Tourismus (20. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Gabriele Hiller-Ohm, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Ausbildungssituation im Hotel- und Gaststättengewerbe verbessern - Drucksachen 17/13549, 17/14088 - Berichterstattung: Abgeordnete Marlene Mortler Gabriele Hiller-Ohm Horst Meierhofer Dr. Ilja Seifert Markus Tressel Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14088, den Antrag auf Drucksache 17/13549 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; Bündnis 90/Die Grünen und SPD waren dagegen; die Linke hat sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 hh: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Tourismus (20. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Elvira Drobinski-Weiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Barrierefreier Zugang zu Großveranstaltungen und Reisen - Drucksachen 17/13550, 17/14090 - Berichterstattung: Abgeordnete Marlene Mortler Hans-Joachim Hacker Jens Ackermann Dr. Ilja Seifert Markus Tressel Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14090, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13550 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Linke; dagegen waren SPD und Bündnis 90/Die Grünen; enthalten hat sich niemand. Tagesordnungspunkt 79 ii: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe (17. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Wolfgang Gunkel, Ullrich Meßmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Klimawandel gefährdet Menschenrechte - Drucksachen 17/13755, 17/14183 - Berichterstattung: Abgeordnete Jürgen Klimke Angelika Graf (Rosenheim) Marina Schuster Annette Groth Tom Koenigs Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14183, den Antrag auf Drucksache 17/13755 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und SPD; enthalten hat sich die Fraktion Die Linke. Tagesordnungspunkt 79 jj: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Tack, Elvira Drobinski-Weiß, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Verbraucherinnen und Verbraucher stärken - Marktwächter einführen - Drucksachen 17/13709, 17/14199 - Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Kerstin Tack Dr. Erik Schweickert Caren Lay Nicole Maisch Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14199, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13709 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten hat sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen; dagegen waren SPD und Linke; die Koalitionsfraktionen waren dafür. Tagesordnungspunkt 79 kk: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderung menschenrechtskonform gestalten - Drucksachen 17/12712, 17/14093 - Berichterstattung: Abgeordnete Maria Michalk Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14093, den Antrag auf Drucksache 17/12712 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke angenommen durch die Zustimmung der Koalitionsfraktionen. Tagesordnungspunkt 79 ll: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Tom Koenigs, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Aufnahme afghanischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bundeswehr in Deutschland - Drucksachen 17/13729, 17/14180 - Berichterstattung: Abgeordnete Clemens Binninger Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Josef Philip Winkler Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14180, den Antrag auf Drucksache 17/13729 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten hat sich die Fraktion Die Linke; dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und SPD; die Koalitionsfraktionen waren dafür. Tagesordnungspunkt 79 mm: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Josef Philip Winkler, Brigitte Pothmer, Arfst Wagner (Schleswig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fortführung der arbeitsmarktlichen Unterstützung für Bleibeberechtigte und Flüchtlinge in der nächsten Förderungsperiode des Europäischen Sozialfonds - Drucksachen 17/13718, 17/14064 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Peter Tauber Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14064, den Antrag auf Drucksache 17/13718 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Die Enthaltungen! - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Die Koalitionsfraktionen waren dafür; die Oppositionsfraktionen dagegen. Tagesordnungspunkt 79 nn: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, Martin Burkert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kommunen die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen ermöglichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schaffung von Rechtssicherheit für Carsharing-Stationen und Elektrofahrzeug-Stellplätze - Drucksachen 17/781, 17/3208, 17/14089 - Berichterstattung: Abgeordnete Thomas Jarzombek Werner Simmling Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 17/14089. Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/781 mit dem Titel "Kommunen die Einrichtung von Carsharing-Stellplätzen ermöglichen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die Oppositionsfraktionen waren gemeinsam dagegen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/3208 mit dem Titel "Schaffung von Rechtssicherheit für Carsharing-Stationen und Elektrofahrzeug-Stellplätze". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dafür waren die Koalitionsfraktionen, dagegen die Oppositionsfraktionen. Tagesordnungspunkt 79 oo: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Dr. Anton Hofreiter, Bettina Herlitzius, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neustart für ein europäisches Zugsicherungssystem - Drucksachen 17/10844, 17/14092 - Berichterstattung: Abgeordneter Ulrich Lange Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14092, den Antrag auf Drucksache 17/10844 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Enthaltung der SPD-Fraktion; dagegen waren Linke und Bündnis 90/Die Grünen; die Koalitionsfraktionen waren dafür. Tagesordnungspunkt 79 pp: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Gottschalck, Sören Bartol, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Neue Impulse für die Förderung des Radverkehrs setzen - Den Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten - zu dem Antrag der Abgeordneten Stephan Kühn, Markus Tressel, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Nationalen Radverkehrsplan 2020 zum ambitionierten Aktionsplan der Radverkehrsförderung weiterentwickeln - Drucksachen 17/11000, 17/11357, 17/14086 - Berichterstattung: Abgeordnete Gero Storjohann Torsten Staffeldt Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung auf Drucksache 17/14086. Unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11000 mit dem Titel "Neue Impulse für die Förderung des Radverkehrs setzen - Den Nationalen Radverkehrsplan 2020 überarbeiten". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Dagegen waren die Oppositionsfraktionen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11357 mit dem Titel "Nationalen Radverkehrsplan 2020 zum ambitionierten Aktionsplan der Radverkehrsförderung weiterentwickeln". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Enthaltung der SPD; dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und Linke; dafür waren CDU/CSU und FDP. Tagesordnungspunkt 79 qq: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Matthias Miersch, Dirk Becker, Marco Bülow, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Monitoring für versenkte Atommüllfässer im Atlantik sicherstellen und Maßnahmen gegen weitere Strahlenexposition einleiten - Drucksachen 17/7633, 17/14177 - Berichterstattung: Abgeordnete Ingbert Liebing Marco Bülow Angelika Brunkhorst Ralph Lenkert Sylvia Kotting-Uhl Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14177, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/7633 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/CSU und FDP. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke waren dagegen. Tagesordnungspunkt 79 ss: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion der SPD Lehren aus der Atomkatastrophe in Fukushima ziehen - Drucksachen 17/12688, 17/14178 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Georg Nüßlein Marco Bülow Angelika Brunkhorst Ralph Lenkert Sylvia Kotting-Uhl Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14178, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12688 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten hat sich die Fraktion Die Linke. Dagegen waren SPD und Grüne. Dafür waren die Koalitionsfraktionen. Tagesordnungspunkt 79 tt: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wildtierhandel und -haltung in Deutschland einschränken und so den Tier- und Artenschutz stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Stüber, Alexander Süßmair, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Tier- und Artenschutz durch Beschränkung des Wildtierhandels stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Dr. Matthias Miersch, Dirk Becker, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Wildtierhandel und -haltung in Deutschland einschränken und so den Tier- und Artenschutz stärken - Drucksachen 17/13712, 17/13713, 17/12386, 17/14087 - Berichterstattung: Abgeordnete Josef Göppel Dr. Matthias Miersch Angelika Brunkhorst Sabine Stüber Undine Kurth (Quedlinburg) Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf Drucksache 17/14087. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13712 mit dem Titel "Wildtierhandel und -haltung in Deutschland einschränken und so den Tier- und Artenschutz stärken". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dafür waren CDU/CSU und FDP, dagegen SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13713 mit dem Titel "Tier- und Artenschutz durch Beschränkung des Wildtierhandels stärken". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten hat sich die Fraktion der SPD. Die Koalitionsfraktionen waren dafür. Dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12386 mit dem Titel "Wildtierhandel und -haltung in Deutschland einschränken und so den Tier- und Artenschutz stärken" für erledigt zu erklären. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig und ist somit angenommen. Tagesordnungspunkt 79 uu: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anton Schaaf, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Richtlinien zur konzerninternen Entsendung und zur Saisonarbeit sozial gerecht gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Alexander Ulrich, Sevim Dagdelen, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung (KOM[2010] 378 endg.; Ratsdok. 12211/10) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Vorschlag der Europäischen Kommission zur Konzernentsenderichtlinie zurückweisen - zu dem Antrag der Abgeordneten Sevim Dagdelen, Alexander Ulrich, Jan van Aken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung (KOM[2010] 379 endg.; Ratsdok. 12208/10) hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Vorschlag der Europäischen Kommission zur Saisonarbeiterrichtlinie zurückweisen - zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Beate Müller-Gemmeke, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen im Rahmen einer konzerninternen Entsendung (KOM[2010] 378 endg.; Ratsdok. 12211/10) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Richtlinie zur konzerninternen Entsendung grundsätzlich überarbeiten - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Fritz Kuhn, Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Vorschlägen der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zwecks Ausübung einer saisonalen Beschäftigung (KOM[2010] 379 endg.) hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes i. V. m. § 9 Absatz 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union Rechte der Saisonarbeitskräfte stärken - Drucksachen 17/4190, 17/4039, 17/4045, 17/4885, 17/5234, 17/14182 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Memet Kilic Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 17/14182. Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/4190 mit dem Titel "Richtlinien zur konzerninternen Entsendung und zur Saisonarbeit sozial gerecht gestalten". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünen und SPD ist die Beschlussempfehlung durch Zustimmung von CDU/CSU und FDP angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4039 mit dem Titel "Vorschlag der Europäischen Kommission zur Konzernentsenderichtlinie zurückweisen". Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen; dagegen war die Fraktion Die Linke; die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4045 mit dem Titel "Vorschlag der Europäischen Kommission zur Saisonarbeiterrichtlinie zurückweisen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung von CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen; dagegen war die Fraktion Die Linke; die SPD-Fraktion hat sich enthalten. Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4885 mit dem Titel "Richtlinie zur konzerninternen Entsendung grundsätzlich überarbeiten". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dafür waren die Koalitionsfraktionen; enthalten haben sich SPD und Linke; Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/5234 mit dem Titel "Rechte der Saisonarbeitskräfte stärken". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Dafür haben die Koalitionsfraktionen gestimmt, dagegen die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. SPD und Linke haben sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 vv: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2011 - Vorlage der Haushaltsrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2011 - - zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2011 - Vorlage der Vermögensrechnung des Bundes für das Haushaltsjahr 2011 - - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes (einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung 2011) - zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2012 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes - Weitere Prüfungsergebnisse - - Drucksachen 17/9908, 17/9909, 17/11330, 17/12990, 17/14149 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Luther Ich komme zur Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 17/14149. Unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung schlägt der Haushaltsausschuss die Erteilung der Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2011 vor. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Haushaltsausschuss, die Bundesregierung aufzufordern, a) bei der Aufstellung und Ausführung der Bundeshaushaltspläne die Feststellungen des Haushaltsausschusses zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes zu befolgen, b) Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Ausschusses einzuleiten oder fortzuführen und c) die Berichtspflichten fristgerecht zu erfüllen, damit eine zeitnahe Verwertung der Ergebnisse bei den Haushaltsberatungen gewährleistet ist. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig und ist damit angenommen. Tagesordnungspunkt 79 ww: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2012 - Einzelplan 20 - - Drucksachen 17/13640, 17/14150 - Berichterstattung: Abgeordnete Rüdiger Kruse Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Dr. Claudia Winterstein Michael Leutert Sven-Christian Kindler Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses auf Drucksache 17/14150. Wer stimmt für Nr. 1 der Beschlussempfehlung, also die Feststellung der Erfüllung der Vorlagepflicht? - Dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig. Wer stimmt für Nr. 2 der Beschlussempfehlung, also die Erteilung der Entlastung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig. Tagesordnungspunkt 79 xx: Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) Übersicht 9 über die dem Deutschem Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht - Drucksache 17/14152 - Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Das war einstimmig. Tagesordnungspunkt 79 yy: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu Streitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gegen das Fünfte Gesetz zur Änderung des Europawahlgesetzes - Drucksache 17/14153 - Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, in dem Streitverfahren Stellung zu nehmen und den Präsidenten zu bitten, Rechtsanwalt Professor Dr. Christofer Lenz als Prozessbevollmächtigten zu bestellen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Alle anderen waren dafür. Jetzt kommen wir zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Tagesordnungspunkt 79 zz: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 608 zu Petitionen - Drucksache 17/13918 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das war einstimmig; die Sammelübersicht ist angenommen. Tagesordnungspunkt 79 aaa: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 609 zu Petitionen - Drucksache 17/13919 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 79 bbb: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 610 zu Petitionen - Drucksache 17/13920 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD; dagegen war die Fraktion Die Linke; Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Tagesordnungspunkt 79 ccc: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 611 zu Petitionen - Drucksache 17/13921 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen. Dagegen haben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke gestimmt. SPD, CDU/CSU und FDP waren dafür. Tagesordnungspunkt 79 ddd: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 612 zu Petitionen - Drucksache 17/13922 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD; dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Es ist nachzutragen, dass zur Sammelübersicht 611 eine Reihe von Erklärungen gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung vorliegen.1 Ich komme zu Tagesordnungspunkt 79 eee: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 613 zu Petitionen - Drucksache 17/13923 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und Gegenstimmen von den Oppositionsfraktionen ist die Sammelübersicht so angenommen. Zusatzpunkt 5 a: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz - BUK-NOG) - Drucksache 17/12297 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - Drucksache 17/13808 - Berichterstattung: Abgeordnete Miriam Gruß Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13808, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12297 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer stimmt dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zu? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Die Oppositionsfraktionen haben sich enthalten. Die Koalitionsfraktionen waren dafür. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, möge sich erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie vorher angenommen. Zusatzpunkt 5 b: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Drucksache 17/13662 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - Drucksache 17/14202 - Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14202, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/13662 in der Ausschussfassung anzunehmen. Wer will dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung einstimmig angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dafür ist, möge sich erheben. - Die Gegenstimmen! - Die Enthaltungen! - Auch in dritter Beratung ist der Gesetzentwurf einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 5 c: Beratung der Beschlussempfehlung und Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates KOM(2011) 451 endg.; Ratsdok. 13195/11 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Drucksachen 17/6985 Nr. A.58, 17/11847 - Berichterstattung: Abgeordnete Kirsten Lühmann Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes anzunehmen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich enthalten; alle anderen waren dafür. Zusatzpunkt 5 d: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Paket "Verkehrssicherheit" Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die regelmäßige technische Überwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/40/EG KOM(2012) 380 endg.; Ratsdok. 12786/12 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Drucksachen 17/10710 Nr. A.53, 17/13165 - Berichterstattung: Abgeordneter Gero Storjohann Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung gemäß Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes anzunehmen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Enthalten hat sich Bündnis 90/Die Grünen. Alle anderen waren dafür. Zusatzpunkt 5 e: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Sportausschusses (5. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Wolfgang Wieland, Daniela Wagner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rente für Dopingopfer in der DDR - Drucksachen 17/12393, 17/14016 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Riegert Martin Gerster Dr. Lutz Knopek Jens Petermann Viola von Cramon-Taubadel Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14016, den Antrag auf Drucksache 17/12393 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und die SPD. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen war dagegen. Die Fraktion Die Linke hat sich enthalten. Wir kommen zu Zusatzpunkt 5 f: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Priska Hinz (Herborn), Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparente Kriterien und verbindliche Rahmenbedingungen schaffen für die Bundesförderung von kulturellen Institutionen und Projekten - Drucksachen 17/12196, 17/14057 - Berichterstattung: Abgeordnete Siegmund Ehrmann Reiner Deutschmann Dr. Lukrezia Jochimsen Agnes Krumwiede Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14057, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12196 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Enthaltung der SPD-Fraktion; dagegen waren Linke und Bündnis 90/Die Grünen; die Koalitionsfraktionen waren dafür. Zusatzpunkt 5 g: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ute Koczy, Uwe Kekeritz, Thilo Hoppe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit - Partnerschaft für eine menschenrechtsbasierte nachhaltige Entwicklung - Drucksachen 17/13728, 17/14065 - Berichterstattung: Abgeordnete Sibylle Pfeiffer Stefan Rebmann Joachim Günther (Plauen) Annette Groth Ute Koczy Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14065, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13728 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke, Gegenstimmen von SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen und Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen. Zusatzpunkt 5 h: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Aydan Özoguz, Daniela Kolbe (Leipzig), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Einrichtung eines Zentrums für Alevitische Studien fördern - Drucksachen 17/5517, 17/14104 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Swen Schulz (Spandau) Patrick Meinhardt Dr. Petra Sitte Krista Sager Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14104, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/5517 abzulehnen. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Zusatzpunkt 5 i: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Renate Künast, Undine Kurth (Quedlinburg), Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Haltung von Delfinen beenden - Drucksachen 17/12657, 17/13847 - Berichterstattung: Abgeordnete Dieter Stier Heinz Paula Hans-Michael Goldmann Alexander Süßmair Undine Kurth (Quedlinburg) Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13847, den Antrag auf Drucksache 17/12657 abzulehnen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Mein Lieber!) - Das ist hier eine ernste Angelegenheit, Herr Kauder. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Da freut sich der Delfin aber!) Wer stimmt für die Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen und die SPD; dagegen waren Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Jetzt kommen wir zu weiteren Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses. Zusatzpunkt 5 j: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 614 zu Petitionen - Drucksache 17/14164 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 5 k: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 615 zu Petitionen - Drucksache 17/14165 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 5 l: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 616 zu Petitionen - Drucksache 17/14166 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD; die Linke war dagegen; Bündnis 90/Die Grünen haben sich enthalten. Zusatzpunkt 5 m: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 617 zu Petitionen - Drucksache 17/14167 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 5 n: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 618 zu Petitionen - Drucksache 17/14168 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen. Dagegen hat die Fraktion Die Linke gestimmt. Alle anderen waren dafür. Zusatzpunkt 5 o: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 619 zu Petitionen - Drucksache 17/14169 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die SPD-Fraktion war dagegen. Alle übrigen waren dafür. Die Sammelübersicht ist angenommen. Zusatzpunkt 5 p: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 620 zu Petitionen - Drucksache 17/14170 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und SPD; Bündnis 90/Die Grünen und Linke waren dagegen; es gab keine Enthaltungen. Zusatzpunkt 5 q: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 621 zu Petitionen - Drucksache 17/14171 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Linke; dagegen waren Bündnis 90/Die Grünen und SPD. Zusatzpunkt 5 r: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 622 zu Petitionen - Drucksache 17/14172 - Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch CDU/CSU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen; dagegen waren SPD und Linke. Zusatzpunkt 5 s: Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) Sammelübersicht 623 zu Petitionen - Drucksache 17/14173 - Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Sammelübersicht ist angenommen bei Zustimmung durch die Koalitionsfraktionen; die Oppositionsfraktionen waren dagegen. Ich rufe jetzt die Zusatzpunkte 6 bis 11 auf. Zusatzpunkt 6: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Zweiten Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) - Drucksachen 17/11471 (neu), 17/13537, 17/13879, 17/14120 - Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Das gilt auch für die noch folgenden fünf Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/14120? - Die Gegenprobe! - Die Enthaltungen! - Die Beschlussempfehlung ist damit angenommen bei Ablehnung der Fraktion Die Linke und Zustimmung aller übrigen Fraktionen. Zusatzpunkt 7: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Sechzehnten Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes - Drucksachen 17/11293, 17/11873, 17/12526, 17/12924, 17/14121 - Berichterstattung: Abgeordneter Michael Grosse-Brömer Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/14121? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 8: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/.../EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. .../2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD-IV-Umsetzungsgesetz) - Drucksachen 17/10974, 17/11474, 17/13524, 17/13541, 17/13876, 17/14122 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Michael Meister Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/14122? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Zustimmung aller übrigen Fraktionen ist dies angenommen.2 Zusatzpunkt 9: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Verwaltungsvereinfachung in der Kinder- und Jugendhilfe (Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetz - KJVVG) - Drucksachen 17/13023, 17/13531, 17/13875, 17/14123 - Berichterstattung: Abgeordneter Karl Schiewerling Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist wiederum einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 10: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz über die Gewährung eines Altersgelds für freiwillig aus dem Bundesdienst ausscheidende Beamte, Richter und Soldaten - Drucksachen 17/12479, 17/13132, 17/13135, 17/13878, 17/14124 - Berichterstattung: Abgeordneter Jörg van Essen Wir kommen zur Abstimmung. Wer ist für die Beschlussempfehlung? - Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Zusatzpunkt 11: Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze - Drucksachen 17/12636, 17/13452, 17/13454, 17/13881, 17/14125 - Berichterstattung: Abgeordneter Michael Grosse-Brömer Der Kollege Michael Grosse-Brömer hat gebeten, im Rahmen seiner Berichterstattung eine Protokollerklärung der Bundesregierung zu Protokoll zu nehmen.3 Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 17/14125? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der Fraktion Die Linke und Zustimmung aller übrigen Fraktionen ist diese Beschlussempfehlung angenommen. Damit ist auch mein Monovortrag beendet. (Beifall im ganzen Hause - Otto Fricke [FDP]: Aber er war nett! - Iris Gleicke [SPD]: Genau 40 Minuten!) - Es waren 40 Minuten Vorlesung. Das schafft man sonst nur abends bei den Kindern. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 12 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD Wahlversprechen von CDU/CSU - Mögliche Risiken auf die Haushalte von Bund und Ländern Ich gebe das Wort dem Kollegen Dr. Frank-Walter Steinmeier für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Oh, der Ärmste, was der alles machen muss!) Dr. Frank-Walter Steinmeier (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wie habt ihr bei der Hochwasserhilfe abgestimmt?) - Das werden Sie nachher noch zu hören bekommen. - "Merkels Märchenstunde", so hatten wir die Aktuelle Stunde heute in unserem Antrag überschrieben. Ich bin fast froh, dass die Bundestagsverwaltung das anders entschieden und nicht zugelassen hat; denn es wäre eine hoffnungslose Untertreibung gewesen. Worum es in dieser Aktuellen Stunde geht, ist nicht Märchenstunde, sondern Wahlbetrug mit Ansage. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da will man 4 Milliarden Euro für Steuersenkungen ausgeben, dort 20 Milliarden Euro für Rentenversprechen, hier ein bisschen Kinderfreibetrag, dort ein bisschen Kindergeld, 25 Milliarden Euro für irgendein Infrastrukturprogramm. Merkels Füllhorn ist unerschöpflich. Alles zusammen macht eine Belastung für die öffentlichen Haushalte von knapp unter 50 Milliarden Euro aus - und das Ganze ohne einen einzigen Cent Gegenfinanzierung. Das ist dreist! Das ist unseriös! So darf man die Menschen auch im Wahljahr nicht hinter die Fichte führen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Noch skandalöser als das Füllhorn selbst finde ich allerdings, was Sie zur Rechtfertigung des Geschenkekatalogs sagen. Sie faseln etwas von Steuermehreinnahmen in den nächsten Jahren. Dabei wissen Sie genau, dass die europäische Krise auch bei uns ihre Spuren zieht. Glauben Sie wirklich, dass, wenn der Rest Europas keine Autos mehr kauft, Daimler dann mehr Steuern zahlt? Für wie dumm wollen Sie die Menschen eigentlich verkaufen? Die Steuereinnahmen werden in den nächsten Jahren runter und nicht hoch gehen. Darauf hat die Politik die Menschen vorzubereiten. Das wäre Verantwortung, und die haben Sie nicht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Noch unglaublicher finde ich die Rechtfertigung bei der Rente. Da wird im Zusammenhang mit den Geschenken, die da angekündigt werden, gesagt, es seien ja wieder Reserven da. Ich fasse das gar nicht! Aber genau so denken Sie. Am Ende von Schwarz-Gelb der 90er-Jahre haben Sie genauso gedacht und genauso gehandelt. Als Sie 1998 miteinander fertig waren, waren die Rentenkassen leer. Wir haben das wieder in Ordnung gebracht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Drei Jahre Reserve!) Reserven sind dank gesunkener Arbeitslosenzahlen wieder da. Sie kommen jetzt wieder auf dieselbe Tour. Statt den Menschen die Wahrheit zu sagen: Rollgriff in die Rentenkasse. Das werden wir nicht zulassen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Unglaublich, ohne rot zu werden!) Herr Steinbrück hat es Ihnen heute Morgen gesagt, und Sie sind stumm geblieben. Was wird von Ihrer gemeinsamen Regierung an Weichenstellungen und Entscheidungen für die Zukunft bleiben? Nichts! Und recht hat Herr Steinbrück. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie werden Opposition bleiben! - Gegenruf des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP]: Er geht nach Brandenburg!) - Mit Sicherheit nicht, Herr Kollege Kauder. - Ich bin aber noch nicht ganz fertig. Neben den Rechtfertigungen für diese Geschenkangebote, die ich skandalös finde, setzt dem Ganzen die Krone auf, dass Sie selbst keine einzige Minute daran glauben, dass aus diesem famosen Programm irgendwann bzw. jemals Politik wird. Mit entwaffnender Offenheit hat es eben erst der Vorsitzende Ihres Wirtschaftsrates, Herr Lauk, gesagt. Er sagte: Das sind Wahlversprechen, die werden am 23. September sowieso wieder kassiert. In diesem Punkt hat Herr Lauk recht. Sie sind nämlich schon erwischt. In dem Haushaltsentwurf von gestern taucht keine einzige dieser Maßnahmen auf. Deshalb, Herr Finanzminister, Herr Schäuble, seien Sie ehrlich, sagen Sie hier ganz offen: Nichts davon wird kommen, weil alles nur Stoff für die Wahlkampfdrogen ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hoffen Sie in diesem Zusammenhang nicht auf mildernde Umstände, denn Sie sind keine Ersttäter. Sie sind Wiederholungstäter. Im letzten Bundestagswahlkampf 2009 haben Sie 24 Milliarden Euro an Steuersenkungen in Aussicht gestellt. Was ist davon gekommen? Nichts, außer der verkorksten Mövenpick-Steuer. (Dr. Andreas Schockenhoff [CDU/CSU]: Stimmt überhaupt nicht!) Diesmal stellen Sie Wahlgeschenke von knapp 50 Milliarden Euro ins Schaufenster; aber das Geschäft bleibt wieder geschlossen, und Sie hoffen einfach, dass die Menschen ein kurzes Gedächtnis haben und sich nicht erinnern. Ich sage Ihnen: Diese Rechnung wird nicht aufgehen, und wir miteinander werden dazu beitragen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE] - Volker Kauder [CDU/CSU]: Wo ist denn Frau Nahles?) Noch 87 Tage bis zur Bundestagswahl - Zeit genug, um den Menschen die Augen zu öffnen (Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, dann machen Sie mal!) und über Ihr sogenanntes Wahlprogramm zu reden. Ich zitiere: "128 Seiten für die Tonne". Das stand im Stern. So urteilen fast alle Kommentatoren. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Da ging es wohl um das SPD-Wahlprogramm!) So in etwa sagt es auch Ihr Lieblingskoalitionspartner, die FDP. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Und Steinbrück sitzt schon in der Tonne!) Wo so viel Einigkeit ist, lieber Herr Kauder, sage auch ich: In die Tonne mit diesem Programm! Ein Regierungsprogramm wird bei Ihnen sowieso keiner vermissen; denn Sie werden nicht mehr regieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh, oh, oh! - Peinlich! - Gegenruf des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Tja, ihr müsst damit leben! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Du tust mir leid! Du kannst das ja eigentlich besser! - Iris Gleicke [SPD]: Ihre Zwischenrufe entlarven Sie! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Spaßbremse!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Hermann Gröhe hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Hermann Gröhe (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Steinmeier, nachdem ich Sie und heute Morgen Peer Steinbrück gehört habe, frage ich Sie: Glauben Sie eigentlich wirklich, durch solch peinliches Gebrüll aus dem Tief zu kommen? Glauben Sie das wirklich? (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sagt ja der Richtige!) Sie irren sich; aber jeder wählt seinen eigenen Stil. Mein Stil sagt mir, dass ich der Opposition heute erst einmal zu danken habe. Danke, dass Sie uns die Gelegenheit geben, hier über unser Regierungsprogramm zu diskutieren! (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Genau! - Dagmar Ziegler [SPD]: Gerne!) Wir tun dies sehr gerne. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wenn diese Debatte dazu beiträgt, dass sich die Menschen dafür interessieren, was in unserem Programm steht, (Dagmar Ziegler [SPD]: Das hoffen wir!) dann haben Sie ihnen einen guten Dienst erwiesen. Denn dann werden sie merken, dass Ihre Verzerrungen nichts mit der Substanz des Programms zu tun haben. (Mechthild Rawert [SPD]: Fangen Sie erst mal an, es Ihren Mitgliedern zu erklären!) Es war eben übrigens die pure Unwahrheit, zu unterschlagen, dass am Beginn dieser Legislaturperiode eine massive Steuerentlastung für Familien, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und den Mittelstand gestanden hat. Das verschweigen Sie, und das ist unwahrhaftig. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Davon hat nur keiner was gemerkt!) Nun zum Inhalt unseres Programms. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Ihr Programm gehört schon zum nächsten Tagesordnungspunkt! Da geht es um unseriöse Praktiken!) Damit Klarheit herrscht: Die Leitentscheidungen des Programms haben wir nach intensiver Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes und leidenschaftlichen Diskussionen auf unseren Parteitagen getroffen: für Haushaltskonsolidierung und gegen Steuererhöhungen, für Prioritäten bei Bildung, Forschung, Infrastruktur und Familien. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Wann hat das denn alles stattgefunden?) Ich sage sehr deutlich: Wir sind auch für die Mütterrente. Für uns ist das nämlich eine Gerechtigkeitsfrage und nicht, wie bei Ihnen, eine Frage purer Taktik. (Dagmar Ziegler [SPD]: Dann hätten Sie das schon längst machen können!) Da sagt Andrea Nahles: "Mütterrente - mit uns sofort", und dann sagt Peer Steinbrück: "Mütterrente - niemals". (Caren Marks [SPD]: Hätten Sie in vier Jahren machen können! - Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Stimmt doch nicht! Das ist doch unseriös!) Man kann sich bei Ihnen eben vor allen Dingen auf eines verlassen, nämlich darauf, dass Sie Ihr Wort brechen und es nicht halten, meine Damen, meine Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Unser Programm ist eine Einladung an die Menschen in diesem Land, die Erfolgsgeschichte der letzten Jahre gemeinsam fortzuschreiben. (Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, du liebe Zeit!) Wir haben viel erreicht; (Dagmar Ziegler [SPD]: Was denn?) aber es bleibt noch viel zu tun. Wir haben heute weniger als 3 Millionen Arbeitslose - unter Rot-Grün waren es mehr als 5 Millionen -, aber wir wollen in Richtung Vollbeschäftigung. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Was haben Sie denn dafür getan?) - Wir haben eine Menge dafür getan. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Na, was denn? - Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Sie haben doch nur unsere Reformen weitergeführt! Mehr nicht!) Fragen Sie den deutschen Mittelstand. (Dagmar Ziegler [SPD]: Nein, fragen Sie!) Das Mittelstandsbarometer weist aus, dass im Jahre 2005 nur 10 Prozent derer, die in unserem Land Arbeitsplätze schaffen, mit den politischen Rahmenbedingungen zufrieden waren. In diesem Jahr sagen dies 80 Prozent der Mittelständler. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Aber dazu haben Sie doch gar nicht beigetragen! Das waren doch nicht Sie!) Das liegt an den Rahmenbedingungen, die wir geschaffen haben. Für Ihre Bilanz 2005 gab es nur 10 Prozent Zustimmung. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosenquote in Europa. Aber wir wollen, dass jeder junge Mann, jede junge Frau in diesem Land die Erfahrung macht: Ich werde gebraucht. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen das Betreuungsgeld? - Dagmar Ziegler [SPD]: Aber Sie werden nicht gebraucht!) Deswegen ruhen wir uns nicht auf dem Erreichten aus. Es ist für uns Ansporn, diesen Weg fortzusetzen. Das gilt auch im Hinblick auf den gestern beschlossenen Bundeshaushalt. Er zeigt deutlich, dass wir es mit der Haushaltskonsolidierung ernst meinen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was!) Wir erreichen die Vorgaben des Grundgesetzes vor der Zeit. Rot-Grün bricht in Nordrhein-Westfalen reihenweise die Verfassung und verfrühstückt die Zukunftschancen junger Leute. Das ist der Unterschied: Wir bauen Schulden ab, und Sie machen immer mehr Schulden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Schuldenkanzlerin?) Wir werden weiterhin Kurs halten, Kurs auf die schwarze Null beim Bundeshaushalt und auf den Beginn der Schuldentilgung. Steuererhöhungen lehnen wir ab. Sie wären Gift für die Konjunktur und für den Arbeitsmarkt, und sie würden am Ende zu weniger Steuereinnahmen führen. Eines haben Sie noch immer nicht begriffen: Rekordbeschäftigung schafft Rekordeinnahmen - das haben wir bewiesen -, nicht immer mehr Belastungen, meine Damen, meine Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Diesen Weg gehen wir weiter. Durch Umschichtungen werden wir erreichen, dass wir bei den Zukunftsinvestitionen Schwerpunkte setzen können. Dass Sie sich eben so sehr erhoben und sich über die Steuerschätzung lustig gemacht haben, mag Ihre Art sein, mit solchen Zahlen umzugehen. Bis 2017 werden Bund, Ländern und Gemeinden knapp 230 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnahmen vorhergesagt. Vor diesem Hintergrund nach Steuererhöhungen zu rufen, ist unverantwortlich und zeigt, Sie können nur eines: abkassieren, bevormunden, umverteilen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Umverteilen ist notwendig!) - Dass Sie sich das wünschen, ist klar. Wir haben heute einen bemerkenswerten Beitrag von Peer Steinbrück gehört. (Zurufe von der SPD: Ja! - Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Schön, dass wir uns einig sind!) - Hören Sie einmal zu! - Herr Steinbrück will die Unternehmen verpflichten, gefälligst Leute einzustellen. Ich dachte bisher, ihr schreibt nur bei Gysi ab. Dieser Vorschlag klingt jedoch mehr nach den Fünfjahresplänen von Günter Mittag. (Iris Gleicke [SPD]: Mit Günter Mittag kennt ihr euch aus!) Wer so etwas fordert, hat keine Ahnung davon, wie ein freier Markt und eine soziale Marktwirtschaft funktionieren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei Abgeordneten der SPD) Wir setzen auf sichere Arbeit, auf Schwerpunkte, auf Prioritäten. Wir bringen das Land gemeinsam mit den Menschen nach vorn, und das werden wir - Sie werden es merken - auch in den nächsten Jahren tun. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die Fraktion Die Linke hat der Kollege Dr. Dietmar Bartsch das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! "Günter Mittag"? Wo Sie sich überall auskennen, Herr Gröhe! Ich bin wirklich beeindruckt. (Iris Gleicke [SPD]: Sie waren die besten Freunde! Die Steigbügelhalter!) Die SPD hat eine Aktuelle Stunde zu dem Thema "Dr. Merkels Märchenstunde" beantragt. Ich fand diesen Titel sehr kreativ. Er ist leider nicht so akzeptiert worden; aber eigentlich sollten wir so einen Titel schon annehmen. Es gibt im Moment sicherlich ganz viele Märchen. Liebe SPD, ihr erzählt jeden Tag, dass ihr mit den Grünen regieren wollt. (Iris Gleicke [SPD]: Ihr ja auch!) Bei diesen Umfragewerten bleibt das im günstigsten Fall ein Märchen. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Menschen im Land können nämlich addieren - das ist so -; darum glauben sie euch nicht. Aber zurück zu Frau Merkels Märchen; das ist das wichtigere Thema. Das Wahlprogramm von CDU und CSU ist tatsächlich ein einziges Märchen. Acht Jahre hat Frau Merkel jetzt regiert. Da stellt sich die Frage: Warum haben Sie von dem, was Sie jetzt versprechen, nicht wenigstens einen Punkt umgesetzt? Sie hätten das alles doch machen können. Nichts ist passiert. Statt "Gemeinsam erfolgreich für Deutschland" müsste das Wahlprogramm richtig heißen "Erst versprochen, dann gebrochen". (Beifall bei der LINKEN) Dieses Wahlprogramm ist nichts anderes als Wahlbetrug mit Ansage. Ich will mich einmal auf das entsprechende Wahlprogramm von 2009 beziehen - Herr Gröhe ist ja darauf eingegangen -: Was haben Sie damals versprochen, und was davon ist Realität geworden? Ich will dabei nicht über den Atomausstieg und nicht über die Bundeswehrreform reden, sondern über die Dinge, die Herr Gröhe als Erfolgsgeschichte bezeichnet hat. Herr Gröhe hat als eine Erfolgsgeschichte den märchenhaften Stand bei der Beschäftigung genannt. Es gibt tatsächlich ein Märchen von mehr Beschäftigung - das ist wahr -, aber schauen Sie sich einmal an, um was für Beschäftigung es sich dabei handelt. Es gibt ein Beschäftigungswunder bei prekärer Beschäftigung im Niedriglohnbereich - das ist die Realität -: bei 1-Euro-Jobbern und 450-Euro-Jobs. (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Unsinn!) Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist in den letzten 20 Jahren um 5 Millionen zurückgegangen, die der Teilzeitbeschäftigten um 7 Millionen gestiegen. 2012 waren 7,4 Millionen Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen prekär beschäftigt. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die waren vorher arbeitslos!) Da von einem Beschäftigungswunder zu sprechen, heißt wirklich, ein Märchen zu erzählen. (Beifall bei der LINKEN) Im letzten Koalitionsvertrag stand als Ziel: strukturelle Haushaltskonsolidierung. In kaum einer Legislaturperiode sind mehr Schulden gemacht worden als in der vergangenen: 108,9 Milliarden Euro neue Schulden hat diese Koalition zu verantworten. Das ist doch nicht nichts. Und dann reden Sie von struktureller Haushaltskonsolidierung? (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Da war auch etwas am Anfang, Herr Bartsch!) Wie ist es zu dieser extremen Neuverschuldung gekommen? Weil Sie Banken und Konzernen Steuergeschenke gemacht haben und weil Sie die Bankenrettung durchgeführt haben; das ist der Grund. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Blabla!) Fragen Sie einmal die Kommunen - auch die, die von der CDU oder von der CSU regiert werden - nach ihrer Haushaltslage! Herr Schäuble und Herr Kampeter stellen jetzt eine strukturelle Neuverschuldung von null in Aussicht. Ich sage Ihnen: Daraus wird niemals etwas. Das korrespondiert auch null mit Ihrem Wahlprogramm. Sie wollen 50 Milliarden Euro ausgeben. Wie stellen Sie sich die Gegenfinanzierung vor? Wenn die Linke solche Forderungen erhöbe, würden Sie hier ein Buhei darum machen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Iris Gleicke [SPD]: Da hat er recht!) Was Sie versprechen, wird niemals eintreten. Schauen Sie sich einmal die Zinsentwicklung in den USA an! Schauen Sie sich einmal die Prognosen über das Wirtschaftswachstum in Deutschland an! Wenn Sie das alles einrechnen - einschließlich der Haushaltsrisiken -, müssen Sie nämlich feststellen, dass nichts, aber auch gar nichts davon übrig bleibt. Wenn Herr Kauder - da hat er recht - auf den Finanzierungsvorbehalt hinweist, heißt das nichts anderes, als dass die Union Wahlbetrug mit Ansage vorhat. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Ich will noch einen dritten Punkt ansprechen, der mir sehr wichtig ist. Die Koalition hat im letzten Wahlkampf versprochen, dass die Ostrenten endlich angeglichen werden, und dies im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Das Ziel ist richtig. Leider muss man feststellen: Realisiert haben Sie davon nichts. (Iris Gleicke [SPD]: Arbeitsverweigerung ist das!) Sie haben an dieser Stelle - dazu müssen Sie sich bekennen - Ihren Koalitionsvertrag schlicht gebrochen. Das ist ein Skandal. (Beifall der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Jetzt steht in Ihrem Wahlprogramm: Daher halten wir an der Rentenberechnung nach geltendem Recht fest. Das ist völlig inakzeptabel. Das heißt im Übrigen, dass ein Berufseinsteiger in Ludwigslust und ein Berufseinsteiger in Lüneburg - dazwischen liegen nur ein paar Kilometer - weiterhin unterschiedliche Rentenansprüche erwerben - ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung! Und das stellen Sie hier noch als Erfolg dar. Das ist schlicht nicht wahr. Die Botschaft der christlichen Parteien an die Ossis lautet: Ihr bleibt Rentner zweiter Klasse. - Das ist inakzeptabel, was Sie hier machen! (Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihr Wahlprogramm hat nichts Märchenhaftes. Das sind viele leere Versprechungen. Man muss sich nur einmal die letzten vier Jahre anschauen. Frank Steinmeier hat darauf hingewiesen: Kurt Lauk aus Ihren eigenen Reihen - immerhin Präsident des CDU-Wirtschaftsrates - hat in bemerkenswerter Offenheit das gesagt, was ich hier zurückhaltend formuliert habe: Derartige Versprechen seien vor jeder Bundestagswahl üblich, um Wähler zu gewinnen. ... "Das muss man nicht ernst nehmen. Das wissen doch die Wähler." Ich kann Ihnen eins versprechen: Wir werden Widerstand gegen eine solche Politik nach Kassenlage leisten. Und noch etwas anderes kann ich versprechen, und das ist kein Märchen - und es würde mich freuen, wenn das die beiden anderen Oppositionsparteien auch sagen würden -: Keiner von der Linken - das verspreche ich Ihnen - wird Angela Merkel zur Kanzlerin wählen. Das glauben Sie mir doch, oder? (Beifall bei der LINKEN) Ich wünschte mir nur, dass die beiden anderen Fraktionen auf der linken Seite das auch sagen würden. Das wäre wirklich mal eine sehr gute Maßnahme. (Heiterkeit des Abg. Otto Fricke [FDP]) Märchen enden ja oft mit den Worten "und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute". (Volker Kauder [CDU/CSU]: So geht es auch nach der Wahl weiter! Wir werden auch überleben!) Dieses Schicksal wird das CDU-Wahlprogramm nicht erfahren. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion erteile ich Florian Toncar das Wort. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Florian Toncar (FDP): Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe heute Morgen beim Aufstehen schon geahnt, dass man zu diesem Zeitpunkt den Wahlkampf aus einer Aktuellen Stunde offenbar nicht heraushalten kann. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Nicht ganz!) Das muss man zu diesem Zeitpunkt auch nicht, dafür ist das Plenum des Bundestages ja da. Aber, Herr Steinmeier, es war ja nicht so, dass Sie sich hier sozusagen auf die Suche nach den besten Argumenten begeben hätten, sondern Sie haben Wahlkampf gemacht. Das war reine Wahlkampftaktik. Ihr Vorwurf an die Union, an die Kollegen von CDU/CSU, lautet ungefähr so: Es darf nicht wahr sein, dass ihr in manchen Punkten das Gleiche fordert wie wir. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Das habe ich mit keinem Wort gesagt!) - Na gut, aber haben Sie sich denn zu den Vorschlägen positioniert? Haben Sie denn etwas zu den Leistungen gesagt, die die Union in der Rentenversicherung einführen will? Haben Sie etwas zu den Themen Kindergeld oder Kinderfreibeträge gesagt? (Otto Fricke [FDP]: Die wollen das auch!) Haben Sie etwas zur Mietpreisbremse gesagt? - Dazu stehen doch Vorschläge im Programm, aber dazu haben Sie sich inhaltlich gar nicht positioniert. Sie haben letzten Endes nur gesagt, dass die Vorschläge der Union - die auch in Ihrem Wahlprogramm stehen - möglicherweise nicht finanzierbar sind. Das ist reine Wahlkampftaktik, ohne inhaltlich zu argumentieren. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Sie hätten ja auch eine Aktuelle Stunde zu unserem Wahlprogramm machen können!) Das kann man machen. Aber, ich glaube, das illustriert, dass diese Aktuelle Stunde von der sozialdemokratischen Fraktion eher aus Verzweiflung als aus inhaltlichen Gründen initiiert worden ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind schon zwei Minuten rum, ohne dass Sie was gesagt haben!) Aus Sicht der FDP ist das Programm der Union durchaus eine gute Grundlage, um die erfolgreiche Regierungsarbeit der letzten vier Jahre fortzusetzen. Genau das ist auch unser Ziel am 22. September. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Herr Brüderle aber anders!) Trotzdem - das muss auch gesagt werden -: In einigen Punkten lässt der Programmentwurf die Tür zu einer anderen Politik offen. Wir als FDP vermissen eine klare Absage an Steuererhöhungen. Die Große Koalition - es ist ja noch nicht so lange her, dass es sie gab - hat, das wissen wir, die größte Steuererhöhung aller Zeiten in Deutschland beschlossen. Herr Steinmeier, Sie waren da, glaube ich, auch schon dabei. Sie haben hier von "Wahlbetrug mit Ansage" gesprochen. Ich darf daran erinnern, dass Sie damals plakatiert haben: "Merkelsteuer, das wird teuer." Aber nachher haben Sie die Mehrwertsteuer nicht auf 18 Prozent erhöht, wie es die Union wollte, sondern Sie haben sie gemeinsam auf 19 Prozent erhöht. Nun warnen Sie heute wieder vor Wahlbetrug - das finde ich bemerkenswert. Dazu sind Sie wahrscheinlich nicht der Richtige. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Klar ist auch, dass es ohne die FDP keine Garantie dafür gibt, dass keine Steuererhöhungen kommen. Ich will auch etwas zum Thema "Neue Leistungen in der Rentenversicherung" sagen, die sowohl die Sozialdemokraten als auch die Grünen und die Union im Wahlprogramm haben. Ich glaube, man kann durchaus nachvollziehen, dass sich Eltern bzw. Mütter eine bessere Anrechnung der Erziehungszeiten für die Rente wünschen. Auf der anderen Seite muss aber jeder, der ins Rentensystem eingreift, auch in der Lage sein, zu sagen, wie das dauerhaft finanziert werden soll. Das gilt erst recht, wenn 6 bis 8 Milliarden Euro auf dem Spiel stehen. (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Ja, genau!) - Bei Ihnen ist es ja noch etwas mehr, Herr Steinmeier. - Man sollte auch nicht nur darlegen, dass das in 2014 und 2015 bezahlbar ist, sondern man muss auch sagen, dass das noch in 2020, 2030 und 2035 bezahlbar ist; denn diese Menschen wollen dann immer noch Rente beziehen. Das ist bisher noch nicht geschehen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir als Freie Demokraten sind diejenigen, die jedenfalls in unserem Programm ganz bewusst auf das Versprechen neuer Leistungen verzichtet haben. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ja mit Versprechungen ganz schön auf die Schnauze gefallen!) Ich möchte auch zum Thema Mietpreisbremse etwas sagen. Man muss dem Problem begegnen. Aber wenn man jetzt hier gesetzlich tätig wird, wird man möglicherweise eher zu einer Verknappung von Wohnraum beitragen. Wir müssen sehen, dass Wohnraum entsteht und dass bestehende Gebäude wieder als Wohnraum genutzt werden, anstatt Mietpreisbremsen oder andere gesetzliche Regelungen einzuführen, die möglicherweise dazu führen, dass Wohnraum gar nicht mehr vermietet wird. Dann hat man letzten Endes eher weniger als mehr Wohnraum. Das ist doch das Problem bei der Sache. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist ja eine Logik!) Viele Redner vor mir haben Kurt Lauk zitiert, den Vorsitzenden des CDU-Wirtschaftsrates. Er ist für seine klare Aussprache bekannt; das ist heute auch deutlich geworden. Er hat gesagt: Ich setze darauf, dass die FDP in den Koalitionsverhandlungen die wildesten Auswüchse der Merkel-Versprechen wegschreddern wird. - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, solche Worte würde ich nie in den Mund nehmen. Aber das Programm der Union enthält durchaus gute Argumente dafür, die FDP starkzumachen und darauf zu achten, dass der richtige Partner in die Bundesregierung kommt. (Beifall bei der FDP) Ich möchte bei allen Diskussionen über Wahlprogramme, die zwischen Koalitionspartnern normal sind, eines sagen: Die Alternative zu dieser Koalition, nämlich Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün, wollen wir in Deutschland nicht. Sie wollen massive Steuererhöhungen. Sie von den Grünen haben beispielsweise Mehrbelastungen in Höhe von 35 Milliarden Euro in Ihrem Programm beschlossen. Der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer aus meiner schwäbischen Heimat sagte dazu: Das, was meine Partei möchte, ist eine Gefahr für die Basis unserer Wirtschaftskraft. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!) - Da hat er recht. Nur leider hat er in seiner Partei nichts zu sagen, so wie viele, die etwas von Wirtschaft verstehen. Wir wollen, dass die Bürger keine Mehrbelastungen zu tragen haben. Wenn es Haushaltsspielräume gibt, dann wollen wir die Bürger weiter entlasten. Das ist unser Ziel und nicht, die Wirtschaftskraft unseres Landes zu gefährden. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ich möchte auch zum Thema Haushalt etwas sagen. In Nordrhein-Westfalen wurde dreimal hintereinander ein verfassungswidriger Haushalt beschlossen. Ich meine, einmal einen solchen Haushalt zu beschließen, kann passieren. Auch der Gesetzgeber macht Fehler. Aber wenn eine Landesregierung dreimal hintereinander einen solchen Haushalt einbringt, frage ich mich, ob die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen überhaupt sparen und sich an die Schuldengrenze halten will. Ich habe angesichts dieser Haushalte allmählich Zweifel, ob das überhaupt gewollt ist. Wir dagegen legen als Alternative einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vor und planen, ab der nächsten Wahlperiode mit der Tilgung der Altschulden zu beginnen. Da sind wir bereits sehr weit. Das ist eine sehr klare Alternative zu Ihrer Politik. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Dr. Florian Toncar (FDP): Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. - Wir werden uns in den nächsten Wochen und Monaten inhaltlich hart auseinanderzusetzen haben. Aber die Frage dieser Aktuellen Stunde, - Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege. Dr. Florian Toncar (FDP): - ob die Union bei der Erstellung ihres Wahlprogramms möglicherweise zu viel von Ihnen abgeschrieben hat, ist reine Taktik. (Mechthild Rawert [SPD]: Wahlbetrug!) Ich glaube nicht, dass das an ihren Zustimmungswerten irgendetwas ändern wird. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat Kerstin Andreae für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fast jeder dritte Bürger überlegt sich, nicht wählen zu gehen. Diese substanzlosen Versprechungen, die in den letzten Tagen durch die Medien gingen und diskutiert worden sind, tun nichts anderes, als Politikverdrossenheit zu fördern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Otto Fricke [FDP]: Das ist aber sehr selbstkritisch!) Wenn Sie etwas versprechen, was Sie nicht halten können, verspielen Sie damit Vertrauen. Dann glauben Ihnen die Menschen nicht mehr. Herr Lauk ist nicht der Einzige aus Ihren eigenen Reihen, der gesagt hat: So geht das doch nicht. - Viele aus Ihren Reihen, im Übrigen sogar der Fraktionsvorsitzende der FDP, haben gesagt: Das sind nur Wahlversprechen. - Viele andere haben gesagt: Das können wir gar nicht finanzieren. - Mit diesen Versprechungen fördern Sie nichts anderes als Politikverdrossenheit, und die Menschen werden nicht zur Wahl gehen. Das, was Sie hier tun, ist unverantwortlich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Es macht Sinn, einmal nachzusehen, was Sie 2009 versprochen haben und was davon bis heute umgesetzt wurde. Wo ist denn das einfache Steuerrecht geblieben? (Johannes Selle [CDU/CSU]: Das habt ihr doch abgelehnt!) - Sie haben doch gar keinen Vorschlag zur Einführung eines einfachen Steuerrechts gemacht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das, was Sie gemacht haben, ist, die Abschaffung der kalten Progression vorzuschlagen. Dieser Vorschlag war nicht gegenfinanziert. Das hätte 6 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen bedeutet. Das hätte dazu geführt, dass die Hälfte dieser 6 Milliarden Euro den oberen 20 Prozent zugutegekommen wäre. Das hat der Bundesrat zu Recht abgelehnt, und das werden wir auch wieder ablehnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Norbert Barthle [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie es wenigstens zugegeben!) Entscheidend ist, dass der Grundfreibetrag entsprechend hoch ist. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist der Schlingerkurs der Opposition!) Was haben Sie denn noch angekündigt? Sie wollten die steuerliche Forschungsförderung einführen; das wollen immer alle. Was steht jetzt in Ihrem aktuellen Wahlprogramm? Dazu soll in Zukunft auch eine steuerliche Forschungsförderung gehören ... Genau das Gleiche, das Sie vor vier Jahren im Wahlprogramm und im Koalitionsvertrag festgelegt hatten, schreiben Sie dreist wieder in das aktuelle Wahlprogramm hinein. Warum haben Sie es denn nicht längst gemacht? Die steuerliche Forschungsförderung ist wichtig. Wir brauchen sie dringend. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Am fassungslosesten macht einen wirklich die Mütterrente; das ist wirklich ein Hammer. Auch das stand schon vor vier Jahren im Koalitionsvertrag. Natürlich müssen wir eine Lösung für die Mütter finden, die Kinder vor 1992 geboren haben und rentenrechtlich anders behandelt werden als Mütter, die Kinder nach 1992 geboren haben. Aber Sie versprechen frank und frei, pro Jahr fast 7 Milliarden Euro für die sogenannte Mütterrente zur Verfügung zu stellen, wohl wissend, dass die Überschüsse aus den Sozialkassen - im Übrigen ist die Mütterrente eine versicherungsfremde Leistung; das hat mit den Beitragszahlern herzlich wenig zu tun - (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) nur vier Jahre reichen. Gleichzeitig haben Sie gestern eine Beitragssatzsenkung versprochen. Sie versprechen wirklich jedem alles. Das ist unverschämt gegenüber den Frauen, die sich auf eine Verbesserung der rentenrechtlichen Anerkennung ihrer Erziehungszeiten verlassen. Sie werden es so wie versprochen nicht machen können. Sie haben es bereits vor vier Jahren versprochen. Nun versprechen Sie es erneut und haben es wieder nicht gegenfinanziert. Sie wollen die Menschen für dumm verkaufen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nun kommt Kanzlerin Merkel und sagt: Wohlstand auf Pump geht nicht mehr. Das muss allen klar sein. - Sorry, aber uns ist das klar. Wohlstand auf Pump geht wirklich nicht mehr. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Baden-Württemberg!) Aber was Sie vorschlagen, ist nichts anderes als Wohlstand auf Pump - die Zahl wurde schon vielfach genannt -: 100 Milliarden Euro neue Schulden! Ihnen fallen nach derzeitigem Stand pro Jahr 25 Milliarden Euro quasi in den Schoß, unter anderem wegen historisch niedriger Zinsen. Wenn die Zinsen auch nur einen Prozentpunkt höher wären, sähe Ihr ganzer Haushalt völlig anders aus. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Wenn heute nicht die Sonne scheinen würde, hätten wir schlechteres Wetter, ist doch klar! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU) Für diese niedrigen Zinssätze können Sie gar nichts. Obwohl Ihnen pro Jahr 25 Milliarden Euro in den Schoß fallen, liegt die Nettoneuverschuldung im nächsten Jahr bei 6 Milliarden Euro. Mit Haushaltskonsolidierung hat das gar nichts zu tun. Das ist nichts anderes als eine Finanzierung auf Pump. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Nun zum letzten, von der FDP gern gescholtenen Punkt, zur Vermögensabgabe. Machen Sie einmal irgendeinen relevanten Vorschlag, aus dem hervorgeht, wie Sie vom Schuldenberg herunterkommen wollen! Die Neuverschuldung zu begrenzen, ist das eine. Die Schulden zu tilgen, ist das andere. (Otto Fricke [FDP]: Das ist der Haushalt 2014! Das steht doch dort drin!) Aber Sie haben keinen konkreten Vorschlag auf den Tisch gelegt, aus dem hervorgeht, wie Sie die Schuldenberge abbauen wollen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Erklären Sie das Ihren Parteifreunden aus Baden-Württemberg! - Dr. Florian Toncar [FDP]: Sie sind nicht informiert!) Im Augenblick ist das, was Sie machen, nichts anderes als Getöse. Sie versprechen vielen Menschen ganz viel und hoffen so, die Wahl zu gewinnen. Das ist nicht nur nicht seriös, sondern auch unehrlich. Das alles stimmt hinten und vorne nicht mehr. Das werden Ihnen die Menschen nicht durchgehen lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Lesen Sie einmal, was Boris Palmer sagt!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die Bundesregierung hat der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Kampeter das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Steffen Kampeter, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch die Bundesregierung bedankt sich bei den Oppositionsfraktionen, dass wir - genauso wie in der vergangenen Sitzungswoche - die Möglichkeit haben, uns hier über die Finanz- und Haushaltspolitik der christlich-liberalen Koalition auszutauschen. Im Kern geht die Debatte um folgende Frage: Wie muss eine Haushalts- und Finanzpolitik sein, dass man noch politisch gestalten kann, dass man Schwerpunkte setzen kann, dass man nicht nur getrieben wird von den Altlasten wie in Nordrhein-Westfalen, wo von der Hand in den Mund gelebt wird? (Zuruf des Abg. Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]) - Zu Ihnen komme ich noch, Herrn Steinmeier. Darauf freue ich mich schon jetzt. Ich will Ihnen gerne noch einmal erläutern, wie man Haushaltspolitik gestalten muss, um politische Schwerpunkte zu setzen. Wer Maß hält, kann sich etwas leisten. Das ist das Credo unserer Haushaltspolitik. Wir achten auf die Ausgaben. Wir respektieren die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Belastbarkeit. Das Ergebnis unserer Haushaltspolitik lässt sich nicht nur deutschlandweit, sondern auch international sehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die von mir nicht kritisierte Schlussbilanz des letzten sozialdemokratischen Finanzministers ist: deutlich mehr als 80 Milliarden Euro für diese Legislaturperiode und mehr als 200 Milliarden Euro zusätzliche Schulden im Vergleich zum tatsächlichen Ergebnis. Wir haben in dieser Woche im Bundeskabinett durch Wolfgang Schäuble einen Haushaltsplan vorgestellt bekommen, der nicht nur für das Jahr 2014 einen strukturellen Ausgleich vorsieht, sondern der für die Folgejahre Tilgungen von Bundesschuld vorsieht. Frau Kollegin Andreae, das haben Sie unterschlagen. (Zuruf von der FDP: "Unterschlagen" ist eine nette Vokabel! Das war Absicht!) Eine so respektable Situation haben wir bei den deutschen öffentlichen Finanzen seit vier Jahrzehnten nicht mehr gehabt. Darauf ist hinzuweisen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Nach mir wird der Kollege Schneider reden. Er ist noch nicht einmal 40 Jahre alt. Das heißt, er war noch gar nicht geboren, als wir einen solch finanziell ausgeglichenen Haushalt hatten. Das zeigt die generationenübergreifende Finanzpolitik der christlich-liberalen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Trotzdem haben wir in dieser Legislaturperiode Schwerpunkte gesetzt. Konsolidierung und politische Schwerpunktsetzung schließen einander nicht aus. Ich wiederhole: Wer Maß hält, kann sich eben etwas leisten. Weil wir über alle Bereiche eine gewisse Ausgabendiät eingehalten haben - wir geben 2014 insgesamt ungefähr 2,8 Milliarden Euro im Bundeshaushalt weniger aus als im Jahr 2010 -, hatten wir die Gestaltungsmöglichkeit, Schwerpunkte zu setzen. Das bedeutet im Übrigen auch: Wenn man weniger Schulden macht, hat man eine geringere Zinslast. Frau Andreae, Ihren Vorwurf lasse ich nicht gelten. Wer konsolidiert, hat auch niedrigere Zinslasten. Das Geld kann man in die Zukunft investieren. Das ist christlich-liberale Haushaltspolitik. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir haben die Ausgaben für Bildung und Forschung um 40 Prozent gesteigert. Wir haben den Kommunen - im Wege eines zweistelligen Milliardenbetrages - mehr Möglichkeiten gegeben, ihre Aufgaben selber zu gestalten. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Bravo!) Wir haben beispielsweise das Kindergeld und den Kinderfreibetrag erhöht. Meine sehr verehrten Damen und Herren von Rot-Grün, selbst wenn Sie es hätten leisten wollen, hätten Sie es nicht geschafft, weil Sie in der Finanzpolitik bisher immer versagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU) An den Ergebnissen kann man unsere Koalition ruhig messen. Wir haben die höchste Beschäftigung seit dem Zweiten Weltkrieg. Wir haben die niedrigste Arbeitslosigkeit nach der Wiedervereinigung. Jüngere, Ältere und Frauen haben größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dieses Land hat sich gereckt und angestrengt. Die Erträge dieser Anstrengung spüren wir mit einem ausgeglichenen Haushalt. Das ist ein gutes Signal, das von dieser Koalition ausgeht. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Herr Kollege Steinmeier, Sie sind beinahe verspätet in diese Debatte gehetzt, waren nahezu atemlos. Sie sind so schnell gelaufen, dass Sie unterwegs offensichtlich ihre Seriosität und Ihre argumentative Stärke verloren haben. Wenn der Fraktionsvorsitzende der SPD hier sagt, es werde in den nächsten Jahren weniger Steuereinnahmen geben, fälscht er die Wirklichkeit. Tatsache ist: Steuerexperten - sie kommen nicht von der Bundesregierung, sondern aus den Forschungsinstituten - prognostizieren bis 2017 700 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Derzeit haben wir gerade rund 600 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Deutschland hat kein Einnahmeproblem. Wir müssen bloß dafür sorgen, dass das Wachstum stabil bleibt. Das ist die Aufgabe der christlich-liberalen Koalition, und diese werden wir auch erfüllen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wie man dieses unglaubliche, gigantische Umverteilungsprogramm vom Bürger zum Staat in der grünen oder in der roten Variante angesichts steuerlicher Rekordeinnahmen vorschlagen kann, erschließt sich mir nicht. Wir müssen doch endlich einmal lernen, mit dem auszukommen, was wir haben, anstatt von den Bürgerinnen und Bürgern, von denjenigen, die morgens um 7 Uhr aufstehen, immer mehr zu verlangen, damit wir hier im Deutschen Bundestag keine Konflikte auszutragen haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie machen doch die Schulden!) Jetzt kommen wir zum Thema "Haushaltsrisiko". Ein Haushaltsrisiko entsteht nicht, wenn man die Konsolidierungsdividende für zusätzliche politische Projekte einsetzt. Ein Haushaltsrisiko entsteht meines Erachtens, wenn man - wie es beispielsweise Rot-Grün will - die Schulden in Europa sozialisiert und vergemeinschaftet. Wer das machen will, fährt für Deutschland ein milliardenschweres Haushaltsrisiko ein. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Es entstünden Haushaltsrisiken, wenn Sie in der nächsten Legislaturperiode in die Nähe des Kanzleramtes kämen. Peer Steinbrück reist durch die Krisenländer Europas und gibt dort die Erklärung ab: Wenn ich Kanzler werde, dann geht es euch besser. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie verstehen die Leute in Griechenland, in Spanien und in Portugal das? Sie verstehen das doch wohl so, dass aus dem deutschen Bundeshaushalt mehr Geld nach Griechenland, nach Spanien und nach Portugal fließt. Das ist ein sehr konkretes Haushaltsrisiko, wie ich an dieser Stelle einmal erwähnen will. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Jetzt komme ich zu Ihrer mittelstandsfeindlichen Steuerpolitik. Wenn Sie die Gewinne in den Familienbetrieben über 100 Prozent besteuern wollen - das ist in unterschiedlichen Fallkonstellationen das Ergebnis von rot-grünen Steuerplänen -, (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sind wir wieder in der Märchenstunde!) dann mag das vielleicht bei Herrn Bartsch ankommen. Das führt aber zu weniger Investitionen, weniger Zukunftsfähigkeit, weniger Arbeitsplätzen und weniger wirtschaftlicher Perspektive für unser Land. (Dagmar Ziegler [SPD]: Absolute Hirngespinste, was Sie hier erzählen!) Die kleinen und mittleren Unternehmen sind das Rückgrat. Wer sie so abkassiert wie Rot und Grün, ist ein Haushaltsrisiko. So sehen Haushaltsrisiken aus. Das können Sie sich hier ganz konkret anschauen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Eine Fußnote noch zu Ihrer eltern- und ehefeindlichen Rhetorik, die Sie hier im Deutschen Bundestag immer wieder vortragen. Die Menschen, die Betreuungsgeld erhalten und Erziehungsleistung erbringen, werden diskriminiert. Von Herrn Trittin wurde in der letzten Debatte das Schließen der Gerechtigkeitslücke in der Rentenversicherung - Stichwort Mütterrente - als "Gedöns" charakterisiert. Gleichzeitig wird das Ehegattensplitting zur Disposition gestellt und das Kindergeld umgemodelt. Wer mit einer solchen eltern- und familienfeindlichen Rhetorik in Deutschland punkten will, den werden wir auf die Oppositionsbänke verweisen. Das ist der Anspruch dieser Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Haushaltspolitik dieser Koalition hält Maß. Wir geben nicht mehr aus, als wir unbedingt müssen. Wir sparen dadurch Zinsen für die Schulden, die wir nicht gemacht haben. Wir investieren in die Zukunft unseres Landes. Deswegen glaube ich, dass die zukünftige Haushaltspolitik aus einer wachstumsfreundlichen Steuerpolitik, einer Fortsetzung des Konsolidierungskurses, verstärkten Investitionen in Bildung und Forschung, einer besseren Vereinbarung von Familie und Beruf bestehen muss. Es geht um ein sozialeres, ein wirtschaftsfreundlicheres, ein gerechteres Deutschland. Wir haben gezeigt, dass wir es können, und wir werden es weitermachen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Jetzt hat der Kollege Carsten Schneider das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede des Staatssekretärs im Bundesfinanzministerium hätte man der Bundestagsverwaltung zureden sollen, diese Aktuelle Stunde in Märchenstunde umzubenennen. Herr Kampeter, Sie haben bewiesen, dass sich die Regierung Ihrer Verantwortung nicht stellt. Wenn Sie hier sagen, in Deutschland sei alles super, alles gut, die Haushalte seien in Ordnung, dann ist das schlicht eine Lüge. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben in den vergangenen vier Jahren über 110 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen - Ihre Verantwortung - und nicht einen Cent getilgt. Im Gegenteil: Der Schuldenberg ist gestiegen. Morgen werden Sie dem Bundestag im Rahmen des Nachtragshaushaltes 2013 vorschlagen, die Neuverschuldung auf 25 Milliarden Euro zu erhöhen. (Otto Fricke [FDP]: Und ihr werdet euch verweigern!) Im ursprünglichen Entwurf waren es 17 Milliarden Euro. Hinzu kommen die Maßnahmen für die Fluthilfe, die wir als SPD natürlich mittragen. (Otto Fricke [FDP]: Aber nicht den Haushalt!) Aber Sie haben keinen einzigen Vorschlag zur Gegenfinanzierung gemacht. Nichts haben Sie gemacht. Ihnen fehlt der Mut für strukturelle Reformen und für mehr Gerechtigkeit in diesem Land. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Dann sagen Sie hier: im nächsten Jahr und danach, dann sind wir wieder an der Regierung, und alles wird gut. Dann führen wir die Schulden zurück. - Das Gegenteil haben Sie in den vergangenen vier Jahren bewiesen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr!) Wie soll jemand Vertrauen haben, dass sich im nächsten Jahr etwas ändert, wenn Sie vier Jahre auf Pump gelebt haben und in diesem Jahr wieder in die Vollen gehen? Und das wird der Fall sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Als Schwarz-Gelb an die Regierung gekommen ist, haben sie in Deutschland ein Wirtschaftswachstum übernommen, das federführend von Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück angekurbelt wurde, entschieden 2009 durch die Maßnahmen zur Unterstützung der Konjunktur. Es betrug 3,7 Prozent. 3,7 Prozent Wachstum! (Dr. Florian Toncar [FDP]: Minus 4 Prozent!) Wie viel haben wir dieses Jahr noch? 0,4 Prozent! (Dr. Frank-Walter Steinmeier [SPD]: Stramme Leistung!) Im vorigen Jahr waren es 0,7 Prozent. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Von minus 4 auf 0,4!) Wissen Sie, Herr Toncar, wie hoch das Potenzialwachstum in Deutschland normalerweise ist? Normalerweise liegt es bei 1,8 Prozent. Das heißt: Seit zwei Jahren liegen Sie - wenn man es summiert - um mehr als die Hälfte darunter. Das ist Versagen, meine Damen und Herren, aber keine Zukunft. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Zum Gründungsmonitor. Unternehmensgründungen und Selbstständige sind für die Wirtschaft wichtig. Der Gründungsmonitor der KfW - das ist die Staatsbank Deutschlands - zeigt: Die Stimmung war noch nie so schlecht. Es gibt in Deutschland so wenig Gründer wie nie zuvor. - Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Denn Sie haben die Mittel für den Gründungszuschuss, der ein sehr erfolgreiches Instrument ist, weil sich Arbeitsuchende dadurch selbstständig machen können, von 1,8 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 600 Millionen Euro gekürzt. Um die Leute, die hinten anstehen, kümmern Sie sich nicht. Das ist die Wahrheit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie stellen sich hierhin und versprechen 50 Milliarden Euro. Ich bin ja einiges gewohnt. Die FDP hat schließlich Steuersenkungen im Umfang von 80 Milliarden Euro versprochen. (Dr. Florian Toncar [FDP]: Auch falsch!) Nichts ist passiert. Das war klar. Es war ja auch kein Geld da. Wahr ist, Sie haben Leistungen wie das Betreuungsgeld sogar auf Pump finanziert. Jetzt sagt die CDU hier - ich hatte einmal den Verdacht, dass sie seriös sein könnte; aber der Verdacht hat sich als falsch erwiesen -, dass sie in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro mehr ausgeben will: über das Plündern der Sozialkassen und über Verschuldung. Sie haben keinen einzigen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht. Wir als SPD sagen: Ja, es braucht Veränderungen in Deutschland. Ja, wir brauchen mehr Geld für Bildung, weil es ungerecht ist, dass diejenigen, die aus armen Verhältnissen kommen, eben nicht das Beste aus sich machen können. Ja, wir brauchen mehr Geld für Investitionen, weil wir ganz klar von der Substanz leben. Die Infrastruktur verfällt, aber Sie haben Mittel in Höhe von 1 Milliarde Euro gekürzt. Das hat das Kabinett gestern beschlossen: 1 Milliarde Euro weniger für Investitionen. Das ist doch die Wahrheit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Iris Gleicke [SPD]: Alles geht nach Bayern!) Das Geld müssen Sie irgendwo hernehmen; das ist richtig. Wir sagen: Ja, wir wollen Subventionen abbauen. Wir wollen einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland, damit Lohndumping nicht noch vom Steuerzahler subventioniert wird. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ja, wir wollen die Mehrwertsteuervorteile da, wo Sie Ausnahmen gemacht haben und die Hoteliers begünstigt haben, wieder zurücknehmen. Ja, wir wollen, dass diejenigen, die die vergangenen Jahre davon profitiert haben, dass wir Banken gerettet und das Finanzsystem stabil gehalten haben, auch ihren Beitrag leisten, damit die 400 Milliarden Euro zurückkommen. Wo sind da Ihre Vorschläge? Nichts ist da. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Kanzlerin hat heute Morgen hier gesagt: Nie wieder werden wir Geld an Banken geben. Sie sagte auch, der Finanzminister hätte so toll verhandelt. Das Gegenteil ist gestern in Brüssel passiert. Wenn Sie die Verantwortung weiter tragen, bedeutet das, dass letztendlich der deutsche Steuerzahler für die Verluste europäischer Banken aufkommen muss. Die Gläubigerhaftung ist zurückgedreht worden. (Otto Fricke [FDP]: Es ist genau umgekehrt! Wir führen sie ein!) Das ist ein Versprechen, das die Kanzlerin gegeben hat. Es wurde aber zurückgenommen. Sollten Sie wieder die Verantwortung bekommen, wird das im Endeffekt der deutsche Steuerzahler bezahlen müssen. Wir stellen uns dem entgegen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die FDP-Fraktion hat jetzt Otto Fricke das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Otto Fricke (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Schneider, man kann schnell in den Wahlkampfmodus verfallen und dabei dann, statt das tapfere Schneiderlein zu sein, einfach einmal alle Fakten vergessen. Am Ende fängt man damit aber auch nur Fliegen. Ich will Sie auf Folgendes aufmerksam machen: Wir wollen an so einem Tag wie heute einfach einmal vier Jahre zurückblicken und gucken, was vor vier Jahren war. Da gibt es einen schönen Artikel bei Spiegel Online mit dem Titel: "Steinbrück schlingert ..." Den Bürgern kann man nur empfehlen: Schaut euch doch einmal an, wie der heutige Kandidat vor vier Jahren geplant hat, was in den nächsten Jahren so an Geld ausgegeben werden soll. Das ist nachzulesen; das kann sich jeder ansehen. (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war in der Großen Koalition!) Da hat er doch glatt gesagt, dass in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012 und 2013 - das sind die Jahre, in denen wir als Koalition Verantwortung übernommen haben - neue Schulden in Höhe von 310 Milliarden Euro gemacht werden sollen. Wir haben am Anfang unserer Koalition nur gedacht: Ja, verdammte Hacke, das ist aber wirklich sehr schwierig, von diesen 310 Milliarden Euro herunterzukommen. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ist 310 nicht mehr als 100?) 2009 waren 47 Milliarden Euro geplant. Die Koalition schaffte es, das auf 34 Milliarden Euro zu senken. Für 2010 waren 86 Milliarden Euro geplant. Wir haben diese Summe auf 44 Milliarden Euro halbiert. Für 2011 waren 71 Milliarden Euro geplant. Wir haben das auf 17 Milliarden Euro reduziert. Für 2012 waren 58 Milliarden Euro geplant. Wir haben 22 Milliarden Euro vorgesehen. 2013 waren 45 Milliarden Euro geplant. Bei uns sind es 25 Milliarden Euro. Dabei hatte Herr Steinbrück weder gesehen, dass wir 25 Milliarden Euro für den ESM und die Europäische Investitionsbank brauchen, noch hatte er geplant, dass wir etwas für die Fluthilfeopfer tun müssen. Da sage ich Ihnen nur: Wir messen Erfolg an der Zahl der roten Hindernisse, die wir aus dem Weg geräumt haben, um dahin zu kommen, wo diese Koalition erfolgreich hingekommen ist. Daran kann man merken, was los ist. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Herr Schneider, ich will Ihnen noch eines sagen, weil das sozusagen erst fünf Fliegen waren. Jetzt kommt noch die sechste Fliege. Sie haben sich hier zur Fluthilfe geäußert und gefordert, dass man etwas tun muss. Wenn es aber dann wie heute Morgen im Haushaltsausschuss zum Schwur kommt und darum geht, den Bürgern, die noch gar nicht wissen, ob sie ihr Schicksal bewältigen können, Geld zur Verfügung zu stellen, dann lehnen Sie einen Nachtragshaushalt ab. (Dagmar Ziegler [SPD]: Wegen des Betreuungsgeldes! Nur deswegen!) So ist Ihre Politik: Wenn es um konkrete Hilfe geht, dann ziehen Sie sich zurück. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich! Unseriös!) Das ist das, was Sie machen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Bleiben wir bei dem angeblich so tapferen Schneiderlein. Ich komme zur siebten Fliege. Die siebte Fliege ist das, was den Bürgern immer wieder falsch dargestellt wird. Ich formuliere das in Form einer grundsätzlichen Kritik. Die Bürger ärgern sich darüber, wenn ihnen Versprechungen gemacht werden, die nach der Wahl nicht eingehalten werden. Da kann jede Partei sicherlich sagen: Da sind wir nicht ohne Sünde. Das will ich hier einmal ganz neutral sagen. Nur eines verheimlichen Sie immer wieder - ich bitte jeden, der das hört, das zu berücksichtigen -: Es gibt keine von der Politik versprochene Leistung, die umsonst ist. Es muss immer irgendjemand zahlen. Wenn Sie als Bürger glauben und hoffen, dass es an Ihnen vorbeigeht, weil Ihnen eine linke Regierung vormacht, dass Sie davon nicht betroffen sein werden, dann fragen Sie sich doch einmal, wie viel Mehrwertsteuer Sie allein deswegen mehr bezahlen mussten, weil die SPD damals die Mehrwertsteuererhöhung beschlossen hat. So geht es in der Politik nicht. Die FDP ist der Garant dafür, dass es keine Steuererhöhungen gibt. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie kritisieren doch die Wahlversprechen der CDU! Was verbiegen Sie sich so?) Wir haben in den letzten Jahren eines deutlich festgestellt: Wann immer linke Politiker mehr Geld haben, sparen sie nicht, sondern sie geben einfach nur mehr aus. Das ist der Unterschied. (Beifall bei der FDP - Daniel Volk [FDP]: So ist es!) Deswegen bringen Steuererhöhungen gar nichts. Sie behaupten, das sei erfunden. Sie schlagen Steuererhöhungen im zweistelligen Bereich vor. Sie wollen auch bei der Rente Erhöhungen. Sie kritisieren hier die CDU; aber wenn ich Ihre Wahlprogramme richtig lese, dann wollen Sie bei der Rente nicht um einen Punkt - 7,5 Milliarden Euro -, sondern um zwei Punkte erhöhen. Ist doch richtig? Sie wollen doch genau das, und Sie wollen noch einmal ein Schippchen drauflegen, um sich noch beliebter zu machen. Das wird von Ihnen nicht bestritten. Sind die Hartz-IV-Sätze nach Ihrer Meinung zu niedrig? Ja, sind sie; wird von Ihnen nicht bestritten. Ist es nach Ihrer Meinung so, dass wir bei der Rente ganz allgemein noch mehr tun müssen und Milliarden dafür brauchen? Ja, ist so; wird von Ihnen nicht bestritten. So geht das bei allen Punkten. Heute Morgen haben wir über das Thema Pflegeversicherung debattiert. Von den Rednern Ihrer Fraktion wurde gesagt: Wir brauchen noch einmal ein paar Milliarden Euro mehr. Ich kann nur eines sagen: Mit unserem Koalitionspartner, mit dem wir um manche Dinge ringen müssen, haben wir am Ende immer Ergebnisse und Kompromisse gefunden, die den Bürgern dienen. Wenn Sie hier erzählen, dass Sie diese Ausgaben nicht machen wollen, glaube ich das nicht. Sie machen sie doppelt und dreifach. (Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei uns ist das gegenfinanziert! Nehmen Sie das zur Kenntnis!) Ich kann für die nächsten Jahre nur eines sagen - das ist dieser Koalition wichtig -: Entscheidend sind Ergebnisse. Entscheidend sind ausgeglichene Haushalte, Rückzahlung von Schulden, zweistellige Milliardenbeträge als Puffer in den Sozialsystemen, die Möglichkeit der Wirtschaft, sich zu entwickeln und vor allem die klare Ankündigung an die Wirtschaft - das halte ich für den wichtigsten Punkt -, dass es in den nächsten Jahren keine Steuererhöhungen geben wird. Dafür wird die FDP sorgen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Hermann E. Ott [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ha, ha, ha!) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Dagmar Ziegler hat das Wort für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Dagmar Ziegler (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Berlin, 20. Juni 2013, Bundesfamilienministerium: Die Minister Schröder und Schäuble stellen die Gesamtevaluation der ehe- und familienbezogenen Leistungen vor. Nicht dabei sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die das Gutachten erstellt haben. Sie müssen vor der Tür bleiben, weil die beiden Minister ihre Forschungsergebnisse völlig verzerrt darstellen werden. Schäuble und Schröder werden genau die Schlussfolgerungen ziehen, die keiner der Wissenschaftler - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - empfohlen hat, zum Beispiel die Erhöhung des Kinderfreibetrages. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Kein Wissenschaftler sagt: Das braucht die Welt. - Damit treiben CDU und CSU ihre Zweiklassenfamilienpolitik auf die Spitze. Schon heute bekommt ein Millionär knapp 100 Euro pro Kind und Monat mehr als eine alleinerziehende Verkäuferin. Wird der Kinderfreibetrag tatsächlich erhöht, wie Sie es jetzt planen, bekommt er noch einmal 50 Euro obendrauf. Die Schere zwischen Bestverdienern und Geringverdienern ginge nochmals weit auseinander. (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt!) Familien mit kleinen und mittleren Einkommen haben, wie wir wissen, von der Erhöhung der Freibeträge eher nichts. Sie werden aber mit dem vagen Versprechen auf eine entsprechende Kindergelderhöhung abgespeist. Teuer, zu teuer würden Ihre Pläne dadurch; denn bei einer "entsprechenden" Erhöhung müsste das Kindergeld um 50 Euro pro Monat und Kind erhöht werden. Das würde etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Deshalb wird es diese Kindergelderhöhung um 50 Euro monatlich auch mit Ihnen nicht geben, und deshalb sagten Sie auch nichts zur Höhe, weder im Wahlprogramm noch in der Pressekonferenz, die kürzlich stattgefunden hat. Sie haben nämlich nicht das Geld, und Sie haben auch keinen Koalitionspartner dafür. (Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD]) Meine Damen und Herren, da wird von einer Frau Merkel ein Wahlprogramm geschrieben, nicht in der Partei diskutiert, aber mit 100 Prozent abgenickt. Das erinnert schon ganz stark an die DDR. (Beifall bei der SPD) Frau Merkel, die Oberverwalterin des Nichtstuns, legt schöne Sachen in das Schaufenster - sprich: Wahlprogramm -, will die Menschen so in den Laden locken, sprich: an die Wahlurne. Und was würden die Menschen vorfinden? Leere Regale! Auch das erinnert an die DDR. (Beifall bei der SPD) Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist wirklich, wie heute schon mehrfach gesagt worden ist, Wahlbetrug mit Ansage. Die zunehmende soziale Spaltung ist das drängendste Problem. Und Sie kündigen eine Politik an, unter der ausgerechnet die Einkommensschwächsten am meisten zu leiden haben. Dabei gibt es doch Maßnahmen, die allen Familien helfen, indem zum Beispiel Kinder aus Familien mit niedrigen Einkommen und Kinder mit Migrationshintergrund durch den Ausbau der Kindertagesbetreuung besonders gefördert werden. Genau das halten die meisten Expertinnen und Experten der Gesamtevaluation für besonders wirkungsvoll, und genau dafür haben Sie in Ihrem Regierungsprogramm keinen Cent übrig. Wir gehen einen anderen Weg. Wir wissen, dass wir jeden Euro nur einmal ausgeben können. Deshalb wollen wir die Steuermittel der Menschen dort einsetzen, wo sie viel bringen: beim Ausbau guter Kitas und guter Ganztagsschulen. Wir werden das unsinnige Betreuungsgeld natürlich wieder abschaffen, damit alle Kinder und Jugendlichen gute Bildungschancen haben, (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) damit benachteiligte Kinder besser integriert werden und damit Mütter und Väter, wenn sie es wollen, Familie und Beruf vereinbaren können. Natürlich wollen wir auch das Kindergeld verändern. Wir wollen es gerechter machen. Nicht der Millionär soll mehr bekommen für sein Kind, sondern wir wollen Familien mit kleinen Einkommen zielgenauer und besser unterstützen. (Beifall bei der SPD) Meine Damen und Herren, am 22. September 2013, drei Monate nach der Pressekonferenz von Schäuble und Schröder, haben die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland die Wahl. Sie können eine Familienpolitik wählen, die die Einkommensstärksten noch weiter begünstigt, die die soziale Spaltung noch weiter verschärft und die den weiteren Ausbau von Kitas und Ganztagsschulen hintertreibt. Oder sie können sich für eine Familienpolitik entscheiden, die auf Chancengleichheit für alle Kinder setzt, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärkt und die unsere Gesellschaft endlich wieder zusammenführt. Dann ist die SPD die richtige Wahl. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt Alexander Dobrindt das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Alexander Dobrindt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Blick in die Wahlprogramme offenbart zumindest eines: dass es in diesem Jahr in der Tat um eine echte Richtungsentscheidung geht, nämlich um die Richtungsentscheidung, ob wir ein bürgerliches Land bleiben oder ob wir eine linke Republik werden. (Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht um die Richtungsentscheidung, ob mit Unionsparteien und FDP weiterhin Chancen für die Menschen und Freiheit herrschen oder ob wir mit den linken Parteien staatliche Bevormundung und Steuererhöhungen kriegen. Das ist die Wahrheit in den Wahlprogrammen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben in Ihr Wahlprogramm hineingeschrieben: mehr Staat, weniger Bürgerlichkeit, weniger Freiheit. Ihr Kandidat - das ist der mit der mangelnden Beinfreiheit - hat ja heute sehr deutlich gemacht, dass Sie ein Lebensmotto haben. Das Lebensmotto der SPD heißt: Ihre Vergangenheit sind Schulden, und Ihre Zukunftsversprechen sind Steuererhöhungen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Zuruf von der LINKEN: Amigo-Sumpf!) Sie hätten es ja leicht gehabt: Sie hätten das, was Steinbrück in einem Spiegel-Interview ehrlich gesagt hat, zur Überschrift Ihres Programmes machen können. Er hat dem Spiegel 2011 wörtlich gesagt: "Natürlich müssen die Deutschen zahlen." Das ist Programm von SPD und Grünen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Nee, das ist Ihre Wirklichkeit! - Bettina Hagedorn [SPD]: Das ist die Wahrheit! Und Sie werfen Nebelkerzen! Die Kleinsparer finanzieren das! - Katja Mast [SPD]: 110 Milliarden!) Das entspricht den Wahlversprechen, die Sie machen. Es ist die ehrliche Zusammenfassung dessen, was in Ihrem Programm steht. Er hat es auf seiner Reise im Februar, als er in den Schuldenländern Europas unterwegs war, bestätigt, als er sagte: Wenn ich Kanzler werde, könnt ihr mehr Schulden machen; (Dagmar Ziegler [SPD]: Ist das schlecht!) ihr müsst dann weniger sparen und könnt mehr Geld ausgeben. - Das ist das Versprechen, das Sie in Europa abgegeben haben, (Bettina Hagedorn [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu den Wahlversprechen der Union! - Katja Mast [SPD]: Was wollen Sie denn?) weil Sie mit Euro-Bonds und Schuldenvergemeinschaftung die deutschen Steuerzahler für die Schulden Europas blechen lassen wollen; das ist bei Ihrem Programm die Wahrheit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Sie wollen die Erbschaftsteuer erhöhen, Sie wollen die Einkommensteuer erhöhen, Sie wollen das Betreuungsgeld streichen, das Landeserziehungsgeld streichen, (Katja Mast [SPD]: Das Landeserziehungsgeld streichen Sie in Bayern!) 400-Euro-Jobs schleifen und das Ehegattensplitting abschaffen. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!) - Ja, Sie wollen das Ehegattensplitting abschaffen. Ich weiß, dass Sie gern Menschen vor Gericht verklagen, die das sagen. Aber das Landgericht Berlin hat an der Stelle eindeutig entschieden, dass die Kritik des Generalsekretärs der CSU auf der wahren Tatsache beruht, dass die Grünen das Ehegattensplitting langfristig abschaffen wollen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie tief muss man sinken, um sich so zu verhalten?) Auch das ist amtlich festgestellt. Sie wollen die Schulden in Europa auf dem Rücken der Familien finanzieren. (Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das ist eigentlich das Programm von Rot und Grün. Sie haben vor, die deutschen Steuerzahler für alle Fehler blechen zu lassen, die in Europa in der Finanzpolitik gemacht werden. (Karin Binder [DIE LINKE]: Was tun denn Sie die ganze Zeit?) Da kann man sich natürlich fragen: Wo kommt das eigentlich her? Wie kann es sein, dass diese Ideen, die offensichtlich aus der linken Mottenkiste stammen, jetzt wieder in Ihrem Programm auftauchen? - Da kann man durchaus daran erinnern, dass Ihre Troika - es hat sie einmal gegeben, bevor der Solotänzer aufs Parkett kam - gemeinsam eine Reise nach Frankreich gemacht hat, zum Chefsozialisten François Hollande. (Iris Gleicke [SPD]: Das ist der, der die Kanzlerin so gerne knutscht!) Von dem haben Sie sich abgeschaut, wie man heute versucht, mit den Mitteln aus der alten Mottenkiste ein Land zu regieren. Was die Ideen, die Sie mitgebracht haben, bringen, können Sie sich jetzt im Praxistest in Frankreich sehr genau anschauen: (Zuruf des Abg. René Röspel [SPD]) Rekordarbeitslosigkeit, Rekordverschuldung, tiefe Wirtschaftsdepression. Das sind doch die Folgen dieser linken Rezepte, (René Röspel [SPD]: Der konservativen französischen Politik!) die Sie in Ihrem Wahlprogramm aufgeschrieben haben. Sie wollen jetzt die gescheiterte Politik Frankreichs nach Deutschland exportieren. Das werden wir verhindern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich empfehle Ihnen dringend: Überlegen Sie sich sehr genau, was Sie den Menschen eigentlich antun, wenn Sie den Wahlkampf in den nächsten Monaten mit falschen Rezepten bestreiten, die verantwortlich dafür sind, dass Europa in eine Schuldenkrise geraten ist, (Dagmar Ziegler [SPD]: Langweilig!) wenn Sie den Menschen ernsthaft erzählen wollen, dass es für Deutschland eine Lösung wäre, mehr zu verteilen, mehr Schulden zu machen, (Katja Mast [SPD]: Wir machen nicht mehr Schulden! Das machen Sie! 110 Milliarden, Herr Dobrindt!) Steuern zu erhöhen, mehr Staat zu haben, anstatt sich endlich einmal dazu zu bekennen, dass es für Wohlstand und Sicherheit in diesem Land als Allererstes die Freiheit der Menschen braucht, die Wirtschaft und Arbeit selbstbestimmt gestalten können und nicht mit Ihrer staatlichen Bevormundung leben müssen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn Sie die Wahlprogramme vergleichen, sollten Sie bitte einfach mal zur Kenntnis nehmen: Das, was Rote und Grüne aufgeschrieben haben, ist reif für die Tonne. Aber da sind Sie wenigstens konsequent, denn es passt zu Ihrem Kandidaten, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD) Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Katja Mast hat jetzt für die SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Katja Mast (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dobrindt, jede Redezeitbeschränkung für Sie ist eine Eindämmung unseriöser Geschäftspraktiken. (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Lassen Sie mich zu dem Thema der Aktuellen Stunde kommen - viele Bürgerinnen und Bürger hören zu -: Heute geht es um die Wahlversprechen von CDU und CSU. Ihre Parteivorsitzende hat bei der Vorstellung des Regierungsprogramms gesagt: Das ist ein Programm, das Maß und Mitte hält. (Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat sie!) Ich kann bei Wahlversprechen, die 50 Milliarden Euro kosten und die nicht gegenfinanziert sind, weder Maß noch Mitte feststellen. (Norbert Barthle [CDU/CSU]: Rechnen Sie doch einmal vor, wie Sie auf die 50 kommen!) Sie sind wohl davon ausgegangen, dass die Merkel-CDU in Berlin-Mitte eine Maß trinkt, ohne zu sagen, wer das bezahlen soll. Das ist kalkulierte Zechprellerei. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Und wen trifft die Zechprellerei? Es sind die Wählerinnen und Wähler, denn sie müssen am Ende die Zeche zahlen. Sie machen eine unglaubwürdige Politik nach dem Motto "Versprochen, gebrochen". (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das war doch immer Ihre Stärke!) Sie versprechen immer wieder Dinge, ohne sie einzulösen. Das haben Sie auch in den letzten vier Jahren so gemacht. Sie haben in Ihrem Koalitionsvertrag - das ist nicht das Wahlprogramm, sondern das Arbeitsprogramm einer Regierung für vier Jahre - versprochen, dass Sie die Erziehungsleistungen besser in der Alterssicherung abbilden wollen. Passiert ist nichts, gar nichts. Sie haben versprochen, den Kampf gegen Altersarmut anzugehen. Passiert ist nichts; kein einziges Gesetz wurde vorgelegt. Sie haben versprochen, die Rentenangleichung zwischen Ost und West durchzuführen. Versprochen, gebrochen! Passiert ist nichts. - So seriös gehen Sie mit Ihren Arbeitsprogrammen um; ich sage bewusst Arbeitsprogramme und nicht Wahlprogramme. Jetzt tun Sie so, als gäbe es das Problem gar nicht. Sie versprechen einfach wieder das, was schon in Ihrem Koalitionsvertrag stand. Sie versprechen, die sogenannte Mütterrente anzuheben, Kosten: 6,5 Milliarden. Finanzierung? Fehlanzeige! Sie sagen, für die Rentenangleichung Ost-West brauchen wir kein Gesetz, das regelt sich von alleine. (Iris Gleicke [SPD]: Das ist zu kompliziert, das verstehen die nicht!) Das versprechen Sie den Leuten. Außerdem versprechen Sie eine Beitragssatzsenkung in der Rentenversicherung mit der Begründung: Wir haben genügend Geld; deshalb besteht keine Notwendigkeit, in Bezug auf die Rente etwas anderes zu organisieren. Ich sage Ihnen: Sie haben in Ihrer Koalition in der Rentenpolitik nichts getan, und Sie werden auch künftig nichts mehr tun. Versprochen, gebrochen - das ist Ihre unglaubwürdige Politik. (Beifall bei der SPD) Aber die Zechprellerei - eine Maß Bier in Mitte trinken, ohne zahlen zu wollen - ist nicht nur in diesem Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik bemerkenswert. Für Ihr Regierungsprogramm gilt: mehr Schein als Sein. Sie klauen alle sozialdemokratischen Überschriften. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Iris Gleicke [SPD]: Nicht nur die Überschriften! Das ist das Schlimme!) Schaut man genauer hin, stellt man fest: Sie übertragen die Verantwortung nicht dem Parlament, wo sie hingehört, sondern Ihrer Meinung nach sind immer andere verantwortlich. Ich mache Ihnen das an vier Beispielen deutlich. Sie sagen: Mindestlohn - toll, können wir brauchen, aber zuständig sind die Tarifvertragsparteien. Leiharbeit, gleiches Geld für gleiche Arbeit - wollen wir, aber zuständig sind die Tarifvertragsparteien. (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Was haben Sie eigentlich gegen Gewerkschaften?) Langzeitarbeitslose am Erwerbsleben teilhaben lassen - das wollen wir, toll, aber zuständig ist die Bundesagentur für Arbeit. Menschliche Arbeitswelt gestalten, Burn-out verhindern - finden wir toll, da muss man etwas machen, aber zuständig sind die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber. Ich frage mich, warum Angela Merkel überhaupt noch einmal Kanzlerin werden will. Warum kandidiert sie nicht als Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes? Denn dann könnte sie all das ändern, was in ihrem Wahlprogramm steht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich sage Ihnen: Das ist unseriös. Sie streuen den Menschen Sand in die Augen. Wir von der SPD werden Kanzler, weil wir verantwortungsvolle Politik für die Menschen machen. Wir, die SPD, stehen für mehr "wir" und weniger "ich". (Volker Kauder [CDU/CSU]: Vor allem der Kandidat! Der Kandidat steht für mehr "wir" als "ich"! Na sauber!) Wir, die SPD, machen unsere Hausaufgaben, bevor wir auf Gipfeltreffen Appelle an andere richten. Wir, die SPD, wollen nicht nur Themen besetzen, sondern wir werden auch die entsprechenden Gesetze ändern. Wir, die SPD, sagen nicht nur, was wir machen wollen, sondern wir sagen auch, woher das Geld dafür kommen soll. Wir, die SPD, zahlen unsere Maß, und zwar nicht nur, wenn wir sie in Mitte trinken, sondern immer. (Beifall bei der SPD - Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ihr wollt Steuererhöhungen für alle!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Eckhardt Rehberg für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der FDP: Endlich mal wieder Vernunft!) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wenn man die Bilanz von sieben Jahren Rot-Grün zieht und der Bilanz von acht Jahren unionsgeführter Bundesregierung unter Angela Merkel gegenüberstellt, dann kann man Folgendes feststellen: Die Arbeitslosigkeit ist von 5 auf 3 Millionen heruntergegangen. Herr Kollege Bartsch, von den 2 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen sind die Hälfte Vollzeitarbeitsplätze, und die andere Hälfte sind Teilzeitarbeitsplätze. Kein Teilzeitarbeitsplatz hat einen Vollzeitarbeitsplatz weggenommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Karin Binder [DIE LINKE]: Nö!) Das heißt, der Aufwuchs bei den Steuereinnahmen ist durch mehr Beschäftigung erreicht worden. Und wenn Sie von prekären Arbeitsverhältnissen sprechen, halte ich Ihnen entgegen: Damit erzielt man nicht mehr Steuern; das erreicht man nur mit guter Arbeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die Statistik zeigt, dass es einen Aufwuchs bei der Frauenarbeitsquote gibt. (Karin Binder [DIE LINKE]: Minijobs!) Sie stieg um 4 Prozentpunkte, von 68 auf 72 Prozent. Wir haben im Vergleich zum Jahr 2006, nach Rot-Grün, doppelt so viele über 55-jährige Arbeitnehmer. Wir haben über 730 000 Langzeitarbeitslose in Arbeit gebracht. In meinem Heimatland, wo ALG-I-Empfänger eine Verweildauer von unter 90 Tagen haben, sind im letzten Jahr 5 400 Hartz-IV-Empfänger wieder in Arbeit gekommen. Grund dafür ist die erfolgreiche Politik in acht Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Herr Kollege Steinmeier, Sie reden vom Plündern von Sozialkassen. - Er ist scheinbar nicht mehr im Raum, (Zurufe von der SPD: Doch!) aber ich sage es für die Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün. Erinnern Sie sich: Sie hatten, als Sie 2005 abgewählt worden sind, in der Rentenkasse eine Schwankungsreserve von 1,7 Milliarden Euro bzw. 0,1 Monatsraten. 2004 gab es eine Nullrunde für die Rentner, 2005 gab es eine Nullrunde, und 2006 gab es eine Nullrunde. Wir haben heute eine Schwankungsreserve von 30 Milliarden Euro; das sind 1,7 Monatsraten. Das zeigt wiederum die erfolgreiche Politik unter Kanzlerin Angela Merkel. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Thomas Oppermann [SPD]: Das hat doch damit nichts zu tun!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben den Dreiklang eingehalten. Wir haben die Erblast Peer Steinbrücks abgebaut. Von seiner Planung - über 300 Milliarden Euro Schulden - (Katja Mast [SPD]: 110 Milliarden Neuschulden!) haben wir nur ein Drittel, 100 Milliarden Euro, in Anspruch genommen. Die Neuverschuldung - für 2010 in Höhe von 86 Milliarden Euro eingeplant - wird in 2015 bei null liegen. Außerdem, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger in der vollen Jahreswirkung ab dem Jahr 2011 - einiges ist noch unter Schwarz-Rot beschlossen worden - in Höhe von 45 Milliarden Euro beschlossen. Sie müssen sich das auf der Zunge zergehen lassen: in dieser Legislaturperiode 50 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen beim Bund, 36 Milliarden Euro bei den Ländern, 15 Milliarden Euro bei den Kommunen und noch 45 Milliarden Euro Entlastung bei den Bürgerinnen und Bürgern; und da sind die Unternehmen noch gar nicht erwähnt. (Katja Mast [SPD]: Sie reden gar nicht vom Wahlprogramm!) In der Entlastung enthalten sind Kindergelderhöhungen von fast 10 Milliarden Euro, die Steuertarifsenkung mit 10 Milliarden Euro, die Pendlerpauschale mit 8,5 Milliarden Euro und die steuerliche Absetzbarkeit von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen. Das sind in toto 45 Milliarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, man sieht: Man kann konsolidieren, man kann entlasten. Zusätzlich haben wir in Bildung und Forschung und in Verkehrsinfrastruktur investiert, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) und wir werden den Kommunen für die Grundsicherung ab dem Jahr 2014 5 Milliarden Euro überweisen. In diesem Jahr sind es 75 Prozent von 5 Milliarden Euro. Meine sehr verehrten Damen und Herren, auf unser Zeugnis würde ich eine Eins plus schreiben. Dagegen hat Rot-Grün eine Sechs verdient und ist damit sitzen geblieben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf des Abg. Stefan Rebmann [SPD]) - Da sage ich Ihnen ganz simpel: Wenn Sie eine Schwankungsreserve von 30 Milliarden Euro bei der Rente haben, dann können Sie darüber einen Entgeltpunkt in Höhe von 7 Milliarden Euro finanzieren. Sie können doch heute keiner Frau erklären, warum die nach 1992 geborenen Kinder drei Punkte bringen und die vor 1992 geborenen nur einen Punkt. (Dagmar Ziegler [SPD]: Wer hatte das denn zu verantworten?) Meiner Frau kann ich das in Bezug auf unsere beiden Kinder jedenfalls nicht erklären. Deswegen werden wir diese Ungerechtigkeit beseitigen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dagmar Ziegler [SPD]: Wer ist denn verantwortlich für diese Ungerechtigkeit? Das waren doch Sie!) Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letztes Wort zum Thema Ostrente. (Dagmar Ziegler [SPD]: Da ist noch nicht das letzte Wort gesprochen!) Richtig ist, dass eine Rentenangleichung jedes Jahr erfolgt. Richtig ist aber auch, dass die Angleichung funktioniert. Der Rentenwert Ost beträgt zurzeit 91,5 Prozent des Rentenwerts West; er ist in den letzten zwölf Monaten um 2,7 Prozentpunkte gestiegen. Herr Kollege Bartsch, jeder ostdeutsche Arbeitnehmer, egal welches Bruttoeinkommen er hat, erhält durch die Höherbewertung des Lohnes um 18 Prozent und durch den gestiegenen Rentenwert letztendlich einen höheren Rentenanspruch als jeder westdeutsche Arbeitnehmer. Das muss hier, im Deutschen Bundestag, einmal ganz klar gesagt werden. Das wurde 1990 durch Helmut Kohl eingeführt. (Iris Gleicke [SPD]: Sie haben keine Ahnung, worüber Sie reden!) Die Gewinner der deutschen Einheit sind die Rentnerinnen und Rentner. Aufgrund unseres geltenden Rentensystems ist der Osten insgesamt der Gewinner. Wenn Sie sofort eine Rentenangleichung durchführen werden, dann muss die Höherbewertung des Lohnes wegfallen. Das hielte ich für sehr problematisch, insbesondere weil die Gewerkschaften nach wie vor für Ost und West unterschiedliche Tarifverträge abschließen. (Iris Gleicke [SPD]: Und Sie gegen den Mindestlohn sind!) Deswegen sage ich: Auch bei den Ostrenten sind wir auf einem guten Weg. Wir sorgen dafür, dass die ostdeutschen Arbeitnehmer bei der Rentenanpassung nicht zu kurz kommen. (Iris Gleicke [SPD]: Ach du großer Gott!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle für die Unionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Norbert Barthle (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als letzter Redner in dieser Aktuellen Stunde, in der es eigentlich um die Frage gehen soll, ob das Wahlprogramm von CDU und CSU ein Risiko für den Bundeshaushalt oder die Landeshaushalte darstellt, (Bettina Hagedorn [SPD]: Genau! Wir haben darüber gesprochen! Ihre Redner sind ständig vom Thema abgewichen!) muss ich leider feststellen: Die Kollegen aus der Opposition haben es immer noch nicht begriffen. (Zurufe von der SPD: Oh!) Deshalb erkläre ich es Ihnen jetzt einmal mit den Worten und der Rhetorik von Jürgen Trittin: Sparen und Investieren sind kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Haben Sie es kapiert? - Immer noch nicht? Dann erkläre ich es noch einmal: (Thomas Oppermann [SPD]: Sagen Sie es noch einmal! - Weiterer Zuruf von der SPD: Vielen Dank, Herr Oberlehrer!) Wer die vergangenen vier Jahre in diesem Land aufmerksam verfolgt hat, der konnte feststellen, dass wir erfolgreich konsolidiert haben und gleichzeitig in Zukunft investiert haben. Vielleicht zunächst zum Investieren: Wir haben am Anfang der Legislaturperiode die Bürgerinnen und Bürger um rund 25 Milliarden Euro entlastet; wir haben den ESM-Kapitalstock mit 17 Milliarden Euro aufgefüllt; (Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Genau!) wir haben für die Kitaplätze über 5 Milliarden Euro ausgegeben; wir haben für Bildung und Forschung 13 Milliarden Euro mehr ausgegeben; wir haben für die Infrastruktur fast 2 Milliarden Euro mehr ausgegeben als vorgesehen; wir haben den Kapitalstock der EIB mit 1,6 Milliarden Euro befüllt. Wenn Sie die Zahlen addieren, stellen Sie fest, dass es dabei um eine Größenordnung geht, die Sie uns hinsichtlich unseres Wahlprogramms für die kommenden vier Jahre vorwerfen. Gleichzeitig haben wir die Nettokreditaufnahme von ursprünglich 86 Milliarden Euro - Steinbrück-Schulden - (Bettina Hagedorn [SPD]: Das sind Merkel-Schulden! - Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wart ihr nicht dabei? 2009, wart ihr da nicht dabei?) auf 6 Milliarden Euro reduziert. Das ist ein Rückgang der Neuverschuldung um 80 Milliarden Euro innerhalb von vier Jahren. Das ist eine Bilanz, die bisher noch keine Regierung vorweisen konnte. Das ist unsere Leistung. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Der Kollege Schneider sagte bei der Vorstellung des Bundeshaushalts 2014, das sei ein vernichtendes Abschlusszeugnis für diese Regierung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da kann man nur noch tot umfallen vor Lachen. (Dagmar Ziegler [SPD]: Machen Sie doch! - Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: He!) Es gibt keine grün-rote oder rot-grüne Regierung - und es gab auch keine -, weder im Bund noch im Land, die ein so vorzügliches Abschlusszeugnis vorzuweisen hatte. Nie! Die gab es nicht, und die wird es auch nicht geben. (Thomas Oppermann [SPD]: Es gab auch keine Regierung, die so wenig dafür getan hat!) Ein Blick in die Länder genügt. Baden-Württemberg: 3,5 Milliarden Euro neue, zusätzliche Schulden, und die landesgesetzliche Schuldenbremse wird mal eben außer Kraft gesetzt. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz locker bleiben!) Baden-Württemberg ist Ihr Land. In Nordrhein-Westfalen wurde dreimal ein verfassungswidriger Haushalt vorgelegt. (Katja Mast [SPD]: Das haben Sie uns hinterlassen! Nichts durchfinanziert! Eine Schweinerei, Herr Barthle!) Und jetzt zum Schluss: Schleswig-Holstein bekommt ein vernichtendes Urteil des Landesrechnungshofs. Was wird gesagt? Ich zitiere: Die Landesregierung - Grün-Rot und SSW - hat "einen neuen Kurs eingeschlagen. Mit dem Haushalt 2013 wurden wichtige Einsparerfolge zurückgenommen. Dies erschwert den Weg zu einem strukturell ausgeglichenen Haushalt 2020." So das Urteil des Landesrechnungshofs. Schreiben Sie sich das hinter die Ohren. Lernen Sie daraus, und machen Sie es dort, wo Sie regieren, so, wie wir es machen, nämlich besser. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Stefan Rebmann [SPD]: Sagen Sie Mappus, er soll reinen Tisch machen!) Wenn es in diesem Land ein Haushaltsrisiko für Bund und Länder gibt, dann ist es Rot-Grün. Wir stehen für stabile Haushalte. Wir halten das Ausgabenniveau konstant. Das ist das Geheimnis unseres Erfolges. Das hat inzwischen auch die Öffentlichkeit erkannt. Ich zitiere aus dem Kommentar von Roland Pichler aus der Stuttgarter Zeitung von heute. Da heißt es: Erstmals seit Langem ist es einer Regierung gelungen, die Ausgaben des Staates über vier Jahre hinweg stabil zu halten. Ich bedanke mich für diesen Satz. Er trifft genau die Wahrheit. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das ist das Geheimnis unseres Erfolges. Diesen Erfolg werden wir fortsetzen, indem wir auch zukünftig in den Verkehr, in die Infrastruktur, in Familien, in Bildung, in die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger investieren und gleichzeitig konsolidieren, und zwar ohne Steuererhöhungen, ohne zusätzliches Abkassieren, ohne Vermögensabgaben und Vermögensteuer. Der Kollege OB Palmer aus Tübingen wurde bereits zitiert. Lesen Sie es in der taz nach. Er rechnet Ihnen vor, dass Sie mit Ihren Plänen genau den Mittelstand, den Motor des Fortschritts, des Wachstums, treffen. Den Mittelstand würden Sie damit kaputtmachen. Er hat es Ihnen wunderschön ausziseliert. Lesen Sie es nach. Vielleicht glauben Sie ihm eher als mir. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Dem glauben die auch nichts! Die glauben nur ihren eigenen Unsinn!) Dass Ihre geplanten Steuererhöhungen kein Einzelfall sind, sondern eine Strategie, das haben wir gerade heute im Haushaltsausschuss wieder erlebt. Ich halte es für skandalös, dass die SPD dem Nachtragshaushalt nicht zustimmt, in dem das Geld für die Fluthilfe bereitgestellt werden soll. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Unglaublich! - Bettina Hagedorn [SPD]: Wir haben der Fluthilfe zugestimmt! Alles andere ist gelogen!) Sie ducken sich dort weg, wo es darauf ankommt, weil Sie wahrscheinlich wieder nur von Ihren Steuererhöhungen geträumt haben, anstatt zur Verantwortung zu stehen. Das halte ich wirklich für unverantwortlich. (Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP: Pfui! - Zuruf des Abg. Stefan Rebmann [SPD]) Wenn etwas in die Tonne zu treten ist, dann nicht unser Regierungsprogramm. In der Tonne ist ja sowieso kein Platz mehr. Da hockt schon der Herr Steinbrück. Was soll man da noch reintreten? Die ist ja voll. Danke. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Die Aktuelle Stunde ist beendet. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 a bis 20 d auf: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken - Drucksachen 17/13057, 17/13429 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14192, 17/14216 - Berichterstattung: Abgeordnete Ansgar Heveling Dr. Patrick Sensburg Marco Wanderwitz Marianne Schieder (Schwandorf) Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jens Petermann Ingrid Hönlinger Jerzy Montag b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung - Drucksache 17/6482 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14192, 17/14216 - Berichterstattung: Abgeordnete Ansgar Heveling Dr. Patrick Sensburg Marco Wanderwitz Marianne Schieder (Schwandorf) Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jens Petermann Ingrid Hönlinger Jerzy Montag c) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Halina Wawzyniak, Jan Korte, Dr. Petra Sitte, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Begrenzung der Haftung und der Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen - Drucksache 17/6483 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jerzy Montag, Renate Künast, Jürgen Trittin, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens - Drucksache 17/12620 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14192, 17/14216 - Berichterstattung: Abgeordnete Ansgar Heveling Dr. Patrick Sensburg Marco Wanderwitz Marianne Schieder (Schwandorf) Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jens Petermann Ingrid Hönlinger Jerzy Montag d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Caren Lay, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stoppen - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Ingrid Hönlinger, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Unseriöses Inkasso eindämmen - Drucksachen 17/9746, 17/11837, 17/14036 - Berichterstattung: Abgeordnete Marco Wanderwitz Marianne Schieder (Schwandorf) Stephan Thomae Jens Petermann Ingrid Hönlinger Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung gegen unseriöse Geschäftspraktiken liegen ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Fraktion der SPD sowie zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über zwei Änderungsanträge werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Stephan Thomae für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Stephan Thomae (FDP): Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn jemand das schier Unmögliche versucht, dann sagt man, dass er sich an der Quadratur des Kreises versucht. Aus dem Fußball wissen wir, dass es schwer ist, das Runde in das Eckige zu befördern. Auch wir haben es hier mit vier Eckpunkten zu tun, an denen sich der heute zu beratende Gesetzentwurf orientiert: der Telefonwerbung, dem Inkasso, der Abmahnung nach dem Wettbewerbsrecht und der Abmahnung nach dem Urhebergesetz. Das sind die vier Eckpunkte des Gesetzentwurfes, der heute zur Beratung und Verabschiedung ansteht. Wir haben zwei Mannschaften auf dem Spielfeld: zum einen die Inhaber von Forderungen und Rechten, zum anderen die Verbraucher. Nun müssen wir etwas Rundes machen: ein entsprechendes Gesetz. Ja, es gibt Missbrauch und Fehlentwicklungen auf den genannten Gebieten. Ja, es gibt schwarze Schafe, die legale Instrumente missbrauchen. Ja, davor muss der Verbraucher geschützt werden. Ja, dagegen muss der Gesetzgeber etwas tun. Aber man muss auch sagen: Nein, nicht jede Telefonwerbung, nein, nicht jede Abmahnung und nein, nicht jedes Inkassoschreiben ist per se unseriös und illegal. Vor allem ist es nicht einfach schon deswegen per se unseriös, weil es in großer Zahl auftritt. Man kann eben nicht alles über einen Kamm scheren. Lassen Sie mich an dieser Stelle eine Art Ehrenerklärung abgeben. Die meisten Telefonverträge, die meisten Abmahnungen und die meisten Zahlungsaufforderungen von Inkassounternehmen sind seriös. Aber das, was man sieht, sind oft die unseriösen Fälle. Zunächst einmal ist es völlig in Ordnung, dass jemand, bevor er eine Zahlungsklage einreicht, erst einmal vorgerichtlich eine Zahlungsaufforderung verschickt und dass er, bevor er eine einstweilige Verfügung bei Gericht erwirkt, zunächst einmal eine vorgerichtliche Abmahnung verschickt. In der öffentlichen Diskussion wird jedoch wahrgenommen, dass viele dieser Fälle eben unseriös sind. Wenn aber in großer Zahl Schuldner nicht zahlen, in großer Zahl Wettbewerber die Wettbewerbsregeln nicht einhalten und in großer Zahl Menschen Urheberrechte missachten, dann müssen Inhaber von Rechten und Forderungen natürlich auch ein Instrument in der Hand haben, um ihre Rechte wahrnehmen und ihre Forderungen durchsetzen zu können. Die FDP steht für den Schutz von Eigentum, für den Schutz von Rechten und nicht zuletzt für den Schutz geistigen Eigentums. Denn geistiges Eigentum ist kein Recht zweiter Klasse. Wir wollen aber eben auch nicht, dass jemand die Akzeptanz dieser Rechte aushöhlt, indem er Verbraucher reinlegt, überrumpelt oder über den Tisch zieht. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Diese Punktgenauigkeit zu erreichen, ist schwierig. Das Parlament hat intensiv beraten, um hier eine Balance herzustellen. Es hat nicht nur abgenickt, was uns die Regierung vorlegte, sondern wir haben, glaube ich, in intensiven Beratungen ein treffsicheres Gesetz erarbeitet, das einen Beitrag leistet, die Akzeptanz dieser Rechte zu erhöhen. Deswegen möchte ich - da die mir zugemessene Zeit kurz ist - an dieser Stelle auch meinen Dank aussprechen, zumal dies heute meine vorletzte Rede im Deutschen Bundestag und meine letzte rechtspolitische Rede ist; morgen werde ich zu einem haushaltspolitischen Thema sprechen. Ich möchte meinen Dank richten an die Kolleginnen und Kollegen im Rechtsausschuss, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechtsausschusses und der Arbeitsgemeinschaften, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachebene des Justizministeriums sowie an die Ministerin für die intensiven Beratungen, die stets auf hohem, ja, höchstem Niveau stattgefunden haben. Ich habe die Arbeit im Rechtsausschuss immer mit großem Ernst und auch mit großer Freude wahrgenommen. Diese Ernsthaftigkeit habe ich auch bei den Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses - über alle Fraktionsgrenzen hinweg - vorgefunden. Dafür mein herzlicher Dank. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich habe bei Ihnen allen immer großen Sachverstand vorgefunden. Wir haben, denke ich, auch strittige Themen immer mit größtem Respekt beraten. Deswegen glaube ich heute ganz sicher sagen zu können, dass dieses Parlament weitaus besser ist, als sein Ruf es manchmal erscheinen lässt. Diese Qualitäten des Parlaments sollten wir, meine ich, viel öfter herausstellen. (Beifall der Abg. Stefanie Vogelsang [CDU/CSU]) Ich danke Ihnen für vier Jahre gemeinsame Beratungen und wünsche Ihnen und uns allen alles Gute. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Marianne Schieder für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Marianne Schieder (Schwandorf) (SPD): Liebe Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute diskutieren wir - endlich, muss man sagen - abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu unseriösem Inkasso, zu unerlaubter Telefonwerbung und zum Abmahnwesen. Überall - auch bei mir im Wahlkreis - lassen die Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über unseriöses Inkasso, Belästigung durch unerlaubte Telefonwerbung oder den Abmahnwahnsinn nicht nach. Das sind Bereiche, in denen Verbraucherinnen und Verbraucher seit langem besser geschützt werden müssten. Schon lange gibt es auch Vorschläge aus dem Bundesrat und seitens der Opposition sowie Ankündigungen der zuständigen Bundesministerin. Doch leider erst jetzt - sozusagen ganz kurz vor Schluss - kommen wir endlich zu einer Gesetzgebung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der massiven Kritik, die es am ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung von allen Seiten gab - von der Opposition ebenso wie von den Expertinnen und Experten in der Anhörung -, haben Sie lobenswerterweise nachgelegt und mit einem umfangreichen Änderungsantrag die geplanten Vorschriften in einigen Bereichen verbessert. (Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: Na also!) So muss jetzt auch der ursprüngliche Vertragspartner durch das Inkassounternehmen - allerdings erst auf Nachfrage - genannt werden. Man fragt sich: Warum nicht gleich? Und warum nur mit Namen und nicht gleich mit einer ladungsfähigen Anschrift? (Beifall bei der SPD) Ein grundsätzliches Problem ist auch, dass es so gut wie keine Anforderungen für die Anerkennung als Inkassounternehmerin oder Inkassounternehmer gibt. Hier könnte und sollte man doch ansetzen, wenn man auf diesem Feld die Spreu vom Weizen trennen will. Wir brauchen dringend entsprechende Anforderungen an die Qualifikation, sodass die Registrierung als Inkassounternehmen erst nach Darlegung eines Sachkundenachweises möglich wird. Ein weiteres Problem sehen wir in der so gut wie gar nicht ausgeübten Aufsicht über die Inkassounternehmen. Es gibt die Aufsicht zwar offiziell, aber sie funktioniert nicht. In Ihrem Änderungsantrag gehen Sie zwar auf diese Thematik ein, indem Sie die Reaktionsmöglichkeiten ausweiten wollen. Aber grundsätzlich trauen Sie sich an dieses Problem nicht heran. (Beifall bei der SPD) Es muss, wenn man wirklich etwas erreichen will, dringend geprüft werden, wie die Aufsicht effizienter gestaltet und fachlich verbessert werden kann. Die Aufsichtsbehörden müssen vor allen Dingen personell und finanziell ausreichend ausgestattet werden, damit die Aufsicht auch funktionieren kann. Ich freue mich darüber, dass das Parlament an der Festsetzung der Vergütungen für Inkassodienstleistungen beteiligt wird, indem die entsprechende Rechtsverordnung im Bundestag verabschiedet werden soll und sie nicht, wie ursprünglich geplant, der parlamentarischen Kontrolle entzogen bleibt. Ja, da haben Sie in der Tat dazugelernt. Jetzt muss diese Rechtsverordnung aber auch möglichst schnell kommen; sie darf nicht erst in Jahren wieder kurz vor Schluss auf den Tisch gelegt werden. Was wirklich schwierig bleibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind die Regelungen zur Deckelung der Abmahnkosten für Verbraucherinnen und Verbraucher, denen im privaten Bereich Urheberrechtsverletzungen angelastet werden. Zwar soll zur Deckelung der vielfach total überhöhten Abmahnkosten eine Streitwertobergrenze eingeführt werden; aber gleichzeitig öffnet man mit einer Ausnahmeregelung sofort wieder die Tür zur Umgehung dieser Begrenzung. Diese Ausnahmeregelung - das wissen Sie so gut wie wir - kann in der Tat sehr leicht dazu führen, dass massenhafte Abmahnungen von Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterhin ein lukratives Geschäftsmodell bleiben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Warum, so fragt man sich auch, soll die Streitwertobergrenze nur noch im außergerichtlichen Verfahren gelten, und warum soll es im gerichtlichen Verfahren nach dem freien Ermessen des Gerichts gehen? Besteht da nicht die Gefahr, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch das hierdurch entstehende unkalkulierbare Kostenrisiko abgeschreckt werden und eben keinen Rechtsschutz suchen? Alles in allem bringt die von Ihnen angestrebte Gesetzgebung zwar Verbesserungen, lässt aber zu viele Fragen offen, um wirklich für einen umfassenden Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher zu sorgen. Schade, schade, muss man sagen. Es ist schade für die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Land, dass es in dieser Legislaturperiode wieder nicht gelungen ist, hier eine vernünftige Lösung zu finden. Das, was nötig wäre, haben wir in unserem Entschließungsantrag, für den wir um Ihre Unterstützung bitten, zusammengefasst. Damit kämen wir beim Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wirklich voran. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Marco Wanderwitz hat nun für die Unionsfraktion das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Marco Wanderwitz (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im vergangenen Monat hat der Bundesverband des Deutschen Versandhandels mit ziemlich beeindruckenden Zahlen die weiterhin kontinuierliche Steigerungsrate beim nationalen Warenverkehr übers Internet belegt. Der Anteil der Internetbestellungen hat in den letzten 15 Monaten um weitere 35 Prozent zugenommen. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein wird. Leider hat insbesondere im Internetbereich, mit diesen Steigerungsraten einhergehend, auch der Missbrauch in vielen verschiedenen Fallkonstellationen zugenommen. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das stimmt!) Zum Thema Telefonwerbung wird mein Kollege Sensburg das eine oder andere sagen. Ich will mich auf den Bereich Inkasso, den Hauptpunkt des heute vorliegenden Gesetzentwurfes, beschränken. Hierbei geht es beispielsweise um die sogenannten Abofallen, unerlaubte Telefonanrufe, Gewinnspielverträge und den Missbrauch datenschutzrechtlicher Einwilligungen. Die Betrügereien sind sehr erfinderisch und vielfältig. Am Ende der Betrugsketten steht zumeist auch noch unseriöses Inkasso. Es gibt natürlich viel seriöses Inkasso; das muss an dieser Stelle gleich zu Beginn ganz deutlich gesagt werden. Es geht also nicht um die Mehrzahl derer, die im Inkassobereich tätig sind, und nicht um die Mehrzahl der eingezogenen Forderungen. Dennoch haben wir es mit einem großen Problem zu tun, von dem nicht nur wenige Einzelfälle betroffen sind. Jeder, der selbst schon einmal betroffen war oder aus dem Familien- oder Bekanntenkreis Betroffene kennt, der weiß, mit was für Methoden da gearbeitet wird und wie sehr man sich unter Druck gesetzt fühlt. Deshalb ist völlig klar: Hier muss gehandelt werden. Mit dem Gesetz, das wir in der jetzt vorliegenden Form, die vom Regierungsentwurf in der Tat an der einen oder anderen Stelle abweicht, heute beschließen werden, erhöhen wir die Transparenz beim Forderungseinzug, indem wir Darlegungs- und Informationspflichten festschreiben. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Fast nichts!) Das ist aus meiner Sicht einer der wichtigsten Punkte. Es ist auch nicht so, dass beim Thema Aufsicht nichts passiert: Wir erweitern das Sanktionsinstrumentarium der Aufsichtsbehörden (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wenn es keine Aufsicht gibt, gibt es auch keine Sanktionen!) und verpflichten diese - auch das ist ein wichtiger Punkt - zu anlassbezogenen Sanktionen, sprich: Wenn etwas zu beanstanden ist, dann muss die Aufsicht tätig werden. Außerdem erhöhen wir die Bußgelder, und - auch das ist ein wichtiger Punkt - wir legen einen Gebührenrahmen für Inkasso fest. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen künftig klar erkennen können - Stichwort Transparenz -, (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Schön wär's!) für wen das Inkassounternehmen bzw. der Anwalt im Forderungseinzug tätig ist, warum ein bestimmter Betrag gefordert wird und wie sich die Kosten berechnen. Ich will an dieser Stelle - in der Hoffnung, dass es möglichst viele mitbekommen - ganz deutlich sagen: Wenn Verbraucherinnen und Verbraucher diese Angaben auf dem Inkassoschreiben nicht vorfinden, dann können sie künftig sicher davon ausgehen, dass sie es mit einem unseriösen Inkassoschreiben zu tun haben. Leider - machen wir uns nicht vor! - wird es auch in Zukunft Fälle unseriösen Inkassos geben, auch wenn wir jetzt gesetzlich möglichst viel tun, das zu erschweren. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: So ist es!) Auf dem Inkassoschreiben müssen künftig also der Name oder die Firma des Auftraggebers und der Forderungsgrund stehen. Bei Verträgen muss der konkrete Vertragsgegenstand dargelegt und das Datum des Vertragsabschlusses genannt werden. Diese Verträge reichen häufig lange in die Vergangenheit zurück. Ein Beispiel dafür sind Verträge im Telekommunikationsbereich. Das ist wichtig für jemand, der nicht häufig wechselt, der aber irgendwann vor vielen Jahren einmal einen Vertrag geschlossen hat. Diese Kette muss hergeleitet werden. Ferner muss eine Zinsberechnung enthalten sein, und es müssen Angaben zu Art, Höhe und Entstehung der Kosten gemacht werden. Ich glaube, diese Regelungen sind ein großer Gewinn für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können künftig viel besser prüfen, ob die Forderung gerechtfertigt ist, (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das ist das Mindeste!) ob sie wirklich eine Rechnung, vielleicht auch eine Mahnung, übersehen haben. So lässt sich seriöses Inkasso viel besser von unseriösem Inkasso unterscheiden. Die neuen Informationspflichten gelten sowohl für die klassischen Inkassounternehmen als auch für im Forderungseinzug tätige Anwälte, sprich: Es gibt keine Ausnahmen je nachdem, mit wem man es zu tun hat. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Warum auch?) Bis die neuen Informationspflichten in Kraft treten, gilt - das will ich an dieser Stelle ganz offen sagen - eine Übergangsfrist von einem Jahr. Bei Dauerschuldverhältnissen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen - ich habe das angesprochen -, müssen Unternehmen teilweise einen hohen Aufwand treiben, um den neuen Informationspflichten nachkommen zu können. Mit der zwölfmonatigen Übergangsfrist für diesen Punkt werden wir sowohl den berechtigten Interessen der Unternehmen als auch den Interessen der Verbraucher gerecht. Wir schaffen für die Inkassounternehmen eine Analogie zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - für die Anwälte galt schon immer der Gebührenrahmen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes -: Künftig werden die Kosten auf den Gegenstandswert bezogen. Das ist schon weitgehend gefestigte Rechtsprechung. Wir schreiben das jetzt ins Gesetz. Ich glaube, das ist die einzig vernünftige Lösung: dass man nicht versucht, künstlich zu unterscheiden zwischen Inkassounternehmen auf der einen Seite und im Forderungseinzug tätigen Anwälten auf der anderen Seite. Auf diese Weise bekommen wir ein weiteres Problem aus dem unseriösen Inkassobereich in den Griff. Künftig können im Bereich der Nebenkosten für irgendwelche vermeintlich mehrfach durchgeführten Adressermittlungen nicht mehr - wie es vorkam - Hunderte von Euro verlangt werden. Der klare Nebenkostenrahmen des Rechtanwaltsvergütungsgesetzes gilt künftig auch für die Inkassounternehmen. Die Verordnungsermächtigung für das Bundesjustizministerium für eine weitere Konkretisierung der Kosten bedarf - die Kollegin Schieder hat es schon gesagt - der Zustimmung des Bundestages. Das war ursprünglich anders vorgesehen. Wir haben jetzt Leitplanken für die Gebühren gezogen. Das Justizministerium hat die Möglichkeit, das noch weiter zu konkretisieren. Dem werden wir uns in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam widmen. Dann müssen wir schauen, ob es vernünftige Anwendungsbeispiele dafür gibt. Ein Anwendungsbeispiel - es steht im Gesetz - ist das sogenannte Mengeninkasso: Wenn jemand eine Vielzahl von gleichartigen Forderungen einzieht, kann das ein Indiz dafür sein, dass anteilig geringere Kosten anfallen. Wenn es uns gelingt, diesen Punkt vernünftig zu normieren, können wir an dieser Stelle über geringere Kosten nachdenken. Allerdings ist auch völlig klar, dass beim Forderungseinzug nicht zwingend niedrigere Kosten entstehen, nur weil der Inhaber der Forderungen der Gleiche ist und man ins Adressfeld also dieselbe Adresse einsetzen kann. Zur Aufsicht: Ich habe schon gesagt, welche Maßnahmen wir in diesem Bereich bereits ergriffen haben: von einem höheren Bußgeldrahmen bis hin zur Pflicht, tätig zu werden. Das ist also keine Ermessensentscheidung mehr. Auch wir hätten natürlich gerne dem von den Verbraucherschutzverbänden vielfach geäußerten Wunsch nach einer zentraleren Aufsicht - möglichst nur eine pro Bundesland - entsprochen. Aber es ist nun mal derzeit so, dass die Einrichtung der Aufsicht nicht in der Kompetenz des Bundes, sondern in der der Bundesländer liegt. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: So ist es!) Nur die Landesregierungen können die Aufgaben und Befugnisse, die ihren Landesjustizverwaltungen nach dem bestehenden Rechtsdienstleistungsgesetz zustehen, übertragen. Deshalb appellieren wir an die Länder, das zu tun. Sprich: Wir geben die Empfehlung, eine zentrale Aufsicht pro Bundesland einzurichten. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Sie wollten es ja nicht zustimmungspflichtig machen!) - Sie können ja in den Ländern, in denen Sie regieren, schnell mit gutem Beispiel vorangehen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich glaube, wir haben gemeinsam, miteinander eine ganze Menge erreicht. Ich fand die Beratungen zu dem Gesetz, auch wenn sie etwas lang waren, nicht so schlecht. Was mich sehr freut, ist, dass wir es geschafft haben, nahezu alle Forderungen der Verbraucherschutzzentrale, die sie im späten Herbst 2011 an uns gerichtet hat, abzuarbeiten. Ich habe mir noch einmal die Pressemitteilung von damals angeschaut: Außer der Einrichtung einer zentralen Aufsicht ist nichts mehr übrig geblieben. Das ist der einzige noch offene Punkt. Insofern ziehe ich eine etwas andere Bilanz als Sie, Frau Kollegin Schieder. Das ist ein guter Tag für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Es ist gelungen, fast das gesamte Problem zu greifen. Wir haben also auch an dieser Stelle Wort gehalten, und darüber freue ich mich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat die Kollegin Halina Wawzyniak für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden über die Eindämmung unseriöser Geschäftspraktiken. Unseriöses Inkasso und hohe Inkassogebühren sind seit langem eine Plage für Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale aus dem Jahr 2011 hat ergeben, dass 84 Prozent der Inkassoforderungen unberechtigt waren, in 15 Prozent der Fälle waren sie unklar, und in gerade einmal 1 Prozent der Fälle waren sie berechtigt. Die Linke fordert daher, Inkassokosten an die Höhe der Hauptforderung zu koppeln. Die Schuldnergebühren dürfen maximal 20 Prozent der Hauptforderung bzw. höchstens 100 Euro insgesamt betragen. (Beifall bei der LINKEN) Wir fordern, Inkassounternehmen dazu zu verpflichten, Verbraucherinnen und Verbraucher schriftlich und gemeinsam mit der Zahlungsaufforderung darüber zu informieren, mit welchem Unternehmen der behauptete Vertrag geschlossen wurde - einschließlich dessen Anschrift -, wie hoch die Hauptforderung und wie der genaue Inhalt des Vertrages ist. Auch über Zeitpunkt, Art und Weise des Zustandekommens des Vertrages sowie über das Datum des Verzugseintritts muss informiert werden. Die Bundesregierung will die Inkassokosten an das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz koppeln. Das wird diese Kosten aber nicht deckeln, weil große Spannen bei der Gebührenfestsetzung zugelassen werden. Immerhin hat die Bundesregierung einen unserer Vorschläge aufgenommen und will künftig Inkassodienstleister, die falsche und unvollständige Briefe verschicken, mit höheren Bußgeldern bestrafen. Um dies auch praktisch durchsetzen zu können, fordern wir eine Verbraucherschutzbehörde, die dazu auch in der Lage ist. (Beifall bei der LINKEN) Bei der unerlaubten Telefonwerbung macht die Bundesregierung auch nur halbe Sachen. Via Telefon werden besonders gern und besonders leicht betrügerische Verträge untergeschoben. Wir Linke und die Verbraucherorganisationen fordern deswegen schon lange, dass telefonisch abgeschlossene Verträge einer schriftlichen Bestätigung bedürfen. Zwar sieht das auch der Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, allerdings nur für telefonische Gewinnspiele. Zeitungsabos oder Versicherungen, die Leuten per Telefon aufgeschwatzt werden, sind von der Regelung nicht umfasst. Warum diese keiner schriftlichen Bestätigung bedürfen sollen, ist unerklärlich. Das Problem der unlauteren Telefonwerbung lösen Sie so jedenfalls nicht. (Beifall bei der LINKEN) Kommen wir zum Abmahnunwesen bei Urheberrechtsverletzungen im Internet. Wir haben hier schon mehrfach über die Abmahnindustrie geredet. Ich bringe Ihnen dazu jetzt einmal ein konkretes Beispiel: Eine Person hat sich mittels einer Tauschbörse ein Album der Künstlerin Pink heruntergeladen und bekam wenig später einen Brief einer abmahnfreudigen Anwaltskanzlei, die im Auftrag der Rechteinhaberin Schadensersatz für die begangene Urheberrechtsverletzung verlangte. Die Höhe des Schadensersatzes: 450 Euro. Als Rechtsanwaltskosten wurden 506 Euro in Rechnung gestellt. Das macht also insgesamt 956 Euro für ein einziges Album. Was haben aber nun die Rechtsanwälte für die 506 Euro geleistet? Sie haben ein Standardschreiben genommen, den Namen der betreffenden Person und den Titel des heruntergeladenen Albums ausgetauscht sowie ein neues Aktenzeichen eingefügt. Das Ganze haben sie noch nicht einmal selber gemacht, sondern das hat ein Computerprogramm für sie gemacht. Zeitaufwand gleich null! So wenig müssen nicht einmal wir Bundestagsabgeordnete für unser Geld tun. Dass dieser Unsinn so nicht bleiben kann, hat auch die Bundesregierung erkannt. Sie schlägt nun vor, den Streitwert bei Urheberrechtsverletzungen auf 1 000 Euro zu begrenzen. Das würde Anwaltskosten in Höhe von etwa 100 Euro bedeuten. Das wäre deutlich angemessener, und das ist genau das, was wir in unserem Gesetzentwurf gefordert haben, der deutlich vor dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorlag. Die Grünen fordern eine Streitwertbegrenzung auf 700 Euro. Das kann man machen. So oder so wäre dies endlich ein wirksamer Schutz. Warum die Bundesregierung dann aber daran festhält, dass Rechteinhaber einen Auskunftsanspruch gegenüber Providern haben, wenn die Urheberrechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß erfolgte, ist nicht nachvollziehbar. Die Formulierung ist so schwammig, dass hier gleich wieder eine Missbrauchsmöglichkeit geschaffen wird. Ebenso unverständlich ist, warum die Bundesregierung bei der Begrenzung des Streitwerts auf 1 000 Euro noch hinzufügen musste, dass dies nicht gilt, wenn - ich zitiere - "dieser Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig" ist. Das ist nichts weiter als eine Hintertür, um windigen Anwälten die Möglichkeit zu geben, ihre Musterabmahnungen, leicht abgeändert, weiter zu verwenden. Dabei müssten Sie doch eigentlich gelernt haben. Die Erstattungspflicht von Abmahnkosten sollte schon einmal auf 100 Euro begrenzt werden. Doch dann wurden so viele Bedingungen formuliert, dass im Ergebnis das Abmahnunwesen nicht eingedämmt wurde, sondern weiter florierte. Jetzt machen Sie den gleichen Fehler noch einmal. Das Gesetz ist ein guter Ansatz. Es wäre aber besser gewesen, es einmal ganz richtig zu machen. Ein etwas konsequenteres Abschreiben unserer Vorschläge hätte mit Sicherheit für ein besseres Gesetz gesorgt. (Beifall bei der LINKEN) Nun haben Grüne und SPD sehr kurzfristig Änderungsanträge eingebracht, die nichts mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu tun haben, zu denen ich aber dennoch zwei Worte sagen muss. Die Grünen beantragen, dass bei nicht ausreichender Versorgung mit Mietwohnungen die Landesregierungen ermächtigt werden können, für die davon betroffenen Gebiete eine Rechtsverordnung zu erlassen, mit der bei Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht um mehr als 10 Prozent überschritten werden darf. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Vorschlag!) Das ist zwar eine Verbesserung zum jetzigen Zustand, aber nicht ausreichend. Notwendig wäre eine Regelung ohne die Einschränkung, dass sie erst dann gilt, wenn die ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen gefährdet ist. Es wäre eine gesetzliche Regelung notwendig, mit der festgeschrieben wird, dass Mieterhöhungen allein wegen Wiedervermietung einfach nicht zulässig sind. Sie fordern ein Mietpreisbremschen, aber keine Mietpreisbremse. (Beifall bei der LINKEN) SPD und Bündnis 90/Die Grünen möchten darüber hinaus die Strafbarkeit von Bestechlichkeit und Bestechung von Mitgliedern von Volksvertretungen regeln. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was hat das mit Verbraucherschutz zu tun?) - Das hat nichts mit Verbraucherschutz zu tun. Aber regen Sie sich nicht auf. Solch ein Verfahren wenden Sie selbst regelmäßig an. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Wo?) Die Fraktion Die Linke hat bereits am 21. April 2010 den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung vorgelegt. Die Koalitionsfraktionen haben eine abschließende Behandlung der von allen Oppositionsparteien vorgelegten Gesetzentwürfe im Plenum durch die ständige Vertagung der Beratung im Rechtsausschuss verhindert. Doch mit den Änderungsanträgen von SPD und Grünen werden leider nachträgliche Dankeschön-Spenden nicht unter Strafe gestellt. Der Bezug zu parlamentarischen Gepflogenheiten bzw. die Verwerflichkeitsklausel kann dazu führen, dass eine Schieflage entsteht. Die Üblichkeit, Politikerinnen und Politiker im Rahmen von Werbeveranstaltungen von Lobbyverbänden in großem Umfange zu bewirten, bliebe straflos, obwohl auch hier der Anschein von Käuflichkeit erzeugt würde. Besser wäre es, so wie wir es gefordert haben, eine Bagatellgrenze einzuführen. Das Verfahren ist unsäglich, auch die Aufregung ist unsäglich. Wir werden uns bei der Abstimmung über diese Änderungsanträge trotz aller grundsätzlichen Sympathie für das Anliegen enthalten. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Jerzy Montag für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Wanderwitz, Sie haben in Ihrem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass wir es im Bereich des Inkassowesens mit einer Minderheit von unseriösen Firmen oder Personen zu tun haben und dass sich die Mehrheit seriös verhält. Das will ich nicht unterschreiben. Es mag so sein. Aber eines gilt es festzuhalten: In dem Bereich, wo wir uns mit dem Urheberrecht zu befassen haben, werden seit 2008 Millionen Menschen in Deutschland durch Abmahnungen verängstigt und davon abgehalten, ihre Interessen zu vertreten. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Genau!) Hier haben wir es mit einem regelrechten Geschäftszweig zu tun. In diesem Bereich ist die Mehrheit der Abmahnungen unseriös. Umso wichtiger ist es, dass etwas geschieht. Was Sie nun vorgelegt haben, ist unseriös und eigentlich Murks. Bereits 2008 hat die Bundesjustizministerin zur Zeit der Großen Koalition den Versuch unternommen, das Übel der Abzockerei mittels Abmahnungen im Urheberecht an der Wurzel zu packen. Damals wurde bei den Kosten eine Begrenzung auf 100 Euro vorgenommen. Schon damals haben wir gesagt - ich erinnere mich sehr gut an die Debatten aus dem Jahr 2008 -: Wenn Sie dort eine Hintertür einbauen und bei sogenannten einfachen Fällen eine andere Art der Bearbeitung gestatten, dann wird die Regelung nichts helfen. - Am 18. April dieses Jahres hat die Bundesjustizministerin erklärt, dieses Gesetz habe in keiner Weise Wirkung entfaltet. - Genau so ist es. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das war eine andere Justizministerin!) Nun machen Sie den Vorschlag, den Streitwert auf 1 000 Euro zu begrenzen. Dabei bauen Sie erneut eine Hintertür ein. Beim Vorliegen besonderer Umstände soll diese Streitwertbegrenzung nicht gelten. Sie wollen uns nun weismachen, dass damit den Verbraucherinnen und Verbrauchern geholfen sei. Ich sage Ihnen: Die Textbausteine mit entsprechenden Formulierungen für Massenabmahnungen sind bei den Anwaltskanzleien längst fertig. Sie erreichen mit dieser Regelung überhaupt nichts. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Das Problem ist, dass die Bundesregierung im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf von einem Paradigmenwechsel redet. Jetzt stehen Sie vor einem Trümmerhaufen bei Ihrem Versuch, Reformen einzuleiten. Warum? Sie haben versprochen, im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb den fliegenden Gerichtsstand abzuschaffen. Dieses Versprechen haben Sie zurückgenommen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Das hat auch nichts mit Verbraucherschutz zu tun!) - Aber selbstverständlich hat das etwas damit zu tun. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Nein!) - Stellen Sie mir eine Zwischenfrage! Dann erkläre ich es Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie haben den richtigen Ansatz gewählt: Bei unberechtigten Abmahnungen muss der Abmahner für die Kosten der Gegenseite aufkommen. Aber gleichzeitig bauen Sie ein Hintertürchen ein; denn diese Kostenübernahme soll entfallen, wenn dem Abmahnenden die Unrechtmäßigkeit des eigenen Handelns nicht bekannt war. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das ist im gesamten deutschen Recht so: Wer aktiv wird und klagt, der handelt auf eigenes Risiko. Wenn ein Abmahner zum Anwalt geht und eine Abmahnung verschicken lässt, die unrechtmäßig ist, dann muss er die Kosten dafür tragen. Das ist eine völlig klare und eindeutige Situation. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schließlich führen Sie die Streitwertbegrenzung nur für das vorgerichtliche Verfahren ein. Das bedeutet, dass bei Gericht weiter Kasse gegen die Verbraucherinnen und Verbraucher gemacht wird; das geht nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Obwohl meine Redezeit um ist, erlauben Sie mir, Frau Präsidentin, Folgendes zu sagen - es ist vielleicht meine letzte Rede -: Seit Januar dieses Jahres versuchen wir, die Abgeordnetenbestechung im Rechtsausschuss zur Diskussion zu stellen. Was Sie mit Ihrer Mehrheit veranstaltet haben, ist jedoch ein Riesenskandal: Achtmal haben Sie diese Befassung von der Tagesordnung genommen - achtmal! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Es ist eine Unverschämtheit, was Sie da gemacht haben. Wir werden Sie heute dazu zwingen, sich in dieser Frage zu verhalten. Wenn Sie für die Bestrafung der Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten sind, (Zuruf von der FDP) dann stimmen Sie mit uns! Ansonsten werden die Bürgerinnen und Bürger bei der Wahl ihr Votum dazu geben. Dann werden wir sehen, wie ab September in diesem Haus dieses Thema behandelt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich erlaube mir den Hinweis, dass mit dem Verweis auf die letzte - bzw. bei einem der Vorredner auf die wahrscheinlich vorletzte - Rede im Parlament regelmäßig eine Verlängerung der Redezeit "erschlichen" wird (Zurufe: Oh!) oder wir uns genötigt sehen, großzügig zu sein. Denn wer will schon jemanden bei Danksagungen und Verabschiedungen unterbrechen? (Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: Das war gerade keine Danksagung!) Ich bitte daher um Verhältnismäßigkeit. Sie wissen, nach jetzigem Stand wird die Debatte bis circa 3 Uhr morgen früh dauern. Nun hat Professor Dr. Erik Schweickert für die FDP-Fraktion das Wort und wird es sicherlich - genauso wie sein Kollege - schaffen, sich an seine Redezeit zu halten. (Beifall bei der FDP) Dr. Erik Schweickert (FDP): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich komme ohne Umschweife zum Thema. Die schwarz-gelbe Koalition legt heute das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken im Parlament vor und setzt damit einen weiteren Meilenstein im Verbraucherschutz. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit einem Schlag fegen wir die schwarzen Schafe in drei Segmenten vom Markt: unerlaubte Telefonwerber, unseriöses Inkasso und findige Abmahnanwälte. Das Gesetzespaket hat in den betroffenen Branchen zu großem Aufschrei geführt. Versandhändler, Inkassodienstleister und Anwaltsvertreter stellten die Frage, warum wir die drei Branchen in einem Gesetz behandeln. Ich möchte Ihnen ein Beispiel geben. Nicht nur in meinem Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis hat die Firma "Lotto 3000" in großem Stile arglose Verbraucher abgezockt, eingeschüchtert und bedroht. In einer Anrufwelle hat man Verbraucher in Gewinnspielverträge hineingequatscht oder einfach behauptet, am Telefon seien Verträge abgeschlossen worden. Wenig später kam dann die Rechnung. Wer nicht zahlte, dem wurde über ein Inkassobüro ordentlich gedroht: mit Schufa-Eintrag, mit Zwangsvollstreckung usw. Natürlich wurden auch noch horrende Inkassokosten aufgeschlagen. Zusammen mit der Polizei habe ich damals die Bürgerinnen und Bürger in meinem Wahlkreis öffentlichkeitswirksam vor der Abzockmasche gewarnt und geraten, nicht zu zahlen. (Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gratuliere!) Aber: Als Gesetzgeber ist mir Warnen zu wenig. Denn "Lotto 3000" ist kein Einzelfall. Die Anrufe, die uns erreichen, zeigen, dass viele Menschen auf ähnliche Maschen hereingefallen sind. Deshalb haben wir diesen Gesetzentwurf vorgelegt. Das heißt, telefonische Vertragsabschlüsse bei Gewinnspielen werden nur noch nach schriftlicher Bestätigung wirksam. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Das ist zu wenig!) Wir verschärfen außerdem den Sanktionsrahmen bei unerlaubter Telefonwerbung empfindlich. Wir verpflichten die Inkassobüros zu mehr Transparenz bei der Forderungseintreibung. Wir machen Schluss mit unverhältnismäßig hohen Inkassogebühren, indem wir Inkassoregelsätze einführen und an den Gebührenkatalog für Rechtsanwälte angleichen. Wir geben den Amtsgerichten mehr Rechte für ein effizienteres Sanktionsregime und verschärfen die Strafen gegen unseriöse Inkassodienstleister. Wir schützen die Verbraucher vor Abzockern. In Richtung der Unternehmen, die sich in den letzten Wochen bei mir über das Gesetz beklagt haben, sage ich explizit: Wir schützen damit die seriösen Callcenter und die seriösen Inkassobüros vor den schwarzen Schafen, (Stephan Thomae [FDP]: So ist es!) die ganze Branchen in Verruf bringen und damit den Redlichen schaden. Das Gleiche gilt für den Bereich des Urheberrechts. Die Musik-, Film- und Spieleindustrie lebt davon, dass Verbraucher Titel bzw. Spiele kaufen und nicht illegal herunterladen. Das Urheberrecht ist uns ein hohes Gut. Wenn daraus aber eine Abmahnindustrie erwächst, müssen wir handeln. Denn wenn ein zwölfjähriges Kind einmal einen Musiktitel für 1,99 Euro illegal herunter- oder hochlädt und die Eltern teilweise mit Forderungen von mehreren Tausend Euro überzogen werden, ist die Verhältnismäßigkeit deutlich überschritten. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wo waren Sie in den letzten Jahren? - Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Hintertürchen!) Deshalb haben wir Schranken eingezogen. Der Verbraucher, der erstmalig eine Urheberrechtsverletzung begeht - Herr Montag, hören Sie zu! -, (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich höre zu!) wird abgemahnt, wird auch bestraft, aber wir deckeln den Streitwert im außergerichtlichen Verfahren auf 1 000 Euro, sodass die entstehende Gebühr für die Abmahnung auf 155,30 Euro begrenzt wird. (Zuruf von der SPD: Warum nur außergerichtlich?) Wir haben auch noch klargestellt - das wollen Sie nicht wahrhaben -, dass es nur dann eine Öffnungsklausel gibt, wenn eine vom üblichen Maß abweichende Anzahl und Schwere der Rechtsverletzung vorliegt. Wenn also jemand nicht nur einen Titel herunterlädt, sondern sozusagen einen ganzen Container, dann muss man auch anders handeln können. Ich bin froh, dass es im parlamentarischen Verfahren gelungen ist, für die Verbraucher eine weitere Verbesserung zu erreichen. Wir schaffen den fliegenden Gerichtsstand für Klagen gegen Verbraucher bei Urheberrechtsstreitigkeiten ab. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Nein, Sie schaffen ihn nicht ab!) - Stellen Sie eine Zwischenfrage! - Zukünftig kann der Abmahnende nicht mehr den Gerichtsstand aussuchen, von dem er meint, das dortige Gericht urteile besonders verbraucherunfreundlich. Meine Damen und Herren, durch dieses Gesetz werden wir die Rosinenpickerei beenden. Für die Abmahnindustrie wird es das nicht mehr geben. Damit schützen wir nicht nur die Verbraucher, sondern auch das Ansehen des Urheberrechts. Zum Schluss gestatten Sie mir noch eine kleine Replik, liebe Frau Maisch. Sie hätten fast mit mir darum gewettet, dass wir es nicht schaffen, dieses Gesetz noch vor der Sommerpause zu beschließen. Sie sehen, Schwarz-Gelb hat auch hier wieder Wort gehalten und geliefert, und das zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher. Das werden wir auch in den nächsten vier Jahren tun. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Hoffentlich nicht!) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Thomas Oppermann für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Thomas Oppermann (SPD): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Änderungsantrag begründen, den die SPD-Fraktion stellt. Wir wollen nicht nur unseriöse Geschäftspraktiken eindämmen, sondern wir wollen bei dieser Gelegenheit auch die Abgeordnetenbestechung unter Strafe stellen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Wie hängt das zusammen?) Deutschland ist eines der wenigen Länder der Welt, in dem die Bestechung und Bestechlichkeit von Abgeordneten nicht strafbar ist. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: So, jetzt zum Thema!) - Seien Sie einmal ganz still, junger Kollege. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Oberlehrer!) Ich habe gerade gesagt, ich begründe den Änderungsantrag. Es gibt ein Abkommen der Vereinten Nationen, das die Bundesregierung schon im Jahr 2003 unterzeichnet hat, in dem sich alle Unterzeichnerstaaten verpflichten, die Korruption von Abgeordneten unter Strafe zu stellen. Inzwischen haben 167 Länder dieses Abkommen ratifiziert. Deutschland fehlt. Ich will gar nicht darauf hinweisen, dass auch Länder wie Syrien und Nordkorea noch nicht ratifiziert haben. Mit diesen Ländern müssen wir uns nicht vergleichen. Alle parlamentarischen Demokratien dieser Welt haben die Abgeordnetenbestechung unter Strafe gestellt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben das Abkommen noch nicht in nationales Recht umgesetzt, weil sich die Koalition beharrlich weigert, dies zu tun. Ich nenne Ihnen einmal ein Beispiel, das zeigt, wie diese Korruption funktioniert. Vor kurzem hat sich ein österreichischer Christdemokrat als Belohnung dafür, dass er im Auftrag der Industrie im Europaparlament einen Antrag stellte, einen lukrativen Posten als Aufsichtsrat mit 100 000 Euro Jahreshonorar versprechen lassen. Im Januar wurde Ernst Strasser in Wien zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. In Deutschland dagegen wäre er heute ein freier Mann. Er könnte in diesem Land frei herumlaufen, weil die Abgeordnetenbestechung nicht unter Strafe steht. Das wollen wir ändern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber nicht richtig!) Eine gesetzliche Regelung hat die Koalition in der gesamten Legislaturperiode nicht vorgelegt. Ich finde, das ist ein krasser Fall von parlamentarischer Arbeitsverweigerung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wirklich schlimm ist die Tatsache, dass alle drei Oppositionsfraktionen einen ausgearbeiteten Entwurf in den Bundestag eingebracht haben. Er liegt im Ausschuss. Sie haben mit Ihrer Geschäftsordnungsmehrheit im Rechtsausschuss achtmal verhindert, dass dieser Entwurf ins Plenum kommen kann und darüber abgestimmt werden kann. (Beifall bei der SPD) Mit anderen Worten: Sie missbrauchen Ihre Geschäftsordnungsmehrheit, weil Ihnen der Mut fehlt, in einer Abstimmung Farbe zu bekennen. In Wirklichkeit schämen Sie sich aber heimlich dafür, dass Sie gegen die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung stimmen wollen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wir geben Ihnen heute mit unserem Antrag auf namentliche Abstimmung Gelegenheit, sich öffentlich zu schämen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der FDP. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Die Geschäftsordnung wurde missbraucht!) Sie wollen an einem Zweiklassenstrafrecht festhalten, das Abgeordneten Privilegien beschert, für die es überhaupt keine Rechtfertigung gibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie argumentieren, die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung könnte die Freiheit des Mandates beeinträchtigen. Das ist falsch. Die Freiheit des Mandates ist kein Sonderrecht für Abgeordnete, sondern die Freiheit des Mandates wird den Abgeordneten gegeben, damit sie ihre Aufgabe als Parlamentarier gut erfüllen können. Das freie Mandat darf kein Freibrief für Korruption sein. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt keine Freiheit, sich bestechen zu lassen!) Nach Ihrer Logik funktioniert das Strafrecht nach dem Motto: Die Kleinen hängt man, und die Politiker lässt man laufen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Wie billig! - Dr. Stefan Ruppert [FDP]: Armselig! - Weiterer Zuruf von der FDP: Schämen Sie sich!) Das ist ungerecht, das schadet dem Ansehen unserer Demokratie, und das verstößt gegen internationales Recht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Unser Rechtssystem und unser Rechtsstaat genießen in der ganzen Welt einen hervorragenden Ruf. All das setzen Sie leichtfertig aufs Spiel. Mit Ihrer Blockadehaltung fügen Sie dem Ansehen des deutschen Rechts in der Welt schweren Schaden zu. Mit Ihrer Blockadehaltung blamieren Sie unsere parlamentarische Demokratie bis auf die Knochen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Sie blamieren sich gerade im Plenum!) Wer soll eigentlich noch glauben, dass es in diesem Land gerecht zugeht, wenn bei der Korruption mit zweierlei Maß gemessen wird? Wer soll eigentlich noch glauben, dass vor dem Gesetz alle Menschen gleich sind, wenn diese Koalition am Korruptionsprivileg für Abgeordnete festhält? Das ist eine Politik der doppelten Moral. Damit beschädigen Sie das Rechtsbewusstsein vieler Menschen. Sie untergraben das Vertrauen der Menschen in unseren Rechtsstaat. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deshalb sage ich zum Schluss: Ein Abgeordneter, der Geld annimmt, um sich für eine bestimmte Politik einzusetzen, (Jens Ackermann [FDP]: Namen!) ist nicht nur ein schlechter Politiker, sondern er betrügt auch seine Wähler, verhöhnt die Demokratie und handelt kriminell. Das muss unter Strafe gestellt werden. Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Aber dann vollständig und nicht nur halb!) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Thomas Silberhorn spricht nun für die Unionsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gegenstand unserer Beratung ist ein Gesetzentwurf zur Vermeidung unseriöser Geschäftspraktiken. (Thomas Oppermann [SPD]: Und ein Änderungsantrag der SPD!) - Unseriöse Plenarredner, Kollege Oppermann, lassen sich auf gesetzlichem Wege natürlich nicht verhindern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Das unterliegt der freien Bewertung durch die Öffentlichkeit. Deswegen haben wir zu Ihrem Änderungsantrag auch keine Geschäftsordnungsdebatte geführt, für die es durchaus Anlass gegeben hätte. Als langjähriger Geschäftsführer Ihrer Fraktion wissen Sie sehr wohl, dass bei einem Beratungsgegenstand nicht ganz andere Themen angesprochen werden können. (Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE]) Da Sie hier behaupten, dass die Abgeordnetenbestechung in Deutschland überhaupt nicht strafbar sei, möchte ich Sie bitten, wenigstens die Wahrheit zur Kenntnis zu nehmen: Gemäß § 108 e des Strafgesetzbuches steht die Abgeordnetenbestechung seit 1994 sehr wohl unter Strafe. (Thomas Oppermann [SPD]: Nur der Stimmenkauf, nicht die Bestechung! - Weiterer Zuruf von der SPD: Verbreiten Sie keine Legende!) Die Abgeordnetenbestechung, wenn es um Stimmenkauf geht, ist strafbar. Sie fordern in Ihrem eigenen Gesetzentwurf eine Erweiterung der Strafbarkeit. Das impliziert, dass Abgeordnetenbestechung, anders als Sie das hier behauptet haben, sehr wohl schon heute strafbar ist. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Meine Damen und Herren, Sie haben eine Reihe von Gesetzentwürfen vorgelegt, die am 17. Oktober letzten Jahres Gegenstand einer ausführlichen Sachverständigenanhörung vor dem Rechtsausschuss gewesen sind. (Zuruf von der FDP: Wo der Herr Oppermann aber nicht dabei war!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Silberhorn, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Montag? Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Wir haben diese Fragen im Rechtsausschuss sehr ausführlich erörtert. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Eben nicht!) Deswegen bitte ich Sie, das im Zusammenhang erläutern zu dürfen. Die übereinstimmende Bewertung der Sachverständigen - auch der von Ihnen benannten Sachverständigen - war, dass diese Gesetzentwürfe den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei weitem nicht gerecht werden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Burkhard Lischka [SPD]: Das ist ja Quatsch!) Es gibt noch offene Fragen, die Sie selbst bis heute nicht beantworten können. Allein der Umstand, dass Sie als Opposition nicht in der Lage sind, in dieser für Sie angeblich so zentralen Frage einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorzulegen, (Ingo Egloff [SPD]: Sie machen gar nichts! Sie verweigern sich nur!) macht doch offenkundig, dass wir hier sehr komplizierte Fragestellungen berühren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie denken nicht einmal darüber nach!) Ich sage Ihnen sehr deutlich: Ja, wir sind für Transparenz. Ja, wir sind für freie Entscheidungen von Abgeordneten. Aber wir sind gegen die Kriminalisierung der parlamentarischen Praxis. (Lachen bei der SPD) Ein Kern des Problems besteht darin, dass parlamentarische Praxis per se interessengeleitet ist, weil wir alle politische Ziele verfolgen. (Thomas Oppermann [SPD]: Aber dafür lässt man sich nicht bezahlen!) Wir müssen aufpassen, dass wir nicht über Gesetze beraten, die nach dem Urteil der Sachverständigen in der Anhörung zu einem kaum noch abschätzbaren Bestrafungsrisiko führen würden. Wir haben Ihnen im Rechtsausschuss mehrfach ein Expertengespräch über alle Entwürfe, die auf dem Tisch liegen, angeboten. (Andrea Astrid Voßhoff [CDU/CSU]: So ist es! Ich bin dabei gewesen!) Sie, Herr Oppermann, sind im Rechtsausschuss in den letzten Jahren leider nicht gesichtet worden; (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Hört! Hört!) deswegen wissen Sie das vielleicht nicht. Ihre Kollegen haben ein solches Expertengespräch immer abgelehnt. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Sie wissen, dass das falsch ist!) Ich rate dazu, dass wir uns im Interesse des gesamten Hauses darum bemühen, fraktionsübergreifend eine einvernehmliche Vorgehensweise zu finden, (Ingo Egloff [SPD]: Das haben Sie doch die ganze Zeit verhindert!) wie wir mit diesem Thema umgehen. Der Umstand, dass Sie dieses Thema jetzt in Form eines Änderungsantrages einbringen, macht nur deutlich, dass Sie offenbar jede Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl bereits fahren gelassen haben. (Zuruf von der SPD: Nein! Wir wollen Sie hier mal stellen!) Ich biete Ihnen trotzdem an, dass wir dieses Thema nach der Wahl nochmals aufgreifen, mit der Intention, zu einer fraktionsübergreifenden Regelung zu kommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Unseriöse Geschäftspraktiken sind unser heutiges Thema. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, dieses Gesetzespaket zum Abschluss zu bringen. Wir haben eingelöst, was wir versprochen haben, nämlich ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen und keine Flickschusterei zu betreiben. Ich möchte mich hier auf zwei signifikante Verbesserungen gegenüber dem Regierungsentwurf beschränken: zum einen die Deckelung des Kostenerstattungsanspruchs und zum anderen die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes. Wir haben die geplante Streitwertdeckelung im Gerichtskostengesetz in eine Deckelung des außergerichtlichen Kostenerstattungsanspruchs im Urheberrechtsgesetz abgeändert. Herr Kollege Montag, Ihre Kritik daran kann ich nicht nachvollziehen. Wir haben uns nicht so sehr von den Vertretern der Rechteinhaber beeindrucken lassen, die natürlich über die geplante Streitwertdeckelung geklagt haben, was aber auch die Intention dieser Streitwertdeckelung war. Uns hat vielmehr gerührt, dass selbst die Vertreter von Verbraucherschutzverbänden gesagt haben, dass abgemahnte Verbraucher gar nicht mehr anwaltlich vertreten werden können, wenn wir auch im gerichtlichen Verfahren den Streitwert deckeln. Deswegen haben wir die Deckelung der Gegenstandswerte auf das vorgerichtliche Verfahren beschränkt. Das ist der Kern der Materie; denn dort geht es um Abmahnungen und um den Missbrauch von Abmahnungen. Unseriöse Geschäftspraktiken finden im vorgerichtlichen Verfahren und nicht im Gerichtsverfahren statt, wo Gerichte auch im Interesse eines Beklagten vernünftig agieren können. Deswegen deckeln wir den Gegenstandswert bei außergerichtlicher Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen bei der erstmaligen Abmahnung eines Privatnutzers auf 1 000 Euro. Wir entziehen damit den Massenabmahnungen, die allein auf Gewinnerzielung gerichtet sind, die Geschäftsgrundlage. Dieser Gegenstandswert von 1 000 Euro ist in den allermeisten Fällen von Urheberrechtsverletzungen, die von Privatpersonen begangen werden, angemessen. Das ist die klare Bewertung des Gesetzgebers; dies haben wir in der Begründung des Gesetzes ausdrücklich festgehalten. Uns ist ja noch in Erinnerung, dass die bisherige Regelung in § 97 a des Urheberrechtsgesetzes nicht ausreichend war. Das wollen wir nicht wiederholen. Deswegen haben wir dieses stumpfe Schwert des Verbraucherschutzes nun deutlich geschärft. Wir haben allerdings für krasse Fälle von Urheberrechtsverletzungen weiter eine Öffnungsklausel vereinbart, die eine Abweichung vom gedeckelten Gegenstandswert möglich macht, allerdings mit der Beson-derheit, dass dem Rechteinhaber die Beweislast darüber obliegt, dass die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Regelwert von 1 000 Euro vorliegen. Das soll aber in Zukunft, wie ich schon betont habe, nur in absoluten Ausnahmefällen möglich sein. Insofern verstehe ich zwar die Bedenken, die hier gegen die Öffnungsklausel vorgebracht worden sind; aber gegenüber dem Regierungsentwurf und gegenüber der bisherigen Regelung gibt es jetzt eine deutlich konkretere Formulierung. Wir haben eine sehr klare Gesetzesbegründung, und wir haben eine Beweislastumkehr eingeführt. Damit sorgen wir dafür, dass diese neue Regelung nicht wieder leerlaufen kann, sondern wirkungsvoll ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir haben uns im Übrigen an dieser Stelle auch darauf verständigt, diese Regelung binnen drei Jahren nochmals zu evaluieren, weil wir damit rechnen, dass wir dann eine ausreichende Datengrundlage haben werden, um die Wirkung dieser Regelung überprüfen zu können. Die zweite Neuerung gegenüber dem Regierungsentwurf, die ich ansprechen möchte, ist die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstandes. Das, meine Damen und Herren, ist ein Quantensprung für den Verbraucherschutz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Bisher konnte der Kläger bei urheberrechtlichen Streitigkeiten den für ihn günstigsten Gerichtsstand wählen. Nicht selten war das ein Gerichtsstand, an dem man besonders urheberfreundliche Urteile erwarten konnte, oder ein Gerichtsstand, der weit entfernt vom Wohnsitz des Beklagten lag, mit der Folge, dass die Beklagten oft davor zurückgeschreckt sind, die Wahrung ihrer Interessen vor Gericht überhaupt in Angriff zu nehmen. Künftig wollen wir für Klagen gegenüber einer natürlichen Person, die urheberrechtlich geschützte Werke privat verwendet, ausschließlich das Gericht am Wohnsitz des Beklagten für zuständig halten. Das bedeutet, dass der Beklagte seine Interessen wahren kann und damit Waffengleichheit besteht. Ich glaube, das ist die zentrale Botschaft, die wir den Verbrauchern heute mitgeben können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetzespaket führt dazu, dass wir missbräuchliche Abmahnungen deutlich zurückschneiden. Unser Ziel ist es, dass sich unseriöse Geschäftspraktiken künftig nicht mehr lohnen. Davon werden die Verbraucher profitieren. Davon werden aber auch die Unternehmen und die redlichen Rechteinhaber profitieren, wenn die legitime Durchsetzung ihrer Rechte nicht mehr in den Ruf unseriöser Geschäftspraktiken gerät. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Montag das Wort. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Frau Präsidentin. - Herr Kollege Silberhorn, Sie haben eine Zwischenfrage von mir nicht zugelassen mit der Begründung, wir hätten im Rechtsausschuss ausreichend Gelegenheit zur Diskussion gehabt. Das muss ich richtigstellen. Ich will Ihnen sagen, dass wir am 20. Februar, am 27. Februar, am 20. März, am 17. April, am 15. Mai, am 5. Juni, am 12. Juni und am 26. Juni den Antrag gestellt haben, die Gesetzentwürfe der Opposition zur Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses zu setzen, um sie dort zu diskutieren. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Wohl wahr!) An diesen acht Terminen hat die Koalition mit ihrer Stimmenmehrheit eine Vertagung dieses Themas durchgesetzt, ohne dass es eine Diskussion darüber gegeben hätte. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Deswegen ist es nicht richtig, wenn Sie sagen, wir hätten im Rechtsausschuss genügend Gelegenheit gehabt, über dieses Thema zu diskutieren. Zweitens. Sie haben zum wiederholten Male - wie auch andere Kollegen aus Ihrer Fraktion und Kollegen von der FDP - die Behauptung aufgestellt, Sie wüssten überhaupt nicht, was wir mit unseren Gesetzentwürfen zur Regelung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung wollten; denn in Deutschland gebe es ja die Strafbarkeit des Stimmenkaufs. Sie verdunkeln damit absichtlich und wider besseres Wissen die Situation, vor der wir als deutsches Parlament stehen. Kein Mensch bestreitet, dass es in Deutschland einen Straftatbestand des Stimmenkaufs gibt; das ist doch klar. Das entscheidende Problem ist, dass wir, solange wir es bei diesem Rechtszustand belassen, den internationalen Verpflichtungen, die Deutschland eingegangen ist, nicht genügen und deswegen die Antikorruptionsabkommen nicht unterschreiben können. Wäre es anders, Herr Kollege Silberhorn, dann hätte der Deutsche Bundestag diese Verträge schon längst ratifizieren können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Wir können es nicht, weil die Strafbarkeit des Stimmenkaufs nicht ausreichend ist. Um es noch einmal eindeutig und klar zu sagen: Ich würde alles dafür geben, dass wir um die Freiheit des Abgeordneten, um die Freiheit des Mandates kämpfen; aber es gibt keine Freiheit, sich bestechen zu lassen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Ihr Argument dafür, die Bestechung und die Bestechlichkeit von Abgeordneten nicht unter Strafe zu stellen, ist deswegen hohl; denn dieses Verhalten ist von der Freiheit des Mandates nicht gedeckt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Erst wenn wir es geschafft haben - und wir werden es schaffen -, die Bestechlichkeit und die Bestechung von Abgeordneten auch in Deutschland unter Strafe zu stellen, erst dann werden wir, das Parlament eines demokratischen Staates, in der Lage sein, die Verträge, die Deutschland schon unterzeichnet hat, zu ratifizieren. (Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Wir haben es jetzt verstanden!) Vizepräsidentin Petra Pau: Kollege Montag. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Damit würden wir uns in die Familie derjenigen Demokratien einreihen, die die Korruption international bekämpfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Der Kollege Silberhorn hat die Möglichkeit, zu antworten. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Herr Kollege Montag, das, was ich vorhin gesagt habe, nämlich dass im Rechtsausschuss Gelegenheit bestand, dieses Thema ausführlich zu diskutieren, ist nicht falsch, sondern richtig. Wir haben Ihnen mehrfach angeboten, (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Jetzt hören Sie doch mal mit dieser Legende auf!) ein fraktionsübergreifendes Expertengespräch zu allen auf dem Tisch liegenden Gesetzentwürfen zu führen. Das sind nicht nur die Entwürfe der Fraktionen der Grünen und der SPD, sondern auch ein Entwurf aus der Bundestagsverwaltung, von Professor Dr. Lammert, und ein Entwurf des Kollegen Kauder. Sie haben das Angebot, fraktionsübergreifend über diese Fragen zu diskutieren, trotz mehrfacher Einladung nicht angenommen. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das ist doch eine Legende!) Wir haben Ihnen sogar einen Termin in Aussicht gestellt und freigehalten: (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das stimmt doch nicht!) Wir hatten Ihnen angeboten, dieses Expertengespräch am 12. Juni zu führen. Selbst auf diesen ausdrücklichen Terminvorschlag sind Sie nicht eingegangen. (Zuruf von der CDU/CSU: Es geht nur um Show!) Zweitens. Wir können uns gerne über die Einzelheiten solcher Gesetzentwürfe streiten. Aber auch Sie kennen die Ergebnisse der Anhörung: Dort ist gerade die Unbestimmtheit aller vorliegenden Gesetzentwürfe moniert worden; es ist zu Recht dargelegt worden, dass es bei diesen Gesetzentwürfen aufgrund der Unbestimmtheiten durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gibt. Ich habe mit meiner Bemerkung, die Sie gerade kritisiert haben, gar nicht auf Sie reagiert, sondern auf die Behauptung des Kollegen Oppermann, der hier fälschlicherweise vorgetragen hat, dass Abgeordnetenbestechung in Deutschland überhaupt nicht strafbar sei. (Zuruf des Abg. Thomas Oppermann [SPD]) Diese Aussage ist falsch. Ich glaube, es gehört zur Ehrlichkeit in dieser Debatte dazu, die Dinge so zu benennen, wie sie sind. Denn das ist die Basis dafür, hier überhaupt eine fraktionsübergreifende Debatte führen zu können. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist sehr schön, dass schon so viele Kolleginnen und Kollegen im Saal sind und offensichtlich auch die folgenden drei Beiträge zu diesem Tagesordnungspunkt verfolgen wollen. Ich bitte Sie, zu diesem Zwecke Platz zu nehmen und die notwendige Aufmerksamkeit herzustellen. Wir hören jetzt Daniela Wagner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Daniela Wagner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir möchten mit unserem heutigen Änderungsantrag die von der Bundeskanzlerin angekündigte Regelung, § 558 BGB dahin gehend zu ändern, dass die Miete bei Wiedervermietung künftig nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf, zur Abstimmung stellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir möchten diesen Antrag deshalb zur Abstimmung stellen, weil die Kanzlerin in den letzten Wochen ein weiteres Beispiel zur kollektiven Geschäftspraxis der Union hinzugefügt hat - so viel zum Thema "unseriöse Geschäftspraktiken" -, sich zuerst bei anderen Fraktionen relativ wahllos das herauszusuchen, was ihr in den Kram passt, um es abzuschreiben und anschließend sang- und klanglos fallen zu lassen. Erst wurde bei der SPD abgeschrieben, die eine flächendeckende Regelung verlangt hat. Dann gab es Gegenwind aus Vermieterkreisen. Dann hat man sich auf unseren Vorschlag verständigt bzw. zurückgezogen, die Möglichkeit der Mieterhöhung nur dann zu begrenzen, wenn es sich um ein Wohngebiet mit konkret nachgewiesenem Wohnraummangel handelt. Es ist immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Halina Wawzyniak hat es schon gesagt: Manch einem geht es nicht weit genug. (Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Genau!) Wir sind der Meinung, dass so auch Wohnungsmärkte, auf denen es anders zugeht als im Rhein-Main-Gebiet, im Großraum Stuttgart oder in München, berücksichtigt werden. Wie auch immer man das sieht: Ich will nicht, dass Sie die Sorgen und Nöte von Mieterinnen und Mietern zu Wahlkampfzwecken missbrauchen, indem sie diese hier zum Thema machen und Gesetzesänderungen ankündigen, um sie anschließend als Verhandlungsmasse für die Koalitionsgespräche mit der FDP zu verwursten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Wer macht denn das?) Das ist unfair. Sie verheizen das Thema der Sorgen der Mieterinnen und Mieter. Sie lassen sie im Regen stehen. Diese unseriöse Geschäftspraxis wollen wir heute aufdecken. Ich fordere Sie auf: Stimmen Sie unserem Antrag zu. Stimmen Sie, wie angekündigt, einer Mietpreisbremse zu. Wir sind in unserem Antrag sogar so weit gegangen, Ihren Originaltext, den Sie nunmehr in Ihr Wahlprogramm aufgenommen haben, zu übernehmen. (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Thema verfehlt! Sechs! Setzen!) Tun Sie etwas für die Mieterinnen und Mieter in diesem Land, und machen Sie nicht einfach nur Wahlkampfgetöse. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Erik Schweickert [FDP]: Wer macht denn hier Wahlkampfgetöse?) Vizepräsidentin Petra Pau: Das Wort hat der Kollege Dr. Sensburg für die Unionsfraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Patrick Sensburg (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren heute über einen wirklichen Meilenstein des Verbraucherschutzes. (Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Och nee! - Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Höchstens ein Steinchen!) Ich stelle fest: Diese Debatte - ich werde gleich auf das Thema Telefonwerbung im Detail eingehen - wird überladen mit Anträgen zum Mietrecht und anderen Themen, die nichts mit dem Thema "unseriöse Geschäftspraktiken" zu tun haben. Herr Kollege Oppermann, ich kann es Ihnen nicht ersparen: Ich möchte Ihnen § 108 e Strafgesetzbuch vorlesen, der die Überschrift "Abgeordnetenbestechung" trägt: Wer es unternimmt, für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände eine Stimme zu kaufen oder zu verkaufen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie wissen doch, dass das ein stumpfes Schwert ist!) Wir haben also die Abgeordnetenbestechung bereits im Strafgesetzbuch geregelt. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht genug!) Dies ist der erste Punkt, den es festzustellen gilt. Nun zu Ihren Vorschlägen. Im Gesetzentwurf der SPD-Fraktion steht: ... bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vor-nehme ... Es geht also darum, ob man bei der Wahrnehmung seines Mandates ein Auftragsverhältnis oder ein Weisungsverhältnis eingeht. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Sie sind doch gegen alles! Wofür sind Sie eigentlich?) Das bleibt hinter den Möglichkeiten des § 108 e Strafgesetzbuch zurück. Sie müssen erst einmal ein Weisungs- oder Auftragsverhältnis begründen und nachweisen. Ich muss ehrlich sagen: Das ist kein kluger Gesetzesvorschlag. Sie sollten ihn noch einmal überdenken. Zum Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist gut!) Hier bedarf es sogar eines rechtswidrigen Vorteils, also nicht irgendeines Vorteils, (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) zum Beispiel eines in Aussicht stehenden Beschäftigungsverhältnisses, was durch den § 108 e Strafgesetzbuch schon erfasst wird. (Thomas Oppermann [SPD]: Sie haben gar nichts verstanden!) Auch Sie bleiben also hinter der aktuellen Regelung des deutschen Strafgesetzbuches zurück. Herr Silberhorn hat eben sehr weise gesagt: Lassen Sie uns dieses Thema zu Beginn der nächsten Legislaturperiode gemeinschaftlich diskutieren. (Burkhard Lischka [SPD]: Da sind wir sehr gespannt! Vier Jahre haben Sie Zeit gehabt!) Wir wollen keine Schnellschüsse und wollen das gute Gesetz, über das wir heute debattieren, nicht überfrachten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Die Kollegen Wanderwitz, Silberhorn und Schweickert sind schon auf die Bereiche "unseriöses Inkasso" und "überzogene Abmahnungen" eingegangen. Ich würde gerne den Bereich der unlauteren Telefonwerbung etwas näher beleuchten. Uns ist es gelungen, die Vielzahl von Menschen, die tagtäglich mit Werbetelefonaten überschüttet werden, zu schützen, (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das wird sich erst herausstellen!) indem wir dieser unseriösen Praxis einen Riegel vorschieben. Dass dies notwendig ist, erkennt man, wenn man einmal gehört hat, wie Telefonate dieser Art ablaufen: Menschen werden am Telefon belästigt, indem ihnen gesagt wird, sie hätten einen Vertrag abgeschlossen, zum Beispiel einen Gewinnspieldienstvertrag. Diese antworten dann, nein, so einen Vertrag habe man nie abgeschlossen, worauf der Telefonwerber erwidert: Doch, das liegt schriftlich vor. Da kommen Sie jetzt nicht mehr heraus. Ich kann vielleicht noch anbieten, die Dauer des Vertrages von sechs auf drei Monate zu verkürzen. Wenn Sie das nicht machen, dann müssen Sie demnächst zahlen, und dann hören Sie von unserem Inkassobüro. - Derartige Anrufe passieren tagtäglich in Deutschland, (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Wieso haben Sie so lange gewartet, bis Sie etwas gemacht haben?) mit diesem Gesetz schieben wir dieser unseriösen Praxis einen Riegel vor. Das ist ein gutes Gesetz für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Warum erst jetzt?) Gleichzeitig, Frau Kollegin, gibt es eine Vielzahl von Telefonaten, bei denen wir wollen, dass Verträge zustande kommen; das muss man doch auch einmal sehen. Stellen Sie sich vor, Sie haben Ihr Auto in der Inspektion und Ihre Werkstatt ruft an und sagt: Wir haben bei der Durchsicht festgestellt, dass auch die Bremsscheiben erneuert werden sollten. Darauf sagen Sie: "Das ist vernünftig; das lasse ich gleich mitmachen, wenn es in der Werkstatt ist", und erteilen den Auftrag per Telefon. Diese Art von Telefonaten, in denen Aufträge erteilt und Verträge geschlossen werden, wollen wir weiter erhalten. Von daher haben wir in unserem Gesetzgebungsvorschlag eine sehr gute Abwägung zwischen unseriöser Praxis und seriöser Praxis vorgenommen, und deswegen ist es ein gutes Gesetz der christlich-liberalen Koalition. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) 70 bis 80 Prozent der Beschwerden der Verbraucherschutzverbände, mit denen wir sehr intensiv diskutiert haben, betreffen die Gewinnspieldienste. Deswegen haben wir zum Ersten gesagt: Wir möchten für Gewinnspieldienstverträge die Textform einführen. Wir haben dazu eine Änderung in § 675 Abs. 3 BGB vorgesehen. Danach kann ein Vertrag, der Gewinnspieldienste vereinbart, nur noch in Textform abgeschlossen werden. Das ist deutlich besser als die zuerst diskutierte Bestätigungslösung, die im BGB systemisch an falscher Stelle vorgesehen war. Wir fordern die Textform; das wird dem Verbraucherschutzinteresse am besten gerecht. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Warum nur dort?) Damit reagieren wir auf bis zu 40 000 Beschwerden in den Jahren zuvor. Auf diese Art und Weise haben wir meines Erachtens einen großen Bereich erfasst. Zum Zweiten wollen wir auch die Bußgeldobergrenzen erhöhen. Wir setzen sie von bisher 50 000 Euro auf 300 000 Euro hoch. Das ist eine wirksame Abschreckung für rechtswidrige Telefonwerbeanrufe. Auch hier tun wir etwas. Der unseriösen Praxis, automatische Anrufmaschinen einzusetzen, werden wir ebenfalls entgegentreten; diese haben wir nämlich auch einbezogen. Alles in allem haben wir gemeinsam in der christlich-liberalen Koalition, aber auch mit Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition, gerade im Bereich der Telefonwerbung eine wirksame Regelung eingeführt. Ich danke auch den Verbraucherzentralen. Wir haben intensive Gespräche mit den Verbraucherzentralen geführt. Nach den Gesprächen, die ich geführt habe, muss ich sagen: Die Verbraucherzentralen ebenso wie die Verbraucherinnen und Verbraucher insgesamt können mit diesem Gesetzentwurf sehr zufrieden sein. Wir schränken unseriöse Praktiken ein. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Die wollten aber wesentlich mehr im Bereich der Telefonwerbung!) - Sie wollten mehr? (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Die Verbraucherzentralen!) Dann hätten Sie diese Vorschläge einbringen müssen. - Die Verbraucherzentralen hatten darüber diskutiert, das Erfordernis der Textform für alle Telefonverträge einzuführen. Ich habe Ihnen ein Beispiel, die Autowerkstatt, genannt, wo es nicht sinnvoll ist, für Aufträge die Schriftform einzuführen. Wir wollen die Vertragsfreiheit im Bürgerlichen Gesetzbuch weiter aufrechterhalten. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Was ist mit Zeitschriftenverträgen?) Verträge können nämlich nicht nur schriftlich geschlossen werden, sondern auch mündlich und fernmündlich. Dieses Grundprinzip durchbrechen wir nicht. Dort aber, wo unseriöse Geschäftspraktiken vorkommen, Frau Kollegin, sehen wir die Textform vor, und dafür führen wir sie auch ein. (Marianne Schieder [Schwandorf] [SPD]: Das ist nicht wahr! Nur beim Gewinnspiel!) Sie fordern nur und haben nichts gemacht. Die christlich-liberale Koalition hat geliefert, sie hat einen sehr ausgewogenen Gesetzentwurf vorgelegt. Ich wünsche mir, dass Sie nun diesem Gesetzentwurf zustimmen. Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich bitte nun um die notwendige Aufmerksamkeit für die Rede der Kollegin Elvira Drobinski-Weiß aus der SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Frau Präsidentin, vielen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Mehr als zwei Jahre ist es jetzt her, seit die zuständige Ministerin ein Gesetz angekündigt hat. Danach ist lange nichts passiert, außer lautem Streit der Koalition und natürlich Ankündigungen in der Presse. Viele Menschen haben das Vertrauen in den Rechtsstaat verloren; denn sie erwarten zu Recht Schutz gegen Abzocke. Aber die Koalition streitet sich, der Kabinettstermin wird mehrmals verschoben, ebenso die Beratungen im Ausschuss. (Zuruf von der FDP: Das ist halt ernsthafte Arbeit!) Ich will Ihnen etwas sagen: Der Zustand dieser Koalition hat zu Millionenschäden bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern geführt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie haben sich fast zwei Jahre lang gestritten, anstatt die Bürger zu schützen. Auf Sie ist kein Verlass. Dieses Ergebnis ist symptomatisch für die Verbraucherpolitik à la Schwarz-Gelb. Dieses Gesetz bringt den Verbraucherinnen und Verbrauchern fast nichts. Es ist eine Mogelpackung. Es ist ein Etikettenschwindel. Es ist ein weiteres Kapitel im Merkel'schen Märchenbuch, von dem wir heute schon gehört haben. (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei Abgeordneten der FDP) Warum? Es ist nicht das drin, was Sie versprechen. Sie versprechen Schutz vor unerlaubter Telefonwerbung. Gewinnspiele soll man nur noch per SMS, E-Mail oder per Brief bestätigen können. Gut und schön! Doch die Tricks der Telefonabzocker haben sich längst geändert. Mit diesem Gesetz werden Sie die Telefonwerbung nicht abstellen; (Dr. Erik Schweickert [FDP]: Was habt ihr in der Großen Koalition gemacht?) denn Gewinnspielwerbung ist gar nicht mehr das Problem. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Doch!) Statt sich dieser Realität zu stellen, argumentieren Sie mit einem veralteten Bericht des Bundesjustizministeriums. (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Haben Sie neue Zahlen?) Fragen Sie doch einmal in den Verbraucherzentralen nach! (Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Haben wir!) Aber was man dort zu sagen hat, wollen Sie ja gar nicht hören. Wir wollen die Verbraucherzentralen zu Marktwächtern ausbauen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Verbraucherzentralen sollen zu einem Frühwarnsystem werden. Sie sollen uns sagen, wie sich die Methoden der Abzocker verändern, damit wir vernünftig reagieren können. (Beifall bei der SPD) Aber Sie wollen das ja gar nicht wissen. Nein, Sie wollen die Verbraucherzentralen nicht zu Marktwächtern machen. Sie stehen für eine Politik des Hinterherrennens. Noch viel größer ist der Etikettenschwindel bei der Abmahnabzocke. Zwar wird der fliegende Gerichtsstand teilweise abgeschafft, und nach einem flüchtigen Blick auf Ihre Änderungsanträge denken vielleicht manche: "Ja, endlich werden die Abmahngebühren gedeckelt", aber wer genau hinsieht, der wird enttäuscht. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unseriös!) Im Ergebnis ist es ein nutzloses Gesetz. Warum? Erstens: Für wen gilt das Gesetz? Für den kleinen Handwerker jedenfalls nicht. Wer nicht aufpasst und seine Internetseite mit einem Stadtplanausschnitt versieht, damit der Kunde die Werkstatt findet, hat Pech gehabt. Kein Kostendeckel für kleine Gewerbetreibende. Zweitens: die Ausnahmeregel. Der Kostendeckel für Abmahnungen wird verwässert. Er soll nicht gelten, wenn es unbillig ist. Bisher ist es der Abmahnindustrie regelmäßig gelungen, solche Ausnahmeregelungen vor Gericht ins Gegenteil zu verkehren. Deswegen hatten die Fachleute im BMJ einen Kostendeckel ohne Ausnahmeregelung vorgeschlagen. Doch Sie führen durch die Hintertür überhöhte Gebühren ein. (Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es!) Aber das war noch nicht alles; es kommt noch schlimmer: Der Kostendeckel soll nur für anwaltliche Schreiben gelten, nicht für das Gerichtsverfahren. Das heißt, wenn ein Verbraucher nicht innerhalb der oft sehr kurzen Fristen auf eine Abmahnung reagiert, kommt die Sache vor Gericht. Die Gebühren liegen dann schnell wieder bei 500 Euro und mehr. Wie Sie angesichts dessen von einem wirksamen Kostendeckel bei Abmahngebühren sprechen können, verstehe ich nicht. Das Gegenteil ist der Fall: Sie rollen der Abmahnindustrie den roten Teppich aus. (Beifall bei der SPD - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) In dem Gesetzentwurf steht nicht drin, was draufsteht. Ihr Gesetz müsste man in das EU-Schnellwarnsystem einstellen: Achtung: Verbrauchertäuschung! Achtung: Etikettenschwindel! Achtung: Da steht Verbraucherschutz drauf, es ist aber ein Kniefall vor der Abmahnindustrie drin! Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Petra Pau: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14192 und 17/14216, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/13057 und 17/13429 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen, wobei zu zwei Änderungsanträgen namentliche Abstimmung verlangt ist. Zu den Änderungsanträgen liegen mir eine Erklärung gemäß § 31 unserer Geschäftsordnung von mehreren Abgeordneten der Fraktion Die Linke, eine der Kollegin Anette Hübinger aus der Unionsfraktion sowie, wie ich gerade höre, weitere vor, die gerade beim Präsidium eingehen.4 Wir beginnen mit dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14240. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind alle Schriftführer an den vorgesehenen Plätzen? - Das ist der Fall. Ich eröffne die erste namentliche Abstimmung, also die über den Änderungsantrag der SPD. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist der Fall. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, die schon abgestimmt haben, Platz zu nehmen. - Wir werden nach dieser Abstimmung erst die Auszählung und das Ergebnis abwarten müssen, um dann zur zweiten Abstimmung zu kommen. - Außerdem hätte das den Charme, dass das Präsidium sieht, ob noch ein Kollege gehindert wird, an der Abstimmung teilzunehmen. Ist ein Kollege oder eine Kollegin des Hauses anwesend, der oder die seine oder ihre Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 16.39 bis 16.45 Uhr) Vizepräsidentin Petra Pau: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der ersten namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 586. Mit Ja haben 201 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein 319, 66 Kolleginnen und Kollegen haben sich enthalten. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 586; davon ja: 201 nein: 319 enthalten: 66 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14241. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, ihre Plätze einzunehmen und mir ein Signal zu geben, wenn das an allen Urnen geschehen ist. - Das ist der Fall. Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung, und zwar die über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 16.49 bis 16.55 Uhr) Vizepräsidentin Petra Pau: Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung bekannt: abgegebene Stimmen 587. Mit Ja haben 202 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mit Nein haben 319 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, und es gab 66 Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 587; davon ja: 202 nein: 319 enthalten: 66 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Ullrich Meßmer Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Peter Gauweiler Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Steffen Kampeter Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Bernd Neumann (Bremen) Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Wolfgang Gehrcke Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Sabine Leidig Ralph Lenkert Michael Leutert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Niema Movassat Thomas Nord Petra Pau Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14242. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 20 a. Unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14192 und 17/14216 empfiehlt der Rechtsausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14243. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Tagesordnungspunkt 20 b. Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Fortentwicklung des Verbraucherschutzes bei unerlaubter Telefonwerbung. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14192 und 17/14216, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/6482 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 20 c. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Begrenzung der Haftung und der Abmahnkosten bei Urheberrechtsverletzungen. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14192 und 17/14216, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/6483 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Linksfraktion bei Enthaltung der SPD-Fraktion abgelehnt. Nach unserer Geschäftsordnung entfällt die weitere Beratung. Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 20 c. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Eindämmung des Missbrauchs des Abmahnwesens. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14192 und 17/14216, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12620 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke abgelehnt. Auch hier entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 20 d. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 17/14036. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9746 mit dem Titel "Unseriöses Inkasso zu Lasten der Verbraucherinnen und Verbraucher stoppen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 20 d. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11837 mit dem Titel "Unseriöses Inkasso eindämmen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a bis 8 f auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gleiche Arbeit - Gleiches Geld in der Leiharbeit - Drucksache 17/12560 - b) - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen - Drucksache 17/12373 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Kerstin Andreae, Markus Kurth, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) - Drucksache 17/13106 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - Drucksache 17/14074 - Berichterstattung: Abgeordnete Jutta Krellmann c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, Uwe Beckmeyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen - Drucksachen 17/12378, 17/14074 - Berichterstattung: Abgeordnete Jutta Krellmann d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Statistische Ermittlung des Einsatzes von Werkverträgen und Leiharbeit in Unternehmen - Drucksachen 17/9980, 17/12111 - Berichterstattung: Abgeordnete Anette Kramme e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Zimmermann, Jutta Krellmann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Lohndumping im Einzelhandel stoppen - Tarifverträge stärken, Entgelte und Arbeitsbedingungen verbessern - Drucksachen 17/13104, 17/14001 - Berichterstattung: Abgeordnete Gitta Connemann f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Heinz Paula, Willi Brase, Dr. Wilhelm Priesmeier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bedingungen bei Tiertransporten und in Schlachtbetrieben verbessern - zu dem Antrag der Abgeordneten Friedrich Ostendorff, Bärbel Höhn, Undine Kurth (Quedlinburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bedingungen in Schlachthöfen verbessern - Drucksachen 17/11148, 17/11355, 17/12215 - Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Der Kollege Klaus Ernst hat für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Klaus Ernst (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer am letzten Montag die Süddeutsche Zeitung aufgeschlagen hat - ich gehe davon aus, dass dies der eine oder andere in diesem Hause tut -, der wurde mit der Überschrift konfrontiert: "Skandalöse Verhältnisse in der Fleischindustrie - Sklaven in Deutschland". Dann heißt es in der Headline dieser Zeitung weiter: Schlechte Bezahlung, unwürdige Unterkünfte, Erniedrigung und Erpressung: Was sich in Schlachthöfen abspielt, ist für viele Kritiker mehr als Ausbeutung. Es ist sogar von Menschenhandel und organisierter Kriminalität die Rede. Im weiteren Verlauf des Artikels wird geschildert, wie die Arbeit einer Frau in der Fleischindustrie aussieht. Sie verrichtet ihre Arbeit natürlich nicht bei ihrem ursprünglichen Arbeitgeber, sondern bei einem Werkvertragsunternehmen. Diese Frau bekam keinen Urlaub und kein Zeugnis, als sie gekündigt hat. Sie wurde sogar massiv von den Menschen des Werkvertragsunternehmens bedroht, die ihre Arbeitgeber waren. Ich möchte aus dem Artikel weiter zitieren, um deutlich zu machen, worum es geht. Als diese Frau mit einem Anwalt gedroht hat, wurde ihr vom Vorgesetzten dieses Unternehmens gesagt: "Hast du keine Angst, zum Anwalt zu gehen?", warnte der Vorgesetzte. "Weil es kann dir passieren, dass du über die Straße gehst und ein Auto dich überfährt." Auch könne sie leicht im Graben landen, "der Kopf zwei Meter weiter" ... Das sind offensichtlich die Zustände in Deutschland. Das ist Ausfluss eines Werkvertragsunwesens, das es inzwischen mit Duldung dieser Regierung und der Koalitionsfraktionen gibt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir als Linke haben dieses Thema vielfach auf die Tagesordnung gesetzt. Sie hätten seit mehreren Jahren die Möglichkeit gehabt, das einzudämmen. Aber Sie haben nichts, aber auch gar nichts getan, um diese Zustände zu beenden. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In dem Artikel heißt es weiter: "Der Umfang illegaler Tätigkeiten und deren Selbstverständlichkeit sind erschreckend. Das Gewerbe scheint von diesen Straftaten durchdrungen zu sein", hat die Düsseldorfer Richterin Brigitte Koppenhöfer im Dezember 2010 über die Arbeit auf deutschen Schlachthöfen mal gesagt. Also nicht gestern, sondern schon 2010! Weiter heißt es: Für das Schlachten und Zerlegen eines Schweins in verkaufsfertige Portionen bekommen osteuropäische Kolonnen meist Summen zwischen 1,02 Euro bis 1,66 Euro in deutschen Schlachthöfen. 16 Arbeiter schaffen schätzungsweise 60 Schweine die Stunde. ... Die belgische Konkurrenz, die 12,88 Euro Mindestlohn hat, zahlt rund 4,50 Euro pro Schwein. Inzwischen beschweren sich selbst belgische Minister bei der EU darüber, dass wir in Deutschland Lohndumping in diesem Ausmaß zulassen. Wer es nicht glaubt, kann das alles in der Süddeutschen Zeitung nachlesen. Diese Zustände sind unerträglich. Ich habe nicht das geringste Verständnis für die Antwort, die wir auf eine Anfrage zu diesem Thema bekommen haben. Ich zitiere aus der Antwort der Bundesregierung vom 3. Juli 2012: Die Bundesregierung sieht zum jetzigen Zeitpunkt keinen Bedarf, den Abschluss von Werkverträgen stärker zu regulieren. Unternehmen steht es im Rahmen der geltenden Gesetze grundsätzlich frei, zu entscheiden, ob sie Tätigkeiten durch eigene Arbeitnehmer ausführen lassen oder Dritte im Rahmen von Werkverträgen beauftragen. Ihre Antwort ist ein unerträglicher Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ich halte das, was Sie hier machen, für unterlassene Hilfeleistung gegenüber den Menschen, die sich nicht wehren können. Da können Sie sich drehen und wenden, wie Sie wollen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das alles ist nicht mehr lustig. Da hört der Spaß wirklich auf. In unserem Grundgesetz heißt es im Übrigen: "Die Würde des Menschen ist unantastbar", und nicht: Die Würde des Deutschen ist unantastbar. - Hier geht es um Nichtdeutsche, die ganz besonders mies behandelt werden. Dass Sie das zulassen und nichts dagegen tun, ist ein unerträglicher Skandal. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Lautstärke ist kein Argument!) Wir wissen, dass dies immer größere Ausmaße annimmt. Eine Befragung von Betriebsratsmitgliedern in zehn ausgewählten Branchen im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung hat Folgendes festgestellt: In Schlachthöfen arbeiten nur noch 20 Prozent der Beschäftigten in einem normalen Arbeitsverhältnis. 75 Prozent sind von Werksvertragsunternehmen und etwa 5 Prozent von Leiharbeitsfirmen in diese Unternehmen geschickt. Wir haben laut der Befragung die Situation, dass in der Getränkeindustrie etwa 10 Prozent der Beschäftigten über Werkvertragsfirmen angestellt sind, in der Zuckerindustrie circa 20 Prozent, in den Werften 20 Prozent, in der Fleischindustrie etwa 35 Prozent. Wie lange wollen Sie eigentlich noch warten, bis Sie endlich in die Gänge kommen? Meine Damen und Herren, mit dem Missbrauch von Werkverträgen reagieren die Unternehmen auf einige Regelungen, die wir inzwischen bei der Leiharbeit haben. Die Karawane ist weitergezogen. Jetzt ist es dringend notwendig, die Werkverträge zu regulieren. Der DGB-Vorsitzende in Bayern, Matthias Jena, hat es auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt - ich zitiere ihn -: Mit Werkverträgen hat ein Instrument Hochkonjunktur, das zu einer zweiten Billiglohnlinie in den Betrieben führt. In vielen bayerischen Schlachthöfen wird inzwischen jede tote Sau, die am Haken hereinrollt, zum eigenen Werk erklärt. Genau das ist das Problem. Wir brauchen Regelungen, wie wir das in den Griff bekommen. In unseren Anträgen schlagen wir Regelungen vor. Das Wichtigste wären klare Kriterien zur Abgrenzung zwischen Leiharbeit und echten Werkverträgen. Wir brauchen wieder die Vermutungsregel. Wenn eine Tätigkeit im Betrieb dauerhaft auf Weisung des Bestellers verrichtet wird und nicht auf Weisung des Werkvertragsunternehmers, wenn Materialien und Werkzeuge des Bestellers verwendet werden, wenn der Unternehmer für das erbrachte Ergebnis nicht haftet oder der Unternehmer in der Arbeitsorganisation oder in das Arbeitszeitregime des Bestellers eingebunden ist, dann ist das kein Werkvertrag, sondern ein ganz normaler Arbeitsvertrag. Das kann man doch gesetzlich regeln. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Dasselbe gilt für die Frage der Scheinselbstständigkeit. Darauf kann ich aus Zeitgründen jetzt nicht mehr eingehen. Auch dies müssen wir regeln. Ich komme zum Schluss. Wir haben vier Jahre verstreichen lassen, ohne uns in dieser Frage um die Interessen der Menschen zu kümmern. Ich nutze diese Gelegenheit ausdrücklich, die Menschen darauf hinzuweisen, dass sie die Möglichkeit haben, eine untätige Regierung abzuwählen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Klaus Ernst. - Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Karl Schiewerling. Bitte schön, Kollege Karl Schiewerling. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Karl Schiewerling (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Ernst, die von Ihnen geschilderten Fälle aus der Süddeutschen Zeitung sind bekannt. Die Antworten auf die Frage der Linken, wie Abgrenzungskriterien herzustellen sind, sind schon längst richterlich festgestellt, sind längst durch Richterrecht definiert. Sie bestehen längst, und danach wird gearbeitet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das ist ein weiteres Mal, Herr Kollege Ernst, dass Sie hier mit großem Pathos Skandale vortragen und Antworten präsentieren, die angeblich von Ihnen kommen, obwohl das längst geregelt ist und längst danach gearbeitet wird. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Richter wollen aber gesetzliche Regelungen!) Was wir erleben und was beschrieben ist, fußt nicht auf mangelnden Gesetzen, sondern ist schlicht und einfach ein Verstoß gegen bestehende Gesetze. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: So ist es!) Dieser Verstoß muss geahndet werden, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) und die Bundesregierung ist längst dabei. Wenn Sie aufmerksam die Zeitung gelesen haben, haben Sie festgestellt, dass die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des deutschen Zolls vor einigen Tagen eine Riesenrazzia in ganz Deutschland bei allen Schlachthöfen gestartet hat, um genau diese Verstöße festzustellen, nämlich wo es Missbrauch von Werkverträgen gibt, wo die Abgrenzungskriterien zur Zeitarbeit nicht eingehalten werden, wo Lohndumping betrieben wird und wo Sozialversicherungsbeiträge vorenthalten werden. Ich bin gespannt auf den Bericht der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des deutschen Zolls. Wir werden sehen, was sich daraus zu ergeben hat. Meine Damen und Herren, es gibt bereits Urteile von Gerichten, die den Begriff "Werkvertrag" definieren. Es ist unsere Aufgabe, genau zu kontrollieren, wo Missbrauch betrieben wird. Das tun wir. Ich will Ihnen allerdings auch nicht verschweigen, dass ich manche Entwicklungen mit großem Argwohn betrachte. Es wird langsam Zeit, dass sich die Arbeitgeber der Schlachthöfe und der fleischverarbeitenden Industrie zu einem Arbeitgeberverband zusammenschließen und normale Tarifverträge mit der dafür zuständigen Gewerkschaft, zum Beispiel der NGG oder einer anderen Gewerkschaft, abschließen. Es wird langsam Zeit, dass wir über diesen Weg klare Regelungen erhalten, sodass wir gerade im Bereich der fleischverarbeitenden Wirtschaft Ordnung haben. Ich bin auch dafür, dann das Instrument des Mindestarbeitsbedingungengesetzes heranzuziehen. Hier ist nicht nur die Bundesregierung gefordert - sie hat sich bereit erklärt, in dieser Frage zu handeln -, sondern auch die Arbeitgeber und Gewerkschaften, auch wenn das Instrument des Mindestarbeitsbedingungengesetzes der einen oder anderen Gewerkschaft nicht gefällt, weil es einen bestimmten Organisationsgrad voraussetzt. Wenn es aber um die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, und um faire Bedingungen geht, dann ist es an der Zeit, dass alle über ihren Schatten springen und gemeinsame Lösungen gefunden werden. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Beschäftigten im Einzelhandel?) Die Voraussetzungen dafür sind in mehreren Gesprächen erörtert worden. Es gibt in der gesamten Bundesregierung niemanden, der dagegen ist, dann das Instrument des Mindestarbeitsbedingungengesetzes anzuwenden. Damit, Herr Ernst, widerspreche ich ausdrücklich Ihrem Pathos, diese Bundesregierung habe nichts getan, es sei überhaupt nichts passiert. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Was haben Sie denn getan?) Die Kontrollen funktionieren, und vor Ort gibt es eine ganze Menge bereits bestehender Initiativen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Alles wunderbar!) Eigentlich zielen Sie auf etwas anderes ab. Das Instrument der Werkverträge ist ein ganz reguläres und normales Instrument. Dort aber, wo Werkverträge missbräuchlich angewandt werden, wo die Grenze zur Zeitarbeit nicht klar gezogen wird, müssen möglicherweise weitere Regelungen getroffen werden, sofern sie noch nicht bestehen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wo sind denn die Regelungen?) Der entscheidende Punkt ist für mich allerdings ein anderer. Darauf zielen Sie ja auch mit Ihren Bemerkungen und Hinweisen ab. Es ist nicht so, als befinde sich die gesamte deutsche Wirtschaft in einer solchen Situation. Wir haben 29,6 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse - das ist die höchste Beschäftigung, die wir jemals hatten -; darunter sind keine Werkverträge oder sonstige Regelungen. Wir haben faire Bedingungen am Arbeitsmarkt, und diese Regierung hat für viel Fairness am Arbeitsmarkt gesorgt. Sie haben vorhin darauf hingewiesen, dass wir die Zeitarbeit reguliert haben. Natürlich haben wir das getan; aber natürlich gibt es in bestimmten Branchen oder bei bestimmten Arbeitgebern Ausweichmanöver. Unsere Aufgabe besteht darin, diese Ausweichmanöver auszubremsen, damit die Bedingungen am Arbeitsplatz fair sind. Sie dürfen sich nicht darüber beklagen, dass es trotz der Regulierung der Zeitarbeit andere Entwicklungen gibt; das haben wir im Blick. Wir werden zum Wohle der Menschen handeln. Wir, diese Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen, haben in dieser Legislaturperiode viele Strukturen und viel Ordnung in den Arbeitsmarkt gebracht. Wir haben viele Dinge korrigiert, die bei der Agenda 2010 nicht in Ordnung waren. Wir haben aus bestimmten Entwicklungen gelernt. Wir haben die Probleme in Angriff genommen. Ich sage Ihnen: Was die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik angeht, so geht es den Menschen unter dieser Koalition besser. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Karl Schiewerling. - Nächster Redner ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Hubertus Heil. Bitte schön, Kollege Hubertus Heil. (Beifall bei der SPD) Hubertus Heil (Peine) (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In dieser Woche war nicht nur der Beitrag in der Süddeutschen Zeitung zu lesen, sondern es gab auch eine Dokumentation in der ARD mit dem Titel "Lohnsklaven in Deutschland". Herr Schiewerling, in Bezug auf Ihre letzten Worte, die ich gehört habe, es sei alles halb so wild, kann ich Ihnen nur sagen: (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Habe ich nicht gesagt!) Wer diese Verhältnisse, die in diesem Bericht und in der SZ dokumentiert wurden, derart banalisiert und verharmlost, dem fehlt jede Empathie für die betroffenen Menschen. Das sage ich Ihnen an dieser Stelle ganz deutlich. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sie blenden, weil Wahlkampf ist und weil es nicht in die heile Welt von Frau von der Leyen passt, zu der wunderbar rosaroten Brille, die die Ministerin gerne aufsetzt - die übrigens bei einer solch wichtigen Debatte fehlt; denn es sind ja nicht so schöne Bilder, mit denen man konfrontiert wird -, die Realität der Menschen in diesem Land aus. Es geht hier um die Verhältnisse in den Schlachthöfen in Deutschland. Es geht um miserable Bezahlung. Es geht um unwürdige Unterkünfte. Es geht um Erniedrigung und um Erpressung. Herr Schiewerling, Sie haben recht: Viele dieser Dinge sind nach geltendem Gesetz rechtswidrig, geradezu kriminell, und ein Fall für den Staatsanwalt. Ich sage Ihnen aber auch: Wenn Sie so tun, als handele es sich hierbei um Einzelfälle, dann verkennen Sie, dass der Anteil von Werkverträgen in einzelnen Betrieben inzwischen bei 90 Prozent liegt und dass wir es mit einem systematischen Missbrauch zu tun haben. Daher muss der Gesetzgeber handeln. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN - Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Wo haben Sie die Zahlen denn her?) Im Schnitt haben 50 Prozent der Beschäftigten in der fleischverarbeitenden Industrie, in den Schlachthöfen sogenannte Werkverträge. In einzelnen Bereichen sind es, wie gesagt, sogar 90 Prozent. Aber das ist ja nicht nur bei den Schlachthöfen so. Wir erleben inzwischen auch im Einzelhandel, dass Menschen, die früher als abhängig Beschäftigte Regale eingeräumt haben, nun quasi als Unternehmer behandelt werden, obwohl sie gar keine Unternehmer oder keine Selbstständigen sind. Das heißt, sie tragen das volle Risiko, haben keine soziale Absicherung und sind am Ende die Gekniffenen. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU - auf die FDP kann man in dieser Frage überhaupt nicht mehr zählen -, (Zurufe von der FDP: Was?) das hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Das Kernversprechen der sozialen Marktwirtschaft oder eines sozialen Rechtsstaates ist unternehmerische Freiheit; gar keine Frage. Aber dazu gehört auch, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land keine Lohnsklaven sind, sondern soziale Bürgerrechte haben. Das ist soziale Marktwirtschaft, die wir einmal hatten. Wir werden in diesem Land wiederherstellen müssen, was Sie aus dem Lot gebracht haben. Sie haben an diesem Punkt nicht gehandelt. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Zuruf von der FDP: Reden Sie einmal mit den Betriebsräten!) Das Thema hat auch eine wirtschaftspolitische Dimension. Der Kollege Ernst hat zu Recht Belgien angesprochen. Wir haben die Situation, dass sich der Preis für das Schlachten und Zerlegen eines Schweins in diesem Land durch osteuropäische Kolonnen meist zwischen 1,02 Euro und 1,66 Euro bewegt. In Belgien sind es 4,50 Euro mit dem Ergebnis, dass belgische Betriebe inzwischen damit begonnen haben, diese Tiere bei uns auseinandernehmen zu lassen. Trotz der hohen Kosten für Transport und Energie ist das offensichtlich ein lohnendes Geschäft. - Was meinen Sie, was in unseren Nachbarländern los ist in Bezug auf das Ansehen Deutschlands in Europa, wenn wir solche widerlichen Zustände zulasten Menschen ausländischer Herkunft, von Miteuropäerinnen und Miteuropäern, dulden? Das geht zulasten aller Arbeitnehmer in diesem Land. (Beifall bei der SPD) Wir Sozialdemokraten werden nicht zulassen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa gegeneinander ausgespielt werden. Daher müssen wir in Deutschland handeln, Herr Schiewerling. Wir dürfen nicht nur warme Worte verlieren. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir reden im Kern über eine Neuordnung am Arbeitsmarkt. Sie haben ja nonchalant das Thema "gesetzlicher Mindestlohn" ausgeblendet. Ich glaube, da plagt Sie ein schlechtes Gewissen. Zwar taucht der Begriff "Mindestlohn" in Ihrem Wahlprogramm auf; aber wenn man sich das genauer anschaut, wird klar: Sie wollen ihn nicht wirklich. Oder warum lassen Sie das im Bundesrat beschlossene Gesetz zum gesetzlichen Mindestlohn in den Ausschüssen des Bundestages mit Ihrer Mehrheit verhungern? Im Kern unterstützen Sie keinen gesetzlichen Mindestlohn, der den Namen auch verdient. Ihre Rederei über das Mindestarbeitsbedingungengesetz bräuchten wir nicht, wenn wir einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland hätten. Dann wüsste jeder, was man in der Stunde in diesem Land mindestens verdient, um menschenwürdig über die Runden zu kommen. Aber das ist mit dieser Koalition nicht zu leisten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Sie haben über Arbeitnehmerüberlassung gesprochen, über Zeit- und Leiharbeit. Ja, da ist auf unseren Druck hin einiges an Regulierung erfolgt. In den Verhandlungen haben wir durchgesetzt, (Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir haben auch ein bisschen geholfen!) dass es bei der Arbeitnehmerüberlassung einen Mindestlohn gibt. Das reicht aber auch für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung nicht. Arbeitnehmerüberlassung, Zeit- und Leiharbeit waren einmal dazu gedacht, die Auftragsspitzen von Unternehmen abzudecken. Es ist aber mittlerweile ein Instrument massiver Lohndrückerei geworden. Was nach wie vor, obwohl es in einzelnen Branchen bitter erkämpft wurde, in der Breite vieler Branchen fehlt, ist der Grundsatz "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" sowohl für Stamm- als auch für Leihbeschäftigte, ist ein Synchronisationsverbot, sind stärkere Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte und ist auch eine Höchstüberlassungsdauer. Meine Damen und Herren, Arbeitnehmerüberlassung ist notwendig. Aber sie muss der Ausnahmefall bleiben und darf nicht mehr Einfallstor für Lohndrückerei sein. Das müssen wir dichtmachen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen aufpassen, dass sich der Missbrauch im Bereich der Werkverträge nicht wie Wasser neue Wege sucht. Es gibt Hinweise darauf, dass Werkverträge, die dem Grunde nach - das ist vollkommen richtig - eine ganz normale Sache im Rahmen der Vertragsfreiheit im Wirtschaftsleben unseres Landes sind und sein sollen, mittlerweile missbraucht werden. Das betrifft Werkverträge - wir haben es eben beschrieben - im Bereich der fleischverarbeitenden Industrie. Aber es betrifft auch das, was nicht unter Werkverträge, sondern schlicht und ergreifend unter Scheinselbstständigkeit fällt und auf dem Rücken von sogenannten Soloselbstständigen ausgetragen wird. Herr Schiewerling, Richterrecht hin oder her. Natürlich brauchen wir in unserer Rechtsprechung die Möglichkeit, dass Gerichte Dinge definieren. Aber wir könnten es den Gerichten und auch den Behörden in Deutschland einfacher machen, effektiv gegen diesen Missbrauch vorzugehen, wenn der Gesetzgeber, dieses Haus, dafür sorgen würde, dass die Abgrenzung zwischen Scheinwerkverträgen und tatsächlichen Werkverträgen im Gesetz schärfer gefasst wird und Scheinselbstständigkeit klarer definiert wird. Die Grauzone in diesem Bereich ist eine Einladung zum Missbrauch. (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Das habt ihr schon einmal versucht! Ihr seid an der Realität gescheitert!) - Ja, das haben wir versucht. Ich sage Ihnen an dieser Stelle nur: Es gibt die Möglichkeit, Dinge zu versuchen - das kann auch einmal nicht funktionieren -, und es gibt die Möglichkeit, die Augen vor der Realität der hart arbeitenden Menschen zu verschließen. Diese Regierung hat keine Ahnung davon, wie sehr hier die Würde der Menschen täglich mit Füßen getreten wird. Wenn Sie sagen, das sei alles Pathos und Theaterdonner, dann sage ich Ihnen: Ihnen fehlt die Empörung über solche Verhältnisse. Deutschland ist kein Land der Lohnsklaven. Wir wollen eine andere Bundesrepublik. Wir wollen Deutschland als soziale Marktwirtschaft. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) In diesem Bereich werden wir einen Politikwechsel einleiten müssen. Wir haben es nicht mehr mit Einzelfällen zu tun. Es scheint so zu sein, dass diese Koalition alle Missstände immer als bedauernswerte Einzelfälle darstellt. Sie haben nicht erkannt, dass mittlerweile viele Menschen demotiviert sind, dass sie in Frust abhängen, weil sie das Gefühl haben, es ändere sich überhaupt nichts, weil Sie ständig über Dinge reden, aber nicht handeln. Herr Schiewerling, ich sage Ihnen: In diesem Fall gilt der alte Satz von Erich Kästner: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. - Sie müssen handeln. Sie müssen Ihrer Verantwortung gerecht werden. Das haben Sie vier Jahre lang nicht getan. Bei allem freundlichen Umgang miteinander in diesem Haus am Ende einer Legislaturperiode: Sie tragen Mitverantwortung für diese missbräuchlichen Verhältnisse. Sie tragen Mitverantwortung dafür, dass die Rechte von hart arbeitenden Menschen in diesem Land, egal welcher Herkunft, mit Füßen getreten werden. Sie tragen Mitverantwortung dafür, dass es in diesem Land eine steigende Zahl von Menschen gibt, die trotz Vollzeitarbeit aufstocken und sich ergänzendes Arbeitslosengeld II abholen müssen. Diese Regierung muss abgewählt werden, damit sich Leistung in diesem Land lohnt und damit die Würde aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Land wieder gewährleistet wird. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Hubertus Heil. - Nächster Redner ist Dr. Heinrich Kolb für die Fraktion der FDP. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Hubertus Heil, was Handeln und Verantwortung anbelangt: Ich fange einmal mit dem Thema Zeitarbeit an. Die Zeitarbeit wurde doch unter Rot-Grün dereguliert, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht wieder die Schallplatte! Bitte nicht!) und zwar in einer Art und Weise, die auf Dauer nicht bestehen konnte, aber im Kern trotzdem richtig war. Wir haben die erforderlichen Korrekturen vorgenommen. Deswegen kann man sagen, dass heute - ich habe hier jedenfalls nichts anderes gehört - die Zeitarbeit mit Fug und Recht als ein bewährtes Instrument in unserem Arbeitsmarkt bezeichnet werden kann, als ein Instrument, das sich gerade für Einsteiger oder Wiedereinsteiger in den Arbeitsmarkt gut eignet, um einen zukünftigen Arbeitgeber von eigenen Qualitäten zu überzeugen, aber auch, um verschiedene Beschäftigungen auszuprobieren. Ich wundere mich, dass in Ihren Anträgen und Reden die Zeitarbeit immer dargestellt wird, als sei sie etwas Schmutziges und als hätten diese Arbeitnehmer keine Rechte. Ich will nur einmal klarstellen: Zeitarbeiter sind ganz normale Arbeitnehmer. Sie sind ganz normal sozialversicherungspflichtig und in den allermeisten Fällen unbefristet beschäftigt. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber sie bekommen 30 Prozent weniger Lohn!) Sie unterliegen dem ganz normalen Kündigungsschutz. Für sie gelten die ganz normalen Mitbestimmungsregeln. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie erhalten einen tariflichen Mindestlohn, der aufgrund des von uns geänderten Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes für alle Zeitarbeitnehmer in ganz Deutschland gilt, den die Tarifpartner ausgehandelt haben und der höher ist als in vielen anderen Branchen. Er wird bald neu festgesetzt werden, und ich vermute einmal, dass er nicht sinken wird. Herr Präsident, der Kollege Ernst möchte eine Zwischenfrage stellen. Vizepräsident Eduard Oswald: Nun ist es ja so, liebe Kolleginnen und Kollegen: Nach gegenwärtigem Zeitplan werden wir noch bis nachts um 3 Uhr diskutieren. Ich hoffe, dass alle, die jetzt Zwischenfragen stellen, dann auch noch hier sein werden. Das Recht zum Stellen von Zwischenfragen besteht natürlich. Aber, Herr Kollege Ernst, überlegen Sie genau, ob Sie die Zwischenfrage noch stellen wollen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ja, ich stelle sie!) - Bitte schön, Herr Kollege Ernst. Ich bitte Sie aber, das alles zu berücksichtigen. (Zuruf von der CDU/CSU: Der hatte schon geredet!) Klaus Ernst (DIE LINKE): Ich habe eine sehr kurze Zwischenfrage, Herr Kollege Kolb. Vielleicht können Sie sie genauso kurz beantworten. Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie das Leiharbeitsverhältnis als ein ganz normales Arbeitsverhältnis ansehen und dass Sie es damit in der Folge auch für ganz normal ansehen, dass Leute, die die gleiche Tätigkeit ausüben wie andere, für dieselbe Tätigkeit mit derselben Stundenzahl im selben Unternehmen 30 Prozent weniger verdienen? Oder halten Sie das für anormal? Diese Frage hätte ich gerne beantwortet. Die Antwort dürfte mindestens so schnell gehen wie meine Frage. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich halte das für nicht normal. Das war der Grund dafür, dass ich schon vor zweieinhalb Jahren als einer der Ersten in diesem Lande gesagt habe, es geht nicht nur um Mindestlohn, sondern es geht auch um Equal Pay. Von daher kann ich es nur begrüßen, dass die Sozialpartner jetzt noch weiter gegangen sind als der Gesetzgeber zuvor, dass sie nämlich Branchenzuschläge aushandeln, dass sie auf der Zeitschiene Equal Pay auf den Weg gebracht haben. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wir haben doch kein Equal Pay, Herr Kolb!) - Herr Kollege Ernst, Sie sind doch Gewerkschafter. Sie haben möglicherweise verfolgt, - Vizepräsident Eduard Oswald: Wir machen jetzt keinen Dialog, sondern nur Frage und Antwort! Bitte schön, Herr Kollege Kolb. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): - dass es in einer ganzen Reihe von Branchen, auch im Metallbereich, aus dem Sie ja kommen, mittlerweile Branchenzuschläge gibt. Das heißt, der Zeitarbeiterlohn wird nach einer bestimmten Eintrittsdauer in dieser Branche aufgestockt und wird auf der Zeitschiene Schritt für Schritt angeglichen, sodass es zu Equal Pay kommt. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist doch etwas anderes!) - Nein, das ist genau der richtige Weg, weil der Arbeitgeber dadurch auch gezwungen wird, sich nach einer bestimmten Zeit die Frage zu stellen, ob er jemanden als Zeitarbeiter weiterbeschäftigen will oder ob er ihn in die Stammbelegschaft holt. Diese Frage muss in jedem Unternehmen auf die Agenda, und das kann mit diesen Branchenzuschlägen auch erreicht werden. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Insgesamt glaube ich also, dass das, was bei der Zeitarbeit passiert ist, Kollege Heil, im Grundsatz die richtige Entscheidung war. Wir mussten nachbessern und haben auch nachgebessert. Ich erinnere insbesondere daran, dass wir uns sofort und konsequent dieses Problems angenommen haben, als in der Wirtschaft Drehtüreffekte auftraten, als Arbeitnehmer der Stammbelegschaft entlassen und als Zeitarbeiter an denselben Arbeitsplatz zurückgeholt wurden. (Lachen der Abg. Anette Kramme [SPD]) Wir haben da diese Tür sofort und konsequent verschlossen. Deswegen lassen wir uns an der Stelle auch nichts vorwerfen. Damit komme ich zum zweiten Komplex, den der Kollege Goldmann in der zweiten Runde noch vertiefen wird. Das ist die Frage der Werkverträge. Diejenigen, die schon länger dabei sind, erinnern sich vielleicht: Wir hatten in den 90er-Jahren schon einmal eine vergleichbare Situation. Damals waren osteuropäische Arbeitnehmer im Baubereich in Deutschland unterwegs. Und die Klagen waren fast identisch, waren fast die gleichen. Damals hieß es, die Zustände, die Ausbeutung und die Unterbringung der Arbeitnehmer seien ein Skandal. Es war für uns damals - wie übrigens auch heute - klar, dass wir nicht bereit sind, solche Zustände zu akzeptieren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Aber man muss deswegen, Herr Kollege Heil, jetzt nicht die Werkverträge verbieten. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Will doch kein Mensch! - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Will doch niemand! Das ist doch ein Pappkamerad! - Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer will das denn?) Wir haben das damals anders gelöst, nämlich dadurch, dass wir das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geschaffen haben und über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz Mindestlöhne eingeführt haben, die auch bei Arbeitnehmern aus Osteuropa einzuhalten waren. Damit haben wir dieses Problem ganz konsequent in den Griff bekommen. Heute gibt es keine Klagen mehr über solche Zustände auf deutschen Baustellen. Das möchte ich hier einmal sehr deutlich feststellen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich glaube, dass wir diese Missstände, die derzeit auf deutschen Schlachthöfen herrschen und die absolut inakzeptabel sind, auf die gleiche Art und Weise in den Griff bekommen können, (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie denn nichts gemacht?) allerdings mit einem Unterschied: Aufgrund der relativ geringen Tarifbindung in diesem Bereich werden wir nicht den Weg über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz gehen können, es sei denn, die Branche findet sich zusammen, organisiert sich, schafft entsprechende Tarifbindungsraten, die dann die Anwendung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes ermöglichen würden. Sofern das nicht passiert und der Status so bleibt, wie er heute ist, sind wir als Koalition entschlossen - ich gucke den Kollegen Schiewerling an -, über das Mindestarbeitsbedingungengesetz diesen Missstand genauso zu beseitigen, wie dies damals beim Bau erreicht wurde. Das setzt voraus, dass man im Bereich des Mindestarbeitsbedingungengesetzes die Frage der sozialen Verwerfung handhabbar macht. Sie wissen, der entsprechende Nachweis ist bisher etwas schwierig; aber das kann man gesetzgeberisch regeln. Wenn dieser Schritt gegangen ist, dann wird es sofort möglich sein, über die Einführung entsprechender Mindestlöhne in diesem Bereich, die allerdings branchenbezogen und unter Umständen differenziert sind, dieses Problem und Phänomen in den Griff zu bekommen. Ich weiß nicht, was die Redner der Linken heute Morgen im Frühstück hatten. Nach dem Kollegen Gysi hat nun auch der Kollege Ernst voll in die Tasten gegriffen. Ich glaube, es geht auch eine Nummer kleiner, lieber Kollege Ernst. (Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wir sind immer so! - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein, bei dem Thema nicht! Das ist ein Skandal und bleibt ein Skandal!) Ich habe gezeigt, dass wir sowohl bei der Zeitarbeit als auch bei den Werkverträgen sehr problembewusst sind. Wir akzeptieren keinen Missbrauch und keine Missstände. Wir haben in dieser Legislaturperiode da, wo es erforderlich war, konsequent gehandelt. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Kolb. - Nächste Rednerin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unsere Kollegin Frau Beate Müller-Gemmeke. Bitte schön, Frau Kollegin Müller-Gemmeke. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere Arbeitswelt ist inzwischen tief gespalten. Darüber kann auch eine niedrige Arbeitslosenquote nicht hinwegtäuschen, Herr Schiewerling. Zu viele Jobs sind nicht nur atypisch, sondern eben auch prekär. Laut WSI ist der deutsche Niedriglohnbereich mit einem Anteil von 22 Prozent einer der größten in Europa. Nur in Staaten wie beispielsweise Polen oder Rumänien gibt es einen größeren Anteil an Niedriglöhnen. Natürlich braucht die Wirtschaft eine gewisse Flexibilität, aber darum geht es schon lange nicht mehr. In Teilen der Wirtschaft geht es nur noch um einen Wettbewerb um die billigsten Löhne. Diese Fehlentwicklung kann und muss korrigiert werden; das müssen Sie von den Regierungsfraktionen endlich zur Kenntnis nehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Wenn der Lohn unterhalb des Existenzminimums liegt und Vollzeitbeschäftigte ohne Arbeitslosengeld II nicht über die Runden kommen, dann spiegelt der Lohnzettel alles Mögliche wider, aber sicher nicht den eigentlichen Wert der geleisteten Arbeit. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ihre Arbeitswerttheorie ist schwierig!) Dafür kann es keine Rechtfertigung geben. Das ist einfach nicht gerecht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn Leiharbeitskräfte weniger verdienen als ihre festangestellten Kolleginnen und Kollegen, wenn Stammpersonal zunehmend durch Werkvertragsbeschäftigte ersetzt wird und sich die Lohnsenkungsspirale damit immer weiter dreht, dann läuft etwas gewaltig schief in unserer Arbeitswelt. "Augen zu und durch!" ist hier einfach zu wenig. Wir brauchen endlich eine neue Ordnung und soziale Leitplanken auf dem Arbeitsmarkt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Nehmen wir den Einzelhandel als Beispiel. Dort gibt es nahezu alle Formen des Lohndumpings und der Verantwortungslosigkeit der modernen Arbeitswelt. In deutschen Supermärkten werden nur noch knapp 50 Prozent der Beschäftigten ordentlich nach Tarif entlohnt. Vollzeitstellen werden durch Minijobs ersetzt. Selbstständige Kaufleute übernehmen Filialen, aber nicht lang bewährte tarifliche Regelungen. Tätigkeiten, die den Einzelhandel ausmachen, werden als Leiharbeit oder eben über Werkverträge an Fremdfirmen vergeben. Wenn Leiharbeitskräfte aber beispielsweise in NRW den Mindestlohn bekommen, dann verdienen sie, gemessen am Einzelhandelstarif, immerhin 33 Prozent weniger. Noch schlimmer trifft es die Werkvertragsbeschäftigten: Sie werden nach dem Tariflohn der vermeintlich christlichen Gewerkschaften bezahlt und bekommen nur noch rund 6,60 Euro. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die haben doch die gleichen Tarife!) Viele entschuldigen das mit der unternehmerischen Freiheit. Für uns hört die unternehmerische Freiheit aber bei Lohndumping auf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN) Ein weiteres Beispiel ging diese Woche wieder durch die Medien - es ist schon angesprochen worden -: In der Schlachtbranche werden ausländische Beschäftigte mithilfe von Scheinwerkverträgen zu Niedrigstlöhnen beschäftigt und in baufälligen Kaschemmen untergebracht. Obwohl die Medien seit Jahren von derartigen Berichten voll sind und sich das Ausland mittlerweile über das Lohndumping in Deutschland beschwert, macht die Bundesregierung in ihren Antworten auf unsere aktuelle Kleine Anfrage auf ahnungslos: Sie hat noch immer keine Daten zu Werkverträgen und verweist stoisch und ignorant auf das geltende Arbeitsrecht, das auch Subunternehmen einhalten müssen. Dann schreibt sie - ich zitiere -: Die Einhaltung dieser Regelungen können die Arbeitnehmer von den Arbeitsgerichten überprüfen lassen. Diese Aussage ist unglaublich. Meinen Sie wirklich, dass die ausländischen Beschäftigten in den Schlachthöfen, die im Prinzip hinter Zäunen wohnen müssen, wirklich vor Gericht ziehen können? - Diese Aussage ist nicht nur zynisch; sie ist meiner Meinung nach ein Skandal. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wir Grünen aber haben die Beschäftigten in der Fleischbranche im Blick und stellen deswegen heute ja auch einen Antrag zur Abstimmung. Zum Thema Scheinwerkverträge lassen wir heute zudem über einen effektiven Gesetzentwurf abstimmen, der übrigens bewusst eng gefasst ist, damit auch Sie, die Regierungsfraktionen, zustimmen können. Es gibt nämlich eine Regelungslücke im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Deshalb vergeben Unternehmen Werkverträge häufig nur an Fremdfirmen mit Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Wenn dann ein Scheinwerkvertrag gerichtlich festgestellt wird, gelten die Beschäftigten deswegen als Leiharbeitskräfte - es wird also billiger für die Unternehmen. Vor allem schützt die Erlaubnis vor allen weiteren rechtlichen Konsequenzen. Das ist verantwortungslos - mehr noch -, das lädt sogar zum Lohndumping ein. Es muss endlich Schluss sein mit diesem Rettungsschirm für Scheinwerkverträge. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Schwarz-Gelb hatte vier lange Jahre die Möglichkeit und auch die Verantwortung, für bessere Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen. (Zuruf von der FDP: Vier gute Jahre!) Fest steht aber: Sie, die Regierungsfraktionen, haben Ihre Chance vertan, und die Arbeitsministerin hat durch Untätigkeit geglänzt. Es war immer das gleiche Muster: Fehlentwicklungen werden erst lange ignoriert, dann werden umfassende Prüfungen und Maßnahmen angekündigt. Wir haben viele schöne Worte gehört, passiert ist nicht wirklich viel. Was die Regierung versäumt hat, werden wir nach der Wahl anpacken. (Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Hilfe! Nicht!) Notwendig ist ein Mindestlohn, und zwar flächendeckend. Alles andere ist ein Etikettenschwindel. (Zurufe des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]) In der Leiharbeit wollen wir das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ab dem ersten Tag. Vor allem wollen wir das Tarifvertragssystem stärken; denn Tarifflucht ist nicht akzeptabel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir wollen die zu hohen Hürden im Tarifvertragssystem abbauen und damit die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen erleichtern und ebenso das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für alle Branchen öffnen. Unser Ziel ist, dass die Tarifautonomie wieder funktioniert und möglichst alle Beschäftigten davon profitieren. Damit und mit einer Mitbestimmung auf Augenhöhe lösen wir vor allem auch effektiv das Problem mit den zweifelhaften Werkverträgen, das Sie, die Regierungsfraktionen, stoisch ignorieren. Kurzum: Wir wollen nach der Wahl wieder Ordnung auf dem Arbeitsmarkt schaffen. Wenn der Anstand in Teilen der Wirtschaft verloren geht, dann müssen die Rahmenbedingungen verändert werden; denn jegliche Arbeit muss fair entlohnt werden, (Zuruf von der FDP: Was zahlen die Grünen?) und alle Beschäftigten haben Wertschätzung und Anerkennung verdient. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Beate Müller-Gemmeke. - Nächster Redner für die Fraktion von CDU/CSU, Kollege Dr. Johann Wadephul. Bitte schön, lieber Kollege Dr. Wadephul. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Dr. Johann Wadephul (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, Herr Kollege Heil, wenn einem die Argumente ausgehen, dann wird man persönlich. Deswegen möchte ich kurz Stellung nehmen und das zurückweisen, was Sie zum Kollegen Schiewerling gesagt haben. Niemand hier hat die Situation verharmlost, insbesondere Kollege Schiewerling nicht. Es ist für unsere Fraktion außerhalb jeden Zweifels, dass die durch die Süddeutsche Zeitung aufgedeckten Umstände aufgeklärt werden müssen. Auch das, was im öffentlich-rechtlichen Fernsehen dazu gezeigt wurde, muss untersucht werden. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Alles Einzelfälle?) - Nein, lassen Sie mich das klarstellen. Herr Schiewerling hat gesagt - und ich wiederhole das -: Hier muss nach Recht und Gesetz vorgegangen werden. Alle Arbeitsschutzbehörden werden daran arbeiten, diese Situation aufzuklären, und, wenn sie Missstände aufdecken, entsprechende Ordnungsverfahren einleiten. Sie werden dafür sorgen, dass Sozialversicherungsbeiträge nachentrichtet werden (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Und genau das reicht nicht!) und dass solches Verhalten in Zukunft unterbunden wird. Daran gibt es keinen Zweifel. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP) Wir sollten die Debatte aber hier nicht dadurch vergiften, dass Sie persönliche Unterstellungen vortragen, die völlig unberechtigt sind, gerade gegenüber Kollegen, die sich hier seit Jahren dafür einsetzen, dass die soziale Marktwirtschaft in Deutschland funktioniert. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sie tragen Mitverantwortung! Sie tun nichts! - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Da lachen die Hühner! Sie tun nichts!) Deswegen weise ich die Vorwürfe zurück. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Frau Kollegin Müller-Gemmeke, Sie haben versucht, eine Bilanz des Handelns von Schwarz-Gelb in den letzten vier Jahren zu ziehen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir schnell fertig!) Wir können das für den Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik gerne tun; denn wir haben eine blendende Bilanz vorzuweisen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Darum geht es jetzt nicht! Können Sie einmal zum Thema reden!) Die Beschäftigungszahlen sind hervorragend. Wir haben die geringste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist doch jetzt nicht das Thema!) - Lieber Herr Ernst, sozial ist, was Arbeit schafft. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sklavenarbeit ist unsozial!) Wir haben dafür gesorgt, dass in Deutschland Arbeit vorhanden ist, damit die Menschen Geld verdienen und ihr Leben bestreiten können und in die Sozialversicherung einbezahlt wird. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Herr Wadephul, das ist unglaublich, was Sie da sagen!) Zum Thema der Werkverträge weise ich Sie auf die Anhörung hin. An ihr hätten Sie vielleicht teilnehmen oder die dort getätigten Aussagen wenigstens noch einmal studieren sollen. Wir haben die Situation hinsichtlich der Werkverträge ausführlich diskutiert. Werkverträge sind im Handwerk eine Sache, die schlicht und ergreifend notwendig ist. Dort ist Leiharbeit - so weit gingen die Reformanstrengungen von Rot-Grün nicht - übrigens verboten. Arbeitnehmerüberlassung ist nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verboten. Deswegen ist die gesamte Branche des Handwerks dringend darauf angewiesen, Werkverträge schließen zu können. Im Übrigen ist jeder Auftrag jedes Privatmenschen an einen Handwerker, zu Hause eine Reparatur im Elektrobereich, im Wasserbereich oder am Dach vorzunehmen, ein Werkvertrag; all das ist ein Werkvertrag. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie wissen, dass es darum nicht geht, Herr Wadephul! Sie reden nicht zum Thema!) Dafür, dass Sie hier pauschale Urteile fällen und Vorschriften machen wollen, ist ein Beispiel der in Ihrem Antrag unterbreitete Vorschlag, alle Werkverträge sollten gemeldet werden. Daran sieht man überhaupt einmal, wohin das führt. Wollen Sie eine Handwerks-Stasi einführen, Herr Ernst? Das kann ja wohl nicht Ihr Ernst sein. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie reden ja wie die Amerikaner, Herr Wadephul!) Was soll denn der Unsinn, dass jeder hier jeden Werkvertrag meldet? Was wollen Sie eigentlich damit? Das führt doch zu nichts. Das bringt überhaupt niemanden weiter. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der LINKEN) Herr Kollege Schiewerling hat darauf hingewiesen - in der Anhörung hat auch der Vertreter der Bundesagentur für Arbeit darauf hingewiesen -: Es gibt einschlägige Durchführungsanweisungen, es gibt eine gesicherte Rechtsprechung, es gibt Merkblätter für Unternehmen. Deswegen hat die Bundesagentur für Arbeit in der Anhörung ausdrücklich erklärt, eine gesetzliche Regelung hätte keinen Mehrwert. Sie hilft überhaupt gar nichts, weil eine Rechtslage, die bekannt ist und die von allen Behörden durchzuführen und durchzusetzen ist, nicht dadurch besser wird, dass wir versuchen, uns der Sache mit einer gesetzlichen Regelung noch weiter zu nähern. Deswegen muss man eben in der Tat die Situation so sehen, wie sie ist. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Sie werden nicht jede dieser Untaten - das will ja gar keiner beschönigen - durch eine gesetzliche Regelung beseitigen können. (Christian Lange [Backnang] [SPD]: Vieleicht steckt ja auch System dahinter! - Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu brauchen Sie ein bisschen mehr!) Sie brauchen immer zweierlei: Sie brauchen einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, der seine oder die ihre Rechte kennt (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Da steckt immer mehr dahinter!) und der oder die die Möglichkeit hat, seine oder ihre Rechte zu verfolgen. Dazu gibt es entsprechende Hilfeleistungen, vom Sozialverband Deutschland über die Gewerkschaften, über Anwälte, für die sie Prozesskostenhilfe beantragen können, usw. usf. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wozu braucht es dann überhaupt einen Gesetzgeber?) Es gehört zur Wahrheit dazu, zu sagen, dass Sie derartige Missstände nur dann beheben können, wenn die Arbeitnehmer vor Gericht ziehen und ihr Recht auch einklagen. Das heißt nicht, dass wir sie im Stich lassen, (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Nein, Herr Wadephul!) sondern das heißt, dass wir darauf angewiesen sind, dass der mündige Bürger seine Rechte in einer solchen Situation auch wahrnimmt. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch der Abg. Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wir müssen das regeln!) Das Zweite ist, dass wir umfängliche Regelungen haben, wie dies zu kontrollieren ist und wie dort mitzuwirken ist. Die Betriebsräte haben Mitwirkungsmöglichkeiten, (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie haben doch gar keine Ahnung! Sie fliegen ja raus, wenn Sie einen Betriebsrat gründen! Mein Gott, Sie sind doch weltfremd!) auch bei Arbeitnehmerüberlassung und insbesondere bei Betriebsübergängen. Zudem haben wir in der Tat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. 2010 sind beispielsweise 62 756 Betriebe und etwa 240 000 Arbeitnehmer nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz überprüft worden, es gab 115 980 eingeleitete Strafverfahren und 70 146 Bußgeldverfahren. Sie beklagen auch, da gebe es nicht genug Stellen. 2010 gab es 150 zusätzliche Planstellen, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über 500 sind nicht besetzt!) im Jahre 2012 und 2013 jeweils weitere 100 zusätzliche Stellen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Das haben wir gemacht, meine sehr verehrten Damen und Herren, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind nicht besetzt, Herr Wadephul!) und damit helfen wir in der Tat den Menschen in dieser konkreten Situation. Das heißt, im Ergebnis kann man sagen: Es gibt Missstände; sie kann man nicht beschönigen. Wir müssen die Sozialpartner weiter stärken. Wir müssen das Mindestarbeitsbedingungengesetz nutzen, wir müssen die Allgemeinverbindlichkeitserklärung stärker nutzen, wo Chancen dazu bestehen. Wir müssen tarifliche Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz durchsetzen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit einem Mindestlohn!) Wir brauchen in Zukunft branchenspezifische Mindestlöhne. Wir müssen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit weiter stärken. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum haben Sie das nicht schon alles gemacht?) Aber wir müssen vor allen Dingen dafür sorgen, dass Deutschland auf diesem guten wirtschaftspolitischen Kurs bleibt, für den Schwarz-Gelb in den letzten vier Jahren gestanden hat. Wir versprechen Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Wir werden diesen Kurs fortsetzen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Dafür müssen Sie erst einmal gewählt werden!) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächste Rednerin in unserer Aussprache ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Frau Gabriele Groneberg. Bitte schön, Frau Kollegin Groneberg. (Beifall bei der SPD) Gabriele Groneberg (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte landen wir natürlich immer wieder bei den Schlachtbetrieben, die in der Tat Vorreiter einer negativen Entwicklung gewesen sind und immer noch sind: Lohndumping, Scheinwerkverträge, Werkverträge mit allen damit verbundenen Problemen, Leiharbeit und alles andere, was einhergeht mit der Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten, bis hin zu massiven persönlichen Bedrohungen. Die Kollegen haben das hier ausführlich geschildert. Ich will das jetzt gar nicht wiederholen, aber doch sagen: Ich finde es unerträglich, dass Deutschland offensichtlich ein Niedriglohnland im Schlachtsektor ist. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das werde ich Ihnen hier immer wieder vorhalten müssen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von den Koalitionsfraktionen. Das können Sie nicht bestreiten. In dieser Debatte behandeln wir deshalb unter anderem auch einen Antrag der SPD-Fraktion, in dem wir uns ausführlich mit den Bedingungen in den Schlachthöfen und bei den entsprechenden Tiertransporten beschäftigen. Wir fordern nicht nur eine bessere Entlohnung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine körperlich anstrengende, laute und schmutzige Arbeit leisten, sondern wir fordern darüber hinaus, dass den Arbeitnehmern die notwendige Ausrüstung, natürlich auch die Arbeitsschutzausrüstung, kostenfrei zur Verfügung gestellt wird. Das sollte für die Arbeitgeber selbstverständlich sein. Es kann nicht sein, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Schutzhandschuhe und das Schlachtermesser in den Betrieb mitbringen muss. Es sind aber auch die Bedingungen für die Schlachttiere angemessen zu gestalten. Wir wollen regionale Schlachthofstrukturen stärken, damit zum Beispiel die Transportzeiten für die Tiere begrenzt werden; denn die Einhaltung des Tierschutzes darf weder beim Transport noch bei der Schlachtung vernachlässigt werden. Für mich stellt sich in diesem Zusammenhang die simple Frage, warum in die neue deutsche Verordnung zu den Tiertransporten, die Sie erlassen haben, die in der alten Verordnung gemachten Vorgaben, zum Beispiel, dass die Ladedichte während des Transports bei Außentemperaturen von mehr als 25 Grad zu reduzieren ist, nicht übernommen wurden. Das frage ich mich doch. Ich könnte noch weitere Beispiele anführen. Es ist doch absolut kein Zustand für Mensch und Tier, dass Tiere aus Dänemark und mittlerweile auch aus anderen EU-Ländern, zum Beispiel aus Belgien, zum Schlachten nach Deutschland gebracht werden, weil hier die Bedingungen offensichtlich weniger restriktiv sind. Was sind das für Zustände? (Beifall bei der SPD) Generell ist an dieser Stelle festzustellen, dass Sie in den vergangenen Jahren überhaupt nichts zur Verbesserung des Tierschutzes gemacht haben. Im Gegenteil: Stillstand auf der ganzen Linie. In diesem Land kann keiner behaupten, von den Verhältnissen in der Fleischindustrie und insbesondere in den Schlachthöfen nichts gewusst zu haben, es sei denn, er lebt komplett ohne irgendwelche Medien inklusive Zeitung, Fernsehen und Internet. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, die FDP!) In den Medien jagt ja mittlerweile eine Dokumentation zu diesem Thema die andere und eine Diskussion über dieses Thema die andere. Herr Schiewerling, ich frage mich allen Ernstes angesichts der von Ihnen eben vor diesem Hohen Hause gemachten Ausführungen: Was wollen Sie noch beobachten? Was wollen Sie noch dokumentieren? Wo wollen Sie noch Daten sammeln? Wir haben doch genug Beweise. Wir wissen doch, was sich dort abspielt. Warum passiert immer noch nichts? Warum werden Sie nicht aktiv? Warum finden Sie unsere Anträge nicht diskussionswürdig? Warum wollen Sie nicht über mögliche Veränderungen diskutieren? (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich zitiere aus der Debatte im Februar dieses Jahres zu diesem Thema: ... Daten über den Missbrauch oder die tatsächliche Ausbreitung von Werkverträgen gibt es nicht. Ja gut; wenn dies aber der Grund für Ihre Untätigkeit ist, dann stellen Sie sich damit selbst ein Armutszeugnis aus. Ich komme aus dem Oldenburger Münsterland. Dort wissen wir ganz genau um dieses Problem, und wir wissen seit langem um dieses Problem. Diese ganze Region lehnt sich mittlerweile kollektiv dagegen auf. (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Zu Recht!) Und Sie berufen sich hier auf fehlende Daten? (Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Da habe ich doch nichts von gesagt!) - Doch. Das war Frau Connemann in der Debatte im Februar dieses Jahres: ... Daten über den Missbrauch oder die tatsächliche Ausbreitung von Werkverträgen gibt es nicht. Und Sie haben vorhin gesagt, dass Sie noch Daten sammeln wollen. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Herr Schiewerling ist doch nicht Frau Connemann! - Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ich habe nichts davon gesagt, dass Daten fehlen!) - Das können wir dann ja nachher im Protokoll feststellen. - Da kann ich in der Tat nur sagen: Armes Deutschland, diese Regierung und diese Koalition haben wir ehrlich nicht verdient. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Ich liefere Ihnen ein weiteres Beispiel Ihrer Realitätsferne; es ist ebenfalls aus der Debatte im Februar dieses Jahres. In der Debatte hatte Frau Kollegin Connemann einen Schlachthofbetrieb in ihrer Region gelobt. Das ist ihr gutes Recht. Sie sagen: Sie gehen oft dahin, und dort sei alles ganz fein, alles top in Ordnung. Das kann ja irgendwie nicht stimmen. Denn, liebe Kollegin, ich kenne einen Bericht des NDR, der sich gerade zwei Monate zuvor unter dem Stichwort "Eimermenschen" mit den miesen Bedingungen in eben diesem Schlachthof beschäftigt hatte. Ich lasse das jetzt hier so stehen. Das kann man glauben oder auch nicht. (Zuruf der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) Man kann an dieser Stelle nicht drauf verweisen, dass Medien immer übertreiben und alles nur schlechtreden. Das ist es nicht. Dem liegen tatsächlich Fakten zugrunde, und über diese wird berichtet. Diese werden uns auch von zuverlässigen Gewerkschaftsvertretern immer vorgehalten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Kontrollen sind richtig und wichtig; das haben Sie betont. Aber gleichzeitig hat der Kollege Schiewerling wortwörtlich in einer anderen Debatte gesagt, dass es "andere Regelungen" als die zurzeit gültigen braucht, "damit vernünftige Überwachungen durchgeführt werden können." Da stimme ich mit ihm vollkommen überein; das ist gar keine Frage. Aber ich frage mich: Wo sind denn Ihre Überlegungen dazu? Wo sind Ihre Vorschläge? Wo sind Ihre Maßnahmen? Ich kann auf ganzer Linie nichts erkennen. Ich finde, es ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die gegen diese Verhältnisse auf die Straße gehen, die demonstrieren - auch Ihre Kolleginnen und Kollegen sind dabei -, dass hier im Bundestag nichts passiert. Wir wollen vernünftige Regelungen. Wir wollen eben nicht, dass Unternehmen, die anständig arbeiten, die vernünftige Löhne zahlen, diskriminiert werden. Wir wollen einen fairen Wettbewerb, in dem sich diese Unternehmen mit anständigen Bedingungen am Markt behaupten können. Selbst die Großen in der Fleischbranche fordern witzigerweise einen bundesweiten flächendeckenden Mindestlohn. Vizepräsident Eduard Oswald: Ich muss Sie auf die Zeit aufmerksam machen. Gabriele Groneberg (SPD): Warum machen Sie das hier nicht? (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte dazu noch einiges ausführen. Vizepräsident Eduard Oswald: Sie kommen bitte zum Schlusssatz. Gabriele Groneberg (SPD): In der Tat, Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Ich möchte nur noch eines feststellen. Ich persönlich bin sehr enttäuscht, (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das überrascht uns nicht!) dass es Missstände gibt, die wir alle hier im Hause beklagen, und von Ihrer Seite nichts passiert, um diese Missstände zu bekämpfen. Das tut mir sehr leid. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Groneberg. - Nächster Redner für die Fraktion der FDP unser Kollege Hans-Michael Goldmann. Bitte schön, Kollege Hans-Michael Goldmann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Hans-Michael Goldmann (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In meinem früheren Leben als Berufsschullehrer habe ich Fleischer unterrichtet. Diese Fleischer haben sehr schnell Arbeit gefunden und wurden gut bezahlt. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das heute auch noch so?) - Hören Sie einmal zu. Ich weiß nicht, ob Sie auch schon einmal in einem Schlachthof waren bzw. Beziehungen dazu haben wie ich. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!) - Prima. - Es wurden dann immer weniger, die diesen Ausbildungsberuf wählten. Sie wären natürlich total begeistert, wenn Ihr Kind Fleischer werden wollte; das ist mir völlig klar. In den Betrieben, in denen sie gearbeitet hatten, haben immer mehr Ungarn und dann Rumänen gearbeitet. Da sind über Jahre Dinge eingerissen - da hat Frau Groneberg hundertprozentig recht; das haben auch alle gewusst -, die unter jeder Kanone sind. Das muss man ganz klar sagen. Darüber gibt es überhaupt keine Diskussion. (Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: So ist es!) Ich war etwas überrascht über etwas anderes. Ich meine, das sollte man ein bisschen berücksichtigen. Es geht nicht so sehr um die Entlohnung, sondern es geht im Grunde genommen um die nachgeordnete Ausbeutung bei der Unterbringung. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es geht um beides! - Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) - Nein, nein, langsam. Nun seien Sie bitte so fair, und hören Sie zumindest einmal zu. (Zurufe von der FDP: Das können die nicht!) Die Kernkritik, die hier sozialpolitisch völlig zu Recht geäußert wird - sie ist gerechtfertigt -, bezieht sich auf die Unterbringung der Leute und im Grunde genommen auf den Umgang mit ihnen bei Mietverträgen oder Nichtmietverträgen und die mangelnde Ausstattung mit Sicherheitsmitteln, die für die Arbeit notwendig sind. Es geht nicht in erster Linie um die Entlohnung. Es geht natürlich um die Sozialabgaben. Da werden im Moment viele Prozesse geführt; diese sind seit geraumer Zeit anhängig. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Lohndumping! - Zuruf der Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Herr Ernst, fahren Sie hin. Ich gehe auch gerne gemeinsam mit Ihnen dorthin. Aus meiner Sicht muss man an dieser Stelle auch einmal betonen, dass die betroffenen Regionen, zum Beispiel die Landkreise Vechta und Cloppenburg oder auch das Emsland, jede Menge Anstrengungen unternehmen, um dieses Problem zu lösen. (Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU]) Fahren Sie in den Landkreis Vechta! Der Landkreis Vechta - der Landkreis Emsland hat sich diesem in dieser Sache angeschlossen - hat ein Zehn-Punkte-Programm zur deutlichen Verbesserung der Bedingungen aufgelegt. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Toll!) Deswegen glaube ich, dass es gut wäre, wenn wir uns gemeinsam darauf verständigen würden, denen dabei zur Seite zu stehen und dafür Sorge zu tragen, dass sich die Rahmenbedingungen dort verändern. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Frau Groneberg, ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Es hat keinen Zweck, wir kommen da nicht aus der Verantwortung. Sie sitzen auch im Kreistag eines betroffenen Kreises. In diesem Bereich haben wir schlicht und ergreifend versagt. Wir wollten es vielleicht nicht sehen. Das mag sein. Ich muss auch ehrlich sagen, dass ich es nicht gewusst habe. Obwohl ich im Landkreis Emsland wohne, war mir der Begriff "Eimermensch" nicht bekannt. Woher kommt dieser Begriff? Er kommt daher, dass die Menschen den Betrieb mit einem Eimer, in dem sich die Arbeitsgeräte wie Messer und andere Dinge befinden, betreten und wieder verlassen. Dabei findet eine Hygienekontrolle statt. Ich will Ihnen ehrlich sagen, ich finde es richtig, dass in diesen Eimer hineingeschaut wird, (Mechthild Rawert [SPD]: Ist das jetzt das Problem?) um festzustellen, ob die Bedingungen, die wir in diesen Bereichen fordern, eingehalten werden. Deswegen sollte man immer etwas vorsichtig mit Angriffen sein, die meiner Meinung nach keine Grundlage haben. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Selbstverständlich werden wir alles unternehmen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern, und selbstverständlich werden wir auch alles tun, um die Unterbringungsbedingungen zu verbessern. Das gilt für die dort Arbeitenden, und natürlich gilt das ebenfalls - das wird in Ihren Anträgen ja auch angesprochen - für die Bedingungen in den Schlachthöfen unter Tierschutzgesichtspunkten. Für die Transportbedingungen gilt es ebenfalls. Lassen Sie mich eines zum Schluss noch sagen: Wenn die Tiertransportbedingungen so verändert werden, wie Sie es vorhaben, spielen Sie den Großbetrieben in die Hand. Denn dann werden die Fahrzeuge der großen Versandschlachtereien nur noch die Großbetriebe aufsuchen, weil die Ladezeit so kurz ist, dass sie eigentlich nur eine einzige Hofstelle anfahren können. Wenn sie die kleinen Betriebe anfahren, werden sie diese Zeiten überschreiten. Deswegen ist der Antrag, den Sie zu den Transportbedingungen stellen, keine Lösung. Dies gilt auch für die anderen Anträge. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Hans-Michael Goldmann. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der CDU/CSU Kollege Paul Lehrieder. Bitte schön, Kollege Paul Lehrieder. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Paul Lehrieder (CDU/CSU): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Es wurde bereits vieles zur Abgrenzung von Werkverträgen, Dienstverträgen und Werklieferverträgen ausgeführt. Da gilt es, einfach einmal zu schauen: Was ist das überhaupt? Ein Werkvertrag, lieber Klaus Ernst, ist keine neue Erfindung. (Jutta Krellmann [DIE LINKE]: Hat er auch nicht behauptet!) Ihn gibt es seit dem 1. Januar 1900, seit das Bürgerliche Gesetzbuch in Kraft getreten ist. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ich habe nichts anderes gesagt!) Er ist dort in § 631 geregelt. Das sage ich für diejenigen, die einen Faktencheck machen und nachschauen wollen, ob das tatsächlich stimmt. (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mit Bürgerlichem haben sie es nicht so!) Werkverträge und Dienstleistungsverträge sind unbestritten ein wesentlicher Bestandteil unseres Arbeits- und Wirtschaftslebens. Das Prinzip der Arbeitsteilung hat in den letzten Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, dass unsere Unternehmen im Zuge der Globalisierung flexibler agieren konnten und unsere Wirtschaft innovativ und wettbewerbsfähig geblieben ist. Die übliche Vertragsform der Werkverträge hat sich grundsätzlich bewährt, folglich auch Wachstum gesichert und zu Wohlstand und Beschäftigung beigetragen. Deshalb möchte ich das System der Werkverträge ganz bewusst nicht per se schlechtreden, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht ja niemand!) sondern ich stelle fest, dass durch Werkverträge auch viel Gutes erreicht worden ist. Was ist ein Werkvertrag? Ein Werkvertrag - vielleicht sogar einen Werkliefervertrag - wird geschlossen, wenn beispielsweise ein engagierter Kollege den Bezug der Sitze in seinem Sportauto mit einem bestimmten Leder bei einem entsprechenden Vertragspartner bestellt. Werkverträge sind grundsätzlich ein wirtschaftlich sinnvolles und legitimes Mittel, sofern sie gesetzeskonform angewandt werden. Sie verschaffen einem Werk die Möglichkeit, die Herstellung eines Produktes oder die Nutzung einer Dienstleistung - dadurch können Spezialisierungsvorteile genutzt werden - an ein anderes Unternehmen zu übertragen. Es gibt daher für mich grundsätzlich zunächst überhaupt keinen Grund, den originären Werkvertrag infrage zu stellen, einzuschränken oder gar zu verbieten. Einige hier in der Diskussion haben den Eindruck erweckt, dass sie das wollen. Allerdings gibt es - hierauf haben die Vorredner bereits hingewiesen -, seit einiger Zeit ein vermehrtes öffentliches politisches Interesse an Werkverträgen. Auch ich habe am Montagabend - das will ich nicht verhehlen - mit großer Bestürzung die Sendung über die Schlachthöfe gesehen. Es zeichnet sich die Entwicklung ab, dass unter dem Deckmantel von Werkverträgen vermehrt missbräuchliche und sogar rechtswidrige Vertragskonstruktionen benutzt werden. Die aktuellen Berichterstattungen in den Medien sind uns allen hinlänglich bekannt. Lassen Sie mich gleich eines vorwegnehmen: Die christlich-liberale Koalition duldet keinen Missbrauch von Werkverträgen. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Doch!) Das betrifft - Kollege Goldmann hat darauf hingewiesen - auch die Unterbringung, die Schutzkleidung und die Sozialabgaben, die im Rahmen von Werkverträgen abzuführen sind. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit den Löhnen?) Es wurde vom Kollegen Kolb bereits völlig zutreffend darauf hingewiesen: Wir müssen auch die Entlohnung, bei der in Deutschland geschäftlich unerfahrene Mitarbeiter aus östlichen Ländern möglicherweise ausgenutzt werden, besser regeln, allerdings nicht, Frau Kollegin Müller-Gemmeke, durch einen gesetzlichen Mindestlohn, (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!) sondern durch einen tariflichen Mindestlohn. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt ja keinen Arbeitgeber!) Hier gibt es jedoch keine Tarifbindung durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz, durch das die ersten Mindestlöhne eingeführt worden sind. Erst vor wenigen Wochen haben wir aber die Erfahrung machen dürfen, dass sich in einer anderen Branche, in der es nur eine geringe Tarifbindung gibt, nämlich bei den Frisören, Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf einen Mindestlohn für diese Branche einigen konnten. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll in der Schlachtbranche verhandeln?) In der Fernsehsendung, von der die Rede war - all die Kolleginnen und Kollegen, die genau zugehört haben, haben das mitbekommen -, kamen auch Verantwortliche von Schlachthöfen zu Wort, die gesagt haben: Jawohl, wir wirken an einer entsprechenden Regelung mit, auch um uns gegen Konkurrenz, die uns durch Unterbietungswettbewerb Schwierigkeiten macht, zur Wehr zu setzen. Ich glaube, dass wir gemeinsam mit den Tarifvertragsparteien, mit den Arbeitgeberverbänden, aber auch mit den Schlachthöfen eine Lösung finden können, um einen Mindestlohn in der Schlachtbranche zu ermöglichen. Ob man das über das Mindestarbeitsbedingungengesetz, lieber Kollege Kolb, macht oder ob man vernünftige Regelungen trifft, die von den Verbänden und von den Schlachthöfen selbst vorgeschlagen werden, sei zunächst einmal dahingestellt. Ein Hoffnung gebendes Beispiel ist für mich die Einigung bei den Frisören, bei denen es zwar eine sehr geringe Tarifbindung gibt, bei denen es vor sechs oder acht Wochen aber geklappt hat. Ich glaube, da sind wir auf einem sehr guten Weg. Deshalb bin ich optimistisch, dass wir das hinbekommen. Meine Damen und Herren, ich will noch auf Folgendes hinweisen: Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung - auch hierauf wurde von Kollegen bereits hingewiesen - überwacht und verfolgt Missbräuche bereits heute im Bereich der Sozialversicherungs- und Steuerpflichten, der Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Es ist richtig: In der vergangenen Woche wurden deutschlandweit an Schlachthöfen Razzien durchgeführt, um die Einhaltung sozialer Standards und die Nutzung missbräuchlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu eruieren. Ja, es ist richtig: In § 16 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes sind Ordnungswidrigkeiten bereits normiert. Auch das Vorenthalten von Sozialabgaben ist nach § 266 a StGB bereits heute strafrechtlich sanktioniert. Genau hier werden wir verstärkte Kontrolle ausüben und den Auswüchsen und Fällen von Missbrauch der letzten Jahre, bei denen wir vielleicht etwas zu spät hingeschaut haben - der Kollege Goldmann hat es gesagt -, entgegenwirken. Wir müssen das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wir müssen jetzt sanktionieren, gleichzeitig aber daran arbeiten, dass wir in den nächsten Jahren auch in der Schlachtbranche einen tariflichen - wohlgemerkt: einen tariflichen - Mindestlohn hinbekommen. Ich glaube, wenn wir das schaffen, dann haben wir den Menschen geholfen und die Schlachthöfe, die fair bezahlen, vor unliebsamer Konkurrenz geschützt. Daran sollten alle wohlmeinenden Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch in diesem Hause, mitarbeiten. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Paul Lehrieder. - Nächste Rednerin für die Fraktion von CDU und CSU ist unsere Kollegin Frau Gitta Connemann. Bitte schön, Frau Kollegin Gitta Connemann. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Gitta Connemann (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schwieriger, eine vorgefasste Meinung zu zertrümmern als ein Atom. Das wusste schon Albert Einstein. Ich finde - nach den Beiträgen der Linken, ein bisschen aber auch nach dem Beitrag von Hubertus Heil -, dass gerade die Fraktion der Linken, aber auch die SPD für diesen Spruch Pate gestanden haben könnten. Denn heute präsentieren Sie uns wieder viele Behauptungen und bedienen Klischees, und das übrigens am laufenden Band. Das Bild, das Sie von Deutschland zeichnen, ist das Bild einer Tagelöhnergesellschaft. Sie skizzieren Verfall und soziale Spaltung. Aber mit einem hat das nichts zu tun: mit der Realität. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frau Connemann, was haben Sie mit der Realität zu tun?) Ein Blick in die Statistik würde genügen. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis - so schwer es Ihnen auch fällt -: Aus dem einstigen Sorgenkind Europas im Jahre 2000 ist der Motor Europas geworden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Niedriglöhne!) Noch nie hatten in diesem Land so viele Menschen Arbeit wie heute. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Die nicht mehr bezahlt wird!) Noch nie hatten Jugendliche in diesem Land so gute Chancen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vergleichen Sie das einmal! Schauen Sie nach Spanien oder nach Griechenland, wo über 65 Prozent der Jugendlichen von Arbeitslosigkeit betroffen sind und keine Aussicht, keine Perspektive, keine Zukunft haben. Dann sehen, wie anders die Verhältnisse bei uns sind. Bei der Beschäftigung Älterer sind wir auf einem sehr guten Weg. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das ist nicht das Thema! Werkverträge ist das Thema!) Das sagt selbst Ihr ehemaliger Minister Franz Müntefering. Gering Qualifizierte und Langzeitarbeitslose haben Arbeit gefunden. All das ignorieren Sie; denn es wäre ja ein Jammer, die liebgewonnenen Vorurteile abbauen zu müssen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Anderes Thema!) Sie behaupten, Deutschland sei nur durch Lohndumping stark. (Mechthild Rawert [SPD]: Thema verfehlt! - Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wer von uns soll das gesagt haben?) Das ist falsch. Deutschland gehört nach wie vor zu den Industrieländern mit den höchsten Arbeitskosten. - Lieber Herr Heil, es geht in der heutigen Diskussion nicht nur um den Antrag der SPD, es geht unter anderem auch um das Thema Arbeitnehmerüberlassung, wozu die Fraktion Die Linke etliche Anträge vorgelegt hat. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Es wäre schön, wenn Sie einmal darüber reden würden!) Wenn Sie diese Anträge gelesen hätten, Herr Heil, würden Sie sehen, dass sich genau diese Aussage dort findet, und diese Aussage ist eben falsch. Sie behaupten, Deutschland stehe vor dem Absturz in Armut und Niedriglohn. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: 23 Prozent!) Auch das ist falsch. Die Zahl der Niedriglohnbezieher ist seit 2007 nicht gestiegen. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Der Aufbau einfacher Arbeitsplätze ging nicht auf Kosten gutbezahlter Jobs, sondern er beruhte auf mehr Arbeit. Arbeit ist - davon sind wir nach wie vor überzeugt - der beste Schutz gegen Armut. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Das Armutsrisiko eines Arbeitslosen ist viermal höher als das eines Niedriglohnbeziehers. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis! (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Das war einmal! Heute ist man arm trotz Arbeit!) - Lieber Kollege Ernst, Sie behaupten, dass die Existenz der Aufstocker beweise, dass der Satz "Arm trotz Arbeit" stimmt. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sprechen Sie doch einmal zum Thema!) Aber auch das ist falsch. Die Zahl der Aufstocker sinkt nämlich seit Jahren. Mehr als zwei Drittel von ihnen haben nur einen Minijob oder sind teilzeitbeschäftigt. Noch nicht einmal 300 000 Vollzeitbeschäftigte stocken auf, in der Regel übrigens nicht wegen geringer Löhne, sondern wegen eines familienbedingten Mehrbedarfs. Nehmen Sie das zur Kenntnis! (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 3 Millionen Erwerbstätige haben trotz Arbeit zu wenig zum Leben! - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Thema! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Wozu wir reden, geht Sie mal gar nichts an!) - Es geht hier auch um Arbeitnehmerüberlassung, lieber Kollege Ernst. Lesen Sie einfach einmal Ihre Anträge! Oder sollen wir es mit William Shakespeare halten? Er hat geschrieben: "Hohle Töpfe haben den lautesten Klang." - Seien Sie doch einfach leise! (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Besonders gerne reiben Sie sich an der Zeitarbeit. Gebetsmühlenartig tragen Sie vor, Zeitarbeit sei eine Beschäftigung zweiter Klasse, verdränge Stammbelegschaft, sei eine Sackgasse. Auch das ist falsch. Sie wollen, dass die Zeitarbeit abgeschafft wird. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Genau!) Es gab sogar einen Antrag von Ihnen, lieber Herr Ernst, die Zeitarbeit einfach zu verbieten. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Richtig!) Das Bundesverfassungsgericht hat ein solches Verbot gerade verboten. Ich bin froh, dass Sie Ihre rechtlichen Hausaufgaben inzwischen gemacht und Ihren Antrag zurückgezogen haben. Sie sind manchmal durchaus lernfähig. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Aber Sie nicht! Das ist das Problem!) Im Ergebnis läuft aber auch Ihr neuer Antrag auf eine Abschaffung der Zeitarbeit hinaus. Wer gleichen Lohn vom ersten Tag an und eine Flexibilitätsprämie fordert, der will das Aus der Branche. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen faire Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt!) Damit sind Sie bereit, den Jobmotor der vergangenen Jahre abzuschalten, nach dem Motto "Lieber arbeitslos als Zeitarbeitnehmer". Das ist mit uns nicht zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Sie agieren dabei auf der Grundlage reiner Vorurteile. (Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie ignorieren die Realität!) Die Wahrheit lautet: Zeitarbeit ist kein zweitklassiger Ersatzjob. Die Beschäftigten haben normale Arbeitsverträge. Sie genießen alle Schutzrechte, (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN) sie arbeiten im Regelfall übrigens unbefristet, 90 Prozent von ihnen in Vollzeit. (Mechthild Rawert [SPD]: So ein Quatsch! - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Sie leben in einer anderen Welt! Das ist nicht die Realität!) Die Bezahlung erfolgt fast zu 100 Prozent nach Tarif. Es gibt in der Zeitarbeit anders als in vielen anderen Branchen eine Lohnuntergrenze. Das Einstiegsgehalt für Ungelernte liegt bei 8,19 Euro im Westen. Für etliche Branchen wurden Branchenzuschläge vereinbart. In Deutschland erhalten Zeitarbeitnehmer - wir haben das reguliert - in Zeiten des Nichteinsatzes natürlich eine Lohnfortzahlung. Im Rest Europas sieht das ganz anders aus; damit hätte ich auch ein Problem. Die bürgerliche Koalition aus FDP und CDU/CSU hat sich sofort eingeschaltet, als es Missstände gab - die übrigens erst durch eines möglich geworden sind: durch die Hartz-Gesetzgebung von Rot-Grün. Ich bitte Sie, sich daran zu erinnern. Sie haben diese Missbräuche erst möglich gemacht! (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Wart ihr dagegen?) Bei Ihnen ist offensichtlich das Virus des Vergessens ausgebrochen, bei uns aber nicht. Wir wissen genau, was Sie gemacht bzw. nicht gemacht haben. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Habt ihr dagegen gestimmt?) Vizepräsident Eduard Oswald: Ich darf Sie bitten, zum Schluss zu kommen. (Zuruf von der SPD: Sechs, Setzen!) Gitta Connemann (CDU/CSU): All dies sind Wahrheiten über die Zeitarbeit, belegt durch die Bundesagentur für Arbeit und das Statistische Bundesamt. Das alles mag Sie nicht interessieren, meine Damen und Herren, aber uns schon. Deswegen werden wir Ihre Anträge ablehnen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Klaus Ernst [DIE LINKE]: Ach was!) Vizepräsident Eduard Oswald: Unsere Kollegin Gitta Connemann war die letzte Rednerin in unserer Aussprache, die ich nun schließe. (Zuruf von der LINKEN: Das war echt das Letzte!) Wir sind im Tagesordnungspunkt 8 a und kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12560 mit dem Titel "Gleiche Arbeit - Gleiches Geld in der Leiharbeit". Wer stimmt für diesen Antrag? - Das sind die Fraktion Die Linke und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Die Fraktion der Sozialdemokraten. Der Antrag ist abgelehnt. Tagesordnungspunkt 8 b. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Verhinderung des Missbrauchs von Werkverträgen. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14074, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12373 abzulehnen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Die Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung bekanntlich die weitere Beratung. Wir sind noch im Tagesordnungspunkt 8 b und kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14074, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13106 abzulehnen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Sozialdemokraten und Linksfraktion. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Auch hier entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 8 c. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 17/14074 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12378 mit dem Titel "Missbrauch von Werkverträgen bekämpfen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Vorsichtshalber frage ich nach Enthaltungen. - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 8 d. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Statistische Ermittlung des Einsatzes von Werkverträgen und Leiharbeit in Unternehmen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/12111, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9980 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das ist die Linksfraktion. Enthaltungen? - Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Tagesordnungspunkt 8 e. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Antrag der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Lohndumping im Einzelhandel stoppen - Tarifverträge stärken, Entgelte und Arbeitsbedingungen verbessern". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14001, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13104 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Vorsichtshalber frage ich nach Enthaltungen. - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Wir sind jetzt im Tagesordnungspunkt 8 f. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz auf Drucksache 17/12215. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11148 mit dem Titel "Bedingungen bei Tiertransporten und in Schlachtbetrieben verbessern". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind Sozialdemokraten und Linksfraktion. Enthaltungen? - Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Wir sind noch im Tagesordnungspunkt 8 f. Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11355 mit dem Titel "Bedingungen in Schlachthöfen verbessern". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind alle drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zu einem neuen Tagesordnungspunkt. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf: - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL) auf Grundlage der Resolution 1701 (2006) vom 11. August 2006 und folgender Resolutionen, zuletzt 2064 (2012) vom 30. August 2012 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen - Drucksachen 17/13753, 17/14161 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl-Georg Wellmann Dr. Rolf Mützenich Dr. Rainer Stinner Wolfgang Gehrcke Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14162 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaus Brandner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Roland Claus Sven-Christian Kindler Über die Beschlussempfehlung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Alle sind damit einverstanden. Dann haben wir dies gemeinsam so beschlossen. Ich eröffne nun die Aussprache. Erster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Joachim Spatz. Bitte schön, Kollege Joachim Spatz. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Joachim Spatz (FDP): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der Grundlage der UN-Resolution 1701 aus dem Jahr 2006 mit ihren entsprechenden Nachfolgeresolutionen beantragt die Bundesregierung, unser Engagement im Rahmen von UNIFIL zu verlängern. Zurzeit sind innerhalb der Obergrenze von 300 Soldatinnen und Soldaten 195 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz: auf einem Schnellboot und einer Korvette. Wir leisten einen Beitrag zum Aufbau von Sicherheitsstrukturen, zur Überwachung von Grenzen sowie zum Schutz der Küste und der Gewässer des Libanon. Solange dieser Aufbau noch andauert und die Übergabe der Verantwortung noch nicht vollzogen werden kann, ist unser Engagement für die Region und für die Stabilität des Libanon essenziell und wichtig. Deshalb bitten wir um möglichst breite parlamentarische Zustimmung zu diesem Mandat; denn das haben unsere Soldatinnen und Soldaten verdient. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit auf die Region insgesamt eingehen. Wir haben unter anderem den Auftrag, die Grenzen auch deshalb zu schützen, um unkontrollierte Waffentransfers in den Libanon zu verhindern. Deshalb ist es auch nur folgerichtig, dass wir hinsichtlich der Waffenlieferungen in diese Region nach wie vor skeptisch sind. Auch die Partner innerhalb der Europäischen Union, die darüber nachdenken, einige Gegner von Herrn Assad mit Waffen zu unterstützen, sind immer noch die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, wie sie Proliferation, die Weitergabe von Waffen, verhindern wollen. Solange diese Frage nicht schlüssig beantwortet werden kann, besteht die reale Gefahr, dass Waffen, die wir in die Region liefern, irgendwann in die Hände derer geraten, für die sie nicht gedacht waren. Deshalb ist unsere Zurückhaltung an dieser Stelle angemessen. Wir werden die Partner auf europäischer Ebene weiterhin auf dieses Problem hinweisen. Eines ist klar: Wir erleben zwischen den großen, zum Teil über Jahrhunderte und Jahrtausende gewachsenen staatlichen Entitäten, wie Ägypten, dem Iran und auch der Türkei, in der gesamten Region eine Infragestellung der Strukturen, sowohl der Grenzen als auch des religiösen und ethnischen Miteinanders, wie es seit Jahrzehnten nicht der Fall gewesen ist. Angesichts einer solchen Situation müssen wir erhebliche politische Anstrengungen unternehmen und die Probleme lösen, anstatt sie durch Waffenlieferungen zu verschärfen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]) Die Bundesregierung versucht, darauf hinzuwirken, den Syrienkonflikt politisch zu lösen. Wir bitten alle Beteiligten, gerade auf der Ebene der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates entsprechend zu agieren. Unser Appell geht in Richtung China und insbesondere in Richtung Russland. Wir sollten gemeinsam dafür eintreten, dass das syrische Problem auf einer Konferenz politisch gelöst wird und dass die Ausschöpfung des real existierenden Bedrohungspotenzials der Destabilisierung der ganzen Region verhindert wird. Wer aus machtpolitischem Kalkül glaubt, mit falschen Verbündeten agieren zu können, wer billigend in Kauf nimmt, dass die Region destabilisiert und der konfessionelle Splitt zwischen Schiiten und Sunniten militärisch im Rahmen eines Bürgerkriegs in der ganzen Region ausgetragen wird - das würde den Irak genauso betreffen wie potenziell Jordanien und andere Länder der Region -, der gefährdet auch seine eigene Sicherheit. Das betrifft nicht nur Europa, sondern auch Russland und andere Länder. Deshalb appellieren wir eindringlich, nach einer politischen Lösung zu suchen. Was wir zur Stabilisierung der Region beitragen können, werden wir tun, auch im Rahmen von UNIFIL, die der Sicherung der Grenzen des Libanon dient. Deshalb appelliere ich noch einmal, diesen Einsatz mit möglichst breiter Mehrheit zu unterstützen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Joachim Spatz. - Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unser Kollege Wolfgang Hellmich. Bitte schön, Kollege Wolfgang Hellmich. Wolfgang Hellmich (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir haben seitens der Sozialdemokratie von Anfang an den Einsatz von UNIFIL unterstützt; denn wir wissen um die Bedeutung dieses Einsatzes für diese sich seit Jahren in einer kritischen Situation befindende Region. Ich sage vorab: Wir werden diesen Einsatz weiterhin unterstützen, und zwar mit aller Deutlichkeit. Seit 2006 leistet UNIFIL einen Beitrag für den Frieden in der Region. Ich danke an dieser Stelle allen beteiligten Soldatinnen und Soldaten, ihren Familien sowie den zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundeswehr für ihren Einsatz. Sie wissen ganz genau, dass sie sich mit ihrem Leben dafür einsetzen, dass in dieser Region Frieden herrscht bzw. Frieden geschaffen werden kann. Sie alle verdienen unseren Respekt und unsere Anerkennung. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ihr Einsatz kann nicht hoch genug geschätzt werden. Ihrem Einsatz ist es auch zu verdanken - das ist ein nicht ganz unwesentlicher Aspekt -, dass der Libanon trotz seiner geringen Wirtschaftskraft wieder am internationalen Handel teilnehmen kann. Sie ermöglichen dem Libanon, sich auf internationaler Ebene mit Waren und Gütern zu versorgen. Im letzten Mandatszeitraum, seit Juni 2012, hat sich die Sicherheitslage im Libanon dramatisch verschärft. Der Kollege Spatz hat gerade darauf hingewiesen, wo die Ursachen liegen. Wir dürfen über die Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der UNIFIL-Mission nicht sprechen, ohne die aktuelle Situation in Syrien und deren Konsequenzen für den Libanon zu bedenken. Seit Beginn des Aufstands gegen das Assad-Regime, der sich in über zwei Jahren zum Bürgerkrieg ausgeweitet hat, sind mehr als 90 000 Menschen getötet worden. Die Gefahr eines Flächenbrandes in der Region ist sehr groß. 20 Prozent der im Libanon lebenden Menschen sind syrische Flüchtlinge. Innerhalb eines Jahres sind 1 Million Flüchtlinge ins Land gekommen. 90 Prozent der Krankenhaus- und Lazarettkapazitäten in der Bekaa-Ebene, die auch von internationalen Organisationen gebaut worden sind, werden von syrischen Flüchtlingen belegt. Die Situation in den Flüchtlingslagern im Libanon ist, ähnlich wie in Jordanien, menschenunwürdig. Die Frage ist: Wie kann der Libanon diese Belastung eigentlich noch aushalten? Der Präsident des Internationalen Roten Kreuzes, der vor kurzem hier im Hause war, hat dies deutlich gemacht, indem er gesagt hat: Wir wundern uns, dass sich der Libanon nicht schon längst im Bürgerkrieg befindet. Er hat das darauf zurückgeführt - ich teile diesen Eindruck -, dass die Menschen im Libanon in vielen Jahren leidvoll erfahren haben und wissen, was es bedeutet, wenn ein Land mit Bürgerkrieg überzogen wird. Ich danke den Helferinnen und Helfern des Roten Kreuzes und der anderen internationalen Organisationen, die unter Einsatz ihres Lebens im Libanon, in Syrien, an den Grenzen humanitäre Hilfe leisten. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP) Ohne ihre Hilfe und ohne ihren Einsatz gäbe es noch mehr Opfer. Eine kurze Waffenruhe, sei es nur für wenige Stunden oder Tage, könnte Zugang zu Verletzten und den mehr als 4 Millionen Binnenflüchtlingen in Syrien schaffen und somit das humanitäre Elend lindern. Dies zu erreichen, ist die Aufgabe internationaler Konferenzen, von denen gesprochen worden ist. Eine weitere Option wäre die Einrichtung von Schutzzonen für die syrische Zivilbevölkerung, weil sich durch die langanhaltenden schwierigen Kämpfe in allen Teilen dieses Landes die Lage der in den betroffenen Regionen lebenden Menschen dermaßen verschlechtert hat, dass letztlich von einem kompletten Zusammenbruch des gesellschaftlichen Systems in Syrien gesprochen werden muss. Die Aufnahme von 5 000 syrischen Flüchtlingen durch die Bundesrepublik ist gut, wird aber nicht ausreichen. Wir werden über deutliche Nachbesserungen und Verbesserungen reden und gemeinsam Maßnahmen ergreifen müssen. (Beifall bei der SPD) Die internationale Gemeinschaft muss mit allen ihr zur Verfügung stehenden diplomatischen Mitteln versuchen, diesen Konflikt zu beenden. Die Ausweitung der humanitären Hilfe der EU für die Flüchtlinge aus Syrien, gerade im Libanon, ist ein wichtiger Schritt. Wir Sozialdemokraten unterstützen diese Bemühungen der EU. Die geplante internationale Syrien-Konferenz muss zum Erfolg geführt werden. Sie ist zum Erfolg verdammt. Unsere Aufforderung, sich intensiv darum zu bemühen, dass die Genf-2-Konferenz - oder welchen Namen sie auch haben wird - zum Erfolg geführt wird, richten wir an alle. Vor allem geht unser Appell an die amerikanisch-russischen Konsultationen, die im Laufe der nächsten Wochen stattfinden. In ihnen liegt ein zentraler Schlüssel für die Lösung der Probleme. Der Bürgerkrieg in Syrien hat die religiösen Spannungen im Libanon bereits verschärft. Die Lage dort ist mehr als fragil. Bei schweren Kämpfen zwischen Sunniten und der Armee wurden in der libanesischen Hafenstadt Sidon mindestens 15 Soldaten getötet. Mehr als 100 Menschen wurden bei den Kämpfen verletzt. Täglich gibt es im Libanon bewaffnete Konflikte mit zunehmender Intensität. Die Straßensperren, die errichtet und mühsam von der Armee abgeräumt werden, und die Konflikte zwischen der schiitischen Hisbollah und der Armee sind Beispiele für heftigste Spannungen und Konflikte innerhalb eines Bürgerkrieges in Syrien. Die Grenzen zwischen den Ländern lösen sich auf. Der Bürgerkrieg in Syrien droht, auf den Libanon als Ganzes überzugreifen. Wir müssen versuchen, das zu verhindern. Es droht ebenso die Gefahr eines Bürgerkrieges zwischen den Glaubensgemeinschaften im Libanon, von dem auch unsere Soldatinnen und Soldaten berührt sein können. Die 15 000 Mann starke UNIFIL-Truppe hat ein robustes, aber nicht offensiv ausgestaltetes Mandat. Ein solches Mandat erlaubt die Anwendung von Waffengewalt nicht nur zur Selbstverteidigung, sondern auch zur Verteidigung der Mission und von Zivilisten. Ich will deutlich darauf hinweisen, dass bei einer Verschärfung der Konflikte im Libanon für unsere Soldatinnen und Soldaten die Gefahr droht, in bewaffnete Konflikte einbezogen zu werden. Man muss das wissen, wenn man ein solches Mandat beschließt. Man muss wissen, unter welchen Bedingungen sich unsere Soldatinnen und Soldaten in dieser Mission befinden. Werte Kolleginnen und Kollegen, ein Ziel der UNIFIIL-Mission ist es, den Waffenschmuggel im Libanon von See aus zu unterbinden. Das hat funktioniert. Im Laufe des letzten Jahres ist kein einziges Schiff aufgebracht worden, in dem Waffen in den Libanon gelangt sein können. Deshalb müssen wir hier weitermachen. Es macht Sinn, alle Möglichkeiten der Einfuhr von Waffen zu beseitigen. Die Obergrenze ist auch im neuen Mandat auf 300 Soldatinnen und Soldaten festgelegt. Wir wissen, dass das Ziel dieses Mandates nicht ist, auf ewig im Libanon zu bleiben. Das Ziel ist, das zu Ende zu bringen, was von den Kräften der Bundeswehr gut begonnen worden ist, nämlich die Kräfte des Libanon selber in die Lage zu versetzen, die seeseitigen Grenzen zu schützen, den Handel zu ermöglichen und gleichzeitig den Import von Waffen zu vermeiden. UNIFIL hat einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet, dass es in der Region Stabilität gegeben hat. Ich denke, es ist für uns sinnvoll und richtig, dass wir mit der weiteren Beteiligung im Libanon auch deutlich machen, dass wir die Verantwortung für die Schaffung von Frieden in der Region übernehmen, dass wir uns daran beteiligen, und dass wir aus diesem Grunde auch unsere Soldatinnen und Soldaten in diese Mission schicken. Deshalb wird die SPD-Bundestagsfraktion dem Einsatz zustimmen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Wolfgang Hellmich. - Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Philipp Mißfelder. Bitte schön, Kollege Philipp Mißfelder. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich will an das anknüpfen, was mein Vorredner gesagt hat. Im Zusammenhang mit dem Libanon-Mandat müssen wir nicht nur das Land selbst, sondern die gesamte Region, und vor allem die Ereignisse in dieser Region betrachten. Es ist fraglich, ob und wie die Friedenskonferenz in Genf stattfindet. Es gibt nahezu stündlich neue Nachrichten. Vor diesem Hintergrund sage ich, dass unsere Fraktion darauf hofft und alles Engagement daransetzt, die Bundesregierung zu unterstützen, diesen Friedensweg weiterzugehen. Deshalb, Herr Minister, wünschen wir Ihnen bei Ihren Bemühungen alles Gute und viel Kraft. Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Konflikt nur eine Lösung kennt, nämlich eine politische. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat bekannt gegeben, wie hoch die Zahl der Toten ist. Schon bei der Debatte heute Morgen habe ich die Zahlen genannt: 100 000 Tote, darunter 5 144 Kinder. Die Zahlen dürften schon heute nicht mehr aktuell sein, weil die Zahl der Toten leider immer weiter steigt. Wenn man über die Verlängerung des Mandats spricht, stellt sich die Frage: Kann man auch einen militärischen Beitrag leisten? Wir haben nach langer Abwägung und intensiver Diskussion gesagt: Wir sehen einen militärischen Lösungsbeitrag für Syrien nicht. Wir stehen aber an anderer Stelle zu unserer Verantwortung: ob in Afghanistan, im Kosovo, wo wir seit langer Zeit aktiv sind, oder mit der UNIFIL-Mission, bei der eine große Mehrheit in diesem Haus der Meinung ist, dass wir einen stabilisierenden Beitrag für die Region leisten müssen. Dort, wo wir der Meinung sind, dass auch militärische Komponenten hilfreich und zielführend sind, sind wir mit vollem Herzen und vollem Engagement dabei. Deshalb mein herzlicher Dank an die Soldatinnen und Soldaten, die in dieser schwierigen Mission ihren Dienst leisten. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da, wo wir der Meinung sind, dass wir vor allem auf das Mittel der Politik setzen sollten und die ergänzenden militärischen Maßnahmen nicht von Erfolg gekrönt sein dürften, wie wir es bei unserer Gesamtbeurteilung von Syrien sehen, verstärken wir insbesondere unser politisches Engagement. Den Fall Syrien kann man nicht losgelöst von der Entwicklung im Libanon sehen. Die Terrororganisation Hisbollah, die aus meiner Sicht dringend auf die Terrorliste der Europäischen Union gehört, hat sich eindeutig auf die Seite Assads geschlagen. Tagtäglich wird offenkundig, dass die Hisbollah aus Teheran gesteuert wird. Der Iran versucht mit seinem hegemonialen Machtstreben, an Einfluss in der Region zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund stehen wir vor der besonderen politischen Verantwortung, uns dem entschlossen entgegenzustellen und nicht zuzulassen, dass der Iran seine israelfeindliche Politik fortführt und in der Region zum einzigen Hegemon wird. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Meine Damen und Herren, deshalb sind wir seit langer Zeit militärisch engagiert. Wir wollen den Libanon stabilisieren, Informationen teilen und gemeinsam daran arbeiten, dass sich der Libanon selbst stabilisiert. Ruprecht Polenz und ich haben im vergangenen Jahr das Land besucht. Man kann im Libanon nicht von politischen Strukturen sprechen. Es gibt dort verschiedene Machtzentren, die stark gegeneinander kämpfen. Es gibt dort Anschläge brutalster Natur. Es ist dort nicht mehr die Zeit der Morde, wie es vor einigen Jahren der Fall war. Aber man merkt, dass Hisbollah jederzeit bereit ist, massiv zum Mittel der Gewalt zu greifen, dass die schrecklichen Erfahrungen des Bürgerkrieges im Libanon nur überdeckt sind und man keineswegs von staatlicher Struktur sprechen kann. Deshalb ist jeder Beitrag, den wir auf diplomatischem Wege leisten können, um überhaupt staatliche Strukturen zu schaffen, ein wichtiger. In dem großen Gesamtzusammenhang sehe ich auch dieses UNIFIL-Mandat, das dazu führt, dass wir insbesondere bei der Ertüchtigung, aber auch bei der Frage von Informationsteilung gut zusammenarbeiten können. Ich glaube, dass wir deshalb guten Gewissens empfehlen können, dieses Mandat fortzusetzen. Ich bin davon überzeugt, dass der Erfolg, den wir im Rahmen von UNIFIL hatten, sich auch in dem neuen Mandatszeitraum einstellen wird. Überdies bin ich der festen Überzeugung, dass die Region sowieso unsere größte Aufmerksamkeit verdient. Ich appelliere noch einmal an alle diejenigen, die bisher blockieren, sich querstellen und einem Frieden im Nahen Osten entgegenstehen - auch aus geopolitischer Sicht, wie es zum Beispiel Russland leider tut -, ihre Meinung zu ändern, innezuhalten und nicht dem barbarischen Abschlachten in Syrien zuzuschauen. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Philipp Mißfelder. - Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke ist unsere Kollegin Frau Inge Höger. Bitte schön, Frau Kollegin Inge Höger. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mission UNIFIL ist ein Kampfeinsatz nach Kapitel VII der UN-Charta, und es ist ein sehr gefährlicher: Seit Beginn der ersten UNIFIL-Mission 1978 haben bereits mehr als 250 Soldaten ihr Leben gelassen. Für viele dieser Toten waren Angriffe der israelischen Armee verantwortlich. UNIFIL-Stützpunkte wurden überrannt oder - wie 2006 - direkt bombardiert. Diese Angriffe setzten sich fort. Es gab Scheinangriffe und Beschuss der deutschen UNIFIL-Schiffe mit Täuschkörpern, und es gab Drohangriffe mit Drohnen und Schiffen, alles von der israelischen Armee. Dass die Fortsetzung des Mandates nun unter anderem mit dem israelischen Interesse an einer deutschen Beteiligung begründet wird, mutet daher reichlich absurd an. Im Rahmen der Verlängerung des UNIFIL-II-Mandates droht nun eine gefährliche Ausweitung der Aufgaben. Bei der ersten Erteilung des Mandates 2006 - nach dem israelischen Angriff auf den Libanon - ging es angeblich darum, den Waffenschmuggel in den Libanon zu unterbinden. Außenminister Westerwelle zieht nun die aktuelle Situation in Syrien heran; auch viele Vorredner und Vorrednerinnen haben das getan. Er warnt aufgrund von Hinweisen vor dem Einsatz chemischer Kampfstoffe. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert brachte Syrien ins Spiel. Wissen die Herren eigentlich, wovon sie da reden? Ich kann jedenfalls nicht abschätzen, was passiert, wenn der Konflikt in Syrien auf den Libanon übergreift. Ich weiß auch nicht, was ein Einsatz chemischer Waffen, sollte es sie wirklich geben, für UNIFIL bedeuten würde. Aber es besteht ganz offensichtlich die Gefahr, dass die Bundeswehr Teil eines unberechenbaren Krieges werden kann. Das lehnt die Linke entschieden ab. (Beifall bei der LINKEN) Die Verhinderung von Waffenschmuggel durch UNIFIL war in der Vergangenheit sehr bescheiden. Zwar wurden insgesamt 100 Schiffe an die libanesische Armee zur Überprüfung geleitet. Aber außer Zigaretten und anderen Waren fand man nichts. Kein waffenschmuggelndes Boot ist bisher hängen geblieben. Die Frage stellt sich nun vor syrischem Hintergrund neu. Nachdem weder die USA noch Frankreich noch Großbritannien das Waffenembargo aufrechterhalten wollen, muss nun auch mit Transporten aus diesen Ländern gerechnet werden. Hinzu kommt, dass die russischen Schiffe sicher nicht unbewaffnet die Militärbasis Tartus anlaufen. Ist nun damit zu rechnen, dass UNIFIL russische Kriegsschiffe angreift oder Waffenlieferungen des Westens oder arabischer Staaten an die Konfliktparteien mit Waffengewalt verhindert? Was passiert, wenn der Konflikt sich im Libanon fortsetzt und die israelische Armee wieder einmal den Norden des Landes oder auch die Soldaten der UNIFIL angreift? Sind diese Folgen von Ihnen einkalkuliert? Das ist eine leichtsinnige Gefährdung der Menschen im Libanon und der UN-Soldaten. Der beste Schutz für die Soldatinnen und Soldaten ist, wenn Sie sie nach Hause holen. (Beifall bei der LINKEN) Die Bundesregierung hat sich viel Mühe bei der Begründung ihres Antrages gegeben. Dabei stand im Koalitionsvertrag, dass das UNIFIL-Mandat langsam auslaufen solle. Nun soll der Einsatz der Soldaten als Friedensarbeit zur Annäherung zwischen den innerlibanesischen Konfliktparteien und obendrein als Beitrag zur israelisch-libanesischen Verständigung verkauft werden. Dagegen läuft die Entwicklungsarbeit 2014 aus. Sie verkaufen uns hier einen Auslandseinsatz mit friedenspolitischen Begründungen, und gleichzeitig beenden Sie Maßnahmen, die eventuell wirklich friedensfördernd sind. Gerade im Wahljahr sage ich noch einmal ganz deutlich, was die Linke von diesen Einsätzen hält: gar nichts. (Beifall bei der LINKEN) Wir fordern die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr und ein Verbot von Rüstungsexporten. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Höger. - Als nächster Rednerin erteile ich das Wort für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unserer Kollegin Frau Kerstin Müller. Bitte schön, Frau Kollegin Kerstin Müller. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatz zu meiner Vorrednerin von der Linken, Frau Höger, meine ich, dass es gerade angesichts der dramatischen Lage in Syrien eigentlich kaum ein Argument gibt, UNIFIL abzulehnen. Von wegen Kampfeinsatz, Frau Höger: Wenn man sich die Destabilität, die fragile Lage in der Region anschaut, dann stellt man fest, dass UNIFIL eigentlich der einzige Stabilitätsanker ist. Es ist absolut unverantwortlich, hier mit der Begründung, es handele sich um einen gefährlichen Kampfeinsatz, einem Rückzug der Soldatinnen und Soldaten oder einer Auflösung des Einsatzes das Wort zu reden. Das ist wirklich an Absurdität nicht mehr zu überbieten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Sie tun immer so, als seien Sie die UN-Partei. Deshalb sage ich Ihnen: Die UNO möchte diesen Einsatz. Die UNO möchte auch, dass Deutschland sich beteiligt. Der Libanon möchte diesen Einsatz trotz der prekären innenpolitischen Lage, trotz der angespannten Situation. Auch Israel möchte, dass es diesen Einsatz weiter gibt und dass Deutschland sich beteiligt. Aus diesen wichtigen Gründen wird meine Fraktion mit sehr großer Mehrheit dieser Verlängerung zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Die Situation in Syrien wird jeden Tag dramatischer. Nach Angaben der UNO starben bislang mindestens 100 000 Menschen, darunter 6 500 Kinder. Viele von ihnen wurden gefoltert. 1,6 Millionen Syrerinnen und Syrer sind in die Anrainerstaaten geflohen, 7 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Allein 1 Million sind in den Libanon geflohen. Das heißt, dem Libanon droht durch diese Flüchtlingszahl die Destabilisierung. In dieser Lage ist es zu begrüßen, dass Deutschland 5 000 Flüchtlinge, insbesondere aus dem Libanon, aufnehmen will und damit in der EU vorangegangen ist. Ich will hier aber sagen: Angesichts der Belastungen der Anrainerstaaten ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch wir könnten - wir müssten meiner Meinung nach - wesentlich mehr Flüchtlinge aufnehmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie des Abg. Philipp Mißfelder [CDU/CSU]) Zur Europäischen Union muss man hier auch ein Wort sagen. Ich finde, dass die EU angesichts der Tatsache, dass Tausende von Menschen fliehen, dass die Menschen massakriert werden und wir schwerlich etwas tun können, noch nicht einmal zu einer unbürokratischen Aufnahme von Flüchtlingen bereit ist, ist der Gipfel an Ignoranz und an Inhumanität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Leider hat die EU ja nicht nur bei der Flüchtlingspolitik, sondern auch bei der Außenpolitik versagt. Das Auseinanderfallen der EU bei der Frage des Waffenembargos war wieder einmal ein Zeichen dafür, dass es eine gemeinsame Außenpolitik der EU zurzeit nicht gibt. Auch bei der UN wird darüber mittlerweile nur noch der Kopf geschüttelt. Für mich ist klar: Syrien ist längst ein Fall der Responsibility to Protect. Wir haben international die Verpflichtung, die Zivilbevölkerung zu schützen. Ich finde, angesichts der menschlichen Katastrophe ist das Versagen der Staaten des Sicherheitsrates der UNO unerträglich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Ich möchte dabei vor allem die Blockade Russlands und Chinas nennen, die an Zynismus eigentlich nicht mehr zu überbieten ist. Ich fordere Russland und China auf: Blockieren Sie nicht weiter eine klare Entschließung des Sicherheitsrates. Die Menschen in Syrien haben ein starkes Signal der internationalen Gemeinschaft verdient. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Es muss daher jetzt darum gehen, den Krieg schnell zu beenden und im ersten Schritt einen Waffenstillstand herbeizuführen. Bislang sind aber alle Versuche gescheitert, diese Krise diplomatisch zu lösen. Auch der G-8-Gipfel hat daran leider nichts geändert. Die Genf-2-Konferenz steht noch in den Sternen: Datum, Teilnehmer, alles unbekannt. Während man noch darüber redet, ob man bereit ist, zu verhandeln, sterben und leiden die Menschen in Syrien, wird eine säkularisierte, moderne Gesellschaft ins Mittelalter zurückgebombt. Meine Damen und Herren, wir stehen bei dieser Frage wieder einmal vor einem klassischen Dilemma. Wir haben auf der einen Seite das Leid der Zivilbevölkerung, zu deren Schutz wir uns verpflichtet haben, und auf der anderen Seite die Blockade des UN-Sicherheitsrats durch die Vetomächte Russland und China. Wie kommt man da raus? Wie stellen wir sicher, dass wir am Ende nicht wieder auf der falschen Seite der Geschichte gestanden haben, wie bei Ruanda und wie bei Srebrenica? Viele hier wissen, dass ich persönlich über die Jahre meine Position zu diesen Fragen verändert habe. Ich will sehr deutlich sagen, dass Erlebnisse wie Srebrenica und Darfur dafür prägend waren. Aus meiner Sicht ist die Responsibility to Protect ein Meilenstein, und die Mitglieder des Sicherheitsrats dürfen den Schutz der Zivilbevölkerung nicht aus machtpolitischem Kalkül opfern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Deshalb bin ich - meine Fraktion wird mir das am heutigen Tage und noch dazu aus Anlass meiner letzten Rede verzeihen -, anders als die Mehrheit meiner Fraktion, sehr wohl der Meinung, dass wir sehr ernsthaft die Einrichtung von Schutzzonen - zumindest für die befreiten Gebiete - prüfen müssen. Ich weiß, dass das natürlich kein Spaziergang wäre. Aber ich glaube, je länger wir warten, desto schwieriger wird es. Das Drama wird sich nicht nur zuspitzen, sondern auch die Spielräume für politische Lösungen werden immer kleiner. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit diesen zugegeben nicht einfachen Schlussworten möchte ich mich von Ihnen allen verabschieden. Ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit und die vielen intensiven politischen Debatten bedanken. Für mich ist das Parlament für den ehrlichen und kontroversen Austausch von Argumenten da. Weil wir hier viel und oft gescholten werden, möchte ich sagen: Ich finde, dass in diesem Hohen Haus auch viele Sternstunden stattfinden. Ich meine auch, dass der Deutsche Bundestag viel besser ist als sein Ruf. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Ich werde mich mit neuen Aufgaben nicht aus der Politik, aber von dieser Bühne verabschieden und hoffe, dass ich dem einen oder anderen mal wieder über den Weg laufen werde. Vielen Dank an alle Kolleginnen und Kollegen in allen Fraktionen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Frau Kollegin Kerstin Müller, Sie gehören seit fünf Wahlperioden dem Deutschen Bundestag an. Sie haben viele und wichtige Aufgaben im Parlament und in der Regierung gehabt. Sie waren Vorsitzende Ihrer Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sie waren Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Obfrau im Auswärtigen Ausschuss. Danke im Namen des ganzen Hauses für all Ihre Arbeit. Ich wünsche Ihnen auch im Namen dieses Hauses alles Gute für Ihre Aufgabe in Israel. (Beifall) Letzter Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion von CDU/CSU unser Kollege Florian Hahn. Bitte schön, Kollege Florian Hahn. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Florian Hahn (CDU/CSU): Lieber Herr Präsident Oswald! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir verlängern heute die deutsche Beteiligung der Bundeswehr an der UNIFIL-Mission im Libanon. Mit diesem Einsatz sollen die Seegrenzen gesichert und die libanesischen Streitkräfte beim Aufbau von Fähigkeiten unterstützt werden, damit die Küste und die Territorialgewässer zukünftig von den Libanesen selbstständig überwacht werden können. Der deutsche Beitrag dient hauptsächlich dem Ausbau der libanesischen Marine. Angesichts der prekären Lage in der Region ist es ganz klar, dass wir unseren Beitrag für einen stabilen Libanon fortsetzen müssen. Klar ist auch: Wir können nicht über die Lage im Libanon sprechen, ohne uns mit der Situation in Syrien auseinanderzusetzen. An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich sehr dankbar bin für die Debattenbeiträge, die wir gerade - mit Ausnahme eines Beitrags - gehört haben. Die schlimmen Zustände in Syrien drohen die ohnehin fragile Region weiter zu destabilisieren. Während in Syrien sunnitische Rebellen gegen die schiitisch-alawitische Machtelite aufbegehren, mehren sich nun auch die Vorfälle zwischen Sunniten und Schiiten im Libanon. Die Kämpfe in Libanon sind in den vergangenen Wochen heftiger geworden. Gerade in dieser Situation ist es wichtig, dass wir dort weiterhin Flagge zeigen. Alles andere wäre ein fatales Signal und würde zu einem weiteren Aufbrechen der alten Konfliktlinien im Libanon beitragen. Ich möchte hier noch einmal betonen, dass die Arbeit von UNIFIL ausdrücklich von der libanesischen und der israelischen Regierung erwünscht ist. Unsere Truppen leisten einen wertvollen Beitrag für dieses Land. Deutschlands Engagement kann sich sehen lassen. UNIFIL zeigt einmal mehr, dass wir unsere Verantwortung gegenüber krisengeschüttelten und hilfsbedürftigen Ländern an den Grenzen Europas wahrnehmen. Doch ich rede nicht nur von UNIFIL: Ob unter dem Dach der EU, der NATO oder auf Ebene der UN, wir beweisen bei vielen Einsätzen, dass wir bereit sind, unseren Beitrag zu leisten, um in unserem Interesse und im Rahmen unserer Verpflichtungen die Welt etwas stabiler und friedlicher zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Getragen werden diese Einsätze von aktuell circa 6 000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, denen ich für ihren professionellen, oftmals gefährlichen und entbehrungsreichen Einsatz an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP sowie des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) UNIFIL ist ein Beispiel für die erfolgreiche Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht nur dieser Regierung, sondern vor allem auch dieses Parlaments. Schließlich haben wir die meisten Mandate in größerem Einvernehmen als nötig verabschiedet. Hierfür möchte ich allen beteiligten Fraktionen danken. Lassen sie mich an dieser Stelle betonen, dass wir gerade in dieser Legislatur erfolgreiche Verteidigungs- und Sicherheitspolitik gemeinsam gestaltet haben. Mit der Bundeswehrreform haben wir die Modernisierung unserer Streitkräfte beherzt in Angriff genommen, um sie zu einem modernen Instrument deutscher und europäischer Friedenspolitik zu machen. Wir haben die tatsächliche Vernetzung von Entwicklungs-, Außen- und Verteidigungspolitik im Einsatz zur Realität gemacht. Wir haben mithilfe des Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetzes die Fürsorge für unsere Soldaten und ihre Angehörigen erheblich optimiert. Wir haben für traumatisierte Soldaten neue und umfassende Versorgungsstrukturen geschaffen. Wir haben die Ausrüstung unserer Einsatzkräfte mit großem finanziellen Aufwand modernisiert und damit die Sicherheit der Truppe im Einsatz deutlich erhöht. Wir haben die Ausbildung für den Einsatz ausgebaut und weiter perfektioniert. Wir haben die Kommunikationsmöglichkeiten unserer Soldaten dramatisch verbessert, damit ein engerer Kontakt mit den Lieben daheim möglich ist. Wir konnten die Attraktivität der Bundeswehr insgesamt deutlich steigern. Neben materiellen Verbesserungen durch das Bundeswehrreform-Begleitgesetz haben wir auch wichtige Schritte für die Vereinbarkeit von Dienst und Familie eingeleitet. Meine Damen und Herren, all das sind Erfolge dieser Regierung und dieses Parlaments. Ich möchte daher stellvertretend für viele unserem Minister Thomas de Maizière ausdrücklich für seine tatkräftige Arbeit danken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ich freue mich auf die neue Legislatur, wenn wir in dieser Regierungskonstellation weiterhin erfolgreiche Politik für Deutschland und unsere Streitkräfte gestalten können. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Abschließend wünsche ich unseren militärischen und zivilen Einsatzkräften auch in Zukunft für ihr Tun alles Gute, Erfolg und Gottes Segen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Florian Hahn. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, Sie haben Verständnis für meine Entscheidung, dass ich angesichts der zeitlichen Belastung von uns allen hier keine Kurzinterventionen zulasse. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Widerspruch der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir kommen nun zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksache 17/14161 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL). Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 17/13753 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Haben nun alle Schriftführerinnen und Schriftführer ihre Plätze eingenommen? - Das ist der Fall. Sind die Urnen besetzt? - Dann eröffne ich die Abstimmung. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimmkarte nicht eingeworfen hat? - Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann schließe ich den Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.5 Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b auf: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick, Dr. Thomas Gambke, Lisa Paus, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft knüpfen - Drucksache 17/14133 - b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Lisa Paus, Kerstin Andreae, Dr. Thomas Gambke, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe - Drucksache 17/10770 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/13803 - Berichterstattung: Abgeordnete Christian Freiherr von Stetten Lisa Paus Über den Gesetzentwurf werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. (Unruhe) - Bevor ich die Aussprache eröffne, bitte ich die Kolleginnen und Kollegen, Platz zu nehmen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Lisa Paus von Bündnis 90/Die Grünen. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 2 000 Milliarden Euro Schulden - das ist der Stand heute in der Bundesrepublik Deutschland. (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Uns geht es besser als vor einem halben Jahr!) Der Sparmeister Europas liegt selber bei 80 Prozent Schuldenstandsquote, (Manfred Zöllmer [SPD]: Genau!) obwohl nur 60 Prozent Schuldenstandsquote nach den Maastrichter Verträgen erlaubt sind. (Zuruf von der CDU/CSU: Sie wollen noch mehr Schulden machen!) Ganze 500 Milliarden Euro davon sind unter der Verantwortung, in der Amtszeit von Angela Merkel entstanden. Was verspricht Angela Merkel nun für die nächsten vier Jahre? Weitere 30 Milliarden Euro zusätzliche Ausgaben, (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jährlich!) ungedeckte Schecks. Das ist Verfassungsbruch mit Ansage, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie viele Schulden macht Herr Kretschmann in Baden-Württemberg? Was macht denn Herr Kretschmann?) Wir Grüne wollen im wahrsten Sinne des Wortes eine andere Politik. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ja! Siehe Baden-Württemberg!) Wir wollen tatsächlich Ernst machen. Wir wollen anfangen, Schulden in diesem Lande endlich abzubauen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Klaus-Peter Flosbach [CDU/CSU]: Das haben Sie noch nie gemacht! - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Siehe Herr Kretschmann!) Wir wollen anfangen mit dem Abbau der Schulden, zumindest der 100 Milliarden Euro; das ist das Loch, das durch die Finanzkrise in den öffentlichen Haushalten in Deutschland entstanden ist. Das wollen wir mit einer einmaligen Vermögensabgabe, einem einmaligen Solidarbeitrag des reichsten Hundertstels unserer Gesellschaft, 350 000 natürlichen Personen, erreichen. Diese Abgabe, 1,5 Prozent pro Jahr, zahlbar über zehn Jahre, wollen wir klar zweckgebunden endlich für die Schuldentilgung, für den Beginn des Schuldenabbaus in Deutschland einsetzen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Dafür kann man das Haus verpfänden, ja!) Der BDI, der Bundesverband der Deutschen Industrie, sieht nun dadurch den Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet. (Beifall des Abg. Dr. Volker Wissing [FDP]) Wir sagen - und das sagen wir nicht alleine, sondern gestützt durch ein breites Bündnis, bis in die Reihen der Wählerinnen und Wähler von CDU und CSU hinein, gemeinsam mit namhaften Ökonomen, mit der Initiative Vermögender, mit Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie Boston Consulting bis hin zu Paul Kirchhof -: Das Gegenteil ist der Fall; wir stärken den Wirtschaftsstandort, und dies insbesondere aus zwei Gründen: Erstens - das ist sogar dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zu entnehmen - hat die Vermögenskonzentration in Deutschland dramatisch zugenommen. (Zuruf von der FDP: Das sagt nicht der Armuts- und Reichtumsbericht!) Von den 80 Millionen Menschen in diesem Lande besitzen sage und schreibe weniger als 70 000 Menschen 1 600 Milliarden Euro, und mehr als die Hälfte der Deutschen besitzen inzwischen ganze 1 Prozent des Vermögens in Deutschland, also praktisch gar nichts. Diese riesige Schere zwischen Arm und Reich, diese dramatische Vermögenskonzentration gefährdet den sozialen Zusammenhalt in Deutschland und damit die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Deswegen müssen wir das ändern. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN - Dr. Daniel Volk [FDP]: Wollen Sie umverteilen oder Schulden abbauen? Ich dachte, das dient dem Schuldenabbau!) Zweitens. Unser Vorschlag, unser Modell der Vermögensabgabe, belastet eben gerade nicht die kleinen und mittleren Unternehmen, wie Sie immer so gern suggerieren wollen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist doch ein Märchen!) Im Vergleich zu allen anderen Varianten, die dem Schuldenabbau dienen sollen, belastet unser Modell die kleinen und mittleren Unternehmen, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, eben gerade nicht. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das sehen wir aber anders!) 90 Prozent der Unternehmen sind nicht nur nicht mittelbar, sondern überhaupt nicht von der Vermögensabgabe betroffen. Deswegen noch einmal mein Appell: Werte Mittelständler an den Bildschirmen oder im Publikum (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie wissen doch gar nicht, was Mittelstand ist!) - ich selber komme auch aus dem Mittelstand -, ich weiß, Sie bekommen jetzt permanent Briefe von all den Verbänden, in denen Sie sind, die Ihnen sagen, wie schrecklich das ist. (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Zu Recht kriegen sie die Briefe! Von rechts und links!) Ich sage Ihnen: Der Rechner vom DIHK ist falsch. Der Rechner von den Familienunternehmern ist falsch. (Zuruf von der FDP: Nur der Rechner von den Grünen ist richtig, oder wie?) Setzen Sie sich selber konkret mit unserem Gesetzentwurf auseinander. Schreiben Sie uns. Wir werden das für Sie berechnen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Märchenstunde ist beendet!) Dabei wird herauskommen: Sie werden durch die Vermögensabgabe, die wir einführen wollen, nicht belastet. Sie ist das richtige, das wirtschaftschonendste Instrument, um dieses Problem zu lösen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Kommen Sie bitte zum Schluss. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja. - Wir stellen durch einen Freibetrag für natürliche Personen - nur natürliche Personen sind steuerpflichtig - in Höhe von 1 Million Euro pro Person, durch einen Freibetrag für Betriebsvermögen in Höhe von 5 Millionen Euro pro Person, durch zusätzliche Freibeträge für Kinder in Höhe von 250 000 Euro und einen zusätzlichen Freibetrag für die Altersvorsorge in Höhe von 380 000 Euro sicher, dass wirklich nur das reichste Hundertstel der Deutschen davon betroffen sein wird. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wissen Sie, was eine CNC-Maschine kostet?) Wir schließen die Substanzbesteuerung definitiv aus. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss. Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist mein letzter Satz, Herr Präsident. - Die Ausgestaltung unserer Regelung bietet gerade einen Anreiz für Investitionen; (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben keine Ahnung!) denn mit gewinnwirksamen Investitionen können die Unternehmen die Abgabenlast senken. Lassen Sie uns endlich mit dem Schuldenabbau anfangen. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zur Einführung einer einmaligen Vermögensabgabe hier und heute zu. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, gebe ich Ihnen das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Bundesregierung mit dem Titel "Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon (UNIFIL)" bekannt: abgegebene Stimmen 577. Mit Ja haben gestimmt 499, mit Nein haben gestimmt 73, Enthaltungen 5. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 577; davon ja: 499 nein: 73 enthalten: 5 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Frank Hofmann (Volkach) Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein SPD Klaus Barthel Willi Brase Petra Hinz (Essen) Hilde Mattheis Rüdiger Veit Waltraud Wolff (Wolmirstedt) FDP Frank Schäffler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Monika Lazar Hans-Christian Ströbele fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Enthalten BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Beate Müller-Gemmeke Lisa Paus Dr. Harald Terpe Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Christian Freiherr von Stetten von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt Bushido! Rappt der auch? Jetzt aber los!) Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was uns die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hier vorlegt, ist wirklich haarsträubend. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aggro ist das! Voll aggro!) Auch die Erklärungsversuche von Frau Paus haben uns nicht von diesem Gesetzentwurf überzeugen können. Die Frage ist nicht, ob die Rechner der Verbände stimmen. Ich glaube, die Rechner der Verbände stimmen sehr wohl. Ihr Gesetzentwurf ist einfach falsch. Das sehen nicht nur wir so. Wir bekommen nicht nur Briefe von Verbänden, auch der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Herr Kretschmann, ein Grüner, hat einen Brief geschrieben, zwar nicht an uns, aber an die eigene Parteiführung. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er hat aber zugestimmt!) Herr Trittin, Sie haben ihn hoffentlich beantwortet. Sie sagen es richtig: Er hat dem Gesetzentwurf am Ende zugestimmt. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehen Sie! Jetzt sollten Sie ihm folgen! Er ist schlauer als Sie!) Das zeigt doch, wie fatal dieser Gesetzentwurf ist. Vor der Verabschiedung auf Ihrem Parteitag hat er Briefe geschrieben und im Namen des Mittelstandes in Baden-Württemberg davor gewarnt. Dann fuhr er zum Parteitag und hat wie alle anderen Grünen aus Baden-Württemberg zugestimmt. Dann kam er vom Parteitag zurück und hat in Baden-Württemberg den eigenen Beschluss kritisiert. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Zur Sache, Kollege! Zur Sache!) Dadurch hat er die Familienbetriebe und die mittelständische Wirtschaft in Baden-Württemberg enttäuscht. Dieser Gesetzentwurf zeigt, was grüne Politik bedeutet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, das ist Bushido, was Sie da aufführen!) Herr Trittin, interessant ist der Zusammenhang (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Zusammenhang mit Bushido!) zwischen dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zur Besteuerung von Vermögen und Ihrem Antrag, in dem steht, dass Sie Bürger besteuern wollen, wenn sie das Land verlassen und sich in einem anderen Land eine Existenz aufbauen. Das heißt, Sie gehen selbst davon aus, dass Leute aufgrund der Vermögensteuer unser Land verlassen, ins Ausland ziehen. Deshalb bitten Sie in Ihrem Antrag den Bundesfinanzminister, mit den übrigen Ländern der Welt zu vereinbaren, dass in Zukunft nicht mehr der Grundsatz gilt, dass man dort besteuert wird, wo man lebt, dass man dort Steuern zahlt, wo man die Infrastruktur in Anspruch nimmt, wo man Kindergärten, Schulen, Straßen und öffentliche Verkehrsmittel in Anspruch nimmt. Sie wollen, dass die Steuerpflicht in Zukunft an die Nationalität eines Bürgers geknüpft ist. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: USA zum Beispiel! Wie ist es in den USA?) Die Bürger werden das Land verlassen. Das ist doch völlig klar. Alle Steuerbelastungen, die SPD und Grüne in ihr Wahlprogramm geschrieben haben, bedeuten eine Belastung des Mittelstandes. Sie wollen die Erhöhung der Einkommensteuer, Sie wollen die Erhöhung der Kapitalertragsteuer, Sie wollen das Volumen der Erbschaftsteuer verdoppeln, und Sie wollen die unsägliche Vermögensabgabe, die die Substanz besteuert. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollen nur mehr Schulden machen!) Dieses Paket wird in der Summe dazu führen, dass die Bürger das Land verlassen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es klatscht keiner bei Ihrer Rede! Fällt Ihnen das auf?) Ich könnte mir vorstellen, dass wir mit der Türkei relativ schnell zu einem tragfähigen Kompromiss kommen könnten, dass wir mit der Türkei sehr schnell handelseinig werden könnten. In Deutschland leben 1,6 Millionen Türken. Darunter sind viele fleißige und erfolgreiche Unternehmer, die in Deutschland ihre Steuern zahlen. In der Türkei leben ungefähr 70 000 Deutsche. Das wäre ein gutes Geschäft für die Türkei: 1,6 Millionen Steuerpflichtige in Zukunft in der Türkei und nicht in Deutschland, und 70 000 deutsche Staatsbürger wären dann in Deutschland steuerpflichtig. Ich glaube, das kann nicht wirklich Ihr Ernst sein. (Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU]: Sehr gut erklärt!) Die Grünen sehen in ihrem Gesetzentwurf zur Vermögensabgabe im Prinzip vor, dass, wie Sie es ausgeführt haben, das Vermögen einmal festgelegt wird und dann zehn Jahre lang 1,5 Prozent von diesem einmal festgelegten Betrag zur Versteuerung herangezogen werden. Das heißt also, wenn der Bürger einige Jahre später überhaupt nichts mehr verdient, ist trotzdem die Steuer fällig. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja nicht wahr! - Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der will es nicht verstehen!) Oder nehmen Sie als Beispiel ein Unternehmen. Sie haben von dem Freibetrag für Unternehmen gesprochen. Nehmen Sie als Beispiel einen großen Unternehmer, und schauen Sie, was eine Substanzbesteuerung für ihn bedeutet. Herr Trittin, wenn Sie - Gott möge uns davor bewahren - Finanzminister wären, würde auf die Familienunternehmen einiges zukommen. Nehmen Sie als Beispiel ein großes Familienunternehmen, organisiert als Personengesellschaft; übrigens sind 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland als Personengesellschaft organisiert. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, wenn Sie alle kleinen Handwerker hinzurechnen, stimmt das!) Das Vermögen wird mit 29 Millionen Euro festgelegt. Es gibt einen Freibetrag von 5 Millionen Euro, dann sind wir bei 24 Millionen Euro. 1,5 Prozent sind dann 360 000 Euro Vermögensabgabe pro Jahr. Betrachten wir einmal ein Jahr - nicht unbedingt in der Rezession -, in dem das Unternehmen 1 Million Euro verdient. Dann muss das Unternehmen, weil es eine Personengesellschaft ist, nach Ihrer Rechnung 49 Prozent Einkommensteuer plus 2,5 Prozent Solidaritätszuschlag zahlen. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wissen es doch besser, Herr von Stetten!) Das sind 525 000 Euro Ertragsteuern in dem Bereich. Nach Ihrem Gesetzentwurf, in dem eine Vermögensabgabe von 35 Prozent vorgesehen ist, würden noch 350 000 Euro pro Jahr Vermögensabgabe dazukommen. So steht es in Ihrem Gesetzentwurf. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie einmal gegenüber Bushido so gut rechnen könnten!) 525 000 Euro Ertragsteuern plus 350 000 Euro Vermögensabgabe sind 875 000 Euro Steuern. Das ist eine Steuerbelastung in Höhe von 87,5 Prozent. Was glauben Sie denn, wie lange die Unternehmer hier noch im Land bleiben würden? (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schutzgeld von Bushido! Bushido-Geld!) Jetzt ist mir auch völlig klar, warum bei der Diskussion über die Vermögensteuer plötzlich von der Mietpreisbremse die Rede ist. Sie schaden nämlich mit der Vermögensteuer nicht den Vermietern, sondern im Endeffekt den Mietern. (Manfred Zöllmer [SPD]: Sie hätten mal ein neues Manuskript rausholen sollen!) Nehmen Sie einmal als Beispiel eine Wohnung, die 100 000 Euro wert ist. Wenn diese Wohnung Mieteinnahmen von 300 Euro im Monat hat, sind das im Jahr 3 600 Euro Miete. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 100 000!) Ihre Vermögensabgabe mit 1,5 Prozent würde 1 500 Euro Vermögensabgabe pro Jahr für diese Wohnung bedeuten. (Lachen des Abg. Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Jerzy Montag [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie reden nur Blech!) Glauben Sie denn, der Vermieter zahlt die Vermögensabgabe? (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt weiß ich auch, warum er Bushido braucht: weil er so schlecht im Rechnen ist!) Er wird diese Vermögensabgabe - das sind 125 Euro pro Monat - auf die Mieter umlegen, so wie er auch die Grundsteuer umlegt. Das ergibt eine Mieterhöhung von 300 Euro um 125 Euro auf 425 Euro im Monat. Das ist eine glatte Mieterhöhung um 40 Prozent. (Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Das ist untragbar für den Mieter. Ein solch unsoziales Mietergesetz lehnen wir ab. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Zum Abschluss. Herr Trittin, Sie müssen verstehen: Nicht die Erhöhung der Steuersätze führt zu höheren Steuereinnahmen, sondern die Erhöhung der Beschäftigung. Das haben wir in den letzten vier Jahren eindrucksvoll bestätigt. Wir werden sowohl Ihren Antrag als auch Ihren Gesetzentwurf ablehnen. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die SPD-Fraktion hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Carsten Sieling. (Beifall bei der SPD - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Noch so ein Steuererhöher!) Dr. Carsten Sieling (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nach diesem Potpourri aus Panikrede und Mondzahlenakrobatik (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das war die Wahrheit! Nichts als die Wahrheit! - Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: In Baden-Württemberg gibt es gute Schulen! Da wird noch Mathematik gelernt!) kann man wirklich nur sagen, dass dieser ständige Versuch, einen Zusammenhang zwischen hohen Steuern und daraus resultierenden wirtschaftlichen Problemen herzustellen, von einem historischen Mangel gespeist ist, der mich bass erstaunt. (Lachen des Abg. Holger Krestel [FDP]) Ich will einmal darauf hinweisen - das ist durchaus auch das Verdient jedenfalls der CDU/CSU -, dass wir in der Nachkriegszeit, (Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: Da sah Deutschland noch ganz anders aus, Herr Sieling!) Herr Kollege, bis weit in die 90er-Jahre die höchsten Wachstumsraten hatten, jedenfalls höhere Wachstumsraten als jetzt. Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass das die Zeiten waren, in denen wir unter Helmut Kohl nicht nur einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent hatten, sondern in denen es auch bis Ende der 90er-Jahre eine Vermögensteuer gab. Trotzdem hat die Wirtschaft nicht gelitten, meine Damen und Herren. Hören Sie auf mit Ihrer ewigen Märchenerzählung! Seit Sie regieren, haben wir hier in Deutschland ein Steuerparadies. Hinsichtlich der vielen Menschen, die Steuerflucht begehen, muss man sagen: Noch nie hatten wir so viele Steuerflüchtlinge wie in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Davor war noch Ordnung in diesem Land. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Das ist Geschichtsklitterung!) Vielleicht sollten Sie sich lieber daran erinnern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Stimmen Sie denn jetzt zu?) Man muss sich schlicht und einfach einmal den Fakten nähern. Es ist bekannt, dass wir als Sozialdemokraten nicht das Konzept der Vermögensabgabe verfolgen, wie es die Grünen hier vorschlagen, sondern wir wollen die Wiedererhebung der Vermögensteuer. Die Vermögensteuer soll insbesondere in den Ländern für Verbesserungen sorgen. Dort kann sie eingesetzt werden, um zur Stärkung der Bildung die Bildungsaufgaben zu finanzieren, um den Fachkräftemangel zu beheben und um die Schuldenbremse einzuhalten. Das wollen wir erreichen, und das werden wir auch erreichen, weil dies einfach notwendig ist. (Beifall bei der SPD) Auch Sie müssen sich einmal der Wahrheit und der schlichten Tatsache stellen, dass in Deutschland nicht einmal 1 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung durch Vermögensbesteuerung erbracht wird. In der OECD sind es 2 Prozent. Deutschland liegt weit dahinter. Es werden Jahr für Jahr zig Milliarden Euro verschenkt, weil wir in Deutschland nicht zu einer vernünftigen Vermögensbesteuerung gekommen sind. Das gemeinsame Ziel von SPD und Grünen - auch wenn wir unterschiedliche Konzepte vorschlagen - ist: Wir wollen die Wiedereinführung einer ordentlichen Vermögensbesteuerung. Vor dem Hintergrund der Lage in unserem Land ist das eine Aufgabe der nationalen Verantwortung. Sie können nicht immer mit Ihrer persönlichen Betroffenheit und Ihren persönlichen Rechnungen kommen, meine Damen und Herren. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Stimmen Sie dem Gesetz zu?) Damit können Sie kein Land regieren. (Beifall bei der SPD - Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu?) Sie müssen sich auch an die eigene Nase fassen, besonders angesichts der Wahlversprechen, die Sie jetzt machen. Sie wissen doch, dass Sie das überhaupt nicht finanzieren können. Wir legen dem Ganzen eine solide Finanzierung zugrunde, (Beifall bei Abgeordneten der SPD - Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ich will doch nur wissen, ob Sie dem Gesetzentwurf zustimmen!) während Sie Ihre Ziele in dem Zusammenhang nicht erreichen werden. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU], an die FDP gewandt: Frag doch mal einer von euch, ob er zustimmt! Auf mich hört er ja nicht! - Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Stimmen Sie zu? Ich soll Sie fragen!) - Sie können sich gerne melden und eine Frage stellen. Dann werde ich sie beantworten. Ansonsten werde ich nach meinen eigenen Vorstellungen fortfahren. Zum Schluss sage ich Ihnen: Sie müssen wissen - und Sie wissen es auch -, dass wir in Deutschland ein privates Vermögen von 10 Billionen Euro haben. Uns geht es darum, hier eine Besteuerung aufzulegen. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das haben die nicht gestohlen, sondern sie haben schon einmal Steuern dafür gezahlt!) Es ist auch klar, dass allein die obersten 10 Prozent der Bevölkerung 6 Billionen Euro Vermögen haben. Ich sage das deshalb noch einmal sehr deutlich, weil nicht die mittleren Vermögen und der Mittelstand in Deutschland betroffen sein werden; vielmehr streben wir eine Besteuerung an, die wirklich nur die obersten Zehntausend betrifft. Das ist der richtige Weg und das richtige Vorgehen. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Sie haben doch keine Ahnung! Sagen Sie doch einmal, wie!) - Herr Kollege, das wissen Sie. (Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nein, Sie wissen es selber nicht!) Wir schlagen vor, die Vermögensteuer zur Stärkung der Länderfinanzen einzusetzen. Deshalb werden wir uns bei dem Vorschlag der Grünen hier im Parlament enthalten, denn das ist nicht unser Weg. (Zurufe von der CDU/CSU: Ah! - Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das ist die Haltung der Opposition: uneinig!) Meine Damen und Herren, für die Vermögensbesteuerung wird es aber in einer Koalition von SPD und Grünen nach dem 22. September eine vernünftige Konzeption geben. Sie wird wieder eingeführt werden. Darum brauchen wir den Wechsel in Deutschland. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Daniel Volk [FDP]: Das sind die Irritationen der Möchtegern-Koalition!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing für die FDP-Fraktion. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Dr. Volker Wissing (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD sollte langsam wissen, was sie will. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Ihr Kandidat stellt sich vor Unternehmer in Deutschland und sagt: Wir wollen in Deutschland keine Substanzbesteuerung. Hier dagegen sagen Sie, dass Sie eine Vermögensteuer einführen wollen; Sie wollen umverteilen und über die Vermögensteuer eine Substanzbesteuerung einführen. Weiter sagen Sie ernsthaft, dass Sie nicht einmal den Antrag der Grünen bezüglich einer Vermögensabgabe ablehnen können. Da schaffen Sie allenfalls eine Enthaltung. Sie sollten einmal mit Peer Steinbrück reden. Irgendwann einmal müssen Sie wissen, mit welchem Angebot Sie vor die Wählerinnen und Wähler treten wollen und mit welchem nicht. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Jetzt zum Antrag der Grünen. Das Problem der Steuerhinterziehung bekämpfen zu wollen, indem man die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft knüpft, ist eine Scheinlösung. Wenn man so etwas machen wollte, dann müsste man alle Doppelbesteuerungsabkommen neu verhandeln. Da reden wir über einen Zeitraum von 20 Jahren. Das Problem ist aber viel zu drängend und viel zu dringend, um 20 Jahre auf eine Lösung warten zu können. Man muss es so lösen, wie es die Bundesregierung tut: indem man jetzt nachhaltig internationale Regelungen durchsetzt, durch die die Steuerhinterziehung bekämpft wird. (Manfred Zöllmer [SPD]: Ja, schwarze Abkommen! - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Wie meinen Sie das denn?) Es kommt etwas hinzu: Einerseits sagen Sie, Sie wollen die Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit knüpfen, andererseits stellen Sie immer wieder Anträge, eine doppelte Staatsangehörigkeit einzuführen. (Holger Krestel [FDP]: Damit man auch doppelt zahlen muss! Das ist deren Logik! - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie in den USA!) Darüber sollten Sie in Ihrer Fraktion vielleicht noch einmal ein bisschen nachdenken. (Beifall der Abg. Mechthild Dyckmans [FDP]) Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir gerade beim Nachdenken sind: Man kann eine solche Position vertreten; das ist in Deutschland ja erlaubt. Nur, was ich nicht in Ordnung finde, ist Ihre Unredlichkeit. Sie von den Grünen sagen der Öffentlichkeit unverhohlen die Unwahrheit. Sie haben sich hierhingestellt, Frau Paus, und gesagt: Wir Grüne wollen Schulden abbauen. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja auch! Ist doch so!) Wenn Sie das wirklich wollten, könnten Sie das in Baden-Württemberg, in Nordrhein-Westfalen und in Rheinland-Pfalz tun. Aber das Gegenteil passiert! (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unfug!) Sie machen Schuldenhaushalte, so wie Sie es auch im Bund immer, wenn Sie Verantwortung hatten, gemacht haben. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben dem doch damals auch zugestimmt, Herr Wissing!) Sie stellen sich, wie gesagt, hierhin und sagen, Sie wollen Schulden abbauen. Denken Sie doch einmal darüber nach, wie Sie sich immer verhalten haben, als Sie an der Regierung waren. Sie haben auf europäischer Ebene die Stabilitäts- und Wachstumskriterien gebrochen. Sie haben den Schuldenstaat in Europa ermöglicht und eingeführt. Das war grüne Politik. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 100 Milliarden Euro neue Schulden!) Nachdem der Deutsche Bundestag die Föderalismuskommission II eingesetzt hat, haben wir dort über die Einführung einer Schuldenbremse verhandelt. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, und?) Wissen Sie, was die Grünen gemacht haben? Sie haben sie abgelehnt! Das ist grüne Politik. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Wer von den Grünen will denn Schulden tilgen? Das ist doch wirklich unwahrhaftig! Das Gegenteil ist richtig. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lesen Sie mal den Gesetzentwurf durch!) Sie stehen für den Schuldenstaat. Sie haben ihn in Europa eingeführt. Außerdem haben Sie die Schuldenbremse abgelehnt. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz - überall machen Sie Rekordschulden. Das ist grüne Realpolitik. Sagen Sie den Leuten doch die Wahrheit! (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Manfred Zöllmer [SPD]: Sie haben doch auch nicht zugestimmt!) Ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie stellen sich hier hin und sagen: Wir wollen mit den Einnahmen aus der Vermögensabgabe Schulden tilgen. - Herr Özdemir läuft durchs Land und sagt: Wir wollen mit den Einnahmen aus der Vermögensabgabe die Verkehrsinfrastruktur finanzieren. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Unsinn! - Dr. Daniel Volk [FDP]: Ja, was wollen die denn jetzt?) Aber in Ihrem Programm steht, dass Sie 60 Milliarden Euro Mehrausgaben tätigen wollen. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Wissing, hören Sie doch damit auf!) Erzählen Sie den Leuten doch nicht solche Lügen! Die Menschen sind doch nicht dumm. Sie glauben den Grünen doch nicht, dass sie Schulden tilgen wollen. Der Letzte in diesem Haus, der Schulden tilgen will, sind Sie. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollten sich was schämen! Sie wissen doch: Das ist nicht wahr!) Das ist unwahrhaftig und unaufrichtig. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn das? Was denn?) Wo bleibt denn da der Funke Anstand, wenn man einen solchen Unsinn verbreitet? (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bleiben Sie doch einmal bei der Wahrheit!) Ich will Ihnen noch etwas sagen. Sie stellen sich hier hin und sagen: Wir wollen keine Substanzbesteuerung. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist ausgeschlossen!) Ja, glauben Sie, die Menschen sind so dumm, (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das ausgeschlossen!) dass sie denken, es sei keine Substanzbesteuerung, wenn man Vermögen zur Besteuerungssubstanz erklärt? Ja, was denn sonst? Wenn Sie eine Ertragsbesteuerung wollen, dann müssen Sie eine Vermögensteuer und eine Vermögensabgabe genauso wie eine Verdoppelung der Erbschaftsteuer ablehnen. Ansonsten wollen Sie die Substanzbesteuerung, und diese lehnen wir ab. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch, Herr Wissing! Das wissen Sie auch! Das ist viel zu billig!) Sie haben auf mich den Eindruck gemacht, als sei Ihnen der ökonomische Sachverstand total abhandengekommen. Sie stellen sich hierhin und sagen: (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schreien Sie noch lauter, Herr Wissing!) Wenn wir die Deutschen um 100 Milliarden Euro enteignen, dann ist das ein Investitionsförderungsprogramm. - Das muss man sich einmal vorstellen! Das ist doch albern! (Heiterkeit des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]) Schauen Sie sich einmal an, was in Frankreich passiert ist. Dort gibt es Steuersätze von 75 Prozent. Dort wurden die Vermögensteuern erhöht, so wie Sie es wollen. Das Ergebnis ist: 12 000 Familien in Frankreich zahlen über 75 Prozent Steuern. 8 000 Familien haben aufgrund von grüner Vermögensteuer, Vermögensabgabe und Ertragsteuern eine Steuerbelastung von über 100 Prozent. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Über 100 Prozent? Was erzählen Sie denn da?) Aber Sie stellen sich hierhin und sagen, das könnte ein Modell für Deutschland sein, um Wachstum zu generieren und Investitionen zu fördern. (Manfred Zöllmer [SPD]: Jetzt wird es aber wirklich komisch hier!) Glauben Sie, die Menschen sind total bescheuert? Das glaubt Ihnen kein Mensch! (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie da machen, ist unredlich! - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Wie wäre es mal mit der Wahrheit? - Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!) Was Sie wollen, haben Sie - möglicherweise aus Versehen - zwischen den Zeilen gesagt. Sie stören sich daran, dass es in Deutschland Familienunternehmen und Mittelständler gibt, die sich über Generationen hinweg etwas erarbeitet haben. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Wissing, für diese Rede müssten Sie sich schämen!) Sie stören sich an deren Geld. Sie wollen es ihnen wegnehmen. Das ist das, was Sie wollen. Sie wollen dieses Geld umverteilen. Das ist die Politik der Grünen. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Darauf kommt es Ihnen an; das haben Sie hier gesagt. Sie wollen nicht Schulden tilgen - nein, nein -, Sie wollen diese Menschen enteignen, um das Geld nach eigenem Gutdünken an andere zu verteilen. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Kalte Krieg ist vorbei, Herr Wissing!) Mit Marktwirtschaft hat das nichts zu tun. Das ist eine moralisch höchst unanständige Politik. Eine Familie hat doch das Recht, das Familienvermögen auf die nächste Generation zu übertragen. Es wird hier immer als Problem dargestellt, dass es in Deutschland Menschen gibt, die sich ein Vermögen angespart haben. (Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt kein Problem! - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles ist gut, Herr Wissing, völlig klar!) Alle Staaten in Europa haben Schuldenhaushalte, und dann stellen Sie sich hier hin und behaupten, das Problem sei, dass einige ein Vermögen angespart hätten. Soll ausgerechnet der, der über Jahrzehnte hinweg Schulden gemacht hat, dieses Vermögen in Besitz nehmen? Ich sage Ihnen eines: Hände weg vom Privatvermögen! Wir brauchen in Deutschland private Investitionen. Wir brauchen keine Bundesregierung, die - das muss man hier klar beim Namen nennen - Enteignungen vorantreibt. Darum geht es Ihnen und um nichts anderes. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir werden Sie stellen in der politischen Auseinandersetzung. Sie werden mit den Lügen, die Sie an den Mikrofonen verbreiten, nicht durchkommen. Was Sie vorschlagen, ist unverantwortlich. Wer in dieser schweren Krise Wachstum haben will, der muss private Investitionen fördern. Allein die Diskussion über solche Gesetzentwürfe schadet der Bundesrepublik Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Mövenpick-Steuer!) Es ist gut, dass wir diese Vorschläge heute endgültig ablehnen, und es ist gut, wenn wir nach dem 22. September wieder klare Mehrheiten für die soziale Marktwirtschaft und gegen Umverteilungs- und Enteignungspolitik in Deutschland haben. (Anhaltender Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das war peinlich!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort die Kollegin Dr. Barbara Höll. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wissing, ich würde Ihnen glatt meine vier Minuten Redezeit geben, (Beifall bei Abgeordneten der FDP) wenn Sie uns erklären, wie man 1 Million Euro einfach so ansparen kann. Wenn ausgerechnet jemand von Ihrer Partei - von der Mövenpick-Partei - (Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Oh!) über anständige Politik redet, finde ich das schon sehr fragwürdig - das einmal nebenbei gesagt. (Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn Sie hier lautstark ausführen, was die Menschen Ihrer Meinung nach glauben, sage ich Ihnen: Die Bürgerinnen und Bürger haben im täglichen Leben eine Erfahrung gemacht: Wer es nötig hat, so herumzubrüllen, der hat meistens Unrecht. - Das ist einfach so. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Ihr Angebot an die Wählerinnen und Wähler ist ja eindeutig: Sie wollen Ihre Politik fortsetzen, das heißt: Schulden machen. Das heißt auch: Die Reichen werden immer reicher. (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Wer hat denn konsolidiert, Frau Dr. Höll?) Schauen wir uns die konkreten Zahlen einmal an: Im vergangenen Jahr lag die Zahl der Millionäre in Deutschland zum ersten Mal über 1 Million. Die Realität Ihrer Politik ist aber auch: Immer mehr Menschen kommen in Armut und müssen auf Hartz-IV-Niveau verharren. (Holger Krestel [FDP]: Sozialismus ist, wenn alle nichts haben!) Wir wissen, dass es Altersarmut schon gibt und dass die Altersarmut um Größenordnungen anwachsen wird. (Dr. Birgit Reinemund [FDP]: Schauen Sie sich die Zahlen einfach einmal an!) Wo ist Ihr vielbeschworener Mittelstand, den Sie gehegt und gepflegt haben wollen? Er ist in den letzten vier Jahren geschrumpft. Das ist Ihre Politik. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Mittelstandsvernichtungsprogramm!) Mit Ihrer Politik - wie Sie die Bankenrettung gemacht haben; wie Sie auf die weltweite Krise und auf die Euro-Krise zu reagieren versucht haben - haben Sie die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vielfältigen Risiken ausgesetzt. Als Ergebnis der Rettung von Zockerei stehen wir mit Milliarden belastet da. Die Gewinne dieser Zockerei sind aber in privaten Taschen gelandet - so kommt man zu Millionen, aber nicht durch Arbeit als Krankenschwester oder durch Arbeit in Teilzeit und auch nicht durch Arbeit als Facharbeiter bei Daimler. (Beifall bei der LINKEN) Es ist mehr als notwendig, dass wir hier heute - wieder - über die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen diskutieren. Wir müssen über Mindestlöhne reden. Wir müssen über eine anständige Tarifpolitik reden. Wir müssen aber auch über die Vermögensbesteuerung reden. Dazu gibt es verschiedene Vorschläge. Bündnis 90/Die Grünen schlagen zur Bewältigung der Folgen der Euro-Krise eine Vermögensabgabe vor. Ich finde, dieser Vorschlag geht auf alle Fälle in die richtige Richtung. Wir werden uns bei der konkreten Abstimmung heute trotzdem enthalten, weil ich glaube, dass die Ausgestaltung der Vermögensabgabe zu viel Gestaltungspotenzial birgt, sie zu umgehen. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Ihr wollt ja 5 Prozent haben - pro Jahr!) Was uns als Linke wirklich stört, ist, dass sich der Gesetzentwurf nur auf die Vermögensabgabe bezieht. Ich denke, wir brauchen tatsächlich beides: eine Vermögensabgabe und eine Vermögensteuer. Über die Ausgestaltung können wir uns ja noch unterhalten. Denn mit einer Vermögensteuer - die wird ja einfach nicht mehr erhoben; aber wir könnten sie sofort wieder erheben; das hätten wir schon lange wieder tun können - könnten wir endlich auch die Bundesländer wieder ordentlich finanziell ausstatten. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal, wie viel Prozent Sie möchten!) Schauen Sie sich die Infrastruktur doch mal an! Was ist denn mit der Bildung? Ich hatte am Dienstagabend Elternabend. Meine Tochter kommt jetzt aufs Gymnasium. (Dr. Volker Wissing [FDP]: Gymnasium?) Und was kriege ich da zu hören? In Sachsen gibt es zwar jetzt Lernmittelfreiheit. Die Umsetzung ist allerdings noch nicht umfassend; Rechner und andere Dinge zählen nicht dazu. Deshalb kann sich das Gymnasium kein neues Kartenmaterial leisten. Jetzt können Sie natürlich sagen: Andere Schulen haben gar keine Karten mehr, die haben schon modernere Technik. - Diese Schule arbeitet aber eben noch mit Karten. Doch selbst dafür reicht das Geld nicht mehr. Deshalb unterstützen wir diese Diskussion. Ich freue mich auch, dass Bündnis 90/Die Grünen einen Vorschlag zur Welteinkommensbesteuerung gemacht hat. Wir haben das in einem Antrag in 2006 schon einmal gefordert. Natürlich müssen wir eine Änderung bei den Doppelbesteuerungsabkommen erreichen. Aber wenn man das gezielt macht, peu à peu, dann braucht man doch keine 20 Jahre dafür. Das geht doch auch wesentlich schneller, wenn der politische Wille da ist. Was die USA können, das sollten wir schon lange können. Ich danke Ihnen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt der Kollege Dr. Mathias Middelberg das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Mathias Middelberg (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir können hier heute einen wundersamen Standpunktwechsel feststellen, und zwar bei den Grünen. Eben ist erwähnt worden, dass die Linken hier schon im Jahr 2006 einen Antrag zu diesem Thema eingebracht haben. Dazu hat damals eine kluge Finanzpolitikerin Stellung genommen, aus deren Beitrag ich ein paar Sätze zitieren möchte. Sie hat damals gesagt, es stehe außer Frage, dass wir alle Steuerflucht wirksam bekämpfen wollten. Und weiter: Es gibt aber Vorschläge, die dazu nicht geeignet sind, und das gilt auch für Ihren Vorschlag. Damit war damals der Vorschlag gemeint, den die Linken eingebracht haben. Der entspricht aber genau Ihrem Antrag, über den wir heute debattieren. Weiter hat diese Finanzpolitikerin ausgeführt: Deswegen ist dieser Vorschlag nicht nur finanztechnisch gesehen Quatsch, sondern leider auch in politischer Hinsicht realitätsfremd. Gesagt hat das Christine Scheel, die finanzpolitische Sprecherin der Grünen, am 20. September 2007 hier im Bundestag. Ich finde, an der Sachlage hat sich - das haben die Kollegen Wissing und von Stetten eben überzeugend deutlich gemacht - nichts geändert. Ich würde Ihnen im Übrigen bei der Umsetzung auch viel Spaß wünschen, weil Sie deutlich über hundert Doppelbesteuerungsabkommen neu verhandeln müssten. Da wären Sie für die nächste Legislaturperiode gut ausgelastet. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Im nächsten Punkt geht es um die Vermögensabgabe; darüber diskutieren wir heute ja im Kern. Sie wollen das ein bisschen einschränken, indem Sie sagen: Das trifft nachher nur die Privatleute, das trifft irgendwelche Reichen, die auf wahnsinnig großen Geldsäcken sitzen, den ganzen Tag auf Mallorca im Landrover im Kreis herumfahren oder sonst was tun, die also nichts mit ihrem Geld anzufangen wissen. Die Wahrheit ist doch - und ich finde, es ist ganz wichtig, dass wir das deutlich machen -: Sie können rechtlich letztendlich nicht zwischen der Besteuerung von privatem und betrieblichem Vermögen differenzieren. Der Kanzlerkandidat der SPD hat dazu das schöne Beispiel gebracht: Jemand trägt sein Picasso-Gemälde aus seinem Privathaus rüber ins Besucherzimmer seines Betriebs und erklärt dann, das sei jetzt Betriebsvermögen. - Sie wissen doch ganz genau, wo die Probleme liegen. Sie wissen ganz genau, dass man das nicht differenzieren kann. Und Sie wissen, dass wir im Ergebnis die Breite unserer Unternehmen in Deutschland mit dieser Besteuerung treffen würden. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt einfach nicht! Das ist einfach falsch!) Diese Steuer würde, was ihre Bemessungsgrundlage angeht, auf das Vermögen bezogen, also auf die gesamte Substanz. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Gezahlt werden müsste sie aber aus den Gewinnen. Der Kollege von Stetten hat Ihnen das eben sehr schön vorgerechnet. Es gibt dazu auch eine Menge kluger Berechnungen von angesehenen Instituten in Deutschland. Die zusätzliche Belastung durch die Vermögensteuer und die sonstigen Abgaben, die Sie anstreben und die ein Mittelständler in Deutschland zu tragen hätte, liegt zwischen 15 und 20 Prozent. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Carsten Sieling [SPD]: Das sind doch Berechnungen ohne Grund und Boden!) Das ist die Wahrheit. Ich kann auch noch aus dem Brief Ihres Ministerpräsidenten Kretschmann zitieren, der genau auf diesen Punkt hingewiesen hat. Eine Besteuerung von Betriebsvermögen kann, je nach Ausgestaltung, das Eigenkapital aufzehren und Investitionsmöglichkeiten des Unternehmens schmälern. ... Darüber hinaus besteht die Gefahr der Substanzbesteuerung, wenn auch in ertragsschwachen Wirtschaftsjahren beziehungsweise von ertragsschwachen Unternehmen solche Steuern in Abhängigkeit vom Unternehmenswert - also von der Substanz - entrichtet werden müssten. Das, was Herr Kretschmann aufgeschrieben hat, ist die Wahrheit. Wie Sie ihn nachher bearbeitet haben, entzieht sich unserer Kenntnis. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Man muss das Ganze als ein Paket sehen; denn es bleibt nicht bei der Erhebung einer Vermögensabgabe, die die Grünen gerne hätten, und auch nicht bei der Einführung einer Vermögensteuer, die die SPD so gerne hätte. Im Zweifel wird beides kommen. Es kommt hinzu, dass Sie die Einkommensteuer um 7 Prozentpunkte anheben wollen. Sie wollen die Abgeltungsteuer anheben. Sie wollen die Gewerbesteuer durch Einbeziehung anderer Gruppen ausweiten. Sie wollen das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer verdoppeln. Das ist also ein riesiges Paket, das auf unsere Unternehmen zukommt. (Dr. Carsten Sieling [SPD]: Es trifft nur die Richtigen!) Es ist doch absolut blödsinnig, zu glauben, dass sich bei einer Erhöhung der Steuersätze nachher die Steuereinnahmen erhöhen werden. Wir sehen doch in allen europäischen Ländern mit höheren Steuersätzen, dass sie damit nicht etwa höhere Einnahmen erzielen. Im Gegenteil: Der eigene Standort wird unattraktiver. Investoren wandern ab. In Ländern wie Spanien, Frankreich und Italien können Sie beobachten, dass die Wirtschaftstätigkeit zurückgeht. (Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!) Diese Länder haben bei höheren Steuersätzen niedrigere Einnahmen. Das ist doch die Wahrheit. Das ist kein Zustand, den wir anstreben; im Gegenteil. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Zurufe von der SPD) Ich werde Ihnen dazu ein interessantes Zitat eines klugen Ökonomen vortragen. Es ging damals um die Unternehmensteuerreform, genauer: um die Absenkung der Unternehmensteuern. Dazu hat dieser Mann 2007 Folgendes ausgeführt: Wenn wir keine Unternehmensteuerreform machen - also die Unternehmensteuern nicht absenken -, wird Deutschland weiter an Steuerbasis ... verlieren, und die Staatseinnahmen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben werden auf Dauer nicht mehr, sondern weniger. Das war Ihr jetziger Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Ich kann nur sagen: Der Mann hat damals recht gehabt. Wir haben es damals richtig gemacht: Wir haben die Unternehmensteuern auf ein Niveau gesenkt, das unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa sichert. Das hat seitdem zu einer stetig wachsenden Wirtschaftstätigkeit, zu steigenden Investitionen in Deutschland und angesichts dieser wachsenden und steigenden Wirtschaftstätigkeit bei stabilen Steuersätzen zu stetig steigenden Einnahmen geführt. Das ist das richtige Konzept, um dieses Land auf erfolgreichen Kurs zu halten. An dieser Politik von Angela Merkel und von Wolfgang Schäuble als Finanzminister wollen wir konsequent festhalten. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ihre Rezepte, die Sie uns hier vortragen, würden zu den Zuständen führen, die wir in anderen europäischen Ländern erleben. Diese Zustände wie in Frankreich mit einer dreimal so hohen Arbeitslosigkeit und einer fast fünfmal so hohen Jugendarbeitslosigkeit möchte ich in Deutschland nicht haben. Wir wollen sie verhindern. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unterstes Niveau ist das!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass meine Vorgänger an diesem Platz Einvernehmen darüber hergestellt haben, wegen des angespannten Zeitplans auf Kurzinterventionen und Zwischenbemerkungen zu verzichten. Ich bitte dafür um Verständnis. Als letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt hat jetzt der Kollege Manfred Zöllmer von der SPD-Fraktion das Wort. (Beifall bei der SPD) Manfred Zöllmer (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Wissing, aus dem Kürschner geht hervor, dass Sie Organist im Nebenamt der Kirchengemeinde Heuchelheim sind. Ich glaube, da haben Sie etwas zu wörtlich genommen. (Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das ist wirklich peinlich!) Warum diskutieren wir heute überhaupt über die Erhebung einer Vermögensteuer, die die SPD vorschlägt, oder über die Einführung einer Vermögensabgabe, wie sie von den Grünen vorgeschlagen wird? Wir diskutieren abschließend darüber, weil wir der Auffassung sind, dass zusätzliche Ausgaben auch zusätzlich finanziert werden müssen. Damit unterscheiden wir uns von der Voodoo-Ökonomie von CDU und CSU. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Sie machen Ankündigungen mit einem Volumen von 45 Milliarden Euro, ohne einen einzigen Cent der Gegenfinanzierung zu benennen, nach dem Motto: Das hat ja schon vor vier Jahren so wunderbar geklappt. Lesen Sie doch einfach einmal die Wahlprogramme und die Koalitionsvereinbarung von Schwarz-Gelb. 24 Milliarden Euro Steuersenkungen wurden dort versprochen. Einfach, niedrig und gerecht - so wurde es von der FDP versprochen. Aber wie wir wissen, ist es so nicht gekommen. (Johannes Vogel [Lüdenscheid] [FDP]: Natürlich, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz!) Ich hätte fast die Hoteliers vergessen. Diese haben Sie natürlich beglückt. Für diese haben Sie gesorgt. Sie haben insgesamt 35 Milliarden Euro an die eigene Klientel ausgeschüttet. Das ist Klientelpolitik pur. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Gekommen sind des Weiteren Erhöhungen der Luftverkehrsteuer, Brennelementesteuer, Tabaksteuer usw. Nicht zu vergessen: neue Schulden. (Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Sagen Sie doch mal was zum Thema!) In dieser Legislaturperiode haben Sie 100 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Jetzt stehen wir vor weiteren Schulden aufgrund von Flut, Betreuungsgeld, Wahlgeschenken. Wir brauchen eine Vermögensteuer, weil wir zusätzliche Investitionen in Bildung, Infrastruktur und lebendige Kommunen tätigen wollen. All dies wurde von der Bundesregierung vernachlässigt. Wir brauchen eine neue Lastenverteilung, um die Finanzierungsgrundlage der öffentlichen Hand angesichts der Schuldenbremse zu sichern. (Beifall bei der SPD) Angesichts der Tatsache, dass in diesem Land 10 Prozent der Bevölkerung über 60 Prozent des Vermögens besitzen, bedeutet das etwas mehr Verteilungsgerechtigkeit. Der Vorschlag der SPD lautet: Wiedereinführung der Vermögensteuer. Sie müssen gar nicht mit dem Verweis auf Luftbuchungen und Luftzahlungen argumentieren, wie es Herr Middelberg getan hat. Das Bundesverfassungsgericht wird noch in diesem Jahr über die Verfassungsgemäßheit des geltenden Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes entscheiden. Wir wollen eine Steuerbefreiung von betrieblichen Vermögen. Wir werden dafür sorgen, dass es keine Substanzbesteuerung gibt. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Die Grünen gehen mit ihrem Vorschlag einer Vermögensabgabe einen anderen Weg. Deshalb werden wir uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf enthalten. Den Antrag der Grünen werden wir ablehnen. Er widerspricht unserem Modell der Besteuerung. Dieses Modell sieht eine Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen dem Wohnsitzstaat nach dem Welteinkommensprinzip und dem Quellenstaat vor, der nur die auf seinem Territorium erwirtschafteten Einkommen besteuern darf. Alle DBAs sind nach diesem Prinzip aufgebaut. Deshalb wollen wir daran festhalten. Man kann in der Tat darüber nachdenken, wie man vorhandene Systeme verbessern kann. Aber ein im Grundsatz bewährtes System sollte man nicht wegen Boris Becker kurzfristig aufgeben. Schnellschüsse aus der Hüfte helfen uns da nicht weiter. Lassen Sie uns darüber sorgfältig diskutieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14133 mit dem geänderten Titel "Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft knüpfen". Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Zustimmung der Linken und der Grünen. Wir kommen zur Abstimmung über den von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Erhebung einer Vermögensabgabe. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13803, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/10770 abzulehnen. Wir stimmen über den Gesetzentwurf nun namentlich ab. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung. Haben alle Kolleginnen und Kollegen ihre Stimmkarten eingeworfen? - Das ist der Fall. Dann schließe ich den Wahlgang und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.6 Wir setzen die Beratungen fort. Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, wieder Platz zu nehmen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 11 auf: - Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) zu dem Antrag der Bundesregierung Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali (MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 - Drucksachen 17/13754, 17/14174 - Berichterstattung: Abgeordnete Karl-Georg Wellmann Heidemarie Wieczorek-Zeul Marina Schuster Jan van Aken Kerstin Müller (Köln) - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14175 - Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaus Brandner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Roland Claus Sven-Christian Kindler Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses werden wir später wiederum namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin der Kollegin Marina Schuster für die FDP-Fraktion das Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Marina Schuster (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns hier im Hohen Haus schon mehrmals, zuletzt im Februar, mit der Situation in Mali und auch mit der Situation der gesamten Sahelregion beschäftigt. Da haben wir über den deutschen Beitrag für das AFISMA-Mandat debattiert. Das war die afrikanisch geführte Mission. Das AFISMA-Mandat wird beendet. Es kommt ein neues, ein viel breiteres Mandat der Vereinten Nationen: MINUSMA. Das ist die Stabilisierungsmission in Mali. Es wird das drittgrößte UN-Mandat mit bis zu 11 200 Soldaten und 1 440 Polizisten sein. Die Aufgaben umfassen die Stabilisierung wichtiger Bevölkerungszentren, vor allem aber auch die Unterstützung bei der Wiederherstellung staatlicher Autorität im ganzen Land. Eine Kernaufgabe des Mandats ist die Unterstützung des politischen Prozesses und der Schutz der Menschenrechte. Wir begrüßen das ausdrücklich. Wir wissen auch, dass die logistischen Herausforderungen vor Ort groß sind. Deswegen sind wir auch bereit, die Kapazitäten, die wir zur Verfügung stellen können, einzubringen, nämlich Lufttransport und Luftbetankung. Es wird also weiterhin eine logistische Unterstützung für das neue breite Mandat der UN geben. Es werden bis zu 150 deutsche Soldaten eingesetzt werden, auch Einzelpersonal in Stäben beispielsweise für Beratungs- und Unterstützungsaufgaben. Jetzt möchte ich auf die politische Situation eingehen. Wir können uns alle sehr genau an die Situation im Januar erinnern, als die Rebellen kurz vor Bamako standen. Wäre es den Rebellen gelungen, bis nach Bamako vorzurücken, gäbe es kein Fenster mehr für einen politischen Prozess. Den sehen wir jetzt. Es gibt einen begrüßenswerten Fortschritt; es gibt ein Rahmenabkommen. Die malische Regierung hat mit den Tuareg-Rebellen verhandelt und ein Abkommen geschlossen. Das ist ganz wichtig, damit die Präsidentschaftswahlen auch im Norden Ende Juli durchgeführt werden können. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Darüber hinaus ist auch über weitere Punkte verhandelt worden: über die Demobilisierung der Rebellen, den Waffenstillstand, aber auch über die Rückkehr der zivilen Verwaltung in den Norden. Wir hoffen, dass dieses Abkommen trägt, damit die Wahlen auch frei und fair verlaufen können; denn wichtig ist, dass Wahlen eine breite Legitimität haben. Wir haben oft genug Wahlen erlebt, die nicht durch einen transparenten Prozess gekennzeichnet waren. Insofern ist es ganz wichtig, dass sie gut verlaufen. (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich möchte noch drei weitere Aspekte ansprechen. Zunächst die humanitäre Hilfe: Es gibt 500 000 Binnenvertriebene und 175 000 Flüchtlinge in den Nachbarländern. Wir wissen, dass sich die Nahrungskrise zuspitzen wird. Ich bin daher sehr dankbar, dass die Bundesregierung ganz konkrete Hilfe leistet. Sie hat nicht nur humanitäre Hilfe geleistet, sondern sie hat in der Entwicklungszusammenarbeit neue Zusagen gemacht; denn es muss auch darum gehen, im Bereich der Ernährungssouveränität und Ernährungssicherheit voranzukommen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der zweite Aspekt ist die Aufarbeitung der Verbrechen. Wir unterstützen ausdrücklich, dass der internationale Strafgerichtshof ermittelt. Es kann keinen politischen Prozess und keine Aussöhnung geben, wenn es keine Strafverfolgung gibt. Straflosigkeit ist ein großes Hindernis. Ich bin froh, dass Ermittlungen durchgeführt werden. Diese Ermittlungen brauchen wir; denn sonst geht es dort nicht voran. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der dritte Aspekt ist die regionale Dimension. Herr Schmidt, diese ist auch im Antrag der Grünen enthalten. Es steht auch im Mandatstext selber. Ohne eine Einbindung der Nachbarstaaten wird es zu keinem dauerhaften Frieden kommen können. Die Kämpfer werden sich neue Rückzugsorte suchen. Insofern ist es besonders wichtig, dass Algerien und Libyen enger mit der malischen Regierung zusammenarbeiten. Ich bin froh, dass es vor Ort Fortschritte gibt, gerade was den Friedensprozess betrifft. Deswegen werden wir den Antrag bezüglich MINUSMA unterstützen. Ich möchte an dieser Stelle allen Soldatinnen und Soldaten, allen Polizistinnen und Polizisten und vor allem auch den zivilen Helfern, die in schwierigen Situationen weltweit Dienst tun, herzlich Dank sagen. Ich wünsche mir, dass dieses Mandat eine breite Unterstützung erhält. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Dr. Gernot Erler das Wort. (Beifall bei der SPD) Dr. h. c. Gernot Erler (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Dienstag dieser Woche hat der UN-Sicherheitsrat einstimmig beschlossen: Ab 1. Juli sollen 11 200 Soldaten und 1 440 Polizisten in Mali zur Stabilisierung der Lage eingesetzt werden. Die Mission heißt Multidimensionale Integrierte Stabilisierungsmission - Herr Präsident, ich habe geübt -, trägt die Abkürzung MINUSMA und stellt immerhin weltweit die im Moment drittgrößte - Frau Schuster hat es gesagt - UN-Mission dar. Diese massive Intervention findet in einem kleinen afrikanischen Land statt. Mali hat 15 Millionen Einwohner bei 30 verschiedenen Ethnien, hat sich aber den Wahlspruch ausgewählt: "un peuple, un but, une foi" - ein Volk, ein Ziel, ein Glaube - und galt, was die politische Situation anging, lange Zeit als demokratisches Vorzeigeland in Westafrika. Dramatische Vorkommnisse im Jahr 2012 haben alles geändert. Im Januar greift eine Organisation mit dem Kürzel MNLA - Mouvement national de libération de L'Azawad - die malische Armee an. "Azawad" steht für das Land, das sich die Tuareg als unabhängig wünschen. Dafür haben sie sich schon öfter erhoben. Also, eigentlich ist das nichts Neues. Diesmal werden sie aber von gut bewaffneten Söldnern, die früher dem Oberst Gaddafi gedient haben, und von Überläufern aus der malischen Armee unterstützt. Diese erleidet bei einem Überfall schwere Verluste mit mehr als 80 Toten und lässt ihre Wut darüber mit einem Putsch gegen den Präsidenten aus, der abgesetzt wird. Die Tuareg kämpfen aber nicht alleine. Ihnen haben sich zwei andere Organisationen zugesellt. Die eine heißt Ansar Dine - Anhänger des Glaubens -, sie möchte im Norden Malis die Scharia durchsetzen. Die andere hört auf die klangvolle Abkürzung MUJAO und gehört zur Terrorgruppe AQMI, was bedeutet: al-Qaida au Maghreb islamique. Die Profikämpfer der beiden islamistischen Vereinigungen drängen alsbald die MNLA der Tuareg beiseite, nehmen den Norden Malis unter Kontrolle, terrorisieren die wehrlose Bevölkerung und fühlen sich stark genug, in Richtung Süden zu marschieren. Mali ist plötzlich ein Land ohne handlungsfähige Regierung, mit zerstörten Dörfern, Flüchtlingsströmen, mit ruinierten heiligen Stätten, die zum Weltkulturerbe gehören, und vor allen Dingen mit der Gefahr, dass ein Ableger von al-Qaida das ganze Land zu einem sogenannten sicheren Hafen des Terrorismus macht. Das ruft jetzt andere auf den Plan. Die zuständige afrikanische Regionalorganisation ECOWAS schickt sich an, eine Militärmission zu bilden, die auf die englische Abkürzung AFISMA hört. Die EU bereitet Ende 2012 eine Ausbildungsmission für die desolate malische Armee vor, EUTM Mali, und die Vereinten Nationen legitimieren diese Bemühungen mit einer Sicherheitsratsresolution. Als sich aber plötzlich zeigt, dass das alles zu spät kommen könnte - sichtbar an dem Vormarsch der Islamisten Richtung Hauptstadt Bamako im Süden des Landes -, interveniert Frankreich kurzerhand am 11. Januar dieses Jahres mit der Opération Serval und schafft es mit 4 000 Soldaten und den Resten der malischen Armee, die Aufständischen nach Norden abzudrängen und das Land wieder weitgehend unter Kontrolle zu bringen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Wie viele Tote hat es gegeben?) Allerdings werden die Terrorgruppen nicht vollständig aufgerieben. Sie gehen zu dem über, was wir als asymmetrische Kriegführung kennen. Das heißt, Mali braucht noch auf Dauer internationale Hilfe, die weder von Frankreich noch von der EU oder ECOWAS gestellt werden kann. Deshalb debattieren wir heute über die massive UN-Mission MINUSMA. Eigentlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, macht die Lage Hoffnung. Die Tuareg konnten inzwischen - auch das hat Frau Schuster erwähnt - zu einer Waffenruhe und einem Friedensabkommen - dies war am 18. Juni - überredet werden. Das macht den Weg frei, im ganzen Land - auch in der bisher umkämpften nördlichen Stadt Kidal - am 28. Juli Präsidentschaftswahlen abzuhalten. 12 600 UN-Soldaten und -Polizisten sollten eigentlich ausreichen, die Lage in Mali wieder nachhaltig unter Kontrolle zu bringen. Meine Fraktion wird dem Antrag der Bundesregierung zustimmen, hierzu mit nicht mehr als 150 Soldaten für Lufttransport, Luftbetankung und Stabsaufgaben einen wirklich überschaubaren Beitrag zu leisten. Aber einige Fragen stellen sich in Sachen Mali doch, wenn man sich den von mir kursorisch skizzierten Ablauf vor Augen hält. Das Tuareg-Problem war längst bekannt. Die illegalen Geschäfte des abgesetzten Präsidenten Amadou Toumani Touré - auch mit den Tuareg - waren ebenfalls längst bekannt. Die Schwächen und Unzufriedenheiten in der nur 5 000 Mann umfassenden malischen Armee waren ebenso längst bekannt. Auch das Problem der nicht entwaffneten, aus Libyen zurückkehrenden Tuareg-Söldner war längst bekannt. Hier hat also die Konfliktprävention versagt; das ist eindeutig. Bei aller Konzentration auf das, was zu tun ist, darf die Frage nach dem, was leider nicht richtig gemacht wurde, nicht vergessen werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die nächste Frage gilt ECOWAS. Wir brauchen Regionalorganisationen, die tatsächlich in der Lage sind, regionale Verantwortung zu übernehmen. Mali zeigt das Problem der sogenannten African Ownership. Statt über die Ertüchtigung von Gestaltungsmächten durch Waffenlieferungen sollte die Bundesregierung über die Ertüchtigung von Regionalorganisationen nachdenken, damit diese zur Konfliktprävention und Konfliktlösung befähigt werden. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zwei andere Umstände sind noch auffällig. Bei MINUSMA kennen wir die Zahl der benötigten Soldaten und Polizisten. Es ist aber auch die Rede von zivilen Missionsangehörigen, allerdings ohne Nennung von Aufgaben oder Zahlen. Wieso eigentlich? Warum beschließen wir hier eine Mission mit einer unbekannten zivilen Komponente? Ich würde gerne einmal wissen, wer dazu Auskunft geben kann. Wir wissen, dass sich die Kämpfer der MUJAO und AQMI über die Grenze zurückziehen und sich, wie auch die Tuareg, in der ganzen Sahelzone bewegen. Umso wichtiger wird die EU-Strategie für die Sahelregion unter Einbeziehung von Mali, Mauretanien und Niger. Aber außer vier Aktionslinien und der Tatsache, dass ein französischer EU-Sonderbeauftragter dort Dienst tut, hört man nichts von dieser EU-Sahelstrategie. Dabei ist klar, wie wichtig der regionale Aspekt bei der Lösung dieses Konflikts eigentlich ist. Unsere Zustimmung zum deutschen Beitrag zu MINUSMA bedeutet nicht, dass wir nicht weiter auf der Beantwortung dieser Fragen bestehen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetz zur Erhebung einer Vermögensabgabe bekannt: abgegebene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 67, mit Nein haben gestimmt 318, Enthaltungen 195. Der Gesetzentwurf ist abgelehnt. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 579; davon ja: 66 nein: 318 enthalten: 195 Ja SPD Stefan Rebmann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Dr. Maria Flachsbarth Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Dr. Norbert Lammert Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Dr. h. c. Jürgen Koppelin Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Dagmar Ziegler Manfred Zöllmer Brigitte Zypries DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg fraktionslose r Abgeordneter Wolfgang Neškovic (Dr. Florian Toncar [FDP]: Weit von einer Mehrheit entfernt!) Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Philipp Mißfelder von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Florian Hahn [CDU/CSU]: Guter Mann!) Philipp Mißfelder (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich noch einmal an die UNIFIL-Debatte von vorhin anknüpfen, weil es die Kollegin Beck, aber auch andere Kollegen wie Herrn Montag und meinen Kollegen Hahn gedrängt hat, hier noch einmal Stellung zu dem zu beziehen, was Frau Höger gesagt hat. Ich möchte das vereinbarungsgemäß in ihrem Namen tun. Frau Höger hat die im Rahmen des UNIFIL-Einsatzes getöteten Soldaten angesprochen und dafür eine Verantwortung Israels reklamiert. Das weise ich in aller Schärfe und mit aller Entschiedenheit zurück. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Frau Höger, ich fordere Sie auf, sich hier zu entschuldigen, und ich fordere Ihre Partei und Ihre Fraktion auf, endlich ihr gestörtes Verhältnis zu Israel in Ordnung zu bringen. So etwas darf nicht unwidersprochen hier im Saal stehen bleiben. Deshalb habe ich diesen Punkt noch einmal angesprochen. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Zu dem MINUSMA-Mandat haben Kollegin Schuster und Kollege Erler schon sehr viel gesagt. Ich finde, dass der Wahltermin am 28. Juli uns Hoffnung gibt. Ob er all das hält, was er verspricht - Kollegin Schuster hat es angesprochen -, sei dahingestellt. Trotzdem ist es bemerkenswert, dass eine Frau für das Amt des Präsidenten kandidiert, gerade aus einer der Hochburgen der Islamisten. Wenn Sie hören, was sie zu sagen hat, dann können Sie feststellen, wie schwierig die Situation im Land nach wie vor ist. Deshalb ist das Thema Mali für uns nicht nur dann wichtig, wenn die Franzosen uns fragen, ob wir mit ihnen gemeinsam - das haben wir ja auch getan - diese Demokratie und die richtigen Gruppierungen im Land unterstützen, sondern für uns ist dieses Thema von dauerhaftem Interesse. Das Land leidet unter einer extrem hohen Binnenvertreibung von Menschen. 500 000 Menschen sind auf der Flucht. Allein dies zeigt, wie schwierig die humanitäre Situation ist und wie groß das Engagement der internationalen Gemeinschaft sein muss. Mali ist nach wie vor in einer sehr schwierigen Situation. Deshalb ist es auch richtig, dass wir uns in dem begrenzten Maße, in dem wir das tun, in einer Risikoabwägung, die wir bei Mandaten immer vornehmen, ent-schlossen haben, die Strategie der Kanzlerin sowie unseres Bundesaußenministers und unseres Bundesverteidigungsministers weiter zu verfolgen, vor allem unsere Partner bei der Ertüchtigung und dann zu unterstützen, wenn es im Rahmen von logistischer Hilfe darum geht, unseren Verbündeten solidarisch zur Seite zu stehen. Mali ist ein umstrittenes Thema gewesen, weil es - wie bei anderen Konflikten auf der Welt - natürlich manchen drängt, zu sagen, man müsse noch viel mehr tun. Aber unserem militärischen Engagement sind immer Grenzen gesetzt. Umso mehr freuen wir uns, dass die Franzosen erfolgreich und in großer Eintracht Verantwortung übernommen haben. In vielen Gesprächen, die wir mit französischen Vertretern geführt haben, haben wir gemerkt, wie dankbar diese uns sind, dass wir im Zusammenhang mit MINUSMA einen Beitrag leisten. Und den wollen wir hier heute auf den Weg bringen. Meine Damen und Herren, das Geschehen in Mali - mein Kollege Hartwig Fischer hat es in seiner letzten Bundestagsrede vor kurzem angesprochen - hat schlagartig deutlich gemacht, wie wenig Engagement für Afrika in diesem Haus leider zu verzeichnen ist. Ich möchte auch bei dieser Gelegenheit dem Kollegen Fischer danken; er ist heute leider nicht hier. Er wird aus dem Bundestag ausscheiden; aber ich hoffe, dass irgendjemand, egal aus welcher Fraktion, diese Lücke, die durch seinen Weggang gerissen wird, schließen und sein großes Engagement für Afrika fortführen wird. Die meisten - von wenigen Beispielen abgesehen - werden, wenn sie in sich gehen und ehrlich sind, sagen müssen, dass Afrika im Großen und Ganzen hier eher eine untergeordnete Rolle spielt. Deshalb wünsche ich mir, dass das Engagement von Hartwig Fischer fortgesetzt werden wird. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit MINUSMA erhoffen wir uns einen Stabilisierungsbeitrag. Mit MINUSMA versuchen wir, einen Beitrag dafür zu leisten, dass das wichtige Kulturgut Malis erhalten bleibt. Wir erhoffen uns auch, damit einen Beitrag dafür zu leisten, dass nationale und internationale Justizregeln eingehalten werden können, dass Staatlichkeit überhaupt entstehen kann und dass - auch dies gehört zu unserer außenpolitischen Konzeption - neben zivilem und entwicklungspolitischem Engagement auch militärische Maßnahmen dies absichern können. Zum Schluss möchte ich auf die Gesamtheit unserer Mandate eingehen. Bei jedem Mandat, das wir in den vergangenen vier Jahren auf den Weg gebracht haben, kann man sagen, dass wir keinen Einsatz überhastet angegangen sind, dass wir keinen Einsatz leichtfertig angegangen sind. In den vergangenen vier Jahren ist wohl jedem von uns jede Abstimmung schwergefallen. Der Kollege Hahn hat es gesagt: 6 000 Soldatinnen und Soldaten sind gerade im Einsatz. Ihnen rufe ich genauso wie unseren Entwicklungshelferinnen und Entwicklungshelfern, den Polizistinnen und Polizisten sowie den Diplomaten, die im Auftrag unseres Landes im Einsatz sind, zu: Wir sind zu Recht stolz auf Sie! Ihren Familien, ihren Ehepartnern und ihren Kindern, rufe ich zu, dass auch sie stolz sein können auf das, was ihre Ehepartner und Eltern leisten. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Jan van Aken. (Beifall bei der LINKEN) Jan van Aken (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mißfelder von der CDU/CSU hat gerade der Linken vorgeworfen, ein gestörtes Verhältnis zu Israel zu haben. (Zurufe von der CDU/CSU: Richtig! - So ist das!) Sie irren. Ich glaube eher, Sie alle, die Sie jetzt hier johlen, haben ein sehr gestörtes Verhältnis zum Krieg. (Beifall bei der LINKEN - Johannes Kahrs [SPD]: Das ist doch peinlich!) Wenn irgendwo Bomben fallen, wenn irgendwo Menschen sterben, dann werden wir nicht schweigen. Ich finde, einer Partei, Herr Mißfelder, die das Wort "christlich" in ihrem Namen trägt, würde es gut zu Gesicht stehen, kritisch auch diejenigen zu begleiten, die Bomben werfen. (Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Heuchler!) Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland keine Waffen mehr exportieren sollte; das wissen Sie. (Michael Brand [CDU/CSU]: Ablenkungsmanöver!) Ich glaube, es gibt sehr viele gute Gründe gegen Waffenexporte. Viele davon sehen wir gerade - wie in einem Brennglas - in Mali. Wir sehen zum Beispiel Fotos von Waffen der malischen Rebellen, und da sehen wir natürlich auch das deutsche G-3-Gewehr. Stellen Sie sich jetzt einmal Folgendes vor: Deutschland beliefert das Land Katar mit Waffen. Katar beliefert die malischen Rebellen mit Waffen. Gegen die malischen Rebellen kämpft Frankreich. Die Franzosen wiederum unterstützt Deutschland. Und Deutschland liefert Waffen an Katar usw. Das ist doch kompletter Wahnsinn! Einen solchen Zirkelschluss können Sie doch nicht ernst meinen. (Beifall bei der LINKEN) Zu Mali selbst und zu dem Mandat. Sie alle reden hier von "Dialog" und von "Versöhnung". Wenn es tatsächlich darum ginge, wäre es ja schön und gut; aber darüber stimmen wir heute leider nicht ab. Wir stimmen eben nicht über Maßnahmen der zivilen Konfliktbearbeitung ab. Wir stimmen nicht darüber ab, Mediatoren oder Konfliktbearbeiterinnen nach Mali zu schicken. Wir stimmen nicht darüber ab, dafür zu sorgen, dass Mali endlich eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung nehmen kann. Wir stimmen nicht darüber ab, in Mali Dialogforen zu schaffen. Für all diese Maßnahmen hätten wir wunderbare Expertinnen und Experten in Deutschland; aber die wollen Sie gerade nicht nach Mali schicken. Wir stimmen einzig und allein darüber ab, ob 150 Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten nach Mali geschickt werden. Ich finde, Sie sollten endlich aufhören, so zu tun, als ob 150 Bundeswehrsoldaten einen politischen Dialog in Mali befördern könnten. Das können sie nämlich nicht. (Beifall bei der LINKEN) Jetzt sagen Sie vielleicht, der politische Prozess finde anderswo statt und werde nicht von den Soldaten getragen. Aber auch da lügen Sie sich in die Tasche. Wenn Sie sich die Realität in Mali anschauen, dann sehen Sie, dass das Bild leider sehr viel trauriger ist als jenes, das Sie hier gemalt haben. Natürlich wurde eine Kommission für Dialog und Versöhnung eingerichtet. Aber Sie alle wissen, dass sie seit März genau einmal getagt hat. Sie alle wissen, dass sie sich faktisch selbst aufgelöst hat. Sie alle wissen, dass nur ganz wenige Gruppen daran beteiligt sind. Darauf können Sie sich nicht ernsthaft positiv beziehen. Sie können sich auch nicht ernsthaft positiv auf die Unterstützung durch die malische Bevölkerung beziehen. Ja, sie hat die Militärintervention am Anfang begrüßt. Aber auch Sie wissen, dass die Stimmung mittlerweile in Wut und Frustration umgeschlagen ist. Sie wissen doch, dass es jetzt Wut darüber gibt, dass die Franzosen einen Deal mit der MNLA in Kidal gemacht haben und das Land dort quasi Frankreich und der MNLA übergeben worden ist. Sie wissen auch, dass es Wut darüber gibt, dass Frankreich darauf gedrängt hat, die Wahlen so schnell und hektisch durchzuführen, dass sie überhaupt nicht frei und fair sein können. Sie wissen um diese Wut, und trotzdem unterstützen Sie weiterhin Frankreich. Das, was derzeit in Mali passiert, nennt man wohl einen kurzen Prozess. Von der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich wird kurzer Prozess gemacht, um möglichst schnell zum üblichen Geschäft zurückzukehren. Dabei geht es Frankreich natürlich auch um das Geschäft mit den Rohstoffen in Mali. (Günter Gloser [SPD]: Das musste ja kommen!) - Da brauchen Sie gar nicht zu jaulen. Wenn Sie sich ordentlich informiert hätten, dann wüssten Sie, dass dies Teil der Abmachung zwischen Frankreich und der MNLA ist, dass es in Art. 3 und Art. 20 f. der Vereinbarung - schauen Sie es sich an! - um Rohstoffe, um die Zeit nach den Wahlen geht. Genau das wird jetzt vorbereitet. Da können Sie sich in die Tasche lügen, da können Sie die Augen zumachen. Aber beziehen Sie sich nicht positiv auf die Vereinbarung zum Waffenstillstand, mit der schon heute - das ist einfach Fakt - die Rohstoffe von morgen aufgeteilt werden. (Beifall bei der LINKEN) Die Wut der Menschen in Mali ist groß, und Sie unterstützen trotzdem blindlings weiter Frankreich, einfach weil es ein Bündnispartner ist. Das finden wir falsch. Wir finden: Wenn Sie Mali wirklich helfen wollen, dann sollten Sie sich auf einen langen politischen Prozess einlassen. Ich kann Ihnen sagen: Für einen kurzen Prozess bekommen Sie unsere Stimme nicht. (Beifall bei der LINKEN - Florian Hahn [CDU/CSU]: Die kriegen wir eh nie! Lassen Sie sich mal etwas anderes einfallen, als Mandate abzulehnen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Frithjof Schmidt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege van Aken, wenn man Ihnen so zuhört, dann muss man ja den Eindruck haben, dass Sie Folgendes wirklich glauben: Hätte man die Islamisten mit ihrer Terrorherrschaft im Norden gewähren lassen und ihren Vormarsch in den Süden nicht gestoppt, dann wäre die Lage der Menschen in Mali heute besser. Das ist doch eine absurde Wahrnehmung dessen, was da passiert ist, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP - Zurufe von der LINKEN) eine absurde Verkennung dessen, was im Land passiert ist. Sie haben selber erwähnt, dass die Menschen gefeiert haben, als sie die Islamisten losgeworden sind. Aber dann können Sie doch nicht verschweigen, dass die Menschen die Islamisten losgeworden sind, weil sich Frankreich militärisch engagiert hat, die internationale Gemeinschaft dies unterstützt hat und das Land stabilisiert hat, sodass sich die Sicherheitslage der Menschen in Mali in den letzten Monaten deutlich verbessert hat. Das können Sie nicht einfach ignorieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Ich sage es noch einmal: Es ist ein Erfolg, dass der Terror der Islamisten gegen die Bevölkerung im Norden beendet werden konnte. Dann muss man auch dazu stehen, dass es dazu der Gewalt bedurfte. (Heike Hänsel [DIE LINKE]: Und in Syrien unterstützen Sie die Rebellen!) Wir müssen trotzdem sagen: Wenngleich eine zusätzliche regionale Eskalation der Kämpfe in Westafrika verhindert wurde, ist die Lage im Land natürlich immer noch sehr schwierig; die Probleme sind immer noch sehr groß. Wir alle wissen, dass militärische Einsätze die Probleme eines Landes in einer solchen Lage nicht lösen können und auch nicht zu nachhaltiger Entwicklung führen; aber sie sind vielleicht eine notwendige Voraussetzung dafür, dass man in diese Richtung weitergehen kann. Das haben Sie nach wie vor einfach nicht verstanden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Deswegen ist es auch gut, dass die Vereinten Nationen Verantwortung übernehmen, dass es nicht nur bei der Verantwortung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich oder der Europäischen Union bleibt. Es ist ein Verdienst der französischen Politik, darauf aktiv hingearbeitet zu haben. Wir sollten ausdrücklich anerkennen, dass die französische Regierung erklärt hat: Mit der Politik von Françafrique ist Schluss; wir wollen, dass die Vereinten Nationen die Verantwortung übernehmen. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Das haben die gesagt, aber nicht umgesetzt! Das ist doch das Problem! - Weitere Zurufe von der LINKEN) Deswegen ist es zu begrüßen, dass die Vereinten Nationen eine Mission durchführen, die einen umfassenden Prozess der Demokratisierung und der gesellschaftlichen Entwicklung sichern und begleiten soll. Ihre Zwischenrufe zeigen, dass sich die Vereinten Nationen Ihrer Meinung nach offensichtlich nicht um solche Krisen kümmern sollen. Wer soll es denn dann machen? Sie haben überhaupt keine konzeptionelle Idee, wie man weiterkommen soll. Das reicht einfach nicht. Das ist wirklich ein Armutszeugnis. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Die UNO ist am besten in der Lage, einen solchen Friedensprozess weiter abzusichern, den Aufbau der staatlichen Infrastruktur voranzutreiben und die anstehenden Wahlen zu unterstützen. Deswegen ist es gut, dass die afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission AFISMA jetzt in eine UN-Mission überführt wird. Bisher hat Deutschland diese Mission mit 150 Soldatinnen und Soldaten unterstützt, was wir befürwortet haben. Jetzt werden sie in die neue UN-Mission sozusagen überführt, was wir selbstverständlich auch unterstützen. Es ist gut und richtig und ein Fortschritt, dass die UNO jetzt die Verantwortung übernimmt. Das begrüßen wir ausdrücklich. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Damit wird Deutschland seiner internationalen Verantwortung in der UNO gerecht. Neben der Unterstützung des nationalen Versöhnungsprozesses und der Unterstützung durch humanitäre Hilfe legt das Mandat auch ein besonderes Augenmerk auf die Förderung der Menschenrechte. Auch das begrüßen wir ausdrücklich. Es ist wichtig, dass dieser Aspekt in dem Mandat enthalten ist. Deshalb wird meine Fraktion diesem Mandat mit breiter Mehrheit zustimmen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Gerade weil wir das Mandat begrüßen, sollten wir uns die bestehenden Probleme genauer anschauen. Die öffentliche Infrastruktur in Mali ist in großen Teilen zusammengebrochen, die Lebensgrundlage der bäuerlichen Bevölkerung ist in vielen Regionen zerstört, und noch immer gibt es eine enorme Anzahl von Flüchtlingen, nicht nur in Mali selbst, sondern auch in den Nachbarstaaten. Die humanitäre Lage bleibt nach wie vor ernst. Auch haben sich die islamistischen Kämpfer teilweise wohl nur vorläufig in unwegsame Grenzgebiete und Nachbarregionen zurückgezogen. Sie bleiben eine latente Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung. Entscheidend ist deshalb, den politischen Prozess der Demokratisierung und der Versöhnung voranzubringen. Die Vorvereinbarung zwischen der Übergangsregierung und der Tuareg-Bewegung MNLA vom 18. Juni dieses Jahres über einen reibungslosen Ablauf der Wahlen im Norden und über die Aufnahme von Friedensgesprächen muss umgesetzt und weiterentwickelt werden. Nur wenn die Präsidentschaftswahlen fair und mit umfassender Beteiligung aller Bevölkerungsteile - das heißt auch der malischen Flüchtlinge in der Region - durchgeführt werden, kann eine nachhaltige Entwicklung des Friedens erreicht werden. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt erteile ich nun das Wort dem Kollegen Ernst-Reinhard Beck von der CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die öffentliche Wahrnehmung ist der Einsatz der Bundeswehr in Mali, wie überhaupt der Einsatz in Afrika, etwas Neues. Tatsächlich hilft Deutschland Mali schon seit 40 Jahren. Auch militärisch sind wir seit Jahrzehnten in der Ausbildung der malischen Streitkräfte engagiert. (Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE]) - Ja, Frau Hänsel, auch Entwicklungshelfer sind seit vielen Jahrzehnten vor Ort tätig. Das sollte man an dieser Stelle nicht vergessen. Am 28. Februar 2013 hat der Deutsche Bundestag die Entsendung von bis zu 150 deutschen Soldatinnen und Soldaten für die Mission AFISMA mandatiert. Das war notwendig; denn die Befriedung Malis ist in unserem Interesse. Das Land wurde nach einem Putsch im April 2012 faktisch geteilt, nachdem die Regierung die Kontrolle im Norden verloren hatte. Seit dem 11. Januar dieses Jahres schlug der Bürgerkrieg in einen internationalen Konflikt um, als die französische Armee intervenierte, um den Vormarsch der Rebellen auf Bamako zu unterbinden. Die Intervention hatte drei Ziele: erstens den Stopp terroristischer Angriffe, zweitens die Sicherung von Bamako und der dort lebenden französischen Staatsbürger sowie drittens, die malische Regierung mit AFISMA zu befähigen, die territoriale Integrität des Landes wiederherzustellen. (Christine Buchholz [DIE LINKE]: Und die Rohstoffe!) Die Bundesregierung hatte Frankreich frühzeitig ihre Unterstützung zugesagt. Dabei war klar, dass die Hilfe logistischer und humanitärer Natur war und keinen Kampfeinsatz und kein Entsenden von Kampftruppen beinhaltete. Unter der Resolution 2085 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen liegt die Hauptlast der Verantwortung zur Befriedung des Landes bei der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten ECOWAS, die eine bis zu 3 700 Mann starke Einsatztruppe für AFISMA aufgestellt hat und von französischen Bodentruppen verstärkt wird. Die französischen Streitkräfte wiederum ersuchten um Lufttransportunterstützung und Luftbetankung, was von deutscher Seite bereitgestellt wurde. Bereits bei der Mandatierung von AFISMA war absehbar, dass diese Mission unter das Dach der Vereinten Nationen überführt werden könnte. Nach einem Grundsatzbeschluss am 25. April hat der UN-Sicherheitsrat am Dienstag den Einsatz einer 12 600 Mann starken Friedenstruppe aus Soldaten und Polizisten in Mali ab dem 1. Juli, das heißt ab Montag, abgesegnet. Damit werden die französischen Truppen das Kommando an die Blauhelme übergeben. Der zuständige Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen sieht für den Beginn eine Truppenstärke von 6 000 Mann vor allem aus afrikanischen Staaten vor. Dann soll MINUSMA die Hauptrolle bei der Stabilisierung Malis spielen. Zugleich endet die Mission AFISMA. Die Personalobergrenze von bis zu 150 Soldatinnen und Soldaten gilt aber weiterhin für die Bundeswehr. Unterstützung leistet die Bundeswehr mit Transportflugzeugen des Typs Transall; für die Luftbetankung steht ein Airbus A310 in der Tankerversion bereit. Operationsbasis ist ein Flugplatz bei Dakar im Senegal, von dem aus wir mit unseren britischen, spanischen und dänischen Freunden die Luftunterstützung koordinieren. Die Zusammenarbeit ist eng und gut, und die kurzen Wege sind nützlich für die Operationsplanung und für das Wartungsmanagement. Dies ist aufgrund der extremen Witterungssituation und des hohen Flugaufkommens von besonderer Bedeutung. Auch auf dem Flughafen in Bamako, der von der Bundeswehr regelmäßig angeflogen wird, sind die Techniker rasch zur Stelle, um die Einsatzbereitschaft zu gewährleisten. Meine Damen und Herren, die Transall-Flugzeuge sind schon seit 40 Jahren in der Bundeswehr im Einsatz. Sie sind die Lastesel des Lufttransports und daher wartungsintensiv. Gleichwohl sind sie nach Einschätzung von Experten wegen ihrer idealen Kurzstart- und -landefähigkeiten genau richtig und ideal für westafrikanische Flugplätze. Mali muss bis zur Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung, zur demokratischen Regierungsführung und zur nationalen Einheit noch einen weiten Weg zurücklegen. Die Sicherheitslage im Norden hat sich zwar seit Februar schrittweise verbessert, bleibt aber fragil. MINUSMA ist, wie wir wissen, breiter aufgestellt als AFISMA und umfasst nicht nur die Stabilisierung der Bevölkerungszentren und die Wiederherstellung der staatlichen Autorität im ganzen Land, sondern auch die Förderung des nationalen politischen Dialogs. Wir alle hoffen, dass die angekündigten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zur Konsolidierung der staatlichen Autorität auch im Norden des Landes beitragen wird. Die Versöhnung der Bevölkerungsgruppen muss dabei das oberste Ziel aller Bemühungen der Staatengemeinschaft sein. In diesem Sinne ist das Abkommen zwischen der malischen Regierung und den Rebellen vom 18. Juni zu begrüßen, das einen reibungslosen Verlauf der Präsidentschaftswahlen am 28. Juli auch in Kidal ermöglichen soll; vorhin ist darauf hingewiesen worden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Die deutsche Bevölkerung - auch das muss man am heutigen Tag sagen - steht diesem politischen Ansatz mehrheitlich positiv gegenüber. Bei einer ARD-Umfrage befürworteten 69 Prozent der Deutschen die logistische und medizinische Hilfe für Mali. Nur 22 Prozent der Befragten lehnten eine Teilnahme komplett ab. Bei der Geberkonferenz haben wir insgesamt 100 Millionen Euro für 2013 und 2014 zugesagt, dabei aber Fortschritte im Transitionsprozess angemahnt. Darüber hinaus unterstützen wir die Menschen in Mali und die Flüchtlinge in der Sahelzone humanitär. Ziel aber muss es sein, die Afrikaner, die Malier zu befähigen, selbst die Lösung ihrer Probleme in die Hand zu nehmen und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Was wir dazu beitragen können, sollten wir tun. Dazu trägt dieses Mandat bei. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Liebe Kolleginnen und Kollegen, dies ist meine letzte Rede im Deutschen Bundestag. Ich will die Gelegenheit nutzen, vor allem unseren Soldatinnen und Soldaten, nicht nur in Mali, sondern in allen Einsatzgebieten sowie in der Heimat, den Reservisten, den zivilen Beschäftigten der Bundeswehr und ihren Familien ein herzliches Dankeschön zu sagen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jan van Aken [DIE LINKE]) Ich bedanke mich bei den Mitgliedern des Verteidigungsausschusses für die kollegiale Zusammenarbeit. Mir hat die gemeinsame Arbeit im Interesse der Sicherheit unseres Landes Freude gemacht. Ich verabschiede mich und wünsche Ihnen alles Gute. Ich melde mich aus dem Funkkreis ab. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Beck, ich bedanke mich im Namen des ganzen Hauses bei Ihnen für die langjährige gute Zusammenarbeit. Wir wünschen Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Beifall) Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung zur Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission in Mali. Zur Abstimmung liegt eine Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung vor, die wir zu Protokoll nehmen.7 Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14174, den Antrag der Bundesregierung auf Drucksache 17/13754 anzunehmen. Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung namentlich ab. - Die Schriftführer sind, wie ich sehe, an ihren Plätzen. Dann eröffne ich die Abstimmung und bitte, die Stimmkarten einzuwerfen. Haben alle anwesenden Mitglieder ihre Stimmkarten eingeworfen? - Das scheint der Fall zu sein. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.8 Ich bitte die anwesenden Mitglieder, wieder Platz zu nehmen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14210. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist abgelehnt mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Fraktion Die Linke bei Zustimmung der Grünen und Enthaltung der SPD-Fraktion. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dagmar Freitag, Martin Gerster, Christine Lambrecht, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Dopingbekämpfung im Sport (Anti-Doping-Gesetz - ADG) - Drucksache 17/13468 - Beschlussempfehlung und Bericht des Sportausschusses (5. Ausschuss) - Drucksache 17/14015 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Riegert Martin Gerster Dr. Lutz Knopek Jens Petermann Viola von Cramon-Taubadel Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Widerspruch dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Dr. Christoph Bergner. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der SPD zur Dopingbekämpfung am Ende dieser Wahlperiode ist eine gute Gelegenheit, noch einmal darauf zu verweisen, dass die Bundesregierung in den zurückliegenden vier Jahren die Politik zur Bekämpfung von Doping und zur Prävention des Dopings im Sport konsequent fortgeschrieben und die Maßnahmen zur Dopingbekämpfung und Dopingprävention in Zusammenarbeit mit dem Sport erfolgreich fortentwickelt hat. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch selber nicht!) Das System der Dopingbekämpfung, das in der Bundesrepublik Deutschland entwickelt wurde, ist zweifellos nicht perfekt, aber es muss internationale Vergleiche nicht scheuen. Im Gegenteil: Wir erleben immer wieder, dass unser Dopingbekämpfungssystem vielen anderen Nationen inzwischen als Vorbild dient. (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei positive Proben von 8 000! Wenn das positiv ist! Wenn das vorbildlich ist!) Wir haben dies zuletzt bei der internationalen Sportministerkonferenz erneut bestätigt bekommen. Dies trifft auch für die Entwicklung der Gesetzeslage zu. Die Bundesregierung ist den Aufgaben, die ihr der Gesetzgeber gegeben hat, mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Dopings im Sport aus dem Jahre 2007 und der darin vorgesehenen Evaluierung nachgekommen, und zwar konsequent. Wir haben im Einvernehmen mit der großen Mehrheit des Sportausschusses (Dagmar Freitag [SPD]: Mit Ihrer Mehrheit!) einen wissenschaftlichen Sachverständigen ausgewählt. Wir haben seinen Evaluationsbericht und die darin empfohlenen Maßnahmen zwischenzeitlich konsequent umgesetzt. Das betrifft - wenn ich es noch einmal kurz in Erinnerung rufen darf - die Einführung der Tathandlung des Erwerbs von Dopingmitteln, der vorher im Arzneimittelgesetz strafrechtlich nicht erfasst war. Ferner betrifft es den Umstand, dass der Nachweis einer Anwendung zu Dopingzwecken in "erheblichem Umfang" als Voraussetzung für die Aufnahme eines entsprechenden Medikaments in den Anhang des Arzneimittelgesetzes bzw. in die Dopingmittel-Mengen-Verordnung gestrichen wurde. Darüber hinaus läuft derzeit zwischen BMJ, BMI und dem Bundeskanzleramt die Prüfung der Erweiterung des Vortatenkatalogs des § 261 Strafgesetzbuch. Schließlich hat auch die Landesebene begonnen, im Sinne dieser Evaluierung zu handeln. Die Verbesserung des Informationsflusses zwischen der NADA und den Strafrechtsbehörden ist durch entsprechende Richtlinien eingeleitet worden. Der zuständige Ausschuss der Justizministerkonferenz jedenfalls hat sich im Februar positiv für entsprechende Verbesserungen eingesetzt. Vor diesem Hintergrund wirkt es schon etwas eigentümlich, dass uns hier Maßnahmen, die der Sachverständige des Evaluationsberichtes, Professor Jahn, im Rahmen der Evaluation problematisiert hat, in einem Gesetzgebungsvorschlag der SPD-Fraktion begegnen. Ich will mich nur noch einmal auf die kritischsten Punkte, die im Gutachten selbst angegeben werden, beziehen. Dabei geht es zum einen um die Pönalisierung des einfachen, unbeschränkten Besitzes bzw. um die Bestrafung des Eigendopings. Ich will jetzt die Argumente, die wir im Sportausschuss ausgetauscht haben, nicht noch einmal im Einzelnen darlegen, (Dagmar Freitag [SPD]: Das wäre aber interessant!) sondern ich will aus dem von der grün-roten Landesregierung Baden-Württembergs vorgelegten Gesetzentwurf (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört! Sehr gut! - Beifall der Abg. Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Christine Lambrecht [SPD]: Keine Argumente, oder was? Haben Sie keine Argumente?) bzw. aus der einschlägigen Bundesratsdrucksache zitieren, in welcher - und zwar aus den verfassungsrechtlichen Gründen, die wir selber schon oft angeführt haben - der von Ihnen hier vertretene Vorschlag der Pönalisierung des Eigenbesitzes und des Eigendopings gerade abgelehnt wird. Ich zitiere, Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung aus dieser Bundesratsdrucksache bzw. aus dem grün-roten Gesetzesvorschlag. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Sie dürfen auch ohne meine Genehmigung zitieren. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ich zitiere: Tragfähige Gründe für eine solche Rechtsänderung - in Bezug auf Pönalisierung des Besitzes und Eigendoping - bestehen nicht. Der hierfür ins Feld geführte Vergleich mit dem Betäubungsmittelstrafrecht trägt nicht, weil es an einer vergleichbaren Gefährlichkeit aller Dopingmittel fehlt und auch kein vergleichbares Suchtpotenzial besteht. ... (Dagmar Freitag [SPD]: Sie haben es immer noch nicht verstanden!) Eine materielle Strafnorm bedarf der Rechtfertigung durch ein zu schützendes Rechtsgut. Sie darf nicht nur Vehikel zur Verdachtschöpfung oder zur Erleichterung des Nachweises dessen sein, was eigentlich strafwürdig ist. ... Die eigenverantwortliche Selbstschädigung ist nach deutschem Recht grundsätzlich nicht strafbar. Strafgrund könnte hier nur die Absicherung sportlicher Fairness sein. (Beifall der Abg. Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) - Ich darf auf die grüne Autorenschaft dessen aufmerksam machen, was ich hier verlese. (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen klatsche ich ja! - Gegenruf des Abg. Klaus Riegert [CDU/CSU]: Aber Sie haben es nicht verstanden!) Die Fairness im Sport als solche ist aber kein durch den Staat mit strafrechtlichen Mitteln durchsetzbares Rechtsgut. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) Meine Damen und Herren, wenn Sie uns nach vielen Sportausschusssitzungen in Bezug auf diese verfassungsrechtliche Frage nicht glauben, dann lesen Sie doch bitte die von Ihren Landespolitikern in Umlauf gebrachten Drucksachen mit der erforderlichen Sorgfalt. Ich will all die anderen Argumente, die in dem Zusammenhang auch im Sportausschuss schon intensiv diskutiert wurden, hier - mit Blick auf die Zeit - nur kurz streifen. Die Ausweitung der Strafbarkeit in Richtung Athleten bedeutet ein Aussageverweigerungsrecht für diese und eine Unschuldsvermutung mit entsprechenden Konsequenzen für die rasche Durchführung des sportrechtlichen Verfahrens. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Bergner, kommen Sie bitte zum Schluss. Dr. Christoph Bergner, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Ja. - Eine Bestrafung wird bei Eigenkonsum nicht erfolgen. Schließlich würde das zu einem Auseinanderfallen von sportrechtlicher und strafrechtlicher Sanktionierung mit allen Komplikationen führen, mit denen zu rechnen ist. (Dagmar Freitag [SPD]: Kommt noch was Überzeugendes?) Es ist auch damit zu rechnen, dass die Beschränkung der Strafvorschrift auf den organisierten Wettkampfsport völlig unkalkulierbare Konsequenzen hat. Ich bedaure sehr, dass wir uns trotz vieler Diskussionen im Sportausschuss noch immer mit solchen Vorschlägen auseinandersetzen müssen. (Dagmar Freitag [SPD]: Das werden Sie auch weiterhin tun müssen!) Deshalb ist es mir wichtig, diese Gelegenheit zu nutzen, um zu sagen: Wir haben in den letzten vier Jahren in Sachen Dopingbekämpfung (Dagmar Freitag [SPD]: Nichts getan! Geld für die NADA gestrichen!) eine erfolgreiche Politik gemacht. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu der Mission in Mali bekannt: abgegebene Stimmen 578. Mit Ja haben gestimmt 502, mit Nein haben gestimmt 69, Enthaltungen 7. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 578; davon ja: 502 nein: 69 enthalten: 7 Ja CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Dr. Stefan Kaufmann Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Sigmar Gabriel Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Dr. Wolfgang Gerhardt Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Michael Kauch Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Christoph Schnurr Jimmy Schulz Marina Schuster Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Guido Westerwelle Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler Nein SPD Klaus Barthel Hilde Mattheis Waltraud Wolff (Wolmirstedt) FDP Frank Schäffler DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Katja Kipping Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Katrin Kunert Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Dr. Gesine Lötzsch Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Michael Schlecht Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Hans-Christian Ströbele fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Enthalten SPD Marco Bülow Michael Groß Petra Hinz (Essen) FDP Dr. h. c. Jürgen Koppelin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Sylvia Kotting-Uhl Monika Lazar Beate Müller-Gemmeke Nun hat das Wort die Kollegin Christine Lambrecht für die SPD-Fraktion. (Beifall bei der SPD) Christine Lambrecht (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bergner, Sie haben hier zitiert; alles gut und schön. Sie haben es nur leider versäumt, in dieser Debatte zu sagen, um was es eigentlich geht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) In diesem Land engagieren sich circa 5 Millionen Menschen ehrenamtlich im Sport, circa 5 Millionen Menschen in circa 91 000 Sportvereinen und Turnvereinen. Jedes Mal, wenn wir einen dieser Vereine besuchen, loben wir ihn für seine tolle Arbeit, für seine Jugendarbeit und dafür, dass er gerade jungen Menschen Werte im Sport vermittelt, Werte, die nicht nur im Sport eine Rolle spielen, sondern auch im gesamten Leben, zum Beispiel Fairness. Darum geht es nämlich: die Fairness im Sport nicht nur als eine Worthülse zu betrachten, sondern diesen Begriff mit Leben zu erfüllen. Deswegen ist es so wichtig, sich zu fragen, ob die jungen Menschen sie tatsächlich noch als einen Wert ansehen, wenn sie kurz nach jedem internationalen Wettbewerb - und nicht nur nach internationalen Wettbewerben - erleben müssen, dass ihre Idole, die mal wieder einen Rekord aufgestellt haben und mal wieder toll waren, als Dopingsünder entlarvt werden. (Dagmar Freitag [SPD]: Genau so ist es!) Das darf nicht länger der Fall sein. Deswegen müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen und dürfen nicht nur sagen: Das haben wir schon gemacht, und das haben wir schon gemacht. - Wir müssen alle Möglichkeiten ausschöpfen, um dem Doping im Sport ganz entschieden entgegenzutreten. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN - Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Na, dann sagen Sie uns doch auch mal, wie das gehen soll!) Sie haben zwei Maßnahmen, mit denen wir das machen wollen, angesprochen. Jetzt will ich Ihnen - abseits von den Unterlagen, die Sie bekommen - ein paar eigene Argumente vortragen. Zur Besitzstrafbarkeit sagen Sie: Das brauchen wir alles nicht. - Wir sagen: Das brauchen wir sehr wohl. - Denn es geht darum, dass Menschen nicht irgendetwas in der Tasche haben; das ist kein Pillepalle, kein Asperin und kein Nasenspray. Vielmehr geht es um ganz harte Dopingmittel. Erklären Sie mir einmal, warum es nicht zu pönalisieren, nicht zu bestrafen sein soll, wenn jemand eine geringe Menge des Mittels Epo zu Dopingzwecken (Dagmar Freitag [SPD]: Zum Beispiel!) bei sich führt! (Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Das wissen Sie doch gar nicht, ob er es zu Dopingzwecken braucht!) Genau das steht in unserem Gesetzentwurf. Diese Erklärung müssen Sie mir einmal vortragen. Wenn man den Besitz nicht strafbar stellt - jetzt kommen wir auf die juristische Schiene -, dann gibt es für die Staatsanwaltschaft keinen Anfangsverdacht; dann kann sie überhaupt nicht ermitteln. (Dagmar Freitag [SPD]: Genau!) Aber darum geht es doch. Es geht doch darum, endlich auch an die Hintermänner, die mit Doping richtig viel Geld verdienen, heranzukommen. (Beifall bei der SPD) Aber an sie kommt man anders eben nicht heran. Es gibt keinen Anfangsverdacht, wenn der Besitz nicht strafbar ist. Aus diesem Grund brauchen wir die Besitzstrafbarkeit. Meine Damen und Herren, aus genau diesem Grund brauchen wir auch die Möglichkeit, Eigendoping unter Strafe zu stellen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es kann doch nicht wahr sein, dass infolge des Grundsatzes, dass man eine Selbstschädigung nicht zu verbieten hat, in diesem Land alles möglich sein soll. Ein anderer Grundsatz, den wir im Sport nämlich auch zu beachten haben, betrifft die Gesundheit der Sportler. Sie kann uns nicht egal sein. (Dagmar Freitag [SPD]: Richtig!) Wir können doch nicht sagen: Macht, was ihr wollt, egal was passiert! Dopt doch mit Eigenmitteln! Macht das doch alles! Da mischen wir uns nicht ein. - Nein, das ist der falsche Ansatz. Wir müssen aufzeigen, dass Doping insgesamt nicht zu akzeptieren ist. (Beifall bei der SPD sowie der Abg. Jens Petermann [DIE LINKE] und Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Aus diesem Grund - das muss ich ehrlich sagen - fand ich Ihre Rede eben richtig blamabel. Was sollen denn junge Menschen denken, wenn Sie sich hierhin stellen und sagen: "Ach, so ein bisschen Doping, so ein bisschen davon in der Tasche zu haben, das darf doch nicht strafbar sein"? Na, sehr wohl muss das strafbar sein! Es ist ja auch strafbar, Betäubungsmittel in geringen Mengen bei sich zu führen. Wenn die Umstände des konkreten Falles eine Ermittlung oder Strafverfolgung nicht erforderlich erscheinen lassen, (Dagmar Freitag [SPD]: Wird es eingestellt!) dann hat jeder Richter, jede Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, davon abzusehen. Ich habe den Eindruck, Sie suchen krampfhaft nach Argumenten, warum Sie da nicht mitmachen wollen. Ich frage mich nur, warum. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das sind Weicheier!) Wollen Sie keinen fairen Sport? Wollen Sie die Hintermänner schützen? Was sind Ihre Gründe? Sie sollten sie einmal benennen. Die SPD hat ein Anti-Doping-Gesetz mit klaren Regeln auf den Tisch gelegt. Sie haben heute die Möglichkeit, einer wirksamen Dopingbekämpfung zuzustimmen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Das war doch überzeugend! - Gegenruf des Abg. Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Nein! - Weiterer Gegenruf des Abg. Klaus Riegert [CDU/CSU]: Nicht mal ansatzweise! Als Rechtsanwalt würde ich mich schämen, so eine Rede zu halten! - Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Da kann ich nur lachen drüber! Den Anfangsverdacht kennen Sie nicht, gell? - Weiterer Gegenruf des Abg. Ulrich Kelber [SPD]: Dass Sie sich schämen sollten, ist richtig! Können Sie gleich mal mit anfangen!) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Lutz Knopek für die FDP-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU) Dr. Lutz Knopek (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der sportliche Wettkampf basiert auf Fairness und gegenseitigem Respekt; darin sind sich alle Fraktionen einig. Wer dopt, verletzt die Grundwerte, indem er sich durch leistungsfördernde Substanzen einen unfairen Vorteil verschaffen will. Für uns als FDP stellt sich jedoch die Frage, ob der vorliegende Gesetzentwurf der SPD im Kampf gegen Doping wirklich helfen kann (Dagmar Freitag [SPD]: Auf jeden Fall!) oder ob er sich vielleicht als kontraproduktiv herausstellen könnte. (Dagmar Freitag [SPD]: Auf keinen Fall!) Kommen wir zuerst zu der Forderung der SPD, die Strafbarkeit für den unbeschränkten Besitz von Dopingmitteln einzuführen, also eine Bestrafung unabhängig von der Menge und auch dann, wenn es ausschließlich um Eigenverbrauch geht. (Dagmar Freitag [SPD]: Zu Dopingzwecken!) Laut Arzneimittelgesetz ist bereits verboten, Dopingmittel in nicht geringer Menge zu besitzen. (Dagmar Freitag [SPD]: Eben: in nicht geringer Menge! Haben Sie es noch nicht verstanden? - Christine Lambrecht [SPD]: Wir wollen, dass auch der Besitz geringer Mengen verboten wird! Warum soll ich denn Epo mit mir führen?) Diese Regelung ist unserer Auffassung nach angemessen und ausreichend. Eine Verschärfung lehnen wir auch deshalb ab, da - anders als bei illegalen Drogen - kein Suchtpotenzial besteht. (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist doch nicht das Problem!) Illegale Drogen werden ja aufgrund ihres extremen Suchtpotenzials als grundsätzlich gemeingefährlich eingestuft. Bei den Dopingsubstanzen handelt es sich aber um ganz normale Arzneimittel, welche zweckentfremdet eingesetzt werden. (Dagmar Freitag [SPD]: Ja, deshalb doch!) Es geht hier um die Selbstgefährdung der Sportler, nicht um die Gefährdung Dritter. (Martin Gerster [SPD]: Gut, dass die Rede öffentlich ist!) Selbstgefährdung ist grundsätzlich nicht strafbar, nicht zuletzt wegen Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU - Eberhard Gienger [CDU/CSU], an Abg. Christine Lambrecht [SPD] gewandt: Haben Sie das in Ihrer Ausbildung nicht gelernt? Durch Wiederholung wird es nicht besser! - Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Das ist blamabel, was Sie machen als Sportler! Blamabel!) Eigendoping und die damit einhergehende bewusste Gesundheitsschädigung für sich allein rechtfertigen - so gerne man das vielleicht hätte - noch keine Strafverfolgung. Sollte der Sportler durch sein Doping legitime wirtschaftliche Interessen - zum Beispiel von Sponsoren - verletzen, kann bereits nach geltender Rechtslage rechtlich gegen ihn vorgegangen werden: In diesem Fall können auf den Sportler empfindliche Schadensersatzforderungen zukommen. Als Letztes möchte ich noch kurz auf die geforderte drastische Erhöhung des Strafmaßes eingehen. Eine Anhebung der Strafobergrenze auf fünf Jahre und die Einführung eines eigenen Verbrechenstatbestandes lehnen wir ab. (Dagmar Freitag [SPD]: Och!) Wir reden hier - wohlgemerkt - nicht von Dealern und Pushern, sondern vom Sportler selbst. (Christine Lambrecht [SPD]: Von einem Sportler, der dopt! - Dagmar Freitag [SPD]: Wir reden von einem Betrüger!) Stellen wir uns einen nicht vorbestraften jungen Athleten mit festem Wohnsitz vor! Mal ehrlich: Was hätte dieser Sportler denn strafrechtlich zu erwarten? Der Rechtsweg steht ihm sowieso offen. Da erscheint mir eine unverzügliche Sperre durch das Sportgericht wesentlich abschreckender. (Dagmar Freitag [SPD]: Die will auch niemand eindämmen!) Zusammenfassend will ich daher sagen: Wir sind der Auffassung, dass mit Dopingkontrollen, der Sportgerichtsbarkeit und den bestehenden gesetzlichen Regelungen bereits heute ausreichende Mittel im Kampf gegen Doping zur Verfügung stehen. (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Also alles super, toll, großartig! - Christine Lambrecht [SPD]: Läuft ja richtig rund!) Eine pauschale Kriminalisierung von Dopingsündern lehnen wir ab. (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU - Dagmar Freitag [SPD]: "Dopingsünder"? - Christine Lambrecht [SPD]: Ist ja nur ein kleiner Sünder! Wie falsch parken! - Dagmar Freitag [SPD]: Sehr kulant! - Lachen bei Abgeordneten der SPD) Soziale Werte wie Fairness oder eine Vorbildfunktion können durch das Strafrecht nicht erzwungen werden. Meine Fraktion wird den Gesetzentwurf daher ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Für die Fraktion Die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Jens Petermann. (Beifall bei der LINKEN) Jens Petermann (DIE LINKE): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf den Zuschauertribünen! Es wird Ihnen sicher auch so gehen: Wir jubeln über Medaillen und begeistern uns für spannende Wettkämpfe; dennoch ist die Hochachtung vor Spitzensportlern und deren Topleistungen zunehmend getrübt. Eine rasante Kommerzialisierung, Skandale und betrügerische Machenschaften sowie die Aufklärung diverser Dopingdelikte hinterlassen einen bitteren Beigeschmack. Nach jedem Olympiasieg, nach jeder hart erkämpften Medaille steht die Frage nach Betrug im Raum. Einst gefeierte Helden wie Armstrong und Ullrich stürzen ab, weil sie zu unlauteren Mitteln gegriffen haben, um sportlichen Lorbeer zu ernten. Das Image des Spitzensports und vieler seiner Protagonisten ist arg ramponiert. Seine einstige Vorbildwirkung für den Breitensport gerät zunehmend ins Wanken. Die Kommerzialisierung und Medienpräsenz haben den professionellen Sport grundlegend verändert. Leistungsdruck und damit einhergehende Ängste oder Depressionen sind gängige Begleiterscheinungen des Hochleistungsbetriebes geworden. Doping ist ein dunkles Kapitel, das Teile des Spitzensportes zunehmend prägt. Der Ruf der Funktionäre und Sportpolitiker nach einem sauberen Sport erscheint vor diesem Hintergrund naiv oder zeugt von einer doppelten Moral. Das Loblied, Herr Bergner und Herr Knopek, das Sie hier gesungen haben, können wir so nicht mittragen und schon gar nicht darin einstimmen. (Beifall bei der LINKEN) Es wäre allerdings zu einfach, nur auf den Spitzensport zu schimpfen oder die Sportförderung bereits beim kleinsten Vorfall einzustellen. Wir dürfen nicht resigniert die Hände in den Schoß legen - ich denke, da sind wir uns alle einig. Deshalb begrüßen wir den Gesetzentwurf der SPD als einen Beitrag zu einer längst notwendigen Diskussion. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Zurufe von der SPD: Guter Mann! - Weiter so!) Ob aber - jetzt geht es los - mit der von Ihnen geforderten strafrechtlichen Verfolgung von Eigendopingdelikten das Ei des Kolumbus gefunden ist, ist fraglich. Daran kann man durchaus zweifeln. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der FDP) Mehr Strafjustiz muss nicht automatisch einen sauberen Sport nach sich ziehen. Wenn von Veranstaltern, Medien, Wissenschaftlern und Verbandsfunktionären ethische Fragen geopfert werden, um maximalen Profit und sensationelle Ergebnisse zu erzielen, dann läuft etwas grundlegend falsch. Die Sportler sind dann nämlich nur noch Mittel zum Zweck. Auf deren Rücken und zulasten ihrer Gesundheit werden Geschäfte gemacht. Wir müssen uns also darum kümmern, den Sportlerinnen und Sportlern ihre Zukunfts- und Versagensängste zu nehmen, um damit dem Doping den Boden zu entziehen. Mehr Prävention, weniger Bestrafung! (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Hier sehe ich auch unsere Verantwortung als Spitzenpolitiker. Nach wie vor ist die "duale Karriere" - das heißt, die berufliche Perspektive nach der sportlichen Laufbahn - keine Selbstverständlichkeit. Die Absicherung der Sportlerinnen und Sportler für die Zeit nach der Laufbahn kann auch betrügerischem Handeln vorbeugen. Wir haben uns deshalb auch mit Experten getroffen und Für und Wider abgewogen. Unser Diskussionsprozess - das gebe ich offen zu - ist da noch nicht abgeschlossen. Wir werden ihn fortsetzen, bis wir ein tragfähiges Ergebnis haben. Der SPD-Entwurf ist ein Anfang, mehr leider nicht. Bereits mit der Bestimmung des geschützten Rechtsgutes tun Sie sich schwer. Das könnte zum Beispiel der wirtschaftliche Schaden sein, der durch Betrug mit Doping entsteht. Allerdings sind es auch die Sportlerinnen und Sportler selbst, es sind die Veranstalter und die Manager, die immer neue Höchstleistungen fordern und davon letztlich auch profitieren. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen jedenfalls, dass der Sport allein mit dem Antidopingkampf überfordert ist. Gerade der Deutsche Olympische Sportbund müsste sich konstruktiver in die Debatte um einen Straftatbestand "Betrug durch Doping" einbringen. (Beifall bei der LINKEN und der SPD - Zuruf von der SPD: Richtig!) Die obersten Sportfunktionäre pochen aber, Kolleginnen und Kollegen, auf die Autonomie des Sports. Sie verkennen dabei, dass der Leistungssport an Anerkennung verliert, wenn er von einer Dopingaffäre zur nächsten schlingert. Die Linke wird weiter aktiv nach Lösungen suchen. Der SPD-Entwurf ist leider noch keine. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war meine letzte Rede in dieser Legislatur. Ich möchte darum - wie viele Vorredner auch - die Gelegenheit nutzen und mich für die freundliche Zusammenarbeit im Sportausschuss, aber auch insgesamt bedanken. Lassen Sie uns die Sommerpause nutzen, um über Antworten nachzudenken, die wir dann vielleicht gemeinsam am Beginn der 18. Wahlperiode in Gesetzesform gießen können, um den Kampf gegen das Doping fortzusetzen. Ich freue mich auf einen Sportausschuss, der sich der brennenden Probleme des Sports - und davon gibt es eine ganze Reihe - lösungsorientierter annimmt, als es in dieser Legislatur der Fall war - im Sinne unserer Sportlerinnen und Sportler. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Herr Kollege Petermann, auch Ihnen danke ich im Namen des ganzen Hauses für die Zusammenarbeit hier im Deutschen Bundestag (Jens Petermann [DIE LINKE]: Es geht ja noch weiter!) und wünsche Ihnen für die Zukunft alles Gute. (Christine Lambrecht [SPD]: Er kommt ja wieder! - Gegenruf von der CDU/CSU: Er will jedenfalls! - Heiterkeit) Ich erteile jetzt der Kollegin Viola von Cramon-Taubadel für Bündnis 90/Die Grünen das Wort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Gesetzentwurf der SPD finden sich sicherlich gute sportpolitische Gründe für eine Doping-Besitzstrafbarkeit im Sport. Allerdings sprechen aus unserer Sicht schwerwiegende rechtspolitische Erwägungen gegen eine solche Ausweitung der Strafbarkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU) Wir werden uns deshalb nach gründlicher Abwägung trotz großer rot-grüner Übereinstimmung in der Dopingbekämpfung ebenso wie die Linke bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der SPD (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Kraftvoll enthalten!) enthalten. In dem Gesetzentwurf der SPD ist nicht nur vorgesehen, die Dopingstraftatbestände des Arzneimittelgesetzes in ein Anti-Doping-Gesetz zu überführen, sondern auch, die Strafbarkeit erheblich auszuweiten. So soll der Besitz von Dopingmitteln sogar in geringen oder geringsten Mengen für jedermann strafbar sein. (Christine Lambrecht [SPD]: Genau! Null Toleranz!) Sportler sollen bestraft werden, wenn sie bei organisierten Sportwettkämpfen Dopingmittel an sich selbst anwenden oder einsetzen. Gegen diese Ausweitung der Strafbarkeit gibt es in meiner Fraktion erhebliche rechtspolitische Bedenken. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Der Besitz von Dopingmitteln zum Eigengebrauch wie auch die Anwendung von Dopingmitteln an sich selbst sind - so sehen das unsere Rechtspolitiker; dem fügen wir uns gerne - Schädigungsakte an sich selbst, die jedenfalls nicht mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt werden sollten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN - Klaus Riegert [CDU/CSU]: Dass ich das noch erleben darf!) Wir halten deshalb - jetzt kommt es aber, Herr Riegert - den Straftatbestand Dopingbetrug für den moderneren Weg in der Dopingbekämpfung. Freundlicherweise hat Staatssekretär Bergner die entsprechenden Passagen zitiert. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Die Einrichtung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, so wie Sie sie fordern, obliegt den Ländern; das ist schon jetzt möglich. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist von Grün-Rot gleich nach der Regierungsübernahme eine solche in Freiburg installiert worden. Wir hoffen, dass weitere Länder diesem Beispiel folgen werden. Es gibt allerdings - das ist das eigentliche Problem - ein krasses Missverhältnis zwischen den aufgedeckten Dopingfällen und der Dopingverbreitung im Spitzensport. Ich nenne hier die wissenschaftlichen Studien, nach denen bis zu 48 Prozent der Sportlerinnen und Sportler Kontakt mit Dopingmitteln eingeräumt haben. Auch laut der jüngsten Studie, die übrigens aus dem Sport selbst kommt, räumen 6 Prozent der Sportlerinnen und Sportler ein, regelmäßig Dopingmittel zu nehmen. Die Betonung liegt auf "regelmäßig". Was wäre bei dieser Studie möglicherweise herausgekommen, wenn man nach einer gelegentlichen Einnahme gefragt hätte? (Dagmar Freitag [SPD]: Deshalb müssen wir handeln!) Aus diesem Grund müssen wir feststellen, dass Dopingkontrollen allein weder erfolgreich noch abschreckend sind. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Deutschland ist, anders als Herr Bergner eben konstatiert hat, weder bei der Gesetzgebung noch bei den Kontrollen und schon gar nicht bei der Dopingprävention auf einem der vorderen Plätze. Daher steht für uns fest, dass wir dieses Thema in der nächsten Wahlperiode garantiert wieder anpacken werden. Ich gehe davon aus, dass der Antrag aus Baden-Württemberg vom Bundesrat auf den Weg gebracht wird. Danach soll der Dopingbetrug des Sportlers unter Strafe gestellt und keine volle Besitzstrafbarkeit eingeführt werden. Wir müssen auch - das haben wir schon mehrmals besprochen - mehr Verlässlichkeit bei der Finanzierung der Nationalen Anti Doping Agentur erreichen. Unser Vorschlag dazu liegt auf dem Tisch. Danach sollen zukünftig 5 Prozent der Spitzensportförderung für Dopingkontrollen, Prävention und Antidopingforschung bereitgestellt werden. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eine kleine Bemerkung möchte ich mir hier noch erlauben. Unsere Fraktion hatte anlässlich der heutigen Debatte auch einen Antrag zur Dopingopferrente für ehemalige DDR-Sportler angemeldet. Die Beratungen zu diesem Antrag am heutigen Tag sind leider von der Koalition verhindert worden; das möchte ich gerne festhalten. Schwarz-Gelb hat damit einen weiteren Beleg für die Blockade in der Sportpolitik geliefert. Wenn es um die sozialen Aspekte der Sportpolitik geht oder das Thema Dopingbekämpfung auf der Tagesordnung steht, verhindern Sie leider eine Debatte darüber und blockieren. Unsere Bilanz: Sie haben im Sportausschuss nicht nur die Öffentlichkeit ausgeschlossen, sondern bei einigen Themen auch die Einladung und Teilnahme von kompetenten Personen und Vertretern von Organisationen verhindert, zum Beispiel beim Thema "Sportgroßveranstaltungen und Menschenrechte". Sie haben zum Ende der Legislatur die Ihnen unliebsamen Themen einfach mit Ihrer Mehrheit von der Tagesordnung gestimmt, um das Fehlen eigener Vorschläge zu kaschieren. (Patrick Kurth [Kyffhäuser] [FDP]: Das stimmt nicht!) Alle Unterschiede in der Sportpolitik möchte ich jetzt nicht nennen. Aber schwerwiegend ist: Ihre Sportpolitik war in dieser Legislatur leider eine komplette Nullnummer. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Frank Tempel [DIE LINKE]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin. - Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist unser Kollege Klaus Riegert. Bitte schön, Kollege Klaus Riegert. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Klaus Riegert (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einig sind wir uns ja noch, dass Doping eine Geißel des Sports darstellt und eine enorme Herausforderung für die Integrität des sportlichen Wettbewerbs ist. (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist ja schon mal was!) Unser Ansatz bezieht sich - das haben wir Ihnen mehrfach erklärt - auf das Arzneimittelgesetz. Dieses haben wir in der Großen Koalition gemeinsam reformiert und novelliert. Hintermänner und Umfeld sind für Staatsanwaltschaft und Gericht interessant. Der Sportler selber wird aber der Sportschiedsgerichtsbarkeit überantwortet. Gegen ihn wird sofort eine Sperre von zwei Jahren verhängt, wenn etwas gefunden wird. Er verliert dann seinen Sponsorenvertrag und sein öffentliches Ansehen. Wie lange wollen Sie einen Sportler eigentlich einsperren? Ihr Gesetzentwurf ist rechtlich sehr fragwürdig und mit heißer Nadel gestrickt. Das haben selbst die anderen Oppositionsfraktionen feststellen müssen. Ihr Gesetzentwurf enthält zwar neun Forderungspunkte. Aber selbst bei großzügiger Auslegung sind gerade einmal eineinhalb neue Punkte zu finden. Es ist eine wohlklingende Verpackung. Aber der Inhalt ist hohl. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wenn ich Ihre neun Punkte durchgehen darf: Erstens: Strafbarkeit des uneingeschränkten Besitzes, Erwerbs oder der sonstigen Beschaffung von Dopingmitteln. Strafbarkeit ist erst ab bestimmten Mengen möglich; der Herr Staatssekretär hat das bereits ausgeführt. Der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit muss auch hier beachtet werden. Zweitens: Strafbarkeit des Eigendopings der Sportler. Genauso wie in anderen Lebensbereichen ist eine Selbstgefährdung grundsätzlich straffrei. (Dagmar Freitag [SPD]: Das ist Betrug!) Der faire sportliche Wettkampf kann als strafrechtliches Schutzgut nicht anerkannt werden. (Christine Lambrecht [SPD]: Warum nicht?) Sie haben die Abgrenzung zum Breitensport abenteuerlich geregelt. Beispiel Berlin-Marathon: Der von der baden-württembergischen Landesregierung in den Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf hätte zum Ergebnis, dass beispielsweise die Schwarzafrikaner, die die ersten drei Plätze beim Berlin-Marathon, für den in der Regel ein Preisgeld ausgelobt ist, belegten, nicht dopen dürften, wohl aber das gesamte Feld ab Platz vier, also rund 25 000 Mitläufer. Nach Ihrem Vorschlag, Frau Rechtsanwältin - Sie haben von null Toleranz gesprochen -, wäre es strafwürdig, wenn jemand einen codeinhaltigen Hustensaft in der Tasche hat. Dann würde er festgenommen, weil es sich hier um ein Dopingmittel handeln würde. (Christine Lambrecht [SPD]: Nein, eben nicht! Lesen Sie das Gesetz! Dann sehen Sie, dass das nur die harten Substanzen betrifft! Lesen bildet!) Drittens: erweiterte Strafbarkeit des Handelns mit Dopingmitteln. Das geänderte AMG erfasst diesen Aspekt bereits. Zudem bestehen andere ergänzende Strafvorschriften. Der SPD-Gesetzentwurf ignoriert hier bestehendes Recht. Viertens: Erhöhung des Strafrahmens, Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre. Dies ist nicht notwendig; denn das Gesetz sieht bereits eine Haftstrafe von ein bis zehn Jahren bei gewerbs- und bandenmäßigem Handel vor. (Christine Lambrecht [SPD]: Es geht um den Besitz!) Fünftens: Ermöglichung der Telefonüberwachung. Eine Telefonüberwachung ist bereits jetzt möglich, wenn es um schwere Straftaten im Sinne des AMG geht. Sechstens: Schaffung einer weiteren Kronzeugenregelung. Es besteht bereits eine Kronzeugenregelung für die Aufdeckung und Verhinderung von schweren Straftaten. Siebtens: Aufklärungs- und Beratungspflichten öffentlicher Stellen über die Gefahren des Dopings. Das ist Ländersache. Achtens: Durchführung von Verfahren durch Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Das ist sehr zu begrüßen. Aber auch das ist Ländersache. (Christine Lambrecht [SPD]: Ja und?) Neuntens: Berichtspflichten der Bundesregierung. Sie können sich von Ihren Kollegen im Sportausschuss erklären lassen, dass die Bundesregierung schon im Sportbericht ausführlich auf den Antidopingkampf eingeht. (Christine Lambrecht [SPD]: Leider nicht öffentlich!) Zudem gibt die Bundesregierung im Sportausschuss des Bundestages fortdauernd Auskunft über laufende Geschehnisse und aktuelle Maßnahmen. Seit 2008 gibt es überdies die jährlichen Antidopingberichte der NADA. (Christine Lambrecht [SPD]: Und was bringen die?) Ich kann Ihnen sagen, wie es bei der NADA aussieht. Der Bund hat seine Verpflichtungen eingehalten. Wir haben sie inhaltlich unterstützt. Wir haben das Stiftungskapital ausgestattet. Wir haben jährliche Zuwendungen gemacht. Wir haben sie erhöht, wenn es notwendig war. (Dagmar Freitag [SPD]: Und schon 2014 gestrichen!) Wir haben die Forschungsmittel in diesem Bereich erhöht. Was war mit den Ländern, die sich beteiligen wollten? Was war mit der Wirtschaft? Fehlanzeige! (Christine Lambrecht [SPD]: Und was bringen die Berichte?) Ich habe leider nicht mehr die Zeit, weitere drei Seiten Manuskript vorzutragen. Aber ich kann Ihnen gerne sagen, (Christine Lambrecht [SPD]: Unbedingt! Ganz dringend!) was wir seit der Großen Koalition (Christine Lambrecht [SPD]: Da waren wir auch noch gut!) bei der Fortschreibung der Evaluierung zum Doping gemacht haben. Dabei hat sich herausgestellt, dass die Zahl der Verfahren von 280 in den Jahren 2007/2008 auf 1 592 im Jahr 2011 angestiegen ist. (Christine Lambrecht [SPD]: Das reicht Ihnen?) Wir haben im Wesentlichen ein Vollzugsdefizit. National und international sind wir im Dopingkampf aber gut aufgestellt. (Christine Lambrecht [SPD]: Das reicht uns nicht! Wir wollen besser werden!) Sie wollen kleine Sportler kriminalisieren. Da machen wir nicht mit. (Christine Lambrecht [SPD]: So ein Quatsch! Lesen Sie mal das Gesetz! Dann verstehen Sie es vielleicht auch!) Deshalb mein Fazit: Sie schießen mit Kanonen auf Spatzen. (Christine Lambrecht [SPD]: Dopingsünder sind keine Spatzen!) Sie geben dem Sport Steine statt Brot. Wir handeln kraftvoll und entschlossen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Lieber Kollege Gerster, nichts ist so schlecht, dass es nicht auch etwas Gutes hätte. Ich darf mich nach 21 Jahren aus diesem Hohen Hause verabschieden. (Dagmar Freitag [SPD]: Schuld ist aber nicht unser Antrag!) Ich bedanke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, die bei allen Unterschieden konstruktiv und fair waren. Ich danke der Vorsitzenden Dagmar Freitag. Ich bedanke mich bei den fleißigen Mitarbeitern im Ausschussbüro. Diskutieren und entscheiden Sie auch in Zukunft zum Wohle des Sports in Deutschland, und bewahren und achten Sie die Autonomie des Sports! Das ist ein hohes Gut. Danke und auf Wiedersehen! (Beifall im ganzen Hause) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Klaus Riegert. Das ist ein Abschied nach sechs Wahlperioden im Deutschen Bundestag. Er hat sich für den Sport in unserem Land verdient gemacht. Er war Vorsitzender der Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag und als Kapitän der Fußballmannschaft seit 1997 erfolgreich. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wir dürfen auch seine Verdienste um das Ehrenamt nicht vergessen. Auch hier hat Klaus Riegert große Verdienste erworben. Alles Gute vor allem für die Zukunft! (Beifall im ganzen Hause) Die nächste Rednerin ist die Vorsitzende des Sportausschusses, unsere Kollegin Dagmar Freitag, für die Fraktion der Sozialdemokraten. Bitte schön, Kollegin Freitag. (Beifall bei der SPD) Dagmar Freitag (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beschäftigen uns heute ja nicht zum ersten Mal mit dieser Thematik, nein, bedauerlicherweise zum wiederholten Male. Wir könnten schon viel weiter sein, wenn wir uns in der Großen Koalition nicht mit den Bremsern der Union hätten auseinandersetzen müssen. (Beifall bei der SPD) Schon damals, Klaus Riegert, haben wir über die Frage "geringe oder nicht geringe Menge" gestritten. Mit unseren heutigen Forderungen - das kann ich Ihnen versichern - befinden wir uns in guter Gesellschaft. Namhafte Sportlerinnen und Sportler, Staatsanwälte, Juristen fordern längst verschärfte strafrechtliche Normen im Kampf gegen Doping. Aber leider finden die Sportlerinnen und Sportler nicht einmal Unterstützung aus dem organisierten Sport. Der Deutsche Olympische Sportbund pflegt nämlich in der Regel lediglich das eilfertig zu begrüßen, was ohnehin nicht mehr zu verhindern ist, so auch dieses Mal hinsichtlich der von Gutachter Jahn gemachten schlappen Vorschläge für marginale Änderungen im Arzneimittelgesetz. Lieber Klaus Riegert, das kann man doch nicht kraftvolles Handeln nennen; (Beifall bei der SPD) sieh mir diese Anmerkung bitte nach. Die Umsetzung der Jahn-Vorschläge durch die Koalition zeigt, dass Sie, wenn überhaupt, nur bereit sind, kleinste Trippelschritte zu gehen. Das gilt insbesondere für die Frage der Besitzstrafbarkeit, also der berühmten "geringen" oder "nicht geringen" Menge. Der Fraktionsvorsitzende der Union scheint da inte-ressanterweise weiter zu sein. (Zurufe von der SPD: Hört! Hört! - Zuruf von der CDU/CSU: Er ist immerhin anwesend, im Gegensatz zu euren Leuten!) Beim kürzlichen Wahlhearing des Deutschen Olympischen Sportbundes hat der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Herr Kauder, vor den versammelten Vertretern des deutschen Sports und den Medien für eine generelle Besitzstrafbarkeit von Dopingmitteln plädiert. (Beifall bei der SPD) Ich darf Sie zitieren: Ich habe überhaupt kein Problem damit, dass wir sagen, wir verbieten auch den Besitz kleiner Mengen. Und dass wir auch eine schärfere Strafe bei Doping aussprechen, damit habe ich auch kein Problem. - Vielen Dank, Herr Kauder, für diese Hinweise. Vielleicht erklären Sie es einmal Ihrer eigenen Truppe. (Beifall bei der SPD) Oder müssen wir etwa davon ausgehen, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, Ihrem Fraktionsvorsitzenden mangelnde Vorbereitung oder - noch schlimmer - völlige Ahnungslosigkeit attestieren müssen? (Christine Lambrecht [SPD]: Unglaublich!) Wir diskutieren einen Gesetzentwurf, mit dem wir nicht nur das Umfeld, sondern auch den dopenden Sportler selbst erreichen wollen. (Beifall des Abg. Ulrich Kelber [SPD]) Um es noch einmal für alle klarzustellen: Niemand will die Sportsgerichtsbarkeit oder gar, lieber Klaus Riegert, die Anwendung der Strict Liability infrage stellen. (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Natürlich macht ihr das! - Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Darum geht es doch gar nicht!) Niemand will den Hobbyjogger im Park bestrafen, der das berühmte Nasenspray mit sich führt. (Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Wer wollte es denn begrenzen?) Das ist ausdrücklich nicht das Ziel des vorliegenden Gesetzentwurfs. (Klaus Riegert [CDU/CSU]: Aber das Ergebnis! - Gegenruf der Abg. Christine Lambrecht [SPD]: Das kann man nur sagen, wenn man keine Ahnung hat!) Aber wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass dopende Sportler im organisierten Wettkampf ihre sauberen Konkurrenten nicht länger um den verdienten Lohn ihres Trainings, ihrer monatelangen Quälerei bringen. (Beifall bei der SPD) Erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler können Vorbilder sein. In unserer Gesellschaft hat Breiten- wie Spitzensport eine lange Tradition. Aber diese Vorbilder bröckeln. Doping, also die vorsätzliche Manipulation des fairen Wettbewerbs, dieser unerträgliche Angriff auf die Integrität des Sports, muss endlich konsequent bekämpft werden. (Beifall bei der SPD) Dass der Sport damit allein überfordert ist, sehen wir jeden Tag. Meine Fraktion hat nie einen Zweifel an ihrer Motivation gelassen. Wir wollen die sauberen Sportlerinnen und Sportler bestmöglich vor den Betrügern im Sport schützen. (Beifall bei der SPD) Die Betrüger nehmen den sauberen Sportlerinnen und Sportlern fast alles: den Sieg bei einer Meisterschaft, die Platzierung auf dem Treppchen, die Prämien und vor allem den unwiederbringlichen emotionalen Moment einer Siegerehrung vor vollbesetzten Rängen. Die betroffenen Sportlerinnen und Sportler rufen mittlerweile deutlich wahrnehmbar um Hilfe, auch um die Hilfe des Gesetzgebers. Wenn Sie noch nie Kontakte zu solchen Sportlerinnen und Sportlern gehabt haben, helfen wir gerne aus. Sie sollten dies nicht länger ignorieren. Ich freue mich auf die Auseinandersetzungen in der neuen Wahlperiode. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD - Eberhard Gienger [CDU/CSU]: Darauf können Sie wetten!) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Dagmar Freitag. - Nach der Vorsitzenden des Sportausschusses spricht jetzt der stellvertretende Vorsitzende für die Fraktion der FDP, Joachim Günther. Bitte schön, Kollege Joachim Günther. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Joachim Günther (Plauen) (FDP): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir, die Mitglieder des Sportausschusses und alle, die sich für Sport interessieren, diskutieren das Thema Doping heute zum wiederholten Mal und müssen als Erstes zur Kenntnis nehmen, dass weltweit leider kein Durchbruch gelungen ist, um Doping entscheidend einzugrenzen. Wir haben versucht, das Doping weltweit einzugrenzen, (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir?) indem wir mit anderen Ländern darüber gesprochen haben, Dopinglabore und Ähnliches aufzubauen. Trotzdem gibt es gravierende Unterschiede. (Viola von Cramon-Taubadel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wollten doch das Geld kürzen!) Ich erinnere an die Situation in Südamerika, verglichen mit Europa. In ganz Südamerika gibt es ein Dopinglabor, in Europa gibt es ein dichtes Netz. Das sind Unterschiede, die sich irgendwann auch im Sport widerspiegeln. Doping erschüttert die Glaubwürdigkeit des Sports, haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf geschrieben. Das ist völlig richtig. Dahinter stehen wir auch. Der Rest ist aus unserer Sicht etwas fragwürdig. Die Strafbarkeit des Dopings wurde hier angesprochen. Sie ist eine Hürde, über die kaum zu kommen ist, wenn man sie richtig anwendet. Klaus Riegert hat das Beispiel Berlin-Marathon angeführt. Wo ist die Grenze bei einem normalen Fitnessstudio? Das wäre meines Erachtens überhaupt nicht kontrollierbar. Aber da scheint es auch niemanden zu interessieren. In der öffentlichen Diskussion sind aus meiner Sicht die Vorteile der Sportgerichtsbarkeit viel zu kurz gekommen. Die Sportgerichtsbarkeit kann schneller härtere Sanktionen aussprechen. Sie ist, sofern wir sie entsprechend ausrüsten, sofort zur Hand, wenn wir sie brauchen. Sie braucht viel weniger Zeit als jedes Strafgericht. Der Fall Jan Ullrich hat mich richtig erschüttert. Ich hatte bei dieser halbherzigen Erklärung den Eindruck, dass mancher Sportler - vielleicht ist der Radsport besonders betroffen; aber es gibt sicher auch andere Bereiche - es schon fast als normal ansieht, leistungssteigernde Mittel zu nehmen. Wie sonst kommt er zu der Aussage: "Ich habe doch eigentlich gar nicht gedopt; ich habe nur Chancengleichheit hergestellt"? Das ist schon ein Punkt, bei dem man darüber nachdenken muss, was man tut. Die Aussage des Ex-Weltmeisters im Radsport, Jalabert, die heute in der Presse zu lesen war, bedarf keiner weiteren Kommentierung: "Unser Arzt hatte den Spitznamen Dr. Citroen." Da sieht man, wie weit die in einigen Bereichen sind. Hiergegen müssen wir etwas tun; da sind wir völlig einer Meinung. Für mich ist auch interessant, zu sehen, wie die diesjährige Tour de France abläuft, ob sie über die Berge kommen, wenn sie nicht gedopt sind. Oder müsste man umgekehrt die Etappen so ausrichten, dass drei extreme Berge dabei sind, die kein Mensch ohne Leistungssteigerung fahren kann? Das sind Dinge, die man in diesem Bereich angehen muss. Deutschland hat einen guten Weg eingeschlagen; das muss ich sagen. Wir haben die jährlichen Antidopingberichte. Wir haben die Prüfberichte des Bundesverwaltungsgerichts. Was in Ihrem Gesetzentwurf steht, stimmt nicht. Sie werden konstant und kontinuierlich unterrichtet; das haben wir getan. Unser Ziel bleibt der dopingfreie Sport. Chancengleichheit für die Ehrlichen, das muss das Ziel sein. Dazu ist Ihr Gesetzentwurf nicht geeignet. Ich bin sicher, es wird noch viele Gesprächsrunden zu diesem Thema geben. Ich hoffe, dass der nächste Bundestag dazu gute Entscheidungen treffen wird. Ich habe mich nach sechs Wahlperioden entschieden, dieses Haus zu verlassen. Ich danke allen, egal von welcher Partei, für die angenehme Zusammenarbeit. Wenn wir uns in persönlichen Gesprächen begegnet sind, konnten wir uns immer vernünftig unterhalten und haben meist auch gute Ziele gefunden. Ihnen allen eine gute Zukunft! Danke schön. (Beifall) Vizepräsident Eduard Oswald: Lieber Kollege Joachim Günther, auch im Namen des Hohen Hauses ein herzliches Dankeschön für all den Einsatz in den sechs Wahlperioden! Joachim Günther war ja vor allem im Wohnungsbaubereich aktiv tätig. Er war von 1991 bis 1998 Parlamentarischer Staatssekretär für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau. Er war auch stellvertretender Vorsitzender des Sportausschusses. Da ich den Kollegen Joachim Günther in der Zeit, als er Parlamentarischer Staatssekretär war, ganz persönlich kennengelernt habe, darf ich ihm auch ganz persönlich meine Glückwünsche aussprechen. Alles Gute und viel Erfolg! (Beifall im ganzen Hause) Der Kollege Joachim Günther war der letzte Redner in dieser Aussprache, die ich damit schließe. Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der Sozialdemokraten zur Dopingbekämpfung im Sport. Der Sportausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14015, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13468 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion der Sozialdemokraten. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 13 a bis 13 c auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 - Drucksache 17/13870 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksachen 17/14195, 17/14260 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Ingrid Arndt-Brauer Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Lisa Paus - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14206 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider (Erfurt) Otto Fricke Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz (Herborn) b) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht - Drucksache 17/13871 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksachen 17/14195, 17/14260 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Ingrid Arndt-Brauer Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Lisa Paus c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Lisa Paus, Kai Gehring, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht - Drucksache 17/13872 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksachen 17/14195, 17/14260 - Berichterstattung: Abgeordnete Olav Gutting Ingrid Arndt-Brauer Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Lisa Paus Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD, ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke und drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über vier Änderungsanträge werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Alle sind damit einverstanden. Dann haben wir das gemeinsam beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster in unserer Aussprache für die Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Olav Gutting. Bitte schön, Kollege Olav Gutting. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Olav Gutting (CDU/CSU): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! In meiner Rede zur ersten Lesung dieses Gesetzes habe ich gesagt, dass ich die Forderungen nach der Möglichkeit zur Volladoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare für falsch halte. Bei den Reaktionen auf meine Rede hatte ich dann allerdings den Eindruck, dass manche daraus die Idee entwickelt haben, dass ich die Gleichstellung im Steuerrecht oder gar die Homosexualität selbst für falsch halte. Das habe ich allerdings nie gesagt, und das habe ich auch nicht gedacht. Man wundert sich ja im ersten Moment über die heftigen, teilweise auch aggressiven Reaktionen. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass viele Homosexuelle in unserem Land immer noch diskriminiert werden, dass sie Anfeindungen ausgesetzt sind. Ich will hier sagen: Das finde ich beschämend. (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN) Niemand sollte wegen seiner sexuellen Orientierung herabgewürdigt oder geschmäht werden. Ich hoffe, dass wir mit der einkommensteuerlichen Gleichstellung der Lebenspartnerschaften ein Stück Diskriminierung abbauen können. Ich will aber auch sagen: Ich finde es beschämend, wenn nun im Zuge der Welle der steuerlichen Gleichstellung versucht wird, das Institut der Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau aufzuheben. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann [FDP]) Bei der Opposition vermischt sich da - das spürt man - der Wunsch nach Abschaffung, nach Diskreditierung der Ehe als einer altmodischen, piefigen und unmodernen Lebensform (Johannes Kahrs [SPD]: Das einzig Piefige ist Ihre Rede!) mit der absolut berechtigten Forderung nach steuerlicher Gleichstellung von Lebenspartnern. (Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Partnerschaft zwischen zwei Menschen gleichen oder verschiedenen Geschlechts!) Ich will Ihnen aber sagen: Um Diskriminierung von Homosexuellen abzubauen und zu bekämpfen, muss man nicht gleich die Ehe zwischen Mann und Frau abschaffen. (Johannes Kahrs [SPD]: Das will ja keiner! - Josef Philip Winkler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wird ja nicht abgeschafft!) Die Ehe zwischen Mann und Frau ist die regelmäßige Vorstufe zur Familie. Sie ist die über Art. 6 des Grundgesetzes geschützte Keimzelle der Gesellschaft, und sie ist in weiten Teilen die Voraussetzung für die Generationenfolge, die Sie hier über Bord werfen wollen. Wenn es darum geht, eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Homosexuellen zu beseitigen, wenn es darum geht, in diesem Land Homophobie abzubauen, wenn es darum geht, das Recht auf sexuelle Orientierung zu schützen, dann bin ich auf Ihrer Seite. Aber wenn Sie schreiben, dass "das Konzept der Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten überholt ist", (Caren Marks [SPD]: Ja!) kann ich Ihnen nicht folgen. Ich glaube, die Menschen aus Mühlhausen in Thüringen dort oben auf der Zuschauertribüne werden das auch nicht verstehen. (Beifall bei der CDU/CSU - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch! Natürlich!) Gesellschaftlicher Wandel hin oder her; eines muss man wissen: Nur Mann und Frau sichern den Fortbestand des Gemeinwesens. Wenn diese Aussage bei manchen schon reflexartig den Vorwurf der Homophobie auslöst, dann habe ich, ehrlich gesagt, dafür kein Verständnis. Zurück zum Gesetzentwurf der Koalition. Wir setzen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts mit dieser Generalnorm eins zu eins konsequent um. Wir haben in den Besprechungen gesagt, dass es dabei nicht bleiben wird. Wir werden in den nächsten Wochen und Monaten eine detaillierte Liste erstellen, in der wir die notwendigen Änderungen im gesamten Steuerrecht aufzählen. Wir werden dementsprechend das gesamte Steuerrecht anpassen. Diese Anpassung im Steuerrecht wird zu Folgeanpassungen führen. Das kann man nicht übers Knie brechen. Das wird auch für andere Rechtsbereiche Folgen haben. Deswegen braucht man die notwendige Zeit. Hier geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Es bedarf einer steuerfachlichen und einer rechtsförmlichen Prüfung, in die auch das Bundesministerium der Justiz eingebunden werden muss. Die Gleichstellung erfolgt rückwirkend, wie es der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vorsieht. Das heißt, alle offenen Fälle werden umfasst, was allerdings nicht bedeutet, dass wir die abgeschlossenen Fälle noch einmal aufgreifen. Das wird ja von der Opposition teilweise gefordert; aber diese Forderung ist abzulehnen. Wir haben ein Rechtsstaatsprinzip. Zu diesem Rechtsstaatsprinzip gehört, dass rechtlich abgeschlossene Vorgänge auch abgeschlossen bleiben. Hier muss der Rechtsfrieden gewahrt bleiben. Hier müssen wir auch die Verwaltung vor übermäßig vielen Prüfarbeiten schützen. Deswegen bleibt es dabei: Offene Fälle werden geregelt; Fälle, die abgeschlossen sind, bleiben abgeschlossen. Festzuhalten bleibt: Heute ist ein guter Tag für alle gleichgeschlechtlichen Lebenspartner in diesem Land. (Johannes Kahrs [SPD]: Das hat ganz schön lange gedauert!) Wer Verantwortung füreinander übernimmt, wer bereit ist, füreinander einzustehen, wer die gleichen Pflichten übernimmt, der muss selbstverständlich auch die gleichen steuerlichen Rechte erhalten. Mit dem heutigen Gesetz ist das gewährleistet. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber erst sehr spät!) Ich freue mich - es hat etwas länger gedauert; ja, Herr Beck, da haben Sie recht -, (Johannes Kahrs [SPD]: Etwas?) dass wir es zum Ende der Legislaturperiode dennoch geschafft haben. Das ist ein guter Tag für alle gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in diesem Land. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Olav Gutting. - Nächste Rednerin für die Fraktion der Sozialdemokraten ist unsere Frau Kollegin Ingrid Arndt-Brauer. Bitte schön, Frau Kollegin. (Beifall bei der SPD) Ingrid Arndt-Brauer (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich möchte für die SPD als Allererstes feststellen: Die SPD will die Ehe nicht abschaffen. Öffnung der Ehe bedeutet: Umwandlung von Lebenspartnerschaften in die Ehe und nicht Abschaffung der Ehe. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Die SPD wollte zusammen mit den Grünen im Jahre 2001 die Lösung, die sich jetzt ein klein wenig andeutet, schon damals umsetzen. Wir haben das Lebenspartnerschaftsgesetz im Bundestag verabschiedet. Im Bundesrat sind wir allerdings daran gescheitert, die steuerlichen Dinge, die mit einer Ehe verbunden sind, auch auf die Lebenspartnerschaften zu übertragen. Das ging mit der damaligen konservativen Bundesratsmehrheit nicht. Deshalb hat es bis zum 7. Mai dieses Jahres gedauert, bis sich das Bundesverfassungsgericht dieser Sache angenommen hat und Ihnen ein bisschen die Leviten gelesen hat, indem es gesagt hat, jetzt müssten endlich die Ehe betreffende einkommensteuerrechtliche Vorschriften auf Lebenspartnerschaften übertragen werden. Deshalb haben Sie gehandelt, aber nur so viel, wie Ihnen das Bundesverfassungsgericht aufgetragen hat. Somit wird nur das Ehegattensplitting von Ihnen angepackt. Andere einkommensteuerrechtliche Vorhaben werden angedeutet. Die Ministerien, vor allem das Finanzministerium, sagen, sie wollten in der Sommerpause mal etwas erarbeiten und vorlegen. Die Ministerien haben grundsätzlich das Problem, dass das gesamte Chaos, das Sie in der jetzt fast vergangenen Legislaturperiode produziert haben - leider ohne vernünftige Ergebnisse -, zu einer ziemlich großen Überlastung vor allem des Finanzministeriums geführt hat. Es ist leider nicht so gekommen, wie es die FDP wollte: ein Steuersystem, einfach, niedrig und gerecht. Im Gegenteil: einfach und niedrig war nur die Mövenpick-Steuer; gerecht war diese allerdings nicht. (Zuruf des Abg. Dr. Florian Toncar [FDP]) Gerecht ist es auch nicht, dass man nur die offenen Verfahren anpackt. Man hätte auf Antrag auch die bestandskräftigen Verfahren regeln müssen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Da sind wir als SPD ganz fest in unserer Haltung; denn die Wirklichkeit stellt sich so dar, dass einige Länder Verfahren abgeschlossen haben, während andere Länder, weil sie wussten, dass beim Bundesverfassungsgericht noch etwas anhängig ist, Verfahren offen gelassen haben. Es kann nicht sein, dass Menschen dadurch abhängig von ihrem Wohnsitz Erleichterungen bekommen oder eben nicht. Deswegen meinen wir, dass auch die bestandskräftigen Verfahren wieder aufgemacht werden müssen. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Andere haben Einspruch eingelegt!) Bei 34 000 Lebenspartnerschaften kann das ja auch nicht so teuer sein. Und bei Wahlversprechen in Höhe von 50 Milliarden Euro für die nächste Legislatur wird ja auch ein bisschen Geld zur Lösung dieses Problems übrig sein. Nun sagt Kollege Volk, der eben auch lautstark reingerufen hat, in Einzelfällen könnte es zwar zu starker Betroffenheit kommen, aber - Bürgerrechtspartei hin oder her - man ziehe es vor, auf Einzelschicksale keine Rücksicht zu nehmen. Das finde ich - bei allem Res-pekt - schon ein bisschen borniert. Wir möchten das so nicht haben. Was bei diesem Gesetzentwurf allerdings gegen alle Regeln spricht, vor allem gegen das Struck'sche Gesetz, das ist die Tatsache, dass dieses Gesetz genauso schlecht ins Parlament gekommen ist, wie es jetzt rauskommt. Es ist keine Verbesserung eingetreten, obwohl wir Sie schon in der letzten Debatte gebeten haben, das Gesetz nachzubessern. Es ist ein Minischritt, zu dem man Sie von außen gezwungen hat. Den werden wir - das sage ich ganz ausdrücklich - mitgehen; denn auch eine kleine Verbesserung ist eine Verbesserung. Aber die Kritik bleibt bestehen. Es gab Bestrebungen einzelner Mitglieder Ihrer Fraktion - ich erwähne in diesem Zusammenhang ausdrücklich Frau Tillmann -, noch ein bisschen zu reparieren. Das konnte leider nicht durchgesetzt werden. Ich bedauere das sehr. Ich möchte Sie bitten, trotzdem Ja zu unserem Änderungsantrag zu sagen. Unser Änderungsantrag beinhaltet die Umwandlung der Lebenspartnerschaft in die Ehe; mein Kollege Johannes Kahrs wird dazu gleich noch etwas sagen. Versuchen Sie wenigstens, die gröbsten Unbilligkeiten Ihres Gesetzentwurfes zu reparieren, indem Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Ansonsten stelle ich hier in Aussicht, dass wir, wenn wir ab September regieren - und das werden wir ganz sicher tun -, mit unserem grünen Koalitionspartner ein vernünftiges Gesetz auf den Weg bringen, das alle Benachteiligungen und Diskriminierungen von Lebenspartnerschaften aufhebt. Vielen Dank und schönen Sommer! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Frau Kollegin Arndt-Brauer. Vorher müssen wir noch kräftig arbeiten. - Nächster Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP Kollege Dr. Daniel Volk. Bitte schön, Kollege Dr. Volk. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Daniel Volk (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Arndt-Brauer, wir würden gar nicht vor der Frage stehen, ob nur die offenen Fälle oder auch die geschlossenen Fälle von der Neuregelung erfasst werden sollen, wenn Sie zwischen den Jahren 2001 und 2005 die Übertragung des Splittingtarifs auf eingetragene Lebenspartnerschaften vorgenommen hätten. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das hat der Bundesrat verhindert! Das wissen Sie doch ganz genau!) Aber Sie haben es ja nicht gemacht; Sie haben es nicht durchsetzen können. (Beifall bei der FDP - Johannes Kahrs [SPD]: Der Bundesrat!) Es ist ja wohl eher Ihr Problem. Insofern sollten Sie es vielleicht nicht so laut ansprechen. (Johannes Kahrs [SPD]: Wie kann man so einen Unsinn erzählen?) Sie nennen hier Zahlen und behaupten, dass die Steuerfälle in manchen Bundesländern abgeschlossen worden seien. In der Aufstellung, die uns allen vorliegt, steht ausdrücklich, dass die Steuerfälle in allen Bundesländern offengehalten wurden, wenn Einspruch eingelegt wurde. Was Sie ein bisschen damit verwechseln, ist die Aussetzung der Vollziehung; das ist ein anderes Thema. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Nein! Das steht da auch nicht drin!) Insofern gilt: Jeder steuerpflichtige eingetragene Lebenspartner, der seinen Steuerfall durch Einspruch offengehalten hat, wird jetzt im Rahmen seiner Steuerveranlagung auch rückwirkend in den Genuss des Splittingtarifs kommen. (Beifall bei der FDP) Das ist die positive Botschaft des Steuergesetzes, das wir Ihnen heute vorlegen. Jetzt haben Sie hier über den Splittingtarif gesprochen, darüber, dass er natürlich auf die eingetragenen Lebenspartnerschaften ausgeweitet werden muss. Zugleich kündigen Sie an, den Splittingtarif nach der Bundestagswahl insgesamt abzuschaffen. (Jimmy Schulz [FDP]: Ja, genau! - Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das kündigen wir überhaupt nicht an!) Das finde ich sehr verwunderlich: Sie stellen sich hier hin und fordern den Splittingtarif für eingetragene Lebenspartnerschaften, um diesen in ein paar Monaten - so ja Ihre Hoffnung - wieder abschaffen zu können. Das halte ich für dermaßen widersinnig, dass ich dazu eigentlich gar nicht mehr groß Stellung nehmen kann. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Ich will aber vielleicht versuchen, Ihnen zu erklären, (Swen Schulz [Spandau] [SPD]: Als ob Sie uns etwas erklären können!) auch den Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, die auch den Splittingtarif abschaffen wollen, was der Vorteil des Splittingtarifs für Ehegatten und zukünftig auch für eingetragene Lebenspartner ist. Sie haben selber gesagt: Wer füreinander Verpflichtungen übernimmt, der soll auch entsprechende Rechte erhalten. Genau dieser Gedanke wird im Splittingtarif abgebildet. Der Splittingtarif stellt eine vereinfachte Steuerveranlagung für Ehegatten und zukünftig für eingetragene Lebenspartner dar. Sie wird dadurch vereinfacht, dass die Unterhaltsverpflichtungen der Ehegatten und der eingetragenen Lebenspartner im Rahmen des Splittingtarifs nicht kompliziert einzeln nachgewiesen und Belege vorgehalten werden müssen; das ist der Vorteil am Splittingtarif. Sie verbrämen den Splittingtarif und sagen immer, er sei ungerecht, weil davon nur Leute mit einem Einkommen im oberen Bereich profitierten. Das stimmt eben nicht. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wann habe ich das denn gesagt?) - Es steht in Ihrem Wahlprogramm, sowohl im Wahlprogramm der SPD als auch im Wahlprogramm der Grünen. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das steht da überhaupt nicht drin! - Johannes Kahrs [SPD]: Lesen bildet, denken hilft!) - Ich habe ausnahmsweise Ihr Wahlprogramm gelesen. (Johannes Kahrs [SPD]: Aber verstanden haben Sie es nicht! Lesen allein reicht nicht!) Vielleicht bin ich einer der ganz wenigen, die Ihr Wahlprogramm lesen werden; aber ich habe es gelesen. (Beifall bei der FDP) Genau das steht in Ihrem Programm. - Es zeigt sich, dass Sie die Systematik der Besteuerung von Ehegatten und Familien nicht begriffen haben. Deswegen kündigen Sie in Ihren Wahlprogrammen schlichtweg eine steuerpolitische Irrfahrt an: Sie wollen ausgerechnet den Splittingtarif abschaffen. Abgesehen davon, würden Sie damit natürlich eine massive Steuermehrbelastung gerade für die Familien in Deutschland herbeiführen, was in Zeiten der höchsten Steuereinnahmen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland aus unserer Sicht wirklich völlig überflüssig ist. (Johannes Kahrs [SPD]: Ja! Und Sie machen trotzdem Schulden!) Das zeigt aber ganz einfach die Unterschiede zwischen der bürgerlichen Seite dieses Hauses und der Oppositionsseite, (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wir sind nicht bürgerlich, oder was?) die im Wesentlichen nur davon getrieben ist, den Bürgern so viel Steuern wie möglich abzuzocken, anstatt sich darauf zu konzentrieren, für ein vernünftiges Maß im Steuerrecht zu sorgen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Eduard Oswald: Vielen Dank, Kollege Dr. Volk. - Nächste Rednerin für die Fraktion Die Linke, unsere Kollegin Frau Dr. Barbara Höll. Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Barbara Höll. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Danke, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre schön gewesen, wenn die FDP ein bisschen mehr zum Thema gesagt hätte. Das war eine vertane Chance. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich möchte einen kurzen historischen Rückblick wagen. 1935 wurde der § 175 Strafgesetzbuch durch die Nazis verschärft. In der alten Bundesrepublik galt er in dieser Form bis 1969, in der DDR wurde er bereits 1951 nicht mehr angewendet. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Und das heißt, dass die DDR Menschenrechte hatte?) Es dauerte noch bis 1994, bis der § 175 Strafgesetzbuch überhaupt aufgehoben wurde. Das ist jetzt 19 Jahre her. In den 90er-Jahren haben wir darüber diskutiert: Welche Aufgabe hat der Staat, haben wir als Parlament, um die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen zu schützen und zu fördern? Als Ergebnis dieser Diskussion hat sich Rot-Grün entschieden, neben der Ehe ein zweites Rechtsinstitut zu begründen: die eingetragene Lebenspartnerschaft. 2001 erfolgte dieser äußerst wichtige und richtige Schritt, um eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen in unserer Gesellschaft zu erreichen; und das ist tatsächlich auch gelungen. Allerdings hatte die eingetragene Lebenspartnerschaft von vornherein einen Konstruktionsfehler: die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte. Bereits 2002 hat allerdings das Bundesverfassungsgericht in einem ersten Urteil klargestellt, dass die Privilegierung eines Rechtsinstituts, der Ehe, mitnichten die Diskriminierung eines anderen vergleichbaren Rechtsinstituts rechtfertigt. Das war bereits vor elf Jahren. Wo stehen wir heute? Wir haben elf Jahre hinter uns, in denen Betroffene mühsam bis vor das Bundesverfassungsgericht, ja selbst vor den Europäischen Gerichtshof ziehen mussten, um ihre Rechte einzuklagen, und sie haben dort recht bekommen. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist wirklich zum Fremdschämen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Sie müssen ja nicht rot anlaufen, Sie sind es ja schon! - Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können wir mit dem Fremdschämen gleich weitermachen!) Ich erlaube mir, aus Ihrem Koalitionsvertrag zu zitieren. Darin steht, die Koalition will gleichheitswidrige Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen und insbesondere die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichstellung von Lebenspartnern mit Ehepartnern umset-zen ... Das wollten Sie 2009 erreichen. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Das haben wir im Erbschaftsteuerrecht gemacht! Das haben wir im Grunderwerbsteuerrecht gemacht!) Die FDP brüstet sich ja immer, sie hätte dafür gesorgt, dass das im Koalitionsvertrag steht. Um der Legendenbildung einen Riegel vorzuschieben: Am Sonntag haben Sie den Vertrag verkündet, am Donnerstag vorher hat das Bundesverfassungsgericht die Urteilsbegründung zur Hinterbliebenenversorgung veröffentlicht. (Michael Kauch [FDP]: Da haben wir aber schon verhandelt!) Darin wurde noch einmal bestätigt, dass Ihnen gar nichts anderes übrig bleiben wird, als wenigstens die steuerliche Gleichstellung zu verabschieden. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Die haben wir doch jetzt!) Im Koalitionsvertrag haben Sie sich dazu verpflichtet, aber getan haben Sie nichts. Mitnichten! (Dr. Daniel Volk [FDP]: Erbschaftsteuer! Grund-erwerbsteuer! Jetzt Einkommensteuer!) Der heute vorliegende Gesetzentwurf sieht nur ein Minimum an Rechten vor. Jetzt wollen Sie durch eine Generalklausel die Einführung des Ehegattensplittings für eingetragene Lebenspartnerschaften in das Einkommensteuerrecht aufnehmen. Herr Volk, Sie können sich hier noch so aufplustern. Im Ausschuss haben Sie versucht, dem Ministerium eine Antwort auf die Frage zu entlocken, warum unser Vorschlag, die Änderung der Abgabenordnung, ein falscher Weg sei. Vom Ministerium kam aber keine Antwort. Wir können dafür aber jetzt noch sorgen. Wenn wir die Änderung der Abgabenordnung verabschieden, dann können wir eine Gleichstellung im gesamten Steuerrecht erreichen; denn die Abgabenordnung ist de facto das Grundgesetz des Steuerrechtes. Erzählen Sie hier nicht ewig, es müsse alles noch einmal gründlich geprüft werden. Wenn die Generalklausel erst einmal wirksam wird, dann gilt alles, was für Ehegatten gilt, für eingetragene Lebenspartnerschaften gleichermaßen. (Dr. Ilja Seifert [DIE LINKE]: Richtig!) Das könnten wir jetzt sofort beschließen; dann haben wir wenigstens Gleichheit im Steuerrecht. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP]) Etwas ärgert mich bei den Debatten der letzten Wochen wirklich. Herr Geis mag wirklich homophob sein. Irrationale Angst vor Homosexuellen kann man nicht heilen, das ist so. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Frank Steffel [CDU/CSU]: Das geht ja wohl nicht! Sie stellen einen Kollegen unter Generalverdacht! Das ist ja wohl eine Grenzüberschreitung!) Aber was Sie hier machen, ist Folgendes: Sie instrumentalisieren Homosexuelle, Schwule und Lesben, Intersexuelle, Transgender, Transsexuelle. Sie instrumentalisieren irrationale Ängste ihnen gegenüber, Sie schüren Homosexuellenfeindlichkeit, um einen konservativen Flügel zu beruhigen, (Manfred Grund [CDU/CSU]: Sie sollten aufhören mit Ihrer Rede! - Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Aber sie hat doch recht!) und Sie verstoßen damit gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Wenn Sie das nicht wollen, dann ändern Sie mit uns gemeinsam sofort zu Beginn der nächsten Legislaturperiode Art. 3 des Grundgesetzes, indem Sie ihn um sexuelle Orientierung und sexuelle Identität ergänzen. Danke. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist unser Kollege Volker Beck. Bitte schön, Kollege Volker Beck. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die amerikanischen Lesben und Schwulen war gestern ein guter Tag. Der Supreme Court hat gesagt: Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in Kalifornien ist erlaubt. Das Gesetz infolge eines Volksentscheids, das solche Ehen verboten hat, ist verfassungswidrig. Und das Gericht hat gesagt: Alle Ehen von gleichgeschlechtlichen Paaren müssen alle Vergünstigungen für Ehepaare nach amerikanischem Recht bekommen. Der amerikanische Präsident hat nach diesem bahnbrechenden Urteil des Supreme Courts die Klägerinnen und Kläger angerufen und ihnen zu diesem Sieg vor dem Gericht gratuliert. Was ist bei uns in Deutschland? Frau Merkel und ihre Koalition geben sich wie geprügelte Hunde, wenn ein Urteil nach dem anderen dem Gesetzgeber sagt: Ehen und gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften sind vor dem Gesetz gleich zu behandeln, es gibt hier keine Gründe für eine Differenzierung; alles andere ist Diskriminierung. Man muss Sie immer wieder mit dem Kopf auf den Tisch schlagen, damit Sie an dieser Stelle als Gesetzgeber überhaupt handeln. (Johannes Kahrs [SPD]: Diskriminiere den Tisch nicht so! - Weiterer Zuruf von der SPD: Keine Gewalt!) Wenn Sie es dann tun, dann machen Sie es wieder vollkommen unvollständig. Es war ja nicht so, dass der Gesetzgeber über diese Fragen nicht diskutiert hat. Wir hatten zum Jahressteuergesetz eine Formulierungshilfe des Bundesfinanzministeriums vorliegen, das alle steuerrechtlichen Fragen durchgeprüft hat. Trotzdem machen Sie wieder ein unvollständiges Gesetz: Es fehlt die Abgabenordnung, es fehlt die Regelung zum Bundeskindergeldgesetz, Rürup- und Riester-Rente werden bei Lebenspartnerschaften anders gehandhabt als bei der Ehe. Das alles macht von vorne bis hinten keinen Sinn. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Davon geht jedoch eine gesellschaftliche Botschaft aus: Sie wollen nach wie vor dokumentieren: Lesben und Schwule sind nicht Bürger mit gleichem Recht und gleicher Würde, sondern sie werden nach wie vor diskriminiert und damit abgewertet. (Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Eine Unterstellung! - Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Nein, das ist wahr!) An Ihren Taten müssen Sie sich messen lassen, und die Lesben und Schwulen draußen im Lande haben diese Botschaft von Schwarz-Gelb auch verstanden. Alles, was Sie jetzt wieder aufzählen werden, Herr Kauch, was Sie alles in dieser Koalition gemacht haben, (Dr. Daniel Volk [FDP]: Mehr als Sie!) geht letztendlich auf eine Quelle zurück, nämlich auf das Bundesverfassungsgericht, auf nichts anderes. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) Sie sind Getriebene; Sie sind nicht Handelnde und Gestaltende. Wir hingegen wollen Lesben und Schwulen gleiche Rechte geben. Deswegen wollen wir nach der Bundestagswahl, dann gemeinsam mit unserem sozialdemokratischen Koalitionspartner, die Ehe öffnen. Wir bieten Ihnen heute aber darüber hinaus an, in Änderungsanträgen - mit Rücksicht auf Koalitionäre wie Herrn Gutting - wenigstens die Lebenspartnerschaft an allen Punkten gleichzustellen, von der Höfeordnung über die Zivilprozessordnung bis zum Sprengstoffgesetz. An all diesen Punkten gibt es noch unterschiedliche Regelungen für gleichgeschlechtliche Paare und die Ehe. All das macht keinen Sinn. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Herr Krings hat gesagt, es sei nicht gesetzesökonomisch, Hunderte von Gesetzen für Lebenspartner zu ändern, weil das ja nur eine kleine Minderheit sei. Ist es denn gerichtsökonomisch, wegen jeder Diskriminierung schwule und lesbische Paare auf den Rechtsweg nach Karlsruhe zu schicken, um sich dann als Gesetzgeber den Auftrag vom Verfassungsgericht einzufangen, jedes Gesetz, eines nach dem anderen, zu ändern? Das ist doch keine Gesellschaftspolitik. Das ist doch keine Rechtspolitik. Das ist Diskriminierung pur. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Herr Gutting hat das Thema Adoption angesprochen. Herr Gutting, ich will Ihnen gar nichts unterstellen. Ich bin auch gerne bereit, mit Ihnen persönlich einmal über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu diesem Thema zu reden. Im Rechtsausschuss des Bundestages haben wir eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Alle Fachleute sozialwissenschaftlicher und psychologischer Art kamen zu dem Ergebnis: Es gibt keinen Grund, Schwulen und Lesben nicht die gleichen Möglichkeiten beim Adoptionsrecht zu geben. Bei der Anhörung in Karlsruhe, bei der nicht Parteien die Anzuhörenden benannt haben, sondern das Bundesverfassungsgericht, sprachen sich Vertreter des Deutschen Familiengerichtstages, der Psychologenverbände und der großen Familienverbände allesamt bis auf einen einzigen Verband - das war ein Lobbyverband - dafür aus, gleiche Rechte zu schaffen. Das Bundesverfassungsgericht hat nach dieser Anhörung schlichtweg den folgenden Satz formuliert: Unterschiede zwischen Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft, welche die ungleiche Ausgestaltung der Adoptionsmöglichkeiten rechtfertigen könnten, bestehen nicht ... Das steht im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Februar 2013. Das setzen Sie hier auch wieder nicht um. Sie können das heilen, indem Sie unserem diesbezüglichen Änderungsantrag zustimmen. Gerade die Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion fordere ich auf, ihrem Parteiprogramm und ihrem Gewissen zu folgen. Die Koalition ist jetzt eh zu Ende. Seien Sie ein bisschen mutig. Wenn zumindest diejenigen, die aus dem Parlament ausscheiden, mitstimmen, dann haben wir hier eine Mehrheit. Dann haben wir diese Frage endlich ein für alle Male geklärt. Hören Sie auf, weiter zu diskriminieren. Wir sind im 21. Jahrhundert, auch wenn Sie es noch nicht gemerkt haben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Nächster Redner ist für die Fraktion von CDU/CSU unser Kollege Dr. Hans Michelbach. Bitte schön, Kollege Hans Michelbach. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Wir Bayern leben nach dem Motto Liberalitas Bavariae. (Zurufe von der SPD: Was?) Das heißt, leben und leben lassen. Wir lassen uns nichts unterstellen, wie Herr Beck es hier getan hat. Wir diskriminieren niemanden, (Lachen bei Abgeordneten der SPD - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Sie behandeln nur ungleich!) und wir lassen uns auch von Ihnen, Herr Beck, wie Sie es getan haben, keine Homophobie vorwerfen. (Johannes Kahrs [SPD]: Ihnen schon! Den Bayern nicht!) Das Bundesverfassungsgericht hat am 7. Mai 2013 in einem Beschluss entschieden, dass die steuerliche Ungleichbehandlung von Verheirateten und Lebenspartnern verfassungswidrig ist und beseitigt werden muss - nichts anderes, nicht mehr und nicht weniger. In dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts und auch heute geht es um das Steuerrecht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir diesen Beschluss schnellstmöglich um. Das ist kein Minischritt, sondern ein kurzfristig richtiger Schritt für die betroffenen Lebenspartnerschaften. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Alle Regelungen des Einkommensteuergesetzes, die für Ehegatten gelten, sind nunmehr auch auf Lebenspartner anwendbar. Es gelten die gleichen steuerlichen Rechte und Pflichten. Das sollten Sie anerkennen. Die Gleichstellung hinsichtlich der einkommensteuerrechtlichen Vorschriften zum Ehegattensplitting erfolgt rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung des Instituts der Lebenspartnerschaft im Jahr 2001. Wir halten es im Sinne der Rechtssicherheit für richtig, jetzt die Fälle zu erfassen, die noch nicht abschließend veranlagt wurden, wie dies im Steuerrecht üblich ist. Ein Blick zurück zeigt, dass Sie überhaupt keinen Grund haben, jetzt den Lehrmeister zu spielen. Sie von der SPD haben in Ihrer Regierungszeit in diesem Bereich gar nichts zustande gebracht. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist doch Blödsinn! - Weiterer Zuruf von der SPD: Heuchelei!) Das ist die Wahrheit, aber die wollen Sie nicht hören. Heute wollen Sie die Betroffenen instrumentalisieren. Das ist Ihr Thema. Sie wollen aus parteitaktischen Gründen die Betroffenen instrumentalisieren. (Widerspruch bei der SPD) Das lassen sich die Betroffenen aber nicht gefallen; denn sie wissen genau, dass Sie in der Vergangenheit letzten Endes nie das gemacht haben, was Sie hier fordern. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist wirklich Quatsch, und das wissen Sie auch! Wir sind am Bundesrat gescheitert!) Wir führen diese Diskussion sachlich und nicht emotionell wie Sie; dafür haben hier ja einige Vertreter der Opposition den Beweis geliefert. Es ist dem Thema nicht angemessen, die Betroffenen in dieser parteitaktischen Form zu instrumentalisieren. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist vielleicht eine Unterstellung! - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie instrumentalisieren die Debatte für Ihre Abschiedsrede!) Wir halten uns selbstverständlich an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Wir regieren schnell. Knapp anderthalb Monate nach der Verkündung des Urteils setzen wir dieses Gesetz um. Positiv sehen wir auch die Rechts- und Verwaltungsvereinfachung dieser Umsetzung. Unterhaltsaufwendungen innerhalb der Lebenspartnerschaften müssen nicht mehr gesondert geltend gemacht und nachgewiesen werden. Statt zwei Steuererklärungen muss nur noch eine gemeinsame Erklärung abgegeben werden. Damit kommen wir der Forderung nach Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung in diesem Bereich nach. Noch zu prüfen ist, ob sich in Nebengesetzen zum Einkommensteuerrecht weiterer Anpassungsbedarf zugunsten der Lebenspartner ergibt. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Dann warten Sie mal auf die nächsten Urteile!) Es geht hier vor allem auch um Änderungen an Stellen, an denen der Begriff "Lebenspartner" nachzutragen ist. Das sollte gesammelt in einem Jahressteuergesetz erledigt werden. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätten Sie 2013 schon haben können!) Das haben wir im Ausschuss mit dem Vertreter des Bundesfinanzministeriums so angesprochen. Die Gesetzentwürfe, die Sie geliefert haben, sind dürftig; sie sind nicht vollständig, sie sind Stückwerk. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was fehlt denn? - Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Quatsch!) Letzten Endes muss ein Gesetz mit aller Vernunft erarbeitet werden. Wir werden das im Steuerrecht prüfen und einen sachgemäßen Gesetzentwurf vorlegen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Daniel Volk [FDP] - Johannes Kahrs [SPD]: Immerhin klatscht einer von der FDP! - Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Das ist der Falsche!) Wir, CDU und CSU, sind eine Volkspartei für alle. (Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!) Als solche setzen wir uns für alle Menschen ein, für die gesamte Gemeinschaft. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit Jahrzehnten diskriminieren Sie!) Allerdings sind wir genau deshalb gegen eine verfrühte Diskussion im Adoptionsrecht, die Sie uns hier überstülpen wollen. (Widerspruch der Abg. Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]) Kinder sind etwas anderes als steuerrechtliche Fragen, meine Damen und Herren. Unstrittig ist, dass es bei dieser Thematik größere Vorbehalte in der Bevölkerung gibt als beim Thema Splitting. CDU und CSU sind die Parteien der Familien. Wir wollen dem Auftrag des Grundgesetzes, Ehe und Familie unter besonderen Schutz zu stellen, weiterhin intensiv nachkommen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]) So ist das Steuerrecht grundsätzlich zugunsten von Familien mit Kindern weiterzuentwickeln. Kinder sind das höchste Gut für die Zukunft unserer Gesellschaft. Deswegen müssen wir dies auch besonders gewichten. Das schreibt das Grundgesetz auch vor. Für die kommende Wahlperiode wollen wir eine Erhöhung des Kinderfreibetrages und eine Anhebung des Kindergeldes durchsetzen. (Widerspruch bei Abgeordneten der SPD) Außerdem sollen Mütter mit Kindern, die vor 1992 geboren wurden, in der Rente bessergestellt werden. Das ist eine zielführende und gerechte Familienpolitik. (Zuruf der Abg. Iris Gleicke [SPD]) Sie sollten einmal deutlich anerkennen, dass diese Familienpolitik für das Gemeinwohl, für unsere Familien der richtige Ansatz ist. Wir lassen uns keine Vorwürfe und Unterstellungen, wir seien homophob, machen. Das ist völlig daneben. Lassen Sie uns auf einem gemeinsamen Weg die richtigen Schritte gehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Wollen wir ja! Endlich die richtigen Schritte gehen! - Iris Gleicke [SPD]: Meine Güte!) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben noch zwei Redner in unserer Aussprache. Ich bitte doch, beiden Rednern zuzuhören. Nächster Redner für die Fraktion der Sozialdemokraten unser Kollege Johannes Kahrs. Bitte schön, Kollege Johannes Kahrs. (Beifall bei der SPD) Johannes Kahrs (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben hier heute von dem Kollegen Michelbach gehört, warum das mit der Gleichstellung von Schwulen und Lesben zwölf Jahre gedauert hat. Die Union hat es nicht kapiert. Sie hat es in den letzten zwölf Jahren nicht kapiert, obwohl sie sich sechs, sieben Urteile des Bundesverfassungsgerichts eingehandelt hat. Heute beschließen wir die Gleichstellung im Steuerrecht für eingetragene Lebenspartnerschaften. Das ist gut so. Das hätten wir auch schon vor vielen Jahren haben können. Der Vorwurf von Herrn Volk, von Herrn Michelbach und anderen, Rot-Grün, wir als SPD und Grüne hätten es nicht gemacht, ist der blanke Wahnsinn. Sie scheinen den Bundesrat zu vergessen. Da haben CDU und CSU blockiert. Das muss man einfach einmal zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es geht hier nicht nur um die Gleichstellung im Steuerrecht oder andere einzelne Punkte. Es geht hier, wenn man ehrlich ist, um die Fragen: Diskriminiert man einen Teil der Bevölkerung, oder tut man es nicht? Öffnet man die Ehe, oder tut man es nicht? Wir haben hier langwierige, immer gleiche Debatten geführt. Das Ergebnis war immer dasselbe: Die CDU und die CSU wollten es nicht. Die Linke, die SPD, die Grünen und die FDP waren dafür. Deswegen kann man sagen, meine Damen und Herren, dass Sie Diskriminierung wollen, Gleichberechtigung ablehnen und seit mehr als zwölf Jahren hier in diesem Hohen Hause dafür stehen. Dafür sollten Sie sich schämen! (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) In Ihrem Gesetzentwurf steht nun: Die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden. Ehrlich gesagt, so aufregend ist der Satz nicht, als dass man dafür zwölf Jahre hätte brauchen oder monatelang die Referenten im Bundesfinanzministerium irgendwie ins Schwitzen hätte bringen müssen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Eigentlich ist es eine klare und einfache Selbstverständlichkeit, eine Frage des Anstands. Das sollten Sie doch kapieren. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Jetzt fragt man sich: Warum haben die Kolleginnen und Kollegen von CDU und CSU es nicht vorher gemacht? Sie wussten ja, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden würde. Es war jedermann klar. Alles war überhaupt kein Problem. Wir stellen uns daher die einfache Frage: Warum? Ich glaube, es liegt einfach auch daran, dass Frau Merkel in den letzten Jahren den Markenkern ihrer Partei komplett ausgehöhlt hat. Wo sind denn hier noch christdemokratische Positionen? Sie haben die Wehrpflicht abgeschafft. Sie haben die Atomkraft abgeschafft. Mindestlohn wollen Sie ein bisschen. Auch Frauenquote wollen Sie so ein bisschen. Warum soll denn einer, der früher einmal aus vollem Herzen konservativ-rechts gewählt hat, Sie überhaupt noch wählen? (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Sie haben aber doch noch ein Thema. Die Diskriminierung von Lesben und Schwulen ist das Einzige, was Sie und Frau Merkel noch haben, um Ihre konservativen Wähler zu beruhigen. Das ist unanständig! Das ist wahltaktisch! (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Frau Steinbach und Herrn Geis nehme ich ab, dass sie inhaltlich davon überzeugt sind. Ich sehe das anders; aber ich glaube es ihnen. Frau Merkel glaube ich das nicht. Sie diskriminiert mit Absicht, und zwar nur um einiger Prozente bei den Umfragen willen. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist unanständig! So, wie Sie hier alle sitzen, wissen Sie das! Das sieht man Ihnen auch an! Deswegen wäre es besser gewesen, wenn Frau Merkel auf Ihrem Bundesparteitag geschwiegen hätte, auf dem sie damals noch erklärt hat, dass sie gegen Gleichstellung ist. Das ist etwas, was wir Sozialdemokraten hier weder unterstützen noch gut finden. Mit Ihrer Gesellschaftspolitik sind Sie, glaube ich, wirklich wieder bei Adenauer angekommen. (Zurufe von der CDU/CSU) Ich bin nicht der linkeste Sozialdemokrat aller Zeiten - das kann man nicht ernsthaft behaupten -, aber dass ich Ihnen das sagen muss, ist unglaublich! Schönen Tag noch! (Lebhafter Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsident Eduard Oswald: Letzter Redner in unserer Aussprache ist für die Fraktion der FDP unser Kollege Michael Kauch. Bitte schön, Kollege Michael Kauch. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Michael Kauch (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dies ist ein guter Tag für die Lesben und Schwulen in diesem Land. Wir haben lange daran gearbeitet, um dorthin zu kommen, wo wir heute - mit der Abstimmung in diesem Parlament - sind. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Bundesverfassungsgericht! - Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dank Karlsruhe!) Wir werden heute die Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuergesetz beschließen. Damit ist endlich eine ganz große Baustelle im Hinblick auf die Gleichstellung der Lebenspartnerschaften geschlossen. Meine Damen und Herren, es waren auch vier gute Jahre für die Lesben und Schwulen in diesem Land. (Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht eben nicht nur um die Frage der Gleichstellung der Lebenspartnerschaften bei der Erbschaftsteuer, der Grunderwerbsteuer, beim BAföG, beim Entwicklungshelfer-Gesetz, beim Beamten-, Soldaten- und Richterrecht. (Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Alles Gerichtsurteile!) Frau Höll, wir können uns darüber streiten, ob die Koalition mit ihrem Koalitionsvertrag drei Tage früher dran war als das Bundesverfassungsgericht oder nicht. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Nein, das Bundesverfassungsgericht!) Aber bei der Lesben- und Schwulenpolitik geht es nicht nur um solche Fragen. Es geht vielmehr darum, dass man etwas gegen die Diskriminierung und für die Gleichstellung in der Gesellschaft tut, damit sich die Dinge in den Köpfen verändern und wir Toleranz und Akzeptanz schaffen. Insbesondere die Bundesjustizministerin hat mit der Gründung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld in dieser Koalition einen Meilenstein gesetzt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Auch der Außenminister und der Entwicklungsminister haben in ihren Bereichen Dinge auf den Weg gebracht, die Rot-Grün nie geschafft hat. (Beifall bei Abgeordneten der FDP - Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Wir haben erstmals Menschenrechtsprojekte für Lesben und Schwule vor Ort im Ausland finanziert. (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Wir haben die Budgethilfe für Verfolgerstaaten, die die Strafen erhöhen, gekürzt. Das haben Sie sich nie getraut. (Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Aber im Asylrecht haben wir immer noch keine Klarheit!) Ihre Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul hat das immer abgelehnt. Wir haben das gemacht. Deshalb waren es vier gute Jahre für die Lesben und Schwulen in Deutschland. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Blödsinn!) Meine Damen und Herren, ich möchte auch etwas zu den Regenbogenfamilien sagen: Im letzten Monat hat diese Koalition ein neues Sorgerecht beschlossen. Durch dieses neue Sorgerecht haben schwule Väter in Regenbogenfamilien endlich Rechtssicherheit. (Ingrid Arndt-Brauer [SPD]: Dazu sind Sie auch gezwungen worden!) In Zukunft werden sich mehr Regenbogenfamilien zusammenfinden, um gemeinsam Kinder zu haben. (Beifall der Abg. Miriam Gruß [FDP]) Herr Gutting, ich sage Ihnen: Auch Lesben und Schwule können Kinder bekommen. Auch ich als schwuler Mann habe ein Kind, ohne mit einer Frau verheiratet zu sein; auch das ist möglich. Die Kinder in diesen Familien sind genauso wertvoll wie die Kinder in klassischen Familien. (Beifall bei der FDP, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Deshalb treten wir als FDP für die volle Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und Regenbogenfamilien und für die Öffnung der Ehe ein. Das werden wir in der nächsten Wahlperiode schaffen. Vielen Dank. (Beifall bei der FDP - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Etwa mit der Union? Oder mit wem wollen Sie das machen? Dann müssen Sie auch so abstimmen, Herr Kauch!) Vizepräsident Eduard Oswald: Unser Kollege Michael Kauch war der letzte Redner in unserer Aussprache, die ich hiermit schließe. Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir liegen zahlreiche Erklärungen nach § 31 unserer Geschäftsordnung vor.9 Wir kommen nun zur Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14195 und 17/14260, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13870 anzunehmen. Hierzu liegen fünf Änderungsanträge vor, über die wir zunächst abstimmen. Zu vier Änderungsanträgen ist namentliche Abstimmung verlangt; mit diesen werden wir beginnen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir die Sitzung nach jeder namentlichen Abstimmung bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbrechen werden. (Zurufe: Wie bitte? - Warum das denn?) - Wenn Sie sich anschauen, worum es geht, werden Sie sehen: Das ist einleuchtend. Wir sind noch bei Tagesordnungspunkt 13 a. Es geht um den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14230. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die erste namentliche Abstimmung, also die Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/14230. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Gleichzeitig bitte ich die eingeteilten Schriftführerinnen und Schriftführer der Fraktionen, ihren Pflichten nachzukommen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 22.13 bis 22.19 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu der zweiten Beratung des Gesetzentwurfs der Koalitionsfraktionen bekannt: abgegebene Stimmen 574. Mit Ja haben gestimmt 261, mit Nein haben gestimmt 312, Enthaltung 1. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.10 Wir stimmen nun über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/14231 namentlich ab. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die zweite namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke. Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen auch dieses Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 22.23 bis 22.29 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke zu dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen bekannt: abgegebene Stimmen 574. Mit Ja haben gestimmt 259, mit Nein haben gestimmt 312. Es gab drei Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.11 Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14232. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die dritte namentliche Abstimmung. Es geht um den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Ich unterbreche die Sitzung bis zum Vorliegen des Ergebnisses. (Unterbrechung von 22.33 bis 22.39 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bekannt: abgegebene Stimmen 573. Mit Ja haben gestimmt 260, mit Nein haben gestimmt 312, eine Enthaltung. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.12 Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen nun zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14233. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? - Das ist der Fall. Ich eröffne die vierte namentliche Abstimmung, also die namentliche Abstimmung zu dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14233. Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Bis zum Vorliegen des Ergebnisses unterbreche ich die Sitzung. (Unterbrechung von 22.43 bis 22.49 Uhr) Vizepräsident Eduard Oswald: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bekannt: abgegebene Stimmen 575. Mit Ja haben gestimmt 261, mit Nein haben gestimmt 312, Enthaltungen 2. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.13 Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich nutze die Gelegenheit, mich bei den Schriftführerinnen und Schriftführern herzlich für die Arbeit zu bedanken. (Beifall) Wir sind jetzt alle wieder bereit, nun die weiteren Abstimmungen vorzunehmen. Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14234. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Eine Enthaltung aus der Fraktion CDU/CSU. Der Änderungsantrag ist abgelehnt. Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 13 a. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen und die anderen Fraktionen des Hauses. Wer stimmt dagegen? - Einige Stimmen aus der Fraktion von CDU/CSU. Enthaltungen? - Eine. Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Das sind alle Fraktionen des Hauses. Wer stimmt dagegen? - Einige Stimmen aus der Fraktion von CDU/CSU. Enthaltungen? - Eine Enthaltung aus der Fraktion CDU/CSU. Der Gesetzentwurf ist angenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind beim Tagesordnungspunkt 13 b und kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14195 und 17/14260, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13871 abzulehnen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion und Stimmen aus der FDP. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich lasse unter Tagesordnungspunkt 13 c nun abstimmen über den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 zur Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaft mit der Ehe im Einkommensteuerrecht. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/14195 und 17/14260, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13872 abzulehnen. Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das sind die drei Oppositionsfraktionen sowie eine Stimme aus der Fraktion der FDP. Gegenstimmen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zu Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Marianne Schieder (Schwandorf), Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kooperativen Föderalismus für Bildung stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Kooperationsverbot in der Bildung unverzüglich aufheben - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen - zu dem Antrag der Abgeordneten Priska Hinz (Herborn), Krista Sager, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gemeinsam für gute Schulen und Hochschulen sorgen - Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung abschaffen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kooperation ermöglichen - Gemeinsam Verantwortung für die großen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft übernehmen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Krista Sager, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft - Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern - Drucksachen 17/8455, 17/5911, 17/785, 17/6094, 17/1984, 17/8902, 17/9565, 17/14105 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Swen Schulz (Spandau) Heiner Kamp Dr. Rosemarie Hein Kai Gehring Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.14 - Sie sind alle damit einverstanden. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 17/14105. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8455 mit dem Titel "Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/5911 mit dem Titel "Kooperativen Föderalismus für Bildung stärken" für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind alle Fraktionen des Hauses. Gegenprobe! - Niemand. Enthaltungen? - Auch niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/785 mit dem Titel "Kooperationsverbot in der Bildung unverzüglich aufheben". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Alle drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Bündnis 90/Die Grünen haben sich doch enthalten. Der Kollege Oppermann irritiert, (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er wird in seiner Fraktion wegen sozialer Auffälligkeiten nicht mehr geduldet!) aber nur in diesem einen Punkt. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/6094 mit dem Titel "Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Ich kann feststellen, dass die Fraktion Die Linke dagegen ist. Enthaltungen? - Sozialdemokraten und Bündnis 90/Die Grünen. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. - Vielleicht wäre es doch sinnvoll, Kollege Oppermann, wenn Sie sich zu den Plätzen der eigenen Fraktion zurückbegäben. (Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an den Abg. Thomas Oppermann [SPD] gewandt: Bleib hier!) Unter Buchstabe e empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/1984 mit dem Titel "Gemeinsam für gute Schulen und Hochschulen sorgen - Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung abschaffen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Sozialdemokraten, Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt sitzt der von Klaeden auch noch bei uns! - Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unter Buchstabe f empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/8902 mit dem Titel "Kooperation ermöglichen - Gemeinsam Verantwortung für die großen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft übernehmen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe g seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/9565 mit dem Titel "Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft - Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Gegenprobe! - Das sind die drei Oppositionsfraktionen. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Jens Spahn, Stefanie Vogelsang, Michael Grosse-Brömer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Karl Lauterbach, Dr. Marlies Volkmer, Dr. Frank-Walter Steinmeier und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Heinz Lanfermann, Gabriele Molitor, Rainer Brüderle und der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Dr. Gregor Gysi und der Fraktion DIE LINKE sowie der Abgeordneten Birgitt Bender, Elisabeth Scharfenberg, Dr. Harald Terpe, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig stärken: Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Kathrin Vogler, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Transparenz und öffentliche Kontrolle im Prozess der Organspende herstellen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Organspende in Deutschland transparent organisieren - Drucksachen 17/13897, 17/12225, 17/11308, 17/14200 - Berichterstattung: Abgeordnete Stefanie Vogelsang Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.15 - Alle sind damit einverstanden. Wir kommen nun gleich zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 17/14200. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Annahme des interfraktionellen Antrags auf Drucksache 17/13897 mit dem Titel "System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig stärken: Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind alle Fraktionen des Hauses. Gegenprobe! - Niemand. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12225 mit dem Titel "Transparenz und öffentliche Kontrolle im Prozess der Organspende herstellen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der Sozialdemokraten. Gegenprobe! - Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/11308 mit dem Titel "Organspende in Deutschland transparent organisieren". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Sozialdemokraten. Gegenprobe! - Bündnis 90/Die Grünen und Linksfraktion. Enthaltungen? - Niemand. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Agnes Alpers, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz - Drucksache 17/11701 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Jens Petermann, Jan Korte, Agnes Alpers, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz - Drucksache 17/11703 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/14191 - Berichterstattung: Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker Dr. Edgar Franke Christoph Strässer Marco Buschmann Jens Petermann Ingrid Hönlinger Jerzy Montag Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.16 - Alle sind damit einverstanden. Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Änderung des Grundgesetzes - Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14191, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11701 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? - Koalitionsfraktionen und Sozialdemokraten. Enthaltungen? - Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und Sie wissen, dass nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung entfällt. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14191, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11703 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Das ist die Fraktion Die Linke. Wer stimmt dagegen? - Koalitionsfraktionen und Sozialdemokraten. Enthaltungen? - Bündnis 90/Die Grünen. Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung abgelehnt, und damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 17 auf: - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel - Drucksache 17/13834 - - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel - Drucksache 17/13708 - Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss) - Drucksache 17/14163 - Berichterstattung: Abgeordnete Roderich Kiesewetter Uta Zapf Marina Schuster Jan van Aken Dr. Frithjof Schmidt Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann haben wir das gemeinsam so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unserer Aussprache für die Fraktion der FDP ist unser Kollege Christoph Schnurr. - Bitte schön, Kollege Christoph Schnurr. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Christoph Schnurr (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der UN-Generalsekretär hat den Abschluss des Waffenhandelsvertrages als historisches Ereignis bezeichnet, und ich will ihm in diesem Punkt nicht widersprechen. Der Vertrag schafft erstmals international verbind-liche Normen für den Export von Rüstungsgütern. Lange Zeit gab es dafür keine Regeln. Die ersten Versuche, den Waffenhandel zu regulieren, gehen bis in die 1920er-Jahre zurück. Eine Einigung gab es damals aber nicht, und das Thema verschwand von der politischen Agenda, bis die Idee 2003 von einer Gruppe von Nobelpreisträgern wiederentdeckt und wiederbelebt wurde. Zehn Jahre, zwei Konferenzen und unzählige Gespräche und Debatten später ist der Durchbruch jetzt gelungen, was zweifellos ein großer Erfolg ist, (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) der sowohl von der Politik, und zwar parteiübergreifend, als auch von der Zivilgesellschaft und der Industrie anerkannt wird. Noch vor zwei Jahren war die Stimmung eine andere. Damals zweifelten viele nicht nur das Zustandekommen des Vertrages an; es gab auch einige, die lieber keinen Vertrag haben wollten als einen schwächeren Vertrag. Vor allem im Verlauf der letzten Konferenz haben sich diese Bedenken aber zerstreut. Ich bin froh, dass der Vertrag deshalb so, wie er ist, breite Unterstützung erfährt. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) Mit diesem Abkommen wird ein großer Teil der Regeln, die wir in Deutschland und in der EU haben, zum weltweiten Standard. Besonders wichtig ist aus meiner Sicht, dass im Vertrag die goldene Regel enthalten ist, dass Exporte daraufhin zu überprüfen sind, ob mit den Waffen Menschenrechte oder das humanitäre Völkerrecht verletzt werden. Außerdem ist es der Bundesregierung zusammen mit den Regierungen anderer Staaten gelungen, auch den Export von Kleinwaffen und Munition in das Abkommen einzubeziehen. Welchen Stellenwert die Bundesregierung dem Waffenhandelsvertrag beimisst, hat nicht nur ihr Einsatz in den Verhandlungen gezeigt. Die Bundesrepublik gehört auch zu den 67 Erstunterzeichnern des ATT. Außenminister Westerwelle ist dafür persönlich nach New York gereist und hat so einmal mehr unterstrichen, welchen hohen Stellenwert Abrüstung und Rüstungskontrolle in der von ihm verantworteten deutschen Außenpolitik einnehmen. Dafür bedanke ich mich vielmals. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Außenminister hat es zudem möglich gemacht, dass der Gesetzentwurf dem Bundestag und dem Bundesrat so schnell vorgelegt werden konnte und wir heute darüber abstimmen können. Deutschland wird damit auch zu den ersten Staaten gehören, die den Vertrag ratifizieren, und das ist ein starkes Zeichen für unseren Einsatz für Abrüstung und Rüstungskontrolle und ein großartiger Abschluss dieser Legislaturperiode. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass die Unterzeichnung und die Ratifizierung nur Zwischenschritte sind, wenn auch sehr wichtige. Drei große Aufgaben werden uns weiter beschäftigen: Erstens müssen wir jetzt dafür werben, dass noch mehr Staaten als bislang den ATT unterzeichnen und dann auch ratifizieren. Vor allem aber die großen Im- und Exporteure müssen diesem Abkommen beitreten. Zweitens sollten wir im Auge behalten, wie der Vertrag in die Praxis umgesetzt wird. Die Bundesrepublik sollte, wo nötig, Unterstützung leisten und Staaten in die Lage versetzen, dass sie die Regeln des Vertrages auch erfüllen können. Drittens wird es darum gehen, die Normen an sich zu überprüfen. Wir alle wissen, dass der ATT einige Punkte enthält, die als Schlupflöcher genutzt werden könnten. Hier muss wahrscheinlich in den anstehenden Überprüfungskonferenzen nachgebessert werden. Trotz der verbleibenden Aufgaben ist der Vertragsabschluss unbestreitbar schon heute ein Erfolg - ein Erfolg, an dem viele mitgewirkt haben. Die Zivilgesellschaft war es, die den Stein überhaupt erst ins Rollen gebracht und dann mit großer Ausdauer für das Abkommen geworben hat. Die Bundesregierung hat dieses Gelegenheitsfenster genutzt und dafür zu Recht Zustimmung und Anerkennung von allen Seiten erhalten, von der Wissenschaft, den Nichtregierungsorganisationen und fraktionsübergreifend in diesem Hause. Die Regierung war bei ihrem Einsatz für den Vertrag aber natürlich nicht alleine, sondern hat sich gemeinsam mit Partnern, vor allem den Partnern in Europa, engagiert. (Dr. h. c. Gernot Erler [SPD]: Wo ist die Regierung eigentlich?) Es ist mir wichtig, das zu betonen, da die gemeinsame Außenpolitik der EU sonst eher selten gelobt wird. Im Falle des Waffenhandelsvertrages war das geschlossene Auftreten der EU aber ohne Zweifel wichtig für das Zustandekommen. Zivilgesellschaft und Regierungen haben also ihren Anteil. Ich zitiere Ban Ki-moon: Der Abschluss des Waffenhandelsvertrages zeigt, was erreicht werden kann, wenn Regierungen und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. (Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist die Regierung denn?) Vielen Dank. (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Heidemarie Wieczorek-Zeul für die SPD-Fraktion. (Lebhafter Beifall bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir heute als eines der ersten Länder den internationalen Vertrag zum Waffenhandel ratifizieren können, verdanken wir ganz entscheidend - der Vorredner hat es angesprochen - der Zivilgesellschaft, den Nichtregierungsorganisationen. Sie haben sich über viele Jahre und über viele Widerstände hinweg für einen derartigen Vertrag starkgemacht, und ich danke an dieser Stelle Oxfam, Amnesty International und vor allen Dingen dem International Action Network on Small Arms. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Was leistet der Vertrag? Es ist gut, dass endlich globale Normen und Regeln vereinbart werden, die die Sicherung der Menschenrechte in den Mittelpunkt stellen und die mehr Transparenz schaffen. Menschenrechte müssen zukünftig weltweit zum Maßstab gemacht werden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Export und Import gerade der Waffen, die für Kriegsverbrechen und schwere Menschenrechtsverletzungen verwendet werden können, müssen eingedämmt werden; denn der Vertragstext sieht vor, dass Waffentransfers nicht genehmigt werden dürfen, wenn Kenntnisse über massive Menschenrechtsverletzungen vorliegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, im ATT ist geregelt, dass die Vertragsparteien ein möglichst breites Spektrum konventioneller Waffen erfassen sollen. Das heißt, jede Regierung kann die eigenen Kontrollrichtlinien restriktiver fassen, und das ist auch notwendig. Die weltweite Akzeptanz des ATT ist notwendig. Wir werden diesen Vertrag heute, soweit ich das aufgrund der Abstimmung im Ausschuss sehe, mit den Stimmen des ganzen Hauses ratifizieren. Er tritt erst in Kraft, wenn er von 50 Ländern ratifiziert worden ist. Wir appellieren an Russland, China und Indien, die sich bei der Abstimmung in der Generalversammlung der Stimme enthalten haben, sich dem Vertrag anzuschließen, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und wir appellieren an die US-Regierung, die dem Vertrag zugestimmt hat, sicherzustellen, dass auch der Senat zustimmt und die bekannten Widerstände der Waffenlobby in den USA überwunden werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN) Was bedeutet der Waffenhandelsvertrag für Deutschland? Mit der Zeichnung am 3. Juni 2013 ist die Bundesregierung die völkerrechtliche Verantwortung eingegangen, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck des Vertrages vereiteln würden. Bisher klaffte aber eine Lücke zwischen dem Handeln der Bundesregierung auf der globalen Ebene und ihrem Handeln auf der nationalen Ebene. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jörg van Essen [FDP]: Nein!) Deshalb will ich eine Reihe von Punkten nennen, die sich, wenn man den Vertrag ernst nimmt, für uns zwingend daraus ergeben: Der Waffenhandelsvertrag bedeutet, dass die von der Bundesregierung geplanten Waffenlieferungen - Kampfpanzer an Saudi-Arabien und andere Golfstaaten - nicht stattfinden dürfen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Mit der Ratifizierung des Waffenhandelsvertrages verbunden ist das Verlangen, dass endlich ein parlamentarisches Kontrollgremium im Deutschen Bundestag der Regierung auf die Finger schaut, damit internationale und nationale Regelungen wirklich eingehalten werden. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die deutschen Friedensforschungsinstitute weisen zu Recht - das muss man wirklich bedenken - auf folgenden Sachverhalt hin - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -: Für Bundeswehreinsätze kennt Deutschland aus gutem Grund den Parlamentsvorbehalt. Da größere Waffenlieferungen ... sogar gravierendere Folgen haben können, fordern wir für umfangreiche Rüstungsgeschäfte eine parlamentarische Kontrolle. Das ist die logische Schlussfolgerung. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Waffenhandelsvertrag sieht vor, dass Länder, die nicht über die für die Implementierung notwendigen Mittel verfügen - auch das hat der Kollege Schnurr angesprochen - und der Unterstützung bedürfen, finanziell unterstützt werden. Dafür muss die Bundesregierung sorgen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) In den ATT wurden die Kategorien des Waffenregisters von 1991 übernommen. Das heißt, es fehlen Waffen, die das heutige Kriegsgeschehen real bestimmen, beispielsweise Kampfdrohnen. Deshalb wiederhole ich im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Welthandelsvertrages: Es ist notwendig, diese Kategorie in das Waffenregister einzubeziehen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Parallel zu dieser Einbeziehung verlangen wir eine völkerrechtliche Ächtung von Kampfdrohnen und vor allem von vollautomatisierten Waffensystemen. (Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Die Friedensforschungsinstitute haben in ihrem Friedensgutachten 2013 die schweren Gefährdungen der internationalen Rechtsordnung, die mit derartigen Waffensystemen einhergehen, deutlich gemacht. Ich will sie an dieser Stelle nachdrücklich unterstützen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Zum Thema Kleinwaffen will ich Folgendes sagen: Mittlerweile ist Deutschland einer der weltweit größten Kleinwaffenexporteure. Der Begriff "Kleinwaffen" ist verharmlosend; denn zu den Kleinwaffen gehören Maschinenpistolen, Gewehre und Panzerfäuste. Diese Waffen fordern mehr Opfer als jede andere Waffenart: eine halbe Million Menschen jährlich. Man geht davon aus, dass 875 Millionen Kleinwaffen weltweit existieren und sie eine Verwendungsdauer zwischen 30 und 50 Jahren haben. Das heißt, mit ihnen wird lange getötet. Wenn Kleinwaffenlieferungen aus Deutschland überhaupt stattfinden, dann muss die Regierung sicherstellen, dass diese nur an Staaten erfolgen, die mit dem UN-Waffenregister kooperieren, das heißt, die ihre Importe und Exporte dem UN-Waffenregister mitteilen. Das ist eine zwingende Notwendigkeit. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Empfängerländer deutscher Waffenlieferungen wie Ägypten, Algerien, Indonesien, Irak, Katar, Saudi-Arabien und viele andere - auch Indien gehört dazu - beteiligen sich aber erklärtermaßen nicht am UN-Waffen-register. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe Wert darauf gelegt, dass wir diesen Punkt heute nicht zu Protokoll geben. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]) Denn ich finde, ein so weitreichender Vertrag ist es wert, dass wir uns im Haus darüber im Klaren sind, welche Konsequenzen er hat; zudem bedarf es einer Anerkennung für die Nichtregierungsorganisationen. (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist eigentlich das Auswärtige Amt?) - Ja, das stimmt. (Jörg van Essen [FDP]: Der Staatsminister ist auf dem Weg! - Gegenruf des Abg. Omid Nouripour [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wohin? - Gegenruf des Abg. Jörg van Essen [FDP]: Ins Plenum!) Herr Präsident, ich bin gleich fertig. - Ich finde, wir sind es auch den Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft schuldig, dass wir hier darüber sprechen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und nachdrücklich sagen: Es ist eine wichtige Initiative gewesen, beginnend mit den Friedensnobelpreisträgern im Jahr 1995, die lange drangeblieben sind. Zum Schluss. Ich habe als Entwicklungsministerin gelernt, dass manchmal auch militärisch eingegriffen werden muss, um Menschen vor Verbrechen zu schützen, das heißt auch, in diesen Fällen internationale Schutzverantwortung wahrzunehmen. Aber ich bin auch zutiefst davon überzeugt, dass die wichtigsten Konflikte und Aufgaben in dieser Welt nicht durch Waffen gelöst werden können und dass wir alles tun müssen, um weltweit Gerechtigkeit zu schaffen. Gerechtigkeit und Frieden sind Geschwister. Vielen Dank. (Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der LINKEN - Die Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN erheben sich) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Liebe Kollegin Wieczorek-Zeul, das war Ihre letzte Rede. Im Namen des ganzen Hauses wünsche ich Ihnen alles Gute und danke für die intensive und gute Arbeit der vergangenen Jahre. (Beifall) Inzwischen ist auch der Staatsminister eingetroffen. Er hatte sich etwas verspätet. Der Kollege Roderich Kiesewetter hat seine Rede zu Protokoll gegeben.17 Damit hat Inge Höger für die Fraktion Die Linke das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Inge Höger (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weltweit sterben jedes Jahr etwa eine halbe Million Menschen durch Waffengewalt. Das entspricht im Durchschnitt einem Todesfall pro Minute oder vier während meiner Rede. Deutschland als Nummer drei unter den globalen Händlern des Todes trägt daran eine wesentliche Mitverantwortung. Der Waffenhandelsvertrag ATT, über den wir hier abstimmen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ihm müssen jedoch noch viele weitere folgen. Dass es diesen Vertrag überhaupt gibt - das wurde schon gesagt -, haben wir den Bemühungen zahlreicher ziviler Aktivistinnen und Aktivisten zu verdanken. (Beifall bei der LINKEN) Sie haben sich weltweit und kontinuierlich für eine Eindämmung der Rüstungsgeschäfte eingesetzt. Der ATT ist leider kein Abrüstungsvertrag. Aber er ermöglicht immerhin eine gewisse Kontrolle über die Verbreitung tödlicher Waffensysteme, indem er Regelungen für die Dokumentierung des Handels einführt. Ob die Möglichkeiten, die der ATT eröffnet, auch tatsächlich genutzt und umgesetzt werden, liegt am politischen Willen der Verantwortlichen. Hier ist auch die Bundesregierung gefragt, ihren Sonntagsreden Taten folgen zu lassen. So fordert das Vertragswerk die Mitgliedstaaten auf, jeweils bis zum 31. Mai des Folgejahres die Einzelheiten zum Waffenhandel aus ihrem Land bei den Vereinten Nationen zu melden. Wenn also zukünftig bis zu diesem Zeitpunkt der Rüstungsexportbericht vorliegt und dabei auch endlich deutsche Exporte von Pistolen und Revolvern aufgelistet werden, dann wäre dies ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Transparenz. Die heutige Praxis, Informationen über Waffenexporte erst mit großer Verzögerung und unvollständig zur Verfügung zu stellen, muss ein Ende haben. (Beifall bei der LINKEN) Leider verhindert der ATT Waffenlieferungen in Spannungsgebiete noch nicht. Doch nichts hindert einzelne Länder daran, sich selbst an strengeren Richtlinien zu orientieren. Der ATT sieht in Art. 20 explizit die Möglichkeit vor, den Vertrag weiterzuentwickeln, wenn eine Zweidrittelmehrheit zustimmt. Verbesserungen sind auch dringend notwendig - nicht zuletzt weil es bis jetzt keine verbindlichen Vorgaben bei Verstößen gibt. Das Grundproblem des Vertrages ist jedoch, dass er der neoliberalen Logik offener Märkte verpflichtet ist. Der Vertrag akzeptiert in seiner Präambel das legitime Interesse von Staaten am Handel mit Waffen. Die deutsche Rüstungslobby hat deswegen auch kaum Probleme mit diesem Vertrag. Sie sieht darin sogar eine Verbesserung der Konkurrenzsituation, zum Beispiel gegenüber Lieferanten aus Staaten, in denen Exporte bisher noch weniger reglementiert wurden. Sollte der Vertrag also nur genutzt werden, um der deutschen Rüstungsindustrie weitere Wettbewerbsvorteile zu bringen, wird das wenig zur Einschränkung von Rüstungsexporten und zur Akzeptanz des Vertrages beitragen. Es ist notwendig, den ATT als Rahmen zu nutzen, um den Druck auf politische Entscheidungsträger zu verstärken. Ziel muss eine generelle Ächtung des Waffenhandels sein. Wie ernst es den westlichen Staaten damit ist, zeigt sich ganz aktuell an der Frage von Waffenlieferungen an syrische Aufständische. Solche Lieferungen widersprechen sowohl dem Geist als auch dem Wortlaut des ATT, da dieser legalen Waffenhandel nur mit staatlichen Akteuren vorsieht. Waffenlieferungen nach Syrien - egal an welche Kriegspartei - verschärfen diesen Konflikt nur. Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, dass hier nicht noch mehr Öl ins Feuer gegossen wird. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen rechne ich damit, dass auch in Zukunft erheblicher Druck ziviler Akteure notwendig sein wird, um den weltweiten Waffenhandel einzudämmen. Die Linke wird alles tun, um den Druck außerhalb der Parlamente zu unterstützen. Wir werden ihm innerhalb der Parlamente eine Stimme geben. Wir wollen, dass aus dem zurzeit noch recht zahnlosen Tiger ATT möglichst bald ein effektiver Abrüstungsvertrag wird. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Katja Keul für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Heidi! Vor wenigen Stunden haben wir das Bundestagsmandat für die UN-Mission in Mali verabschiedet. Die Geschehnisse in Mali im letzten Jahr haben uns noch einmal deutlich vor Augen geführt, welche Gefahren in der unkontrollierten Proliferation von Klein- und Leichtwaffen liegen. Nach dem Sturz des libyschen Regimes konnten die ehemaligen Söldner Gaddafis ungehindert hochmoderne Waffen in die fragilen Nachbarländer transferieren. Zudem fanden sich in Tripolis unzählige Kartons mit funkelnagelneuen G-36-Gewehren aus Deutschland. Von den Maschinengewehren und -pistolen des deutschen Herstellers Heckler & Koch sind weltweit schätzungsweise 7 bis 10 Millionen Exemplare im Umlauf. Sie werden weltweit - in der Türkei, in Pakistan, im Iran, in Saudi-Arabien, Thailand oder Brasilien - in Lizenz produziert. Jedes dieser Gewehre lässt sich 30 bis 50 Jahre nutzen; wir haben es schon gehört. Jeden Tag sterben weltweit über 800 Menschen durch Schusswaffen. In den letzten zehn Jahren waren es 3 Millionen. Nicht umsonst nennt man sie die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts. Vor diesem Hintergrund ist es ein großer Erfolg, dass Kleinwaffen und Munition in den Arms Trade Treaty aufgenommen worden sind. Ich weiß: Das war nicht ganz einfach gegen den Widerstand der USA durchzusetzen. Bei aller Kritik an der Genehmigungspraxis der Bundesregierung bleibt zu sagen, dass sie hier in der Tat eine positive Rolle gespielt und sich für einen starken und umfassenden ATT eingesetzt hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Die einzelnen Formulierungen im Vertrag sind zwar leider oft zu weich und unbestimmt. Der Wortlaut entspricht mehr einem politischen Dokument als einem verbindlichen Vertragstext. Das ist der Preis, der bezahlt werden musste, damit möglichst viele und möglichst alle gewichtigen Staaten am Ende mitgemacht haben. Noch schöner wäre es gewesen, wenn sich die Bundesregierung der Forderung Mexikos angeschlossen hätte, den Anwendungsbereich des ATT auch auf den Waffenhandel zwischen Privaten auszudehnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Damit hätten wir tatsächlich ein grundsätzliches Verbot mit Genehmigungsvorbehalt auf globaler Ebene einführen können. So hätte man Druck auf diejenigen Länder - vor allem in den Krisenregionen Afrikas - ausüben können, die bisher keinerlei Regulierung des Waffenhandels vorgenommen haben. Die Sorge um die Interessen der deutschen Rüstungsunternehmen war an dieser Stelle völlig unbegründet; denn in Deutschland wird die Ausfuhr von militärischen Gütern ohnehin nur an staatliche Endabnehmer genehmigt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich weiß wohl, dass diese Forderung am Ende an den USA gescheitert wäre. Dennoch wäre es ein gutes Zeichen gewesen, die mexikanische Initiative auch in dieser Hinsicht zu unterstützen. Ein großer Erfolg war die Implementierung der Menschenrechte als entscheidendes Kriterium für die Legitimität von Waffenhandel. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Allerdings kann auch ich an dieser Stelle der Bundesregierung die Kritik nicht ersparen: Während sie sich in New York für einen verbindlichen Vertrag einsetzt, untergräbt sie durch Panzerexporte an die Autokraten der arabischen Halbinsel ihre eigene Glaubwürdigkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie der Abg. Inge Höger [DIE LINKE]) Das ist übrigens auch den Teilnehmern an der Konferenz bei den Verhandlungen aufgefallen. Ich war selbst in New York und bin mehr als einmal von Mitgliedern anderer Delegationen auf die Lieferung deutscher Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien angesprochen worden. Aber allein die Tatsache, dass der Vertrag zustande gekommen ist und die Staaten anerkannt haben, dass es eine Wechselwirkung zwischen Waffenhandel und Frieden gibt, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dass die Generalversammlung den Waffenhandelsvertrag am 2. April dieses Jahres mit großer Mehrheit angenommen hat, ist am Ende aber nicht nur das Verdienst der deutschen Politik oder der internationalen Staatengemeinschaft. Es ist vor allem das Verdienst unzähliger ziviler Nichtregierungsorganisationen und Aktionsbündnisse, die sich über mehr als zehn Jahre weltweit für diesen Vertrag eingesetzt haben. Durch sie wurde der öffentliche Druck am Ende so groß, dass ein Scheitern keine Option mehr war. Auch Russland, China und die USA konnten den Vertrag nicht mehr blockieren. Jetzt gilt es, den Vertrag so schnell wie möglich von 50 Staaten ratifizieren zu lassen, damit er in Kraft treten kann. Wenn wir ihn zügig hinterlegen, ist die Bundesrepublik der erste Staat, der diesen Prozess vollendet. Also: Auf geht's! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Christoph Schnurr [FDP]) Ich freue mich, dass der Bundestag diesen Schritt heute macht und wir den erforderlichen Beschluss sogar einstimmig fassen werden, und das auch noch in der letzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Christoph Schnurr [FDP]) Ich wünsche uns allen einen guten Sommer und eine faire politische Auseinandersetzung um die neuen Mehrheiten in diesem Hause. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Reinhard Brandl für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Politik bedeutet ein starkes, langsames Durchbohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich. Das ist ein berühmtes Zitat von Max Weber. (Günter Gloser [SPD]: Das musst du mal dem Dobrindt sagen!) Im Hinblick auf den Vertrag über den Waffenhandel, den wir heute hier debattieren und dem wir zustimmen werden, sieht man, dass sich dieses Bohren lohnt. Ich freue mich sehr, dass die Zeitabläufe es erlauben, dass wir diesem Vertrag noch in dieser Legislaturperiode zustimmen können. Er wurde am 2. April dieses Jahres von der UN-Generalversammlung in New York angenommen, am 3. Juni wurde er von der Bundesregierung - als einer der ersten Regierungen - unterzeichnet, und er wird schon wenige Wochen später, hier und heute, im Deutschen Bundestag beschlossen werden. Diese schnelle Befassung hat auch einen hohen Symbolwert und soll zeigen, welchen Stellenwert dieser Vertrag für Deutschland hat. Das gibt auch der Bundesregierung Rückenwind, sich bei Ländern, die gegebenenfalls noch zögern, für eine möglichst rasche Unterzeichnung und Ratifizierung einzusetzen. Deutschland hat sich von Anfang an für diesen Vertrag starkgemacht und war auch maßgeblich an der Ausarbeitung des Kompromisses beteiligt. Ich möchte mich ganz herzlich bei Bundesminister Westerwelle und allen Vertretern des Auswärtigen Amtes, die daran mitgewirkt haben, für ihr Engagement bedanken. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Ebenso möchte ich mich bedanken für das - das ist hier und heute schon mehrmals angesprochen worden - große Engagement der Nichtregierungsorganisationen, die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass dieses Thema so lange auf der Agenda geblieben ist und letztendlich mit einem Erfolg gekrönt wird. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP) Wir bewegen uns mit diesem Vertrag in einem Bereich, in dem es vorher noch keine gültigen Regeln gab. Auf dem Weg dorthin gab es immer wieder Rückschläge. Dass er dennoch zustande gekommen ist, ist ein guter und hoffnungsfroher Beweis dafür, dass die Vereinten Nationen die Kraft haben, sich auch in so schwierigen Fragen wie der Sicherheitspolitik auf Verträge zu einigen. Das Ziel, das im Vertrag festgeschrieben ist, ist die Regulierung des internationalen Handels mit konventionellen Rüstungsgütern. Es werden darin rechtlich bindende und weltweit einheitliche Mindeststandards festgeschrieben. Darunter fallen Kriegsschiffe genauso wie Kleinwaffen. Wenn ein eindeutiges Risiko besteht, dass diese Waffen eingesetzt werden und damit schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder von internationalen Menschenrechtsnormen begangen werden, oder wenn das Risiko besteht, dass diese Waffen bei terroristischen Aktionen oder bei Aktionen der organisierten Kriminalität eingesetzt werden, dann darf die Ausfuhr nicht genehmigt werden. Wenn ein eindeutiges Risiko besteht, dass mit diesen Waffen Frieden und Sicherheit untergraben werden, dann dürfen diese Waffen ebenfalls nicht exportiert werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Vertrag ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer internationalen Rüstungskontrolle. Wir sind damit allerdings noch lange nicht am Ziel. Neben Unterzeichnung und Ratifizierung muss der Vertrag in jedem einzelnen Land auch gelebt werden. Wichtige Länder wie Russland und China haben sich noch nicht angeschlossen. Bei den USA sieht es gut aus; aber unterschrieben ist noch nichts. Auch hätten wir uns als Deutsche gewünscht, dass in den Vertrag noch detailliertere Bewertungskriterien aufgenommen werden und insbesondere festgeschrieben wird, was passiert, wenn sich ein Land bzw. ein Akteur in einem Land nicht an den Vertrag hält. So bleiben die Regeln hinter deutschen und europäischen Standards zurück. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, Politik ist das Bohren dicker Bretter. So wird uns die Frage der Regulierung des internationalen Waffenhandels in den nächsten Jahren weiter beschäftigen. Wir sehen heute, dass es sich lohnt, diese Bretter zu bohren. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über die von der Bundesregierung sowie von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwürfe eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel. Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14163, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13834 sowie den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP auf Drucksache 17/13708 zusammenzuführen und anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen jetzt zu einer - wie soll ich das nennen? - endlosen Reihe von Abstimmungen. Ich bitte Sie demütigst, mir Gesellschaft zu leisten. Ich rufe den Zusatzpunkt 13 auf: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung zu dem von den Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Ingrid Hönlinger, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Korruptionsregister-Gesetz) - Drucksachen 17/11415, 17/13974 - Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.18 - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c: a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012) - Drucksache 17/8989 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/14214 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth Ingo Egloff Burkhard Lischka Marco Buschmann Richard Pitterle Ingrid Hönlinger b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Joachim Poß, Ingo Egloff, Burkhard Lischka, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Exorbitante Managergehälter begrenzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kerstin Andreae, Dr. Tobias Lindner, Dr. Thomas Gambke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Keine Mitfinanzierung exorbitanter Gehälter durch die Allgemeinheit - Steuerliche Abzugsfähigkeit eingrenzen - Drucksachen 17/13472, 17/13239, 17/14214 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth Ingo Egloff Burkhard Lischka Marco Buschmann Richard Pitterle Ingrid Hönlinger c) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Katrin Kunert, Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung - Drucksache 17/11587 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/13561 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth Burkhard Lischka Marco Buschmann Halina Wawzyniak Ingrid Hönlinger Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP vor. Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.19 - Sie sind damit einverstanden. Damit kommen wir zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Aktiengesetzes. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14214, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/8989 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/14236. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/14237. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Linken und Grünen abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/14238. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleicher Mehrheit wie zuvor angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/14239. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken und Grünen angenommen. Wir setzen die Abstimmungen über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf Drucksache 17/14214 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13472 mit dem Titel "Exorbitante Managergehälter begrenzen". Wer stimmt für diese Empfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung eines Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13239 mit dem Titel "Keine Mitfinanzierung exorbitanter Gehälter durch die Allgemeinheit - Steuerliche Abzugsfähigkeit eingrenzen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13561, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11587 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Linksfraktion abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung. Tagesordnungspunkte 19 a und 19 b: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten - Drucksache 17/13706 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14193, 17/14215 - Berichterstattung: Abgeordnete Ute Granold Dr. Eva Högl Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Jens Petermann Jerzy Montag b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Monika Lazar, Volker Beck (Köln), Memet Kilic, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland - Drucksache 17/10843 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) - Drucksache 17/13179 - Berichterstattung: Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Nicole Bracht-Bendt Jörn Wunderlich Monika Lazar Zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Die Reden sollen mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll gegeben werden.20 Wir kommen zur Abstimmung über den von den Fraktionen von CDU/CSU und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksachen 17/14193 und 17/14215, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13706 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen drei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über die wir zuerst abstimmen. Änderungsantrag auf Drucksache 17/14227. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der Linken gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung der SPD abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/14228. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor abgelehnt. Änderungsantrag auf Drucksache 17/14229. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen. Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland. Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13179, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/10843 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Tagesordnungspunkt 21: Beratung der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Abgeordneten Uta Zapf, Dr. Rolf Mützenich, Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Ergebnisse und Folgen der Beschlüsse des NATO-Gipfels von Chicago für Abrüstung, Raketenabwehr und europäische Sicherheit - Drucksachen 17/11905, 17/13820 - Hier sind mit Ihrem Einverständnis die Reden zu Protokoll gegeben.21 Tagesordnungspunkt 22: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StrÄndG) - Drucksache 17/13707 - - Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG) - Drucksache 17/1217 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Christine Lambrecht, Burkhard Lischka, Sonja Steffen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung - Drucksache 17/12374 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Monika Lazar, Jerzy Montag, Katja Dörner, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung - Drucksache 17/4759 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/14218 - Berichterstattung: Abgeordnete Ute Granold Burkhard Lischka Sonja Steffen Marco Buschmann Halina Wawzyniak Jerzy Montag Die Reden sind hier mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll genommen.22 Dann kommen wir zur Abstimmung über den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14218, den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen auf Drucksache 17/13707 anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der Linken angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleicher Mehrheit wie zuvor angenommen. Abstimmung über den vom Bundesrat eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14218, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/1217 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des Hauses bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Abstimmung über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14218, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12374 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe d seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14218, den Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/4759 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Diese Empfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 29: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (19. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Dr. h. c. Gernot Erler, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Ernährung sichern, (Über-)Lebensbedingungen in Entwicklungsländern strukturell verbessern - Ländliche Entwicklung als Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und Armut - zu dem Antrag der Abgeordneten Thilo Hoppe, Harald Ebner, Uwe Kekeritz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine kohärente Politikstrategie zur Überwindung des Hungers - Drucksachen 17/12379, 17/13492, 17/13900 - Berichterstattung: Abgeordnete Helmut Heiderich Dr. Sascha Raabe Dr. Christiane Ratjen-Damerau Niema Movassat Thilo Hoppe Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Helmut Heiderich (CDU/CSU): Die Anträge von SPD und Grünen geben Gelegenheit, am Ende dieser Wahlperiode noch einmal auf die zentrale Bedeutung dieses globalen Problems einzugehen. "Armut halbiert - Hunger konstant", so beschrieb kürzlich ein Presseorgan sehr kompakt, aber zutreffend die Situation kurz vor Ende der Laufzeit der im Jahr 2000 beschlossenen Millenniumsentwicklungsziele der UN. Noch immer hat weltweit jeder achte Mensch nicht genug zu essen. Bei der erfreulichen Reduzierung der extremen Armut weist die Weltbank allerdings auch zu Recht darauf hin, dass von den 723 Millionen Menschen, die in den letzten Jahrzehnten der Armut entkommen konnten, allein 680 Millionen Menschen aus China stammen. Also sind wir auch bei diesem Ziel in den übrigen Ländern unseres Globuses nur sehr wenig vorangekommen. Insofern wird vieles von dem, was Sie in den Analyseteilen Ihrer Anträge formulieren, von uns ähnlich gesehen. Im Gegensatz dazu gehen die Forderungen, die Sie an die Bundesregierung und damit an unsere Regierungskoalition richten, völlig an der Realität vorbei. Diese Anträge hätten Sie stellen sollen, diese Forderungen hätten Sie erheben sollen, als Sie selbst, SPD und Grüne, die Bundesregierung gestellt haben. Damals war es nichts mit einer "haushalterischen Zielgröße, die eine langfristige Planbarkeit ermöglicht", und ebenso wenig gab es einen Förderschwerpunkt "ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung". Im Gegenteil, die Haushaltsmittel für diesen Aufgabenbereich wurden stetig gekürzt und zusammengestrichen. In Ihrer Regierungszeit und bei Ihrer Ministerin Wieczorek-Zeul waren Landwirtschaft, Ernährung und Hungerbekämpfung allenfalls noch eine Art Merkposten im Entwicklungshaushalt. Unsere Koalition und unsere Bundesregierung haben dagegen von Anfang der Wahlperiode an mit Anträgen und Initiativen neue Schwerpunkte gesetzt. "Die Entwicklung ländlicher Räume ist der Schlüssel zur Hunger- und Armutsbekämpfung", dies können Sie wörtlich bereits in Äußerungen aus dem Jahr 2010 nachlesen. Denn kurz zuvor, auf dem G-8-Gipfel 2009 in L'Aquila, hat unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel die Zusage gegeben, bis 2012 insgesamt mehr als 2,1 Milliarden Euro aus Deutschland für ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährungssicherung bereitzustellen. Jährlich wurden danach 40 Prozent mehr als zuvor bereitgestellt. Mehr als 10 Prozent des gesamten BMZ-Haushalts werden jetzt für diesen Aufgabenbereich eingesetzt. Dieses höhere Finanzierungsniveau behalten wir auch in Zukunft bei. Damit ist Deutschland international der zweitgrößte Geber. Insofern ist eines der Hauptprobleme Ihrer Anträge, dass Forderungen erhoben werden, die von uns längst umgesetzt worden sind. Weiterhin scheinen viele Ihrer umfassenden Forderungen von einem zu großen Vertrauen in positive Auswirkungen staatlicher Interventionen getragen zu sein. Das ist ein Ansatz, den wir so nicht teilen und auch nicht unterstützen können. Zudem erweckt der Umfang ihrer Forderungspunkte den Eindruck, als brauchten Sie am Ende dieser Wahlperiode noch eine Art Arbeitsnachweis. Sie benötigen offenbar eine Bezugsquelle für eventuelle Wahlkampfdebatten. Deshalb haben Sie offensichtlich alles in diese Anträge hineingeschrieben, was auch nur irgendwie mit dieser Thematik zu tun hat. Wir haben dagegen seit Jahren gehandelt. Neue Strategien hat zum Beispiel das Ministerium mit dem Konzept zur Entwicklung ländlicher Räume, mit der Thematik "Biokraftstoffe - Chancen und Risiken für Entwicklungsländer", mit dem Konzept einer nachhaltigen Landwirtschaft sowie der Thematik "Investitionen in Land und das Phänomen des LandGrabbing" ausgearbeitet. Daneben wurde im BMZ eine neue Taskforce "Ländliche Entwicklung und Ernährungssicherung" eingerichtet. Diese soll insbesondere auch die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen stärken. Denn auch hier haben wir neue Partnerschaften aufgebaut. Im Gegensatz zu Ihnen sind wir der Auffassung, dass vor allem die Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft neue Fortschritte schaffen kann. Gerade die Unternehmen des deutschen Mittelstandes sind mehr und mehr global aufgestellt. Deshalb macht es Sinn, sie in die internationale Zusammenarbeit einzubeziehen. Ein herausragendes Beispiel dafür ist die neue Partnerschaft mit der Agrarwirtschaft unter dem Namen "German Food Partnership". So hat die GFP im Januar dieses Jahres beschlossen, mit 40 Millionen Euro gemeinsam mit der Stiftung von Bill Gates mit 20 Millionen Euro und dem BMZ mit ebenfalls 20 Millionen Euro eine neue Initiative gegen Hunger und Mangelernährung, insbesondere in Afrika, zu finanzieren. Ebenso wurde mit dem IFAD, International Fund for Agricultural Development, in diesem Jahr eine strategische Partnerschaft geschlossen, welche insbesondere die Förderung von Kleinbauern hin zu Marktpartnern zum Ziele hat. Erstmals haben wir zwischen dem BMELV und dem BMZ eine Kooperation geschlossen, um die globale Ernährungssicherung zu stärken. Mit dem BMELV und dem Ausschuss für Welternährungssicherung der Vereinten Nationen, CFS, wurden nach intensiven dreijährigen Verhandlungen am 11. Mai 2012 in Rom die "Freiwilligen Leitlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern" einstimmig beschlossen und gerade vor zwei Wochen bei der Konferenz Politik gegen Hunger - www.policies-against-hunger.de, Conflicts over Land - hier in Berlin sowie bei dem gestern durchgeführten High Level Panel der FAO in Rom weiter operationalisiert. So ist also die Bundesregierung auch auf internationaler Ebene weiter treibende Kraft. Wir haben gerade eine G-8-Initiative erreicht, welche die Transparenz von Landtransaktionen und -verwaltung zukünftig deutlich erhöhen wird, und wir haben kürzlich bei der Konferenz "Nutrition for Growth" am 8. Juni 2013 in London weitere 200 Millionen Euro zugesagt, um die qualitative Ernährungssicherung zu verbessern. Maßgeblicher Finanzierer sind wir auch bei der globalen weltweiten Initiative ELD, The Economics of Land Degradation, welche für einen stärkeren Schutz und den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit eintritt. Ebenso freuen wir uns über die Neufassung der EU-Finanzmarktrichtlinie MIFID, Markets in Financial Instruments Directive, mit der es erstmals gelungen ist, eine strengere Überwachung für die Preisspekulation mit Lebensmitteln zu vereinbaren. Damit bekommen wir erstmals Instrumente, den exzessiven Spekulationen mit Nahrungsmitteln einen Riegel vorzuschieben. Beim Blick nach vorn in die neue Wahlperiode freuen wir uns, dass wir mit Bundespräsident a. D. Horst Köhler einen hochrangigen Vertreter bei den Verhandlungen der Post-2050-Agenda haben. Wie er uns kürzlich vorgetragen hat, stehen für ihn die Beendigung der extremen Armut und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen im Vordergrund. Unter Beachtung der schnell wachsenden Weltbevölkerung müssen wir aber auch noch mehr für eine effektive Wassernutzung, den Kampf gegen Trockenheit und die Verstärkung der Agrarforschung tun. Aus Anlass des Weltbankberichtes zu Klima und Ernährung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal daran appelliert, das Ziel Armuts- und Hungerbekämpfung nicht aus den Augen zu lassen. Dass sie vom Weltbankpräsidenten Kim für ihren Einsatz gelobt wurde, eröffnet die besten Perspektiven für die nächste Wahlperiode. Dr. Sascha Raabe (SPD): Im Jahr 2050 werden voraussichtlich rund 9 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Sie alle müssen essen. Zwar könnten nach Expertenschätzungen sogar 10 Milliarden bis 11 Milliarden Menschen auf unserem Planeten satt werden, aber das ist eben leider nur die Theorie. In der Praxis sehen wir, dass die eine Hälfte der Welt im Überfluss lebt, Lebensmittel in der Mülltonne oder gar im Autotank landen und die Menschen unter sogenannten Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes leiden. Die andere Hälfte der Welt muss dagegen ums tägliche Überleben kämpfen, weiß oft morgens nicht, ob sie abends etwas auf den Teller bekommt. Das größte Problem im Kampf gegen den Hunger ist nicht die Nahrungsmittelknappheit, es ist die Verteilungsungerechtigkeit. Schon jetzt ist vor dem Hintergrund der steigenden Nachfrage und sich verändernder Konsumgewohnheiten in den aufstrebenden Schwellenländern hin zu mehr Fleisch und tierischen Produkten absehbar, dass Konflikte um die gerechte Verteilung von Nahrung, um den Zugang zu Wasser und fruchtbarem Boden zunehmen werden, wenn wir nicht handeln. Angesichts der Tatsache, dass schon jetzt knapp 1 Milliarde Menschen Hunger leidet, dass täglich 20 000 Kinder unter fünf Jahren an den Folgen von Mangelernährung und Armut sterben, ist es fünf vor zwölf: Wenn es nicht gelingt, heute die Weichen in die richtige Richtung zu stellen, werden morgen noch mehr Kinder in den Entwicklungsländern ihren sechsten Geburtstag nicht erleben können, werden weiterhin Menschen qualvoll verhungern, während andernorts XXL-Burger, Jumboschnitzel und Megapizzen für Adipositas sorgen. Dass dürfen wir nicht einfach hinnehmen. Lassen Sie uns gemeinsam alles daransetzen, dass alle Kinder dieser Welt - von Südamerika über Afrika bis nach Asien - die Chance haben, am Abend satt ins Bett zu gehen. Abgesehen davon, dass wir alle unsere Essgewohnheiten überdenken und die produktionsintensive Tierhaltung einschränken sollten, ist ein wesentlicher Schlüssel zur Bekämpfung von Hunger und extremer Armut in den Entwicklungsländern - unser Antrag sagt das bereits im Titel - die ländliche Entwicklung. Trotz boomender Megacities leben noch immer drei Viertel der Armen im ländlichen Raum. Hier müssen wir ansetzen. Und wir müssen begreifen, dass wir, wenn wir ländliche Entwicklung sagen, nicht mehr nur wie früher allein die Förderung der Landwirtschaft meinen. Ein moderner Begriff von ländlicher Entwicklung heißt nach unserem Verständnis, dass wir in einem umfassenden Ansatz denken, dass wir den ländlichen Raum strukturell stärken wollen, damit die Menschen nicht nur überleben, sondern gut leben und arbeiten können, damit sie Perspektiven haben. In unserem Antrag haben wir detailliert aufgeführt, was wir uns unter einem solch umfassenden Ansatz vorstellen: Eine ausreichende medizinische Versorgung auch der ländlichen Bevölkerung zum Beispiel, die Schaffung von fair bezahlten Jobs in der landwirtschaftlichen Produktion aber auch darüber hinaus im weiterverarbeitenden Gewerbe und im Dienstleistungssektor - und natürlich Bildung, Bildung und nochmals Bildung. Wenn wir gerade den jungen Menschen in diesen Ländern Perspektiven eröffnen wollen, dann müssen wir ihnen Wissen an die Hand geben und ihnen die Chance zum Aufstieg durch Bildung ermöglichen. Und das hört nicht nach der Grundbildung auf, wo mittlerweile viele Entwicklungsländer rein von den statistischen Werten sogar ganz gut dastehen. Nein, dass bedeutet, dass wir gerade auch die weiterführende Bildung fördern müssen, denn hier hapert es oft. Der Ausbau der technischen Infrastruktur, also der Verkehrsverbindungen, der Stromversorgung sowie der Mobilfunknetze und des Internets, und die Verbesserung der Gesundheits- und Bildungssysteme ist aber nur die eine Seite, um die Lebensverhältnisse zu verbessern. Hinzu kommen müssen gute, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und die Chance, eigene Produkte zu fairen Welthandelsbedingungen auf den Markt bringen zu können. Für den ländlichen Raum heißt das zunächst einmal, dass regionale Produzenten überhaupt Zugang zu bezahlbarem Boden und Wasser brauchen, damit sie etwas anbauen können. Das ist mittlerweile alles andere als eine Selbstverständlichkeit; denn in vielen Entwicklungsländern machen sich zunehmend ausländische Investoren breit und kaufen in großem Stil Ländereien auf. Die Bundeskanzlerin hat auf dem Deutschen Bauerntag in dieser Woche gerade erst vor steigenden Preisen für landwirtschaftliche Flächen durch das Interesse von Großinvestoren gewarnt, die oft mit dem Land nur spekulieren wollen. Sie hat zu Recht gesagt, dass die Landwirte eine faire Chance auf ihren Boden behalten müssten. Sie meinte die Situation hierzulande, und man kann Angela Merkel daher nur den Blick über den deutschen Tellerrand hinaus ans Herz legen; denn was bei uns hier gerade erst beginnt, ist in Afrika bereits weit fortgeschritten. In mehreren afrikanischen Ländern ist die Situation inzwischen dramatisch, das sogenannte Land Grabbing an der Tagesordnung. Hier werden lokale Kleinbauern immer mehr an den Rand gedrängt und Existenzen von Familien zerstört, weil sich kapitalstarke ausländische Investoren mit ihrem Land die Taschen füllen. Dem müssen wir einen Riegel vorschieben. Wir wollen, dass die freiwilligen FAO-Leitlinien für den Zugang zu Land und Wasser verbindlich festgeschrieben und umgesetzt werden. Und wir wollen gerechte Landreformen, den Aufbau von verlässlichen Katasterwesen und die Justiz stärken, damit die von Landraub Betroffenen überhaupt in die Lage versetzt werden, ihre Rechte durchzusetzen. Ist der Zugang zu Land und Wasser geregelt, ist damit noch lange nicht gesichert, dass Bauern ihre Produkte auch verkaufen können. Dafür braucht es faire Welthandelsbedingungen, das heißt unter anderem den Stopp aller Agrarexportsubventionen und marktverzerrenden internen Stützungen, den zoll- und quotenfreien Zugang für Entwicklungsländer zu unseren Märkten bei gleichzeitigem Schutz lokaler Märkte in diesen Ländern und entwicklungswirksame Freihandels- und Partnerschaftsabkommen, die die Einhaltung von sozialen und ökologischen Standards verbindlich festlegen. Bei all diesen Schritten hin zu einem gerechteren Welthandel haben wir noch viel Arbeit vor uns und erhebliche Widerstände zu überwinden. Ich darf in diesem Zusammenhang den Staatssekretär im Bundesentwicklungsministerium Herrn Beerfeltz zitieren, der kürzlich in einem Zeitungsinterview gesagt hat, eher bringe man "einer Ziege Gartenbau bei als einer Agrarministerin den Verzicht auf Subventionen". Die Äußerung ist entlarvend und stimmt nicht besonders zuversichtlich, dass diese Bundesregierung es mit dem Abbau der so entwicklungsschädlichen Agrarexportsubventionen jemals ernst gemeint hat. Offenbar waren alle großen Worte zur vermeintlich so tollen Zusammenarbeit zwischen Entwicklungs- und Landwirtschaftsressort bei der Bekämpfung des Welthungers reine Lippenbekenntnisse und die gemeinsamen Strategien das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt waren. Apropos Lippenbekenntnisse: Nachdem sich einige Banken und Versicherungen aufgrund des öffentlichen Drucks vorübergehend aus dem profitablen Geschäft mit Nahrungsmittelspekulationen zurückgezogen hatten, sind führende deutsche Konzerne wie die Deutsche Bank oder die Allianz inzwischen wieder eingestiegen. Die Schamfrist war wohl vorbei; die Worte des Bedauerns waren eben nichts anderes als Lippenbekenntnisse. Es wird fröhlich weiter gezockt - auf Kosten der Ärmsten. Dabei ist inzwischen hinlänglich bekannt, wie schädlich die durch die extensiven Spekulationen ausgelösten Preisschwankungen für die Ärmsten sind. Wer diese Fakten ignoriert, wie das noch immer einige hier im Hause tun, macht sich zum Handlanger derer, die eiskalt mit Menschenleben spekulieren. Ich sage auch hier ganz klar: Schluss mit Nahrungsmittelspekulationen - ein für alle Mal! In diesem wie auch in vielen anderen zentralen Punkten sind wir einig mit den Forderungen des Antrags, den die Grünen vorgelegt haben und bei dem wir uns nur enthalten werden, weil wir den vorgeschlagenen Finanzierungspfad für unrealistisch halten. In den inhaltlichen Fragen zur ländlichen Entwicklung aber herrscht große Übereinstimmung. So sehen auch wir mit großer Sorge den Auswirkungen des Klimawandels auf die ländlichen Räume unserer Partnerländer entgegen. Es wird zunehmend Aufgabe einer nachhaltigen Entwicklungspolitik sein, klimaschützende Maßnahmen wie regenerative Energien in Entwicklungsländern zu fördern und darüber hinaus Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den betroffenen Ländern zu stärken. Und ebenso wie die Grünen es fordern, halten auch wir eine kritische Überprüfung der Neuen Allianz für Ernährungssicherung der G 8 für dringend notwendig. Wir sehen unter anderem die Gefahr, dass hier unter dem Deckmantel der Hungerbekämpfung Politik zugunsten einiger weniger Konzerne gemacht wird und Kleinbauern und regionale Produzenten an den Rand gedrängt werden. Diese Allianz passt ins Bild der deutschen Entwicklungspolitik der vergangenen vier Jahre: Wirtschaftliche Interessen stehen vor den Interessen der Menschen. Und große Ankündigungen sind meist leeres Geschwätz. Minister Niebels angeblicher Förderschwerpunkt ländliche Entwicklung, auf diversen Veranstaltungen proklamiert, jedenfalls ist kaum mehr als eine buchhalterische Umschichtungsluftnummer. Wirklichen Ehrgeiz hat er in dieser Frage ebenso wenig entwickelt wie in den Haushaltsberatungen. Entgegen aller schönen Sonntagsreden mussten wir in dieser Woche wieder einmal erleben, dass Schwarz-Gelb die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit für 2014 kürzen will. So kann man ländliche Entwicklung in den Partnerländern sicher nicht unterstützen. Gut, dass dieser Haushaltsentwurf nicht mehr in die Tat umgesetzt wird. Es ist höchste Zeit, dass diese Politik am 22. September ein Ende hat und der Mensch wieder im Mittelpunkt der deutschen Entwicklungszusammenarbeit steht. Dr. Christiane Ratjen-Damerau (FDP): Unser aller Ziel ist es, Hunger und Armut in der Welt zu bekämpfen. Darin sind wir uns einig. Uneinig sind wir uns in aller Regel nur über den Weg dorthin. Dieses Mal jedoch scheint es anders zu sein. Ein großer Teil der Forderungen im Antrag der SPD stammt aus Anträgen der christlich-liberalen Koalition, die längst beschlossen wurden. Für diese Anerkennung unserer Arbeit bedanke ich mich sehr herzlich! Wir haben die Pflicht, uns für eine faire Gestaltung der Globalisierung und für den Erhalt der Umwelt und der natürlichen Ressourcen zu engagieren. Um dieses Ziel zu erreichen - eine Welt in Frieden, Freiheit und ohne Hunger -, hat die christlich-liberale Koalition in dieser Legislaturperiode drei Anträge verabschiedet. Erstens: Illegale Landnahme verhindern, Eigentumsfreiheit schützen, Ernährungsgrundlage in Entwicklungsländern sichern. Zweitens: Ländliche Entwicklung und Ernährungssicherheit weltweit verbessern. Drittens: Wasser und Ernährung sichern. Doch trotz der Übereinstimmungen unserer Forderungen mit denen der SPD gibt es auch noch die Unterschiede, wegen derer wir den Antrag ablehnen müssen. Bei der Bekämpfung des Hungers ist nicht die viel und oft gepriesene Umverteilung entscheidend, sondern das Angebot an Nahrungsmitteln muss insgesamt und weltweit erhöht werden. Gleichzeitig müssen die Umwelt und die Biodiversität geschützt werden. Dies können wir nur erreichen, wenn wir die Produktivität in der Landwirtschaft, das heißt den Ertrag pro Fläche, weiter steigern sowie weitere Anbauflächen erschließen. Und die Attraktivität des ländlichen Raums muss gesteigert werden. Die ländliche Bevölkerung muss gestärkt werden. Junge Menschen und ihre Familien im ländlichen Raum müssen die Möglichkeit bekommen, ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Sonst werden sie in die Städte abwandern, was vermehrte Armut in den Städten und brach liegende Flächen auf dem Land zur Folge hat. Für eine Stärkung des ländlichen Raums und für die Lebensgrundlagen in der Landwirtschaft sind höhere Einnahmen in der Landwirtschaft von größter Bedeutung. Dies kann einerseits durch höhere Erträge und andererseits durch höhere Preise der Nahrungsmittel erreicht werden. Für höhere Preise trägt - teilweise - die westliche Welt einen großen Teil der Verantwortung. Wir können hier entscheiden, ob wir für eine Tafel Schokolade 50 Cent mehr ausgeben. Übrigens ist das in unserem eigenen Interesse: Haben junge Menschen auf dem Land keine Perspektive, aus der Armut herauszukommen, werden sie den ländlichen Raum verlassen. Produzieren sie bisher Güter, die bei unseren klimatischen Bedingungen nicht angebaut werden können, bedeutet dies eine zukünftige Verknappung des Angebots. Schon jetzt sind schätzungsweise 40 Prozent der Kaffeeanbaugebiete aus diesem Grund bedroht. Wir verteilen also keine Almosen oder Hilfen, sondern sollten aus eigenem Interesse faire Preise zahlen! Und wie immer glauben Sie auch hier, dass Probleme schlicht durch mehr Geld gelöst werden können. Auch ich wünsche mir mehr finanzielle Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Doch wer glaubt, damit allein lassen sich die Armut und der Hunger in der Welt bekämpfen, der irrt! Niema Movassat (DIE LINKE): Seit langem wissen wir: Der weltweite Hunger ist kein Ausdruck von Knappheit, sondern von falscher Verteilung. Hunger wird gemacht. Ich freue mich, dass sich diese Erkenntnis auch langsam bei anderen Fraktionen dieses Hauses durchsetzt und sie zunehmend die strukturellen Ursachen des Hungers in den Blick bekommen. Doch was draufsteht, sollte bekanntlich auch drin sein! Von den zwei Anträgen von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD kann man das aber leider nicht behaupten. "Für eine kohärente Politikstrategie zur Überwindung des Hungers", so lautet der Titel des Grünen-Antrags. Dem formulierten Anspruch auf Kohärenz werden die Grünen jedoch nicht gerecht; denn im Antrag reihen sie dann selbst ein Sammelsurium von Forderungen wahllos aneinander. Auch wenn das Augenmerk auf politischen Weichenstellungen in Deutschland und Europa liegt, tasten sie den erzwungenen Freihandel mit den Ländern des Südens nicht an. Doch genau dieser Neoliberalismus untergräbt die Ernährungssouveränität, weil Kleinbäuerinnen und Kleinbauern mit hochsubventionierten Agrarprodukten aus dem Norden schlichtweg nicht konkurrieren können. Eine kohärente Strategie gegen den Hunger muss sich gegen die Freihandelsabkommen, Investitionsschutzabkommen und öffentlich-private Partnerschaften richten, weil diese eine systematische Umverteilung von unten nach oben, von öffentlich zu privat und letztlich von Süd nach Nord organisieren. Die Folgen sind Verarmung und Hunger. Obwohl die lokale Landwirtschaft die Menschen versorgen sollte, leben über 70 Prozent der Hungernden auf dem Land. Das scheint paradox. Doch den meisten fehlt schlichtweg der Zugang zu Land, oder sie verfügen nicht über die finanziellen Möglichkeiten, dieses auskömmlich zu bewirtschaften. Als Gegenmaßnahmen schlägt die SPD in ihrem Antrag "Ernährung sichern ..." Land- und Bodenreformen in den Partnerländern sowie die Anhebung derer Staatsausgaben für ländliche Entwicklung auf 10 Prozent vor. Prinzipiell unterstützen wir diese Vorschläge. Doch der Appell an die "Eigenverantwortung" und die Kritik an " ,hausgemachten' Problemen" laufen nicht nur politisch ins Leere, sondern zeugen von Arroganz und Besserwisserei. Wer im Befehlston mit Partnern spricht, verrät die eigene Doppelzüngigkeit und degradiert den oft zitierten Partner auf Augenhöhe zum schlichten Empfänger der eigenen Forderungen. Doch selbst wenn die Analyse viele richtige Aspekte aufweist: Wer den Hunger in der Welt ernsthaft bekämpfen will, der muss denen ans Leder, die vom Elend profitieren, zuallererst den Banken, den Rüstungs- und Agrarkonzernen. Doch davor schrecken SPD und Grüne noch immer zurück: Sie halten still, während die Bundesregierung die staatlichen Förderprogramme für die globale Saatgut- und Düngemittelindustrie weiter ausbaut. Denn seit dem Anstieg der weltweiten Nahrungsmittelpreise 2007/2008 treten westliche Regierungen - unter anderem die Bundesregierung -, Investoren und Agrarkonzerne unverfroren als die vermeintlichen Retter der Hungernden auf. Die Initiative der G 8 beispielsweise - fälschlicherweise als neue Allianz zur Ernährungssicherung bezeichnet - demonstriert den Schulterschluss mit der Großindustrie. Für Monsanto und Co. werden die westlichen Regierungen zum Handlanger, um neue Märkte in afrikanischen Staaten zu erobern. Solche Programme machen immer mehr Bäuerinnen und Bauern von Krediten für patentiertes Saatgut, Mineraldünger und Pestizide abhängig. Sie sind deshalb sofort zu stoppen! Zwar thematisiert der Antrag der Grünen die Initiative, es fehlt jedoch die erforderliche Konsequenz: Lediglich bei vermeintlichen "Zielkonflikten" sei die Zusammenarbeit zu beenden. Das ist eindeutig zu schwach. Das deutsche Pendant ist die sogenannte German Food Partnership, ein Bündnis von 35 deutschen und europäischen Unternehmen wie beispielsweise Bayer CropScience und BASF. Doch die Kooperation wird weder kritisiert noch zurückgewiesen. Während der SPD-Antrag sich einseitig auf die Partnerländer fokussiert und wenig Spielraum für deren eigene Vorstellungen lässt, stellt der Grünen-Antrag die politische Weichenstellung in Deutschland und Europa ins Zentrum, bleibt dabei aber vielfach unkonkret und schwammig. Die Linke wird sich deshalb bei beiden Anträgen enthalten. Thilo Hoppe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch wenn manche inzwischen der Zahlen überdrüssig sein mögen: Es bleibt ein Skandal, dass immer noch fast 1 Milliarde Menschen Hunger leiden müssen. Gerade hat die Fachzeitschrift "The Lancet" eine neue Studie vorgelegt, wonach Unter- und Mangelernährung für die Hälfte aller Kindestode mitverantwortlich ist. Jedes Jahr sterben 3,1 Millionen Kinder an den Folgen von Mangelernährung und damit verbundenen Krankheiten. Angesichts der komplexen Ursachen für Unter- und Mangelernährung reicht es nicht aus, nur kleine Veränderungen in der Landwirtschaft der Entwicklungsländer vorzunehmen. Vielmehr muss an zahlreichen großen und kleinen Stellschrauben gleichzeitig gedreht werden. Das machen wir in unserem Antrag deutlich und liefern dafür konkrete Vorschläge. Vereinfacht lässt sich unsere kohärente Politikstrategie an fünf Fingern abzählen: "Give me five" für eine Welt ohne Hunger! Erstens muss jedes Projekt im Bereich der Ernährungssicherung und ländlichen Entwicklung Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, Kleinfischerinnen und Kleinfischer und Pastoralistinnen und Pastoralisten ins Zentrum rücken und aktiv mit einbeziehen. Nach wie vor sind sie es, die 70 bis 90 Prozent der Nahrungsmittel in Entwicklungsländern produzieren und gleichzeitig den größten Anteil der Hungernden stellen. Gemeinsam mit diesen Gruppen müssen agrar-ökologische und standortangepasste Methoden entwickelt werden, damit sie sich und die Bevölkerung ihrer Region eigenständig ernähren können. Zweitens müssen die Industrienationen als Hauptverursacher des Klimawandels voranschreiten und die nötigen Maßnahmen ergreifen, um wenigstens das 2-Grad-Ziel zu erreichen. Zudem müssen sie mehr Mittel aufbringen, um diejenigen, die am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden, zum Beispiel Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und Viehhirtinnen und Viehhirten in dürregeplagten Gebieten, bei der Anpassung an den Klimawandel zu unterstützen. Drittens müssen weltweit soziale Sicherungssysteme auf- und ausgebaut werden, um die Auswirkungen von starken Preisschwankungen und -spitzen für einkommenschwache Gruppen abzufedern. Wenn man 70 bis 85 Prozent seines Einkommens für Nahrungsmittel ausgibt wie viele Menschen in Entwicklungsländern, können bereits kleine Preisanstiege über Leben und Tod entscheiden. Viertens müssen die exzessive Spekulation mit Nahrungsmitteln eingeschränkt und das sogenannte Land Grabbing, das inzwischen ungeheure Ausmaße angenommen hat, beendet werden. Hierfür haben wir bereits in vorigen Anträgen detaillierte Maßnahmen vorgelegt, die die Bundesregierung jedoch bisher ignoriert hat. Fünftens muss global fair gehandelt werden, was vor allem Wirtschafts- und Agrarpolitik betrifft. Zum Beispiel müssen Handels- und Investitionsabkommen gerecht gestaltet und Agrarsubventionen so abgebaut werden, dass sie nicht zum Dumping von Hähnchenteilen und Milchpulver in den Entwicklungsländern führen. Auch müssen die EU-Länder sicherstellen, dass ihre Fangflotten nicht länger die Küsten vor Westafrika leerfischen und der dortigen Bevölkerung die Lebensgrundlage rauben. Diese Schritte mögen logisch und machbar erscheinen, doch leider hat diese Bundesregierung sie bisher fast vollständig versäumt. Im Gegenteil: Anstatt die globale Agrarwende hin zu einer ressourcenschonenden und armutsmindernden Landwirtschaft voranzutreiben, setzt sie zunehmend auf "Partnerschaften" mit den Großkonzernen der Agrar- und Ernährungsindustrie. Die explizite Unterstützung der G 8 New Alliance for Food Security and Nutrition macht deutlich, dass Schwarz-Gelb die Zeichen der Zeit nicht verstanden hat. Im Rahmen dieses Programms werden afrikanische Staaten dazu gedrängt, Pestizide schneller zuzulassen, den freien Austausch traditionellen Saatguts zu unterbinden, Steuern für Unternehmen zu senken oder die Vorgaben für Landpachten zu vereinfachen. Jene, die davon profitieren sollen, nämlich afrikanische Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, sowie die Zivilgesellschaft sind aus den Verhandlungen ausgeschlossen; ihre Stimmen werden überhört. Ich frage Sie, Minister Niebel, sieht so Kleinbauernförderung aus, die sich Ihr Ministerium auf die Fahnen schreibt? Warum ziehen Sie und Ihre Kabinettskollegen sich aus der Verantwortung und überlassen den transnationalen Unternehmen, deren erstes Interesse natürlich Profit ist, das Feld? Und warum weigert sich diese Regierung immer noch, den Weltagrarbericht von 2008 zu unterzeichnen? Wenn Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung öffentlichkeitswirksam als Schwerpunkt gefeiert wird, warum arbeiten dann im entsprechenden BMZ-Referat weniger als halb so viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wie im Referat zur Kooperation mit der Privatwirtschaft? Und warum kürzt diese Regierung zum zweiten Mal in Folge den Entwicklungshaushalt, wo Kanzlerin Angela Merkel doch stets beteuert, sie wolle an dem 0,7-Prozent-Ziel festhalten? Wie sollen so die dringend notwendigen Gelder für öffentliche Investitionen in die Ernährungssicherung und Landwirtschaft bereitgestellt werden? Mit etwas Erleichterung haben wir festgestellt, dass zumindest das Kooperationsabkommen der New Alliance mit Benin, bei dem Deutschland die Führungsrolle zukommt, weniger dramatisch ausgefallen ist als zum Beispiel jene für Tansania und Mosambik. Es ist zu hoffen, dass der Druck durch Zivilgesellschaft und Opposition hier erste kleine Früchte trägt. Doch von einer Abkehr vom "business as usual" und dem Leitbild einer industrialisierten Landwirtschaft kann noch keine Rede sein. Eine echte Agrarwende wird es nur mit uns Grünen geben. Da der Antrag der SPD, über den wir heute ebenfalls abstimmen, sich in vielen Punkten mit unserem überschneidet und bemerkenswert progressiv ist, stehen die Chancen gut, dass wir sie gemeinsam erreichen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen damit zur Abstimmung über die Empfehlungen des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung auf Drucksache 17/13900. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12379. Wer stimmt für diese Empfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/13492. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkte 24 a bis d: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Prävention - Drucksache 17/13080 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Prävention - Drucksache 17/13401 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - Drucksache 17/14184 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Dr. Thomas Gambke - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14205 - Berichterstattung: Abgeordnete Alois Karl Ewald Schurer Otto Fricke Roland Claus Katja Dörner b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Bärbel Bas, Angelika Graf (Rosenheim), Dr. Marlies Volkmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kinder- und Jugendgesundheit: Ungleichheiten beseitigen - Versorgungslücken schließen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Edgar Franke, Christine Lambrecht, Bärbel Bas, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen - Drucksachen 17/9059, 17/12213, 17/14184 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Dr. Thomas Gambke c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Kathrin Vogler, Diana Golze, Matthias W. Birkwald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen - zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Birgitt Bender, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen - Drucksachen 17/12451, 17/12693, 17/14158 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Carola Reimann Kathrin Vogler d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Bärbel Bas, Dr. Karl Lauterbach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Potenziale der Prävention erkennen und nutzen - Prävention und Gesundheitsförderung über die gesamte Lebensspanne stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Prävention weiter denken - Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Maria Klein-Schmeink, Fritz Kuhn, Birgitt Bender, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung schaffen - Gesamtkonzept für nationale Strategie vorlegen - Drucksachen 17/5384, 17/6304, 17/5529, 17/9375 - Berichterstattung: Abgeordnete Stefanie Vogelsang Die Reden sollen zu Protokoll genommen wer-den.23 - Sie sind damit einverstanden. Wir kommen zur Abstimmung über den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14184, den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/13080 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. Wer stimmt dagegen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Mehrheitsverhältnis wie zuvor angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13401 für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen worden. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 17/14184 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/9059 mit dem Titel "Kinder- und Jugendgesundheit: Ungleichheiten beseitigen - Versorgungslücken schließen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12213 mit dem Titel "Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 17/14158. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12451 mit dem Titel "Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/12693 mit dem Titel "Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 17/9375. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/5384 mit dem Titel "Potenziale der Prävention erkennen und nutzen - Prävention und Gesundheitsförderung über die gesamte Lebensspanne stärken". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken und der Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/6304 mit dem Titel "Prävention weiter den-ken - Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/5529 mit dem Titel "Gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung schaffen - Gesamtkonzept für nationale Strategie vorlegen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Matthias W. Birkwald, Diana Golze, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Sicherungslücke im Übergang von Arbeitslosengeld in eine Erwerbsminderungsrente schließen - Drucksachen 17/13113, 17/13622 - Berichterstattung: Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Paul Lehrieder (CDU/CSU): Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion die Linke, in Ihrem Antrag bemängeln Sie, dass für Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, SGB III, beim Übergang in eine Erwerbsminderungsrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, SGB VI, eine Sicherungslücke entstehe, die eine nicht vertretbare Härte mit sich bringe. Aufgrund dessen seien die Betroffenen gezwungen, ihren Lebensunterhalt und den damit verbundenen Krankenversicherungsschutz aus eigenem Einkommen oder Vermögen zu bestreiten. Ich möchte an dieser Stelle nochmals klarstellen, dass niemand in unserem Land zurückgelassen wird. Jeder, der in eine Notsituation geraten ist und diese nicht selbst bewältigen kann, kann sich der Unterstützung der Gemeinschaft sicher sein. Mit den verschiedensten staatlichen Unterstützungsangeboten wird jedem ein Leben in Würde und ein Mindestmaß an sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe ermöglicht und dies unabhängig davon, ob Hilfebedürftigkeit durch Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit, Alter oder Pflegebedürftigkeit entstanden ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Die Linke, bei der von Ihnen in Ihrem Antrag geschilderten Sicherungslücke handelt es sich um wenige Einzelfälle. Beim Übergang vom Arbeitslosengeld in eine Erwerbsminderungsrente kann sich diese - wenn überhaupt - nur in ganz seltenen Ausnahmefällen ergeben. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Anspruch auf Krankengeld bereits vor Beginn der Rente ausgeschöpft sein sollte. Nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 51 Abs. 1 SGB V soll das Feststellungsverfahren hinsichtlich der Erwerbsfähigkeit noch im Rahmen des Krankengeldbezugs durchgeführt und abgeschlossen werden. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein oder zeigt sich eine wesentliche Verschlechterung des gesundheitlichen Gesamtzustandes erst im Rahmen des Krankengeldbezuges, besteht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III im Anschluss an die Krankengeldzahlung. Die Nahtlosigkeitsregelung begründet einen Anspruch auf Arbeitslosengeld eines nicht nur vorübergehend Leistungsgeminderten, der keine versicherungspflichtige Beschäftigung mehr ausüben kann, bei dem aber zu diesem Zeitpunkt eine verminderte Erwerbsfähigkeit noch nicht festgestellt wurde. Es handelt sich um eine besondere Ausprägung des Arbeitslosengeldes, wonach Leistungen der Arbeitslosenversicherung erbracht werden, auch wenn keine Verfügbarkeit für den Arbeitsmarkt gegeben ist. Die Nahtlosigkeitsregelung überbrückt somit den Zeitraum bis zur Klärung der Zuständigkeit zwischen der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit. Sie soll den Leistungsberechtigten bis zur endgültigen Klärung durch den Rentenversicherungsträger, ob eine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt oder nicht, wirtschaftlich absichern. Mit den im Bereich der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung geltenden Regelungen ist somit stets die Nahtlosigkeit von Leistungen gewährleistet. Entweder liegt ein begründeter Anspruch auf Krankengeld vor oder die erforderlichen sechs Monate des hinausgeschobenen Beginns seit Eintritt der rentenrechtlich maßgeblichen Erwerbsminderung sind bereits abgelaufen. Nach § 51 SGB V soll seitens der Krankenkasse darauf hingewirkt werden, dass die Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit gefährdet ist, innerhalb von zehn Wochen einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation stellen, sodass während einer aufgeschobenen Rentenzahlung ein Anspruch auf Krankengeld begründet ist. Hinzu kommt, dass gemäß § 116 SGB VI ein Rehaantrag als Rentenantrag zu verstehen ist, sofern die Rehabilitationsleistungen erfolglos geblieben sind oder nicht erfolgversprechend erscheinen. Somit wird gewährleistet, dass der Anspruch auf Krankengeld nicht bereits vor Rentenbeginn erschöpft ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, selbstverständlich stimme ich mit Ihnen überein, dass, auch wenn es nur in atypischen Einzelfällen zu einer solchen Sicherungslücke kommen kann, es dennoch kein Grund sein darf, untätig zu bleiben. Daher hat die Bundesregierung auch zugesagt, im Interesse der Betroffenen in den besagten Einzelfällen, in denen die Nahtlosigkeit beim Übergang von Leistungen nicht gegeben ist, durch entsprechende Regelungen nachzubessern. Da es sich vorliegend um Einzelfallkonstellationen im Überschneidungsbereich verschiedener Bereiche der Sozialversicherung handelt, bedarf es einer sehr gründlichen und sorgfältigen Abwägung der Interessen der Betroffenen in den Ausnahmefällen der nicht gegebenen Nahtlosigkeit des Leistungsbezuges und der grundsätzlichen Frage der Zuordnung zu einem Risikobereich der Sozialversicherung. Sie können versichert sein, dass die Bundesregierung in naher Zukunft nach einer sorgfältigen Analyse zu einer allseits zufriedenstellenden Lösung kommen wird. Dr. Matthias Zimmer (CDU/CSU): Die von den Linken unterstellte Sicherungslücke beim Übergang von Arbeitslosengeld in eine Erwerbsminderungsrente kann sich nur in atypischen Fällen ergeben, in denen der Anspruch auf Krankengeld bereits vor Beginn der Rente ausgeschöpft ist. Im Regelfall soll das Verfahren über die Feststellung der Erwerbsfähigkeit noch während des Bezuges von Krankengeld durchgeführt und möglichst abgeschlossen werden. Unterbleibt dieses oder tritt die maßgebliche Verschlechterung des gesundheitlichen Leistungsvermögens erst im Laufe des längeren Krankengeldbezuges ein, besteht im Anschluss an das Krankengeld - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzun-gen - Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung. Bei der Nahtlosigkeitsregelung handelt es sich um eine Sonderform des Arbeitslosengeldes, nach der Leistungen der Arbeitslosenversicherung erbracht werden, obwohl eine der Kernvoraussetzungen dieser Versicherung - die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung - nicht vorliegt. Ziel dieser Nahtlosigkeitsregelung ist es, die Leistungsberechtigten bis zur Entscheidung über das Vorliegen einer verminderten Erwerbsfähigkeit durch den zuständigen Rentenversicherungsträger wirtschaftlich abzusichern. Diese Verzahnungsfunktion der Arbeitslosenversicherung zwischen dem System der gesetzlichen Krankenversicherung und dem System der gesetzlichen Rentenversicherung endet, sobald ein durch die gesetzliche Rentenversicherung versicherter Leistungsfall - und damit die Zuständigkeit der Rentenversicherung - festgestellt worden ist. Die Nahtlosigkeitsregelung hat insoweit nur die Funktion, die Betroffenen für die Dauer des Feststellungsverfahrens wirtschaftlich abzusichern. Wegen der atypischen Fallkonstellationen ist aber davon auszugehen, dass nur in Einzelfällen Personen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beantragen. Hilfebedürftig ist im Übrigen auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde. In diesen Fällen sind Leistungen als Darlehen zu erbringen. Eine Darlehensgewährung müsste dann erfolgen, weil der sofortige Verbrauch des zu berücksichtigenden Vermögens eine besondere Härte bedeuten würde. Eine Gefährdung des Existenzminimums durch die Rückzahlungsverpflichtung ist demnach ausgeschlossen. Dies gilt umso mehr, als die Darlehensgewährung unter der Voraussetzung erfolgte, dass die Darlehensnehmer über zu berücksichtigendes Vermögen verfügen. Auch bei Darlehensgewährung nach dem SGB XII ist sichergestellt, dass die im Darlehensvertrag enthaltenen Rückzahlungsmodalitäten eine Gefährdung des Existenzminimums ausschließen. Kurzum: Mit den im Bereich der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung getroffenen Regelungen ist in den typischen Fällen die Nahtlosigkeit von Leistungen gewährleistet, weil entweder seit Eintritt der rentenrechtlich maßgebenden Erwerbsminderung die sechs Monate des hinausgeschobenen Beginns einer Zeitrente bereits abgelaufen sind oder während dieser Zeit Anspruch auf Krankengeld besteht. Die Bundesregierung prüft bereits, ob dem Interesse der Betroffenen in den seltenen Einzelfällen, in denen die Nahtlosigkeit von Leistungen nicht gegeben ist, Rechnung getragen werden kann. Wir warten das Ergebnis dieser Prüfung ab. Es soll Grundlage für unser weiteres Handeln sein. Gabriele Lösekrug-Möller (SPD): Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Dieses Sinnbild hat seinen Ursprung in der japanischen Kultur. Nichts sehen, nichts hören, nichts tun, das steht für die schwarz-gelbe Regierung. Vier Jahre haben Frau Merkel und ihr Team in den zentralen Politikfeldern "nicht geliefert". Es gibt bereits eine Gewöhnung daran, dass einer Ankündigung keine Handlung, den vielen Gipfeln keinerlei Entscheidungen folgen. Das gilt in den großen Fragen der Rentenpolitik genauso wie in den Einzelthemen sozialer Absicherung. Nun greift die Linke in ihrem Antrag einen dieser Punkte auf, die Sicherungslücke im Übergang von Arbeitslosengeld in eine Erwerbsminderungsrente. Ehrlicherweise beschreibt sie zutreffend, dass im Übergang vom Arbeitslosengeld in die Erwerbsminderungsrente eine Sicherungslücke entstehen kann. Das trifft zu, denn es ist nicht zwingend eine Folge, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Es sind jene Situationen, in denen im Übergang bereits der Anspruch auf Krankengeld ausgeschöpft wurde. Und wie häufig kommt das vor?, werden Sie fragen. Wir wissen es nicht. Auch die Regierung kann dazu keine Angaben machen. Sie sieht nicht einmal die Notwendigkeit, sich kundig zu machen. Das ist nicht in Ordnung. Sich die Hand vor die Augen zu halten und festzustellen, ich sehe nichts, das ist das eine. Daraus aber zu folgern, es gibt keinen Regelungsbedarf, das ist auf dem Niveau von Kleinkindern. Sie halten sich auch die Augen zu und denken, niemand könne sie dann sehen. Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deshalb die Bundesregierung auf, entsprechende Daten zu erheben. Denn in der Tat handelt es sich in derartigen Lebenssituationen um eine ohnehin sehr belastete Lage. Nahtlosigkeit sicherzustellen ist daher eine schlüssige Forderung. Leider beschränkt sich der Antrag im Forderungsteil auf die lapidare Formulierung, einen Lückenschluss herzustellen. Ich bin mir sicher, dass Sie wissen, dass die Lösung dieses Problems eine wenig komplizierter ist, als Sie nahelegen. Wir werden uns daher bei der Abstimmung zu ihrem Antrag enthalten. Ich will die Gelegenheit jedoch nutzen, ein anderes rentenrechtliches Thema anzusprechen, dessen Lösung in der großen Koalition aus unserer Sicht nur unzureichend gelungen ist. Hier geht es um einen erheblichen Personenkreis von SGB-II-Empfängern und -Empfängerinnen, die die Anspruchsvoraussetzungen für eine vorgezogene Altersrente erfüllen. Mit dem Gesetz zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze konnte 2008 nur erreicht werden, dass diese erst ab dem vollendeten 63. Lebensjahr erfolgen kann. Dies ist aus unserer Sicht nach wie vor sehr unbefriedigend und harrt einer sachgerechten Lösung. Doch auch in diesem Fall gilt für Schwarz-Gelb: Nix gesehen, nix gehört und deshalb weder was gesagt noch was getan. Johannes Vogel (Lüdenscheid) (FDP): Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, häufig findet man in Ihren Anträgen einfach irgendwelche Fehler, noch häufiger machen Sie auf angebliche Missstände aufmerksam, die sich bei genauerem Hinsehen nicht als solche herausstellen, und am häufigsten, nämlich so gut wie immer, sind ihre steinzeitplanwirtschaftlichen Lösungsvorschläge rundum abzulehnen. Heute trifft das alles einmal nicht zu - zumindest auf den ersten Blick. Sie fordern, eine Sicherungslücke im Übergang von Arbeitslosengeld I zur Erwerbsminderungsrente zu schließen. Und, so viel vorab, das ist eben keine ganz abwegige Forderung von Ihnen. Erst einmal in der Sache: Nach § 145 Abs. 1 SGB III wird das Arbeitslosengeld I nur so lange gewährt, bis der Antrag auf Erwerbsminderungsrente bewilligt ist, unabhängig von der tatsächlichen Auszahlung der Rente. Die zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente wird nach § 101 Abs. 1 SGB VI jedoch erst mit dem siebten Monat nach Eintritt der Erwerbsminderung ausgezahlt. In der Tat kann es also zu einer Sicherungslücke kommen. Gleichwohl ist die Regelung des SGB VI nicht völlig unlogisch, weil sie einer Risikoverteilung zwischen Krankenkasse und Rentenversicherung dient. Die geschilderte Sicherungslücke tritt daher auch nur in solchen Fällen auf, in welchen das Krankengeld bereits vor dem Rentenbezug ausgeschöpft wurde, sodass anstelle des Krankengeldanspruchs ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I nach der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung des § 145 SGB III entsteht. Hier handelt es sich um ein klassisches Problem im Überschneidungsbereich zweier Sozialversicherungszweige, und wie üblich bei solchen Problemen handelt es sich um ein extrem komplexes. Es bedarf daher einer sehr sorgfältigen Abwägung zwischen dem Interesse der Betroffenen in den seltenen Einzelfällen einer nicht gegebenen Nahtlosigkeit von Leistungen und der grundsätzlichen Frage der Zuweisung zu einem Risikobereich der Sozialversicherung. Die Bundesregierung hat das Problem aber erkannt, prüft momentan und wird, wenn möglich, einen sinnvollen Lösungsvorschlag unterbreiten. Und hier wiederum - trotz aller Sympathie mit Blick auf die Stoßrichtung Ihres An- trags - liegt auch das Problem Ihres Antrags; denn er ist eben nur ein Antrag. Auch Ihnen ist offensichtlich auf die Schnelle keine gesetzliche Lösung eingefallen, sonst hätten Sie ja einen Gesetzentwurf präsentiert, haben Sie aber nicht. Und auch im Ausschuss haben Sie keine wirklich sachdienlichen Vorschläge gemacht. Deswegen werden wir Ihren Antrag auch ablehnen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass uns das in der nächsten Legislaturperiode beschäftigen wird, wie ich mir genauso gut vorstellen kann - nein, das kann ich mir inzwischen sogar sehr gut vorstellen -, dass es dann wieder eine schwarz-gelbe Mehrheit sein wird, die wir hier im Plenum sehen werden. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Derzeit besteht eine Sicherungslücke für Menschen, die Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch, dem SGB III, beziehen und in die Erwerbsminderungsrente wechseln müssen. Grund dafür ist: Mit dem Tag der Bewilligung der Erwerbsminderungsrente erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld. Das ist ein Problem. Denn so ist die Nahtlosigkeit, die eigentlich zwischen den Systemen der sozialen Sicherung in allen Fällen gewährleistet sein muss, in bestimmten Fällen nicht gegeben. Das Problem entsteht dadurch, dass befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erst ab dem siebten Kalendermonat nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit gezahlt werden dürfen, gleichzeitig mit Bewilligung aber die Nahtlosigkeitsregelung des SGB III nicht mehr greift. Zusätzlich kann es zu Bearbeitungszeiten von bis zu 18 Monaten kommen. Es geht hier also um diejenigen, die weder Anspruch auf Krankengeld haben noch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Sie müssen dann entweder ihren Lebensunterhalt inklusive Krankenversicherung über mehrere Monate selbst bestreiten oder Hartz IV bzw. Sozialhilfe beantragen. Das wiederum bedeutet für sie: Bedürftigkeitsprüfungen und eventuell auch die Einbeziehung von Haushaltsangehörigen über das falsche Konstrukt der Bedarfsgemeinschaft, das die Linke ebenfalls ablehnt. Es kann dann zu fiktiven Hilfebedürftigkeiten anderer Haushaltsmitglieder kommen, die für diese mit Pflichten verbunden sind. Wohnungsgröße und Vermögen der Bedarfsgemeinschaft werden plötzlich relevant. Hier werden Menschen in sogenannten Bedarfsgemeinschaften mit Problemen belastet, die eigentlich nicht ihre eigenen sind, sondern der Untätigkeit einer Regierung geschuldet sind, die das Problem längst erkannt hat. Auf eine Kleine Anfrage der Linken zu dieser Sicherungslücke antwortete die Bundesregierung: Dieses Problem betreffe ja nur sehr wenige Einzelfälle. Das jedoch sollte keinesfalls ein Argument für Untätigkeit sein. Es bedeutete ja, dass Minderheiten schlechter behandelt werden dürfen, weil sie Minderheiten sind. Das darf so nicht sein. Die Bundesregierung hatte nun genug Zeit, sich mit dem Problem auseinanderzusetzen. Die Bundesregierung hat mit ihrem Zugeständnis, die Sachlage prüfen zu wollen, einen Handlungsbedarf eingeräumt. Nun müssen Taten folgen. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, unverzüglich einen gesetzlichen Regelungsvorschlag zur Schließung der Sicherungslücke zu unterbreiten. Es muss die Möglichkeit eines nahtlosen Übergangs vom Arbeitslosengeld, SGB III, bis zum Beginn der Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente, SGB VI, geben. Die wenigen Menschen, die in dieser schwierigen Lebenssituation sind, dürfen dafür nicht bestraft werden. Ihr Problem muss menschenwürdig und gerecht gelöst werden. Handeln Sie, und das sofort! Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Worum geht es in dem Antrag der Linken? Es kann in bestimmten Fällen zu einer Sicherungslücke im Übergang vom Arbeitslosengeld in die Erwerbsminderungsrente kommen, wenn der Anspruch auf Krankengeld bereits vor Beginn der Rente ausgeschöpft ist. Im Regelfall soll das Verfahren über die Feststellung der Erwerbsfähigkeit noch während des Bezuges von Krankengeld durchgeführt und möglichst abgeschlossen werden, § 51 Abs. 1 SGB V. Unterbleibt dieses oder tritt die maßgebliche Verschlechterung des gesundheitlichen Leistungsvermögens erst im Laufe des längeren Krankengeldbezuges ein, besteht im Anschluss an das Krankengeld - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der sogenannten Nahtlosigkeitsregelung - § 145 SGB III, bis 31. März 2012: § 125 SGB III - jedoch längstens bis zu dem Zeitpunkt, an dem der zuständige Träger der gesetzlichen Rentenversicherung über das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit entschieden hat. Für die Fälle, in denen dann der Anspruch auf Krankengeld bereits ausgeschöpft und ein Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht mehr besteht oder von der Arbeitsagentur wegen mangelnder Verfügbarkeit nach § 119 SGB III verweigert wird, besteht eine Sicherungslücke. Den Antworten der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zufolge stellt der in dem vorliegenden Antrag problematisierte Sachverhalt eine Ausnahmesituation dar. Die Zahl der Betroffenen konnte von der Bundesregierung nicht quantifiziert werden. Jedoch hat die Bundesregierung auch nicht explizit ausgeschlossen, dass es solche Betroffenen gibt. Entsprechend hat sich die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage der Linken dazu bereit erklärt, den Sachverhalt zu prüfen, und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat dies - soweit wir wissen - auch getan. Jedoch hat das BMAS, wie in vielen anderen Fragen auch, mittlerweile jegliche weiteren Aktivitäten auf diesem Gebiet komplett eingestellt. Die Prüfung ist nicht abgeschlossen, und die angefangenen Gespräche mit den beteiligten Institutionen, wie der Rentenversicherung Bund, wurden ruhen gelassen. Das ist symptomatisch für die Handlungsunfähigkeit der zuständigen Ministerin, einer Ministerin, die in puncto Rente nicht nur ihre großen Prestigeprojekte nicht durch- und umgesetzt kriegt, sondern die auch die ganz normale Bestandspflege nicht vermag. Es ist völlig unverständlich, warum das BMAS die Prüfung dieser Problemlage zwar begonnen, aber weder zum Abschluss gebracht noch einen entsprechenden Änderungsvorschlag vorgelegt hat. Aber es zeigt deutlich, dass Frau von der Leyen "regieren" nicht kann. Sie kann wortreiche Ankündigungen machen, sie kann öffentlichkeitswirksam Konzepte vorstellen, diese umsetzen, die Rentenversicherung auf die Herausforderungen der Zukunft, des demografischen Wandels, die steigende Altersarmut einzustellen und für altersgerechte Arbeitsplätze zu sorgen - das kann sie nicht. Dieses Versagen - das ist das Schlimme - wird auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen. Das ist fahrlässig und unverantwortlich. Für die betroffenen Menschen zählt jeder Euro. Deshalb ist es wichtig, möglichst schnell Abhilfe zu schaffen, unabhängig davon, ob die Anzahl der Betroffenen groß oder klein ist. Nicht die Anzahl der Betroffenen ist ausschlaggebend, sondern die Lücke im Portemonnaie, die im Übergang vom Arbeitslosengeld in die Erwerbsminderungsrente für die Betroffene, den Betroffenen entsteht. Deswegen stimmt meine Fraktion dem Antrag der Fraktion Die Linke zu. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13622, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13113 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 26 a bis 26 c auf: a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen - Drucksache 17/13704 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/14185 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Dr. Thomas Gambke - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14207 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Barthle Carsten Schneider (Erfurt) Otto Fricke Dr. Gesine Lötzsch Priska Hinz (Herborn) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - zu dem Antrag der Fraktion der SPD Aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne bekämpfen - zu dem Antrag der Fraktion der SPD Globale Steuergestaltung verhindern - Regulierungsschlupflöcher stopfen - zu dem Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und in Europa vorantreiben - Drucksachen 17/12819, 17/13716, 17/13717, 17/14185 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Lothar Binding (Heidelberg) Dr. Daniel Volk Dr. Barbara Höll Dr. Thomas Gambke c) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten - Drucksache 17/13664 - Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) - Drucksache 17/14159 - Berichterstattung: Abgeordnete Manfred Kolbe Martin Gerster Die Reden werden mit Ihrer Zustimmung zu Protokoll genommen.24 Wir kommen zur Abstimmung über den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf zum Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen. Der Finanzausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14185, den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen auf Drucksache 17/13704 anzunehmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist bei Enthaltung der Linken mit den übrigen Stimmen des Hauses in zweiter Beratung angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer für diesen Gesetzentwurf ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses auf Drucksache 17/14185 fort. Er empfiehlt unter Buchstabe b die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Druck-sache 17/12819 mit dem Titel "Aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne bekämpfen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13716 mit dem Titel "Globale Steuergestaltung verhindern - Regulierungsschlupflöcher stopfen". Wer stimmt für diese Empfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Die Empfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buch-stabe d die Ablehnung des Antrags der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/13717 mit dem Titel "Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und in Europa vorantreiben". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14159, den Gesetzent-wurf des Bundesrates auf Drucksache 17/13664 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 27 a bis 27 d: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Lukrezia Jochimsen, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Für eine Ausstellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen bei durch den Bund geförderten Ausstellungen - Drucksachen 17/8379, 17/6346, 17/13485 - Berichterstattung: Abgeordnete Siegmund Ehrmann Reiner Deutschmann Dr. Lukrezia Jochimsen Arfst Wagner (Schleswig) b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Beate Müller-Gemmeke, Ekin Deligöz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Prekäre Situation von Lehrbeauftragten an Musikhochschulen sowie Hochschulen für Musik und Theater beenden - Rahmenbedingungen zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe schaffen - Drucksachen 17/7825, 17/8960 - Berichterstattung: Abgeordnete Gitta Connemann Angelika Krüger-Leißner Reiner Deutschmann Dr. Lukrezia Jochimsen Agnes Krumwiede c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Birgitt Bender, Tabea Rößner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zeitnahes Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte sowie Selbständige - Drucksachen 17/12067, 17/13628 - Berichterstattung: Abgeordneter Heinz Lanfermann d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Angelika Krüger-Leißner, Petra Ernstberger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die soziale und wirtschaftliche Lage der Kultur- und Kreativschaffenden verbessern - Drucksachen 17/11832, 17/13487 - Berichterstattung: Abgeordnete Gitta Connemann Siegmund Ehrmann Reiner Deutschmann Dr. Lukrezia Jochimsen Arfst Wagner (Schleswig) Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Monika Grütters (CDU/CSU): Zum wiederholten Mal diskutieren wir heute das Für und Wider einer Ausstellungsvergütung. Sowohl die Linke als auch die Grünen fordern eine Ausstellungszahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler. "Mit der Aufnahme einer pauschalierten Ausstellungszahlung in die Förderkriterien für die aus dem Etat des BKM finanzierten oder bezuschussten Institutionen und Projektträger, welche Ausstellungen ausrichten, kann der Bund eine Zahlung an bildende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen für die öffentliche Ausstellung ihrer Werke ermöglichen, soweit sich die Werke im Eigentum der Künstlerin oder des Künstlers befinden". Dies, so der Antrag der Grünen, sei ein "Signal gegen die bestehende Gerechtigkeitslücke" . Eine "Gerechtigkeitslücke" kann ich nicht erkennen. Wir alle wissen, dass es sehr erfolgreiche Maler und Bildhauer gibt, ebenso wie arme Poeten und nur wenige wohlhabende Musiker. Richtig ist: Der bildende Künstler lebt im Gegensatz zu anderen Künstlern vom Verkauf seiner Werke, der Autor vom Vertrieb, der Musiker von Aufführungen. Erfolgreich verkaufen kann ein Künstler dann, wenn er zuvor bekannt gemacht wurde, zum Beispiel durch Ausstellungen in Museen, Kunstvereinen, Galerien etc. Das bringt dem Künstler eine große Öffentlichkeit und bestenfalls die breite Anerkennung eines Werkes. Und während die einen bei Lesungen, die anderen bei Konzerten eine direkte Vergütung erhalten, lebt der bildende Künstler lediglich vom Verkauf seiner Arbeiten bzw. von der Nutzung der Abbildungen. Die nun erneut geforderte Ausstellungsvergütung soll dazu dienen, bildenden Künstlern auch aus der Ausstellung ihrer Werke einen wirtschaftlichen Nutzen zukommen zu lassen, auf dass sich ihre wirtschaftliche Lage verbessere. Glauben Sie wirklich, dass ein Künstler, dessen Werke nicht gekauft werden, gegen Vergütung ausgestellt würde? Ganz sicher nicht: Eine Ausstellungsvergütung käme vor allem einem kleinen Kreis etablierter Künstler zugute. Hier muss ich dann doch die dramatischen Konsequenzen einer verpflichtenden Ausstellungsvergütung für die Museen anmahnen: Forderungen nach einen Vergütungsanspruch für die öffentliche Ausstellung bildender Kunst gibt es schon lange; ebenso lange lehnen fast alle im Kunstbetrieb Verantwortlichen diese Forderung ab. Zeitgenössische Kunst verleiht den Häusern Lebendigkeit und Aktualität; die Museen haben ein großes Interesse an solchen Ausstellungen. Umgekehrt wissen natürlich auch die Künstler um die Vorteile einer Ausstellung in diesen Institutionen. Gerade Ausstellungen ihrer Werke in öffentlichen Museen sind für die Künstler wie ein Ritterschlag, die Arbeiten erfahren eine enorme Wertsteigerung. Die Schattenseite: Durch Ausstellungsvergütungen werden Ausstellungen für die Veranstalter erheblich teurer, in der Folge planen die Museen weniger Ausstellungen, oder man greift gleich auf die freien Werke nicht mehr lebender Künstler zurück, für die keine Gebühr bezahlt werden muss, und das geht letztlich zulasten der Künstler, weil sie noch weniger Präsentationsmöglichkeiten bekommen. In fast allen Fällen werden Ausstellungen nicht einmal kostendeckend durchgeführt. Künstler an Ausstellungseinnahmen zu beteiligen, würde in vielen Fällen den finanziellen Ruin der Veranstaltungen bedeuten, und das wäre dann das endgültige Aus einer wirksamen Kunst- und Künstlerförderung. Mit Ihrer Idee einer Ausstellungsvergütung blicken Sie hoffnungsvoll auf das schwedische Modell, das 2009 in Kraft trat. Aber hat das schwedische Modell die ökonomischen Verhältnisse der Künstler oder deren Möglichkeiten, ihre Werke auszustellen, dramatisch verändert? Nicht, dass wir wüssten. Die meisten Museen verfügen ohnehin kaum noch über große Ausstellungsetats. Ihr Budget für Ausstellungen müsste also entsprechend erhöht werden. Als die Übereinkunft in Schweden in Kraft trat, erhielten deshalb sowohl das Moderna Museet als auch Riksutställningar einen Sonderzuschuss, um diese Vergütungen überhaupt zahlen zu können von rund 97 000 Euro. Österreich jedenfalls hat die Ausstellungsvergütung zurückgenommen, 1996 eingeführt, 2000 wieder abgeschafft: Dort gibt es keine Ausstellungsvergütung für urheberrechtlich geschützte Werke der bildenden Kunst mehr. Die Ausstellungsvergütung bewirke nämlich prompt eine Benachteiligung lebender Künstler und wirke sich am Ende sogar nachteilig für den ganzen Kunststandort Österreich aus. Natürlich könnte man die Künstler an dem Gewinn, der mit der Präsentation ihrer Kunstwerke erwirtschaftet wird, beteiligen, wenn es denn einen gäbe. Doch wer am Erlös beteiligt wird, müsste sich auch an den entstehenden Kosten beteiligen, und diese übertreffen bekanntlich in fast allen Fällen den Gewinn eines Ausstellungsprojektes. Hinzu kommt, dass der Kunstmarkt dieses Geschäft betreibt, in Galerien und auf Messen. Museen haben einen anderen Auftrag. Die Auswirkungen auf die private Kunstförderung und Ausstellungstätigkeit wären verheerend, da sich die Kosten nicht über die Eintrittsgelder auf die Besucher verlagern lassen. Wichtiger ist es, die Chancen für Künstler, überhaupt ausstellen zu können, zu verbessern - nicht, sie gesondert zu vergüten. Es braucht mehr Ausstellungsmöglichkeiten für jüngere bildende Künstler, weitere Fördermöglichkeiten, Projektzuschüsse oder Arbeitsstipendien (Stiftung Kunstfonds, Künstlerstipendien der Villa Massimo etc.) und Ankaufsetats für die Museen, und hier sind vor allem die Länder und Kommunen gefragt. Mal abgesehen davon, dass auch eine Ausstellungsvergütung die schwierige wirtschaftliche Situation der Künstler nicht auffangen würde, wäre sie vor allem eine verkappte zusätzliche Sozialleitung. Aber mit welcher Berechtigung eigentlich? Wenn auch in verschiedenen Systemen, so arbeiten und leben doch alle Künstler von demselben Prinzip: vom Verkauf ihrer kreativen Leistung; indem sie sie aufführen (Bühne, Musik) oder ihr Kunstwerk sein Publikum (Kompositionen, Theaterstücke) oder neue Besitzer (Bildende Kunst) findet. Positiv an Ihren Anträgen ist, dass wir einmal mehr das wichtige Thema "Soziale Lage der Künstler" besprechen. Die soziale Absicherung aller - aller! - Künstler in Deutschland unterstützt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit der Künstlersozialkasse, KSK, einer Anerkennung, die die Gesellschaft den besonderen Erfordernissen diesem uns so wichtigen Berufsstand zollt. Wir haben uns stets zu der Künstlersozialversicherung bekannt. Sie ist für die soziale Absicherung von Künstlern und Kreativen unverzichtbar, sie ist eines der wichtigsten Instrumente der Förderung von Kunst und Kultur überhaupt und europaweit einmalig. Für uns hat es hohe Priorität, durch geeignete Rahmenbedingungen für die ausreichende soziale Sicherung der Künstler zu sorgen. In der 17. Wahlperiode haben wir die Künstlersozialversicherung stabilisiert und den Versichertenkreis durch die Schärfung des Publizistenbegriffs gerechter gestaltet. Durch eine Neuregelung beim Arbeitslosengeld I haben wir zugleich die soziale Absicherung von Kultur-, Film- und Fernsehschaffenden mit befristeten Arbeitsverträgen deutlich verbessert. Arbeitsverhältnisse mit Kurzzeitbefristungen bis zehn Wochen statt bisher sechs Wochen werden nun berücksichtigt. Wir haben wichtige Verbesserungen im Steuerrecht für Künstler und Kreative in unserem Land erreicht wie die Umsatzsteuerbefreiung für Bühnenregisseure, die Steuerfreiheit des Taschengeldes beim Freiwilligen Jahr Kultur sowie die wichtige Einführung der Möglichkeit einer pauschalen Margenbesteuerung im Kunsthandel. Und speziell zur Einkommenssituation der Künstler hat die Enquete-Kommission dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung empfohlen, erneut zu prüfen, "mit welchen Regelungen und Maßnahmen im Urhebervertragsrecht eine angemessene, an die wirtschaftlichen Verhältnisse angepasste Vergütung für alle Urheber und ausübenden Künstler erreicht werden kann, da die bisherigen Regelungen im Urhebervertragsgesetz unzureichend sind". Das Urheberrecht ist im digitalen Zeitalter zu dem zentralen Thema für die Existenzbedingungen von Künstlern und Kreativen geworden. Durch die Digitalisierung können zum Beispiel Musik, Bücher und Filme unkompliziert und ohne Qualitätsverlust aus dem Internet kopiert werden, leider auch illegal. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat sich in dem Positionspapier "Urheberrecht in der digitalen Gesellschaft" klar und unmissverständlich an die Seite der Künstler und Kreativen gestellt. Wir stehen hier zwar erst am Anfang, aber mit der Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage, das den Schutz von Presseerzeugnissen, deren Vermittlern und die Urhebern im Internet verbessert, haben wir bereits wichtige Verbesserungen vorgenommen. Auch haben wir für die Nutzung verwaister und vergriffener Werke eine gesetzliche Regelung getroffen, sodass eine verlässliche Rechtsgrundlage für die Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen besteht und der Zugang zu unserem kulturellen Erbe in der digitalen Welt erweitert wird. Auch das nützt den Kreativen und sichert in einem wichtigen Bereich ihre Einkommenssituation. Angesichts der zum Teil bedrückenden Einkommenssituation bleibt es aber eine gesellschaftliche Herausforderung, weitere geeignete Instrumente für die Verbesserung der sozialen Lage von Künstlern zu schaffen. Klar ist für uns, dass eventuelle neue Weichenstellungen bei der KSK nicht zulasten der sozialen Lage der Künstler und Kreativen gehen dürfen. Denn es sind die Künstler, Kreativen, Intellektuellen, die fundamental sind für unsere demokratische freiheitliche Gesellschaft. Sie sind das kritische Korrektiv, das unser Gemeinwesen belebt. Daher ist es für uns eine ständige Verpflichtung, ihre Lebensgrundlagen und ihre Freiheiten zu sichern. Christoph Poland (CDU/CSU): Wir beraten hier die Anträge von Grünen und Linken zur Ausstellungsvergütung. Sie fordern darin, die Bundesregierung solle die rechtlichen Voraussetzungen für eine "angemessene Vergütung für die Verwertung von Werken im Rahmen öffentlicher Ausstellungen" etablieren. Beklagt werden eine Gerechtigkeitslücke und die schwierige Lage der Künstlerinnen und Künstler. Es ist heutzutage schwierig, Künstler zu sein, wo der Durchschnittsverdienst von Künstlerinnen und Künstlern bei 11 000 Euro liegt. Das ist den betroffenen Künstlern aber bei Aufnahme ihrer Arbeit durchaus bewusst, und für die Bundesregierung ist es eine Motivation, die Künstlerinnen und Künstler über die Bundesmittel für die Künstlersozialkasse zu unterstützen. Wir wollen eben, dass es ein Stück weit gerechter zugeht - auch für Künstler. Sie sehen daran, dass Kultur in Deutschland und für die Union einen hohen Stellenwert hat. Zwar ist Kultur Ländersache, aber wo der Bund kann, wo es um Leuchttürme geht, unterstützt er die Kultur. Im achten Jahr in Folge gibt es einen Aufwuchs im Kulturetat des Kulturstaatsministers. Das ist vorbildlich, besonders in so schweren wirtschaftlichen Zeiten. Die Zeiten sind auch im Ausstellungsgeschäft schwierig. Ausstellungen verursachen heute kaum Erlöse, sondern in erster Linie Kosten. Es ist daher vorhersehbar, dass bei zusätzlicher Belastung in Form einer Ausstellungsvergütung künftig weniger Künstler ausgestellt werden können. Dabei hätten vor allen Dingen junge und eher unbekannte Künstler das Nachsehen. Wir reden hier von Ausstellungsmöglichkeiten in Sparkassen, Gastronomie oder Arztpraxen, die als Ausstellungsmöglichkeiten wegfielen. Wir können auch nicht wollen, dass die ausgestellten Künstler künftig auf ihr Honorar verzichten müssten, um ausstellen zu können. Eine Ausstellungsvergütung hätte also den gegenteiligen Effekt dessen, was von Grünen und Linken gefordert wird. Für viel zielführender halte ich daher andere Möglichkeiten der Künstlerförderung über die Förderung von Projektzuschüssen, Arbeitsstipendien und Atelierförderungen. Die Erfahrungen in Österreich zeigen darüber hinaus, dass die 1996 eingeführte Ausstellungsvergütung, "wenn Werkstücke der bildenden Künste zu Erwerbszwecken entgeltlich ausgestellt werden", § 16 ÖstUrhG, schon vier Jahre später, 2001, abgeschafft wurde. Diese Erfahrungen und Einschätzungen lassen mich zu dem Schluss kommen, die beiden Anträge von Linken und Grünen abzulehnen. Siegmund Ehrmann (SPD): Ich freue mich, dass wir am Ende der Legislaturperiode noch einmal abschließend über verschiedene Anträge der Oppositionsfraktionen unter der Überschrift "Wirtschaftliche und soziale Lage von Kultur- und Kreativschaffenden" sprechen. Und in der Tat: Die soziale und wirtschaftliche Lage von Kultur- und Kreativschaffenden war ein sehr wichtiges Thema in dieser Legislaturperiode, mit dem sich der Ausschuss für Kultur und Medien, aber auch andere Ausschüsse wie der für Arbeit und Soziales sowie der für Gesundheit intensiv beschäftigt haben. Die SPD-Fraktion hat dazu einen umfassenden Antrag vorgelegt. Darin beschreiben wir die Bedeutung der kulturellen, publizistischen und kreativen Vielfalt in unserer Gesellschaft, aber auch die schwierige soziale und wirtschaftliche Lage derer, die diese Vielfalt prägen, die mit ihren Ideen, mit ihrer Kreativität und ihren Innovationen wesentlich zur Dynamik und dem Fortschritt in unserem Land beitragen, nämlich der Künstlerinnen und Künstler, der vielen Kreativen in unserem Land. Die heutige Abstimmung über diese verschiedenen Anträge ist der Endpunkt dieser Debatten, kann allerdings nur ein Zwischenstopp sein; denn - und das ist der zweite Punkt, auf den ich hinweisen möchte - passiert ist zwischenzeitlich wenig. Und das liegt an der kompletten Ignoranz der schwarz-gelben Koalition gegenüber diesem wichtigen Thema. Dass kein einziger Antrag, keine einzige Initiative von CDU/CSU und FDP zu diesen Fragen vorliegen, belegt diese Ignoranz. Lassen Sie mich kurz auf die vielfältigen Aspekte der Anträge eingehen. Zum einen haben wir da die Forderung der Linken und Grünen, entweder eine urheberrechtlich verankerte Ausstellungsvergütung oder, wenn das nicht geht, eine Ausstellungszahlung für bildende Künstler und Fotografen zu schaffen. Dass es für eine Ausstellungszahlung im Urheberrecht keine Mehrheit gibt, wissen beide Fraktionen, weshalb sie sich auf das in Schweden bereits erfolgreich erprobte Modell einer Ausstellungszahlung beziehen. Die Diskussion darüber hat die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung nach Deutschland geholt. Wir unterstützen diese Idee und schlagen in unserem Antrag vor, gemeinsam mit den Ländern, die nun einmal für die meisten Museen und Ausstellungshäuser in Deutschland verantwortlich sind, ein Konzept zu entwickeln, um in den mit öffentlichen Mitteln geförderten Einrichtungen und Projekten eine verpflichtende Ausstellungszahlung zu verankern. Zudem fordern die Grünen, die vor allem finanziell, aber oft vertraglich sehr prekäre Situation von Lehrbeauftragten an Musik- und Theaterhochschulen zu verbessern. Hier sind ebenfalls die Länder zuständig; gleichwohl wäre es Aufgabe des Bundes, gemeinsam mit den Ländern nach Lösungsansätzen zu suchen. Dass es diese gibt, zeigt Nordrhein-Westfalen. Dort wurden die Vergütungssätze in den Jahren 2012 und 2013 verbessert, sowohl die Vertretung von Lehrbeauftragten in den Gremien der Personalvertretung und den Senaten der Hochschulen als auch die Sozialversicherungspflicht für Lehrbeauftragte ermöglicht ebenso wie die Verlängerung der Lehraufträge. Jedoch sind nicht nur Lehrbeauftragte an Musik- und Theaterhochschulen von prekären Verhältnissen betroffen. Wir fordern deshalb in unserem Antrag, dass die soziale Lage von Kultur- und Kreativschaffenden, die in den meisten Fällen selbstständig bzw. soloselbstständig sind, insgesamt verbessert werden muss. Dazu gehören Mindesthonorare und soziale Mindeststandards in der öffentlichen Kulturförderung, aber auch die grundsätzliche Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an die Bedürfnisse der Kreativen. Das umfasst auch das von den Grünen in ihrem Antrag geforderte Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte und Selbstständige. Sie sehen, es gibt dringende Regelungsbedarfe. In unserem Antrag weisen wir auch auf die notwen-dige Stabilisierung der Künstlersozialkasse hin. Die schwarz-gelbe Koalition hingegen gefährdet diese immens wichtige Sicherung für Künstler und Publizisten durch ihre Entscheidung, die Überprüfung der Abgabepflicht der Unternehmen nicht verbindlicher auszugestalten, als das bislang der Fall ist. Damit bin ich wieder am Beginn meiner Rede: Die schwarz-gelbe Koalition hat in dieser Legislaturperiode kaum Substanzielles für die Künstler und Kreativen in unserem Land bewirkt, weder bei der verbesserten soziale Absicherung noch beim Urheberrecht. Für die Kultur- und Kreativschaffenden war diese schwarz-gelbe Bundesregierung und waren damit die letzten vier Jahre verlorene Jahre, in denen sich die schwierige soziale und wirtschaftliche Situation der Kultur- und Kreativschaffenden weiter verschlechtert hat. Das wird und muss sich ab Herbst 2013 ändern. Wir haben dazu in unserem Kreativpakt sehr konkrete Vorschläge zusammen mit den Künstlern und Kreativen entwickelt. Diese werden wir ab September umsetzen. Darauf können sie sich verlassen. Reiner Deutschmann (FDP): Die 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages neigt sich dem Ende entgegen. Dies allein dient der Entschuldigung, all diese Anträge unter einem Tagesordnungspunkt zusammenzuführen, hätte es doch jeder Themenkomplex für sich verdient, durch eine Abschlussberatung angemessen gewürdigt zu werden. Für die Liberalen fasse ich die Position zu den einzelnen Anträgen noch einmal kurz zusammen, denn die Argumente sind, so meine ich, in großem Umfang bereits erschöpfend ausgetauscht. Was die Anträge zur Ausstellungsvergütung angeht, habe ich für die Liberalen bereits in der ersten Lesung deutlich gemacht, dass es eine solche Zahlung mit uns nicht geben wird. Ich empfehle die nochmalige Lektüre der Bundestagsprotokolle. Die Lage ist seit der letzten Debatte unverändert: Mit der Ausstellungsvergütung tun wir insbesondere den noch aufstrebenden unbekannten jungen Künstlerinnen und Künstlern keinen Gefallen, sondern berauben sie einer wichtigen Möglichkeit, ihre Werke in angemessenem und würdigem Rahmen zu zeigen. Schließlich ist es doch so, dass auch die Aussteller in Galerien, Museen oder Ausstellungshallen über ein begrenztes Budget verfügen. Käme die Ausstellungsvergütung, würden viele Ausstellungen einfach nicht mehr stattfinden. Die negativen Effekte kann man in Österreich betrachten, die die Ausstellungsvergütung 1996 eingeführt haben, um sie sogleich im Jahr 2000 wegen der negativen Wirkung wieder abzuschaffen. Im Ergebnis gehen die Initiativen zur Einführung einer Ausstellungsvergütung auch in ihrer Zielsetzung fehl, da damit die Einkommenssituation junger unbekannter Künstler nicht verbessert werden kann, während bekannte und etablierte Künstler diese Regelung für ihr Auskommen aber gar nicht benötigen. Daher lehnt die FDP-Bundestagsfraktion die Ausstellungsvergütung weiter ab, unterstützt aber jede Form von freiwilliger Zahlung einer solchen monetären Anerkennung des künstlerischen Werkes. Die Initiative von Bündnis 90/Die Grünen, sich der Situation der Lehrbeauftragen an Musikhochschulen anzunehmen, richtet sich nach Meinung der FDP-Bundestagsfraktion nicht an den Bund, sondern an die einzelnen Länderparlamente. Hochschulpolitik wird laut Grundgesetz von den Ländern verantwortet, und das ist auch gut so. Schließlich weisen uns gerade im Kultur- und Bildungsbereich die Länder immer wieder darauf hin, dass sie und nur sie alleine für die Materie zuständig sind. Aus unserer Sicht sind hier die Kultusministerkonferenz und andere Gremien der Bundesländer gefragt, um an einer Lösung des Problems zu arbeiten. Denn es besteht kein Zweifel daran, dass die Bedingungen von Lehrbeauftragten an Musikhochschulen oft schlecht und die Honorare seit langer Zeit eingefroren sind beziehungsweise sogar gesenkt wurden. Um die Lage einschätzen zu können, hilft ein Blick in die "Frankfurter Resolution" der Bundeskonferenz der Lehrbeauftragten an Musikhochschulen vom 22. und 23. Januar 2011. Die FDP-Bundestagsfraktion wird den vorliegenden Antrag wegen fehlender Zuständigkeit ablehnen. Wir fordern Bündnis 90/Die Grünen auf, ihr Anliegen über die Bundesländer voranzubringen, so wie mit dem Antrag Baden-Württembergs vom 2. Februar 2012. Das ist sicherlich der richtigere Weg. Für mich betriff diese Problematik aber nicht nur die Musikhochschulen. Ich selbst habe die Problematik der Beschäftigten in Musikschulen sowie die Ungleichbehandlung von kommunalen und privaten Musikschulen im Landesfachausschuss Kultur und Medien der FDP-Sachsen diskutiert, um meine Kollegen im Sächsischen Landtag dafür zu sensibilisieren. Was den Antrag der SPD zur sozialen Lage der Kultur- und Kreativschaffenden angeht, möchte ich noch einmal, wie in so vielen Debatten zuvor auch, wiederholen, dass unsere Koalition Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Lage eben dieser Berufsgruppe unternommen hat. So haben wir die Regelungen für den Arbeitslosengeld-I-Bezug für kurzfristig Beschäftigte auch für diejenigen ermöglicht, deren Einzelengagement bis zu zehn Wochen dauert. Damit haben wir die Regelung um weitere vier Wochen pro Einzelanstellung ausgeweitet. Außerdem haben wir seit Beginn der Legislaturperiode die Künstlersozialkasse immer wieder vor Eingriffen bewahrt und verteidigt. Jeder, der sich mit dem Thema KSK beschäftigt hat, weiß, dass es Begehrlichkeiten von vielen Seiten gibt und gab. Die KSK hat schon immer polarisiert und zu Wehklagen auf allen Seiten geführt. Dennoch ist die KSK aus unserer Sicht unverzichtbarer Bestandteil des sozialen Systems unseres Landes. Wir Liberale haben mit unserem Koalitionspartner dafür gesorgt, dass die KSK auch weiterhin ein Erfolgsmodell in der sozialen Absicherung Kreativer bleibt. Wir schützen die KSK als besonderes Förderinstrument, wenn es um die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstler geht. Dieses Engagement des Bundes muss aber auch immer verhältnismäßig bleiben und die Realitäten im Land vor Augen haben. Ein System, das ganz augenscheinlich von der Solidarität vieler anderer lebt, muss darauf achten, dass es nicht überzogen wird. Denn dann droht das Ende der Solidarität der Mehrheit in dieser Gesellschaft und damit auch das Ende dieses außerordentlich erfolgreichen Systems. Jede Veränderung der KSK muss deshalb sehr sorgfältig abgewogen werden. Für uns Liberale ist die KSK, so wie sie derzeit aufgestellt ist, ein gutes Grundgerüst, an dem wir nicht allzu viel herumwerkeln sollten. Wir wollen eine zukunftssichere Künstlersozialkasse, die von der Gesellschaft auch bewusst mitgetragen wird. Zusammenfassend und aus den zuvor genannten Gründen wird die FDP-Bundestagsfraktion alle Beschlussempfehlungen annehmen und damit die Anträge der Opposition ablehnen. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Der Tagesordnungspunkt 27 an diesem 27. Juni 2013 würde gegen 4 Uhr morgens am 28. Juni 2013 aufgerufen, wenn er denn aufgerufen und nicht zu Protokoll gegeben würde. Kehraus nennt man so etwas. Kehraus vor der Sommerpause. Kehraus vor der Wahl. Eine reine Farce. Denn dem Tagesordnungspunkt 27 folgen noch weitere 46 - das heißt die angebliche "Debatte" ginge durch die Nacht, den folgenden Tag und wahrscheinlich über das Wochenende bis in den Montag. Wer durchschaut diese insgesamt 73 Anträge, Gesetzentwürfe, Änderungsanträge, Zusatzpunkte, die auf diese Weise Recht und Gesetz werden? Wer kann die Folgen abschätzen, die sie für unsere Gesellschaft haben werden? Was da passiert, ist parlamentarische Hochstapelei, und wir als Fraktion und ich als Phantomrednerin machen mit. Das ist ein bitteres Eingeständnis für eine letzte Parlamentsrede, die nicht gehalten wird, nach acht Jahren Arbeit in diesem hohen Haus. Mit parlamentarischem Diskurs, mit angemessener öffentlicher Debatte hat das nichts zu tun, auch wenn man sich redlich bemüht, die Argumente zusammenzutragen, um die es in der Sache geht. Die "Sache" sind drei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und ein Antrag der Linksfraktion, die die soziale Lage von Künstlerinnen und Künstlern, Musikern und Kreativen, die nur kurzfristig beschäftigt sind, verbessern wollen - durch urheberrechtliche Vergütungen, durch bessere Rahmenbedingungen, durch zeitnahes Krankengeld. Würden diese Anträge Gesetz, ginge es der großen und steigenden Zahl von Frauen und Männern, die künstlerisch tätig sind und innerhalb der sehr profitablen Kreativwirtschaft arbeiten, ein bisschen besser. Nicht mehr, aber auch nicht weniger wird hier von den zwei kleinen Oppositionsparteien verlangt. Fangen wir mit den beiden Anträgen zur Ausstellungsvergütung bzw. Ausstellungszahlung an. Die Linke hat bereits vor eineinhalb Jahren den Antrag gestellt, die rechtlichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler zu schaffen und diesen Anspruch auch im Urheberrecht zu verankern. Ausgenommen soll der Kunsthandel sein und auch kleinere Vereine oder Projekte. Die Grünen haben eine Ausstellungszahlung bei durch den Bund geförderten Einrichtungen beantragt. Wir unterstützen diesen Antrag, weil er einen Anfang macht; er geht uns allerdings nicht weit genug. Wir wollen eine verpflichtende Ausstellungszahlung bei allen öffentlichen Einrichtungen und nicht nur denen des Bundes und eine rechtliche Verankerung der Ausstellungsvergütung. Aber das Entscheidende ist, dass die Koalition an all dem kein Interesse hat, sie lehnt unsere Veränderungsvorschläge systematisch ab. Entwicklungen in Ländern wie Schweden, Kanada oder Australien oder auch direkt vor der Tür, in Berlin, wo eine Ausstellungszahlung in die Förderkriterien des Hauptstadtkulturfonds aufgenommen wurde, werden ignoriert. Da heißt es, nicht eine angemessene Vergütung der Urheberinnen und Urheber künstlerischer Leistungen sei die Lösung, zielführender sei es, die Zahl der Ausstellungsmöglichkeiten zu erhöhen, flankiert von Projektzuschüssen, Stipendien und Atelierförderung. Aber wo und wie findet das in ausreichendem Maße statt? Und warum sollte eigentlich das eine das andere ausschließen? Für die betroffenen Künstlerinnen und Künstler bedeuten die letzten vier Jahre Stillstand, und in Zukunft wird es für sie auch nicht besser. Nun zur Situation der Lehrbeauftragten an deutschen Musikhochschulen. Allen Fraktionen ist seit langem bekannt, dass Musikhochschulen - und auch Musikschulen - immer mehr befristet angestellte Lehrbeauftragte zur Sicherung und nicht zur Ergänzung ihres Lehrangebots einsetzen. Im Gegensatz zu den wenigen Festangestellten sind sie schlecht bezahlt und sozial nicht abgesichert. Der Antrag der Grünen, der von Bundesseite aus einer Länderinitiative Unterstützung geben will, wurde 2012 im Kulturausschuss von der Koalition mit dem Argument abgelehnt: Wir sind nicht zuständig, das ist Ländersache. Die Situation der Betroffenen hat sich seitdem, außer in in NRW, wo aufgrund der angestoßenen Diskussion die Gehälter der Lehrbeauftragten rückwirkend ab 2012 erhöht wurden, nicht verändert. Wie lange noch wollen wir uns diese völlig unhaltbare Situation anschauen? Ja, es ist Ländersache, und es gibt das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern, aber die Länder bewegen sich, wenn sie Anstöße von Bundesseite bekommen: siehe NRW, siehe jetzt auch Baden-Württemberg, wo inzwischen der entsprechende Vorstoß der Fraktion der Grünen angenommen wurde, siehe Sachsen, wo die SPD mittlerweile einen Antrag mit denselben Forderungen eingebracht hat. Die Linke unterstützt den vorliegenden Antrag. Wir wollen, dass das Verhältnis von Festangestellten und Lehrbeauftragten an den Musikhochschulen nicht völlig auseinanderklafft. An fast allen Musikhochschulen sind inzwischen bis zu 60 Prozent der Dozenten nicht festangestellte Lehrbeauftragte. Hier muss eine Regelung geschaffen werden, die diese Entwicklung stoppt. Das Krankengeld für unständig oder kurzfristig Beschäftigte und Selbstständige. Eine 2009 beschlossene Gesetzesänderung hat die Lage der angesprochenen Personengruppe nicht verbessert, sondern verschlechtert. Gerade Künstlerinnen und Künstler sind aufgrund ihrer zeitlich befristeten Verträge und ihres geringen Einkommens oft gar nicht in der Lage, die eingeführten Krankengeldwahltarife zu zahlen. Trotzdem hält die Koalition stur an dem einmal gefassten Beschluss fest. Wir stimmen den Grünen zu, dass es besser wäre, wieder zum Rechtszustand von 2008 zurückzukehren. Selbstständige, kurzfristig oder unständig Beschäftigte müssten dann zwar wieder einen erhöhten Beitragssatz zahlen, bezögen dafür aber auch bereits nach 15 Krankheitstagen Krankengeld. Die Koalition hat alle heute vorliegenden Anträge abgelehnt. Initiativen aus ihren Reihen zu diesen Fragen - Fehlanzeige. Die SPD will einen Kreativpakt. Dieser will den auch durch Internet und Digitalisierung beeinflussten Strukturwandel im Kreativbereich politisch begleiten. Die Linke hat zu vielen der im Kreativpakt angesprochenen Themen weitergehende Anträge eingebracht, sei es zur Reform des Urheberrechtes, für ein durchsetzungsstarkes Urhebervertragsrecht oder zur Reform der Verwertungsgesellschaften. Vor allem aber kritisieren wir die Fokussierung auf die reine Kreativwirtschaft an diesem Kreativpakt. Statt die Kultur als Ganzes in den Blick zu nehmen, stehen wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund. Viele Studien belegen aber, dass ein Großteil der Kreativen nicht vom Boom der Kreativwirtschaft profitiert. Das betrifft die niedrigen Einkommen: Viele Künstlerinnen und Künstler können von ihrer Arbeit nicht leben. Das betrifft den wachsenden Anteil von freiberuflich und selbstständig Tätigen: In der schnell wachsenden Kultur- und Kreativwirtschaft sind das derzeit immerhin schon rund ein Drittel. Und das betrifft vor allem auch die wachsende Zahl derer, die in verschiedener Weise prekär beschäftigt sind, also kurzzeitig, unständig oder in Erwerbsmischformen tätig sind. Wir treten dafür ein, dass alle Kreativen und alle Kulturschaffenden von ihrer Arbeit leben können - wie alle anderen Arbeitenden auch. Zugegeben: Das ist ein hohes Ziel. Aber auch nur einige wenige Verbesserungen der Lebensverhältnisse durchzusetzen, ist bei dieser Regierung aussichtslos. Das ist das Fazit dieses Tagesordnungspunktes 27, gezogen in einem Gefühl der Ohnmacht. Hoffentlich wird das in der nächsten Legislatur anders! Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kunst macht Spaß - im Optimalfall denen, die daran teilhaben genauso wie jenen, die Kunst schaffen. Regelmäßig bekommen Künstlerinnen und Künstler zu hören: Wie schön, Sie haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht! - Aber - ich zitiere den Bühnenautor Ludwig Fulda -: "Kunst kommt von Können, nicht von Wollen: Sonst hieß es Wulst." Vom Applaus allein wird niemand satt. Die meisten künstlerischen Berufe erfordern ein jahrelanges zeit- und kostenintensives Studium. Fleiß, Durchhaltevermögen und Disziplin sind Grundvoraussetzungen für alle darstellenden und bildenden Künstler und Musiker. Wenn wir über Mindestlöhne und soziale Mindeststandards reden, dürfen wir den Kulturbetrieb nicht ausklammern. Wir alle wissen um die zunehmend prekäre Situation von Künstlerinnen und Künstlern. Sie zählen zur kinderärmsten Berufsgruppe in Deutschland, bei durchschnittlich 14 000 Euro Jahreseinkommen und einer Rentenerwartung von 420 Euro sind Zukunftsängste vorprogrammiert. Die Versäumnisse der Bundesregierung, was Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage von Künstlern betrifft, sind haarsträubend. Vor kurzem erst hat die Koalition im Gesetzentwurf zur Neuregelung bundesunmittelbarer Unfallkassen ihre eigene Regelung zur Verpflichtung der Deutschen Rentenversicherung zur vierjährigen Überprüfung abgabepflichtiger Unternehmen wieder gekippt. Mit Beitragsstabilität für die Künstlersozialkasse ist unter dieser Bundesregierung nicht mehr zu rechnen. Wir haben im Lauf dieser Legislaturperiode in Einzelanträgen ein grünes Maßnahmenpaket zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage von Künstlerinnen und Künstlern erarbeitet, wozu auch unsere drei hier zur Debatte stehenden Anträge gehören. Wir sind der Überzeugung: Für die Dienstleistung aller ausgebildeten Interpreten, Bühnendarsteller und Lehrenden ohne Festanstellung in Kunst und Kultur muss es Mindestabsicherungen und Honoraruntergrenzen geben. Die Ausbeutung der Lehrbeauftragten an Hochschulen für Musik und Theater wollen wir beenden. Bis zu 60 Prozent des Unterrichts an den Hochschulen für Musik und Theater werden durch Lehrbeauftragte auf Honorarbasis sichergestellt. Sie haben meist eine hohe berufliche Qualifikation und bewältigen das gleiche Maß an Arbeit und Verantwortung wie Festangestellte. Trotzdem erhalten sie nur ein Drittel des Stundensatzes. 15 Euro pro Unterrichtseinheit sind als Vergütung keine Seltenheit. Ein Hochschulsystem, dessen Lehrangebot überwiegend durch prekäre Beschäftigungsverhältnisse abgedeckt wird, ist sozial unverträglich. Langfristig wird dadurch auch die Qualität der Lehre gefährdet. Wir setzen uns ein für bundesweit einheitliche Honoraruntergrenzen an allen Hochschulen für Musik und Theater sowie für die Festlegung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Honorartätigen und Festangestellten. Sowohl in der Problemanalyse als auch bei den Handlungsvorschlägen zur Verbesserung der Situation von Künstlerinnen und Künstlern sowie Journalistinnen und Journalisten gibt es zwischen unserem grünen Maßnahmenpaket einige Überschneidungen mit Forderungen im Antrag der SPD, beispielsweise bei der Reform des Krankengeldbezuges: Anspruch auf Krankengeld besteht nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz aktuell erst ab der siebten Woche. Dies ist vor allem für kurzzeitig Beschäftigte und Selbstständige unbefriedigend; sie haben meist keine ausreichende Absicherung im Krankheitsfall. Wir wollen den Ausschluss der Selbstständigen, der kurzfristig Beschäftigten sowie der Versicherten nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz vom Anspruch auf Krankengeld im SGB V aufheben. Anspruch auf Krankengeld muss wieder ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit gewährleistet sein! Im Kulturbereich sind doppelt so viele selbstständig wie in anderen Branchen. Die Erwerbsbiografien der meisten Künstlerinnen und Künstler sowie Journalistinnen und Journalisten besteht aus einer Aneinanderreihung von Kurzzeitbeschäftigungen. Trotz ihrer in die Arbeitslosengeldversicherung gezahlten Beiträge sind diese nach Beendigung eines kurzzeitigen Arbeitsverhältnisses oft auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Wir wollen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits für alle gilt, die innerhalb von zwei Jahren mindestens vier Monate in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben. Auch die SPD möchte die Anwartschaftszeit für ALG I verkürzen, allerdings nur als Sonderregelung für kurzfristig Beschäftigte auf sechs Monate innerhalb von drei Jahren. Im Unterschied zur SPD wollen wir zudem eine befristete Vermittlungspause einführen, in welcher Arbeitslosengeldbeziehende ausschließlich selbst für ihre berufliche Integration verantwortlich sein sollen. Dies würde auch der Arbeitsrealität von Künstlerinnen und Künstlern besser gerecht: Deren erwerbslose Zeitabschnitte zwischen Engagements dienen in der Regel der Vorbereitung auf die nächsten künstlerischen Projekte oder Engagements. Ein weiteres Ziel grüner Kulturpolitik ist die Einführung einer verpflichtenden Ausstellungszahlung für den nichtkommerziellen Raum im Rahmen der Kompetenzen des Bundes. Im Gegensatz zu Bühnendarstellern und Interpreten werden bildende Künstlerinnen und Künstler sowie professionelle Fotografinnen und Fotografen für die öffentliche Präsentation ihrer Werke in der Regel nicht bezahlt. Diese Gerechtigkeitslücke könnte durch eine Ausstellungszahlung geschlossen werden. Mit immensen Kosten verbunden wäre diese Maßnahme übrigens nicht, wie das Beispiel Schweden zeigt: Dort beansprucht die Ausstellungszahlung gerade einmal zwei bis drei Prozent eines Ausstellungsetats. Genauso wie die SPD wollen wir, dass der Bund eine verpflichtende Ausstellungszahlung bei allen aus Bundesmitteln finanzierten oder bezuschussten Institutionen und Projektträgern in seine Förderkriterien mit aufnimmt. Auch Reformen des Urhebervertragsrechts sind notwendig für eine solidere finanzielle Lebensgrundlage Kulturschaffender. Nur wenn Urheberinnen und Urheber sowie ausübende Künstlerinnen und Künstler in fairen Vertragsverhältnissen zu ihren Geschäftspartnern stehen, kann das Recht auf angemessene Vergütung in die Realität umgesetzt werden. Deshalb haben wir einen separaten Antrag mit detaillierten und umfassenden Reformen des Urhebervertragsrechts vorgelegt. Die SPD erkennt im Rahmen ihres vorliegenden Antrags zwar das Urhebervertragsrecht als kulturpolitische Baustelle, bietet selbst jedoch keinerlei konkrete Verbesserungsvorschläge, sondern fordert diese lediglich von der Bundesregierung ein. In unserem Antrag zu einer Reform der Bundeskulturförderung fordern wir unter anderem, dass der Bund seine Vorbildfunktion wahrnimmt und auf alle aus dem Kulturetat geförderten Kultureinrichtungen, Festivals oder Projekte dahin gehend einwirkt, dass die dort beschäftigten Künstlerinnen und Künstler nach den aktuellen Tarifen des öffentlichen Dienstes entlohnt werden bzw. branchenspezifische Mindestgagen erhalten. Hier gibt es wieder Parallelen zur SPD: Auch die SPD fordert Tarifverträge in den Institutionen und soziale Mindeststandards sowie Mindesthonorare bei staatlich geförderten Projekten. Sollte es ab 2013 eine rot-grüne Bundesregierung geben, wird sich voraussichtlich kulturpolitisch nicht nur an den Rahmenbedingungen zur Kulturförderung des Bundes einiges ändern. Was die soziale und wirtschaftliche Lage von Künstlerinnen und Künstlern sowie Journalistinnen und Journalisten betrifft, könnten die schwarz-gelben Versäumnisse unter einer rot-grünen Bundesregierung korrigiert und maßgebliche Verbesserungen eingeführt werden - unter der Voraussetzung, dass die SPD ihren Kreativpakt um einige Details aus unserem grünen Maßnahmenpaket ergänzt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Damit kommen wir zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien auf Drucksache 17/13485. Dieser empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8379 mit dem Titel "Rechtliche und finanzielle Voraussetzungen für die Zahlung einer Ausstellungsvergütung für bildende Künstlerinnen und Künstler schaffen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/6346 mit dem Titel "Für eine Ausstellungszahlung an bildendende Künstlerinnen und Künstler sowie Fotografinnen und Fotografen bei durch den Bund geförderten Ausstellungen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Prekäre Situation von Lehrbeauftragten an Musikhochschulen sowie Hochschulen für Musik und Theater beenden - Rahmenbedingungen zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe schaffen". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/8960, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7825 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Zeitnahes Krankengeld für unständig und kurzfristig Beschäftigte sowie Selbständige". Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13628, den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/12067 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kultur und Medien zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Die soziale und wirtschaftliche Lage der Kultur- und Kreativschaffenden verbessern". Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13487, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11832 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken und Bündnis 90/Die Grünen angenommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf: - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs - Drucksache 17/13221 - - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs - Drucksachen 17/13617, 17/13964 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14203, 17/14204 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth Ingo Egloff Marco Buschmann Richard Pitterle Ingrid Hönlinger - Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung - Drucksache 17/14235 - Berichterstattung: Abgeordnete Alexander Funk Ewald Schurer Stephan Thomae Steffen Bockhahn Katja Dörner Auch diese Reden sollen mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll gegeben werden.25 Damit kommen wir zur Abstimmung über den von den Regierungsfraktionen eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Handelsgesetzbuches. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14203 und 17/14204, den Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen auf Drucksache 17/13221 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dieser Empfehlung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleicher Mehrheit wie zuvor angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Handelsgesetzbuches. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf den Drucksachen 17/13617 und 17/13964 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen. Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten 31 a bis 31 d: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Michael Gerdes, Ulrike Gottschalck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Bildungschancen mit guten Ganztagsschulen für alle verbessern - Drucksachen 17/13482, 17/14098 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Dr. Ernst Dieter Rossmann Sylvia Canel Dr. Rosemarie Hein Kai Gehring b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Aydan Özoguz, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Eine moderne Integrationspolitik für mehr Chancengleichheit - Drucksachen 17/13483, 17/14197 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Aydan Özoguz Miriam Gruß Diana Golze Katja Dörner c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Ernst Dieter Rossmann, Willi Brase, Ulla Burchardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Förderung der Bildungsforschung weiter vorantreiben - Drucksachen 17/8604, 17/14099 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Oliver Kaczmarek Sylvia Canel Dr. Rosemarie Hein Kai Gehring d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Die Herausforderungen der Bildungsrepublik mit den Erkenntnissen aus dem Nationalen Bildungsbericht angehen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Ekin Deligöz, Krista Sager, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Konsequenzen aus dem nationalen Bildungsbericht ziehen - Bildungsblockaden aufbrechen und mehr Teilhabe ermöglichen - Drucksachen 17/12384, 17/11074, 17/14101 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Oliver Kaczmarek Patrick Meinhardt Dr. Rosemarie Hein Kai Gehring Wie ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Dr. Stefan Kaufmann (CDU/CSU): In dieser Debatte geht es erneut um das von der SPD-Bundestagsfraktion vorgeschlagene Ganztagsschulprogramm. In der ersten Debatte zu diesem Antrag hatte ich bereits meine Einwände gegen den SPD-Antrag vorgetragen. Diese Einwände haben sich nicht geändert. Im Gegenteil: Durch die SPD-Bildungspolitik, vor allem in meinem Heimatland Baden-Württemberg, fühle ich mich in meiner Ablehnung der SPD-Bildungsinitiative sogar bestärkt. Deshalb werde ich im Folgenden noch einmal meine vier Hauptgründe gegen den SPD-Antrag "Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Bildungschancen mit guten Ganztagsschulen für alle verbessern" vorstellen. Erstens. Populismus. Sie fordern in Ihrem Antrag auf Seite 14 doch tatsächlich 20 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung, davon die Hälfte von den Ländern. Die Länder allein sollen also jedes Jahr (!) 10 Milliarden Euro mehr in die Bildung investieren. Einverstanden. Nur: Deutschland wird in der Bildungspolitik von der SPD regiert. In 13 von 16 Bundesländern gibt es SPD- oder grüne Kultusminister. Die entscheiden über die Bildungspolitik in unserem Land, über Ganztagsschulen, Gemeinschaftsschulen, Gymnasien usw. Sie entscheiden, wie viel Geld der Bildung zugutekommt. Und dort passiert, ich muss es immer wieder sagen, das genaue Gegenteil. An Bildung wird gespart, sei es das rot-grüne Bremen, wo es regelmäßig zu Warnstreiks der Lehrer kommt, sei es die neue rot-grüne Regierung in Niedersachsen, die wenige Monate nach Amtsantritt Kürzungen im Hochschul- und im Schulbereich beschlossen hat, oder eben meine Heimat Baden-Württemberg. Da ist die SPD wegen ihrer katastrophalen Bildungspolitik auch von den eigenen Anhängern unter starkem Druck. Innerhalb kürzester Zeit wurde hier eines der erfolgreichsten Bildungssysteme in Deutschland demontiert. Der Verband Bildung und Erziehung Baden-Württemberg hat sich kürzlich wie folgt zu der SPD-Bildungspolitik geäußert: "Wer als Opposition vollmundig angetreten ist, in der Bildungspolitik alles viel besser zu machen und nach der Übernahme der Regierungsverantwortung als Erstes Stellenstreichungen im Lehrerbereich ankündigt, die weitere Senkung des Klassenteilers ausbremst, Arbeitsgemeinschaften sowie Stütz- und Förderkurse noch stärker zurückfährt und jungen Lehrkräften massiv das Einkommen beschneidet, muss sich nicht wundern, wenn der Gegenwind spürbar rauer und kälter wird." Das ist die Situation in Baden-Württemberg nach zwei Jahren SPD-Bildungspolitik. Ich würde mir ja wünschen, dass die SPD die Bildungsausgaben wenigstens auf gleichem Niveau gehalten hätte. Leider wird nur gekürzt. Und da fordern Sie in der Opposition, dass allein die Länder 10 Milliarden Euro pro Jahr für Bildung ausgeben? Das ist nichts als SPD-Wahlkampfpopulismus. Stattdessen würde ich Ihnen vorschlagen, es der CDU gleichzutun. Wir haben nämlich seit unserer Regierungsübernahme im Bund 2005 nicht durch zusätzliche Ausgaben, sondern durch eine Priorisierung zugunsten von Bildung und Forschung unbestritten sehr viel erreicht. Während andere Ressorts ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet haben, wurde für Bildung und Forschung mehr Geld ausgegeben. Von 2005 bis 2009 gab es 6 Milliarden Euro zusätzlich, von 2009 bis 2013 sogar 13 Milliarden Euro zusätzlich. Mit dem neuen Haushaltsentwurf 2014 sind wir erstmals bei einem Jahresetat des Bundes von 14 Milliarden Euro angekommen. Damit steigt der Bildungsanteil am Gesamthaushalt auf 4,7 Prozent. Ein so hohes Budget für Bildung und Forschung seitens des Bundes hat es zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik weder relativ noch absolut jemals gegeben. Das nenne ich vorbildliche CDU-Politik: Priorisierung zugunsten von Bildung und Forschung. Zweitens. Zuständigkeit. Bund und Länder haben nach unserer Verfassung unterschiedliche Einnahmequellen bzw. teilen sich diese. Und sie haben unterschiedliche Aufgaben, die sie damit erfüllen können oder müssen. Die Länder sind eindeutig für die Bildung zuständig, und kein Land würde hier widersprechen. Sie postulieren dagegen eine gemeinsame Aufgabe Bildung. Wenn es um eine gemeinsame Finanzierung geht, sind Sie sich mit den Ländern sicher einig. Aber bedenken Sie: Wer bezahlt, bestimmt auch. Wollen Sie, dass der Bund zentrale Vorgaben für die Schulpolitik macht? Die SPD-regierten Länder tun sich doch schon mit mehr Vergleichbarkeit schwer - Stichwort: gemeinsame Abituraufgaben. Immerhin gibt es jetzt eine erste Einigung. Aber verbindliche Regeln über einen Staatsvertrag lehnen die rot-grün regierten Länder nach wie vor ab. Die wollen nämlich nur das Geld des Bundes. Aber nur Geld, ohne Zweckbindung, wie Sie es in Ihrem Antrag auf Seite 12 fordern, wird es mit uns auf keinen Fall geben. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass eine SPD-Bundesregierung dem zustimmen würde. Außerdem sollten Sie auch die Konsequenzen bedenken, wenn der Bund erst einmal massiv in die Schulfinanzierung eingestiegen ist. Ich erinnere Sie an die Länderaufgabe Inklusion, die notwendige Sanierung von Schulgebäuden, den Bau von Wohnheimplätzen und, und, und. Wenn der Bund in diesem Bereich nun plötzlich Verpflichtungen in Milliardenhöhe eingehen soll, werden wir sie auf der anderen Seite, im Wissenschaftsbereich, einsparen müssen. Damit spielen Sie selbst den einen Bereich gegen den anderen aus. Auch das kann nicht sein. Unser gemeinsames Ziel sollte doch sein, dass die Länder endlich selbst mehr für Ganztagsschulen, für bessere Lernbedingungen und auch für ein besseres Schulsystem tun. Und das geht nur vor Ort, durch eine gute Bildungspolitik. Liebe SPD-Bildungsminister in den Ländern, fangen Sie damit endlich an! Drittens. Qualität der Ganztagsschule. Es kommt auf die Qualität der Ganztagsschule an. Wie Sie zu Recht auf Seite 10 in Ihrem Antrag schreiben, ist die offizielle KMK-Definition für Ganztagsschulen unzureichend, nach der an mindestens drei Tagen der Woche sieben Stunden lang Unterricht im konzeptionellen Zusammenhang gegeben werden muss. Dadurch gibt es noch keine gute Ganztagsschule. In der Realität kritisieren Eltern nämlich häufig die zu kurzen Öffnungszeiten der Ganztagsschulen. Bis 17 Uhr ist dort schon ein Luxus. Das Gleiche gilt für die Ferienbetreuung. Wenn Kinder Schulferien haben, gibt es keine Möglichkeit, die Kinder ganztägig betreuen zu lassen. Nur wenige Schulen bieten auch für die Ferien Angebote an. Weiterhin stellt sich die Frage, wer die Kinder nachmittags betreut. Gibt es ein pädagogisches Konzept mit Unterricht durch Lehrer am Nachmittag, oder beinhaltet die Ganztagsschule nachmittags lediglich eine Hausaufgabenbetreuung durch Hilfskräfte? Dies sind die Fragen, die über die Qualität und auch den Erfolg von Ganztagsschulen entscheiden. Die in Ihrem Antrag aufgestellte Forderung nach mehr Ganztagsschulen allein bringt also noch gar nichts. Damit bekommen Sie auch kein besseres Schulsystem, wie es in Ihrem Antrag suggeriert wird. Beispielsweise kann man anhand der KMK-Zahlen feststellen, dass Berlin zwar den höchsten Anteil an Ganztagsschulen vorzuweisen hat, während Länder wie Baden-Württemberg und Bayern eher geringere Anteile vorzuweisen haben. Trotzdem ist das Schulsystem in diesen beiden Ländern nach einhelliger Auffassung wesentlich besser und effizienter. Genau das Gleiche gilt im Übrigen für Ihre ständige Forderung nach mehr Geld. Auch hier kann man anhand der Zahlen ablesen, dass die erfolglosesten Schulsysteme Deutschlands in Bremen, Hamburg und Berlin mehr Geld pro Schüler ausgeben als die PISA-Gewinner Baden-Württemberg und Bayern. Geld allein kann also nicht die Ursache sein. Im Übrigen: Auch im von Ihnen stets viel gerühmten PISA-Siegerland Finnland gibt es keine flächendeckende Ganztagsschule, außerdem auch keinen zentralistischen Bildungsstaat, sondern ein dezentrales System, bei dem die Kommunen eine entscheidende Rolle spielen. Das aber nur nebenbei. Viertens. Weitere Punkte in Ihrem Antrag, denen wir widersprechen: Sie fordern in Ihrem Antrag versteckt die Einheitsschule. Insgesamt wird versucht, das Konzept der Einheitsschule über die Ganztagsschule durchzusetzen. Dies lehnen wir entschieden ab. Stattdessen setzen wir auf ein mehrgliedriges Schulsystem und bekennen uns eindeutig zum Gymnasium, der erfolgreichsten Schulform in Deutschland. Weiterhin fordern Sie eine gebundene Ganztagsschule für alle, das heißt die verpflichtende Teilnahme aller Kinder am Ganztagsschulunterricht. Das wird in Ihrem Antrag besonders deutlich, weil Sie beispielsweise auf Seite 13 mehr Geld für gebundene als für offene Ganztagsschulen fordern. Auch dies lehnen wir entschieden ab. Wenn alle Kinder von morgens bis abends verpflichtend in die Schule gehen, wird dies nach unserer Überzeugung nicht automatisch zu besseren Schülern, einem besseren Schulsystem oder besseren Leistungen in der Schule führen. Dies hängt, wie bereits erwähnt, nach unserer festen Überzeugung von der Qualität der Schule und der Qualität des Unterrichts ab. Außerdem kommt eine verpflichtende Ganztagsschule auch in einen Konflikt mit Sport- und Freizeitaktivitäten. Sie selbst sprechen diesen Punkt in Ihrem Antrag ja auch selbstkritisch an. Auf Seite 7 Ihres Antrags schreiben Sie: "Gute Ganztagsschulkonzepte berücksichtigen zudem das Spannungsfeld zu außerschulischen Freizeitangeboten unter anderem der freien Jugendarbeit oder der Sportvereine. Die nicht immer vermeidbaren Zeitkonkurrenzen dürfen nicht dazu führen, dass Schule das Freizeitverhalten sozusagen ‚monopolisiert' und für die persönliche, soziale wie körperliche Entwicklung unverzichtbare frei gestaltbare außerschulische Aktivitäten und Interessen zu sehr verdrängt." Wie Sie dieses Problem lösen wollen, bei gleichzeitiger Forderung nach der verpflichtenden Ganztagsschule, sagen Sie in Ihrem Antrag leider nicht. Zusammenfassend entspricht Ihr Antrag damit nicht unseren Vorstellungen von einer transparenten, nachhaltigen Bildungsfinanzierung, der verfassungsmäßigen Zuständigkeit der Länder für die Bildung, unseren hohen qualitativen Ansprüchen an gute Schulen für alle sowie einer offenen Ganztagsschule. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge und Bildungskonzepte ab. Stattdessen fordern wir von Rot-Grün die Rücknahme der umfangreichen Kürzungen in den Bildungsbudgets, einen qualitätsorientierten Ausbau des Bildungssystems und nachhaltige, zusätzliche Investitionen in unseren wichtigsten Zukunftsbereich: die Bildung und Forschung. Die CDU/CSU zeigt bereits, wie es geht. Oliver Kaczmarek (SPD): In diesen Tagen wurde der aktuelle OECD-Bericht "Bildung auf einen Blick 2013" veröffentlicht. Dieser und weitere internationale Berichte und Vergleichsstudien liefern gemeinsam mit dem Nationalen Bildungsbericht eine unverzichtbare Zusammenschau der Kennzahlen und Dynamiken des deutschen Bildungswesens. Sie zeigen die zentralen bildungspolitischen Herausforderungen für Deutschland auf und liefern den politischen Akteuren wertvolles Steuerungswissen. Auch wenn in einigen Bereichen des Bildungswesens Fortschritte erzielt werden konnten, sind die Herausforderungen an die deutsche Bildungspolitik unverändert hoch. Es ist nach wie vor erschreckend, dass Deutschland mit die höchste soziale Kopplung aller Industrienationen aufweist. In kaum einem anderen Land hängt der Bildungserfolg der Kinder so sehr von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland. Immer noch sind rund 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland akut von Bildungsarmut bedroht. Überdurchschnittlich oft sind es Kinder mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien, die von dieser Bildungsungerechtigkeit betroffen sind. Eine große Herausforderung im Bildungswesen ist derzeit auch die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Hier ist Deutschland nach wie vor weit von der inklusiven Gesellschaft entfernt. Auch das im Nationalen Bildungsbericht 2012 angeführte Schwerpunktthema "Kulturelle Bildung" offenbart neue Herausforderungen für das Bildungswesen in Deutschland. Der verstärkte Umgang mit neuen Medien und die Vermittlung von Medieninhalten werden nicht nur in der kulturellen Bildung, sondern im gesamten Bildungswesen immer bedeutender. Bei der Bewältigung dieser Herausforderungen kommt dem Ganztagsschulangebot eine Schlüsselrolle zu. Ganztagsschulen bieten mehr Zeit für Bildung und individuelle Förderung. So kann besser auf die Neigungen und Talente der Kinder und Jugendlichen eingegangen werden. Auch kann die Ganztagsschule einen wichtigen Beitrag zur sprachlichen, kulturellen und sozialen Integration von Kindern, Jugendlichen und Familien mit Migrationshintergrund leisten. Auch das gemeinsame Lernen von Schülern mit und ohne Behinderung lässt sich an Ganztagsschulen besser verwirklichen. Aber auch gesellschaftlich ist die ganztägige Betreuung und Beschulung ein großer Fortschritt; denn längere garantierte Betreuungszeiten verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ganztagsschulen schaffen somit Raum und Zeit, um alle Kinder besser zu fördern, Bildungsarmut zu bekämpfen und für Chancengleichheit zu sorgen. Wir haben deshalb ein Konzept erarbeitet, mit der der Ganztagsschulentwicklung in Deutschland ein neuer Schub gegeben werden soll. Dabei sind drei Elemente von besonderer Bedeutung: Erstens ist die Qualität der ganztägigen Lehr- und Betreuungsangebote Voraussetzung für den pädagogischen Erfolg; denn nur durch ausreichendes und qualifiziertes Fachpersonal können die Vorteile guter Ganztagsschulen für gleiche Chancen auf bessere Bildung und eine gute Zukunft genutzt werden. Zweitens müssen wir den Schulen vor Ort mehr Gestaltungskraft geben; denn sie sind es, die die örtlichen Rahmenbedingungen, Bedarfe und Anforderungen am besten kennen. Vor allem in kommunalen Bildungsnetzwerken können Ganztagsschulen ihre Potenziale voll ausschöpfen. Drittens ist ein bedarfsgerechter und flächendeckender Ausbau des Ganztagsangebots erforderlich, damit wir allen Kindern und Jugendlichen, die es wollen, spätestens bis 2020 einen Ganztagsschulplatz anbieten können, und zwar unabhängig von Wohnort, Schulform und individuellem Förderbedarf. Angesichts des großen Handlungsbedarfs sind die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung bei weitem nicht ausreichend. Deutschland liegt bei den öffentlichen Ausgaben für Bildung immer noch unter dem OECD-Durchschnitt. Hier genügt es nicht, nur auf die Verantwortung der Länder im Bereich der Bildung zu verweisen: Wir brauchen eine gesamtstaatliche Verantwortung von Bund, Ländern und Kommunen. Für Investitionen in eine zukunftsgerichtete Bildungsinfrastruktur sind jährlich zusätzliche 20 Milliarden Euro erforderlich - etwa für eine bessere ganztägige Betreuung für Kinder unter drei Jahren, für ein flächendeckendes Ganztagsschulangebot, für einen neuen Hochschulpakt. Eine verantwortliche Regierung würde sich dieser Herausforderung stellen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wird ihrer Verantwortung jedoch nicht gerecht und blockiert eine Grundgesetzänderung im Konsens der Parteien und zwischen Bundesrat und Bundestag. Die Nationalen Bildungsberichte, aber auch die internationalen Berichte und Vergleichsstudien sind wichtige Instrumente, um die Herausforderungen, Fortschritte und Defizite des deutschen Bildungswesens zu erkennen und den Defiziten entgegenzuwirken. Der Förderung der Bildungsforschung muss deshalb weiterhin große und größere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des gesamten Bildungssystems. Lassen Sie uns die Herausforderungen im Bildungswesen angehen. Gerade auch im Hinblick auf den demografischen Wandel können wir es uns nicht leisten, auch nur einen Menschen mit seinen Talenten und Fähigkeiten zurückzulassen! Aydan Özoguz (SPD): Eine moderne Integrationspolitik zeichnet sich durch einen gesamtgesellschaftlichen und ressortübergreifenden Ansatz mit gezielten Maßnahmen aus. Integration und damit das gleichberechtigte Miteinander kann nur gelingen, wenn die Teilhabe an unserer Gesellschaft - an Bildung, Arbeit und Chancengleich-heit - für alle Menschen gewährleistet wird. Für uns gilt das ursozialdemokratische Aufstiegsversprechen durch Bildung. Der aktuelle Chancenspiegel 2013 der Bertelsmann- Stiftung zeigt sehr deutlich, dass die soziale Herkunft schon in der Grundschule entscheidend für den Bildungserfolg ist und Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und aus sozioökonomisch schwachen Familien häufiger die Klasse wiederholen müssen. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten finden: Das Geburtsland und die Bildung der Eltern oder Großeltern dürfen kein Schicksal sein. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass Erfolg und Teilhabe an der Gesellschaft unabhängig von diesen Faktoren möglich sind. Das oberste Ziel muss ein Zusammenwachsen und Zusammenleben in einer Gesellschaft unabhängig von Herkunft, Kultur und Religion sein. Doch das hat die schwarz-gelbe Bundesregierung noch nicht verstanden. Sie hat keine klare Linie. Statt konkret, effektiv und gezielt vor Ort integrationspolitisch zu handeln, begnügt sich Kanzlerin Merkel mit ein paar wirkungslosen Gipfeln. Das ist Augenwischerei und frustriert die vielen Menschen in unserem Land, die sich seit Jahren mit Leidenschaft für Chancengerechtigkeit in einer pluralen Gesellschaft einsetzen und mehr Unterstützung brauchen. Statt eines sachlicheren Blicks auf konkrete Problemlagen, werden Emotionen, Ängste und Vorurteile geschürt - allen voran von Innenminister Friedrich und Familienministerin Schröder, die es partout nicht lassen können, die Gesellschaft in "Wir" und "Die" zu spalten. Dass beide differenzierte Forschungsergebnisse von seriösen Studien, die sie teilweise selbst in Auftrag gegeben haben, verzerren, zeigt, dass sie nur ihre eigenen vorgefertigten Gedanken präsentieren möchten. Diese Jahre waren von vielen Rückschlägen für das Zusammenwachsen unserer Gesellschaft geprägt. Ich sage ganz klar: Eine vernünftige Gesellschaftspolitik muss Begrifflichkeiten und Kategorien wie "Bildungsinländer", "Migranten" und "Integration" auf Dauer überwinden. Eine zentrale Aufgabe ist es, uns als eine zusammengehörende Gesellschaft zu verstehen und nicht zu kategorisieren und zu polarisieren, wie die Bundesregierung es ständig tut. Wir sagen: Wir brauchen mehr Bildung. Wir brauchen Ausbildungsgarantien. Wir brauchen mehr Anerkennung von ausländischen Abschlüssen. Wir brauchen mehr Weiterbildungsmöglichkeiten. Wir brau-chen eine verstärkte und früher ansetzende Sprachförderung, und wir brauchen das Wiederaufleben des Programms "Die soziale Stadt". Die Regierungskoalition tut genau das Gegenteil: Statt mehr in Bildung, vor allem im frühkindlichen Bereich, zu investieren, schmeißt Schwarz-Gelb Milliarden für das kontraproduktive Betreuungsgeld zum Fenster hinaus. Es gehört aber abgeschafft und das Geld stattdessen für den Kitaausbau eingesetzt. Statt den vielen jungen Deutschen mit Zuwanderungsgeschichte ein Gefühl der Zugehörigkeit zu vermitteln, hält Schwarz-Gelb an der unsinnigen Optionspflicht fest. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern, wer die vollständige Reformierung des alten Staatsangehörigkeitsrechts blockiert hat, nämlich die FDP, die jetzt munter für die doppelte Staatsbürgerschaft wirbt. Die Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft vom 5. Juni hat wieder einmal gezeigt, welche Schreckensszenarien - von Nebenregierungen durch Mehrstaatigkeit war die Rede - seitens der CDU/CSU aufgebaut werden, um irgendwelche Argumente gegen die doppelte Staatsbürgerschaft an den Haaren herbeizuziehen. Bereits heute wird faktisch bei jeder zweiten Einbürgerung die alte Staatsangehörigkeit beibehalten. Diese Bundesregierung nimmt in Kauf, dass der Staat hier geborene und hier aufgewachsene junge Frauen und Männer wieder zu Ausländern macht. Das ist das falsche Signal. Die Optionspflicht gehört endlich abgeschafft! Statt dem Auseinanderdriften von Stadtteilen entgegenzuwirken, streicht Schwarz-Gelb fleißig die Fördermittel der sozial-integrativen Stadtentwicklung und stürzt damit viele wichtige Projekte in den Abgrund. Die SPD wird das Programm "Die soziale Stadt" wieder besser finanzieren und dafür sorgen, dass Integration vor Ort entsprechend gefördert und auch gewürdigt wird - etwas, das man bei Äußerungen wie der vom FDP-Generalsekretär Döring gänzlich vermisst, wenn er sagt, die Zeit der Bibliotheken für Migrantenmädchen sei vorbei. Dies sagt doch schon alles über diese Regierung und ihre unfähige Integrationspolitik aus. Diese Aussage ist nicht nur unsinnig, sondern sie zeigt auch, wie sehr wir uns von der Gangart, dem Ziel und den Aufgaben unterscheiden und wer es ernst meint mit der gesellschaftlichen Integration, nämlich die SPD. Sylvia Canel (FDP): Gute Bildung ist die Voraussetzung für eigenverantwortliches und selbstbestimmtes Leben, das mithilfe von starken Bildungspartnerschaften umgesetzt wird. Letztere sind durch ein erfolgreiches und leistungsstarkes Bildungssystem gekennzeichnet. Das Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen faire Teilhabe- und Bildungschancen zu bieten. Gerade in der heutigen Zeit ist es von enormer Wichtigkeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu wahren und voranzutreiben. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass der Ausbau von Ganztagsschulen weiter vorangetrieben wird. Wir benötigen Ganztagsschulen, die mit gut ausgebildeten Lehrern ausgestattet sind. Allerdings benötigen wir auch eine gemeinschaftliche Erziehung, damit an den Schulen überhaupt der Unterricht abgehalten wird. Die Sozialdemokraten loben in ihrem Antrag die Ganztagschulen in den Himmel. Auch ich kann mich diesem Lob nur anschließen, und gleichzeitig frage ich mich, warum der Ausbau von Ganztagsschulen ins Stocken geriet und nicht weiter forciert wurde. Als Hamburgerin lebe ich in einem Bundesland, das von einer absolut sozialdemokratischen Mehrheit regiert wird. Leider findet sich der Ausbau von Ganztagsschulen nicht auf der Tagesordnung wieder. Demnach hat er auch keine Priorität. Dabei fällt diese Prioritätensetzung in den Verantwortungsbereich der Länder; denn vor Ort kann man am besten entscheiden, was für die Schule gut ist, und dementsprechend auf die Bedürfnisse eingehen. Wie bereits erwähnt: In Hamburg werden die Prioritäten offensichtlich anders gesetzt. Oder wie erklären Sie, dass seit neuestem Schulhöfe von Teams inspiziert werden, um zu prüfen, wie viel Fläche vorhanden ist und ob vielleicht die Möglichkeit besteht, den Schulhof zu verkleinern, damit mehr Platz für den Ausbau von Wohnungen besteht? Das grenzt an Absurdität. Wie können Sie mir das im Zusammenhang mit der Forderung des weiteren Ausbaus der Ganztagsschulen begründen? Die Sozialdemokraten bringen in ihrem Antrag wenig Neues zutage. Die Forderung nach einer Ausweitung des Angebots der Ganztagsschulen kann ich als Bildungsexpertin nur begrüßen. Auch die konkreten Ausführungen zur Umsetzung, wie zum Beispiel Verlässlichkeit in der Betreuung, eigenverantwortliche Schule und lokale Bildungsnetzwerke, klingen zunächst nachvollziehbar. Wenn man die Ausführungen jedoch genauer betrachtet und auf die aktuelle Lage in den Ländern verweist, dann stellt man sich die Frage, warum dies in den rot-regierten Ländern nicht der Fall ist. Es ist paradox, dass in den Bundesländern, in denen die Sozialdemokraten in der Verantwortung sind, der Schwerpunkt nicht auf den weiteren Ausbau der Ganztagsschulen gesetzt wird. Darum ist Sachsen im Gegensatz zu Berlin und Hamburg auch so erfolgreich, weil dort in Bildung investiert und nicht ein ideologisch geprägter Schulkampf ausgefochten wird, in dem die verschiedenen Strukturmodelle evaluiert werden. Die Regierung kümmert sich stattdessen um die Verbesserung des Schulunterrichts und investierte entsprechend. Wir sollten uns an dem Erfolg der Sachsen orientieren und weiter daran anknüpfen. Die Sozialdemokraten äußern in dem vorliegenden Antrag auch den Gedanken der Finanzierung des Ausbaus der Ganztagsschulen. Mir erschließt es sich nicht ganz, warum sich ein Investitionsprogramm für Baumaßnahmen für Funktionsräume an der Zahl der Schulplätze orientieren sollte. Es ist allgemein bekannt, dass der Bedarf und das daraus resultierende Angebot an Ganztagsschulplätzen in Deutschland sehr unterschiedlich ausgeprägt und gelagert ist. Daher erscheint das Gießkannenprinzip, wie es die Sozialdemokraten vorschlagen, als schlechteste Option, die den Ausbau der Ganztagsschulen weiter vorantreiben soll. In diesem Zusammenhang halte ich eine Budgetierung von Schulen und die Orientierung an Qualitätsstandards für sinnvolle Maßnahmen. Wir Liberale haben diesbezüglich auf der Landesebene deutliche Signale gesetzt und Erfolge verbuchen können. Es wäre wünschenswert, dass sich unsere Kollegen von der SPD uns in diesem Punkt anschließen und ihren Worten Taten folgen lassen. Es scheint, als haben die Sozialdemokraten Probleme, Schwerpunkte zu setzen und zu benennen. Das wird in dem Antrag "Förderung der Bildungsforschung weiter vorantreiben" nur zu deutlich. Sie loben die christlich-liberale Koalition für die bisherige Förderung der deutschen Bildungsforschung, jedoch reicht dies offensichtlich noch nicht aus; denn weitere Forderungen in den einzelnen Bildungsbereichen werden laut. Allerdings werden diese Forderungen nicht genauer definiert oder erläutert. In diesem Zusammenhang muss man aber auch anerkennen, dass die deutsche Bildungsforschung erst in den letzten Jahren die Anerkennung bekommen hat, die ihr angesichts ihrer Funktion innerhalb des deutschen Bildungssystems zusteht, und gerade deswegen ist es umso bemerkenswerter, dass der Ausbau der Forschungskapazitäten enorm vorangetrieben und ausgebaut wurde. Diesen Erfolg dürfen wir nicht unter den Tisch fallen lassen. Allerdings haben wir die Grenzen bezüglich des Ausbaus fast erreicht. Das liegt jedoch nicht an fehlenden finanziellen Mitteln, sondern an fehlendem entsprechend qualifiziertem Personal. Die SPD kann aber zu dieser Problematik in dem vorliegenden Antrag keinen Lösungsvorschlag unterbreiten. Es ist ja bekannt, dass die SPD keine Lösungsvorschläge unterbreiten kann. So ist es auch nicht verwunderlich, dass in dem vorliegenden Antrag zum Nationalen Bildungsbericht 2012 nur Forderungen nach mehr Geld vonseiten des Bundes zu vernehmen sind. Als Beispiel möchte ich den Hochschulpakt nennen. Die Sozialdemokraten fordern eine Aufstockung, obwohl, wie beispielsweise in Berlin, die Bundesmittel nicht nur unzureichend kofinanziert wurden, sondern die Universitäten nie erreichten. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die christlich-liberale Koalition soviel in Bildung und Forschung investiert hat, wie bisher noch keine andere Koalition. Diese Investition macht sich bemerkbar: Die Lesekompetenz der Schüler hat sich verbessert, die Zahl der Studienanfänger hat sich enorm erhöht, und die Quote der Schulabbrecher ist deutlich gesunken. Allerdings möchte ich noch einmal ins Gewissen rufen, dass Letzteres in den SPD-regierten Bundesländern nicht der der Fall ist. Auch die grün-regierten Länder haben ihre Probleme in der Bildungspolitik und offensichtlich die Hausaufgaben nicht gemacht, und so kann ich als Bildungsexpertin dem vorliegenden Antrag der Grünen zum Thema "Konsequenzen aus dem nationalen Bildungsbericht ziehen - Bildungsblockaden aufbrechen und mehr Teilhabe ermöglichen" nur die Note Sechs geben, wobei ich es als bemerkenswert erachte, dass die Grünen in ihrem Antrag die Unterfinanzierung des Bildungssystems beklagen; denn wenn man den Bildungsbericht genau liest, erkennt man, dass darin von einer überproportionalen Ausgabensteigerung - nämlich von 164,6 Milliarden Euro auf 172 Milliarden Euro - gesprochen wird. Ich möchte noch einmal explizit erwähnen, dass die christlich-liberale Koalition rund 30 Prozent mehr in Bildung und Forschung investiert hat als die letzte rot-grüne Bundesregierung. Des Weiteren fordern die Grünen in ihrem Antrag die Öffnung der Verfassung bezüglich der Schule. Dazu wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Verfassungsänderung zur Aufhebung des Kooperationsverbotes zu erarbeiten. Vielleicht sollten die Kollegen der Grünen sich noch einmal vor Augen führen, dass der Ministerpräsident in Baden-Württemberg - übrigens selbst Mitglied der Grünen - eine etwaige Änderung des Grundgesetzes kategorisch ablehnt. Auf der anderen Seite sollten Sie sich noch daran erinnern können, dass Sie es selbst waren, die sich einer sorgsamen, schrittweisen Öffnung des Grundgesetzes über eine Änderung des Art. 91 b Grundgesetzes - Institutionelle Finanzierung von Hochschulen - verweigerten. Was soll das? Was möchten Sie? Möchten Sie das auf Bundesebene einführen, um es dann auf Länderebene wieder abzuschaffen? So eine wankelmütige Bildungspolitik kann ich nicht gutheißen und bereitet mir Sorgen, da es gerade in der Bildungspolitik von immenser Bedeutung ist, dass Bund und Länder eine Einheit darstellen und gemeinsam das Ziel verfolgen. Nur so können sie auch seriös und kompetent in Erscheinung treten! Die Grünen machen ihrem Vorurteil "Wir sind dagegen" alle Ehre; denn Sie beklagen sich in Ihrem Antrag, genau wie Ihre Kollegen von der SPD, über die hohe Zahl der Bildungsverlierer. Auch hier wird wieder deutlich, dass die verehrten Kollegen nicht genau nachgelesen haben; denn der Bildungsbericht spricht eine andere Sprache. Darin wird verdeutlicht, dass eine erhöhte Teilnahme an Bildungsangeboten im vorschulischen Bereich vorliegt. Konkret bedeutet dies: Rund 94 Prozent der Kinder mit Migrationshintergrund besuchen eine Kita, der Ausbau der Ganztagsschule schreitet voran, eine steigende Bildungsbeteiligung bei jungen Menschen und Erwachsenen sowie ein immenser Anstieg der Studierendenzahl sind zu beobachten. Auch im Bereich der Ausbildung gibt es Positives zu berichten. Während zu rot-grünen Zeiten Ausbildungsplätze sehr selten waren, stellen wir heute fast einen Überfluss an Ausbildungsplätzen fest. Mit den Bildungsketten haben wir uns besonders an gefährdete, leistungsschwache Jugendliche gewandt, um diese in die betriebliche Bildung einzuführen. Unsere Kollegen aus der Grünen-Fraktion haben das Modell "Dual Plus" erwähnt, das sich uns jedoch nicht erschließt und auch von den entscheidenden Mitverantwortlichen im Berufsbildungssystem skeptisch betrachtet wird. Man braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen. Deshalb sind alle gleichermaßen beteiligt. Das Schwarze-Peter-Spiel vonseiten der rot-grünen Kollegen muss aufhören. Selbstverständlich müssen zum einen die Eltern mitmachen und zum anderen selbstverständlich auch die Schule - und das möglichst aufeinander abgestimmt. Ganztagsschulen sind in Europa der Regelfall, und so sollte es auch in Deutschland sein. Der bevorstehende Fachkräftemangel ist ein Resultat mangelnder Schulbildung - aber nicht nur - und keine Mär. Dafür kenne ich zu viele Firmen, die Leute suchen. Jedoch ist es unbegreiflich, dass wir ohne Aufschrei Kinder aus der Schule entlassen, die auf der Kompetenzstufe eines Viertklässlers sind. Das ist aus vielen Gründen nicht akzeptabel. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Gleich mehrere Anträge der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus dem vergangenen und aus diesem Jahr stehen zu diesem Tagesordnungspunkt zur Abstimmung. Außerdem ist es einer von vier Tagesordnungspunkten, die sich allein in dieser Sitzungswoche mit bildungspolitischen Fragen befassen - von der Befragung der Bundesregierung zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung über die Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern in Bildungsfragen bis zur Umsetzung von Inklusion, der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund, besserer Bildungsforschung, dem Berufsbildungsbericht, der morgen debattiert wird, und der Forderung nach einer flächendeckenden Einführung von Ganztagsschulen. Jedes Thema für sich hätte eine eigene Debatte verdient, und man hätte gut weitere Themen ergänzen können. Fragen der Alphabetisierung und Grundbildung zum Beispiel, der frühkindlichen Bildung, des Zugangs zu Hochschulbildung, besserer Lehrerinnen- und Lehrerausbildung usw. usf. Die Themen, die sich im Laufe der Wahlperiode hier mit Bildungsfragen befassen, verhalten sich umgekehrt proportional zur Zuständigkeit der Bundesregierung in Bildungsangelegenheiten. Dabei gaben erst in dieser Woche zwei Bil-dungsstudien wieder hinreichend Anlass, über die Fehlstellen und Fehlentwicklungen im Bildungssystem der Bundesrepublik nachzudenken und endlich Schlussfolgerungen zu ziehen: In jeder dieser Studien wird betont, dass die Abhängigkeit des Bildungszuganges und des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft der Lernenden in Deutschland besonders hoch ist. Man kann ja nicht sagen, dass die gravierenden Defizite des deutschen Bildungssystems nicht seit Jahren auf der Hand lägen, doch keines der vielfältigen Programme der Bundesregierung hat daran in den letzten zehn Jahren Grundlegendes ändern können. Das gilt für die vielen Übergangsprogramme von der Schule in den Beruf, für Bildungs- und Teilhabepakete, Bildungsketten, Bündnisse für Bildung usf. Auch die ebenso vielfältigen wie halbherzigen Schulstrukturreformen in den Ländern haben kaum zu besseren Bildungsergebnissen, dafür aber zu mehr Verwirrung bei Familien geführt, die den Wohnort wechseln müssen oder wollen. Mangelnde Vergleichbarkeit, unübersichtliche Bildungswege, weiter wachsende Bildungskosten - etwa für Lernmittel -, unzureichende Versorgung mit Ganztagsangeboten für Kinder im Vorschulalter und in der Grundschule machen es den Familien schwer, Bildungserfolge und Beruf unter einen Hut zu bringen. Fehlende Schulsozialarbeit, zu wenig Lehrerbildung und zu wenig Einstellung von gut ausgebildeten Lehrkräften, fehlende schulpsychologische Beratung, unzureichende sonderpädagogische Förderung in Regelschulen, mangelhafte Inklusion, fehlende Angebote zur Grundbildung prägen die Bildungslandschaften mehr als die gut gemeinten und manchmal schlecht gemachten Programme der Bundesregierung. Alle Versuche, den Wirrwarr adminis-trativ zu regeln, alle Vergleichsarbeiten oder niveaubestimmenden Aufgaben haben daran nichts ändern können und nur die Verwirrung perfektioniert. Da ist es kein Wunder, wenn landauf, landab immer lauter gefordert wird, dass Bildungspolitik nun endlich in Bundeshand gehöre. Doch auch mit einer Bundeszuständigkeit wäre das Hauptproblem deutscher Bildungspolitik, die starke Ausgrenzung von Schülerinnen und Schülern mit ungünstigen Ausgangs-bedingungen, nicht behoben. Solange nicht Schluss gemacht wird mit der Zuteilung zu unterschiedlichen Schulformen mit unterschiedlichen Abschlusszielen, solange nicht Schluss gemacht wird mit dem Schubkastensystem von Schulformen, durch die Lernende erst einmal abgestempelt werden, wird sich nicht wirklich etwas Grundlegendes ändern, gleich wer für Bildungspolitik den Hut aufhat. Auch die ständig wiederholte Forderung der SPD nach mehr Ganztagsschulen wird das nicht richten; denn eine Ganztagsschule im gegliederten Schulsystem bleibt ein Gymnasium oder eine Sekundarschule oder eben eine Hauptschule in Bayern - mit den beschriebenen Folgen. Außerdem können gebundene Ganztagsschulen nur so gut arbeiten, wie es das kulturelle Umfeld vor Ort hergibt. Wenn aber vor allem kleine Träger kultureller Arbeit vor Ort um ihre Existenz kämpfen, wenn Musikschulen vor allem auf Honorarkräfte bauen müssen, wenn Theater vor dem Aus stehen, Bibliotheken schließen müssen, wenn also die ganze kulturelle Infrastruktur am seidenen Faden ihrer Existenz hängt, dann ist Ganztagsschule eben nur ein verlängertes Unterrichtsangebot mit anschließender Aufsicht. Das aber reicht nicht. Zu einem erfolgreichen Bildungssystem gehört außerdem, dass allen Schülerinnen und Schülern moderne Lernmittel zugänglich sind, Fahrtkosten erstattet werden und ein vollwertiges Mittagessen angeboten wird. Nach unserer Überzeugung brauchen wir ein flächendeckendes Angebot an Gemeinschaftsschulen, die auf eine Zuweisung zu unterschiedlichen Bildungsgängen verzichten, in der Kinder mit und ohne Behinderung, mit und ohne Migrationshintergrund, Kinder, deren Eltern studiert oder eine Facharbeiterausbildung haben, gemeinsam ganztags lernen, wo die unterschiedlichen individuellen Stärken jedes Kindes geschätzt und für das gemeinsame Lernen produktiv werden. Wir brauchen eine Schule, in der Schulsozial-arbeit zur Selbstverständlichkeit gehört, wo sich Lernende ebenso beraten können wie Eltern und Lehrende, eine Schule, in der jedes Kind individuell gefördert wird und jedes Kind die Hilfen erhält, die es benötigt. Solche Schulen gibt es. Sie erhalten Schulpreise. Doch es gibt sie nicht flächendekkend, und es gibt zu wenige im öffentlichen Schulsystem. Dagegen schätzen viele Lehrerinnen und Lehrer an allen Schulformen, besonders an den nicht gymnasialen Schulformen, ein, dass sie in den letzten Jahren ihr Anspruchsniveau abgesenkt haben. Das ist durch noch so viele Projekte, Bildungspakete und Bildungsketten, Vergleichsarbeiten und niveaubestimmende Aufgabenpools nicht aufzuwiegen. Es ist höchste Zeit, das Bildungssystem in Deutschland so umzubauen, dass sich die Lehr- und Lernbedingungen deutlich verbessern, dass mit der kontraproduktiven Sortiererei nach vermeintlichen Begabungstypen aufgehört wird und alle Kinder und Jugendlichen in ihrem Lerndrang individuell gefördert werden. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, und darum gehört sie ins Grundgesetz. Nach PISA 2000 darf nicht noch eine weitere ganze Generation junger Menschen diesem aus dem vorvergangenen Jahrhundert stammenden Bildungssystem überantwortet werden. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unter dem Titel "Deutschland 2020" befassen wir uns heute mit vielzähligen und vielfältigen Beschlussvorlagen: zum dringend notwendigen Ausbau der Ganztagsschulen, zur besseren Integration durch Bildung bis hin zur Weiterentwicklung der Bildungsforschung und Bildungsberichterstattung in Deutschland. Als wichtigstes übergreifendes Dokument der Bildungsforschung in Deutschland legt der Nationale Bildungsbericht den Finger in die Wunde der ungerechten Chancenverteilung. Schlechte Startchancen bestimmen vielfach den weiteren Lebensverlauf. Der Bericht dokumentiert beispielsweise, dass über 2 Millionen der bis 34-Jährigen keinen Berufsabschluss haben und dass jeder Zehnte im erwerbsfähigen Alter funktionaler Analphabet ist. Wir müssen bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche in den Mittelpunkt der Politik stellen. Die Herkunft und der soziale Status der Eltern dürfen nicht entscheidend sein für die Bildungsbiografie und die Zukunftsaussicht. Der Nationale Bildungsbericht greift auch aktuelle politische Fehlentscheidungen auf und kritisiert die Einführung des Betreuungsgeldes - zu Recht; denn das Betreuungsgeld ist eine fatale Bildungsfernhalteprämie und es bindet Mittel, die für den Ausbau der Kinderbetreuungsinfrastruktur und damit der frühkindlichen Bildung wie auch der Sprachförderung fehlen. Die im Betreuungsgeldergänzungsgesetz verankerte unausgegorene und unsoziale Bildungssparkomponente macht das Ganze noch teurer. Hauptprofiteur ist die Versicherungswirtschaft. Wir werden nach der Wahl für die Abschaffung des bildungsfeindlichen Betreuungsgeldes sorgen und die Mittel für die Kinderbetreuung umwidmen. In diesem Zusammenhang werden wir auch den Ausbau und die qualitative Weiterentwicklung der frühen Bildung und Erziehung voranbringen. Hierzu haben wir dezidierte Vorschläge eingebracht. Trotz vieler Übereinstimmungen meinen wir im Gegensatz zum SPD-Antrag, dass es keines neuen Bundessonderprogramms, sondern der regelfinanzierten Schaffung von Eltern-Kind-Zentren bedarf. Integration geschieht vor Ort. Bildung und Quartiersentwicklung in sozialen Brennpunkten und Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf sind entscheidende Schlüssel für das Gelingen von Integration und Inklusion in unserer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft. Deshalb ist das Bundesprogramm "Die soziale Stadt" auch im integrationspolitischen Sinn zu reaktivieren, anstatt es wie unter Schwarz-Gelb kaputtzusparen. Wir teilen die im vorliegenden Antrag gemachten Aussagen zur Wichtigkeit der Bildungsforschung. Auf Grundlage eben dieser Forschungserkenntnisse müssen auch Vereinbarungen über gesamtstaatliche Konsequenzen getroffen werden können. Wer die Ergebnisse der Bildungsforschung und die Zukunftschancen junger Menschen ernst nimmt, muss die richtigen Prioritäten setzen: individuelle Förderung von Anfang an, flächendeckend gute Ganztagsschulen und Inklusion im gesamten Bildungssystem. Notwendig ist eine Offensive zum quantitativen und qualitativen Ganztagsschulausbau, die an das erfolgreiche rot-grüne Bundesprogramm IZBB anknüpft. Auch dafür brauchen wir eine Ermöglichungsverfassung ohne Kooperationsverbot. Große Defizite stellt der Nationale Bildungsbericht bei den Übergängen zwischen den Bildungsbereichen fest. So reicht es in der Ausbildungspolitik nicht aus, eine europäische Absichtserklärung nach der anderen zu unterzeichnen. In Deutschland verharren derzeit rund eine Viertelmillion Jugendliche nach der Schule in Warteschleifen anstatt eine Ausbildung zu beginnen. Weniger als die Hälfte der jungen Menschen mit Hauptschulabschluss erhält einen Ausbildungsplatz. Diese Spaltung auf dem Ausbildungsmarkt muss überwunden werden. Wir haben dazu Vorschläge für Strukturreformen und bessere Übergänge von der Schule in die Ausbildung vorgelegt, die auch gerade Betriebe ohne Ausbildungstradition bei der Schaffung von Ausbildungsplätzen unterstützen. Die Koalition dagegen hat sich in der Berufsbildungspolitik nur auf konjunkturellen und demografischen Effekten ausgeruht. Weder Frau Schavan noch Frau Wanka haben ihre formale Kompetenz als Berufsbildungsministerin genutzt. Beim Zugang zu den Hochschulen setzt sich die Spaltung fort. Auch zum Ende dieser Legislaturperiode haben Sie es nicht geschafft, einen konkreten Gesetzentwurf für ein besseres BAföG vorzulegen. Wir brauchen mehr Studienplätze und die soziale Öffnung unserer Hochschulen anstelle des elitären Deutschlandstipendiums. Mit einem Weiterbildungs-BAföG wollen wir zudem dafür sorgen, dass das "Lebenslange Lernen" keine Sprechblase bleibt, sondern finanzierbar wird. Gemeinsam mit den Sozialpartnern wollen wir so eine neue Weiterbildungskultur begründen. Gerade Geringverdienerinnen und Geringverdiener sollen davon profitieren. Die Koalition hat zwar Bildungs- und Forschungsmittel erhöht, jedoch viele falsche Prioritäten gesetzt. Betreuungsgeld, Bildungssparen und Deutschlandstipendien gehen an der Herausforderung vorbei, für Bildungsgerechtigkeit zu sorgen, und die Koalition hat keine Planungssicherheit geschaffen, weil die Finanzierung zahlreicher Projekte und Pakte nach 2013 nicht in der Haushaltsplanung abgesichert ist. Wir werden deshalb nach der Wahl Strukturen verändern und klare Prioritäten für mehr Bildungsgerechtigkeit setzen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Bildungschancen mit guten Ganztagsschulen für alle verbessern". Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14098, den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/13482 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken und Grünen angenommen. Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zum Antrag der SPD-Fraktion mit dem Titel "Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Eine moderne Integrationspolitik für mehr Chancengleichheit". Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14197, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13483 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses zum Antrag der Fraktion der SPD mit dem Titel "Förderung der Bildungsforschung weiter vorantreiben". Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14099, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/8604 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses auf Drucksache 17/14101. Er empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/12384 mit dem Titel "Die Herausforderungen der Bildungsrepublik mit den Erkenntnissen aus dem Nationalen Bildungsbericht angehen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken und Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünenfraktion auf Drucksache 17/11074 mit dem Titel "Konsequenzen aus dem nationalen Bildungsbericht ziehen - Bildungsblockaden aufbrechen und mehr Teilhabe ermöglichen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkte 30 a und 30 b: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur - Drucksachen 17/12115, 17/13698 - Berichterstattung: Abgeordnete Beatrix Philipp Dr. h. c. Wolfgang Thierse Patrick Kurth (Kyffhäuser) Dr. Lukrezia Jochimsen Wolfgang Wieland b) Beratung des Antrags der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Aufarbeitung der SED-Diktatur weiterentwickeln: Opferhilfe verbessern - Expertenkommission zur Perspektive des BStU einsetzen - Drucksache 17/14109 - Die Reden sind mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll genommen worden. Maria Michalk (CDU/CSU): Die Aufarbeitung unserer jüngsten Geschichte ist und bleibt eine gesellschaftspolitische Notwendigkeit. Es liegt in unserem Interesse, die Bedeutung von Freiheit und Demokratie zu wecken und immer wieder aufs Neue wachzuhalten. Wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann de facto die Zukunft nicht gestalten. Deshalb ist die regelmäßige Berichterstattung der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur so wichtig. Wir begrüßen und begleiten sie mit unserem Entschließungsantrag. Der Bericht zeigt zum ersten Mal in einer Auflistung alle bisherigen Maßnahmen zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur auf. Dabei wird deutlich, dass nach wie vor die politische, die rechtliche und die wissenschaftliche Aufarbeitung notwendig ist und bleibt. Die Mitwirkung zahlreicher Jugendlicher und Erwachsener in den Organisationen, Parteien, Kirchen und Verbänden ist bei diesem Thema deshalb so wichtig, weil daraus das aktive Engagement für Demokratie und Menschenrechte wächst und erkennbar ist. Jeder, der sich für Freiheit und Demokratie einsetzt, trägt maßgeblich zum Erhalt unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bei und hat eine echte Vorbildwirkung für andere. Wir wissen, dass für uns Menschen nichts so nachhaltig wirkt wie das gute Beispiel. Das sehen wir unter anderem auch an dem Widerstand, den viele engagierte Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Unrechtsstaat der DDR leisteten, wobei sie diesen Widerstand oft mit Freiheitsentzug und anderen Repressalien bezahlen mussten. Wir haben vor wenigen Tagen an die Ereignisse am 17. Juni vor 60 Jahren erinnert. Das war das erste große Aufbäumen gegen die neue politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung, die ganz im Sinne von Moskau nach dem Zweiten Weltkrieg in diesem Teil Deutschlands etabliert wurde. Rund 40 Jahre sollte das SED-Regime existieren. Es war eine Diktatur. Es war aber kein Einheitsblock, der erstarrt und unveränderlich die Jahrzehnte überdauerte. Wandelnde Rahmenbedingungen, veränderte Interessen der sowjetischen Macht und innenpolitische Entwicklungen führten immer wieder zu einem enormen Handlungsdruck für alle Beteiligten. Auch die Bevölkerung musste sich immer wieder auf andere Rahmenbedingungen einstellen. Viele suchten sich ihre Lebensräume, in denen sie sich unauffällig ein glückliches Leben organisierten. Aber es waren viele, die im Laufe der Zeit Widerstand leisteten. Ein Besuch in einer der zwischenzeitlich errichteten Gedenkstätten als authentische Orte des Machtmissbrauchs ist immer wieder ein nachhaltiges Erlebnis. Informationstafeln und Gedenktafeln verdeutlichen zum Beispiel in Bautzen, wie der Umgang mit Todkranken war, wie viele gezählte und ungezählte Toten in den Internierungslagern und später unter der DDR-Verwaltung amtlich entsorgt wurden. All diese Vorkommnisse lassen uns auch heute nicht kalt. Wir denken mit Respekt und Ehrfurcht an all jene, die ihr Leben an der Mauer oder in den Gefängnissen für die menschliche Sehnsucht nach Frieden und Freiheit opferten. Es war das Prinzip der kommunistischen Machthaber, den Gefangenen moralisch das Rückgrat zu brechen. Das lang anhaltende Leben unter menschenunwürdigen Bedingungen und Hoffnungslosigkeit hat vor allem bei Langzeitinhaftierten dazu geführt, dass sie bis heute an den erzwungenen Persönlichkeitsveränderungen leiden. Deshalb ist die Einführung der Opferrente eine moralische und politische Notwendigkeit. Wir haben uns als Parlament immer wieder mit der Umsetzung befasst und dort, wo wir Veränderungsnotwendigkeiten erkannten, diese im Gesetz auch vollzogen. Wir wissen, dass seit den 1960er-Jahren die Staatssicherheit immer neue Aufgaben übernahm. Darunter war vieles, was mit der Tätigkeit einer Geheimpolizei nichts zu tun hatte. Erich Mielke wollte damit seine Bedeutung erhöhen. So übernahm die Stasi schon 1962 die Personenkontrollen an den Grenzen. Ab 1967 lagerte sie immer mehr Schriftgut bei sich ein. Und 1968 ging die "Gewährleistung" des Besuchsverkehrs aus Westberlin an sie über. Hinter vorgehaltener Hand witzelten viele: Die Stasi ist jetzt Mädchen für alles. - Deshalb wuchs auch ihr Personalbedarf stetig. 1973 waren es schon 50 000 hauptamtlich angestellte Personen. Dazu kamen die informellen Mitarbeiter. Deshalb ist es heute noch wichtig, die Struktur im Laufe der Zeit zu analysieren und zu bewerten. Dazu gehört das Kennen der Anweisungen Mielkes zum Beispiel zur Anwerbung von informellen Mitarbeitern. Allein an diesen Fakten wird das skrupellose Vorgehen und die Unmenschlichkeit des Systems deutlich. Und wenn wir heute erleben, das bei spontanen Umfragen so mancher Jugendliche nicht weiß, wer Mielke war und wie er gehandelt hat, dann laufen wir Gefahr, das DDR-Regime zu verharmlosen. Das darf nicht geschehen; denn hinter all dem stand die SED mit ihrem Machtapparat und ihrem Machtanspruch. Aber die gesellschaftliche Utopie der SED hat den Praxistest nicht bestanden. Das ist die unumkehrbare Lehre aus der Geschichte. Und deshalb kann man für heute auch nur die Schlussfolgerung ziehen: Bitte keine gesellschaftspolitischen Experimente mehr! Wachsamkeit ist angesagt; denn unbelehrbare Träumer gibt es immer noch unter uns. Wachsamkeit erwächst aber aus Wissen um die eigene Geschichte. Es bleibt dabei: Die Aufarbeitungsarbeit in unserem Land ist eine wichtige und beständige Zukunftsaufgabe in Deutschland, aber auch in Europa. Die Art und Weise, wie wir uns in Deutschland mit diesen Fragen bisher auseinandergesetzt haben, und die Tatsache, dass wir die zu Unrecht angelegten Akten für persönliche, politische und wissenschaftliche Aufarbeitung bewahren und nutzen, ist beispielhaft für viele Länder in Europa und darüber hinaus, die glücklicherweise ebenfalls die kommunistische Diktatur abstreifen konnten. Es kommt nach wie vor darauf an, das Erlebte wachzuhalten, dieses in die Bildungspläne an den Schulen einzubinden und vor allem Zeitzeugen zu hören; denn wenn es die Zeitzeugen einmal nicht mehr gibt, dann ist eine "ganze Bibliothek" verschwunden. Deshalb bin ich persönlich so dankbar, dass zunehmend mehr Menschen die Kraft aufbringen und zur Feder greifen und ihr Erlebtes aufschreiben: aus dem persönlichen Bereich, aus der Berufswelt, aus dem Engagement in den Kirchen oder auch in den Parteien. Diese Dokumentation zu forcieren, ist und bleibt wichtig. Das bekräftigt eindrucksvoll auch der Bericht der Bundesregierung, den wir heute dankbar zur Kenntnis nehmen. Beatrix Philipp (CDU/CSU): Ich beginne mit einem Zitat: "Wir werden alles tun, um unsere Arbeit, die wir uns immer zum Ziel gesetzt haben - Deutschland wieder zu vereinigen -, fortzusetzen. Es gibt kein Problem, das so dringlich ist wie die Wiedervereinigung Deutschlands. Es gibt keine Ruhe, es gibt keinen Frieden, ehe dieses Problem nicht gelöst ist. Und ich möchte auch sagen: Für jeden von uns, der Herz hat, der Verstand hat, der Sinn hat, kann kein Opfer groß genug sein, um dieses Ziel - Vereinigung Deutschlands - zu erreichen." Das ist ein Auszug aus der bewegenden Rundfunkansprache des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, am Abend des 18. Juni 1953, unter dem Eindruck rollender sowjetischer Panzer, also vor genau 60 Jahren. 1989/90 wurde die deutsche Einheit dann Wirklichkeit - wiederum angestoßen durch den mutigen Einsatz der Bürgerinnen und Bürger der DDR, die auf den Straßen und Plätzen für Freiheit und Demokratie demonstrierten, und durch die Weigerung meiner Partei, einen zweiten deutschen Staat anzuerkennen. Und ich erinnere mich an die eigene Fassungslosigkeit, als SED und SPD am 8. August 1987 ein gemeinsames Papier veröffentlichten. Die Grundwertekommission der SPD formulierte 1987 unter dem Titel "Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit" im Kapitel "Friedlicher Wettbewerb der Gesellschaftssysteme" - ich zitiere: "Der Wettbewerb der sozialen und politischen Systeme sollte darum geführt werden, welches der beiden Systeme den wirksamsten Beitrag zur Lösung der übergreifenden Menschheitsfragen leistet und welches die günstigsten gesellschaftlichen Bedingungen für die Entfaltung von Humanität bietet, welches den Menschen die bessere Chance gibt, ihre Interessen und Rechte durchzusetzen, ihre Werte und Ideale zu verwirklichen." Und: "Sozialdemokraten und Kommunisten berufen sich beide auf das humanistische Erbe Europas." Ein peinliches Dokument der Anbiederung - zwei Jahre vor dem Fall der Mauer. Heute, 23 Jahre später, blicken wir auf die vergangenen Jahre und die Leistungen der Aufarbeitung zurück. Aufarbeitung ist nicht irgendein abstrakter Begriff, dessen Inhalt sich allenfalls in höheren akademischen Sphären abspielt. Aufarbeitung ist und war von Beginn an das gelebte Bemühen aller, die Geschichte zu verstehen, sie anderen begreiflich zu machen, sich kritisch mit ihr auseinanderzusetzen, Wiederholung von Unrecht zu verhindern, Opfern zu helfen und Täter zu bestrafen. Vielleicht stimmt es, dass dies in Bezug auf die Nazidiktatur zu wenig geschah; daraus haben wir gelernt! Schon als Bürgerrechtler im Dezember 1989 die Stasizentralen besetzten, um die Vernichtung von Stasiakten zu verhindern, begann der Prozess der Aufarbeitung. Und dieser Prozess der Aufarbeitung setzt sich bis heute fort, ob in Institutionen wie zum Beispiel beim Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, bei der Stiftung Aufarbeitung und bei der Stiftung Berliner Mauer, um einige Beispiele zu nennen, oder im ehrenamtlichen Einsatz der zahlreichen Bürgerinnen und Bürger in den Opferverbänden und in Initiativen und Vereinen zur Erinnerung an die SED-Diktatur. Für dieses bürgerschaftliche Engagement möchte ich von dieser Stelle aus besonders herzlich Danke sagen. Der "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur" stellt nicht nur diese vielen Aufarbeitungseinrichtungen und -initiativen vor, sondern informiert auch über Rehabilitierungsmöglichkeiten, Beratungsstellen, Institutionen der politischen Bildung, der wissenschaftlichen Forschung, über Gedenkstätten und Erinnerungsorte, Museen und Archive. Und, was selten geschieht: Selbst die Fraktionen der SPD und Grünen waren mit uns schon bei der ersten Lesung einig: Mit dem Aufarbeitungsbericht ist ein äußerst lesenswertes und informatives Kompendium gelungen, dem wir alle eine möglichst weite Verbreitung wünschen. Auch diesem Ziel soll schließlich diese Debatte dienen. Denn Aufarbeitung ist ein kontinuierlicher - und wegen der vielen Betroffenen auch sehr sensibler - Prozess. Dazu gehören das Stasi-Unterlagen-Gesetz aus dem Jahr 1991, das zuletzt auf unsere Initiative hin vor zwei Jahren novelliert worden ist - und es ist eben kein Anhängsel etwa des Bundesarchivgesetzes geworden, sondern aus gutem Grund ein eigenes -, die Gründung der Stiftung Aufarbeitung im Jahr 1998, die Schaffung der SED-Opferrente im Jahr 2007, die Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption im Jahr 2008. Es wird Aufgabe auch der nachfolgenden Bundestage sein, sich über Anpassungen bzw. Novellierungen der Wichtigkeit dieser Aufgabe zu stellen. Und ich betone es noch einmal: Dazu gehört auch, besonders darauf hinzuweisen, dass ein eigenes Gesetz für die Stasiakten erlassen wurde, dass man bewusst darauf verzichtet hat, etwa als Anhang oder Ähnliches dem Bundesarchivgesetz mit ein paar notwendigen Änderungen diese Aufgabe zuzuweisen. Das wäre der Bedeutung der Aufgabe, den Opfern, aber auch dem besonderen Umgang mit diesen Akten nicht angemessen gewesen. Die Aufarbeitung hat viele Facetten - nicht nur die Zukunft des BStU. Daher haben wir dies besonders in unserer Beschlussempfehlung betont. Antragsteller müssen zu lange auf "ihre" Stasiakte warten. Das ist zweifellos nicht akzeptabel. Das muss sich bessern, aber alle - auch jüngst geäußerte - Wünsche in Richtung "Umbau des BStU" machen das nicht besser: Wer ständig an der Existenz oder der Zukunft des BStU "herumbastelt", verursacht ganz sicher eines: die Verunsicherung aller Opfer. Diese wissen, dass ihre Vergangenheit in der "Jahn-Behörde" gut aufgehoben ist, wie sie es auch unter Gauck und Birthler war, und das ist uns besonders wichtig, weil man dieses Vertrauen erhalten und mehren muss, nicht aber verspielen darf. Ich wünsche mir etwas mehr Besonnenheit und Sensibilität in der Diskussion über die Zukunft der Stasiunterlagenbehörde. Dafür ist in der nächsten Legislaturperiode Zeit. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz sichert bis 2019 die Stabilität. Und es gilt in Zukunft, Entwicklungen Rechnung zu tragen: Noch vor Jahren hätte wohl niemand es für möglich gehalten, dass das Interesse an den Stasiunterlagen nicht nur anhalten, sondern sogar steigen würde. Seit 1990 haben knapp 3 Millionen, 2,918 Millionen, Bürgerinnen und Bürger Anträge auf Akteneinsicht gestellt. In den letzten drei Jahren waren es konstant über 80 000 Anträge, wie gesagt, mit steigender Tendenz. Auch hier zeigen sich Veränderungen zum Beispiel im Alter der Antragsteller. Auch dem haben wir bei der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die herausragende Bedeutung der "Schnipselmaschine" hinweisen. Seit 2007 arbeitet das Fraunhofer Institut überaus erfolgreich an dem Pilotprojekt zur virtuellen Rekonstruktion von Schnipseln zerrissener Stasiakten. Kurz vor Schluss hatte die Stasi noch versucht, ihre Akten und Vorgänge zu vernichten: Die Akten wurden zerrissen, geschreddert und anderweitig zerstört. Mit Hilfe des "e-Puzzler" werden Schnipsel zu ganzen Seiten und anschließend sogar zu ganzen Vorgängen zusammengefügt. Die "Schnipselmaschine" leistet ebenfalls einen außerordentlich wichtigen Beitrag zur Aufarbeitung. Bereits die mühsam per Hand zusammengesetzten Schnipsel halfen schon in mehreren Fällen, zum einen inoffizielle Mitarbeiter des MfS zu enttarnen, die ihre Stasitätigkeit bisher verschwiegen hatten, zum anderen können offene Fragen der Opfer in ihrer Biografie geklärt werden. Im Übrigen lässt sich die virtuelle Rekonstruktionstechnik nicht nur bei zerrissenen Stasiakten, sondern bei jeglichem zerstörten Kulturgut - sogar in 3 D -, auch bei Zoll, Steuerfahndung und Bundeskriminalamt, erfolgreich einsetzen. Ich hoffe sehr, dass die Restfinanzierung auch in Zukunft gesichert ist. Ich komme zurück zum Aufarbeitungsbericht. Die Themen "Stasi-" und "SED-Unrecht" sind immer noch - in vielfältiger Form - virulent. Aber der Diktaturcharakter der DDR darf nicht einzig und allein auf das Ministerium für Staatssicherheit reduziert werden. Diktatur hat sich an jedem Tag gezeigt, in den Familien, in der Schule, in den Universitäten, in der Freizeit, im Beruf, kurz: im "Alltag". Die Stasi war "Schild und Schwert der Partei", wie leider zu wenige wissen. "Schild und Schwert" der Partei zu sein, heißt: Nicht die Stasi gab den Ton an, sondern die SED, die Partei! Deshalb ist es kaum zu ertragen, dass es auch heute noch Menschen gibt, die die PDS nicht als "Nachfolgepartei" eben dieser SED erkennen, wie man bei Veranstaltungen vor Ort immer wieder feststellen kann. Im Klartext: Bei allen Grausamkeiten, für die die Stasi Verantwortung trägt - gut sichtbar zum Beispiel in allen authentischen Gedenkstätten, wie zum Beispiel in Berlin-Hohenschönhausen -, dürfen wir nicht vergessen, dass die Partei - eben die SED - der verantwortliche Akteur war. Und dies zeigt uns ganz deutlich der Titel: "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur". In unserer Beschlussempfehlung widmen wir uns genau diesem Thema. Wir werben dafür, auch den DDR-Alltag sowie die Einflussnahme der DDR auf die Bundesrepublik verstärkt in den Blick zu nehmen. Mit großer Sorge jedoch - und diese Sorge teilen auch viele Kolleginnen und Kollegen - sehe ich das große Unwissen bei Schülerinnen und Schülern in Bezug auf das Wissen um die DDR-Geschichte. Dies wurde in den vergangenen Jahren, 2008 und 2012, durch umfangreiche Studien belegt. Während immerhin noch 89,6 Prozent der westdeutschen und 80,6 Prozent der ostdeutschen Schülerinnen und Schüler Helmut Kohl korrekt als westdeutschen Politiker einordneten, vermochten nur 67,4 Prozent der westdeutschen und 80,3 Prozent der ostdeutschen Schülerinnen und Schüler Erich Honecker als DDR-Politiker zu verorten. Allerdings ist auch ein erfreuliches Ergebnis der Studien, dass die Schülerinnen und Schüler umso kritischer über die Diktatur urteilen, je mehr sie darüber wissen. Also müssen wir der Bildungsarbeit in der Aufarbeitung noch mehr Aufmerksamkeit schenken, um Demokratie und Freiheit als erklärte Ziele immer neu zu sichern und zu erhalten und nicht als etwas Selbstverständliches zu empfinden. Hier wächst der Bundeszentrale für politische Bildung eine besondere Verantwortung zu. Eine andere Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler für die Zeit der Teilung zu sensibilisieren und interessieren, ist der Einsatz von Zeitzeugen im Unterricht oder Reisen nach Berlin. Ich habe mich über jede Schulklasse gefreut, die statt Mallorca oder schöne Skigebiete die Stadt Berlin als Reiseziel wählte. Zeitzeugen ergänzen das abstrakte historische Wissen sehr authentisch mit Berichten aus eigenem Erleben. Ich selbst habe viele Gespräche mit Zeitzeugen in den Schulen meines Wahlkreises durchgeführt und die von der Stiftung Aufarbeitung zur Verfügung gestellten Plakatausstellungen gezeigt. Die Schülerinnen und Schüler waren jedes Mal tief berührt von den Erzählungen der Zeitzeugen. Ich empfehle das wirklich von Herzen jedem Kollegen für seine Arbeit vor Ort. Übrigens: Das koordinierende Zeitzeugenbüro leistet in diesem Bereich sehr gute Arbeit und hat durch die Vermittlung von Zeitzeugen schon viele Schülerinnen und Schüler erreicht. Der Besuch von Gedenkstätten ist ebenso geeignet, Geschichte anschaulich zu vermitteln. Wer einmal im Stasigefängnis Hohenschönhausen war, und die winzigen Freigangszellen mit Gitterdach - von den Gefangenen als "Tigerkäfig" bezeichnet - oder die aus Glasbausteinen bestehenden Fenster der Zellen, die den Häftlingen den Blick nach draußen versperren sollten, gesehen hat, der begreift den Zusammenhang zwischen Unmenschlichkeit und Diktatur sofort. Der Aufarbeitungsbericht listet 33 Gedenkstätten und Erinnerungsorte auf, unterteilt in die Themengebiete "Teilung und Grenze" und "Überwachung und Verfolgung". Ich kann nur jedem empfehlen - nicht nur Schülerinnen und Schülern, auch Kolleginnen und Kollegen - eine oder mehrere Gedenkstätten zu besuchen. Wenn es um den Bestand und/oder die Befassung mit Demokratie geht, sind "Deutsche Einheit" und "Aufarbeitung der SED-Diktatur" unverzichtbar. Gerade die jungen Leute müssen Geschichte kennen, um Zukunft gestalten zu können, wie Roland Jahn es formuliert hat. Ich zitiere ihn: "Je besser wir Diktatur begreifen, umso besser können wir Demokratie gestalten." Und abschließend: Der von ihm angedachte "Campus der Demokratie", dessen Verwirklichung Staatsminister Neumann seine Unterstützung zugesagt hat, kann dabei helfen, Jugendliche und Interessierte über DDR-Geschichte und SED-Unrecht zu informieren und sie zu sensibilisieren. Ob das Projekt diesen oder einen anderen Namen trägt, ist zweitrangig. Wichtig ist: Dieser authentische Ort der DDR-Diktatur - die Stasizentrale in Berlin-Lichtenberg - kann heute positiv und sinnvoll genutzt werden. Als Ort der friedlichen Revolution - im Januar 1990 wurde die Stasizentrale von Bürgerinnen und Bürgern besetzt - und heute als BStU-Archiv zur Nutzung der Stasiakten ist dieser Ort geradezu wie geschaffen zur Aufklärung über Diktatur und als Lernort für Demokratie. Ich wünsche mir, dass dieser hervorragende Bericht - insbesondere im vorpolitischen Raum - breite Verwendung findet, zu einer breiten gesellschaftlichen Diskussion anregt und zu großer Resonanz führt. Ich kann Ihnen versichern: Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird den Prozess der Aufarbeitung immer mit allen Kräften fördern und unterstützen. Für die christlich-liberale Koalition gibt es keinen Schlussstrich unter die Aufarbeitung. Das sind wir den Opfern schuldig! Und ich hoffe, dass die anderen Fraktionen diese Sichtweise auch weiterhin teilen. Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD): Nach der Debatte zur ersten Lesung des Berichts der Bundesregierung über den Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur im März hat sich leider nichts bewegt. Die Koalition verharrt, wenn auch wortreich, in Untätigkeit. Über Vorzüge und Nutzen des Berichts habe ich das Wichtigste bereits in der ersten Lesung gesagt. Deshalb heute nur so viel: Große Einigkeit besteht darüber, dass die Aufarbeitung eine fortdauernde Aufgabe darstellt. Das öffentliche Interesse daran bleibt groß, und der Deutsche Bundestag steht in der Pflicht, weiterhin und auf der Grundlage der Gedenkstättenkonzeption des Bundes für gute Rahmenbedingungen bei der Aufarbeitung zu sorgen. Auch auf die Schwächen und Lücken, die der Bericht aufweist, habe ich bereits hingewiesen. In zwei Bereichen hat die Koalition in der gegenwärtigen Legislaturperiode zu wenig getan. Der gemeinsame Antrag meiner und der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen fordert die Bundesregierung deshalb auf, endlich zu handeln: Erstens muss noch in dieser Legislaturperiode die vereinbarte Expertenkommission zur Zukunft des BStU eingesetzt werden. Dies hat der Deutsche Bundestag 2008 beschlossen. Die Koalition ignoriert den Beschluss bis heute. Angesichts der aktuellen problematischen Entwicklungen in der BStU-Behörde ist das besonders ärgerlich. Um nur einen Punkt herauszugreifen: Die Behörde kann ihre eigentliche Aufgabe, nämlich Betroffenen Akteneinsicht zu gewähren, kaum noch in angemessener Weise erledigen. Bis zu drei Jahre Wartezeit ist einfach zu lang! Deshalb noch einmal: Wir brauchen diese Kommission, die diskutiert und Vorschläge erarbeitet, wie in Zukunft welche Aufgaben der BStU-Behörde institutionell wahrgenommen werden sollen, und wir brauchen sie jetzt. Die aktuellen Probleme sind nur im größeren Kontext langfristiger struktureller Veränderungen sinnvoll und nachhaltig zu lösen. Deshalb widerspreche ich der Kollegin Philipp entschieden: Mit der Novellierung des Stasi-UnterlagenGesetzes, StUG, von 2012 darf keineswegs "Ruhe an der Front" herrschen. Vielmehr muss die Zeit bis 2019 - so lange wird die Behörde gemäß des neuen StUG in ihrer heutigen Form auf jeden Fall bestehen bleiben - sinnvoll genutzt werden. Es ist eine öffentliche Debatte zu führen, die absehbar kontrovers und langwierig sein wird. Sie muss deshalb jetzt angestoßen und transparent geführt werden; denn am Ende muss eine von Bürgerinnen und Bürgern mehrheitlich akzeptierte Lösung über den zünftigen institutionellen Umgang mit den Stasiunterlagen stehen. Zu befürchten bleibt allerdings, dass die Union ihre Vogel-Strauß-Politik in diesem Punkt auch in der kommenden Legislaturperiode beibehalten will. Im neuen "Regierungsprogramm" jedenfalls erwähnt sie die Kommission mit keiner Silbe. Kluge, vorausschauende Politik sieht anders aus. Zweitens muss die Opferhilfe verbessert werden. Der Stand der Aufarbeitung bildet sich auch und sehr unmittelbar im Umgang mit den Verfolgungsopfern ab. Wo Gerechtigkeitslücken bei der Rehabilitierung bestehen, sind diese zu schließen. Insbesondere ist eine qualifizierte Begutachtung von Gesundheitsschäden sicherzustellen. Da reicht das, was die Koalition in ihrer Entschließung im Kulturausschuss gefordert hat und die CDU jetzt in ihrem "Regierungsprogramm" für die kommende Legislaturperiode vollmundig verspricht, nicht aus: die Prüfung einer Anpassung der Höhe der Opferrente. Das ist noch so ein Wahlversprechen, das unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit steht. Hier ist die Union wenig glaubwürdig und trifft auch nicht den Kern des Problems; denn oftmals hapert es schon an der Anerkennung von Gesundheitsschäden. Das ist zuerst zu ändern! Handfeste Probleme bei der Opferhilfe und bei der BStU-Behörde sind anzugehen. Durch Nichtstun werden sie nicht verschwinden. Unser Antrag enthält noch eine dritte Forderung: Bei der weiteren Umsetzung des Gedenkstättenkonzeptes des Bundes sind besonders auch die Themenfelder "Opposition und Widerstand" und "Alltag in der DDR" zu berücksichtigen. Darauf hinzuweisen halte ich für notwendig, weil es scheint, dass in der Koalition bei der Beurteilung des Lebens in der DDR bisweilen die Maßstäbe etwas verrutschen. In der Entschließung der Koalition zum Bericht kommen beispielsweise nur Opfer oder Täter vor - weiß oder schwarz. Opposition und Widerstand fehlen ganz. Damit zeichnet sie ein definitiv zu einseitiges, verengendes Bild vom Leben und Handeln in der DDR. Eine faire Bewertung von DDR-Biografien bedarf der differenzierenden Betrachtung. Das System der DDR ist aus Gründen gescheitert, die beschreibbar sind. Aber das Urteil über die Menschen, die darin gelebt haben, muss behutsam sein. Sie sind wahrlich nicht alle gescheitert. Für eine differenzierte Weiterentwicklung der Aufarbeitung der SED-Diktatur lade ich alle Fraktionen ein, unserem Antrag zu folgen. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Die laufende Wahlperiode geht unweigerlich ihrem Ende entgegen. Für uns als christlich-liberale Regierungskoalition ist es an der Zeit, Rechenschaft über unsere Politik der letzten vier Jahre abzulegen. Ob Haushaltskonsolidierung, Wirtschaftspolitik oder Außen- und Verteidigungspolitik: Unsere Bilanz fällt gut aus. Aber auch in Politikbereichen, die auf den ersten Blick weniger prominent sind, haben wir viel erreicht: Ein Beispiel ist das Themenfeld DDR-Aufarbeitung. Die Leistung von Schwarz-Gelb kann sich auch dort sehen lassen. Das fängt schon mit dem vorliegenden Bericht an, den wir heute diskutieren. Eine solche umfassende Bestandsaufnahme aller bisherigen Maßnahmen zur Aufarbeitung der DDR-Diktatur hat bislang noch keiner vorgelegt. Schwarz-Gelb kommt diesem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag nach. Der Bericht zeigt auch: Unter liberaler Führung ist seit 2009 wieder Schwung im Thema Aufarbeitung. Hatte man in den Vorjahren das Gefühl, dass die Aufarbeitung erlahmte und akademisierte, sind unsere Initiativen zahlreich: Wir haben ein Zeitzeugenbüro errichtet. So haben wir seit Juni 2011 rund 1 000 Zeitzeugen an Schulen vermittelt und halten so die Erinnerung an die Unfreiheit in der DDR aufrecht. Wir haben die Stasiopferrente verbessert und einen 40 Millionen Euro schweren Fonds für DDR-Heimkinder errichtet. Wir fördern die Erforschung der DDR-Medikamententests, damit schnell Klarheit herrscht und politische Schlüsse gezogen werden können. Wir sanierten viele Stätten des sozialistischen Unrechts: Haus 1 in der ehemaligen Stasizentrale und das ehemalige sowjetische Untersuchungsgefängnis in der Potsdamer Leistikowstraße. Nicht zuletzt verlängerten wir das Stasi-Unterlagen-Gesetz und beriefen Roland Jahn als Behördenleiter. Das alles geschah leider gegen den Widerstand von Grünen, SPD und Linken. Über die Initiativen und Maßnahmen dieser Koalition in Sachen DDR-Aufarbeitung ist in diesem Hause schon umfänglich gesprochen worden. Die Details sind allen bekannt. Daher sollen diese kurzen inhaltlichen Ausführungen genügen. Heute sprechen wir wohl das letzte Mal zu diesem Thema im 17. Deutschen Bundestag. Daher möchte ich die Chance nutzen, um auch das Engagement der Kollegen in den anderen Fraktionen beim Thema DDR-Aufarbeitung zu würdigen. Natürlich streiten wir im Detail. Fraktionsübergreifende Zustimmung zu Aufarbeitungsinitiativen gibt es nicht immer. Gerade bei der Verabschiedung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bedauerte ich es sehr, dass das Gesetz erstmals nur von der Koalition beschlossen wurde. Trotzdem gibt es in den Reihen von SPD und Grünen authentische Persönlichkeiten, die sich um die DDR-Aufarbeitung in diesem Land sehr verdient gemacht haben. Wolfgang Wieland, wir haben Sie oft hier im Bundestag zu diesem Thema sprechen hören. Es waren immer Beiträge von großer Wortgewalt. Das war auch nötig; denn oft waren Sie nach den mal mehr, mal weniger erbärmlichen Beiträgen der Linken an der Reihe. Ich würde so weit gehen, zu sagen: Es waren die besten Reden, die im Deutschen Bundestag in Sachen SED-Unrecht seit der Wende gehalten wurden. Wolfgang Thierse, Sie gestalteten und verfolgten die DDR-Aufarbeitung von Anfang an. Auch wenn wir in dieser Legislaturperiode in vielen Fällen nicht einer Meinung waren: Mit Ihnen ist die deutsche Aufarbeitungspolitik reicher. Beatrix Philipp, in vielen Verhandlungsrunden saßen wir als Berichterstatter unserer Fraktionen beisammen - zuletzt zum vorliegenden Entschließungsantrag zum SED-Bericht. Immer war es ein angenehmer und konstruktiver Austausch. Auch die Perspektivkommission ist nicht an uns beiden gescheitert. Im Gegenteil: Wir haben dafür sogar einen Plan vorgelegt. Liebe Beatrix Philipp, für die gute Zusammenarbeit danke ich Ihnen. Viele weitere könnte man in dieser Liste nennen. Ich belasse es aber aus einem bestimmten Grund bei diesen Dreien: Alle drei werden dem kommenden Bundestag nicht noch einmal angehören. Keiner von ihnen kandidiert für ein neues Mandat. Ich sehe damit die Gefahr, dass das Thema SED-Unrecht im parlamentarischen Raum geschwächt wird. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die Verbrechen der DDR, der SED und der Stasi sowie die Aufarbeitung ihres Wirkens an den Rand gedrängt werden. Aufarbeitung ist heute genauso wichtig wie kurz nach der Wende, nur die Aufgabenstellung hat sich etwas erweitert. Gerade die junge Generation müssen wir über Unfreiheit und Entrechtung in Deutschland aufklären. Sie mussten es zum Glück nie selbst erleben. Indem wir die SED-Verbrechen aufarbeiten, sensibilisieren wir junge Menschen für den Wert von Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Menschlichkeit. Wir betreiben Aufarbeitung heute nicht nur um des Erinnerns willen, sondern um urteilsfähig zu bleiben. Diese Aufgabe müssen wir mit dem gleichen Elan weiterführen. Der große Einsatz der Kollegen Wieland, Thierse und Philipp im Feld der DDR-Aufarbeitung muss für diejenigen, die das Thema in der nächsten Legislaturperiode übernehmen, ein Ansporn sein. Es ist aber auch eine Messlatte. Eines steht aber mit Sicherheit fest: Mit der FDP wird es bei der Aufarbeitung des SED-Unrechts auch im neuen Deutschen Bundestag keinen Schlussstrich geben. Ein Nachlassen kommt für uns nicht infrage. Stefan Liebich (DIE LINKE): Ende März haben wir in erster Lesung über den Bericht der Bundesregierung zum Stand der Aufarbeitung der SED-Diktatur diskutiert, damals noch in der Kernzeit, was von den Rednern zu Recht betont wurde. Heute ist dieser Tagesordnungspunkt zu einer Zeit dran, zu der arbeitende Menschen schlafen, und kaum jemand wird Notiz nehmen. Das freut mich nicht, will ich gleich anfügen. Auch wenn wieder und wieder anderes behauptet wird, für uns als Linke ist die Befassung mit der Geschichte der DDR und der SED, die für viele von uns unsere eigene Geschichte ist, kein lästiges Übel, sondern ein Anliegen, dem wir uns früh und mit vielen Diskussionen und Selbstkritik gestellt haben und weiter stellen. Geht es doch um die Frage, wie eine humanistische Idee der Selbstbefreiung und Selbstermächtigung, der Gleichheit und der Freiheit so pervertiert werden kann, dass sie Andersdenkende und Anderslebende ausgrenzt und kriminalisiert. Für viele in meiner Partei ist es eine schmerzhafte Frage, dennoch eine wichtige, wollen wir doch weiter an einer Perspektive arbeiten, die den Werten der sozialistischen Arbeiterbewegung verbunden ist. Die Linke ist Rechtsnachfolgerin der PDS, deren Mitglied ich im Dezember 1990 wurde und die wiederum Nachfolgepartei der SED war. Fakt ist aber auch, dass innerhalb weniger Wochen aus einer Staatspartei, die 2,1 Millionen Mitglieder hatte - der SED -, eine oppositionelle Partei wurde - die PDS -, die circa 100 000 Mitglieder hatte. Mittlerweile sind es circa 65 000 Mitglieder der Linken in Ost und West, darunter nicht wenige, die zu DDR-Zeiten in Opposition zur SED standen. In meiner Rede in der ersten Lesung erwähnte ich die Bürgerrechtlerin Marion Seelig, die leider viel zu früh verstorben ist. Nichtsdestotrotz, Marion Seelig hat mit ihrer Lebenserfahrung die Politik der PDS und später der Linken entscheidend geprägt. Mitglieder unserer Partei sind aber auch nicht wenige, die 1989/90 noch gar nicht geboren waren oder im Westen unseres Landes lebten und dort Mitglied der SPD oder der Grünen waren. Auch sie haben freiwillig ein Erbe übernommen, das nicht leicht zu tragen ist. Sie weisen häufig darauf hin, dass die Entschuldigungen, die unsere Parteitage beschlossen haben, Worte sind. Ja, es kommt für uns darauf an, in unserer täglichen Politik hier, in den Ländern und in den Städten und Gemeinden zu zeigen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben. Und wenn ich mir die Jagd auf Edward Snowden anschaue oder den Prozess gegen Bradley Manning, dann frage ich mich in der Tat, wer denn wie aus der Vergangenheit gelernt hat? Sie entwerten den Gedanken, dass Menschen gegen Willkür und Unrecht aufstehen müssen, wenn Deutschland tatenlos und wortlos zuschaut, wenn Grundrechte wie das auf informationelle Selbstbestimmung verletzt werden, wenn Kriegsverbrechen vertuscht werden und, nein, nicht die Vertuscher, sondern die, die sie ans Licht bringen, zu Kriminellen erklärt werden. Wir haben uns auch - und das ist in Protokollen dieses Hauses nachlesbar - früh und konsequent für Renten und Entschädigungen für diejenigen eingesetzt, die Unrecht erlitten haben, die Opfer von Unrecht und Willkür in der DDR. Wir haben 1994 einen Vergleich geschlossen und damit auf das Vermögen der SED verzichtet. Die Gelder, die mit krimineller Energie auf verschlungenen Wegen ins Ausland verbracht wurden und hin und wieder auftauchen, stehen den neuen Bundesländern zu. Ich möchte dennoch bei den Landesregierungen in den neuen Ländern anregen, aus diesen Geldern auch die Arbeit der Stiftungen zu finanzieren, denn ohne Geld wird auch eine weitere Aufarbeitung nicht funktionieren. Gleichsetzung der Nazidiktatur mit der DDR sollten wir allerdings nicht betreiben. Leichenberge und Aktenberge, um einen Gedanken von Egon Bahr aufzugreifen, sind Unterschiede. Und wenn heute Unionspolitiker losziehen und DDR-Symbole verbieten wollen, dann hat es wohl mehr mit eigener unbearbeiteter Vergangenheit zu tun als mit ernsthafter Aufarbeitung und Auseinandersetzung. Um die will sich niemand herumdrücken, im Gegenteil. Wolfgang Wieland (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP hatten in ihrer Koalitionsvereinbarung beschlossen, dass die Bundesregierung in jedem Jahr einen Bericht zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erstellen solle. Nun hat sie vier Jahre gebraucht, um einen solchen Bericht zu erstellen. Der ist dafür aber eine echte Fleißarbeit und grundsätzlich gelungen. Selbst wenn einzelne Aspekte der Aufarbeitung des DDR-Unrechtssystems - ich denke hier zum Beispiel an das Militärgefängnis Schwedt - fehlen, bietet die Darstellung eine gute Diskussionsgrundlage über den Stand der Auseinandersetzung mit dem SED-Staat. Beeindruckend ist für mich die vielfältige "Aufarbeitungslandschaft", die sich aus der unermüdlichen Arbeit der Ehrenamtlichen vor Ort sowie der Tätigkeiten von Institutionen des Bundes und der Länder zusammensetzt. Dieser Bericht und diese Legislaturperiode sind aber auch eine vertane Chance. Bitter ist dies für diejenigen, die sich gegen den totalitären Staat aufgelehnt haben und deshalb politisch verfolgt und in ihrer Biografie erheblich beeinträchtigt wurden. Obwohl Schwarz-Gelb vor vier Jahren vereinbart hatte, die rehabilitierungsrechtliche Situation von Betroffenen zu verbessern, bestehen Gerechtigkeitslücken bei der angemessenen Würdigung und Entschädigung des Einsatzes dieser mutigen Menschen fort. Es muss den Vorkämpferinnen und Vorkämpfern der deutschen Einheit ja schon beinahe wie ein Hohn vorkommen, wenn die CDU sich im Jahr 2000 für eine "Ehrenpension" von 511 Euro ausspricht und es dann in Regierungsverantwortung bei der "besonderen Zuwendung" von 250 Euro belässt. Gar nicht erst zu sprechen ist von den bisher vernachlässigten Opfergruppen wie etwa den Menschen mit Haftzeiten von unter 180 Tagen, verfolgten Schülerinnen und Schülern, Opfern von Zersetzungsmaßnahmen der Stasi oder des Zwangsdopings in der DDR. Die bekannten Mängel der gesetzlichen Regelungen und deren Umsetzung in der Praxis, auf die die Opfer und ihre Verbände immer wieder aufmerksam machen, müssen mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall endlich beseitigt werden. Betrüblich ist auch, dass die Zukunft der Stasiunterlagenbehörde nicht angepackt wurde. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, eine Expertenkommission zur Entwicklung der Stasiunterlagenbehörde einzusetzen, die Empfehlungen für die Perspektiven des BStU erarbeiten sollte. Passiert ist hier leider nichts. Dabei muss rechtzeitig vor dem Jahr 2018 geklärt sein, welche Aufgaben die Behörde noch zu erfüllen hat. Gut und wichtig finde ich es, eine Jugend- und Begegnungsstätte für ein authentisches Erinnern einzurichten. Ich bedauere es, dass trotz vieler inhaltlicher Übereinstimmungen in der Sache keine gemeinsame Erklärung der Fraktionen zustande gekommen ist. Eine Entschließung der Koalition, die wortreich damit beginnt, die vermeintlichen eigenen Verdienste zu preisen, kann nicht ernsthaft als Einladung an die Opposition zu einem gemeinsamen Antrag verstanden werden. Für mich ist unverständlich, dass die CDU/CSU und die FDP auf ihrer Selbstbeweihräucherung bestanden und damit verhindert haben, dass die Fraktionen des Deutschen Bundestages sich bei der Aufarbeitung des Unrechts der SED, das unsere Gesellschaft insgesamt so nachhaltig prägt und beschäftigt, gemeinsam zu ihrer Verantwortung für Erinnerung, Würdigung und Aufklärung der SED-Geschichte bekennen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13698, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 17/12115 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14109. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt. Tagesordnungspunkte 38 a bis c: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft (1. WissZeitVG-ÄndG) - Drucksache 17/12531 - Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - Drucksache 17/14186 - Berichterstattung: Abgeordnete Tankred Schipanski Swen Schulz (Spandau) Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dr. Petra Sitte Krista Sager b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Diana Golze, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Befristung von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft eindämmen - Gute Arbeit in Hochschulen und Instituten fördern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven von Promovierenden verbessern - zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Sylvia Kotting-Uhl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Wissenschaftszeitvertragsgesetz wissenschaftsadäquat verändern - Drucksachen 17/6488, 17/11044, 17/7773, 17/14186 - Berichterstattung: Abgeordnete Tankred Schipanski Swen Schulz (Spandau) Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dr. Petra Sitte Krista Sager c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Tankred Schipanski, Dr. Stefan Kaufmann, Albert Rupprecht (Weiden), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Patrick Meinhardt, Dr. Peter Röhlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Exzellente Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln - zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Personaloffensive für den wissenschaftlichen Nachwuchs starten - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Agnes Alpers, Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wissenschaft als Beruf attraktiv gestalten - Prekarisierung des akademischen Mittelbaus beenden - zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Kai Gehring, Priska Hinz (Herborn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und zukunftsfähige Personalstrukturen an den Hochschulen initiieren - Drucksachen 17/9396, 17/6336, 17/4423, 17/4203, 17/12116 - Berichterstattung: Abgeordnete Tankred Schipanski Swen Schulz (Spandau) Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dr. Petra Sitte Krista Sager Auch hier werden die Reden zu Protokoll genommen. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Der Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs, BuWiN, wurde am 18. April 2013 vorgestellt und zeigt einmal mehr, dass die Nachwuchswissenschaftler in Deutschland mit ihren Arbeitsbedingungen insgesamt zufrieden sind. Dies gilt beispielsweise für Arbeitsausstattung, Möglichkeiten zur fachlichen Weiterbildung und das Arbeitsklima. Auch die neuesten Zahlen zeigen, dass der Zustrom von Wissenschaftlern an unsere Universitäten ungebrochen ist und weit über dem europäischen Durchschnitt liegt. Während hierzulande 2,7 von 1 000 Personen eines Jahrgangs promovieren, sind es im EU-Durchschnitt nur 1,5. Bei den habilitierten Wissenschaftlern drängen jährlich 2 500 bis 3 000 auf den universitären Berufungsmarkt. Ganz offensichtlich empfinden zahlreiche talentierte junge Menschen eine wissenschaftliche Karriere weiterhin als sehr attraktiv. Dazu hat auch diese Bundesregierung maßgeblich beigetragen. Mithilfe von Hochschulpakt, Pakt für Forschung und Innovation sowie der Exzellenzinitiative hat der Bund in ganz erheblichem Ausmaß in bessere Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs investiert und zahlreiche neue Stellen geschaffen; allein im Zuge der Exzellenzinitiative sind dies über 4 000. Profitiert haben auch DAAD und Alexander-von-Humboldt-Stiftung in Form deutlich verbesserter Finanzausstattungen. Die Begabtenförderungswerke haben seit 2005 Aufwüchse von mehr als 150 Millionen Euro verbuchen können. Zahlreiche weitere Maßnahmen ließen sich hier aufzählen. Der BuWiN benennt im Kern zwei Probleme, unter denen junge Wissenschaftler in Deutschland zu leiden haben. Das ist zum einen die Personalstruktur, die derzeit als einziges Karriereziel innerhalb des Wissenschaftssystems die Vollprofessur vorsieht, und die vielerorts überbordende Befristungspraxis. Zumindest das zweite Problem möchte die SPD-Fraktion mit einer Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, WissZeitVG, in den Griff bekommen. In ihrem Gesetzentwurf fordert sie Mindestvertragslaufzeiten von 24 Monaten, auch für nichtwissenschaftliches und nichtkünstlerisches Personal, verpflichtende Betreuungsvereinbarungen und die Streichung der Tarifsperre. Ich habe bereits im Rahmen der ersten Lesung zum Ausdruck gebracht, dass diese Vorschläge nicht geeignet sind, um die Befristungspraxis in den Griff zu bekommen. Die Expertenanhörung, die wir am 12. Juni 2013 im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zu diesem Gesetzentwurf durchgeführt haben, hat dies vollends bestätigt. Mit Blick auf das erste Problem - überbordende Befristungen - waren die geladenen Experten einhellig der Auffassung, dass durch die vorgeschlagene Änderung des WissZeitVG eine maßgebliche Reduzierung der Befristungspraxis nicht erreicht werden kann. Vielmehr seien die einschlägigen Landeshochschulgesetze das richtige Instrument. Insofern verfehlt der Gesetzentwurf ganz grundsätzlich das angestrebte Ziel, vertragliche Befristungen zu reduzieren. Schlimmer noch: Der SPD-Vorstoß könnte sogar zu einer Verschlechterung führen. Grund für die derzeitige Befristungspraxis ist nicht das WissZeitVG, sondern die mangelnde finanzielle Planbarkeit der Hochschulen. Um diese zu verbessern, dürfen die Länder auf gar keinen Fall an der Grundfinanzierung der Hochschulen sparen. Der Bund hat in den letzten Jahren die Projektförderung - etwa durch die Exzellenzinitiative - massiv erhöht und ist darüber hinaus bereit, sich auch dauerhaft an der Finanzierung der Hochschulen zu beteiligen. Dies ist ihm nach derzeitiger Verfassungslage jedoch nicht möglich. Die Bundesregierung hat deshalb einen konkreten Vorschlag zur Änderung von Art. 91 b GG vorgelegt, den der SPD-geführte Bundesrat jedoch seit mittlerweile über einem Jahr blockiert. So kann der Bund auch weiterhin nur zeitlich befristete Projekte fördern und lediglich in geringem Umfang zur finanziellen Planungssicherheit der Hochschulen beitragen. Unter der Blockadehaltung von SPD und Grünen leiden letzten Endes auch viele Nachwuchswissenschaftler in Form kurzzeitiger Arbeitsverträge. Das zweite große Problem der Nachwuchswissenschaftler, die zu unflexible Personalstruktur im deutschen Wissenschaftssystem, nimmt der SPD-Gesetzentwurf gar nicht erst in Angriff. Auch in ihren Anträgen zum wissenschaftlichen Nachwuchs beschränken sich die Oppositionsfraktionen weitgehend auf alte Forderungen nach zusätzlichen Stellen und noch mehr Bundesgeld. Einfallsreicher waren hier die Koalitionsfraktionen, die in ihrem Antrag, der ja ebenfalls Grundlage unserer heutigen Debatte ist, konkrete und weitreichende Vorschläge zur Verbesserung der Personalstruktur an den Universitäten gemacht haben. Nach unserer Vorstellung sollen zunächst die Juniorprofessuren nach angelsächsischem Vorbild in Assistenzprofessuren aufgehen. Darüber hinaus soll mit der Associate-Professur eine neue Professorenkategorie geschaffen werden, die sich durch attraktive Rahmenbedingungen auszeichnet. So sollen diese W2/W3-Stellen unbefristet sein und mit weiteren Anreizen wie dem Promotionsrecht ausgestattet werden. Bei entsprechenden Leistungen soll ein an transparenten Kriterien orientierter Aufstieg hin zur Vollprofessur möglich sein. Diese zusätzliche Stellenkategorie würde die Personalstruktur an unseren Hochschulen sehr bereichern und für besonders leistungsstarke junge Menschen zu einem frühen Zeitpunkt im Leben die Planbarkeit der eigenen Karriere ermöglichen. Die TU München ist vor etwa einem Jahr genau diesen Weg gegangen und hat das Karrieremodell "TUM Faculty Tenure Track" - bestehend aus Assistant- und Associate-Professur - eingeführt und gezeigt, dass es sich bei dem in unserem Antrag ausgearbeiteten Vorschlag um ein sehr praxistaugliches Modell handelt. Im Zuge der Anhörung hat der Sachverständige, Professor Thomas Hofmann das Karrieremodell ausführlich vorgestellt und unterstrichen, dass Universitäten gemeinsam mit gewillten Landesregierungen sehr wohl dazu in der Lage sind, die beiden zu Beginn meiner Rede geschilderten Probleme bei Personalstruktur und Befristungspraxis erfolgreich in den Griff zu bekommen. Einer Änderung des WissZeitVG war zur Einführung dieses Karrieremodells jedenfalls nicht notwendig. Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Die Expertenanhörung hat verdeutlicht, dass der Gesetzentwurf der SPD kein geeignetes Instrument ist, um die Befristungspraxis einzudämmen. Wirksamer wäre es, einer Änderung von Art. 91 b GG zuzustimmen und in den Ländern gemeinsam mit den Hochschulen - nach dem Vorbild der TU München - Lösungen zu erarbeiten. Die SPD kann nicht das eine wollen - WissZeitVG ändern - und das andere nicht tun - Grundgesetz ändern -. Ein Vorschlag zur Verbesserung der Personalstruktur an Hochschulen wird in dem vorliegenden Gesetzentwurf gar nicht erst gemacht. Weil es mithilfe des Gesetzentwurfs also nicht möglich sein wird, auch nur eines der benannten Probleme des wissenschaftlichen Nachwuchses zu lindern, lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Am 18. April 2013 haben wir die erste Plenardebatte des Entwurfes der SPD für Änderungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz geführt. In meiner Einbringungsrede habe ich für die SPD-Fraktion festgehalten, dass wir nicht der Meinung sind, wir hätten die perfekte Lösung der Probleme für die Beschäftigten in der Wissenschaft gefunden. Vielmehr habe ich ausdrücklich auch und gerade die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP zum konstruktiven Gespräch eingeladen, zumal just in der Ausschusssitzung am Tag zuvor der Sprecher der Unionsfraktion, Kollege Rupprecht, in unserem Gespräch mit Professor Strohschneider - früher Wissenschaftsrat, jetzt Deutsche Forschungsgemeinschaft - sehr vernünftig auf das Thema eingegangen ist. Wir hatten eine - zugegeben geringe, aber doch vorhandene - Hoffnung, dass sich die Koalition auf ein solches Gespräch einlassen, sich bewegen würde. Schließlich haben wir die Situation gerade des wissenschaftlichen Nachwuchses praktisch über die gesamte Legislaturperiode hinweg immer wieder neu besprochen, sei es anhand der Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, von Berichten der Bundesregierung oder diversen Anträgen. Jetzt, gewissermaßen zum guten Abschluss der Debatten, wollten wir mit der Vorlage eines konkreten Gesetzentwurfes Nägel mit Köpfen machen. Denn im Grundsatz, bei der Problemanalyse, sind wir uns doch alle einig: Der wissenschaftliche Nachwuchs benötigt verbesserte Perspektiven, die Befristungspraxis in der Wissenschaft hat überhandgenommen. Das ist wichtig für die Betroffenen, wichtig für die Lehre an den Hochschulen, wichtig für die Forschung, wichtig für die Gesellschaft, damit uns Talente nicht verloren gehen. Dann haben wir im Ausschuss eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Ich zähle einmal auf, wer daran teilgenommen hat: Karin Bordasch, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates der Max-Planck-Gesellschaft; Dorothee Dzwonnek, Generalsekretärin der DFG; Professor Dr. Thomas Hofmann, Vizepräsident der TU München; Dr. Georg Jongmanns, Hochschul-Informations-System; Dr. Andreas Keller, Vorstand der GEW; Matthias Neis, Verdi-Bundesverwaltung; Professor Dr. Jan-Hendrik Olbertz, Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin; Dr. Heike Wolke, Vizepräsidentin der Helmholtz-Gemeinschaft. Es war eine wahrlich kompetente Versammlung von Persönlichkeiten, die an den unterschiedlichen Stellen mit wissenschaftlichem Nachwuchs und Beschäftigten in der Wissenschaft einschlägige Erfahrungen haben. Das Ergebnis war: Kein einziger Sachverständiger und keine einzige Sachverständige hat unseren Gesetzentwurf abgelehnt. Es gab Verbesserungsvorschläge - gut so! Es gab auch Hinweise, dass dieser Gesetzentwurf nicht alle Probleme löst - sehr richtig! Aber doch gab es auch die vollkommen klare Ansage, dass dieser Gesetzentwurf in die richtige Richtung geht. Was hat die Koalition in allen Beratungen bisher deutlich gemacht? Von Anfang an, schon bei der ersten Plenardebatte? Dass sie diese Initiative ablehnen wird und noch nicht einmal eine eigene dem entgegensetzen wird! Es ist sogar, sehr bitter, vor der Anhörung aus Reihen der Koalition der Satz gefallen: Wir kennen das Ergebnis der Anhörung schon. - Was für eine Missachtung der Sachverständigen, was für eine Missachtung letztlich der parlamentarischen Debatte! Zwei Hauptargumente - besser sollte ich sagen: Hauptvorwände - bringt die Koalition gegen den Gesetzentwurf vor. Erstens: Die Länder sind für die Problemlösung zuständig. Zweitens: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz löst nicht alle Probleme. Beide Argumente greifen nicht. Denn natürlich ist ein ganzes Bündel - im Ausschuss habe ich gesagt: ein Strauß von Maßnahmen - nötig, um die bestehenden Probleme zu lösen. Eine Blume aus diesem Strauß ist eben das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, und das liegt nun einmal ganz klar in der Kompetenz des Bundes. Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen, Länder und eben der Bund müssen jeweils im Rahmen ihrer Möglichkeiten handeln. Der Bund hat diese Möglichkeit und muss sie aktiv nutzen. Das löst nicht alle Probleme, ist aber für die Problemlösung nötig. Auch das wurde in der Sachverständigenanhörung bestätigt. Wir haben, offenbar im Gegensatz zur Koalition, den Sachverständigen zugehört und gegenüber der Einbringung gemeinsam mit den Grünen noch zwei Veränderungen vorgeschlagen. Unsere gemeinsamen Vorschläge sehen nun wie folgt aus: Wir wollen in der Promotionsphase Befristungen nur dann erlauben, wenn entsprechende Betreuungsvereinbarungen abgeschlossen werden. Darin sind Rechte und Pflichten der Promovierenden festzulegen, und es ist insbesondere das Qualifizierungsziel zu gewährleisten. In der Phase nach der Promotion sollen die Vertragslaufzeiten regelmäßig mindestens zwei Jahre betragen. Bei Drittmittelbefristungen schlagen wir vor, die Laufzeiten an die Dauer der Mittelbewilligung anzugleichen. Die ursprünglich von uns vorgesehene Auffangregelung, wonach bei Bewilligungen von über zwei Jahren die Verträge mindestens 24 Monate laufen sollen, wollen wir gemeinsam mit den Grünen streichen. Die Beschäftigten sollen ohne Wenn und Aber bei längerfristigen Projekten an der gegebenen Planungssicherheit beteiligt werden. Zusätzlich - auch das ist eine Ergänzung, die wir gemeinsam mit den Grünen vornehmen wollen - sollen Drittmittelbefristungen erst dann möglich sein, wenn bei den jeweiligen Mitarbeitern die Höchstgrenzen der sachgrundlosen Befristungen erreicht sind. Es soll also einen Vorrang der sachgrundlosen Befristung vor Drittmittelbefristungen geben. Das stärkt die Rechte der Betroffenen, etwa bei den Rechtsansprüchen auf Verlängerung der Arbeitsverträge bei Pflege, Elternzeit, Mutterschutz und Personalvertretung. In unserem Gesetzentwurf enthalten ist auch der bessere Schutz des nichtwissenschaftlichen Personals, also etwa technischer Mitarbeiter. Diese Gruppe darf mit Blick auf den Wissenschaftsbereich keinesfalls vergessen werden. Die bisher unterschiedliche Auslegungspraxis bei der Anrechnung studentischer Arbeitszeiten wollen wir studierendenfreundlich vereinheitlichen, und wir wollen bei der Anrechnung von Eltern-, Betreuungs- oder Pflegezeiten Verbesserungen ins Gesetz schreiben. Schließlich wollen wir die Tarifsperre abschaffen. Die gesetzliche Festlegung, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber hier nichts zu sagen haben, ist falsch und gehört abgeschafft. Es gibt teilweise die Wahrnehmung, dass klarere arbeitsrechtliche Regelungen solcher Art ein Problem für die Wissenschaftseinrichtungen darstellen. Wir glauben aber, dass diese Vorschläge mit Augenmaß ausgestaltet sind. Die Wissenschaft ist und bleibt arbeitsrechtlich privilegiert, weil ihr eine besondere Dynamik innewohnt und sie diese auch braucht. Aber mit diesem Privileg muss auch verantwortungsvoll umgegangen werden; davon kann man angesichts eines Befristungsanteils von 90 Prozent nicht sprechen. Letztlich wird es der Wissenschaft und den einzelnen Wissenschaftseinrichtungen helfen, wenn mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besser umgegangen wird. Spitzenleistungen sind nur erhältlich bei guten und fairen Arbeitsbedingungen. Zum Schluss bleibt festzuhalten: Man kann sagen, dass diese Vorschläge zu weit gehen. Man kann auch sagen, dass sie nicht weit genug gehen. Doch es ist ernsthaft kaum möglich, zu sagen, dass das alles Quatsch ist. Die Sachverständigen jedenfalls haben es nicht so gesehen. Dennoch: Die Koalition von CDU/CSU und FDP wischt das alles vom Tisch, ohne eigene Vorschläge zu machen. Die vielgepriesene Grundgesetzänderung in der Koalitionsvariante hilft dabei nicht, da die Änderung von Art. 91 b lediglich Verbesserungen für eine Handvoll überregional bedeutender Forschungseinrichtungen brächte. Anders herum wird ein Schuh daraus: Die Grundgesetzänderung für den gesamten Bildungs- und Wissenschaftsbereich, so wie wir es mit dem Kooperationsartikel 104 c vorgeschlagen haben, brächte Möglichkeiten, an weiteren Stellen gemeinsam mit Ländern, Hochschulen und Forschungseinrichtungen Verbesserungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu erreichen. Doch erstens blockiert die Koalition auch das, und zweitens würde selbst das die Frage des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes nicht beantworten. So bleibt als Bilanz dieser vier Jahre Schwarz-Gelb in dem Bereich der Politik für den wissenschaftlichen Nachwuchs am Ende ein Beschluss auf Antrag der Koalitionsfraktionen, der alle anderen auffordert, etwas zu tun - nur die Bundesregierung nicht. Das ist ein Armutszeugnis! Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, WissZeitVG, ist seit April 2007 in Kraft. Seitdem wird in der Wissenschaft und Politik über Auswirkungen und Wirkungsweisen diskutiert. Insbesondere in dieser Legislaturperiode haben wir im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung intensiv über Änderungen und Novellen debattiert. In Expertenanhörungen und Fachgesprächen konnten wir uns mit Vertretern der Wissenschaft austauschen. In diesen Fachgesprächen wurde deutlich, dass die Forschungseinrichtungen und Hochschulen mit dem WissZeitVG eine rechtssichere arbeitsrechtliche Grundlage erhalten haben. Diese Grundlage gewährleistet die personelle Erneuerungsfähigkeit in den Wissenschaftseinrichtungen. Es bietet eine Planungssicherheit sowohl einerseits für die Wissenschaftler als auch andererseits für die Wissenschaftseinrichtungen. Dabei wurde vonseiten der Wissenschaft geäußert, dass sich das WissZeitVG bewährt hat, da es ein flexibles Instrument für das Personalmanagement in den Wissenschaftseinrichtungen darstellt und stets eine zweckkonforme Beschäftigung ermöglicht. Die von der Opposition angeführten Fälle der sehr kurzen Befristung von Arbeitsverträgen und der Stückelung von Arbeitsverträgen sind per se nicht als negativ und schlecht abzustempeln. Aus der Praxis weiß ich, dass die wissenschaftliche Qualifizierung wie auch das wissenschaftliche Arbeiten nicht nur Planbarkeit benötigen. Es braucht einen gewissen Druck und ein verantwortungsvolles Personalmanagement. Wenn Sie zum Beispiel Mindestvertragslaufzeiten von 24 Monaten einfordern, wie in den Anträgen der Opposition und dem Gesetzentwurf der SPD beansprucht, ziehen Sie eine starre Grenze ein, die den dynamischen Prozess in der Wissenschaft blockiert, den es braucht. Es ist eben auch einmal notwendig, einen Arbeitsvertrag um ein halbes Jahr zu verlängern, damit der Nachwuchswissenschaftler, der Promovend, bei Beanspruchung von mehr Zeit auch weiter arbeiten kann. In der Qualifizierungsphase des wissenschaftlichen Nachwuchses wird Flexibilität benötigt. Die bekommt man aber nicht mit Mindesvertragslaufzeiten von zwei Jahren hin. Ich weiß aber auch aus vielen Gesprächen mit Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen, dass die Möglichkeiten der kurzen Befristungsregelungen zum Negativen ausgenutzt werden, zum Nachteil des Nachwuchswissenschaftlers. Insbesondere in den Hochschulen sehe ich eine unerfreuliche Entwicklung, die es zu stoppen gilt. Jedoch sind diese Fälle kein durch das WissZeitVG verursachtes Problem. Das WissZeitVG beruht auf dem Arbeitsrecht, es ist kein Gesetz, mit dem auf die Gestaltung der Personalstruktur und der Karrierepfade in den Hochschulen Einfluss genommen wird. Das WissZeitVG gibt einen arbeitsrechtlichen Rahmen; es ist kein Ersatz für die Wahrnehmung der Personalverantwortung und Personalentwicklung. Die Kritik am WissZeitVG ist daher fehlgeleitet. Zwar gibt das WissZeitVG die Befristungsregelung für die Wissenschaft vor, die kurzen und gestückelten Arbeitsverträge in der Praxis sind aber nicht Symptom des Gesetzes. Hier liegt die Opposition falsch, wenn sie glauben machen will, dass man strengere Regelungen im Gesetz einzieht und damit den Kern des Problems löst. Das Problem ist die mangelnde Grundfinanzierung der Hochschulen. Die kurzfristige und gestückelte Beschäftigung in der Praxis, an den Hochschulen, ist Ausdruck eines Mangels an finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten. Dafür ist das WissZeitVG aber nicht verantwortlich. Für die Grundfinanzierung der Hochschulen sind die Länder in Verantwortung. Wenn es in den Länderkassen an Finanzmitteln fehlt, dann leiden die Hochschulen und am Ende natürlich der wissenschaftliche Nachwuchs, der versucht, in der Wissenschaft Fuß zu fassen. Aber hierzu, zu dieser bedeutenden Ursache findet sich in den Anträgen der Opposition kein einziges Wort. Auch in den Anhörungen und Diskussionen im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages habe ich keine aufrichtige Ursachenbeschreibung vernommen. Stattdessen wird versucht, am WissZeitVG herumzudoktern. Diese christlich-liberale Koalition ist ihrer Verantwortung in dieser Legislaturperiode nachgekommen. Wir sind über unsere Pflichten als Bund hinausgegangen und haben mit der Aufstockung des Hochschulpaktes 2020, mit der Fortführung des Paktes für Forschung und Innovation bis 2015, der Erhöhung der Zuschüsse für die Begabtenförderungswerke oder dem Qualitätspakt Lehre viele Millionen Euro in das Wissenschaftssystem eingebracht. So konnte an den Hochschulen eine mangelnde Grundfinanzierung gelindert werden. Nun müssen die Länder und die Hochschulen ihrer Verantwortung für die Wissenschaftler und gegenüber den Wissenschaftseinrichtungen nachkommen. Einen verantwortungsvollen Umgang haben die außeruniversitären Forschungseinrichtungen bereits bewiesen. Wir haben bereits unsere Erwartungen im April 2011 an die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen formuliert, als Arbeitgeber Verantwortung zu übernehmen. Das hat dazu geführt, dass sich Ende 2011 die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen klar mit Eigenverantwortung zum WissZeitVG positioniert hat. In der Folge wurden in den Wissenschaftsorganisationen Initiativen eingeleitet, beispielsweise die Erarbeitung von Leitlinien oder Codes of Conduct in Anwendung des WissZeitVG. Neben der Eigenverantwortung, die wir als Liberale stets einfordern, haben wir als christlich-liberale Koalition auch die Förderung gestärkt und werden diese auch zukünftig weiter verstärken. Wir haben den Antrag "Exzellente Perspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln" vorgelegt. Damit beschreiben wir unseren Weg in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Wir wollen die unterschiedlichen Karrierepfade fortentwickeln und damit in den Hochschulen neue Personalkategorien schaffen. Wir wollen die Förderung von Projekt- und Nachwuchsforschergruppen an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen weiter ausbauen und so weitere Stellen schaffen. Wir wollen darauf hinwirken, dass an den außeruniversitären Forschungseinrichtungen die Vertragsdauer für Nachwuchswissenschaftler in der Regel an die Laufzeit der Projekte gekoppelt ist. Ebenso wollen wir dies von den Ländern für die Hochschulen einfordern. Das WissZeitVG steht keiner längerfristigen Beschäftigung von beispielsweise 24 Monaten im Wege, wie es von unterschiedlichen Seiten als Mindestlaufzeit eingefordert wird. Vielmehr erfordert das WissZeitVG mehr Verantwortung von den Wissenschaftseinrichtungen. Diese wird mit einer Gesetzesänderung aber nicht erreicht. Deshalb halten wir Liberalen eine Änderung des WissZeitVG für den falschen Weg und lehnen die Anträge der Opposition sowie den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD ab. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Ich möchte zu Beginn den treffenden Satz des Kollegen Tankred Schipanski von der Unionsfraktion zitieren. Er sagte stellvertretend für seine Fraktion im Ausschuss: "Die beiden zentralen Probleme für den wissenschaftlichen Nachwuchs sind die ausufernde Befristungspraxis mit immer kürzeren Laufzeiten und die mangelnden Berufsperspektiven." Mit dieser Analyse hat er völlig recht. Das Problem ist nur: Diese Einsicht bei der Koalition kommt zu spät. Und: Sie führt nicht zu einer politischen Kursänderung. Vier Jahre Schwarz-Gelb waren leider trotz aller Milliarden im Forschungsetat vier verlorene Jahre für eine nachhaltige Personalpolitik in der Wissenschaft. In dieser Zeit hat sich bereits eine Generation vom Studium in die Promotion aufgemacht, aus Interesse an den Forschungsfragen und an der Lehre, aber ohne Perspektive für den weiteren Lebenslauf. Seit 2006, der Einbringung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, erlebe ich hier die Debatten über Befristungen und mangelnde Karriereperspektiven für junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit. Viele davon hat auch meine Fraktion mit angestoßen. Grüne und Linke waren die einzigen, die das Gesetz 2007 abgelehnt haben. In der Opposition entdeckte dann auch die SPD, dass die Situation an Hochschulen und Forschungseinrichtungen unhaltbar ist. Und nun hat es selbst die Union erkannt: Prekäre Beschäftigung und kurzatmige Personalpolitik kennzeichnen immer stärker unser Wissenschaftssystem. Die Zahlen rütteln auf: 2011 betrug der Anteil befristeter Verträge bei angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits 90 Prozent, Tendenz steigend. Davon arbeitet etwa die Hälfte in Teilzeit. 53 Prozent der Verträge laufen laut Evaluierung des Gesetzes kürzer als 12 Monate. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, dessen Regelungsgehalt auf Hochschulrahmenrecht aus der Zeit von SPD-Ministerin Bulmahn zurückgeht, hat weder Rechtssicherheit geschaffen noch durch die Befristungshöchstgrenze zu mehr unbefristeter Beschäftigung geführt. Diese Wahrheit sollte endlich auch die Koalition zur Kenntnis nehmen und das Gesetz grundlegend reformieren. Die Ausrede, dass Personalpolitik seit der Föderalismusreform Sache der Länder sei, zählt bei einem Bundesgesetz eindeutig nicht. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das zur Deregulierung des Sonderarbeitsmarktes Wissenschaft geschaffen wurde, sollte angesichts der verheeren- den Entwicklungen nun zur Reregulierung eingesetzt werden. In das Gesetz gehören Standards wie Mindestvertragslaufzeiten, die Bindung der Laufzeit an Qualifikationsphase oder Projektlaufzeit sowie Vertragsverlängerungen bei Familienarbeit. Zudem muss endlich die einmalige und unsägliche Tarifsperre gestrichen werden. Aber uns ist bewusst, dass es gilt, einen Trend in der Wissenschaft grundlegend umzudrehen: den Trend zur "Verfügungsmasse Mittelbau". Die steigenden Aufgaben der Hochschulen in den letzten Jahren - mehr Studierende, Förderprojekte, Wettbewerbe um Mittel - wurden allesamt mit prekär beschäftigtem Personal, zumeist noch ohne Promotion, bewältigt. Eine kontinuierliche Personalentwicklung mit dem Ziel klarer Karrierewege und einer ausgewogenen und leistungsfähigen Personalstruktur fand nicht statt. Die Linke schlägt daher vor, dass der Bund mit einem Programm für "Gute Arbeit in der Wissenschaft" einen finanziellen Anreiz zur Schaffung unbefristeter oder Tenure-Stellen setzt. 20 000 Euro Zuschuss für die Schaffung einer Stelle mit Entfristungsoption in zwei Jahren. Bei 5 000 Stellen jährlich kostet eine solche Maßnahme 100 Millionen Euro im Jahr. Da ist etwa so viel, wie wir im Jahr für die Förderung optischer Technologien ausgeben, und weniger als ein Zehntel der Förderung von Luft- und Raumfahrt. In den kommenden zehn Jahren könnte auf diese Weise knapp die Hälfte des angestellten wissenschaftlichen Personals an den Hochschulen auf Stellen mit Perspektive gelangen. Absichtlich soll die Förderung nicht auf bestimmte Personalkategorien eingeschränkt werden, um die Gestaltung der Personalstrukturen vor Ort nicht unnötig zu beschränken. So wären Juniorprofessuren mit Tenure Track, klassische Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnenstellen bzw. Hochschuldozentinnen und -dozentinnen förderfähig. Dazu sollte, ähnlich wie beim Professorinnenprogramm des Bundes, jede teilnehmende Hochschule ein Konzept für eine nachhaltige Personalentwicklung vorlegen. Mit einem solchen Programm könnte der Bund auch ohne Abschaffung des Kooperationsverbotes im Grundgesetz einen echten Paradigmenwechsel einleiten. Niemand will nur noch unbefristete Stellen an Hochschulen. Für Qualifikationsphasen und für Projektförderung sind sie weiterhin in einem gewissen Maß notwendig. Auch wird kaum jemand ein ganzes Leben auf einer bestimmten Stelle verbringen wollen. Auch beamtete Professorinnen und Professoren wechseln ja ihren Arbeitsort oft mehrfach im Karriereverlauf. Aber der massenhafte Verschleiß ganzer Generationen hoch motivierter und innovativer junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird, wenn wir alles so weiterlaufen lassen, individuelle Lebensperspektiven zerstören und die Leistungsfähigkeit unserer Hochschul- und Forschungslandschaft dauerhaft beeinträchtigen. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben bereits 2010 in einem Antrag von Bündnis 90/Die Grünen einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und für zukunftsfähige Personalstrukturen gefordert. 2011 haben wir dann in einem weiteren Antrag mit konkretem Bezug auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz dessen Defizite aufgezeigt und eine wissenschaftsadäquate Veränderung dieses Gesetzes eingefordert. Geschehen ist vonseiten der Bundesregierung seitdem nichts. Dabei sind die schlechten Karriereperspektiven und die ungünstige Personalstruktur neben der erodierenden Grundfinanzierung der Universitäten inzwischen die Achillesferse unseres Wissenschaftssystems. Wenn es hier nicht bald zu grundlegenden Verbesserungen kommt, ist die hohe Qualität von Forschung und Lehre in Deutschland mittelfristig gefährdet, und die besten Köpfe drohen der Wissenschaft verloren zu gehen. Die Koalition hat die offenkundigen Probleme lange geleugnet und begnügt sich jetzt damit, ausschließlich mit dem Finger auf die Hochschulen und die Länder zu zeigen. Dabei könnte auch der Bund in seiner Eigenschaft als Forschungs- und Wissenschaftsförderer tätig werden. Aber diese Koalition handelt nicht einmal dort, wo sie als Gesetzgeber unmittelbar in der Verantwortung steht, nämlich beim Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Dabei behauptet doch niemand, dass das Wissenschaftszeitvertragsgesetz das Hauptinstrument ist, um zu besseren Karrierewegen zu gelangen. Aber eine Reform dieses Gesetzes kann in der Tat dazu beitragen, die gröbsten Auswüchse des Befristungsunwesens einzudämmen. Das heißt: Die extrem kurzen Laufzeiten der Beschäftigungsverträge könnten wissenschafts- und qualifizierungsadäquater gestaltet werden, die Betroffenen erhielten mehr Planungssicherheit, und ihre Rechte auf Verlängerung ihrer Verträge aufgrund von Eltern-, Pflege- und Personalvertretungszeiten könnten gesichert werden. Dies wäre auch aus gleichstellungspolitischer Sicht dringend wünschenswert, weil die jungen Frauen, die im Mittelbau der Universitäten beschäftigt sind, noch stärker von prekären Vertragsverhältnissen betroffen sind. Im Bundesrat liegt inzwischen ein Gesetzentwurf für eine Änderung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes vor, der große Chancen auf eine Mehrheit hat. Der Gesetzentwurf der SPD hat uns die Möglichkeit gegeben, im Forschungs- und Bildungsausschuss erneut ein Fachgespräch zu diesem Thema durchzuführen. Dieses hat den Handlungsbedarf auch auf Bundesebene eindeutig bestätigt, und zwar unabhängig davon, dass sich auch das Personalmanagement an den Hochschulen verbessern kann und verbessern muss. Aber gerade für diese stärkere institutionelle Verantwortungsübernahme kann ein reformiertes Wissenschaftszeitvertragsgesetz eine wichtige Funktion haben. Außerdem wurde im Fachgespräch von der Vertreterin der DFG ausdrücklich bestätigt, dass die Streichung der Tarifsperre im Wissenschaftszeitvertragsgesetz die logische Konsequenz sein muss, wenn man die Autonomie der Hochschulen weiter stärken will. Wir haben auf Basis des Fachgesprächs einen gemeinsamen Änderungsantrag von Grünen und SPD eingebracht, der die Befristungszeiten noch stärker an die Bewilligungszeiten der Projekte bindet und die familienpolitische Komponente des Gesetzes stärkt. Das heißt, Opposition und Bundesrat sind hier auf einem guten gemeinsamen Weg. Nur die schwarz-gelbe Koalition blockiert und mauert. Ihr eigener Antrag zum Thema wissenschaftlicher Nachwuchs hat außer Lippenbekenntnissen nichts zu bieten. Das ist für eine Regierung eindeutig zu wenig. Anfang dieses Jahres habe ich im Rahmen einer Veranstaltungsreihe zu diesem Thema verschiedene Universitäten besucht. Ich kann Ihnen versichern: Unter unseren jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern machen sich nicht nur Unsicherheit und Zukunftsangst, sondern auch Verbitterung breit. Sie haben das Gefühl, dass ihre hohe Motivation und ihre Begeisterung für Forschung und Lehre zunehmend ausgebeutet wird. Diese Menschen lassen Sie mit Ihrer Blockadehaltung im Stich. Ich habe mit meinem Kollegen Kai Gehring Vorschläge gemacht, wie der Bund dazu beitragen kann, die Grundfinanzierung der Hochschulen zu verbessern, und dadurch auch für mehr Planungssicherheit für den wissenschaftlichen Nachwuchs sorgen kann. Von Ihnen ist bisher dazu nichts gekommen. Selbst die von Ihnen vorgeschlagene Minikorrektur an der verfehlten Föderalismusreform von 2005 springt dafür zu kurz. Ohne eine politische Weichenstellung zugunsten einer besseren Grundfinanzierung und besserer Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden die finanziellen Anstrengungen der Forschungspakte nicht nachhaltig sein können. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Gesetzes über befristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft. Der Bildungsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a auf Drucksache 17/14186, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/12531 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung auf Drucksache 17/14186 fort. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/6488 mit dem Titel "Befristung von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft eindämmen - Gute Arbeit in Hochschulen und Instituten fördern". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt gegen diese Beschlussempfehlung? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der SPD und der Grünen angenommen. Buchstabe c der Beschlussempfehlung: Ablehnung des Antrags der Fraktion der Linken auf Drucksache 17/11044 mit dem Titel "Arbeitsbedingungen und Berufsperspektiven von Promovierenden verbessern". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Grünen bei Enthaltung der SPD gegen die Stimmen der Linken angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d die Ablehnung des Antrags der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/7773 mit dem Titel "Wissenschaftszeitvertragsgesetz wissenschaftsadäquat verändern". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses auf Drucksache 17/12116. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Annahme des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/9396 mit dem Titel "Exzellente Perspektive für den wissenschaftlichen Nachwuchs fortentwickeln". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/6336 mit dem Titel "Personaloffensive für den wissenschaftlichen Nachwuchs starten". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken und Grünen angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4423 mit dem Titel "Wissenschaft als Beruf attraktiv gestalten - Prekarisierung des akademischen Mittelbaus beenden". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/4203 mit dem Titel "Einen Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und zukunftsfähige Personalstrukturen an den Hochschulen initiieren". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 32 und Zusatzpunkt 14: 32 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) - zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie - zu der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie - Drucksachen 17/8721, 17/11670, 17/14008 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Thomas Gebhart Dr. Matthias Miersch Michael Kauch Ralph Lenkert Dorothea Steiner ZP 14 Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung Bericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung (Arbeitsbericht der 17. Wahlperiode) - Drucksachen 17/13064, 17/14156 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Thomas Gebhart Dr. Matthias Miersch Michael Kauch Ralph Lenkert Dr. Valerie Wilms Auch hier sind die Reden zu Protokoll genommen.26 - Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Wir kommen zur Beschlussempfehlung des Umweltausschusses zu den Unterrichtungen durch die Bundesregierung sowie durch den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung über den Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14008, in Kenntnis der Unterrichtung auf den Drucksachen 17/8721 und 17/11670 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist bei Enthaltung der Linken mit den Stimmen des übrigen Hauses angenommen. Beschlussempfehlung des Umweltausschusses auf Drucksache 17/14156 zum Arbeitsbericht der 17. Wahlperiode des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung auf Drucksache 17/13064. Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch hier enthält sich die Linke. Das übrige Haus stimmt zu. Tagesordnungspunkt 33: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Johanna Voß, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Handwerkskammern demokratisieren und transparent gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Johanna Voß, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Handwerksnovelle evaluieren, hohes Qualifikationsniveau sicherstellen - Drucksachen 17/9220, 17/9221, 17/12561 - Berichterstattung: Abgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Lena Strothmann (CDU/CSU): Wir haben in Deutschland ein gut funktionierendes Kammersystem. Die Kammern bilden die Selbstverwaltung der Wirtschaft. Das ist gelebte Subsidiarität nah an den Betrieben und dem Handwerk vor Ort. Die Kammern haben vielfältige Aufgaben: Sie sind erste Anlaufstelle für Existenzgründer, sie beraten die Betriebe, sie helfen bei der passgenauen Nachfolgesuche, und sie sind vor allem in der Aus- und Weiterbildung aktiv. Lebenslanges Lernen hat im personalintensiven Handwerk und hier besonders im gewerblich-technischen Bereich eine große Bedeutung. Die Kammern bieten hierzu mit ihren Bildungsakademien und Bildungszentren ein großes Weiterbildungsangebot an. Die Kammern nehmen die Interessen der Mitgliedsbetriebe auch bei politischen Entscheidungen, wie beispielsweise der Verkehrsinfrastruktur, wahr. Hinzu kommen viele hoheitliche Aufgaben, die der Staat den Kammern übertragen hat und die er sonst selbst wahrnehmen müsste. Diese Aufgabenübertragung hat sich grundsätzlich bewährt. Kein Steuerzahler wäre bereit, stattdessen eine neue staatliche Behörde zu finanzieren, in der wichtige Entscheidungen ohne Wirtschaftserfahrung und ohne Praxisbezug zum Handwerk getroffen werden müssten. Insbesondere in den Bereichen Aus-, Fort- und Weiterbildung sind die Kammern unverzichtbar. Die Organisation und Durchführung des dualen Systems ginge ohne Kammern schlichtweg nicht. Auch das hohe Potenzial an Wissen und Erfahrung in der Wirtschaft wäre ohne den Einsatz der vielen Ehrenamtlichen, beispielsweise in den Prüfungsausschüssen, nicht nutzbar. Allein in meiner Kammer in Bielefeld haben wir über 300 Handwerker, die ehrenamtlich tätig sind. Die Kammern und die Kreishandwerkerschaften brauchen diese ehrenamtliche Unterstützung. Die Kammern sind, auch wenn die Linke etwas anders suggeriert, demokratisch legitimiert und arbeiten transparent. Jeder einzelne der Mitgliedsbetriebe kann sich engagieren. Jeder hat die Möglichkeit, in die Vollversammlung gewählt zu werden. Dort wird demokratisch und öffentlich beraten und beschlossen, zum Beispiel über die Beitragssätze. Alle Beschlüsse werden anschließend von den Landesbehörden geprüft und müssen dort genehmigt werden. Natürlich kann man über den Umfang der Transparenz immer streiten, und hier und da ist sicher auch Verbesserungspotenzial, aber im Grundsatz stimmt es. Ein Wort zur Parität, die immer wieder gefordert wird: Es gibt die Parität bereits. Wir haben in den Kammern die sogenannte Drittelparität, und zwar zu je einem Drittel zwischen Betrieben, Kleinunternehmern und Arbeitnehmern. Diese spezielle Aufteilung finden wir nur in den Handwerkskammern, und sie spiegelt passgenau die Bedürfnisse im Handwerk wider. Frau Voss, gucken Sie sich die Arbeit der Kammern vor Ort doch einmal an, statt sich von den Kammergegnern immer wieder diffuse Anschuldigungen einflöten zu lassen. Die wirtschaftliche Situation im Handwerk ist robust. Diese Robustheit ist strukturell. Das ist erkennbar an der Nasenlänge Vorsprung, die das Handwerk beim Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren vor der Gesamtwirtschaft hat. Im Jahr 2003 hat Rot-Grün die Handwerksordnung novelliert. Wir haben der Novelle nach langen Verhandlungen zugestimmt - trotz großer Bedenken und da der gefundene Kompromiss letztlich noch größeren Schaden in der HWO verhinderte. Über die Handwerksnovelle 2003 haben wir in den letzten zehn Jahren oft und ausführlich diskutiert. Die Entwicklung in einigen Berufen der neu geschaffenen Anlage B haben wir in der CDU/CSU von Anfang an skeptisch betrachtet. Einige der Probleme waren vorprogrammiert, zum Beispiel die geringe Ausbildungsleistung. Wo kein Meister ist, findet keine Ausbildung statt. Rot-Grün hat dies in Kauf genommen und setzte auf die bloße Zahl an zusätzlichen Existenzgründungen. Diese hat es gegeben, keine Frage. Aber was geschah dann? Die Antwort lautet: Außer etlichen Betriebsaufgaben leider nicht viel. Das überwiegende Fazit bei den Neugründungen der Anlage-B-Berufe lautet: keine Mitarbeiter und keine Lehrstellen. Dazu muss man wissen: In einem Handwerksbetrieb werden die jungen Leute von dem Meister ausgebildet. In den Anlage-B-Berufen ist zur Gründung eines Unternehmens der Meisterbrief keine Pflicht mehr. Demzufolge werden dort auch keine Lehrstellen angeboten. Es gibt zum Glück diejenigen Betriebsinhaber, die noch vor der Novelle ihren Meisterbrief erworben haben und durch ihre Ausbildungsplätze zumindest für einen Teil des notwendigen fachlichen Nachwuchses sorgen. Auch steigt in einigen Berufen die Anzahl derer, die heute freiwillig den Meister machen. Dies sollten wir unterstützen und auch dafür werben. Dann bieten bestimmte Anlage-B-Berufe wieder eine Chance für die Auszubildenden, und insgesamt verbessert sich durch das neu erworbene Know-how des Meisters die Perspektive auf dem umkämpften Markt. Gesellen der Anlage-B-Berufe fehlt bei der Existenzgründung insbesondere die betriebswirtschaftliche Ausbildung, die unter anderem für Kalkulationen, für die Berechnung ihres eigenen Stundenlohns usw. unabdingbar ist. Diese Betriebe kommen dann in die Situation, mit Existenzgründern ohne klassische Ausbildung und deren Dumping-Preisen konkurrieren zu müssen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren. Das ist Realität! Die Linke fordert im Gegenzug eine verpflichtende Gesellenprüfung. Sie wollen die Gesellen vor unqualifizierter Konkurrenz schützen. Das ist zwar im Grundsatz richtig, aber Sie wählen dazu die falschen Mittel und Wege. Sie wissen doch genau, dass diese Gesellenprüfung von der EU-Kommission als neue unzulässige Berufszugangsbeschränkung bewertet würde. Das heißt, das ist wegen der Dienstleistungsfreiheit mit der EU nicht zu machen. Die ganze Aktion würde den Meisterbrief gefährden, und ich erläutere das: Die alte HWO war hervorragend zu begründen, und sie hatte daher zu Recht einen gewissen Bestandsschutz. Aber neue Beschränkungen explizit für die Anlage B wird die EU nicht wieder zulassen; das ist ganz klar. Allein schon mit der Debatte gefährden Sie die verbliebene Anlage A, weil deren Rechtfertigung automatisch mit auf den Prüfstand käme. Wir sehen doch bei der Diskussion um die Berufsanerkennungsrichtlinie, wie die EU-Kommission die Anlage A und somit mehr oder weniger unbeabsichtigt das duale System angreift, jenes duale System, das europaweit und sogar weltweit gelobt wird und gerade in Krisenstaaten zur Bekämpfung der hohen Jugendarbeitslosigkeit aufgebaut werden soll. Um es ganz klar zu sagen: Das duale System hat direkte, und zwar positive Auswirkungen auf die Jugendarbeitslosigkeit. Auch im Zusammenhang mit den länderspezifischen Empfehlungen zu unserem Nationalen Reformprogramm muss das diskutiert werden. Hier nennt die KOM an der einen Stelle explizit den Meisterbrief als Marktzugangshemmnis, und an anderer Stelle lobt sie unsere geringe Jugendarbeitslosigkeit. Brüssel muss lernen: Meisterbrief, duale Ausbildung und geringe Jugendarbeitslosigkeit gehören im Handwerk zusammen. Das eine geht nicht ohne das andere. Ohne Meisterbrief geht das duale System im Handwerk kaputt. Das muss in Brüssel lauter und deutlicher als bisher ausgesprochen werden. Auch die OECD hat in ihrem aktuellen Bildungsbericht nun endlich den Wert der dualen Ausbildung im Vergleich zur akademischen Ausbildung erkannt. Das war kein Selbstläufer, sondern dazu war harte Überzeugungsarbeit notwendig. Sie fordern in Ihrem Antrag auch eine Evaluierung. Wir sagen: Evaluierungen sind ein gutes Instrument, um Informationen zu erhalten. Evaluierungen machen aber keinen Sinn, wenn bereits umfangreiches Material und Zahlen vorliegen. Wir Abgeordnete haben die Daten mit etlichen großen und kleinen Anfragen selbst angefordert. Außerdem gibt es die Handwerkstatistik. Das heißt, die Datenlage ist sehr gut, und es widerstrebt mir außerordentlich, Dinge zu evaluieren, die wir bereits wissen. Nichtsdestotrotz werden wir die Lage im Handwerk beobachten, eventuelle Fehlentwicklungen benennen und gegebenenfalls gegensteuern. Der CDU/CSU liegt das Handwerk am Herzen. Wir Handwerkspolitiker zeichnen uns durch Bodenständigkeit und Hartnäckigkeit aus. Besonders Ernst Hinsken will ich an dieser Stellen erwähnen, der jahrzehntelang mit großem Einsatz und voller Überzeugung Handwerkspolitik im Bundestag gemacht hat. Lieber Ernst, danke für dein Engagement für das Handwerk in Deutschland. Wir in der CDU/CSU werden in diesem Sinn auch in der neuen Wahlperiode Politik für den Mittelstand und für das Handwerk machen. Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): Gewerbliche Unternehmen unterliegen in Deutschland der gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in den Industrie-, Handels- und Handwerkskammern (§ 90 Abs. 2 HWO, § 2 Abs.1 IHKG). Die Pflichtmitgliedschaft geht mit Beitragspflichten einher. Die Mitglieder werden durch die Beiträge für die Kammermitgliedschaft sowie durch Gebühren im Bereich der Ausbildungsfinanzierung (zum Beispiel für die Prüfungsabnahme) belastet. Die Kammerbeiträge werden in abgestufter Form in Abhängigkeit vom Ertrag des Unternehmens erhoben. Dabei gelten Freigrenzen für kleinere und junge Unternehmen. In der Praxis würden - nach Angaben der Kammern - circa zwei Drittel der Mitglieder beitragsfrei gestellt. Die Kammern werden der wirtschaftlichen Selbstverwaltung zugeordnet. Dabei übergibt der Staat Aufgaben an die Betroffenen und orientiert sich dabei an dem demokratischen Prinzip, dass die Regulierung möglichst auf der Ebene und unter Einbezug der Betroffenen erfolgen sollte. Gemeinsam ist diesen Organisationen, dass sie Personalkörperschaften des öffentlichen Rechts darstellen. Grundsätzlich geht es um die Übernahme von Funktionen und Aufgaben, die im öffentlichen Interesse liegen. Einige Betroffene mahnen jedoch die Aufhebung der obligatorischen Mitgliedschaft an, da diese grundsätzlich einen Eingriff in die individuellen Freiheitsrechte darstellt und speziell dem Recht auf negative Vereinigungsfreiheit entgegensteht. Das demokratische Leben in den Kammern genügt in zahlreichen Bereichen nicht den Erwartungen der Mitglieder. Der Turnus der Vollversammlungen, die der Meinungsbildung dienen, erscheint zum Beispiel nicht mehr als adäquat. Kritiker der Kammern fordern unter anderem mehr Transparenz und eine Organisationsstruktur, die Basis für eine starke Mitgliederbeteiligung sein kann. Kritisiert werden unter anderem die uneinheitlichen Wahlordnungen, die ungenügende Pflege der Wählerverzeichnisse, die unzureichenden Veröffentlichungspflichten für Wahlergebnisse, die Möglichkeit, Listenwahlen zu organisieren, die Reichweite des Mandats der repräsentativen Demokratie, das heißt die fehlende inhaltliche Begrenzung der Bandbreite der politischen Meinungsäußerung, die unzureichenden Partizipationsmöglichkeiten, um einen zeitnahen Interessenausgleich der Mitglieder zu erreichen, zum Beispiel über die Vollversammlungen ergänzende Verfahrenswege, und die fehlenden Rechte zur Einsicht in Dokumente wie Rechenschaftsberichte, Wirtschaftspläne und Ähnliches. Richtig: Hier müssen sich die Kammern weiterentwickeln. Sie müssen sich die Akzeptanz durch mehr Demokratie und Transparenz erarbeiten. Aus Sicht der Kritiker könnten privatrechtlich organisierte Verbände die Kammeraufgaben gleichwertig gut erfüllen. Diese Ansicht teile ich allerdings nicht; denn die Rechtsform und die daraus folgende gesetzliche Mitgliedschaft sind Konsequenz der den Kammern übertragenen hoheitlichen Aufgaben sowie der Aufgabe, das Gesamtinteresse der Wirtschaft im Kammerbezirk wahrzunehmen. Was wäre die Alternative in Bezug auf die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben? Würden wir nicht an anderer Stelle wieder Bürokratie aufbauen müssen, um die Erfüllung der Aufgaben und die Einhaltung der Standards zum Beispiel bei der Ausbildung zu überwachen? Was passiert mit dem ehrenamtlichen Engagement der vielen Prüferinnen und Prüfer? Wie soll die Interessenvertretung der Arbeitnehmer unter diesen Umständen aussehen? Stünden die Innungen weiterhin als Tarifpartner bereit? All diese Fragen sind ungeklärt. Deshalb greife ich abschließend drei Forderungen an die Kammern auf: Erstens. Demokratie stärken. Dazu gehören der Abbau kammerinterner Bürokratie, mehr Öffentlichkeit bei den Vollversammlungen und die stärkere Einbeziehung möglichst aller Mitglieder in die Selbstverwaltung. Zweitens. Transparenz von Entscheidungen erhöhen. Dazu gehört auch die Transparenz von finanziellen Entscheidungen und Finanzströmen innerhalb der Kammern. Gefordert werden vor allem der Zugang zu den Sitzungen der Vollversammlung bzw. Zugang zu den Protokollen der Sitzungen sowie den Sitzungen des Präsidiums. Weiterhin wird gefordert, dass die Kammern ihren Haushalt und die Bezüge des Leitungspersonals offenlegen, sowie die Offenlegung der unternehmerischen Aktivitäten wie Beteiligungen. Drittens. Akzeptanz bei den Mitgliedsunternehmen stärken. Stärkere Orientierung am Gedanken der Selbstverwaltung, der Interessenwahrnehmung sowie der Dienstleistung für die Mitgliedsunternehmen, vor allem für kleine und mittlere Unternehmen. Wenn die Kammern diesen Forderungen nachkommen, sehen wir keine Notwendigkeit, die Pflichtmitgliedschaft der Kammern abzuschaffen. Die wirtschaftliche Selbstverwaltung als demokratische Betroffenen-Selbstverwaltung hat sich bewährt. Jörg von Polheim (FDP): Sie behaupten in Ihren vorgelegten Anträgen, die Handwerkskammern würden weder transparent noch durchgehend demokratisch arbeiten. Auch würden die Vollversammlungen von den Arbeitgebern der meisterpflichtigen Gewerke dominiert. Außerdem kritisieren Sie die traditionelle Friedenswahl als undemokratisch. Auf Basis der rechtlichen Verfassung der Handwerkskammern besteht für alle Mitglieder die Chance der Partizipation. Es hängt aber vom Engagement jedes Einzelnen ab, ob er von diesen Möglichkeiten auch aktiv Gebrauch macht. Es liegt auf der Hand, dass Mitglieder, die sich stärker engagieren, größeren Einfluss auf Entscheidungen der Gesamtorganisation haben. Dabei beteiligen sich traditionell Inhaber großer Handwerksunternehmen mehr an der Gremienarbeit der Kammern als Inhaber kleiner und kleinster Unternehmen. Daraus, wie von Ihnen behauptet, auf eine Diskriminierung der kleinen Unternehmen zu schließen, entbehrt jeder Grundlage. Sie stellen die Mehrheit aller Kammermitglieder, und jedes einzelne Mitglied hat das Recht, an den Wahlen teilzunehmen und individuell oder gemeinschaftlich Einfluss zu nehmen auf die Willensbildung bei der Kammerorganisation. Jedoch ist diese aktive Partizipation freiwillig, und es kann schon gar nicht Aufgabe des Staates sein, Kammermitglieder zur stärkeren Teilhabe zu zwingen. Es ist wieder mal typisch, dass Sie nur nach dem Staat rufen. Ebenso schwer nachvollziehbar ist Ihre Kritik am Kammerwahlsystem: Gerade die Friedenswahl zeigt die historisch gewachsene Konsenskultur in den Kammern und stellt eine legitime Möglichkeit der Wahlordnung für Mitglieder der Vollversammlung dar. Dabei nimmt der Wahlleiter die Bewerbervorschläge aus der Handwerkerschaft entgegen und prüft sie. Es können sich Handwerker aus allen Gewerben der Handwerksordnung bewerben. Damit ist deutlich sichtbar, dass das Verfahren demokratischen Prinzipien folgt und dafür stehen wir als FDP. Freiheit, Demokratie und Verantwortung stehen für uns als wichtige Werte im starken Kontrast zu Bevormundung, staatlichem Zwang und Regulierungswut! Auch Ihre Argumentation, die Beitragsgestaltung und der Betätigungsumfang der Kammern sei für viele Pflichtmitglieder nicht nachvollziehbar, entbehrt jeglicher Grundlage: Die Beitragssatzungen aller Handwerkskammern sind transparent, sie sind alle frei zugänglich, in der Mehrzahl sogar im Internet veröffentlicht. Die Beitragshöhe wird in der Vollversammlung jeder Kammer beschlossen. Der von Ihnen propagierte Mangel an Transparenz ist also in keiner Weise ersichtlich. Existenzgründer kommen überdies in den ersten drei Jahren in den Genuss reduzierter Beitragszahlungen. Dies alles zeigt, dass keinesfalls von übermäßigen Belastungen kleinerer Handwerksunternehmen die Rede sein kann. Die Kammerbeiträge stellen die Grundlage für ein breites Feld an Aktivitäten seitens der Handwerkskammern dar, von denen alle Kammermitglieder unabhängig von Gewerbe und Betriebsgröße auf gleiche Weise profitieren können. Dabei braucht nur ein Teil der Leistungen durch Mitgliedsbeiträge aufgewendet zu werden: Allein für die Abnahme der jährlich 120 000 Gesellenprüfungen und 23 000 Meisterprüfungen leisten Ehrenamtliche jedes Jahr 100 000 kostenfreie Personentage. Das ist ein enormer Beitrag, der jedem ausbildenden Handwerksunternehmen zugutekommt. Das nenne ich wirksame Selbstverwaltung. Und es funktioniert offensichtlich gut in Selbstverwaltung. Ferner fordern Sie von der Bundesregierung, die Veröffentlichungspflichten der Kammern zu überarbeiten - insbesondere sollten Gehälter der Geschäftsführer veröffentlicht werden. Jedoch veröffentlichen alle Handwerkskammern detaillierte Jahresberichte, in denen auch genau über erfolgte Aktivitäten berichtet wird. Darüber hinaus sind Finanzdaten jeder Kammer den jeweiligen Haushaltsplänen zu entnehmen. Auch wird in den Vollversammlungen Rechenschaft abgelegt über die Entwicklung der Finanzen. Hingegen steht die Forderung nach Veröffentlichung der Gehälter der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer in Konflikt mit dem Daten- und Persönlichkeitsschutz. Aber auch das ist typisch. Transparenz bedeutet bei Ihnen immer nur der Blick in den Geldbeutel der anderen. Kehren Sie mal vor Ihrer eigenen Tür! Ein weiterer Punkt ist Ihr Antrag auf Evaluation, in welchem Sie die Ausgestaltung der Handwerksnovelle im Jahr 2004 kritisieren, bei der die Meisterpflicht als Voraussetzung zur selbständigen Berufsausübung in 53 Gewerken abgeschafft worden ist. Hier fordern Sie die Bundesregierung auf, die Handwerksnovelle einer umfassenden Überprüfung zu unterziehen und die hierfür erforderlichen Daten zu erheben. Wir haben das fast alles schon gemacht. Die Auswirkungen der Reform der Handwerksordnung in 2003 wurden in verschiedenen parlamentarischen Anfragen in den vergangenen beiden Jahren bereits umfassend dargestellt. Sowohl die Kleine Anfrage der SPD (Drucksache 17/3242) als auch die Große Anfrage der CDU/CSU und der FDP-Fraktion (17/3270) aus dem vergangenen Jahr wurden seitens der Bundesregierung umfangreich und aussagekräftig beantwortet. Darin wurde Datenmaterial zum Handwerk zusammengetragen und ausgewertet. Eine weitere Analyse und Evaluierung der Handwerksnovelle von 2003 würde in dieser Hinsicht keine weiteren Erkenntnisse liefern können. Auch das Bundesverfassungsgericht schließt sich in seiner Entscheidung vom 5. Dezember 2005 (Az. 1 BvR 1730/02) dieser Einschätzung an: Hier heißt es, eine weitere Evaluierung böte keine erkennbaren Ansätze, das bestehende Recht zu verändern. Ihr Antrag läuft daher ins Leere. Bereits heute verfügen nur etwa 38 Prozent der Existenzgründer im Handwerk über eine Meisterprüfung. Daran zeigen sich die weitgehenden alternativen Zugangsmöglichkeiten, die unter anderem mit der Novelle 2003 geschaffen wurden. Auch wurde bereits in den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (Az. 8 C 8.10 bzw. 8 C 9.10) vom 31. August 2011, die sich der Frage der Meisterpflicht widmen, darauf hingewiesen, dass die Inländerdiskriminierung durch die Novelle von 2003 maßgeblich abgebaut wurde. Seitens der Bundesregierung werden die Ausbildungs- und Meisterprüfungsverordnungen ständig modernisiert. Für Berufe der Anlagen B1 und B2 der Handwerksordnung ist die Einführung einer Mindestqualifikation im Sinne eines kleinen Befähigungsnachweises aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, da sie gegen Art. 12 Grundgesetz verstoßen würde. Resümierend muss ich sagen, dass die in den Anträgen enthaltenen Einschätzungen in wesentlichen Punkten an der Realität vorbeigehen und Sachverhalte wirklichkeitsfremd darstellen. Das meiste haben wir schon erledigt und den Rest auf den Weg gebracht. Aber das zeigt eigentlich nur, dass Sie, liebe Kollegen von der Linksfraktion, mit der Arbeit der christlich-liberalen Koalition ganz zufrieden sein müssten. Johanna Voß (DIE LINKE): In keinem Wahlprogramm fehlt die Würdigung des Mittelstandes und des Handwerks. Zu Recht! Das Handwerk besteht überwiegend aus Kleinbetrieben. Diese drohen kaum mit Abwanderung und flüchten nicht ins nächste Steuerparadies. Sie sorgen stattdessen für Beschäftigung, Ausbildungsplätze und ortsnahe Versorgung, auch und gerade in den strukturschwachen und ländlichen Regionen, wo das Handwerk deshalb viel zur Lebensqualität beiträgt. Über 10 Prozent der Erwerbstätigen und fast 30 Prozent der Auszubildenden in Deutschland sind im Handwerk tätig. Doch wenn es um längst überfällige Verbesserungen für die Handwerkerinnen und Handwerker geht, wird es still in den Reihen von CDU/CSU, FDP, SPD und Grünen. Zu groß sind offensichtlich die Furcht, einzugestehen, dass die bisherige Handwerkspolitik verbesserungswürdig ist, und die Scheu, sich mit den Profiteuren der etablierten Strukturen in den Handwerkskammern anzulegen. Wen wundert das, wo Politik und Kammern immer wieder durch personelle Verstrickungen auffallen. Ausbaden müssen die Versäumnisse der Politik die vielen Kleinst- und Kleinunternehmen im Handwerk, für die die Beitragssätze viel zu hoch sind, die Handwerkerinnen und Handwerker der meisterfrei gestellten Anlage-B-Gewerke, in deren Bereich die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten drastisch sank, und die freien Handwerkerinnen und Handwerker, die immer wieder einer regelrechten Verfolgung durch die Ordnungsämter wegen angeblicher Schwarzarbeit ausgesetzt sind. Mit unseren beiden heute zur Abstimmung stehenden Anträgen wollen wir endlich die Evaluierung der Handwerksnovelle von 2004 und bessere Handwerkskammern. In unserem Antrag "Handwerksnovelle evaluieren, hohes Qualifikationsniveau sicherstellen" fordern wir die Bundesregierung auf, die Handwerksreform von 2004 grundlegend zu evaluieren. Damals wurden die umfangreichsten Änderungen seit Bestehen der Handwerksordnung vorgenommen. Es sollte sich von selbst verstehen, die Auswirkungen einer solch umfassenden Reform zu evaluieren. Wie haben sich die Zahlen zu sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen in den meisterpflichtigen und meisterfreien Gewerken entwickelt? Wie sieht es mit der Ausbildungsleistung aus? Wie viele Insolvenzen gab es in den verschiedenen Gewerken? Konnte die Qualität der erbrachten Leistungen aufrechterhalten werden? Auch die Fraktion der CDU/CSU forderte 2003 - damals noch in der Opposition - in einem Antrag eine Überprüfung der neuen Regelungen jeweils nach sieben Jahren. Das sei "ein Gebot der Vernunft". Es müsse festgestellt werden, welche Auswirkungen die Neuordnung der Handwerksnovelle für die Betriebe nach sich gezogen hat, und gegebenenfalls müssen Anpassungen bei der Zuordnung in die Anlagen A und B vorgenommen werden - so die CDU/CSU damals. Eine Evaluierung der Handwerksordnung wurde auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition 2005 angekündigt - und steht dennoch bis heute aus. Offenbar fehlt der politische Wille, die Geschicke des Handwerks positiv mitzugestalten. Die Bundesregierung redet sich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage von uns zur Situation in den Handwerkskammern bei der Frage nach einer Evaluierung mit der "bestehenden Datenlage" heraus. Hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Es liegt in der Verantwortung der Bundesregierung, die Erfassung der notwendigen Daten zu veranlassen. Eine verantwortungsvolle Handwerkspolitik setzt differenziertes Zahlenmaterial voraus. Keine Frage, die duale Ausbildung ist ein großer Schatz. Keine Frage, hohe Qualifikationsstandards im Handwerk müssen aufrechterhalten werden. Allerdings müssen auch die alternativen Möglichkeiten des Zugangs zur Selbstständigkeit im meisterpflichtigen Handwerk bei gleichwertiger Qualifikation großzügig anerkannt werden. Der Meistertitel soll als Qualifikationsnachweis dienen, darf aber nicht zur Marktabschottung missbraucht werden. In dem zweiten von uns vorgelegten Antrag geht es darum, die Situation in den Handwerkskammern zu verbessern. Um die Frage der Pflichtmitgliedschaft geht es in unserem Antrag erst einmal nicht. Schon gar nicht geht es darum, die sinnvollen Aufgaben der Kammern ersatzlos zu streichen, also Ausbildung, Prüfungsabnahmen, Beratungsangebote - die dahin gehend reflexartig vorgebrachten Unterstellungen der anderen Fraktionen, sobald die Kammern kritisiert werden, greifen nicht -, auch wenn perspektivisch diskutiert werden muss, ob die Kopplung der Eintragungsverpflichtung zur Erledigung der hoheitlichen Aufgaben mit der allgemeinen Mitgliedschaft sinnvoll ist. Denn die Pflichtbeiträge ermöglichen finanziell vielfältige weitere Tätigkeiten der Kammern, die nicht zwingend im Interesse der Mitglieder sind. Zu einigen Problemfeldern, die wir mit unserem Antrag angehen wollen: Obwohl die Bundesregierung eine Wahl der Mitglieder der Vollversammlung als oberstem Organ einer Handwerkskammer für den "Regelfall" hält, gab es in den 53 Handwerkskammern bei den alle fünf Jahre stattfindenden Vollversammlungswahlen seit 1953 gerade einmal drei - drei! - wirkliche Wahlen. Sonst stand nur eine Liste zur Auswahl - das heißt, es gab keine Auswahl -, und die Wahlhandlung entfiel. Für nichtorganisierte Handwerkerinnen und Handwerker ist es äußerst schwer, auf eine Liste zu kommen, geschweige denn eine komplette Gegenliste zu organisieren. Problematisch ist außerdem, dass der für die Zusammenstellung der Liste relevante Interessenausgleich auf branchentypische und teilweise regionale Typisierungen reduziert wird. Inhaltliche Punkte spielen keine Rolle. Für die Wählerinnen und Wähler ist nicht klar, wer für was steht. Fehlende Veröffentlichungspflichten, ungerechte Beitragsordnungen und politische Äußerungen der Handwerkskammerpräsidenten oder Aufgabenwahrnehmung jenseits der hoheitlichen Pflichtaufgaben ohne vorherige demokratische Beschlussfassung sorgen darüber hinaus für Unzufriedenheit unter den Pflichtmitgliedern. Unser Antrag "Handelskammern demokratisieren und transparent gestalten" trägt diesem Unmut Rechnung. Wenn Sie es schon nicht über sich bringen, Anträgen der Linken zuzustimmen, dann bringen Sie wenigstens eigene Anträge zur Evaluierung der Handwerksnovelle und zur besseren Organisation der Handwerkskammern ein! Denn das ist - um Ihre Worte zu verwenden - ein Gebot der Vernunft. Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kurz vor knapp, das heißt kurz vor Ende dieser Legislatur, findet auch das Handwerk noch einmal seinen Platz in der Plenardebatte. Das ist gut so. 1 Million Betriebe, 5 Millionen Beschäftigte und über 400 000 Auszubildende, das sind beeindruckende Zahlen, die zeigen, wie tief das Handwerk in der deutschen Wirtschaft verankert ist. Auch und gerade für die Energiewende ist die Rolle klar: Ohne das Handwerk würde nichts vorwärtsgehen, ohne das Handwerk gäbe es keine Energiewende. Das fängt bei der Wärmedämmung an und geht über den Anlagenzubau bis hin zur Installation und Wartung. Ich denke, wir alle sind uns darüber einig, welche wichtige Rolle der oftmals familiengeführte Handwerksbetrieb für das Dorfleben bedeutet. Umso mehr beschäftigt mich der aktuelle Trend weg vom dörflichen Ortskern hin zum Discounter auf der grünen Wiese. Ich kenne es aus meinem Wahlkreis - es ist eine furchtbare Entwicklung -: Immer mehr Bäcker müssen zumachen, weil in Gewerbegebieten große Discounter und Vollsortimenter Konkurrenz machen. Wie nachhaltig ist das? Fertigaufbackware statt traditioneller Arbeit, schlechte Erreichbarkeit für Menschen ohne eigenes Auto. Vor allem ältere Leute werden von der Versorgung abgeschnitten und der Dorfbäcker oder -metzger als sozialer Treffpunkt geht verloren. Aber heute geht es um einen anderen Aspekt: In Ihrem Antrag kritisieren Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Linken, dass in den Handwerkskammern die Wahlen oft nicht transparent und demokratisch ablaufen. Sie tun dies nicht ganz zu Unrecht. Es kommt durchaus vor, dass Wahlhandlungen ausfallen, Vollversammlungen von Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern dominiert sind und es keine Veröffentlichungspflichten gibt. Deshalb fordern Sie eine Anpassung der Wahlordnung und die Einführung von Veröffentlichungspflichten. Außerdem soll die Bundesregierung engere Vorgaben für die Beitragsfestsetzung machen, um Klein- und Kleinstbetriebe zu entlasten. Der Duktus unterstellt, alle Handwerkskammern seien per se undemokratisch und intransparent. Auch wenn die Vorwürfe mit Sicherheit nicht ganz aus der Luft gegriffen sind und die Abläufe zum Teil alles andere als offen und demokratisch sind, wollen wir an dieser Stelle zu einer moderateren Sichtweise aufrufen. Als Sprecher für die verschiedensten Branchen und Gewerke haben Handwerkskammern keine leichte Aufgabe. Immerhin vertreten sie rund 960 000 Mitglieder. Und Lobbypolitik ist nicht alles, was Handwerkskammern zu ihren Aufgaben zählen: Sie regeln die Berufsausbildung und sind in ihrem Kammerbezirk für das fachliche Prüfungswesen verantwortlich. Grundsätzlich stimmen wir darin überein, bestehende Defizite zu beseitigen und verlorengegangenes Vertrauen in diese Strukturen wieder aufzubauen. Dass die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Kammern bis dato ihre Gehälter nicht offenlegen müssen, sorgt nicht gerade für weniger Kritik am Kammersystem. Zu Recht: Die Mitglieder haben ein Recht auf Transparenz, und sie haben ein Recht auf wirklich demokratische Wahlen. Auch die Friedenswahlen gehören abgeschafft, Parität zwischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehört hergestellt und eine Umstellung auf das Verhältniswahlrecht muss erfolgen. Angesichts der Kampfprosa, die diesen Antrag durchzieht, enthalten wir uns jedoch. In Ihrem anderen Antrag widmen Sie sich der Handwerksnovelle von 2004. In dem Zusammenhang wurde die Meisterpflicht als Voraussetzung zur selbstständigen Berufsausübung in 53 Gewerken aufgehoben. Sie wollen nun, dass die Auswirkungen der Novelle evaluiert werden. Es sollen die notwendigen Daten dazu erhoben werden und zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus soll zukünftig der Gesellenbrief als Mindestqualifikation vorgeschrieben werden, um sich in einem Handwerk der Anlage B selbstständig machen zu können. 2014 sind es zehn Jahre seit Inkrafttreten der Handwerksnovelle. Nur noch solche Gewerke, bei deren Ausübung Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter entstehen können, haben die Meisterpflicht als Berufszugangsvoraussetzung. Man kann sich also auch ohne Meistertitel grundsätzlich selbstständig machen. Damit wurden ein großes Beschäftigungshemmnis abgebaut und ein Anreiz für Existenzgründung und zur Steigerung der Selbstständigenquote geschaffen. Jetzt, nach fast zehn Jahren, ist es überfällig, zu prüfen, ob und inwiefern die gewünschten Ziele durch die Novelle von 2004 auch erreicht wurden. Die Bundesregierung kann dazu nicht einmal einen Datenbestand bereitstellen. Deshalb würden wir diesem Antrag der Linken sehr gerne zustimmen; auch wir wollen die Handwerksnovelle evaluieren und dadurch erkennen, wo nachgebessert werden muss und welche Änderungen positive Effekte hatten. Allerdings gibt es da einen Haken: In Ihrem Antrag ist der zweite Schritt dem ersten vorweggenommen. Wie unter Punkt 4 und 5 zu lesen ist: Sie wollen, dass zukünftig der Gesellenbrief als Mindestqualifikation vorgeschrieben wird, um sich in einem Handwerk der Anlage B selbstständig machen zu können. Bevor wir einem solchen Vorschlag zustimmen können, müssen wir doch erst wissen, was die Folgen aus der Handwerksnovelle von 2004 waren. Deshalb können wir hier kein grünes Licht geben. Aber noch einmal, auch in eigener Sache: Wir sehen das Kammernprinzip nur dann weiter vertretbar, wenn die Organisationen transparenter und demokratischer werden. Außerdem sehen auch wir die Schwierigkeit, dass kleine und mittlere Unternehmen mit ihren Interessen zum Teil unterrepräsentiert sind. Handwerkskammern übernehmen eine Vielzahl von Aufgaben. Sie sind aufgrund der Wahrnehmung dieser öffentlich-rechtlichen Aufgaben als Körperschaften des öffentlichen Rechts durch gesetzliche Grundlage zur Erhebung von Pflichtbeiträgen ihrer Mitglieder ermächtigt. Diese Rechtsgrundlage bedarf allerdings immer wieder einer Legitimation. Die immer wieder vorgebrachten Kritikpunkte sehen daher auch wir als problematisch an. Insbesondere das Demokratiedefizit stellt infrage, inwiefern die Kammern tatsächlich die Interessen aller zugehörigen Unternehmen und Angestellten repräsentieren. Die geringe Wahlbeteiligung darf nicht dazu verleiten, bequeme Friedenwahlen abzuhalten. Vielmehr muss das geringe Engagement ein Ansporn sein, herauszufinden, wie die Beteiligung verbessert werden kann. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Wirtschaftsausschusses auf Drucksache 17/12561. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9220. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD bei Enthaltung der Grünen gegen die Stimmen der Linken angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9221. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Nahezu das ganze Haus hat für diese Beschlussempfehlung gestimmt. Die Linken sind dagegen. Tagesordnungspunkt 34: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Kultur und Medien (22. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar G. Wöhrl, Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter erhöhen - Initiative der Bundesregierung verstetigen und ausbauen - zu dem Antrag der Abgeordneten Siegmund Ehrmann, Lars Klingbeil, Martin Dörmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Ein Pakt für die Kreativwirtschaft - Drucksachen 17/12383, 17/12382, 17/13486 - Berichterstattung: Abgeordnete Dagmar G. Wöhrl Siegmund Ehrmann Reiner Deutschmann Dr. Petra Sitte Tabea Rößner Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Johannes Selle (CDU/CSU): Wir diskutieren heute die Anträge "Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft weiter erhöhen - Initiative der Bundesregierung verstetigen und ausbauen" der FDP-Fraktion und meiner Fraktion und "Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Ein Pakt für die Kreativwirtschaft" der SPD-Fraktion. Die Debattenzeit zur Einbringung der Anträge am Vormittag des 22. Februar 2013 war der Bedeutung des Themas angemessen. Die Kultur- und Kreativwirtschaft hat deshalb einen sehr hohen Stellenwert, weil hervorragende Industrieprodukte und Innovationen Kreativität und kulturelles Umfeld benötigen. Deutschland wird um die seit vielen Jahrzehnten gewachsenen Strukturen beneidet. Und darum ist es wichtig, diesem Themenkreis permanent die nötige Aufmerksamkeit zu widmen. Über 1 Million Kinder besuchen Musikschulen, 7 Millionen Menschen sind in Chören engagiert oder musizieren. Es gibt 50 000 Rock-, Pop- und Jazzbands. Kulturelles Leben ermöglicht kreative Teilhabe, stärkt damit unser Gemeinwesen und letztlich die Demokratie. Das Thema Kultur-und Kreativwirtschaft hat uns im Ausschuss für Kultur und Medien immer wieder beschäftigt; so fand zum Beispiel am 14. April 2013 im Ausschuss ein Gespräch mit fachkundigen Gästen und dem Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Hans-Joachim Otto statt. Die Anwesenden waren sich einig, dass die Bundesregierung in dem Bereich sehr viel erreicht, ja dass die Entwicklung eine eigene Dynamik entwickelt hat. Im Jahre 2007 war es möglich, dieses Thema im Konsens zu behandeln. Das hatte auch eine positive Wirkung auf die Kreativen selbst. Wie Christoph Backes, Geschäftsführer vom u-institut für unternehmerisches Denken und Handeln, im Kulturausschuss anmerkte, wurde durch diesen fraktionsübergreifenden Anstoß das Thema nicht direkt mit Partei verbunden und sei dadurch in den Kommunen und in den Ländern auf fruchtbaren Boden gefallen. Man könnte über Impulse aus dem SPD-Antrag durchaus diskutieren; wenn aber im Antrag der SPD das erfolgreiche Behandeln des Themas durch die Bundesregierung abgetan wird als Verspielen der Chancen, wird die Absicht erkennbar, den Konsens auf jeden Fall zu verlassen. Die Etablierung eines Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft sowie von acht Regionalbüros bildeten einen Schwerpunkt der "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung". Als ein eindrückliches Beispiel will ich in diesem Zusammenhang das Projekt "Filmportal" nennen. Im Rahmen der "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" unterstützt die Bundesregierung den Ausbau der technischen Infrastruktur von "filmportal.de". Mit bislang 14 Millionen Nutzern hat sich "filmportal.de" als die zentrale Onlineplattform für umfassende Informationen zum deutschen Film etabliert. Betrieben wird das Portal vom Deutschen Filminstitut, DIF e. V., in Frankfurt am Main. Die Hauptaufgabe des Kompetenzzentrums, geeignete und passende Fördermöglichkeiten für die Kreativen zu erkunden, ist eine sehr wichtige Maßnahme. Kreative sind oft Kleinstunternehmer ohne eigenes Kapital, die nicht wissen, wie sie Zugang zu Finanzierung finden können, ja die oft auch gar keinen Zugang erhalten, weil sie eben ohne Eigenkapital sind. Sie müssen sich vernetzen, sich gegenseitig stützen. Durch das Kompetenzzentrum erhalten sie die notwendigen Informationen. Kreative sehen sich nicht als Unternehmer, wissen oft nicht, dass sie Wirtschaftsförderung in Anspruch nehmen können. Die Kultur- und Kreativwirtschaft als Thema ist vom Freistaat Thüringen mit großem Engagement aufgenommen und vorangetrieben worden. Für die elf selbstständigen Teilbranchen entsteht in Weimar gerade ein Gründerzentrum für Kreative, das in diesem Herbst fertiggestellt werden soll. Klein- und Kleinstunternehmer und Freiberufler sind der Kern der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Bruttowertschöpfung dieser Branche ist, was kaum jemand wahrnimmt, höher als die in der Automobilbranche oder im Maschinenbau. Sie liegt bei 62,6 Milliarden Euro. So erwirtschaftete die Branche im Jahre 2009 einen Umsatz von über 131 Milliarden Euro. In diesem Wirtschaftsbereich sind rund 237 000 Unternehmen tätig, die Quote der Selbstständigen ist außergewöhnlich hoch. Es gibt bereits über 1 Million Beschäftigte in diesem Bereich. Es sind gerade die frühzeitigen Förderhilfen, die erheblich zum Erfolg beitragen. Positiv hervorzuheben ist das zum 1. Januar 2008 eingeführte "KfW-StartGeld". Dieses richtet sich an Gründer, kleine Unternehmen, Freiberufler, deren Gesamtfremdfinanzierungsbedarf maximal 50 000 Euro beträgt. Auf Anregung der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" hat die Bundesregierung die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen auf Auslandsmärkten verstärkt, die Startbedingungen für Unternehmensgründungen und Kleinunternehmen verbessert und die Finanzierungsmöglichkeiten erweitert. Wir sehen: Die Kultur- und Kreativwirtschaft trägt erheblich zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Gesamtwirtschaft bei. Wir wollen mit unserem Antrag die erfolgreiche Arbeit fortsetzen und die Aktivitäten weiter ausbauen. Als Schwerpunkt soll das deutsche Handwerk in den Blick genommen werden. Kunstfertigkeiten werden hier in Familienbetrieben bewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben. Den Bedürfnissen des Handwerks als Teil der Kreativen gehört nunmehr die verstärkte Aufmerksamkeit. Kulturelle Bildung als Voraussetzung für kulturelles Verstehen und kreatives Schaffen sollte wie selbstverständlich unsere Gesellschaft durchdringen, von frühkindlicher Bildung über schulische und auch außerschulische Aktivitäten. Auch hier werden wir flächendeckend Angebote fördern und ausbauen. Wohlstand, soziale Sicherheit, gut bezahlte Arbeitsplätze hängen in Deutschland besonders von der Kultur- und Kreativwirtschaft ab. Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU): Es kommen hier zwei Anträge zur abschließenden Beratung, die sich beide mit der Situation und künftigen Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft befassen. Die Koalitionsfraktionen ebenso wie die SPD haben ihre Gedanken und Konzepte formuliert, wie die Kultur- und Kreativwirtschaft weiter gestärkt werden kann. Machen wir uns noch einmal klar, dass wir hier über einen der am stärksten boomenden Wirtschaftszweige sprechen; der Jahresumsatz beläuft sich auf 130 Milliarden Euro! Die private Kultur- und Kreativwirtschaft rangiert, was die Zahl der Arbeitsplätze anbetrifft, auf Augenhöhe mit der Autoindustrie. Mehr als 244 000 Unternehmen, zum großen Teil Kleinstunternehmer und Freiberufler, mit bundesweit fast 1 Million Beschäftigten machen das kreative Potenzial dieser Branche aus. Die Zahl der Unternehmensgründungen und die Umsatz- und Beschäftigtenzahlen in dieser Branche steigen stetig an. Dieses Potenzial ist aber längst noch nicht ausgeschöpft, und wir wollen mit unserem Antrag weitere positive Entwicklungen voranbringen. Wir haben 2007 zur Förderung der Branche die "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" aufgelegt, und ich durfte seinerzeit das Projekt als Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium mit aus der Taufe heben. Die Initiative beruhte auf einem überfraktionellen Antrag, und es ist überaus erfreulich, dass - das zeigt die Debatte über die beiden vorliegenden Anträge - die Kultur- und Kreativwirtschaft Thema in den Fraktionen ist. Die bisherige Bilanz der "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" kann sich sehen lassen. Heute berät im Rahmen der Initiative das 2009 gegründete Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft in Eschborn Kreative und Kulturschaffende in acht Regionalbüros sowie bundesweit in mehr als 70 weiteren Städten. Um das kreative Wachstumspotenzial zu fördern, gehen die Angebote von der gezielten Beratung, Begleitung und Vernetzung von Unternehmen und Selbstständigen über Möglichkeiten zur Präsentation auf internationalen Messen bis hin zur Ausschreibung von Wettbewerben. Bereits zum dritten Mal wurde 2012 wieder die Auszeichnung "Kultur- und Kreativpiloten Deutschland" für besonders innovative Konzepte vergeben, und der Wettbewerb 2013 läuft aktuell. Das Konzept ist also durchaus erfolgreich. Die SPD-Fraktion allerdings meint mit ihrem Antrag zu einem Kreativpakt das Rad neu erfinden zu müssen. Sie nimmt sich des Themas in der für sie typischen Weise an und stellt eine Vielzahl von Forderungen, in Teilen nachvollziehbar, aber im Ganzen - durchaus kennzeichnend für die Sozialdemokraten - wieder einmal ohne Hinweis auf Bezahlbarkeit, mit Neigung zu staatlicher Vereinnahmung und einem sehr umfassenden Regelungsanspruch, der - darauf hat in den Verhandlungen Wolfgang Börnsen aufmerksam gemacht - bis in die Kulturkompetenzen der Länder und Kommunen hineingehen würde. All das erklärt sie mit einer großen Abhandlung über den gesellschaftlichen Wandel, wofür sie natürlich auch den ideologischen Überbau aus sozialdemokratischer Sicht liefert. Der gesellschaftliche und vor allem der technische Wandel sind unbestritten, und ich stimme durchaus einer Forderung zu, die dahin geht, im Sinne der Kultur- und Kreativwirtschaft noch stärker ressortübergreifend zusammenzuarbeiten. Die gute Zusammenarbeit zwischen Bundeswirtschaftsministerium und dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien hat sich sehr bewährt und im Wesentlichen zum bisherigen Erfolg der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft beigetragen. Es ist daher erstrebenswert, das fortzuführen und auszuweiten. Aber ich wende mich entschieden dagegen, die positiven Entwicklungen, die durch die "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" ihren Ausgang genommen haben, nun vor dem Hintergrund des Wahlkampfes kleinreden zu lassen und die erfolgreichen Strukturen infrage zu stellen. Kurz und gut: Der Antrag der SPD-Fraktion widerspricht unserer Grundauffassung nach so wenig Staat wie möglich gerade im kreativen Bereich, bringt uns aber mit der Forderung, ein Gesamtkonzept für die Förderung der Kreativwirtschaft vorzulegen, kein Stück weiter, außer darin, dass die bisherigen Erfolge der 2007 ins Leben gerufenen "Initiative Kultur und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" herabgewürdigt würden. Es bedarf keines neuen Konzeptes, sondern wir brauchen eine Evaluierung und Neuausrichtung der bestehenden Initiative in allen Bereichen, um erfolgreich weiterarbeiten zu können. Und wir müssen insbesondere die Weiterentwicklung der neuen Medien und die in den vergangenen Jahren gewonnenen Kenntnisse über die Branche darin einbeziehen. Wir wollen die "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" als - wohlgemerkt - Erfolgsmodell weiterentwickeln. Mir ist deshalb auch wichtig, dass wir die Förderformate an die Branchenstruktur anpassen, sodass auch kleine und Kleinstunternehmen von Förderprogrammen besser profitieren können. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist lebendiger Mittelstand. Wir müssen das Handwerk einbeziehen in die Kreativwirtschaft. Kreativwirtschaft findet im Netz statt, ja, aber sie findet auch im Handwerk statt, sehr viel länger schon, sehr viel greifbarer und mindestens mit ebensolchem wirtschaftlichen Erfolg wie im Netz. Wir dürfen das Handwerk nicht vernachlässigen. Es birgt enormes Innovationspotenzial. Aber es hält auch altes Wissen fest. Wir dürfen angesichts lauter Newcomer nicht die sprichwörtlich Letzten ihres Standes vergessen. Uns würde, wenn wir das unberücksichtigt ließen, enormes Kulturwissen verloren gehen, das kein noch so gutes digitales Netz ersetzen kann. Wir müssen spezielle Beratungsangebote für Frauen schaffen. Sie machen mehr als die Hälfte der Beschäftigten in diesem Bereich aus. Wir müssen sie als Unternehmerinnen wahrnehmen, denn über 40 Prozent der Selbstständigen sind Frauen. Woanders wünschen wir uns solche Quoten. Die Frauen brauchen und verdienen auf sie zugeschnittene Angebote. Wir setzen mit unserem Antrag die "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung" und ihre Erfolge nicht auf null, wie es die SPD vorhat, sondern wir machen die Entwicklungen mit und wollen bestehende Programme anpassen und neue entwickeln. Dass wir dabei den weiteren gesetzgeberischen und Reformbedarf angesichts der rasanten Entwicklungen vor allem im Technologiebereich und in der Netzpolitik nicht aus den Augen lassen werden, ist klar. Unser Antrag wird die Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland weiter voranbringen. Siegmund Ehrmann (SPD): Es ist erfreulich und war auch für die Branche hilfreich, dass wir im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft viele Wege gemeinsam gegangen sind. Die Gründung der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft beruhte 2007 auf einem fraktionsübergreifenden Konsens und hat sich als richtig erwiesen. Das ist ein guter Anfang, auf dem man sich jetzt aber nicht ausruhen darf. Sechs Jahre sind für eine so dynamische Branche wie die Kultur- und Kreativwirtschaft eine Ewigkeit. Und wenn Sie nun daran appellieren, dass es gut gewesen wäre, auch weiter gemeinsam zu gehen, dann muss ich sagen: Das hätten wir machen können, aber nicht in Ihrem Schleichtempo. In dieser Legislaturperiode haben sich die Koalitionsfraktionen nicht sehr viel weiterbewegt. Das zeigt auch Ihr Antrag in anschaulicher Weise: Er besteht überwiegend aus Bravo, Schulterklopfen, Weiter-so. Zu den drängenden Fragen, die die Rahmenbedingungen der Kultur- und Kreativwirtschaft betreffen, haben Sie keine Lösungsvorschläge. Sie identifizieren nicht einmal die Stellen, an denen es Entwicklungsbedarfe gibt: kein Wort über das Urheberrecht, kein Wort über Netzpolitik, keine substanzielle Aussage zur sozialen Sicherung derjenigen, die in den Kultur- und Kreativbranchen arbeiten. Dieser Antrag enthält nur Luft. Wie so oft läuft die Koalition Entwicklungen lieber hinterher, anstatt proaktiv und vorausschauend ihre Gestaltungsaufgabe wahrzunehmen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat einen anderen Ansatz gewählt und hat mit ihrem Kreativpakt in einem intensiven Dialog- und Arbeitsprozess mit Künstlern, Kreativen, der Wirtschaft und der Wissenschaft die Stellen identifiziert, wo Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, wo Regelungen fehlen oder überkommen sind, wo wir einfach besser werden können und auch werden müssen, um das große und ständig wachsende Potenzial der Kultur- und Kreativwirtschaft zu fördern. Wir haben diese Stellen nicht nur identifiziert, wir haben auch viele konkrete Lösungsvorschläge unterbreitet. Eines ist uns im Laufe dieses Prozesses mehr und mehr klar geworden: Man muss die Dinge zusammen denken. "Alles hängt mit allem zusammen" - dieser Satz stimmt umso mehr in einer vernetzten, globalisierten, dezentralisierten Welt. Deshalb haben wir in unserem Kreativpakt auch fachübergreifend zusammengearbeitet, mit der Kultur-, der Wirtschafts-, Netz- und Rechtspolitik. Das war eine sehr positive Erfahrung, die ich auch den Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen empfehlen kann. Je komplexer die Welt ist, desto weniger bringt es, diese Dinge isoliert zu betrachten. Das gilt auch für die Bedeutung der Kulturförderung, für die Kultur- und Kreativwirtschaftsförderung. Die kulturelle Infrastruktur, die unabhängig von Marktpotenzialen gefördert wird, ermöglicht es, dass sich kreative Begabungen in der Gesellschaft überhaupt entfalten können. Diese Effekte stellen sich allerdings kaum ein, wenn die Kulturförderung nur in sich selbst verharrt und an Leuchtturmprojekten vollzogen wird. Wir wollen eine aktivierende Kulturförderung, die nicht nur Institutionen fördert, sondern vor allem die kulturelle Infrastruktur und Konzepte, damit mehr Raum für innovative Ideen entsteht. Dazu muss sich die Kulturpolitik ändern; sie darf sich nicht scheuen, klare Ziele zu definieren, die sie im gemeinsamen Diskurs mit den beteiligten Akteuren entwickelt. Auch hierfür hat meine Fraktion in dieser Legislaturperiode Vorschläge gemacht. Am Beispiel der Bundesmusikförderung haben wir ausgelotet, wie konzeptbasierte Förderung aussehen könnte und mit welchen Verfahren man zu einer solchen Förderung kommt. Ich weiß und finde es bedauerlich, dass die Koalitionsfraktionen sich auch in dieser Frage vor ihrer Gestaltungsverantwortung scheuen: Bevor es zu anstrengend wird, lassen wir lieber alles, wie es ist. - Mit dieser Einstellung verspielen Sie die großen Potenziale, die Deutschland in der Kultur- und Kreativwirtschaft eigentlich hat. Für das Kultur- und Kreativland Deutschland wäre es wünschenswert, wenn wir im fraktionsübergreifenden Konsens voranschreiten würden, aber bitte nicht im Schleichgang. Wir sind schon einmal vorgegangen; kommen Sie gerne mit! Lars Klingbeil (SPD): In der SPD-Bundestagsfraktion haben wir uns im "Projekt Zukunft - Deutschland 2020" mit wichtigen Gestaltungsfeldern, die für das nächste Jahrzehnt gestaltet werden müssen, befasst. Und die Kreativwirtschaft ist einer dieser Bereiche. Im Antrag "Ein Pakt für die Kreativwirtschaft" haben aber nicht nur viele meiner Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Bundestagsfraktion mitgearbeitet. Er ist auch das Ergebnis eines intensiven Dialogs. Den vielen kreativen Köpfen, die im Kreativpakt zwischen Politik, Wirtschaft und Kreativen mitgearbeitet haben, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Als Reaktion auf unseren Antrag hat auch die Regierungskoalition auf ihren letzten Metern vermeintlich ihr Herz für die Kreativwirtschaft entdeckt. Doch man reibt sich beim Lesen Ihres Antrages die Augen: In Ihren warmen Worten zitieren Sie ellenlang aus Empfehlungen der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland", die vor mehreren Jahren unter der Vorgängerregierung formuliert wurden. Doch Sie haben nicht eine der vielen Empfehlungen der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" aufgegriffen und umgesetzt. Wir stellen fest: warme Worte, keine Taten. Weder bei der Förderung innovativer Projekte und Geschäftsmodelle noch bei der sozialen Absicherung von Selbstständigen haben Sie Verbesserungen für die in der Kreativwirtschaft Beschäftigten erreicht. Wir haben dazu in unserem Antrag zum Kreativpakt weitreichende und konkrete Vorschläge unterbreitet. Ich möchte auf einen Aspekt des Kreativpakts konkreter eingehen, der mir besonders am Herzen liegt, denn ein freies und leistungsfähiges Internet ist im 21. Jahrhundert immer häufiger Grundlage von Kreativität und neuen Geschäftsmodellen. Wir möchten im Bereich der Netzpolitik Zugang zum Internet als demokratisches Bürgerrecht, flächendeckenden Zugang zu leistungsfähigen Internetanschlüssen auch in ländlichen Regionen für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft, eine gesetzliche Universaldienstverpflichtung für flächendeckende Breitbandversorgung, Zugang zum WLAN in öffentlichen Räumen ermöglichen und durch eine Änderung der WLAN-Betreiberhaftung mehr Rechtssicherheit für die Anbieter, Netzneutralität und die Diskriminierungsfreiheit der Infrastrukturen und Inhalte als die Grundlage für ein freies, offenes und innovationsfreundliches Internet gesetzlich absichern, mehr Transparenz staatlichen Wissens durch Open-Data-Projekte, das Informationsfreiheitsgesetz um ein Transparenzgesetz erweitern mit dem Ziel, möglichst alle für die Öffentlichkeit relevanten Datenbestände, Statistiken, Dokumente und sonstige öffentlich finanzierten Werke frei im Internet zugänglich zu machen, und schließlich einen wirksamen Datenschutz und Schutz der Persönlichkeitsrechte; denn alle Bürgerinnen und Bürger sollen souverän über ihre persönlichen Daten bestimmen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat im Kreativpakt mit Künstlern, Wissenschaft und Kreativschaffenden ein klares Ziel formuliert: Gemeinsam wollen wir das Potenzial der Kreativwirtschaft weiterentwickeln. Dazu haben wir in unserem Antrag ein Konzept vorgelegt: Die in der Kreativwirtschaft Beschäftigten müssen verlässlich sozial abgesichert sein. Die Rahmenbedingungen kreativer Arbeit - vom Urheberrecht über die Netz- und Bildungspolitik bis zur Kultur- und Wirtschaftsförderung - müssen auf die Höhe der Zeit gebracht werden. Um das umzusetzen, braucht es einen Regierungswechsel, damit warmen Worten auch Taten folgen. Kreativität ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Die SPD-Bundestagsfraktion mit dem Kreativpakt fördert diesen Rohstoff. Reiner Deutschmann (FDP): Warum ist der christlich-liberalen Koalition die Kultur- und Kreativwirtschaft so wichtig? Wir wissen, dass Kreativität nicht von alleine kommt und sich erfolgreich in unserem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben entwickelt. Auch die Herausbildung von Kreativität kann und muss man fördern. Gerade in einem Land wie Deutschland sind Ideen die wichtigste Ressource, über die wir verfügen und die uns in der momentan wirtschaftlich stabilen Lage hält. Kreativität und Wohlstand gehören für uns Liberale zusammen. Ohne Kreativität entstehen kein Wohlstand, keine Jobs und kein auskömmliches Leben. Zugleich erfüllt und bereichert Kreativität in Form von Kunst und Kulturangeboten unser gesamtes gesellschaftliches Leben. Ohne Kultur als Antriebskraft ist unsere Zivilisation so nicht denkbar. Wie ich bereits in der ersten Lesung erklärt habe, befindet sich die Kultur- und Kreativwirtschaft mit ihren unterschiedlichen Teilbereichen auf Augenhöhe mit der deutschen Automobil- oder Chemieindustrie. Dass dies so ist, ist Resultat der harten Arbeit der Kreativen. Deshalb tut der Bund das Seine, um kreatives Schaffen in Deutschland zu unterstützen. Mit ihrer Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft bietet die Bundesregierung den Kreativen Deutschlands ein seit Jahren bewährtes hervorragendes Werkzeug an, um die Wettbewerbsfähigkeit und Innovativkraft dieses Wirtschaftszweiges zu stärken. Wie ich in der ersten Lesung unseres Antrags "Wettbewerbsfähigkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft erhöhen - Initiative der Bundesregierung verstetigen und ausbauen" dargelegt habe, sind wir grundsätzlich sehr zufrieden mit dem Erreichten. Die regelmäßigen Monitoring-Berichte geben uns recht, dass jeder in die Initiative investierte Euro eine sinnvolle Maßnahme darstellt. Ziel unseres Antrages ist es, die Potenziale des Kultur- und Kreativsektors noch stärker bewusst zu machen und die Vernetzung mit anderen Bereichen zu fördern. Länder wie Österreich machen es uns vor: Gerade im Bereich Kulturtourismus kann man durch gezielte Aktionen einen Mehrwert für die gesamte Wirtschaft unseres Landes erzielen. Mit unserem Antrag knüpfen wir an die bestehende Initiative der Bundesregierung an. Einer umfassenden Überarbeitung des Konzeptes, so wie dies die SPD fordert, bedarf es aus unserer Sicht nicht. Vielmehr halten wir an dem bestehenden Rahmen ausdrücklich fest. Die Kultur- und Kreativwirtschaft ist eine Branche, die zwei Welten berührt: Zum einen geht es um Kulturgüter, zum anderen geht es um Wirtschaftsgüter. Wenn uns nun die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorwirft, der Antrag sei zu wirtschaftsfokussiert, dann geht dieser Vorwurf ins Leere. Natürlich haben die verschiedenen Ministerien und Einrichtungen der Bundesregierung unterschiedliche Zuständigkeiten. Die klassische Kulturförderung ist völlig zu Recht beim Bundesbeauftragten für Kultur und Medien angesiedelt. Die Wirtschaftsförderung erfolgt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Da kann es nicht ausbleiben, dass sich unser Antrag auch mit Wirtschaftsfragen beschäftigt. Schließlich ist das Bundeswirtschaftsministerium mit der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft auch im Wesentlichen der Adressat unseres Antrages. Durch die sehr gute Zusammenarbeit zwischen dem BMWi und des BKM wird aber beiden Gütern Gerechtigkeit zuteil. Eine Sonderposition in unserem Antrag räumen wir der kulturellen Bildung ein, da ohne sie die Kreativität nicht zur Entfaltung kommen könnte. Für uns Liberale ist die kulturelle Bildung einer der wichtigsten auslösenden Faktoren für Kreativität. Ohne sie entsteht kein Kunst- und Kulturgut, entsteht kein Internet-Start-up und entsteht keine Innovation in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Darum bekennen wir Liberale uns ganz ausdrücklich zur Förderung der kulturellen Bildung im Verbund mit der vorschulischen und schulischen Ausbildung unserer Kinder und Jugendlichen. Unser Antrag baut auf den Erfolgen der Vergangenheit auf und entwickelt diese weiter. Damit geht die christlich-liberale Koalition einen zielorientierten und damit richtigen Weg. Es bringt nichts, das Rad andauernd neu zu erfinden, wie die SPD es mit ihrem Antrag versucht. Deswegen werden wir den Antrag der SPD ablehnen. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Enquete-Kommissionen "Internet und digitale Gesellschaft" und "Kultur in Deutschland" haben 2007 und 2013 einiges an Fakten zusammengetragen zu Zusammensetzung und Zustand der Kreativbranche sowie der Lage der dort arbeitenden Menschen. Dem Bundestag liegen also durchaus genug eigene Materialien vor, anhand derer ein Überblick über Struktur und Problemlage möglich gewesen wäre. Umso unverständlicher, dass die Koalitionsfraktionen die schweren sozialen Ungleichheiten in diesem Sektor in ihrem Papier einfach ignorieren. Da hilft es dann auch nicht mehr viel, dass sie sich im Gegensatz zur SPD in ihrem Antrag zur Kreativbranche immerhin Fragen der Geschlechtergerechtigkeit annehmen. Denn die prekäre Lage der Kreativen in Deutschland trifft Frauen besonders hart. Wer diese Lage nicht wahrhaben will, kann dann auch kaum etwas dagegen tun. Die SPD dagegen hat sich ansonsten hier in ihrem Rundumschlag deutlich näher an den Realitäten der Branche orientiert. Die Kollegen orientieren sich recht umfassend an den Chancen und Folgen der Digitalisierung für die Kreativwirtschaft. Die dabei vorgeschlagenen grob geschnitzten Maßnahmen kommen durchaus oft aus der richtigen Richtung. Zum Beispiel der faire Interessenausgleich zwischen Urhebern, Nutzern und Verwertern klingt gut, genauso die Schaffung eines durchsetzungsstarken Urhebervertragsrechts oder die Reform der Verwertungsgesellschaften, die diese transparenter machen und die Ausschüttungspraxis fairer gestalten soll. Mir ist nur nicht ganz klar, warum es bei dieser Oberflächlichkeit bleibt. Zum einen gibt es von der SPD selbst hier und da konkretere Vorschläge. Zum anderen standen in den vergangenen Wochen auch von der Linken Lösungsvorschläge für die genannten Themen hier im Bundestag zur Abstimmung, die wunderbar zur Grundrichtung des Papiers gepasst hätten. Hier wurde aber lieber aus falsch verstandener Abgrenzung gegen uns gestimmt, als ein Zeichen für notwendige Reformen zu setzen. Schade. Ich will dies an einem konkreten Beispiel veranschaulichen: Sie wollen ein offenes WLAN fördern und dazu die Haftungsunsicherheiten beseitigen. Ihr konkreter Antrag dazu war ein zahnloser Vorschlag, der die Rechtslage nicht geändert hätte. Unser linker, auch von den Grünen unterstützter Antrag, der auf eine Initiative des Vereins Digitale Gesellschaft zurückgeht, hatte eine Lösung vorgeschlagen, die das rechtssichere Bereitstellen offener WLANs für jedermann und jede Frau ermöglicht hätte. Sie wollten nicht zustimmen. Wenn die SPD in allen anderen Feldern auch künftig so mutlos agieren wird, ist ihr vorgeschlagener Kreativpakt leider nur bedingt ernst zu nehmen. Das wäre insofern schade, als das wirklich vieles im Argen liegt. Wir brauchen analog zum Mindestlohn Mindesthonorare für Freiberufler und Soloselbstständige. Wir brauchen eine Neuregelung der Anwartschaft im Hinblick auf das Arbeitslosengeld I. Wir müssen, wie im SPD-Antrag zu Recht vermerkt, die Künstlersozialkasse nicht nur erhalten, sondern stärken. Übrigens hätte auch der SPD die tiefergehende Lektüre des in den Enquete-Berichten versammelten Wissens gutgetan. Dann hätte sie sich nämlich vielleicht nicht nur mit dem privatwirtschaftlichen Teil der Kreativbranche auseinandergesetzt. Denn diese lebt von der Vernetzung von Privatwirtschaft, dem frei-gemeinnützigen Sektor und dem Bereich der öffentlichen Förderung. Und sie leidet am Rückzug der öffentlichen Hand aus dem Kreativbereich und am Schrumpfen des freien Sektors. Die wirtschaftliche Lage der Kulturschaffenden hat sich deshalb spürbar verschlechtert. Und es wäre dringend geboten, gerade den frei-gemeinnützigen Bereich und die Förderung durch die öffentliche Hand wieder zu stärken. Es geht mir dabei allerdings nicht um ein plumpes "mehr Staat", sondern um eine Vernetzung der drei Kreativbereiche. Das kann und soll dann auch bedeuten, dass die Kreativwirtschaft in die öffentliche Kulturförderung einbezogen wird, allerdings mit eindeutig kulturellen Zielsetzungen und deutlich mehr Transparenz bei der Verteilung. Es muss dabei - hier wiederum ist dem SPD-Antrag zuzustimmen - insgesamt eine Öffnung von unter anderem Planungs-, Entscheidungs- und Vermittlungsprozessen forciert werden. Eine solche Öffnung wird neue Formen der dringend gebotenen Vernetzung und Zusammenarbeit innerhalb der Kreativbranche ermöglichen und erleichtern. Und sie sind ein guter Baustein für neue Formen von Gemeinwirtschaft. Mit etwas mehr Mut und etwas weniger Glauben an Markt und Staat könnte ein Kreativpakt damit Impulsgeber sein dafür, dass die Kreativbranche nicht nur mit allen sozialen Härten und ökonomischen Verwerfungen Vorreiterin eines digital getriebenen Strukturwandels ist, sondern ein gutes Beispiel, wie diese Umwälzungen positiv für neue Formen des Miteinander-Schaffens nutzbar gemacht werden können. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ganz offensichtlich flankiert hier die Koalition den umfassenden Antrag der SPD mit einem ihrer Schaufensteranträge. Der Fokus liegt einzig und allein auf einer Ökonomisierung von Kunst und Kultur. Der Wert der kulturellen Bildung liegt für die Koalition beispielsweise in erster Linie auf kultureller Bildung als "wesentlicher Grundlage für einen wirtschaftlichen Erfolg". Wir dagegen erkennen den Wert kultureller Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen jenseits des "Kosten-Nutzen-Denkens" und fordern Maßnahmen für mehr Teilhabe an kultureller Bildung - unabhängig vom Geldbeutel! Die florierende Kreativwirtschaft in Deutschland zu preisen, wie im Antrag der Koalition, reicht bei weitem nicht aus. Für eine Selbstbeweihräucherung diesbezüglicher politischer Unterstützung besteht aus unserer Sicht kein Anlass. Sicherlich ist die Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung sinnvoll. Aber angesichts der Diskrepanz zwischen dem enormen wirtschaftlichen Erfolg der Kreativwirtschaft und der stagnierend prekären Einkommenssituation ihrer Wertschöpfer besteht akuter Handlungsbedarf, was die Koalition offenbar völlig verkennt. In diesem Kontext wirken die Forderungen der Koalition nahezu zynisch: Die "öffentliche Debatte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kultur- und Kreativschaffende" soll "weiter vorangetrieben werden, um den bestmöglichen Nutzen für alle Akteure zu erzielen". Öffentliche Debatten sind wichtig, aber die Koalition hatte jetzt eine ganze Legislaturperiode Zeit, um endlich die notwendigen politischen Konsequenzen zu ziehen aus den alarmierenden Fakten zur Situation von Kreativen, Künstlerinnen und Künstlern in unserem Land. Von einer "weiteren Untersuchung des Innovationsbeitrags der Kultur- und Kreativwirtschaft", wie die Koalition in ihrem Antrag fordert, wird sich die soziale und wirtschaftliche Lage von Künstlerinnen und Künstlern nicht verbessern. Mit der Schönfärberei ihres Antrags gelingt es der Koalition nicht, zu verschleiern, dass in dieser Legislaturperiode auf ganzer Linie verpennt wurde, entscheidende Maßnahmen umzusetzen. Im heute zur Debatte stehenden Antrag der Koalition werden die geplanten Maßnahmen der Bunderegierung zur weiteren Stabilisierung der Künstlersozialversicherung begrüßt. Aber mittlerweile hat die Koalition ihr wahres Gesicht offenbart: Im Gesetzentwurf zur Neuregelung bundesunmittelbarer Unfallkassen hat die Koalition ihre eigene Regelung zur Verpflichtung der Deutschen Rentenversicherung zur vierjährigen Überprüfung abgabepflichtiger Unternehmen wieder gekippt. Dieser Vorgang ist ein Armutszeugnis für die Kulturpolitik dieser Bundesregierung! Schöne Pressefotos mit Angela Merkel im Schulterschluss mit der Kulturszene ersetzen keine effektive und nachhaltige Kulturpolitik. Sowohl in der Problemanalyse als auch bei den Handlungsvorschlägen im Antrag der SPD gibt es viele Überschneidungen mit unseren Forderungen, was die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage von Künstlerinnen und Künstlern betrifft. Beinahe alle von der SPD genannten Vorschläge haben wir in dieser Legislaturperiode bereits in Einzelanträgen eingebracht. Das betrifft beispielsweise die Reform des Krankengeldbezuges, die Einführung einer Ausstellungszahlung und Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen im Kulturbetrieb. Ein Antrag dazu wurde von der SPD noch ergänzend zu der hier zur Debatte stehenden Vorlage nachgereicht. Was eine Reform des ALG-I-Bezuges betrifft, sind unsere Forderungen weitreichender als die der SPD: Wir wollen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld bereits für alle gilt, die innerhalb von zwei Jahren mindestens vier Monate in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt haben. Im Unterschied zur SPD fordern wir zudem eine befristete Vermittlungspause, in der Arbeitslosengeldbeziehende ausschließlich selbst für ihre berufliche Integration verantwortlich sind. Den Reformbedarf beim Urhebervertragsrecht für eine solide finanzielle Lebengrundlage Kreativschaffender erkennt auch die SPD, bleibt hier aber sehr unkonkret. Wir haben auch für diesen Bereich einen Antrag vorgelegt, indem wir unter anderem eine Auskunftspflicht seitens der Verwerter und Vermittler über den Umfang und die Erträge durch Werknutzungen fordern. Weniger Übereinstimmungen haben wir mit der SPD bei Maßnahmen zur Kulturförderung: Im Zehnjahresrhythmus sollen jeweils 10 Millionen Euro in die Hand genommen werden, um zehn Städte oder Regionen nach dem Vorbild des Hauptstadtkulturfonds von Bundesseite zu unterstützen. Dieser Vorschlag enthält viele Fragezeichen: Anhand welcher Kriterien sollen die zehn Städte und/oder Regionen ausgewählt werden? Ist der finanzielle Bedarf entscheidend oder die Dichte der zu unterstützenden Kulturlandschaft? Eine der drängendsten Aufgaben bei der Kulturfinanzierung besteht darin, Lösungen zu definieren, wie Länder und Kommunen beim Erhalt und Ausbau ihrer Kulturlandschaften unterstützt werden können. Darauf warten wir seitens der Koalition vergeblich, und auch die SPD bietet keine Antwort. Wir haben einen Vorschlag: Perspektivisch wollen wir das Aufkommen durch die Erbschaftsteuer verdoppeln. Dadurch sehen wir eine Möglichkeit, Länder und Kommunen auch für die Kulturfinanzierung besser auszustatten. Kulturförderung umfasst mehr als Finanzierungsmodelle, es geht auch um Visionen für mehr Teilhabe an Kultur. Wir Grünen stehen für eine Öffnung der Institutionen. Alle Menschen unserer Gesellschaft sollen die Möglichkeit zur Teilhabe an Kultur erhalten. In unserem Antrag für eine transparentere Bundeskulturförderung fordern wir daher auch verbindliche Rahmenbedingungen, damit Menschen mit geringerem Einkommen, mit Migrationshintergrund oder mit Behinderung gleichermaßen von öffentlich finanzierten Kulturangeboten profitieren können. Auch die SPD hat in der Vergangenheit die willkürliche und intransparente Kulturförderpraxis seitens des Kulturstaatsministers scharf kritisiert. Aber wie die SPD einen Kulturentwicklungsplan zu fordern, ohne konzeptionelle Ideen anzubieten, das ist uns zu wenig. Wir haben einen ausführlichen Antrag vorgelegt, in dem wir unsere Forderungen für eine Neuausrichtung der Bundeskulturförderung zugunsten von mehr Transparenz, mehr konzeptioneller Gestaltung und mehr Beteiligung an Entscheidungsprozessen dargelegt haben. Beispielsweise halten wir es für notwendig, dass zukünftig eine Fachjury, die mit Expertinnen und Experten aus den Kunst- und Kulturbranchen besetzt ist, den BKM sowie den Haushalts- und Kulturausschuss bei Förderentscheidungen beraten soll. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen damit zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Kulturausschusses auf Drucksache 17/13486. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Annahme des Antrags der Fraktionen von CDU/CSU und FDP auf Drucksache 17/12383. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12382. Wer stimmt dafür? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 35: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs (DaBaGG) - Drucksache 17/12635 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksache 17/14190 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Jan-Marco Luczak Andrea Astrid Voßhoff Dr. Edgar Franke Mechthild Dyckmans Halina Wawzyniak Ingrid Hönlinger Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Dr. Jan-Marco Luczak (CDU/CSU): An den Gesetzentwurf zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs ist auch eine Materie angehängt, die uns schon recht lange beschäftigt. Ich spreche von der Vereinfachung des Verfahrens nach der Grundstücksverkehrsordnung. Es hat lange gedauert und intensiver Diskussionen mit den neuen Bundesländern bedurft, bis wir hier und heute dieses Thema im Einvernehmen mit den Ländern zu einem guten Abschluss bringen können. Worum geht es bei der Grundstücksverkehrsordnung? Nach der Grundstücksverkehrsordnung unterliegt die Veräußerung eines Grundstücks sowie die Bestellung eines Erbbaurechts an einem Grundstück einer besonderen Genehmigungspflicht, wenn die Immobilie in den neuen Bundesländern liegt. Sinn der Genehmigungspflicht ist es, etwaige Restitutionsansprüche von Alteigentümern nach dem Vermögensgesetz abzusichern; denn das Vermögensgesetz enthält nur ein schuldrechtlich ausgestaltetes Verbot, über anmeldebelastete Vermögenswerte zu verfügen. Gäbe es die Genehmigungspflicht nicht, könnte der vermögensrechtliche Anspruch durch die Veräußerung des Grundstücks vereitelt werden, weil ein gutgläubiger Erwerber unbelastetes Eigentum erwerben kann. Der Alteigentümer kann dann zwar gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend machen, sein Grundstück bekommt er aber nicht zurück. Das will die Genehmigungspflicht verhindern. Wir wollen sicherstellen, dass der vermögensrechtliche Grundsatz "Rückgabe vor Entschädigung" auch praktisch umgesetzt wird. Die Lösung der offenen Vermögensfragen im Zuge der Wiedervereinigung ist eine der wichtigsten und zugleich schwierigsten Herausforderungen, die wir in den letzten Jahrzehnten zu meistern hatten. Heute können wir zum Glück sagen: Das ist fast vollständig bewältigt. Nach Angaben des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen sind über 99 Prozent der vermögensrechtlichen Anmeldungen im Immobilienbereich auf Rückübertragung im Verwaltungsverfahren erledigt. Das ist ein tolles Ergebnis. Dennoch gibt es auch heute noch eine große Zahl von Kauf- bzw. Grundstücksverträgen, die der Genehmigung bedürfen. Nach bisheriger Gesetzeslage entsteht dadurch ein hoher Verwaltungsaufwand. Das kostet Zeit und Geld. In den neuen Bundesländern besteht daher das dringende Bedürfnis nach Erleichterung des Grundstücksverkehrs. Gleichzeitig sollen die Alteigentümer natürlich nicht ihrer Rechte verlustig gehen. Diese beiden sich gegenseitig hemmenden Ziele vereinen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Wie schaffen wir das? Den Grundstücksverkehr wollen wir durch eine zielgenaue Ergänzung im Vermögensgesetz erleichtern: Wir schaffen das neue Institut des sogenannten Anmeldevermerkes. Dieser Anmeldevermerk bezieht sich auf Grundstücke und Erbbaurechte, für die innerhalb der Ausschlussfrist des § 30 a Vermögensgesetz ein Antrag auf Rückübertragung gestellt worden ist. In diesen Fällen ersucht das jeweilige Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen das zuständige Grundbuchamt, einen Anmeldevermerk in das Grundbuch einzutragen. Damit wird für jeden Interessenten an dem betreffenden Grundstück klar ersichtlich, dass es sich um eine Immobilie handelt, die Rückübertragungsansprüchen ausgesetzt ist. Ein etwaiger guter Glaube wird also zerstört; ein lastenfreier Erwerb scheidet aus. Umgekehrt gilt: Wird der Antrag auf Rückübertragung in der Folgezeit bestandskräftig abgelehnt, zurückgenommen oder für erledigt erklärt, ist wieder das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen gefordert. Das entsprechende Grundbuchamt muss unverzüglich um Löschung des Anmeldevermerks ersucht werden. Mit dieser Regelung erreichen wir ein deutliches Mehr an Rechtssicherheit. Der Grundstücksverkehr kann deutlich effizienter abgewickelt werden; denn diese Möglichkeit der Eintragung eines Anmeldevermerks, die jedem Alteigentümer die Möglichkeit eröffnet, seine vermögensrechtlichen Ansprüche zu sichern, dient umgekehrt als Ausgangspunkt, um zu sagen, dass in allen anderen Fällen, wo also kein Anmeldevermerk eingetragen bzw. beantragt ist, von einer Genehmigungspflicht abzusehen ist. In diesen Fällen können Grundstücke also ohne weiteren Verwaltungsaufwand veräußert werden. Richtig ist, mit unserem Gesetzentwurf kommen auf das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen zusätzliche Aufgaben zu. Dessen Arbeitsbelastung wird zunächst ansteigen; denn die Recherche der anmeldebelasteten Grundstücke zur Feststellung der grundbuchgenauen Bezeichnung muss von diesem durchgeführt werden. Es entsteht auch ein zusätzlicher Aufwand bei den Grundbuchämtern, weil diese Anmeldevermerke eintragen und gegebenenfalls später löschen müssen. Diesen Mehraufwand halte ich aber für vertretbar, weil umgekehrt das gesamte Verfahren des Grundstücksverkehrs in den neuen Bundesländern um ein Vielfaches erleichtert wird. Dieser Recherche- und folglich auch Eintragungsaufwand beim Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen und bei den Grundbuchämtern braucht natürlich etwas Zeit; sie muss schließlich mit aller Sorgfalt durchgeführt werden. Die Ergänzung der Grundstücksverkehrsordnung soll daher erst dann in Kraft treten, wenn die Anmeldevermerke zur Sicherung der noch unerledigten Rückübertragungsansprüche vollständig im Grundbuch eingetragen werden konnten. Das sollte am 1. Januar 2017 der Fall sein. Diese Gesetzesänderung beschleunigt den Grundstücksverkehr in den neuen Bundesländern deutlich. Wir kommen damit einer vielfach erhobenen Forderung nach, hier ein effizientes und kostengünstiges Verfahren bereitzustellen. Unnötige finanzielle Belastungen von Immobilienkäufern etwa durch Bereitstellungszinsen und Gebühren werden vermieden und letztlich auch Investitionen in den neuen Bundesländern gefördert. Gleichzeitig stellen wir mit diesem Gesetzentwurf sicher, dass kein Alteigentümer Angst haben muss, vermögensrechtliche Ansprüche zu verlieren. Den Sicherungsgedanken und das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" halten wir also aufrecht. Unter dem Strich ist das ein sehr guter Gesetzentwurf, für den ich um Ihre Zustimmung werbe. Andrea Astrid Voßhoff (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf stellt die christlich-liberale Koalition die Weichen für ein ambitioniertes Zukunftsprojekt im Bereich der Justiz und - hier genauer gesagt - im Bereich des Grundbuch-wesens. Mit dem Gesetzentwurf zur Einführung des Datenbankgrundbuches schaffen wir die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür, das bisherige Verfahren für ein elektronisches Grundbuch weiter zu modernisieren und zu optimieren. Bereits mit dem kürzlich verabschiedeten Gesetzentwurf zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs hat die christlich-liberale Koalition eine weitere entscheidende Weichenstellung zur weiteren Modernisierung der Justiz vorgenommen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf setzen wir diesen Kurs fort. Die Modernisierung des Grundbuchwesens ist entscheidende Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Immobilienverkehr und die Kreditsicherung im Bereich des Grundstücksverkehrs. Ein funktionierendes und technisch zukunftsorientiertes Grundbuchwesen ist dazu unumgänglich, und wir wollen, dass dies so bleibt. Mit der Grundentscheidung im Jahr 1993 und in den Folgejahren wurde der Weg zur Einführung des elektronischen Grundbuches geebnet. In den Bundesländern ist das elektronische Grundbuch mittlerweile erfolgreich im Einsatz und trägt in entscheidender Weise zu einem schnellen und reibungslosen Grundbuchverkehr bei. Mit dem bisher bestehenden elektronischen Abrufverfahren können zum Beispiel Notare, Banken und Vermessungsingenieure nach einem strengen Zugangsverfahren mit entsprechender Kontrollmöglichkeit schnell und problemlos per Computer den aktuellen Grundbuchstand erfassen. Wir müssen aber auch erkennen, dass die rasante Fortentwicklung der IT-gesteuerten Anwendung nicht nur neue Möglichkeiten eröffnet, sondern vielmehr auch bestehende Systeme an Grenzen kommen lässt, die es zu beseitigen gilt. Die in zeitlich viel kürzeren Abständen fortentwickelte Anwendersoftware schafft neue Anwenderoptionen und erhöht die Datensicherheit. Dies gilt auch für die bisherige Ausgestaltung des elektronischen Grundbuches. Um das Grundbuch noch besser in den elektronischen Rechtsverkehr einbinden zu können, wollen wir für das elektronische Grundbuch auf die strukturierte Datenhaltung umstellen. Das strukturierte Datenbankgrundbuch ermöglicht neue Recherche- und Auskunftsmöglichkeiten, eine zielgerichtetere Suche und eine effizientere Bearbeitung von Eintragungsanträgen durch das Grundbuchamt. Die Einführung des elektronischen Datenbankgrundbuches ist trotz der dargelegten Vorteile gleichwohl ein außerordentlich ambitioniertes Vorhaben. Langfristig müssen alle 16 Bundesländer ihre bisher bestehenden elektronischen Grundbücher auf das strukturierte Datenbankgrundbuch umstellen. Das betrifft circa 36 Millionen Grundbücher im Rechtssinne mit weit mehr als 400 Millionen Seiten und den darin enthaltenen Daten, die auf strukturierte Datensätze umzustellen sind. Dies erfordert eine einheitliche Software zur Umstellung und künftigen Verarbeitung der Grundbuchinformationen. Um den Ländern hier den notwendigen Gestaltungsspielraum, aber auch Planungssicherheit zu geben, schaffen wir mit diesem Gesetzentwurf den Rechtsrahmen zur flexiblen Einführung des elektronischen Datenbankgrundbuches in den Ländern. Für die christlich liberale Koalition ist dabei von entscheidender Bedeutung, den Weg zur Einführung des strukturierten Datenbankgrundbuches zu ebnen, aber auch kritisch und konstruktiv zu begleiten. Mit der den Ländern eingeräumten Gestaltungsfreiheit zur Umstellung wird es in der derzeit zeitlich unbefristeten Umstellungsphase eine unterschiedliche Grundbuchdatenbankstruktur geben. Zudem ist ein durchaus hoher Personalaufwand zur Datenumwandlung notwendig. Auch wurde in dem vom Rechtsausschuss anberaumten Berichterstattergespräch von einem Sachverständigen angeregt, die Umwandlung auch zur Bereinigung des Grundbuchrechtes zu nutzen. Aus diesem Grund hält es die Koalition auch für notwendig, dass der Bundesgesetzgeber sich regelmäßig über den Fortgang der Einführung in den Ländern unterrichten lässt. Für meine Fraktion ist es in diesem Zusammenhang notwendig und geboten, die Frage nach dem Umsetzungsverlauf sorgfältig und intensiv zu begleiten. Die Bundesregierung soll daher dem Rechtsausschuss im Abstand von zwei Jahren über den Entwicklungsstand berichten. Ebenfalls wurde im Rahmen der parlamentarischen Beratungen erörtert, ob und inwieweit die Einsichtsrechte von Personen und Stellen beim automatisierten Abrufverfahren künftig zu erweitern sind. Aus Sicht meiner Fraktion gehört dazu unter anderem auch die Beantwortung der Frage, wie sowohl technisch als auch rechtlich die Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren insbesondere auch für Verwalter von Wohnungseigentum zu ermöglichen ist. Die nachgewiesene ordnungsgemäße Bestellung der Verwalter begründet bereits nach geltendem Recht ein berechtigtes Interesse derselben zur Einsicht in Abteilung I der Wohnungsgrundbücher. Wegen der stetig steigenden Anzahl von Wohneigentum in Deutschland ist es geboten, die Frage nach der Teilnahme am automatisierten Abrufverfahren zur elektronischen Einsicht aufzuwerfen und zu beantworten. Auf Initiative von CDU/CSU ist daher der Abschluss dieses Gesetzgebungsvorhabens mit dem konkreten Prüfauftrag verbunden, das nachvollziehbare und begründete Anliegen der bestellten Wohnungsverwalter im Rahmen der Ausgestaltung des strukturierten Datenbankgrundbuches zu klären. Insgesamt zeigt die christlich-liberale Koalition mit diesem Gesetzentwurf, dass die Entwicklung der elektronischen Kommunikation vor der Justiz nicht haltmachen darf und soll. Mit dem Gesetzentwurf zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs, aber auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Einführung des elektronischen Datenbankgrundbuches schafft die Koalition den notwendigen Rechtsrahmen zur Weiter- und Fortentwicklung einer modernen, bürgernahen Justiz. Ich werbe daher um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf. Dr. Edgar Franke (SPD): Das Grundbuch ist ein wichtiges Register, das sich im deutschen Rechtssystem schon über lange Zeit bewährt hat. Die genaue Dokumentation eines Grundstücks macht die Eigentumsverhältnisse für jeden nachvollziehbar. Außerdem sind Grundstücke und Immobilien im Allgemeinen eine bevorzugte Sicherheit für Kredite, was die Dokumentation noch umso wichtiger macht. Doch jedes System stößt an seine Grenzen, und so wird von allen, die mit dem Grundbuch arbeiten, erwartet, dass dieses immer auf den neusten Stand gebracht wird. Mittels des digitalen technischen Fortschritts, unter der Berücksichtigung des Datenschutzrechts natürlich, ist dieses heute technisch möglich. Daher finde ich die Einführung des Datenbankgrundbuches einen Schritt in die richtige Richtung. Diese Veränderung würde eine immense Erleichterung für alle Beteiligten bedeuten. Das Grundbuch wird eine neue, einfachere Ansichtsform erhalten, was für die Nutzer ein zusätzliches Angebot darstellt. Während heute alle Daten zwar elektronisch gespeichert sind, stehen diese nur als eine Bilddatei zur Verfügung, auf der alle Informationen zu sehen sind. Mit dem vollstrukturierten Datenbankgrundbuch könnte man gezielt differenzierte Informationen abfragen, und man bräuchte keine Experten, die einzelne Einträge heraussuchen und erklären. Ich möchte Ihnen dieses an einem Beispiel verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, es soll eine Trasse von Hamburg nach Hannover gebaut werden. Mit dem neuen Datenbankgrundbuch könnten nun ganz einfach und schnell die Eigentümer der betroffenen Grundstücke ermittelt werden, während dies nach dem heutigen Verfahren eine lange Zeit für die Recherche in Anspruch nehmen würde. Allerdings wäre es wünschenswert gewesen, den Gesetzentwurf durch die Änderung von § 133 der Grundbuchordnung zu erweitern, um auch die Gruppe der Wohnungseigentumsverwalter, WEG-Verwalter, in das automatisierte Datengrundbuchverfahren, einschränkend nur für Abteilung 1, einzubeziehen. In der Abteilung 1 des Grundbuchs sind die Eigentumsverhältnisse des jeweiligen Grundstücks verzeichnet. Es werden hier die Eigentümer sowie Datum und Grund des Eigentumsübergangs vermerkt. Die WEG-Verwalter werden allerdings im Gesetzentwurf von CDU/CSU und der FDP nicht erwähnt. Der Koalition wäre es ein Leichtes gewesen, auch jetzt schon eine Regelung für die Immobilienverwalter aufzunehmen, die ab dann gelten kann, sobald es technisch möglich wäre, Einsicht nur in Abteilung 1 zu nehmen. Dies wird voraussichtlich ab 2016 der Fall sein. Momentan sind Notare, Kreditinstitute und auch Rechtsanwälte als Einsichtsberechtigte nach § 133 GBO aufgelistet, während die WEG-Verwalter von dem Verfahren ausgeschlossen sind und nur Einsicht nehmen können, wenn sie ein berechtigtes Interesse darlegen oder von dinglich Berechtigten beauftragt werden. Die Sachverständigen haben bei der Anhörung dem Punkt widersprochen, dass die eingeschränkte Einsicht - zum Beispiel nur in Abteilung 1 - technisch nicht umsetzbar wäre. Sie ist es spätestens ab 2016. Wenn man will, dann geht es. Wir halten diesen Gesetzentwurf trotz des oben beschriebenen Kritikpunktes für ein wichtiges und zeitgemäßes Vorhaben und einen begrüßenswerten Schritt. Die Einführung des Datenbankgrundbuchs wird unser historisch entwickeltes Grundbuchsystem für das 21. Jahrhundert rüsten. Die SPD-Fraktion wird daher dem Entwurf zustimmten. Mechthild Dyckmans (FDP): Das Gesetz zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs hat das Ziel, das Grundbuch in Deutschland zu modernisieren und es damit an den entsprechenden Stand der Technik anzugleichen. Beginnend in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts wurde das Papiergrundbuch in den Bundesländern in ein elektronisches Grundbuch übertragen. Dieses elektronische Grundbuch beinhaltet das abfoto-grafierte Grundbuch auf einem digitalen Datenträger. Davon haben sowohl die Justiz als auch die Bürger profitiert. Die Einträge im elektronischen Grundbuch sind für die Bürger schneller einsehbar geworden. Die bisher für die Lagerung von Grundbuchbänden benötigten Büroflächen in den Amtsgerichten sind frei geworden und können anderen Nutzungen zugeführt werden. Auch die Aktentransporte innerhalb der Gerichte wurden reduziert. Seit 2009 besteht eine rechtliche Grundlage für den elektronischen Rechtsverkehr in Grundbuchverfahren. Damit wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Bundesländer geschaffen, die elektronische Einreichung von Anträgen, Erklärungen und sonstigen Dokumenten zum Grundbuchamt zuzulassen. Das Datenbankgrundbuch ist die Weiterentwicklung des elektronischen Grundbuchs. Das abfotografierte Grundbuch soll in eine digitale strukturierte Datenbank überführt werden. Diese strukturierte Datenbank ermöglicht eine wesentlich effizientere Nutzung der elektronischen Daten. So können diese beispielsweise für den elektronischen Rechtsverkehr mit den Gerichten und Behörden genutzt werden. Das Datenbankgrundbuch lässt aber auch übersichtlichere und den Bedürfnissen angepasste Darstellungsformen sowie neue Recherche- und Auskunftsmöglichkeiten zu. Zukünftig wird man dadurch auch auf einzelne Eintragungsmerkmale systematisch zurückgreifen können. Leitlinie für die Errichtung eines Datenbankgrundbuchs ist eine Verwaltungsvereinbarung, in der sich alle Bundesländer verpflichtet haben, sich an der Umsetzung zu beteiligen. Das langfristige Ziel dieser Vereinbarung ist ein bundesweit einheitliches Datenbankgrundbuch. Die Länder sorgen auch dafür, dass ein-heitliche Schnittstellen zu externen Nutzern des Grundbuches geschaffen werden, sodass es selbst bei unterschiedlichem Entwicklungsstand der Bundesländer nicht zu einer Zersplitterung im automatisierten Abrufverfahren kommt. Die Errichtung einer solchen vollautomatisierten und strukturierten Datenbank für das Grundbuch ist für die Länder mit einem erheblichen finanziellen Aufwand verbunden. Derzeit fehlt es jedoch an einer entsprechenden Rechtsgrundlage für diese Veränderungen. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf, der die Grundzüge einer solchen Datenbank festlegt, erhalten die Länder die notwendige Rechts- und Planungssicherheit für die weiteren Schritte. Durch einheitlich strukturierte Grundbuchdaten wird es möglich sein, einen vollständigen und grundbuchamtsübergreifenden Einblick in die Grundbuchdaten zu gewähren. Es wird zum Beispiel für Eigentümer sehr viel einfacher, ihre Grundbucheintragungen vollständig zu überblicken. Auch die Inhaber von Nutzungsrechten und anderen subjektiven Rechten können bestimmte Informationen an mehreren Grundstücken und in verschiedenen Amtsgerichtsbezirken in übersichtlicher Form einholen. Daneben wird es auch möglich sein, den Grundbuchausdruck auf verschiedene Arten darzustellen. Zurzeit sind Grundbuchblätter oft sehr umfangreich und daher nur schwer lesbar. Bei einem Datenbankgrundbuch kann man die Ansicht so einstellen, dass nur ein aktueller Ausdruck erstellt wird. Dieser weist dann nur den aktuellen, gültigen Grundbuchstand aus. Andere Darstellungsformen gehen jedoch nicht verloren. Der historische Ausdruck, der zum Beispiel auch alle Veränderungen und Streichungen ausweist, bleibt weiterhin als Standard erhalten. Auch die Verfügbarkeit von Daten wird sich mit einem Datenbankgrundbuch deutlich erhöhen. Bei allen Vorteilen, die ein Datenbankgrundbuch mit sich bringt, dürfen wir nicht vergessen, was das Grundbuch so wichtig für unseren Rechtsverkehr macht. Zum einen ist es Voraussetzung für den Rechtsverkehr mit Immobilien. Dieser ist ein wichtiger Bestandteil unserer Volkswirtschaft und muss uneingeschränkt funktionstüchtig sein. Zum anderen erzeugt das Grundbuch einen Rechtsschein als Gegenstand des öffentlichen Glaubens im Sinne von § 892 BGB, sodass jedermann auf die Richtigkeit des Grundbuches vertrauen darf. Deshalb erfordert die Datenübertragung aus dem bisherigen Grundbuch in das Datenbankgrundbuch - Migration - ein hohes Maß an Fachwissen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, muss das Verfahren mit größtmöglicher Sorgfalt durchgeführt werden, damit die Eintragungen inhaltlich korrekt erfolgen. Bei einer fehlerhaften Übernahme würden den Ländern enorme Haftungsrisiken entstehen. Die Freigabe des Datenbankgrundbuchs muss dem Rechtspfleger vorbehalten sein. Die gesamte Migration aller Grundbücher wird ein umfangreicher Prozess mit hohem personellen Aufwand. Dies bedeutet für die Länder eine große logistische und personelle Herausforderung. Durch den zentralen Abruf von Grundbuchdaten wird das Verfahren für den Kreis der Berechtigten - natürlich immer unter Beachtung des Daten-schutzes - wesentlich vereinfacht. Dabei ist das berechtigte Interesse an der Einsicht in die jeweilige Abteilung nachzuweisen und die Einsicht insoweit auf bestimmte Daten beschränkbar. Ob eine Erweiterung des Kreises der Personen und Stellen in Betracht kommt, die am automatisierten Grundbuchabrufverfahren teilnehmen, kann erst entschieden werden, wenn der Abruf durch technische Vorkehrungen zum einen auf bestimmte Inhalte eines Grundbuchblatts und zum anderen auf einzelne Grundbuchblätter beschränkt werden kann und darüber hinaus aufsichts- und datenschutzrechtliche Anforderungen gewahrt sind. Mit dem Gesetz legen wir heute den Grundstein für die Modernisierung und Zukunftssicherheit unseres bewährten Grundbuchs und passen es internationalen Standards an. Jens Petermann (DIE LINKE): Die Bundesregierung möchte das Grundbuchverfahren modernisieren und an die geänderten Anforderungen des Grundstücks- und Rechtsverkehrs anpassen. Die Initiative passt in eine Reihe von Modernisierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Mit einem modernen und schnellen Grundbuchverfahren wird auf die in den letzten Jahren geänderten Anforderungen im Grundstücks- und Rechtsverkehr reagiert. Unter Berücksichtigung internationaler technischer Standards soll das Verfahren zukunftssicher ausgestaltet und damit ein Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland geleistet werden. Das derzeitige Grundbuchverfahren funktioniert zwar noch, ist aber mittlerweile in die Jahre gekommen. Es entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Es ist aus technischer und organisatorischer Sicht nur bedingt für den kürzlich eingeführten elektronischen Rechtsverkehr geeignet. In den 1990er-Jahren wurde das elektronische Grundbuch eingeführt und stellte einen großen Modernisierungsschritt dar. Seitdem ist die technische Entwicklung rasant vorangeschritten, sodass Standards aus dem letzten Jahrtausend längst überholt sind. Wir befürworten ausdrücklich, dass der Fortschritt auch hier Einzug hält. Zum wiederholten Male ist aber die Art und Weise der Umsetzung kritikwürdig. Es wurde schon wieder der Weg der Verordnungsermächtigung gewählt. Das heißt, dass jede Landesregierung die Möglichkeit hat, per Rechtsverordnung ein Datenbankgrundbuch einzuführen. Ob und wann die jeweiligen Landesregierungen davon Gebrauch machen, entscheiden sie selbst. Nicht zuletzt werden dabei auch fiskalische Überlegungen eine Rolle spielen. Deshalb besteht die Gefahr, dass der jetzt schon bestehende Flickenteppich in der Justiz ausgeweitet wird. Länder, die es sich leisten können, führen das Datenbankgrundbuch ein, andere später oder gar nicht. Hier ist der Föderalismus schädlich. Der erwünschte Nutzen, die Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland und des Immobilienverkehrs, wird nur punktuell stattfinden können. Eine deutschlandweit einheitliche Einführung ist in jedem Fall einem Flickenteppich vorzuziehen. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Grundbuchämter verpflichtet werden, Grundbucheinsichten zu protokollieren und dem Grundstückseigentümer auf Verlangen Auskunft aus dem Protokoll zu erteilen. Die neu geschaffene Möglichkeit, dem Grundstückseigentümer mitzuteilen, wer Einsicht in das Grundbuch genommen hat, birgt allerdings auch Gefahren für diejenigen, die ein berechtigtes Interesse an der Auskunft über die Eigentumsverhältnisse haben. Es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Protokollierungspflicht schon jetzt gesetzlich geregelt wird, wenn, wie der Gesetzentwurf selbst konstatiert, noch unklar ist, ob sich ein solcher Auskunftsanspruch nicht bereits heute aus dem allgemeinen Datenschutzrecht ergibt. Schwarz-Gelb wäre nicht Schwarz-Gelb, wenn Sie nicht, wie in schöner Regelmäßigkeit, keinen Änderungsantrag zu Ihrem eigenen Gesetzentwurf einbringen würden. Vielleicht sollten Sie sich das Ziel setzen, in der nächsten Legislatur ausgereifte Gesetzentwürfe in dieses Hohe Haus einzubringen, ohne permanent Nachbesserungen hinterherschicken zu müssen. Nun schauen wir uns die Nachbesserung einmal an: Hier soll eine Senkung des Verwaltungsaufwandes bei der Veräußerung von Grundstücken in den neuen Bundesländern vorgenommen werden. Dort genießen Alteigentümer durch Anmeldung ihrer Ansprüche, verbunden mit einer Genehmigungspflicht für Verträge zur Grundstücksveräußerung, einen besonderen Schutz vor unrechtmäßigem Verkauf. Inzwischen sind über 99 Prozent der vermögensrechtlichen Anmeldungen im Immobilienbereich erledigt. Für die Zeit der faschistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945 beträgt der Erledigungsstand circa 77 Prozent. Nun soll das Bestehen der Anmeldung durch einen Vermerk im Grundbuch transparent gemacht werden. Damit sollen dann alle unbelasteten Grundstücke ab einem bestimmten Zeitpunkt unbeschränkt am Grundstücksverkehr teilnehmen. Doch es steht zu befürchten, dass es auch noch Fälle gibt, in denen der rechtmäßige Eigentümer seine Ansprüche noch nicht angemeldet hat. Ich bin der Ansicht, dass man bei jedem Grundstückgeschäft weiterhin prüfen sollte, ob eventuelle Rückübertragungsansprüche bestehen, sodass ich Sie auffordere, Ihren Änderungsantrag zu begraben. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im Jahre 1911 widmete der große Schriftsteller und Lyriker Georg Heym das folgende Gedicht einem Freunde zur Erbauung an stillen Sonntagen - ich zitiere aus Teil II -: Das Grundbuchamt Des Grundbuchamtes winterliche Trauer, Wenn in dem Märzwald wilde Vögel schrein, Und durch die Fenster schaut der Tag herein. Einäugig lehnt er an der nassen Mauer. Und seine Hand, die durch die Scheiben bricht, Die nicht zerbrechen, wandert durch den Saal, Wo viele Schläfer ruhn mit Häuptern kahl, Staub auf der Glatze, Staub auf dem Gesicht. O düstrer Aktenstaub im Amts-Gericht, Des dicker Rauch die alte Decke schwärzt, Und der erstickt das graue Morgenlicht. Ich kann Ihnen versichern, dass dieses wundervolle Gedicht, das ich angesichts der mir zur Verfügung stehenden begrenzten Zeit nicht in voller Länge vortragen darf, insgesamt nicht viel heiterer wird, sondern sich noch in weitaus düstere Abgründe hineinbegibt. Heym verarbeitete in diesem Werk seine im Jahr 1911 abgelegte Referendarstation beim Berliner Grundbuchamt. 100 Jahre später möchten wir, versunken im Zwiegespräch mit dem viel zu früh verstorbenen Georg Heym, diesem im besten aufklärerischen Gestus entgegenhalten: Aber das stimmt doch nicht länger! Der Fortschritt ist unaufhaltsam, wir haben doch gerade im Bereich der Grundbuchämter das E-Government eingeführt! Und die Umstellung der papiernen, ergo staubigen Grundbücher auf elektronische Datenhaltung wurde in den zurückliegenden zehn Jahren bereits weitgehend vollzogen, auch wenn die Länder hierbei unterschiedliche Geschwindigkeiten und Verfahren vorgelegt haben. Im nächsten Entwicklungsschritt zielt die jetzt vorgelegte Reform der Bundesregierung auf eine unstaubige, elektronische "strukturierte Datenhaltung" in der Form vorgegebener Standards und erweiterter Darstellungsformen der Inhalte sowie auch auf erweiterte elektronische Abrufmöglichkeiten. Ziel ist eine weitere Beschleunigung der Bearbeitungsverfahren und damit in erster Linie eine Erleichterung für die Grundstückswirtschaft und die dabei insbesondere und zumeist beteiligten Banken und Notare. Angesichts des vom Bundesjustizministerium eingeräumten enormen personellen und finanziellen Aufwandes der weiteren Elektronisierung ist dieser weitere Schritt des E-Government in Zeiten knapper Kassen keineswegs selbstverständlich. Juristen sind es schließlich seit über 100 Jahren gewohnt, Aktenstaub zu inhalieren, auch wenn nicht alle diese traumatisierenden Erfahrungen so luzide zu beschreiben vermochten wie Georg Heym. Zutreffend weist allerdings unter anderem das für die Umsetzung des Datenbankprojekts federführende bayerische Staatsministerium auf die gewaltige Anzahl von Vorgängen hin, die in den Grundbuchämtern täglich anfallen. Durch weitere Digitalisierungen könnte potenziell auch ein geringerer Aufwand erzielt werden. Auch im europäischen Vergleich zeichnet sich insgesamt eine gesteigerte Reformbereitschaft für den Bereich des Grundbuchwesens ab, weil die Schnelligkeit der Abwicklung als im wahrsten Sinne standortrelevant angesehen wird. Dies vermag nicht nur Unternehmen und Investoren zugutezukommen, sondern auch Privatleuten mit Immobilienbesitz. Freilich handelt es sich um ein auf Jahrzehnte angelegtes Projekt, das in besonders hohem Maße Bedenken provozieren wird. Erfahrungen mit staatlichen IT-Projekten wie zum Beispiel De-Mail oder ELENA zeigen die Probleme auf. Allerdings gibt es mit dem elektronischen Handelsregister auch ein zum Teil vergleichbares, bislang recht erfolgreich verlaufendes Projekt. Die angesichts der gewaltigen Bestände von 38 Millionen Grundbüchern ehrgeizige Umstellung auf eine strukturierte Datenbankhaltung verspricht viele Vorteile, darunter die Flexibilisierung der Darstellungen des Grundbuchinhaltes, die Einbindung in den elektronischen Rechtsverkehr und damit zum Beispiel die Onlinerecherchierbarkeit der Inhalte, die weitergehende Unterstützung der Grundbuchführung und die Vereinheitlichung unter anderem der Darstellungsformen. Gleichwohl muss der rechtlich komplexe Rahmen des Grundbuchrechts in Gestalt formeller wie materieller Anforderungen erhalten bleiben, weil damit konfligierende, zum Teil auch verfassungsrechtlich vorgegebene Rahmenvorgaben zum Ausgleich gebracht werden müssen. Soweit ersichtlich wurde dies im Entwurf ausreichend berücksichtigt. Den berechtigten Bedenken insbesondere des Bundes Deutscher Rechtspfleger hinsichtlich der sachlichen Unabhängigkeit des Rechts-pflegers wurde, soweit erkennbar, im Änderungsantrag durch eine öffnende Verordnungsermächtigung Rechnung getragen. § 71 a Abs. 2 Nr. 3 der Grundbuchverfügung zwingt die Grundbuchämter allerdings zu einer Aktualisierung von Angaben in der zweiten und dritten Abteilung des Grundbuches. Diese Anforderung stellt nach zwei übereinstimmenden Stellungnahmen im erweiterten Berichterstattergespräch eine Überforderung der Grundbuchämter dar, und es wird empfohlen, zumindest eine korrespondierende Mitwirkungspflicht der Katasterämter festzuschreiben. Mit Blick auf die tiefgreifenden Veränderungen besteht ohnehin eine Pflicht des Gesetzgebers zur Beobachtung der Umsetzung. Hier sollte gegebenenfalls nachgebessert werden. Das Grundbuch ist ein Rechtslagenregister. Seine Aussagen beziehen sich auf den Bestand der eintragungsfähigen Rechte und Vermerke, nicht etwa auf Grundstückstatsachen wie Lage, Nutzungsart und Grundstücksfläche; für Letztere ist das Kataster als öffentliches Register maßgebend. Das Grundbuch als Spiegel aller Rechtsverhältnisse am Grundstück ist mit einer Vermutungs- und Gutglaubenswirkung ausgestattet. Mit dem Begriff will man verdeutlichen, dass dingliche Rechte nach außen hin über einen Publizitätsträger erkennbar sind. Publizitätsmittel ist bei Grundstücken das Grundbuch. Das Grundbuch ist in erster Linie ein Instrument des Rechtsverkehrs. Grundbuch und Grundakten enthalten eine Fülle von Informationen aus dem persönlichen, familiären, sozialen, finanziellen, rechtlichen und wirtschaftlichen Bereich des Grundstückseigentümers, also der Individualsphäre des dinglich Berechtigten. Die Preisgabe dieser Daten gegenüber Dritten greift in sein informationelles Selbstbestimmungsrecht ein und bedarf stets eines Rechtfertigungsgrundes. Der Datenschutz ist im Grundbuchrecht deshalb ein wichtiger Faktor, der zu einer umfänglichen Entscheidungspraxis auch der Datenschutzbeauftragten in den Ländern geführt hat. Diese Praxis darf durch die Schaffung einer den technischen Möglichkeiten nach voll recherchierbaren Datenbankstruktur, die zweifellos viel Potenzial für innovative Anwendungen bietet, keinesfalls unterlaufen werden. In der weiteren technischen Umsetzung sollte deshalb darauf geachtet werden, in enger Abstimmung mit den Landesdatenschutzbeauftragten vorzugehen. Das mit dem Entwurf zur rechtlichen Klarstellung eingeführte Auskunftsrecht ist zu begrüßen, weil es die grundlegende Bedeutung der Transparenz gegenüber dem dinglich Berechtigten unterstreicht. Auch die weitgehenden Protokollierungspflichten, die entsprechend auch bei anderen datenschutzsensiblen Datenbanklösungen zur Anwendung kommen, um Zugriffe nachvollziehbar zu halten, sind dem Grundsatz nach zu begrüßen. Allerdings erscheint die erweiterte Speicherpflicht für Protokolldaten auf bis zu zwei Jahre als zu lang, weil die mit der Dauer der Speicherung einhergehenden, steigenden Risiken des missbräuchlichen zweckentfremdenden Zugriffs, zum Beispiel durch Behördenleitungen, zu weit gehen. Lassen Sie mich abschließend noch einmal Georg Heym zitieren, diesen großartigen, mit dem Grundbuchwesen so hadernden Dichter: Mit großen Federn hinterm morschen Ohre, Wenn dumpf der Mitternächte dunkle Hore Vom Turme langsam hallt ins stille Land. Dann sitzen sie im Grundbuchamt in Scharen Am langen Tisch. Sie schmieren Protokolle. Und riesig häuft es sich von Formularen. Kataster, Reinertrag, mit Windesschnelle. Abteilung III. Grundsteuermutterrolle, Und fröhlich wächst Parzelle auf Parzelle. Den Hoffnungen der Moderne, den unstrukturierten "Protokollen und Formularen" mit Digitalisierung beikommen zu können, wollen wir hier das Wort nicht reden. Die Gegenwart zeigt uns gleichwohl in Gestalt von Prism und Tempora bereits grundlegende Ambivalenzen dieser Entwicklungen auf. Aufgabe des Gesetzgebers ist es, in kluger Vermessung der Chancen und Risiken eine zeitgemäße Technisierung der Verwaltung zu gewährleisten und rechtliche Rahmenvorgaben zu machen. Dem Grundbuchamte mag dies beizeiten zu besserem Rufe verhelfen, bis ein anderer empfindsamer Geist sich berufen fühlen wird, dann das durchdigitalisierte Grundbuchamt zum Gegenstand seiner Betrachtungen zu machen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14190, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/12635 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD bei Enthaltung von Linken und Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 36: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Maisch, Dorothea Steiner, Ingrid Hönlinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Geplanten Verschleiß stoppen und die Langlebigkeit von Produkten sichern - Drucksachen 17/13917, 17/14201 - Berichterstattung: Abgeordnete Mechthild Heil Elvira Drobinski-Weiß Dr. Erik Schweickert Karin Binder Nicole Maisch Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Mechthild Heil (CDU/CSU): Der Antrag von den Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen ist ein Musterbeispiel von "gut gemeint", aber nicht "gut gemacht" oder besser: "nicht gut durchdacht". Auf den ersten Blick scheint es, als hätten sie ein Aufregerthema zum Wohle der Verbraucher aufgegriffen und würden diese nun vor der bösen Wirtschaft beschützen. Die stellt ihre Produkte nämlich angeblich absichtlich so her, dass sie kurz nach Ablauf der Garantie kaputtgehen. Klingt ja auch irgendwie einleuchtend: Der Kunde muss dann einen neuen Mixer, Rasierer oder Rasenmäher kaufen, und der Umsatz steigt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie machen es sich zu leicht! Ihr Antrag spiegelt einmal wieder Ihre naive Sicht auf die Welt und die Wirtschaft wider. Erstens. Es gibt keine Hinweise auf oder gar Beweise für geplanten Verschleiß, stellen die Stiftung Warentest und auch die Verbraucherzentrale fest. Zweitens. Für ein Unternehmen wäre es wirtschaftlich überhaupt nicht sinnvoll, Produkte zu produzieren, die schnell kaputtgehen. Enttäuschte Kunden greifen beim nächsten Mal einfach zu einer anderen Marke. Drittens. Es ist sehr teuer, langlebige Produkte herzustellen. Und nicht jeder braucht solche. Bestes Beispiel: Ein Hobbyheimwerker braucht keine Profibohrmaschine mit einer Lebensdauer von Tausenden von Stunden. Die würde er zwar nicht nutzen, muss die Leistung aber trotzdem zahlen. Deswegen stellen Experten auch fest, dass die Lebensdauer nicht begrenzt wird, um den Kunden zu ärgern, sondern um sein Nutzerprofil abzubilden. Die Bauteile eines Produkts sollten im besten Fall am Ende der vermuteten Gebrauchsdauer kaputtgehen. Dann hat der Käufer auch nur für die Leistung bezahlt, die er auch genutzt hat. Viertens. Es gibt Produkte in unterschiedlichen Preiskategorien. Billige Produkte können gar nicht so hochwertig produziert sein, dass sie lange halten. Und das wissen die Kunden auch. So schreibt die "Zeit" etwas provokant: "Obendrein sieht sich jeder lieber als Opfer arglistiger Hersteller - denn als Täter, dessen eigener Geiz das Unheil provoziert hat." So weit würde ich nicht gehen. Aber der geplante Verschleiß ist tatsächlich ein Mythos. Und jeder regt sich ja auch gern über die böse Wirtschaft auf, wenn einmal etwas kaputtgeht. Vor allem die Weiterentwicklung von technischen Geräten und Innovationen sorgt dafür, dass Verbraucher neue Produkte haben wollen. Klassischer Fall: Mobiltelefone. Das Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft an der TU Hamburg-Harburg hat 4 000 von Hamburger Bürgern aussortierte Mobiltelefone untersucht. Ergebnis: Etwa 70 Prozent der entsorgten Handys waren funktionsfähig. Und hier ist der eigentliche Ansatzpunkt! Denn wir brauchen keine verpflichtende Lebensdauer von Produkten. Wir brauchen einen anderen Umgang mit unseren Produkten. Und der wird kommen, so prognostizieren Experten, und zwar nicht, weil es die Politik vorschreibt, sondern weil es im Interesse von Wirtschaft und Verbrauchern ist. Der Trend geht dahin, Gebrauchsgegenstände nicht mehr zu kaufen, sondern zu mieten, zum Beispiel Kaffeemaschinen, bei denen den Kunden nur noch eine bestimmte Anzahl von Tassen verkauft wird. Danach tauscht der Hersteller die Automaten zu einem guten Preis gegen ein neueres Modell aus. Das Gerät wird recycelt, Komponenten können wiederverwendet werden, und so werden Ressourcen geschont. Das ist im Interesse der Wirtschaft, der Verbraucher, und es ist gut für die Umwelt. Und das funktioniert durch intelligente Marktmechanismen und nicht, wie von Ihnen gewünscht, mit staatlichem Zwang. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Produkte, die viel zu schnell kaputtgehen, bewusst auf Verschleiß eingebaute Schwachstellen in elektronischen Geräten, die dafür sorgen, dass kurz nach Ablauf der Gewährleistungsfrist die Geräte den Geist aufgeben, meist nicht mehr zu reparieren sind und neue gekauft werden müssen: Das Ganze läuft unter dem Begriff "geplante Obsoleszenz", und immer offener wird der Verdacht ausgesprochen, dass dies Verkaufsstrategie einiger Unternehmen sein könnte. Die Auswirkungen sind immens: Es geht nicht nur um finanzielle Verluste für die Verbraucher und Verbraucherinnen, es geht auch um Verschwendung von Arbeitskraft, von Energie, Wasser, Materialien wie Metall und seltene Erden und sonstigen Ressourcen; es geht um Arbeit und Umwelt und es geht um Müll, denn Elektroschrott führt zu riesigen Abfallbergen. Es geht um das große Thema Nachhaltigkeit, denn hier zeigt sich ein ganz grundsätzliches Problem: Solange die Gewinne an die Anbieter gehen, aber die Kosten für Ressourcenverbrauch und Verschrottung von der Allgemeinheit getragen werden, gibt es für die Unternehmen kaum Anreize für langlebige, wirklich nachhaltige Angebote. Auch die Gewerkschaften werden inzwischen aktiv, die Arbeitnehmer haben keine Lust mehr, Murks herzustellen. Da Schwarz-Gelb aber die Whistleblower verhindert hat, können Arbeitnehmer nicht offen über solche Murksabsprachen in ihren Betrieben sprechen. Wir müssen den Fragen nachgehen, welche Tricks bei Murksprodukten angewandt werden, ob, wo und wie man geplanten Produktverschleiß nachweisen kann, wie Verbraucher und Verbraucherinnen solche Produktverschleißstrategien erkennen können, und was wir politisch gegen geplanten Produktverschleiß unternehmen können. Der Antrag der Grünen enthält viele Forderungen, die auch wir schon gestellt haben. So wollten wir schon letztes Jahr in den Haushaltsberatungen aus dem Titel "Information und Aufklärung der Verbraucher" eine Internetplattform zu vorzeitigem bzw. geplantem Produktverschleiß, analog zu lebensmittelklarheit.de, finanzieren. Verbraucher und Verbraucherinnen sollten dort moderiert ihre Erfahrungen melden und Hersteller dazu Stellung nehmen können. Hinweise auf bewussten Einsatz von Verschleißteilen durch die Hersteller sollten gesammelt und analysiert werden, und Handlungsbedarf sollte identifiziert werden. Wir halten das immer noch für eine gute Idee. In so einer Plattform können sich Verbraucher und Verbraucherinnen über Erfahrungen mit einzelnen Produkten informieren, und es entsteht ein öffentlicher Druck, Produkte mit längerer Lebensdauer anzubieten. Im Antrag der Grünen ist diese Idee drin. Ebenso hatten wir auch schon die Ausdehnung der Ökodesign-Richtlinie und Verankerung der Reparierbarkeit und Langlebigkeit von Produkten gefordert sowie das Verbot fest verbauter Akkus. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass der Nachweis eines seitens der Hersteller bewusst herbeigeführten vorzeitigen Produktverschleißes auf Schwierigkeiten stößt. Deshalb hatten wir im Herbst 2012 für den Haushalt 2013 Mittel für ein Forschungsprojekt beantragt. Damit sollte an exemplarischen Gerätegruppen wie Waschmaschinen, Fernsehern oder Druckern Hinweisen auf eingebauten Verschleiß nachgegangen und der Rahmen der technisch möglichen Langlebigkeit untersucht werden. Die Ergebnisse sollten die Grundlage für eine mögliche Verlängerung der Gewährleistungsfristen bilden. Leider ist auch das an Schwarz-Gelb gescheitert. Trotz der Schwierigkeiten beim Nachweis einer Absicht sind zwei recht eindeutige Praktiken für geplanten Produktverschleiß schon bekannt, nämlich Geräte wie zum Beispiel elektrische Zahnbürsten mit Akkus, bei denen ein fester Einbau dafür sorgt, dass sie nicht mehr ausgewechselt werden können, und Druckertreiber, bei denen ein Zählmechanismus dafür sorgt, dass nach einer bestimmten Anzahl von gedruckten Seiten das Gerät den Dienst verweigert. Solche Entwicklungen sind nicht nachhaltig, sie dürfen keine Zukunft haben und müssen vom Markt. Elektroschrott führt zu riesigen Abfallbergen, Rohstoffverknappung, bei Metallen zum Beispiel mit fatalen Folgen. Arbeitskraft, Energie, natürliche Ressourcen und Finanzkraft der Verbraucher und Verbraucherinnen werden vergeudet. Nachhaltiges Wirtschaften setzt nicht nur bewussten Konsum voraus, sondern auch Produkte mit langer Lebensdauer. Unsere Vorschläge, mit denen wir der Produktion von Murks entgegenwirken wollen, decken sich in weiten Teilen mit denen der Grünen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Grünen und lehnen die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Dr. Erik Schweickert (FDP): Geplanter Verschleiß ist für mich dann ein drängendes Verbraucherproblem, wenn der Zeitpunkt der Unbrauchbarkeit vom Hersteller festgelegt wird, wenn also Hersteller den Zeitpunkt des Produktverschleißes vorab berechnen und steuern. Wenn Hersteller minderwertige Fertigungsteile oder -stoffe in ihre Produkte einbauen, damit diese zu einem bestimmbaren und festgelegten Zeitpunkt verschleißen und kaputtgehen, so ist das für Verbraucher inakzeptabel. In solchen Fällen, die klar belegbar sein müssen, werden wir entsprechende Maßnahmen ergreifen. Das haben wir als FDP auch in unserem Wahlprogramm festgehalten. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass technische Normen ab einem bestimmten Gerätewert so ausgestaltet werden, dass beispielsweise die Austauschbarkeit von Akkus und zerstörungsfreie Öffnungsmöglichkeit von Geräten gewährleistet werden. Wir streben subsidiär auch EU-weite Lösungen und die Berücksichtigung des Problems in internationalen Handelsabkommen an; denn letztlich helfen allein auf Deutschland bezogene Vorgaben den Verbrauchern nicht mehr weiter. Ihr Antrag schießt aber an vielen Stellen weit über das hinaus, was ich als effizienten Verbraucherschutz bezeichne. Sie schreiben gleich zu Beginn, sogenannte geplante Obsoleszenz läge vor, wenn eine Begrenzung der Nutzungsdauer vom Hersteller in Kauf genommen würde. Ich hingegen gehe bei einem Produktkauf immer davon aus, dass ein Produkt nicht ewig halten wird. Je nach Nutzungsdauer und Nutzungsverhalten wird ein Produkt früher oder später abgenutzt und es können entsprechende Schäden auftreten. Damit muss der Verbraucher rechnen. Das ist den Herstellern auch nicht vorzuwerfen. Dass Produkte verschleißen, ist eine Binsenweisheit und muss deshalb in Kauf genommen werden. Nach Ablauf von Garantie bzw. Gewährleistung unterliegt ein Produkt nicht mehr der Pflicht, bei sachgemäßem Gebrauch nicht kaputtgehen zu dürfen. Sie wollen deshalb die Garantie- und Gewährleistungsfristen erweitern. Das mag auf den ersten Blick zwar gut klingen, in der Praxis führt eine Ausweitung aber nur zu neuen Problemen. Würden wir die Hersteller zu längerer Garantie bzw. Gewährleistung zwingen, würde dies zweifelsfrei dazu führen, dass Produkte sich insgesamt deutlich verteuern. Es ist nämlich auch eine unternehmerische und betriebswirtschaftliche Entscheidung, ob durch den Einsatz langfristig haltender, hochwertiger und teurer Materialien gerade der Effekt der Langlebigkeit betont und damit ein positives Image von einer Marke erzeugt wird. Genauso ist es eine unternehmerische Entscheidung, billigere Materialen zu verwenden und somit durch eine Kurzlebigkeit von Produkten beim Verbraucher möglicherweise Unzufriedenheit hervorzurufen. Als Folge wird der Verbraucher Produkte dieser Marke dann nicht mehr kaufen. Der Verbraucher kann in diesem Fall seine Marktmacht einsetzen und durch sein Kaufverhalten auch unternehmerische Entscheidungen belohnen oder bestrafen. Es ist aber nicht Aufgabe des Staates, den Herstellern bestimmte Konstruktionsformen oder die Verwendung bestimmter Rohstoffe vorzugeben. Es kann nämlich auch sein, dass sich ein Verbraucher ganz bewusst dafür entscheidet, ein möglicherweise weniger haltbares Produkt zu kaufen, weil es dafür deutlich billiger ist. Diese Möglichkeit wollen wir den Verbrauchern auch in Zukunft geben, und wir wollen ihnen Wahlmöglichkeiten belassen; denn die Verbraucher wissen selbst am besten, was sie für ein Produkt wollen und welches sie sich leisten können. Und noch etwas spricht an dieser Stelle gegen einen Eingriff des Staates. Sie schreiben, und dies sogar zu Recht: "Der Nachweis, dass Schwachstellen und Sollbruchstellen bewusst in diese Produkte eingebaut werden, ist zumeist schwer zu erbringen." Das unterschreibe ich sofort. Und deshalb überzeugen mich ihre Regelungsansätze auch nicht; denn letztlich werden Sie damit anhaltende Rechtsstreitigkeiten zwischen Herstellern, Händlern und Verbrauchern heraufbeschwören, die mehr zur Verunsicherung von Verbrauchern beitragen als zu effizienterem Verbraucherschutz. Sie fordern eine staatliche Datenbank zur Informationsgrundlage über Produkte und ihre Lebensdauer. Diese ist unnötig; denn mit den Produkttests der Stiftung Warentest haben die Verbraucher bereits heute eine anerkannte Institution, die Angebote bewertet und wichtige Informationen wie die Lebensdauer für den Produktkauf bereitstellt. Nicht ohne Grund nutzen viele Hersteller die Bewertungsergebnisse der Stiftung Warentest für ihre Produktwerbung. Auch gibt es weitere Angebote, die den von Ihnen beschriebenen Zwecken dienen. Unsichere Produkte werden beispielsweise auf der RAPEX-Plattform der Europäischen Union aufgelistet. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat zudem dafür gesorgt, dass Verbraucher auch bezüglich der Produktsicherheit Auskünfte über Kontrollergebnisse der Behörden bekommen. Dies haben wir bei der Neufassung des Verbraucherinformationsgesetzes festgeschrieben. Abschließend möchte ich noch ein paar Anmerkungen zu Ihren Vorschlägen bezüglich des Recyclings machen. Ich denke, wir sind uns einig, dass es angesichts immer knapper werdender Ressourcen sicherlich erstrebenswert ist, wichtige Stoffe wie Edelmetalle im Wertstoffprozess zu erhalten. Ich halte aber nichts von staatlichen Zwangssystemen wie dem von Ihnen ins Spiel gebrachten Handypfand. Denn letztlich ist es die freie Entscheidung des Verbrauchers, ob er ein Produkt zurückgeben oder lieber behalten möchte. Ich fände es nicht angemessen, wenn Verbraucher, die zum Beispiel ein älteres Handy als Reservegerät behalten möchten, dafür bestraft würden; denn ein Recyclingmodell würde ja zunächst die Anschaffungskosten um den Betrag eines Pflichtpfands erhöhen. Statt einer staatlich verordneten Pfandpflicht setze ich auf kreative Lösungen der Gerätehersteller und -verkäufer. So gibt es bereits immer wieder Aktionen, bei denen Rabatte auf Neugeräte gewährt werden, wenn dabei das Altgerät zurückgegeben wird. Solche positiven Anreizsysteme halte ich für wesentlich sinnvoller und ökologisch genauso wertvoll. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Wer hat sich noch nicht darüber geärgert, wenn ein Küchengerät oder ein Handy nach wenigen Jahren seinen Dienst quittiert, obwohl man guten Glaubens ein teures Gerät gekauft hatte? Ganz ärgerlich wird es aber, wenn Verschleißteile wie Akkus oder Autolampen nur teuer vom Fachmann ausgewechselt werden können oder ein Drucker nach Ablauf seiner vom Hersteller vorprogrammierten Dienstpflicht einfach abschaltet. Dies Schicksal verbindet uns Verbraucherinnen und Verbraucher, und wir von der Linken unterstützen daher die guten Absichten und den Antrag der Grünen. Es ist richtig, dass die Langlebigkeit von technischen Produkten gesteigert werden muss und die Reparaturfähigkeit häufig zu wünschen übrig lässt. Der ständige Ressourcenverbrauch ist nicht nachhaltig, und von einem guten Recycling sind wir noch weit entfernt. Und eine tatsächliche Wiederverwendung von Bauteilen gehört momentan ins Reich der Utopien. Dazu ist die Beschleunigung in der technischen Weiterentwicklung elektronischer Geräte aktuell zu hoch. Uns Linken gefällt am Antrag, dass er noch weitere Probleme wie Recycling bzw. Kreislaufwirtschaft und auch den illegalen Elektroschrottexport anspricht. Deswegen können wir ihm zustimmen. Schwachpunkte sehen wir aber in der Wirksamkeit, wenn beispielsweise nur ein Handypfand genannt wird, um die Sammelquote zu erhöhen. Und Information der Verbraucherinnen und Verbraucher über Effizienzstandards allein reicht nicht aus. Wer soll die vorgeschlagenen Datenbanken pflegen, Daten sammeln und auswerten? Die Vorschläge der Grünen sind leider an wichtigen Stellen wenig konkret, und Gesetze ohne fühlbare Lenkungsmaßnahmen entwickeln keine Durchsetzungskraft. Die Linke fordert in ihrem Entschließungsantrag 17/7509 eine allgemeine Pfandpflicht auf Elektrogeräte und eine Abgabe auf den primären Ressourcenverbrauch - für jedes in den Verkehr gebrachte Produkt. Damit würde eine Lenkungswirkung greifen, die man nach einer Evaluation sukzessiv steigern könnte. Wenn die Wiederverwendung von Stoffen Geld einspart, werden Hersteller aus Wettbewerbsgründen Sekundärrohstoffe nutzen und die Geräte recyclingfähiger konstruieren. Auf Dauer müssen Geräte mit hohem Primärrohstoffverbrauch spürbar teurer werden als Geräte aus Recyclingmaterial. Ein weiterer Effekt der Abgabe wäre die deutliche Verringerung von Elektroschrottexporten, da diese wegen einiger Cents Einsparung pro Produkt erfolgen. Die sehr allgemeine Forderung, dass Gesetze in Hinsicht auf geplante Obsoleszenz anzupassen sind, reicht nicht aus. Nachgewiesene Obsoleszenz muss gesetzlich verboten werden, sonst wird sich nichts ändern. Eine Gewährleistung über einen bestimmten Zeitraum schließt nur sehr bedingt die zeitliche Nutzbarkeit über diesen Zeitraum ein. Die Gewährleistung bezieht sich ausschließlich auf die Mängelfreiheit einer Sache beim Kauf, und Ansprüche auf eine zeitliche Nutzbarkeit ergeben sich rechtlich nur aus gerichtlichen Einzelfallentscheidungen. Die Nutzbarkeit beträgt bei Kleidung und Schuhen - bei diesen Produkten kann man den Unterschied zwischen Gewährleistung und zeitlicher Nutzbarkeit deutlich erkennen - je nach Qualität bzw. Kaufpreis zum Teil nur wenige Monate. Das bedeutet, die Verlängerung von Gewährleistungszeiten und eine durchgehende Beweislast des Herstellers bringt keine längere Haltbarkeit von Produkten. In unserem Antrag 17/13096 zu Mindestnutzungszeiten hatten wir dies ausführlich begründet. Eine verlängerte Gewährleistung im Antrag der Grünen ist pure Symbolik. Da ist der Antrag meiner Fraktion Die Linke zu längeren gesetzlichen Mindestnutzungszeiten deutlich weitgehender und brächte bei Umsetzung rechtssicher einklagbare Ansprüche auf Reparatur oder Ersatz. Dies wäre ein echter Gewinn für Verbraucherinnen und Verbraucher - liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und den anderen Fraktionen, Sie dürfen bei uns abschreiben - zum Nutzen unserer Bevölkerung und der Umwelt. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Problem der sogenannten geplanten Obsoleszenz wird inzwischen breit in der Gesellschaft diskutiert; denn dass Produkte zu schnell ihren Geist aufgeben, ist mehr als nur ein Randphänomen. Ein von uns in Auftrag gegebenes Gutachten hat an vielen konkreten Beispielen gezeigt, dass dahinter zum Teil System steckt und bei manchen Geräten von vornherein Schwachstellen eingebaut werden. Viele Geräte sind zum Beispiel so konstruiert, dass sie sich überhaupt nicht mehr oder nur noch schwer reparieren lassen - zum Beispiel, wenn Akkus oder Batterien fest verbaut oder das Gehäuse rundum verklebt ist. Wenn nur ein kleines Teilchen kaputt ist, muss das ganze Gerät entsorgt oder sehr teuer vom Fachmann repariert werden. Oft ist die Reparatur auch gar nicht mehr möglich, weil es keine Ersatzteile mehr dafür gibt. Auch durch die Entwicklung und Konstruktion von Produkten kann die Lebensdauer stark beeinflusst werden. Der Toner, der durch einen versteckten Zählmechanismus nach genau 15 000 Seiten meldet, er sei leer, oder der Einsatz von minderwertigem Plastik an Abriebflächen sind Beispiele geplanter Obsoleszenz. Neben den unnötigen Kosten und dem Ärger, der dadurch verursacht wird, produziert frühzeitiger Verschleiß riesige Müllberge und verschwendet wertvolle Ressourcen. Angesichts wachsender Berge von giftigem Elektroschrott und der Verknappung seltener Rohstoffe ist geplanter Verschleiß also eine fatale Einbahnstraße. Wir können es uns in einer Zeit, in der unsere natürlichen Lebensgrundlagen immer stärker zur Neige gehen, nicht leisten, Produkte zu produzieren, die in immer kürzer werdenden Zeitabständen ausgetauscht werden müssen. Nachhaltigkeit bedeutet auch, langlebige Produkte zu produzieren, zu konsumieren und dadurch Ressourcen zu schonen. Leider ist es für Konsumentinnen und Konsumenten nahezu unmöglich, Qualität zu erkennen und bewusst zu kaufen, da man es den Produkten in der Regel schlicht nicht ansieht, wie lange sie halten, und der Preis allein auch kein verlässlicher Indikator für die Qualität und Lebensdauer ist. Wir Grüne nehmen das Problem sehr ernst und legen mit unserem Antrag Lösungsmaßnahmen an der Schnittstelle zwischen Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik vor. Unser Ziel sind langlebige Produkte mit besseren Bedingungen für Reparaturen, Wiederverwertung und hochwertiges Recycling. Wir wollen die Produktverantwortung der Hersteller konkretisieren und ausbauen: Diese müssen Produkte so gestalten, dass sie repariert und Akkus ausgetauscht werden können. Ersatzteile müssen mindestens fünf Jahre lang zur Verfügung gestellt werden. Außerdem brauchen Verbraucherinnen und Verbraucher bessere Informationsmöglichkeiten über die Qualität und Nutzungsdauer sowie stärkere Rechte bei der Reklamation defekter Produkte. Hierfür wollen wir das Gewährleistungsrecht anpassen und die Fristen verlängern; denn zum einen klagen viele Nutzerinnen und Nutzer darüber, dass viele Produkte direkt nach Ablauf des zweijährigen Gewährleistungsrechts kaputtgehen, wenn kein Anspruch mehr auf Ersatz bzw. Reparatur besteht, zum anderen ist es in der Praxis häufig auch so, dass die Reklamation sogar nur innerhalb der ersten sechs Monate problemlos möglich ist. Danach muss der Käufer beweisen, dass die Schuld für den Defekt nicht bei ihm liegt. Das ist meist überhaupt nicht möglich. Der Hersteller hat hier ganz andere Voraussetzungen. Deshalb muss die Beweislast über die gesamte Dauer der Gewährleistungsfrist von momentan zwei Jahren beim Hersteller liegen. Ganz wichtig sind uns auch die Erhöhung der Sammel- und Recyclingquoten von Elektro- und Elektronikgeräten und die stärkere Verankerung von Qualität, Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit, Recyclingfähigkeit und Ressourceneffizienz in nationalen und internationalen Normungsprozessen. Während die Bundesregierung das Problem bisher weitgehend verschlafen hat, ist die Gesellschaft schon drei Schritte weiter. In vielen Städten haben sich Reparaturnetzwerke oder Repair Cafés gebildet. Diese guten Projekte wollen wir unterstützen und fördern. Diese Legislaturperiode ist jetzt nahezu vorbei und die Verbraucherministerin Aigner schon mit einem Bein in Bayern. Aber das Problem bleibt. Es muss jetzt zügig in Angriff genommen und darf nicht weiter vertrödelt werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Landwirtschaftsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14201, den Antrag der Grünen auf Drucksache 17/13917 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 37: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament Die angestrebte Umsetzung harmonisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten Die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten KOM(2013) 114 endg.; Ratsdok. 7677/13 hier: Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundgesetzes - Drucksachen 17/13183 Nr. A.12, 17/14148 - Die Reden sollen zu Protokoll gegeben werden.27 - Sie sind damit einverstanden. Dann folgt die Abstimmung. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14148, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung nach Art. 23 Abs. 3 Grundgesetz anzunehmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Das ist einstimmig angenommen. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 40: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Oliver Kaczmarek, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Rosemarie Hein, Dr. Ilja Seifert, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Gemeinsam lernen - Inklusion in der Bildung endlich umsetzen - zu dem Antrag der Abgeordneten Kai Gehring, Markus Kurth, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen - Drucksachen 17/10117, 17/11143, 17/11163, 17/14100 - Berichterstattung: Abgeordnete Marcus Weinberg (Hamburg) Oliver Kaczmarek Sylvia Canel Dr. Rosemarie Hein Kai Gehring Die Reden sind zu Protokoll gegeben.28 Oliver Kaczmarek (SPD): Die Umsetzung der Behindertenrechtskonvention ist derzeit eine der meistdiskutierten und größten Herausforderungen im Bildungswesen. Sie umfasst alle Bereiche des Bildungswesens und alle Etappen einer Bildungsbiografie. Die Umsetzung ist daher eine Herausforderung für alle Akteure im Bildungswesen, für Lehrende und Lernende, für Politik wie Verwaltung. Dieser Prozess ist aber bei Menschen mit Behinderungen, bei Eltern von Kindern mit und ohne Behinderung, bei Lehrern und Sozialpädagogen mitunter auch mit Sorgen und Ängsten verbunden. Diesen Sorgen und Ängsten muss Achtung geschenkt werden, sie müssen ernst genommen werden. Das hat die SPD-Bundestagsfraktion in den vergangenen Jahren bereits getan. Nach dem Prinzip "Nichts über uns ohne uns" haben wir gemeinsam mit Experten aus Verbänden, Selbsthilfeorganisationen sowie Betroffenen Antworten auf die dringenden Fragen des "Wie" zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gesucht. Die Antworten fielen deutlich aus: Der Herausforderung, vor die uns die Verwirklichung des Menschenrechts auf inklusive Bildung in Deutschland stellt, muss mit einer gemeinsamen Strategie begegnet werden. Bund, Länder und Kommunen stehen gleichermaßen in der Verantwortung. Auch der Deutsche Bundestag hat sich mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet. Es gilt folglich, über die Bund-Länder-Kooperation nachzudenken, sie neu zu justieren und im Grundgesetz die Voraussetzung für gemeinschaftliche und übergreifende Aufgabenerledigung im Bereich der inklusiven Bildung zu schaffen. Es ist auch vor diesem Hintergrund unverständlich, warum sich die schwarz-gelbe Bundesregierung ihrer Verantwortung für eine gelungene inklusive Bildung verweigert. Es wird höchste Zeit, dass der Bund mithilft bei der Umsetzung inklusiver Bildung in der frühkindlichen Bildung, in der Schule, in der Hochschule und in der beruflichen Bildung. Die Menschen erwarten zu Recht, dass Sie Ihre Blockade aufgeben. Die SPD setzt sich dafür ein, das Menschenrecht auf inklusive Bildung konsequent umzusetzen. Doch dafür müssen weitere Voraussetzungen erfüllt werten: Noch herrscht in der Bevölkerung eine große Skepsis beim Thema "Inklusive Bildung". Die Haltung der Menschen kann nur verändert werden, wenn es ein manifestes Bekenntnis der Bundesregierung für eine inklusive Gesellschaft gibt. Ihre Haltung, die Verantwortung für inklusive Bildung den Ländern zuzuschieben und ansonsten die Hände in den Schoß zu legen, ist peinlich und unverantwortlich. Auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungssystem sind nicht immer Hundertprozentlösungen möglich. Praxisbeispiele zeigen, dass dies aber auch gar nicht notwendig ist. Wir müssen Inklusion vielfältig und differenziert denken und verfolgen. Es fehlen immer noch statistische Daten, zum Beispiel zum Verbleib von Hochschulabsolventen mit Behinderungen. Auch hier muss es mehr Aufmerksamkeit für das Thema geben. Statistik liefert auch wichtiges Steuerungswissen für Politik und Verwaltung. Es bedarf dringend einer verbindlichen Zeitschiene mit klaren Vorgaben, ab wann es in Deutschland ein einklagbares Recht auf inklusive Bildung und konkrete Umsetzungsschritte gibt. Im vorliegenden Antrag schlagen wir vor, einen Pakt für inklusive Bildung zu initiieren, der Bund, Länder und Kommunen umfasst. Jede staatliche Ebene muss ihrer Verantwortung gerecht werden und mithelfen. Ich möchte mich an dieser Stelle auf drei grundsätzliche Annahmen konzentrieren: Zuallererst ist es unerlässlich, Inklusion als Aufgabe des gesamten Bildungswesens zu verstehen. Eine Beschränkung auf den Bereich Schule greift zu kurz. Aus diesem Grunde müssen die Übergänge zwischen Kindergarten, Schule, Ausbildung, Hochschule und Arbeitsplatz besonders berücksichtigt werden. Der Bund kann hier insbesondere im Bereich der Bildungsberichterstattung eine wichtige Rolle übernehmen. Darüber hinaus muss die lokale Verantwortung stärker betont werden. Dabei geht es mir nicht darum, Verantwortung abzuschieben. Wir müssen viel mehr vor Ort die richtigen Voraussetzungen schaffen, um direkt und unmittelbar Probleme lösen zu können und die Netzwerke zu stärken. Die lokalen Bildungsbündnisse können dabei ein Ausgangspunkt für die Umsetzung inklusiver Bildung vor Ort sein. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, die Menschen bei der Umsetzung inklusiver Bildung zu stärken. Inklusive Bildung erfordert Fachkräfte, die auf heterogene Lerngruppen vorbereitet sind und darauf, kein Kind zurückzulassen. Darum müssen Aus- und Fortbildung für alle pädagogischen Berufsgruppen in besonderer Weise ausgerichtet werden. Die Bundesregierung muss beim Thema "Inklusive Bildung" endlich die Hände aus der Tasche nehmen und mit anpacken. Verweigern Sie sich nicht länger Ihrer Verantwortung. Sylvia Canel (FDP): Das Jahr 2009 stand ganz im Zeichen der Inklusion. So ratifizierte die Bildungsrepublik Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention im März und setzte sich somit das Ziel, Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten. Heute, vier Jahre später, wurde viel unternommen, um dieses Ziel zu erreichen. Rund ein Viertel der Schülerinnen und Schüler, die einen zusätzlichen Förderbedarf hatten, kann mittlerweile an dem regulären Schulunterricht teilnehmen. Im Jahr 2009 war es nur rund ein Fünftel. Die Steigerung um 35 Prozent verdeutlicht, dass sich das Thema Inklusion in der Schullandschaft weiter festigt und weiter ausgebaut wird - ganz nach der Definition der UNESCO, die lautet: "Inklusion im Bildungsbereich bedeutet, dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten offen stehen, an qualitativ hochwertiger Bildung teilzuhaben und ihre Potenziale entwickeln zu können, unabhängig von besonderen Lernbedürfnissen, Geschlecht, sozialen und ökonomischen Voraussetzungen." Der vorliegende Antrag "Das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen" verdeutlicht, dass das Ziel der inklusiven Bildung bisher noch nicht vollständig umgesetzt worden ist. Jedoch vergessen die Sozialdemokraten den Aspekt der individuellen Förderung aller Kinder. Vielmehr reduzieren sie die Inklusionsthematik auf die gemeinsame Beschulung. Und damit nicht genug! Im Allgemeinen verständigen Sie sich in Ihren Forderungen darauf, zusätzliche finanzielle Leistungen vonseiten des Bundes zu fordern. Dabei gilt es, an dieser Stelle anzumerken, dass in all jenen Bundesländern, in denen man derzeit handeln könnte und in denen die SPD auch die Verantwortung trägt, bisher nichts geschah. Daher wirkt es schon fast befremdlich, dass die Sozialdemokraten die Senkung der Quote an Schulabgängern ohne Schulabschluss fordert und gleichzeitig SPD-regierte Länder eine deutlich höhere Abbrecherquote vorweisen als der Bundesschnitt. So sind es in Berlin rund 10 Prozent, in Brandenburg ebenfalls und in Mecklenburg-Vorpommern sogar fast 14 Prozent. Zum Vergleich: Der Bundesschnitt liegt bei rund 6,8 Prozent. Im Übrigen ist es erstaunlich, dass die Sozialdemokraten ein weiteres signifikantes Merkmal einer inklusiven Bildungseinrichtung völlig außer Acht lassen: Eigenständigkeit. Es ist allgemein bekannt, dass es den Bildungseinrichtungen ohne flexible Handlungs- und Entscheidungsstrukturen sowie ohne einen finanziellen Verfügungsrahmen nicht möglich sein wird, sich den Bedürfnissen der einzelnen Schüler anzupassen. Die Gemeinschaftsschule, die in diesem Antrag der Sozialdemokraten angestrebt wird, vermag sicherlich vieles, jedoch bestehen Zweifel, ob sie inklusiv ist. Man kann selbstverständlich die Frage stellen, was Inklusion beinhaltet. In dem Positionspapier von Frau Gabriele Molitor, Behindertenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, zum Thema "Für gemeinsames Lernen - Fünf Thesen für ein inklusives Schulsystem" wird verdeutlicht, dass Inklusion beinhaltet, dass sich Bildungseinrichtungen systematisch an den Bedürfnissen der einzelnen Schülerinnen und Schüler orientieren, diese wahren und darauf entsprechend eingehen. Demzufolge gehören per Definition auch schulische Überflieger, Hochbegabte sowie handwerklich bzw. praktisch versierte Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen und ohne diese dazu. In dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen" wird auf diesen Aspekt jedoch nicht angemessen eingegangen und insgesamt zu kurz gegriffen. Auch die Grünen ignorieren den Aspekt der Eigenständigkeit. Vielmehr erwecken sie mit dem Titel ihres Antrages Erwartungen, die sich aufgrund der verfassungsrechtlichen Realität in unserem Land nicht erfüllen lassen können. Bildung, die auf die individuellen Bedürfnisse angepasst ist, kann man nicht bundesrechtlich verankern. Es liegt an den Ländern, eine effektive Umsetzung der UN-Resolution herbeizuführen. Auch in diesem Zusammenhang ist es nicht sehr verwunderlich, dass sich die Forderungen der Grünen im Wesentlichen darauf beschränken, dass der Bund sich finanziell stärker beteiligen soll. Stichworte wie Ganztagsschulprogramm oder Inklusionsreform kommen mir in diesem Zusammenhang in den Sinn. Bemerkenswert ist, dass die Grünen in ihrem Antrag wenig zu der Qualität von inklusiver Bildung sagen. Es scheint, als spielen Aspekte die für eine individuelle Beschulung notwendig sind, wie die schulische Eigenständigkeit, die Flexibilität des schulrechtlichen Handlungsrahmens oder die Frage nach einer Budgetierung der Bildungseinrichtung, keine Rolle. Inklusion versteht sich als Chance auf Teilhabe und die Begegnung auf Augenhöhe beim Lernen im Unterricht und nicht nur als der gleichberechtigte Zugang zu Schulen und Ausbildungsstätten. Durch Inklusion wird es eine neue Didaktik, neue Methoden und neue Lerninhalte geben. Diese Ziele können aber nicht erreicht werden, wenn man so wie die Grünen davon spricht, die schwächste Gruppe - die geistig und körperlich Behinderten - innerhalb der Schülerschaft beschützen zu wollen. Mit dieser Argumentation wird das Ziel, innerhalb der Schülerschaft gleichberechtigt miteinander umzugehen, außer Acht gelassen. Auch die schwächste Gruppe kann stark sein, aber dazu muss man ihr helfen und vor allem sich frei entfalten lassen. Gerade dieses gleichberechtigte Miteinander verdeutlicht, dass allen Schülerinnen und Schülern unabhängig davon, ob diese eine körperliche oder geistige Einschränkung beziehungsweise eine besondere Begabung besitzen oder nicht, die entsprechende und vor allem besondere Aufmerksamkeit zu schenken ist, die sie benötigen. Vor allem Kinder mit besonderen Talenten und Stärken werden wieder vernachlässigt und finden wieder keine Beachtung. Das ist jedoch typisch für die grüne Bildungspolitik: die Vernachlässigung vermeintlich starker Schülerinnen und Schüler. Dieser Aspekt verdeutlicht abermals, dass in all den Bundesländern, in denen die Grünen in Verantwortung beziehungsweise in Mitverantwortung sind, die Leistungsorientierung im Bildungssystem fehlt und demzufolge die Schülerinnen und Schüler mit geistigen und körperlichen Einschränkungen nicht entsprechend ihren Fähigkeiten gefördert werden. Gute Bildung macht man nicht am Oppositionstisch und schon gar nicht mit links. Zur Umsetzung der Inklusion benötigen wir mehr Eigenständigkeit in den Schulen und weniger Schulbürokratie. Schule muss individueller, selbstständiger und eigenverantwortlicher werden dürfen, und wir müssen es einrichten, dass sie die Freiheit dazu bekommt. Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE): Ein einheitliches Bildungssystem für alle klingt gegenwärtig in Deutschland wie pure Utopie. Diesbezüglich herrscht bei uns noch immer mittelalterliche Kleinstaaterei. Jedes Bundesland pocht auf seine "Kulturhoheit". Hinzu kommen tiefe ideologische Gräben bzw. hohe Barrieren. Sie äußern sich vor allem in einer starken sozialen Selektion. Wer hier moderne wissenschaftliche Erkenntnisse - zum Beispiel lernzieldifferenzierten Unterricht - und den politischen Gestaltungsauftrag "Inklusion" umsetzen will, steht vor einem gordischen Knoten. Warum fehlt der Mut, ihn zu durchschlagen? Weil Geld fehlt? Weil Menschen vor Veränderungen erschrecken? Weil Kinder mit Behinderungen "beschützt" werden müssen? Nein, weil Vorurteile regieren. Und nichts ist exklusiver als Befangenheit, als Vorurteil und Vorbehalt. Erstes Vorurteil: "Schule bereitet auf das Leben vor". Schule ist Leben, beinahe ein Achtel der Lebenszeit. Dabei spricht die UN-Konvention gar nicht nur von Schule, sondern von inklusiver Bildung. Das ist sogar mehr als lebenslanges Lernen, denn Bildung hat mit Lernen so viel zu tun wie Schneidern mit Nähen. Menschen bilden sich in ihren Fähigkeiten und Talenten. Sie nehmen auch Wissen auf, sie lernen. Aber vor allem bilden sie sich als Persönlichkeit, indem sie ihre Anlagen entfalten. Dafür brauchen sie gute Bedingungen und geeignete Begleitung. Zweites Vorurteil: Vielfalt - und davon spricht die Konvention - braucht institutionelle Differenzierung. In Wirklichkeit wird ein System um so selektiver, je mehr Übergänge es enthält. Es sei denn, Vielfalt gelingt als gemeinsames Gewebe, das in viele Falten gelegt ist. Dann wären alle pädagogischen Kompetenzen im Lebensort Schule - an jeder Schule - gebündelt und verbunden, nicht in verschiedenen Einrichtungen separiert. Dann würden Ressourcen frei für hohe Bildungsqualität. Denn die teuerste Bildungswelt ist das gegliederte Schulsystem. Von einem Wunsch- und Wahlrecht kann man erst dann wirklich reden, wenn jede Schule zu jeder Zeit jeder Bildungsanforderung entsprechen kann. Erst dann können Kinder und Eltern wirklich wählen, welche Einrichtung ihnen am besten entspricht. Drittes Vorurteil: die Befürchtung, Behinderte würden Nichtbehinderte behindern. Gute Schüler würden "heruntergezogen", von denen mit Behinderung. Diese stehen also unter den "guten", unterhalb der "Normalen" und der Norm. Sie haben aufzuschauen, können aufsteigen, vielleicht! Nicht Vorankommen auf einem gemeinsamen Weg gilt, sondern aufsteigen, nicht Entfaltung bildet, sondern die "normale Leistung". Die Linke will die inklusive Gemeinschaftsschule. Das ist etwas anderes als eine gleichmacherische "Einheitsschule". Die muss selbstverständlich eine Ganztagsschule sein. Die aussondernden, unterschiedlichen Schulsysteme verschwinden durch Ganztagsschulen nicht automatisch, und diese sind per se noch lange nicht inklusiv. Das werden sie nur mit barrierefreien Umbauten, mit Lehrerinnen und Lehrern, die nicht nur hochmotiviert, sondern auch sich selbst bildend ihre Schülerinnen und Schüler begleiten und fördern, mit therapeutischen und kulturellen Angeboten und Projekten und über demokratische Entscheidungsformen aller Betroffenen. Aber ohne diagnostische Etiketten, mit denen finanzielle Ressourcen "erschlichen" werden müssen. Schulen mit dem Schwerpunkt "Lernen, Sprache, Verhalten" können sofort geschlossen werden, zumindest jedoch mit einem kurzfristigen Zeitziel. Sonderschulzuweisungen entsprechen nicht der UN-Konvention. Wir müssen vom Boden der Konvention die Regelschule umgestalten, nicht vom Boden der bestehenden "Regelschule" die UN-Konvention umdeuten. Wir müssen unsere Gesetze an die Konvention anpassen, nicht die Konvention gesetzesstutzig lesen. Es macht keinen Sinn, die Eingliederungshilfe weiterhin von der Kinder- und Jugendhilfe zu trennen. Der Rechtsanspruch auf einen inklusiven Bildungsweg gehört in jedes Schulgesetz. Warum? Weil dann sehr viel mehr Eltern den Mut fänden, auf die Wünsche ihrer Kinder einzugehen und ihnen den Weg in die Regelschule zu öffnen. Und endlich gehört eine gesamtgesellschaftliche Kooperationspflicht in die Verfassung mit klar beschriebener Bundesverantwortung. Inklusive Bildung ist nicht deshalb "angesagt", weil der demografische Wandel dazu zwingt, neue Arbeitsressourcen zu erschließen. Inklusive Bildung ist Menschenrecht - ohne Kostenvorbehalt. Bildungskosten statt Rüstungskosten sollten hier verhandelt werden. Die Konvention geht von Vielfalt aus, also von Gemeinschaft und Einzelheit zugleich, wo jeder besonders willkommen ist und anders sein kann, weil alle auf gleichem Boden stehen und im selben offenen Raum. Das ist die Chance für uns alle, aus engen Straßen, die sich meist längst als Sackgasse herausstellten, herauszufinden und uns breite, weite Wege zu öffnen. Je länger der Weg, desto früher muß man ihn gehen. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Inklusion muss endlich zum pädagogischen und bildungspolitischen Leitbild werden, vor allem aber zur gelebten Realität. Dafür müssen wir alle etwas tun; wir müssen uns auf allen staatlichen Ebenen mehr anstrengen, damit Inklusion in der Praxis und im Alltag der Menschen gelingt. Wie so vieles andere ist auch die große Herausforderung der Verwirklichung von Inklusion bei der Regierungskoalition in schlechten Händen. Sie haben nicht nur die Chancen vertan, in dieser Wahlperiode das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildungspolitik im Grundgesetz aufzuheben und so diese wichtige gesellschaftliche Aufgabe einer gemeinsamen Lösung zu überantworten. Sie als Koalition haben diesem Parlament noch nicht einmal einen Antrag zur Beratung vorgelegt, der zeigt, wie Sie sich Ihren Beitrag zur inklusiven Öffnung des Bildungssystems vorstellen. Alle anderen Fraktionen haben in Anträgen herausgearbeitet, welche konkreten Konsequenzen sie aus der UN-Konvention ziehen und welche Schritte sie zu ihrer Umsetzung gehen wollen. Sie nicht. Sie haben schlicht alle unsere Anträge abgelehnt. Wir mussten Sie überreden, zur Inklusion im Bildungssystem einer von uns vorgeschlagenen Anhörung im Bildungsausschuss zuzustimmen. Mehr war nicht. Sie zeigen all denen, die sich für ein inklusives Bildungssystem einsetzen, die kalte schwarz-gelbe Schulter. Bei den Beratungen im Ausschuss haben Sie uns dann großherzig zugestanden, dass "Einigkeit über die grundsätzliche Zielsetzung herrscht, Menschen mit Behinderung eine uneingeschränkte Teilhabe zu ermöglichen". Schmalspuriger ging es fast nicht mehr. Aus der Anhörung sind Sie dann aber mit der Erkenntnis gegangen, dass das Kind im Mittelpunkt der Betrachtung stehen müsse und alle Unterstützungssysteme einen möglichst großen Nutzen für den Einzelnen bewirken sollten. Das ist keine Erkenntnis, schon gar keine Politik - das ist schlicht die Minimalanforderung des Bundesrechnungshofes für die Verwendung öffentlicher Mittel. Vier Jahre nach der Ratifizierung der UN-Konvention zeugt das wirklich von peinlicher Oberflächlichkeit. Es kann allerdings sogar noch schlimmer werden; denn wenn man in ihre jeweiligen Wahlprogramme schaut, dann wird einem ganz schwarz-gelb vor Augen: Die Union hat am Sonntag allen Ernstes beschlossen, in der Frage der Inklusion den Ansatz zu wählen: "So viel Inklusion wie möglich - so viel besondere Förderung wie nötig". "Besondere Förderung" bedeutet für Sie also Exklusion? Haben Sie bei der Anhörung zugehört? Ist individuelle Förderung für Sie genauso ein "Teufelszeug" wie das längere gemeinsame Lernen, das Sie in Ihrem Wahlprogramm einmal wieder als "Einheitsschule" diffamieren? Es ist zudem perfide, wenn Sie von der Union in Ihrem Wahlprogramm suggerieren, außer Ihnen wollten alle die Förderschulen abschaffen. Oder wie sonst ist das zu verstehen: "Zugleich sprechen wir uns dafür aus, Förderschulen zu erhalten, wo dies im Interesse der Kinder mit besonderem Förderbedarf liegt."? Eines hat der "Chancenspiegel", der in dieser Woche vorgelegt wurde, deutlich gemacht: Inklusion ist bei uns noch immer eine große Herausforderung. Die Sonder- bzw. Förderschule ist eine Bildungssackgas- se - allein schon, weil unter den Jugendlichen ohne Schulabschluss fast 60 Prozent ehemalige Förderschülerinnen und -schüler sind. Ihrem Weichspülwahlprogramm kann ich daher nur entgegenhalten: Solange auch nur ein einziges Kind die Schule ohne Abschluss verlässt - allein weil es auf einer sogenannten Förderschule war, die es ihm trotz aller individuellen Fähigkeiten gar nicht erlaubt hat, einen Abschluss zu machen -, so lange werden wir Ihnen solche Sätze nicht durchgehen lassen. Und die FDP? Auch bei Ihnen ist das Thema in schlechten Händen. Alles, was Ihnen dazu einfällt, ist die physische Barrierefreiheit: "Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen sowie Freizeit- und Bildungseinrichtungen wollen wir inklusiv gestalten. Barrierefreiheit dient allen." Das ist so kurz gedacht, dass man beim Nachdenken schier zu schielen anfängt - so wenig reicht Ihr Gedanke über die eigene Nasenspitze hinaus. Dabei sagen Sie zu Beginn der Passage doch selbst, es gehe darum "aktive Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen", und dass "die Barrierefreiheit des öffentlichen Raumes" nur der Anfang sein könne. Bei Ihnen ist das aber leider schon das Ende; denn mehr kommt nicht. Kein Wort bei Ihnen, dass Inklusion eine zentrale Gerechtigkeitsfrage ist. Keine Erklärung, dass Inklusion meint, dass nicht der Mensch zu den Strukturen passen müsse, sondern umgekehrt die Strukturen zum Mensch. Kein Hinweis nach Jahren der Bildungsforschung, dass Lehrqualität untrennbar mit inklusionsorientierter Didaktik verbunden sein muss. Inklusion ist eine Frage der Haltung und des Mentalitätswechsels. Inklusion meint, wirklich dazuzugehören, nicht nur dabei zu sein. Das ist eine Frage des Menschenbildes. Noch einmal zurück zum Kooperationsverbot: Auch wenn niemand die Kosten echter Inklusion - und seien es auch nur die Kosten, um die infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen - beziffern kann: Allen ist klar, dass keine staatliche Ebene das alleine stemmen kann, sondern dass gemeinsame Anstrengungen und ein reger Austausch darüber nötig sind, was warum wo klappt oder noch nicht klappt. Mit Ihrer Weigerung, das Kooperationsverbot in der Bildung aufzuheben, haben Sie die Inklusion um Jahre zurückgeworfen. Es wird höchste Zeit, dass sich das ändert und wir den Weg zum inklusiven Bildungssystem endlich beherzt einschlagen. Es bleibt eine Generationenaufgabe, die sich lohnt; denn alle Menschen haben in ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit ein Recht auf Zugehörigkeit, also Inklusion. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Bildungsausschusses auf Drucksache 17/14100. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/10117 mit dem Titel "Das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11143 mit dem Titel "Gemeinsam lernen - Inklusion in der Bildung endlich umsetzen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/11163 mit dem Titel "Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD und der Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 39: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Weiß (Emmendingen), Karl Schiewerling, Paul Lehrieder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Sebastian Blumenthal, Heinz Golombeck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Für eine humane Arbeitswelt - Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken - zu dem Antrag der Abgeordneten Josip Juratovic, Anette Kramme, Gabriele Hiller-Ohm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten erhalten - Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Dr. Martina Bunge, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke, Markus Kurth, Brigitte Pothmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Psychische Gefährdungen mindern - Alters- und alternsgerecht arbeiten - Drucksachen 17/13088, 17/12818, 17/11042, 17/10867, 17/13851 - Berichterstattung: Abgeordneter Josip Juratovic Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Max Straubinger (CDU/CSU): 13 Prozent aller Krankentage sind zuletzt auf psychische Erkrankungen entfallen, vor zehn Jahren waren es lediglich 6,6 Prozent. 40 Prozent der Neuanträge auf Erwerbsminderungsrente gehen auf psy-chische Erkrankungen zurück. Auch wenn die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen einen Teil dieses Anstiegs erklären mag, steht fest: Die zunehmende Arbeitsverdichtung und der Stress bei der Arbeit sind vor allem für diesen Anstieg verantwortlich. Vor diesem Hintergrund begrüße ich es ausdrücklich, dass alle Fraktionen die Bedeutung des Themas "psychische Gesundheit am Arbeitsplatz" erkannt und Lösungsansätze und Maßnahmen in ihren Anträgen entwickelt haben. Auch die öffentliche Sachverständigenanhörung am 13. Mai 2013 hat gezeigt, dass Gesundheitsrisiken durch psychische Belastungen ein großes Problem in der Arbeitswelt sind, deren Bekämpfung hohe Anforderungen an die Arbeitsgestaltung, den Arbeitsschutz und die Gesundheitsförderung stellen. So weit, so gut. Aber nach der Problembeschreibung kommt es nun darauf an, auch sachgerechte Lösungen zu finden, die die Betriebe und Beschäftigten nicht überfordern und durchführbar sind. Und in diesem entscheidenden Punkt hören die Gemeinsamkeiten zwischen den Fraktionen im Deutschen Bundestag auf. So lehnen wir eine eigenständige Antistressverordnung, wie sie die Oppositionsfraktionen in ihren Anträgen sowie die IG Metall und auch der Bundesrat fordern, entschieden ab. In wichtigen Gestaltungsfeldern, wie zum Beispiel Betriebsklima, Handlungs- und Entscheidungsspielräume, Führungsverhalten, scheidet eine konkrete Normierung schon deshalb aus, weil die Festlegung von Grenzwerten bzw. die Beschreibung verbindlicher Gestaltungsmaßnahmen in diesen Bereichen kaum möglich sind. Eine gesundheitsförderliche Unternehmenskultur lässt sich nicht rechtsverbindlich vorschreiben, insbesondere kann ihre Umsetzung auch nicht durch Aufsichtshandeln durchgesetzt oder gar sanktioniert werden. Es fehlt an hinreichend bestimmbaren Vorgaben, die bei Verstößen zum Gegenstand von Bußgeldtatbeständen gemacht werden können. Deshalb kann ich vor solchen Schnellschüssen nur warnen. Gemeinplätze in eine Verordnung zu schreiben, genügt nicht. Vorschriften, die in den Betrieben nicht verstanden und umgesetzt und von den Aufsichtsbehörden der Länder nicht vollzogen werden können, brauchen wir nicht. Das bedeutet nicht, dass wir die Betriebe nicht in die Pflicht nehmen wollen. Wir halten in diesem Zusammenhang aber Betriebs- und Dienstvereinbarungen für geeignete Instrumente, um den notwendigen betrieblichen Handlungsrahmen für dieses wichtige Thema zu konkretisieren. Denn auch wir wollen sichtbare Erfolge für Beschäftigte und Betriebe. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist die psychische Gesundheit fest vereinbartes primäres Ziel der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie. Im Bereich der Beratung und Überwachung der Betriebe haben die beteiligten Träger eine Leitlinie zum Thema "psychische Belastungen am Arbeitsplatz" erarbeitet, damit konkrete Überwachungs- und Beratungskonzepte im Aufsichtshandeln von Ländern und Unfallversicherung gleichgerichtet und gleichwertig wahrgenommen werden. Das Arbeitsschutzgesetz ist auf den Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten ausgerichtet. Die Gesundheit schließt die Physis und die Psyche ein. In vielen Betrieben ist aber noch zu wenig bekannt, dass bei der Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz auch psychische Faktoren zu berücksichtigen sind. Aus diesem Grunde haben wir im Arbeitsschutzgesetz eine gesetzliche Klarstellung vorgenommen, wonach der Arbeitsschutz sich auch auf den Schutz der psychischen Gesundheit bezieht und psychische Belastungen bei der Arbeit bei der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen sind. Die entsprechenden gesetzlichen Anpassungen sind Bestandteil des Gesetzentwurfs zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze, der heute ebenfalls abschließend im Deutschen Bundestag beraten wird. Daneben finden sich in unserem Antrag zahlreiche weiter Maßnahmen. Das zeigt: Wir messen dem Thema "psychische Gesundheit am Arbeitsplatz" eine hohe politische Bedeutung zu. Nur durch einen systematisch betriebenen Arbeitsschutz und durch betriebliche Gesundheits-förderung können die Risiken, die durch arbeitsbedingte psychische Belastungen entstehen, reduziert werden. Die bereits zitierte Sachverständigenanhörung hat deutlich gemacht, dass Handeln notwendig und auch möglich ist. Wir wollen an die Ergebnisse der Anhörung anknüpfen, allerdings ohne in unternehmerische Freiheiten einzugreifen und ohne zusätzliche Bürokratie zu schaffen. Wir wollen praktische Erfolge erzielen, zum Wohle der Beschäftigten und der Betriebe. Zur Bewältigung der Herausforderungen des demografischen Wandels brauchen wir mehr denn je gesunde, qualifizierte und motivierte Menschen, die bis ins Alter arbeiten können und dies auch wollen. Schaufensteranträge und Placebolösungen tragen wir nicht mit. Deshalb lehnen wir die Vorlagen der Oppositionsfraktionen ab. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Bürobesprechung, Gespräche mit Kunden, Diskussion mit Kollegen, ein Projekt will abgeschlossen werden, dazwischen klingelt das Telefon, und zahlreiche Anfragen über E-Mails sind zu beantworten - dank Smartphone oft noch nach dem offiziellen Dienstschluss oder am Wochenende. Schließlich wollen der Chef, die Kollegen und Kunden zufriedengestellt werden, und auch die eigene Arbeitsmotivation soll unter Beweis gestellt werden. Das ist Stress pur. Gespickt wird die Arbeitsverdichtung mit Konkurrenzkampf, Angst um den Arbeitsplatz, Perfektionismus. Psychische Erkrankungen oder gar Burnout sind häufig die Folge. Bei weitem sind nicht nur Manager davon betroffen. Das Phänomen zieht sich quer durch alle Berufsgruppen. Psychische Erkrankungen sind stark im Vormarsch. Mittlerweile beruhen 41 Prozent aller Anträge auf Erwerbsminderungsrente auf psychischen Krankheiten. Sie sind damit der Hauptgrund für einen vorzeitigen Rentenbezug. Wenngleich auf Platz eins als häufigste Ursache von Krankschreibungen Krankheiten des Atmungssystems stehen, stellt der neueste TK-Gesundheitsreport 2013 fest: "Deutlich, und im Sinne einer Fortsetzung des Trends aus den vergangenen Jahren, sind unter Männern und Frauen von 2011 auf 2012 die Fehlzeiten mit psychischen Störungen angestiegen" - im Vergleich zum Vorjahr: plus 12,4 Prozent bei Männern, plus 14,5 Prozent bei Frauen. Ein Grund für den besorgniserregenden Anstieg ist sicherlich die Arbeitsverdichtung und die ständige Erreichbarkeit. Zahlreiche Studien sehen die Konstellation aus falschen eigenen Ansprüchen und nachteiligen Anreizstrukturen der Arbeitswelt als besonders problematisch an. Den Anforderungen einer modernen Gesellschaft an Beruf, Familie, Ehrenamt und Freizeit gerecht zu werden, übt einen zusätzlichen Druck aus. Auch die persönliche Disposition spielt eine Rolle. Gleichzeitig hat die Enttabuisierung psychischer Erkrankungen dazu geführt, dass diese Leiden offener thematisiert werden als früher. Früher wurden oft andere Erkrankungen vorgeschoben. Die Ursachen sind vielschichtig. Da psychische Erkrankungen und Erschöpfungszustände verheerende Folgen für Betroffene selbst, aber auch für Wirtschaft und Sozialversicherungssysteme haben, ist Handeln dringend nötig. Die Arbeitnehmergruppe der CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hatte bereits 2012 einen Maßnahmenkatalog hierzu beraten, welcher zu dem Antrag der Regierungsfraktionen führte, den wir heute im Deutschen Bundestag zusammen zur Abstimmung stellen. Die Koalitionsfraktionen von CDU/ CSU und FDP sind der Ansicht, dass die besten Lösungen partnerschaftlich gefunden werden. Darum liegt es in erster Linie bei den Sozialpartnern, den Betriebsräten und einzelnen Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, ihrer Verantwortung für den Erhalt der psychischen Gesundheit nachzukommen. Dazu brauchen sie aber auch Unterstützung von den Akteuren im Gesundheitswesen, den Innungen und Kammern. Auch die Politik ist gefragt. Sie muss für die nötigen Rahmenbedingungen sorgen. Das ist auch das Ergebnis mehrerer Fachgespräche, die wir in den vergangenen Monaten geführt haben. Dabei erörterten Vertreter aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmerschaft, von Krankenkassen und Ärzte, welche Konzepte in der betrieblichen Gesundheitsförderung benötigt werden, um die geistige wie körperliche Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu erhalten und der steigenden Anzahl an psychischen Erkrankungen vorzubeugen. Das Ergebnis ist: Die Präventionsarbeit muss von Sozialpartnern, einzelnen Führungskräften, Mitarbeitern, Betriebsärzten, den Kranken- und Unfallkassen vorangetrieben werden. Gesetze und Verordnungen durch die Politik allein würden fehlschlagen. Zielführender seien positive Beispiele aus der Unternehmerpraxis, und da gibt es einige - bislang vor allem bei größeren Unternehmen. Darum fordern wir mit unserem Antrag die Bundesregierung auf, auf Krankenkassen einzuwirken, damit diese gemeinsam und in Zusammenarbeit mit Kammern und Innungen einen niedrigschwelligen Zugang für kleine und mittlere Unternehmen zu Leistungen der betrieblichen Gesundheitsförderung etablieren. Konkret fordern wir, den Richtwert in § 20 Abs. 2 SGB V für die Gesundheitsförderung zu erhöhen und 2 Euro pro Versicherten als Mindestwert für die betriebliche Gesundheitsförderung festzuschreiben, mit dem Ziel, Investitionen in den Erhalt der Gesundheit am Arbeitsplatz zu steigern. Nicht in Anspruch genommene Mittel sollen regionalen Kooperationen der Krankenkassen mit örtlichen Unternehmensorganisationen zugutekommen. Die Aufgabe der Politik ist es, genügend Mittel und Programme für die Forschungsförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung bereitzustellen, damit im Rahmen der bereits bestehenden Versorgungsforschung und der Erforschung von Volkskrankheiten, wie psychischen Erkrankungen, konkrete Maßnahmen entwickelt werden können, mit denen psychischen Belastungen begegnet werden kann. Auch geschlechtsspezifische Faktoren hinsichtlich der Betroffenheit, der Symptomatik und der auslösenden Faktoren sollten hierbei Berücksichtigung finden. Wir haben in der christlich-liberalen Regierungszeit gute Unterstützungsmöglichkeiten und Maßnahmen für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben geschaffen. Es gilt nun, diese auszubauen und neue bedarfsgerechte Konzepte zu entwickeln. Das Rad muss nicht ständig neu erfunden und bürokratische Hürden dürfen nicht aufgebaut werden. Deshalb wollen wir vorhandene Strukturen, Kooperationsverbünde und Netzwerke auf politischen, Verwaltungs- und Verbandsebenen - beispielsweise die Initiative Gesundheit und Arbeit, die Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie, das Deutsche Netzwerk für betriebliche Gesundheitsförderung - stärken, ausbauen und zielgerichtet miteinander vernetzen. Auch muss ihr Bekanntheitsgrad vergrößert werden. Sehr gut wirkt in diesem Zusammenhang die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Initiative Neue Qualität der Arbeit. In einem sind wir von den Regierungsfraktionen und der Opposition ja einig: Es gilt, Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten, und die besondere Herausforderung gilt derzeit der psychischen Gesundheit. Doch wie wir das erreichen wollen: Da beschreiten wir verschiedene Wege, und Sie von der Opposition beschreiten den Holzweg. Wir setzen mit unserem Antrag auf verstärkte Öffentlichkeitsarbeit, Enttabuisierung und Kooperation der Sozialpartner. Das und nicht der einer Anti-Stress-Verordnung, wie SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linke sie fordern, ist der richtige Weg. Die Anti-Stress-Verordnung, die hier gefordert wird, hat vor allem einen schönen Namen, aber sie wird ihm inhaltlich nicht gerecht. Sie ist zu abstrakt formuliert, und es wird gänzlich verkannt, dass es kaum möglich ist, für die für die psychische Gesundheit so wichtigen Parameter wie Betriebsklima und Führungsverhalten Grenzwerte und verbindliche Gestaltungsmaßnahmen zu bestimmen. Zielführend ist hingegen ein weiterentwickeltes Arbeitsschutzmanagement, wie die christlich-liberale Koalition es anstrebt, damit auch für den Bereich der psychischen Gesundheit die bestehenden Gesetze für Unternehmen verständlicher und besser umsetzbar werden. Wir hätten schon einen großen Erfolg, wenn mehr Betriebe eine Gefährdungsanalyse durchführen würden. Da gibt es noch große Unterschiede zwischen Groß- und kleinen Betrieben. Wir müssen vor allem die kleinen Betriebe unterstützen. Die Opposition setzt auf Reglementierungen, wir setzen hingegen auf die Bereitschaft der großen Mehrzahl der Unternehmen und der Krankenkassen, im konstruktiven Dialog und mit der Unterstützung der beteiligten Ressorts der Bundesregierung ein funktionierendes und breit angelegtes betriebliches Gesundheits- und Eingliederungsmanagement für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entwickeln und zu etablieren, und wir setzen darauf, dass die Sozialpartner gemeinsam Lösungsansätze entwickeln, verstärkt tarifliche Regelungen und Betriebsvereinbarungen abschließen und eine Übereinkunft zu einer gemeinsamen Erklärung zur psychischen Gesundheit bei der Arbeit treffen. Die Opposition erweckt den Eindruck, es wäre die Arbeit, die etliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer krank macht. Doch es ist nicht die Arbeit, die krank macht, sondern es sind bestimmte Arbeitsbedingungen. Was auch krank macht, ist, keine Arbeit zu haben; denn die Zahl derer, die unter psychischen Erkrankungen leiden, ist bei Arbeitslosen höher als bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wie der BKK-Gesundheitsreport 2012 gezeigt hat. Deshalb fordern wir, zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit Angebote für Arbeitslose aufzubauen und zu erweitern. Doch besser als Präventionsprogramme in Zeiten der Arbeitslosigkeit ist, schnell aus ihr herauszukommen. Von daher ist es ein besonderes Verdienst unserer Bundesregierung, dass fast 42 Millionen Menschen in Deutschland erwerbstätig sind - bei deutlich unter drei Millionen Menschen ohne Arbeit - und dass die Arbeitslosigkeit ihren niedrigsten Stand seit 1990 erreicht hat. Josip Juratovic (SPD): In letzter Zeit wird immer mehr über die Stärken des Arbeitsmarktes geredet. Damit eine solche Diskussion über den allgemeinen Wohlstand unserer Gesellschaft aber überhaupt Sinn macht, muss man sich erst einmal mit dem Wohlbefinden jedes Einzelnen in der Arbeitswelt befassen. Daher bin ich froh, dass im Fokus der heutigen Debatte das wichtigste Kriterium für die Gestaltung einer erfolgreichen Arbeitswelt steht, nämlich die Gesundheit der Beschäftigten und damit die Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit. Ich möchte zunächst an das Gesundheitsverständnis im Sinne der Definition der Weltgesundheitsorganisation erinnern. Gesundheit besteht eben nicht nur aus der Abwesenheit von Krankheit, sondern Gesundheit stellt einen Zustand von vollständigem physischen, psychischen und sozialen Wohlbefinden dar. Den Eindruck von so einem Zustand bekomme ich jedoch nicht, wenn ich in meinem Wahlkreis in verschiedenen Betrieben unterwegs bin. Immer häufiger stößt man auf Klagen der Beschäftigten, dass der Leistungsdruck enorm zugenommen hat. An vielen Arbeitsplätzen in Deutschland hat sich der Stress in den letzten Jahren deutlich erhöht. Man lässt sich von der technologischen Entwicklung und den neuen Arbeitsmethoden auf den ersten Blick begeistern. Es wird von einem Wandel der Arbeitswelt gesprochen. Aber dieser Wandel ist mitnichten eine rein positive Entwicklung. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist klar, dass durch den Wandel die klassischen harten Belastungsfaktoren wie körperliche Belastungen abnehmen, aber die psychischen Faktoren zunehmen. Die immer schnelleren Veränderungen und die prekären Arbeitsbedingungen führen zu einer Arbeitsweise unter permanentem Zeitdruck und ständiger Unsicherheit ohne feste Zukunftspläne. Die Verdichtung der Arbeit, zunehmende Arbeitszeiten, Leih- und Zeitarbeit, immer mehr Schicht- und Nachtarbeit, steigende inhaltliche Anforderungen und vieles mehr erhöhen den psychosozialen Druck auf Beschäftigte, und wer dauerhaft unter Stress leidet, läuft Gefahr, psychische Störungen herauszubilden. Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr, dass ein Zusammenhang zwischen psychischer Belastung und psychischen Erkrankungen besteht. Besorgniserregend ist die Tatsache, dass seit 2006 die Anzahl an seelischen Erkrankungen um 75 Prozent zunahm. Der Anteil psychischer Erkrankungen an allen Erwerbsmin-derungsrenten lag 2012 bei 41 Prozent. Es geht nicht nur darum, dass die Frühverrentungen wegen Arbeitsunfähigkeit teuer sind, sondern es geht um viel mehr. Es geht um Nachhaltigkeit. Wir müssen Arbeit so gestalten, dass sie uns gesund altern lässt. Um eine bessere Arbeitswelt zu schaffen, ist es wichtig, die veränderten und neu entwickelten Belastungen zu identifizieren. Wir brauchen neue Regelungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz, um auf die steigenden psychischen Belastungen zu reagieren. Wir Sozialdemokraten fordern die Bundesregierung seit langem auf, zu handeln. Die bisherigen Konferenzen der Regierung sind nicht ausreichend. Dabei hat sich deutlich gezeigt, dass die Bundesregierung nur zu minimalen Änderungen des Arbeitsschutzes bereit ist. Die Regierung tut nichts Substanzielles, um gegen übermäßigen Stress in der Arbeitswelt vorzugehen. Selbst die von Arbeitsministerin von der Leyen angepriesene gemeinsame Erklärung der Sozialpartner zur psychischen Gesundheit bei der Arbeit ist im letzten Augenblick an den Arbeitgebern gescheitert. Wir als SPD haben ein schlüssiges Konzept entwickelt, wie wir mit psychischen Belastungen in der Arbeitswelt umgehen müssen. Wir brauchen dringend eine Anti-Stress-Verordnung, um die Regelungslücke im Arbeitsschutz zu schließen. Im Arbeitsschutz ist alles Mögliche detailliert geregelt; ich denke zum Beispiel an die Biostoffverordnung. Aber eine Verordnung im Bereich der psychischen Belastungen fehlt jedoch. Eine Anti-Stress-Verordnung erleichtert die Handhabung des Gesetzes; denn es wird für Arbeitgeber, Arbeitsnehmer und die Aufsichtsbehörden klar definiert, was zu tun ist. Weiter muss die Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements, BEM, in den Betrieben sichergestellt werden. Ein wichtiges Ziel ist, in den Betrieben Arbeitnehmern, die länger als sechs Wochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, zu helfen, möglichst frühzeitig wieder arbeiten zu können. Sonst besteht die Gefahr, dass sie aufgrund der Ausgeschlossenheit in eine neue Depressionsphase geraten. Wir müssen diese Bedingungen für eine stärkere Beteiligung der Krankenkassen schaffen. Sie sollen Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen in den Betrieben fördern, und es soll geprüft werden, ob psy-chische Erkrankungen in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen werden. Dadurch könnten Rehabilitation und Entschädigung durch die Unfallversicherung ermöglicht werden. Es ist dringend nötig, sich über Prävention mehr Gedanken zu machen. Dafür ist es wichtig, dass die Arbeitsschutzaufsicht gut und effektiv arbeiten kann. Wir brauchen keinen Personalabbau, sondern umfassendere Kontrollen, um fehlenden Arbeitsschutz sanktionieren zu können. Prävention kann zudem nur dann erfolgen, wenn Gefährdungsbeurteilungen erstellt werden. Wir müssen daher dafür sorgen, dass alle Betriebe Gefährdungsbeurteilungen erstellen. Kurz und gut: Wir müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass psychische Belastungen erst gar nicht entstehen. Nur gesunde und motivierte Mitarbeiter können erwerbstätig sein. Es ist im Interesse jedes einzelnen Arbeitnehmers, bei der Arbeit nicht krank zu werden. Es ist aber auch im Interesse der Arbeitgeber, gesunde Mitarbeiter zu haben, damit diese keine Ausfallzeiten haben. Außerdem ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz wichtig für die Lebensqualität in unserem Land. Das zukünftige Wachstum muss eine erfolgreiche Wirtschaft und gute Arbeitsbedingungen verbinden, um ein gutes Leben möglich zu machen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Pascal Kober (FDP): Schon allein an der Tatsache, dass wir heute insgesamt vier Anträge beraten und dass jede Fraktion hier im Hause einen Antrag zum Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz eingebracht hat, können wir erkennen, dass das Thema wichtig ist und dass die Politik Hilfestellungen gibt und Antworten sucht. Zahlen zeigen uns, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen in den vergangenen Jahren zugenommen hat. So geht aus dem "DAK-Gesundheitsreport" hervor, dass 2011 mehr Beschäftigte als je zuvor wegen psychischer Leiden arbeitsunfähig geschrieben wurden; die Fehltage haben sich zwischen 1997 und 2011 mehr als verdoppelt. Der Anteil von psychisch Erkrankten am Krankenstand betrug im Jahr 2011 13,4 Prozent. Sie stehen damit an vierter Stelle der wichtigsten Krankheitsarten. Bei Frauen machten sie 16,3 Prozent des Arbeitsunfähigkeitsvolumens aus, bei Männern 11,0 Prozent. Mit knapp 40 Prozent aller Erwerbsminderungsrentenfälle sind psychische Erkrankungen inzwischen auch der Hauptgrund für einen vorzeitigen Rentenbezug. Was auf den ersten Blick nach einer gewaltigen Zunahme an Erkrankungen aussieht, muss es aber auf den zweiten Blick nicht sein. Die Akzeptanz von psychischen Erkrankungen hat in unserer Gesellschaft zugenommen; die Scham zum Bekenntnis, psychisch krank zu sein, ist erfreulicherweise gesunken. Wir können auch durch den medizinischen Fortschritt auf verbesserte Diagnosemöglichkeiten zurückgreifen, was sicherlich auch zu einem Anstieg der Befunde von psychischen Erkrankungen geführt hat. Was früher vielleicht als Rückenleiden oder Magenproblem diagnostiziert wurde, wird mittlerweile als psychische Erkrankung erkannt. Dies kann einen Teil des Anstiegs sicherlich erklären. Es ist gut für die Betroffenen, dass ihre Krankheit mittlerweile als solche erkannt wird und auch behandelt werden kann. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Oppositionsfraktionen, in Ihren Anträgen zeichnen Sie ein zu einseitiges und negatives Bild der Ursachen von psychischen Erkrankungen. In aktuellen Studien werden Arbeitsverdichtung, Konkurrenzdruck und lange Arbeitszeiten zwar als mögliche Ursachen für mehr Krankschreibungen aufgrund psychischer Diagnosen gewertet, doch wird betont, dass insbesondere fehlender sozialer Rückhalt außerhalb der Arbeitswelt zu mangelnder Widerstands-fähigkeit gegenüber psychischen Beschwerden führt. Die psychische Gesundheit arbeitender Menschen hängt also in nicht geringem Maße von der außerberuflichen, persönlichen Lebenssituation ab, wie der Vorsitzende der Bundesdirektorenkonferenz der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Professor Dr. med. Thomas Pollmächer, sagt. Wichtig ist auch, festzuhalten, dass der höchste Anteil von psychisch Erkrankten in der Gruppe der Arbeitslosen zu finden ist. Dies zeigt klar, dass wir vor allem das Fehlen von Arbeit als gesundheitliche Belastung für die Menschen wahrnehmen müssen. Diese christlich-liberale Regierungskoalition hat in dieser Legislaturperiode eine Vielzahl an Programmen und Initiativen für eine Verbesserung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz gestartet. So hat das Bundesministerium für Gesundheit die Kampagne "Unternehmen unternehmen Gesundheit" gestartet. Ziel der Kampagne ist es, die Zahl der kleinen und mittleren Unternehmen zu erhöhen, die sich aktiv im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung einbringen. So bietet die Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit eine Sammlung von einer Vielzahl von Projekten, die kleinen und mittleren Unternehmen als Vorbild und Anregung dienen können. Denn klar ist, dass Großunternehmen mehr Kapazitäten für betriebliche Gesundheitsförderungen haben. Kleine und mittlere Unternehmen können dies vor allem durch Kooperationen und gegenseitige Abstimmung auch erreichen. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie das Bundesministerium des Innern haben Initiativen und Programme zur Stärkung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt begonnen. Ich bin der Meinung, dass wir derzeit einen Zweiklang von Maßnahmen brauchen. Wir brauchen mehr Untersuchungen über Gründe und Ursachen von psychischen Erkrankungen und daraus abgeleitet eine Verbesserung der Prävention. Zum anderen müssen wir aber auch die Anstrengungen für bessere Diagnostik und Therapien erhöhen. Der demografische Wandel und der damit einhergehende Fachkräftemangel werden es mit sich bringen, dass die Förderung der Gesundheit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Gestaltung des Arbeitsplatzes sowie der Arbeitsabläufe innerhalb der Unternehmen künftig noch stärker in den Vordergrund gerückt werden wird. Dies wird diese christlich-liberale Regierungskoalition in den kommenden Jahren weiter aktiv begleiten und unterstützen. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Immer mehr Beschäftigte werden durch zunehmenden Stress bei der Arbeit krank. Das Problem der psychischen Belastungen bei der Arbeit hat für viele Menschen bedrohliche Ausmaße angenommen und wächst weiter. Letzte Woche hat die "Süddeutsche Zeitung" neue Zahlen der Rentenversicherung veröffentlicht. Danach hat die Zahl der Frühverrentungen wegen psychischer Erkrankungen im letzten Jahr erneut zugenommen. Zunehmender Arbeitsstress ist mittlerweile die wichtigste Ursache für Frühverrentungen. Dauernder Arbeitsstress ist für die Betroffenen nicht nur ein gesundheitliches Risiko, sondern letzten Endes auch ein Armutsrisiko. Die Regierungsparteien antworten auf dieses ernste Problem mit unverbindlicher Wohlfühlpolitik. Sie setzen letztendlich vor allem auf die Einsicht und die Vernunft der Unternehmer. Aber sie meinen damit im Wesentlichen unverbindliche Appelle und eine bessere Aufklärung. Sie sprechen von einer besseren "Kultur" in Unternehmen, von Aufklärung von Führungskräften und Ähnlichem mehr. Das ist alles in Ordnung und kann so auch gemacht werden. Aber eine wahrnehmbare Wirkungskraft wird diese Wohlfühlpolitik nicht entfalten. Ich will Ihnen im Folgenden drei Punkte nennen, die meine Fraktion für unerlässlich hält, um dem Problem Arbeitsstress wirkungsvoll zu begegnen. Erstens. Der erste Punkt betrifft den Arbeitsschutz. Der findet bei den Regierungsparteien nur am Rand statt. Was wir aber brauchen, ist ein rechtlich verbindlicher Anspruch für die Beschäftigten, sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen zu wehren. Wo bleiben also die klaren Regeln, die Unternehmen Grenzen setzen, wenn sie zu weit gehen? Was ist, wenn sich nichts bewegt? Die Linke glaubt: Um den zunehmenden Arbeitsstress wirksam zu verringern, muss man die Verhältnisse verändern, unter denen viele Arbeiter und Angestellte heute arbeiten. Das ist in erster Linie ein Problem des Arbeitsschutzes. Hier muss durch rechtlich verbindliche und einklagbare Regeln festgelegt werden, wo die Grenzen der zulässigen Arbeitsbelastung liegen sollen. Sonst bleibt alles Wischiwaschi. Der DGB führt regelmäßig Umfragen unter Beschäftigten über ihre Stressbelastungen durch. Deren Ergebnisse sind eindeutig. Beschäftigte klagen darüber, dass sie immer mehr in derselben Zeit leisten müssen und sich dadurch gehetzt fühlen. Sie stellen fest, dass unregelmäßige und überlange Arbeitszeiten Stress erzeugen. Und sie benennen unsichere Beschäftigung, die Sorge vor Arbeitslosigkeit oder ein zu niedriges Einkommen als Stressfaktoren. Die Vorschläge der Linken zur Reduzierung von stressbedingten Arbeitsbelastungen beruhen auf derlei Erkenntnissen und Umfragen. Wir unterstützen die Forderung der IG Metall nach einer Anti-Stress-Verordnung, weil dadurch die Betroffenen im Betrieb selbst - die Beschäftigten und ihre Interessenvertretungen - die Stressursachen am einzelnen Arbeitsplatz konkret ermitteln können. Wo der Hase im Pfeffer liegt, das können in der Regel die Beschäftigten selbst am besten feststellen. Die Anti-Stress-Verordnung legt konkrete und verbindliche Kriterien fest, mit deren Hilfe sich alle möglichen Stressfaktoren ermitteln lassen. Diese Kriterien können dann in Gefährdungsbeurteilungen im Betrieb einfließen. Ohne diese Konkretisierungen bleibt der Schutz vor psychischen Belastungen letztlich unkonkret und unwirksam. Es muss aber auch sichergestellt werden, dass die Betriebe diese Gefährdungsbeurteilungen durchführen. Die Kontrollen des Arbeitsschutzes durch die Gewerbeaufsicht der Länder müssen deutlich intensiviert werden. Es fehlt im Moment sowohl das notwendige Personal dafür als auch die Sanktionsmöglichkeiten im Falle von Verstößen. Schließlich wollen wir, dass die Interessenvertretungen der Beschäftigten - die Betriebs- und Personal- räte - erzwingbare Mitbestimmungsrechte bei Fragen der Arbeitsaufgabe, Arbeitsorganisation und des Arbeitsumfelds bekommen. So können sie Beschäftigte vor übermäßigen Belastungen besser schützen. Die sinnvollen Initiativen der IG Metall müssen mit Leben gefüllt und zu verbindlichen Schutzrechten für alle Beschäftigten werden. Zweitens. Das Problem der arbeitsbedingten Stressbelastungen ist darüber hinaus nicht ohne die Frage nach der Arbeitszeit zu lösen. Immer mehr Menschen leiden unter überlangen oder unregelmäßigen Arbeitszeiten und können sich nicht mehr ausreichend vom Arbeitsstress regenerieren. Die Entwicklung ist vor allem bei Schichtarbeit, Nachtschicht und Wochenendarbeit besorgniserregend. Diese besonders belastenden Formen der Arbeitszeit haben in den letzten zehn Jahren drastisch zugenommen. Wir fordern, dass sie auf ein unverzichtbares Maß beschränkt werden. Wir wollen die gesetzliche Höchstarbeitszeit auf 40 Stunden verringern. Dritttens. Eine wirkungsvolle Anti-Stress-Politik muss eine soziale Neuordnung des Arbeitsmarktes ansteuern. Stress durch unregelmäßige Arbeit trifft vor allem atypisch Beschäftigte, die als flexible Arbeitskraftreserve in Betrieben beschäftigt werden. Leiharbeiter arbeiten im Schnitt weniger als drei Monate an einem Arbeitsplatz. Ähnlich geht es Werkvertragsarbeitern. Befristet Beschäftigte stehen wegen unsicherer Zukunftsaussichten ihrer Arbeitsstelle häufig unter Dauerstress. Die Deregulierung des Arbeitsmarktes durch die Regierung Schröder hat viel dazu beigetragen, dass Beschäftigte heute eine deutlich größere Arbeitshetze erfahren als noch vor fünfzehn Jahren. Wenn SPD und Grüne es ernst meinen mit der Reduzierung des arbeitsbedingten Stresses, dann sollten sie dessen Ursachen konkret angehen und die Folgen ihrer eigenen Arbeitsmarktpolitik kritisch reflektieren. Kosmetische Ausbesserungen, wie sie derzeit in den rot-grünen Wahlprogrammen stehen, helfen hier nicht weiter. Dazu gehört, dass Befristungen ohne Sachgrund und Leiharbeit verboten werden. Werkverträge müssen strikt begrenzt und, wenn sie lediglich zu Lohndumping genutzt werden, ebenfalls verboten werden. Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel in der deutschen Arbeitsmarktpolitik. Anti-Stress-Politik und eine Politik der sozialen Sicherheit können nur zusammengedacht werden. Dafür steht Die Linke. Wir laden alle Fraktionen in diesem Haus ein, dieser Einsicht zu folgen. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierungsfraktionen in diesem Hause lieben den Schein. Und sie lieben es, Placebos zu produzieren. Ein Paradebeispiel hierfür ist der Antrag mit dem Titel "Für eine humane Arbeitswelt - Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken". Eigentlich ist es ein schöner Titel, der viel verspricht. Doch diese Versprechen werden - wie so oft bei dieser Regierung - nicht gehalten. Denn in dem Antrag findet sich nichts von dem wieder, was da vollmundig versprochen wird: keine humane Arbeitswelt - und erst recht keine Stärkung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz. Es reicht auch nicht, dass mittlerweile die zwei Wörtchen "psychische Belastung" an passender Stelle in das Arbeitsschutzgesetz aufgenommen wurden. Wir brauchen klare Regelungen im Arbeitsschutz. Wir brauchen eine Anti-Stress-Verordnung, die wir den Menschen in den Betrieben an die Hand geben können und mit der auch die Aufsichtsbehörden gut arbeiten können. Nur eine Anti-Stress-Verordnung sorgt dafür, dass Arbeitsplätze künftig sicher und stressfrei werden. Viele Experten sehen das wie wir. Bei unserer Anhörung zur Anti-Stress-Verordnung sprachen sich Betriebsräte, Soziologen und Juristen, die Gewerkschaften und der Deutsche Beamtenbund, Betriebsärzte und die Kammer der Psychotherapeuten einhellig für eine solche Verordnung aus. Und viele von ihnen konstatieren, dass die zunehmenden psychischen Erkrankungen häufig aus der Arbeitsorganisation oder Arbeitszeitgestaltung resultieren. Nur die Regierungsfraktionen ignorieren diese Entwicklungen in der Arbeitswelt. Doch eben diese Entwicklung wird uns betriebs- und volkswirtschaftlich viel kosten, wenn wir - so wie die Regierungsfraktionen - einfach nur abwarten und mal schauen, was so passiert. So werden wir nicht verhindern, dass immer mehr Menschen aufgrund psychischer Belastungen vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden. 42,1 Prozent sind es nach neuesten Zahlen der Deutschen Rentenversicherung Bund. So werden wir auch nicht verhindern, dass mehr als ein Drittel dieser Erwerbsminderungsrentner und -rentnerinnen von Armut bedroht sind. Auch das fand die Deutsche Rentenversicherung Bund unlängst heraus. Denn von einer Erwerbsminderungsrente allein lässt sich kaum leben. Den Regierungsfraktionen scheint das egal zu sein. Sie setzen weiter auf die Selbstverpflichtung der Unternehmen. Doch das immer wieder strapazierte Prinzip der Freiwilligkeit funktioniert eben nicht bei deutschen Managern und dem Arbeitsschutz. Immerhin - so das ESENER-Survey - brauchen 90 Prozent der deutschen Unternehmen eine gesetzliche Verordnung, um im Gesundheitsschutz tätig zu werden. Dieses Ergebnis müssen die Regierungsfraktionen endlich ernst nehmen. Sie setzen doch sonst auch auf die Forschung und fordern, dass in Sachen psychische Gefährdungen am Arbeitsplatz noch mehr untersucht und geforscht werden müsse. Denn die Zusammenhänge von Arbeitsbedingungen und psychischer Belastung seien noch nicht wirklich klar. Dabei können psychische Belastungen am Arbeitsplatz inzwischen ziemlich sicher identifiziert werden. Das hat die Wissenschaft bei unserer Anhörung bestätigt. Außerdem lohnt ein Blick über die Grenzen unseres Landes. Immerhin ist die Forschung zu psychischen Belastungen am Arbeitsplatz in den skandinavischen Ländern umfassend und ausführlich. Für eine humane Arbeitswelt tun diese Regierung und die dazugehörigen Fraktionen nichts. Sie rühren nicht einmal den kleinen Finger. Stattdessen lobt ihr Antrag eigene kleine Regierungsaktivitätchen und belässt es ansonsten bei Appellen. Damit ist es nicht getan. Uns Grünen ist das zu wenig. Wir nehmen die Beschäftigten und die vorliegenden Daten ernst. Uns geht es um die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Notwendig sind eine Anti-Stress-Verordnung und alters- und alternsgerechte Arbeitsbedingungen; denn die Menschen müssen die Chance haben, gesund bis zur Rente arbeiten zu können. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Drucksache 17/13851. Dieser empfiehlt unter Buchstabe a seiner Empfehlung die Annahme des Antrags der Regierungsfraktionen auf Drucksache 17/13088 mit dem Titel "Für eine humane Arbeitswelt - Psychische Gesundheit auch am Arbeitsplatz stärken". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/12818 mit dem Titel "Arbeitsfähigkeit von Beschäftigten erhalten - Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/11042 mit dem Titel "Psychische Belastungen in der Arbeitswelt reduzieren". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d die Ablehnung des Antrags der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/10867 mit dem Titel "Psychische Gefährdungen mindern - Alters- und alternsgerecht arbeiten". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 46: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Elvira Drobinski-Weiß, Sören Bartol, Willi Brase, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Vorrang für Verbraucherinteressen im Gentechnikrecht verankern - Drucksachen 17/6479, 17/7559 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Max Lehmer Elvira Drobinski-Weiß Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Harald Ebner Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Dr. Max Lehmer (CDU/CSU): Die Gesundheit der Menschen in unserem Land steht für uns als Fraktion der CDU/CSU in jeder Hinsicht an oberster Stelle. Auch bei Verhandlungen auf EU-Ebene ist dies die entscheidende Maxime für die deutsche Position. Seit 1996 werden weltweit über 1 Milliarde genetisch veränderte Pflanzen angebaut, und bis zum heutigen Tage ist kein einziger Schadensfall weltweit bekannt. Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Menschen sehr ernst. Das gilt für die Bewertung aller modernen Technologien gleichermaßen. Der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen steht stets unter dem Vorbehalt, dass Sicherheit, Wahlfreiheit und Transparenz auf allen Ebenen - etwa bei der Entwicklung und Zulassung - gewährleistet bleiben. Verantwortbare Potenziale der Grünen Gentechnik wollen wir aber nutzen. Die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen soll sich daher an der wissenschaftsbasierten Abwägung zwischen Chancen und Risiken ausrichten. In erster Linie tragen Informationsdefizite oder absichtlich herbeigeführte Irritationen zu einer starken Verunsicherung der Bevölkerung bei. Die von den Gentechnikgegnern vorgebrachten Bedenken halten jedoch keiner wissenschaftlich fundierten Untersuchung stand. Auch der Antrag der SPD-Fraktion ist in seiner Bewertung zur Grünen Gentechnik nicht schlüssig. Zum einen wird konstatiert, dass gentechnisch veränderte Organismen zugelassen werden dürften und die gesetzlichen Vorsorgemaßnahmen einem verträglichen Nebeneinander von Agrogentechnik und gentechnikfreier Bewirtschaftung dienen. Zum anderen wird davon gesprochen, dass landwirtschaftliche Gentechnik nicht kontrollierbar ist. Die Forderung, auf EU-Ebene zügig eine Definition sozioökonomischer Kriterien zu schaffen und das Zulassungsverfahren zu überarbeiten, ist völlig überflüssig; denn die EU-Kommission hat in ihrem Bericht vom April 2011 über die sozioökonomischen Auswirkungen von GVO bereits vorgeschlagen, auf europäischer Ebene den wissenschaftlich fundierten Denkprozess zur Entwicklung verlässlicher und solider Faktoren bei der Erfassung von sozioökonomischen Folgen des Anbaus von GVO fortzusetzten. Uns ist sehr wichtig, dass sich jeder Einzelne für oder gegen den Anbau, die Erzeugung, den Konsum und die Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen oder Produkten entscheiden kann. Wir wollen eine echte Wahlfreiheit für die Verbraucher und Landwirte. Um diese zu gewährleisten, müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen stimmen. Für eine vollständige Transparenz brauchen wir eine Prozesskennzeichnung auf europäischer Ebene. Zum Beispiel bei Fleisch- und Wurstwaren oder auch Milch und Milchprodukten muss aus der Kennzeichnung klar hervorgehen, wenn sie unter Verwendung gentechnisch veränderter Organismen hergestellt wurden. Diese umfassende Positivkennzeichnung fordern wir bereits seit längerem und haben sie auch in unserem Regierungsprogramm 2013 bis 2017 festgeschrieben. Wir haben in der EU bereits jetzt das weltweit strengste Zulassungsverfahren zur Genehmigung und Sicherheitsbewertung von GVO. Dies gilt unabhängig davon, ob die GVO zum Anbau oder zur Verwertung als Lebens- oder Futtermittel vorgesehen sind. Sie werden nur genehmigt, wenn sie als unbedenklich für Mensch, Tier und Umwelt und als genauso sicher wie ihre konventionellen Vergleichsprodukte eingestuft werden. Die wissenschaftlichen Bewertungsverfahren führen unabhängige Experten und Wissenschaftler von der European Food Safety Authority, EFSA, durch. Darüber hinaus führen auf nationaler Ebene die zuständigen Fachbehörden, wie zum Beispiel das Bundesinstitut für Risikobewertung, BfR, oder auch die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit, ZKBS, die wissenschaftliche Bewertung gentechnisch veränderter Organismen durch. Dieses bewährte System befürworten wir ausdrücklich. Ihre in diesem Zusammenhang geäußerte Kritik der Verquickung von Mitgliedern der Zulassungsbehörde zur Industrie ist mehrfach widerlegt und haltlos. Die öffentliche Forschung ist ein entscheidender Faktor für die Sicherheitsbewertung von GVO. Mehrere Studien machen deutlich und zeigen auf, dass Grüne Gentechnik alleine die globalen Herausforderungen, wie die Sicherung der Welternährung bei wachsender Weltbevölkerung und gleichzeitig rückläufiger Anbaufläche, nicht lösen kann. Jedoch kann die Grüne Gentechnik einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der genetischen Eigenschaften einer Pflanze leisten, die unter anderem auch helfen, Pflanzen unter kritischen Anbaubedingungen - Kälte, Hitze, schwierige Böden - anbauen zu können. Es ist bewiesen, dass der Einsatz von GVO die landwirtschaftliche Produktivität erhöht und zugleich den wirtschaftlichen Wert landwirtschaftlicher Produkte aufgrund der höheren Qualität pflanzlicher Nahrungs- und Futtermittel steigert. 117 Millionen Landwirte - vorwiegend kleiner Betriebe - nutzen bereits die Vorzüge gentechnisch veränderter Pflanzen. Die Zulassung gentechnisch veränderter Organismen soll sich daher an der wissenschaftsbasierten Abwägung zwischen Chancen und Risiken ausrichten. Der ideologisch motivierte Versuch der Opposition, ganze Technologien in Deutschland zu verhindern, ist Gift für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir als Unionsfraktion dagegen stehen für eine wissenschaftsbasierte und technologieoffene Politik. Wir stehen für die Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Elvira Drobinski-Weiß (SPD): Unser Antrag, mit dem die SPD-Fraktion die Bundesregierung auffordert, das Gentechnikgesetz im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom November 2010 zu ändern, ist inzwischen fast genau zwei Jahre alt. Als Bundesregierung haben CDU/CSU und FDP seitdem nichts unternommen. Wenn man sich anschaut, was Schwarz-Gelb im Koalitionsvertrag damals angekündigt hatte, muss man sagen: Auch wenn ansonsten die leeren Versprechungen und die Untätigkeit dieser Bundesregierung eine enorme Belastung für Verbraucherinnen und Verbraucher war, in diesem einen Bereich, der Agro-Gentechnik, können die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland froh sein, dass die Bundesregierung untätig blieb. Der Koalitionsvertrag von 2009 trug eindeutig die Handschrift der Gentech-Lobby. Dass auch damals schon 80 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher gentechnisch veränderte Pflanzen auf dem Acker und im Essen ablehnten, interessierte die schwarz-gelben Koalitionäre nicht. Sogar der Anbau der Amflora-Kartoffel wurde im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Zum Glück ist nichts passiert. Schaut man sich aber die ganz frischen Wahlprogramme von CDU/CSU und FDP an, dann ist doch etwas passiert: Sowohl bei der CDU/CSU als auch bei der FDP fehlen Aussagen zur Position beim Thema Gentechnik. Lediglich von der Prozesskennzeichnung ist dort die Rede. Vielleicht haben CDU/CSU und FDP ja endlich verstanden, dass man den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Gentechnik nicht aufzwingen kann. Schließlich betonen gerade CDU/CSU und FDP ja auch in ihren Wahlprogrammen erneut Mündigkeit und Selbstbestimmung der Verbraucher. Oder sie haben endlich zur Kenntnis genommen, dass auch Ihre eigenen Wählerinnen und Wähler die Agro-Gentechnik mit großer Mehrheit ablehnen. Als wir damals unseren Antrag einbrachten, hatte das Bundesverfassungsgericht gerade in seinem Urteil vom November 2010 darauf hingewiesen, dass die Ausbreitung von gentechnisch verändertem Material, einmal in die Umwelt ausgebracht, schwer oder gar nicht begrenzbar sei. Es bestätigte damit juristisch die naturwissenschaftlich begründete Unkontrollierbarkeit gentechnisch veränderter Organismen im offenen System und verwies auf die besondere Sorgfaltspflicht des Gesetzgebers, der nach Art. 20 a des Grundgesetzes den Auftrag habe, "in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen". Im September 2011 hat dann der Europäische Gerichtshof in Sachen GVO-verunreinigter Honig entschieden, dass Honig, der Spuren von nicht zu Lebensmittelzwecken zugelassenen gentechnisch veränderten Konstrukten enthält, nicht mehr verkauft werden darf. Das bestätigt: An der Nulltoleranz für nicht zugelassene GVO muss festgehalten werden - und das gilt für alle Lebensmittel. Außerdem hatte der EuGH entschieden, Pollen in Honig sei wie eine Zutat zu behandeln. Damit würden im Falle der GVO-Verunreinigung die 0,9 Prozent für den Pollen selbst gelten, und Honig mit GVO-Pollen würde kennzeichnungspflichtig. Die Bundesregierung ist untätig geblieben. Auch als die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegte, der eine grobe Missachtung des EuGH-Urteils bedeuten und dafür sorgen würde, dass Honig, der gentechnisch veränderte Pollen enthält, ohne entsprechende Kennzeichnung bleibt, hat die Bundesregierung keine Position gegen den Kommissionsvorschlag bezogen. Dabei tritt er das Recht der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Information und Wahlfreiheit mit Füßen. Für eine Regierungskoalition, die sich stets auf den mündigen und selbstbestimmten Verbraucher beruft, ist das ein sehr schwaches Bild. Wenn es in Brüssel um Zulassungsanträge ging, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung durch Enthaltung oder Zustimmung geglänzt und damit den Markt für neue GVOs geöffnet. Ansonsten tat sie nichts - nichts zum Schutz der Imker, nichts zum Schutz der gentechnikfreien Lebensmittelwirtschaft, nichts zum Schutz, zur Information und zur Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. So kann keine einzige unserer Forderungen aus dem SPD-Antrag "Vorrang für Verbraucherinteressen im Gentechnikrecht verankern" aus dem Sommer vor zwei Jahren als erledigt abgehakt werden. Nach wie vor gibt es für uns alle viel zu tun: Wir müssen die Nulltoleranz für nicht zugelassene GVOs verteidigen. Wir müssen für die Saatgutreinheit kämpfen. Das Saatgut steht am Anfang der Kette, und wenn wir kein sauberes Saatgut mehr zur Verfügung haben, dann ist die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion nicht mehr möglich. Wir brauchen endlich die Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte, die mit GVO-Futtermitteln gewonnen wurden. Wir wollen endlich eine Überarbeitung des Zulassungsverfahrens. Es muss transparent werden und sicherstellen, dass das Vorsorgeprinzip unbedingt und ohne Kompromisse gilt. Die Untersuchung der Unbedenklichkeit eines neuen GVOs für Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt muss kritischer und besser werden - auch hinsichtlich der Langzeiteffekte. Außerdem müssen endlich auch die sozialen und ökologischen Folgekosten der Einführung von GVOs bei der Zulassung berücksichtigt werden. Solange diese Aspekte nicht berücksichtigt sind, darf es keine weiteren Zulassungen geben. Wir brauchen eine transparente und unabhängige Forschung. Wo öffentliche Gelder in die Forschung fließen, sollten Gegenstand und Zielsetzung der Forschung transparent und im Interesse des Allgemeinwohls sein, und die Forschungsergebnisse sollten öffentlich zugänglich sein. Zudem muss es eine Kosten-Nutzen-Analyse geben, und wir wollen, dass die Verengung der Forschungsförderung auf die Gentechnik endlich aufhört. Es muss wieder mehr Geld in nicht-gentechnische Ansätze fließen; denn wir sehen es doch: Die Agro-Gentechnik ist nicht die Lösung. Zu dieser Erkenntnis sind ja vielleicht inzwischen auch die Kolleginnen und Kollegen von der Union und von der FDP gekommen, und vielleicht fehlt deshalb das Thema Agro-Gentechnik sowohl im Wahlprogramm von CDU/CSU als auch in dem der FDP. Sie alle hier haben heute zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode die Chance, Ihren Erkenntniszugewinn in die Tat umzusetzen und unsere Vorschläge zu unterstützen, indem Sie die Beschlussempfehlung des Ausschusses ablehnen. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Der Antrag ist ein alter Hut. Es ist der Versuch, die Grünen hinsichtlich der Ablehnung der Gentechnik zu überholen. Damit verkauft die SPD ihre eigene Seele und verabschiedet sich von einer eigenständigen Beschlussfassung beim Thema biotechnologische Züchtung. Gentechnik ist Alltag. Der Fleiß, mit dem dieser Antrag erarbeitet wurde, hätte ein würdigeres Ziel verdient. Selbst die Grünen haben feststellen müssen, dass ihre eigenen Mitglieder den Kampf gegen die Gentechnik als untergeordnet ansehen. Man muss ihnen zurufen: "Ihr habt Recht! Warum gegen eine Züchtungsmethode kämpfen, die sich bewährt?" Die Onlinepetition für unabhängige Risikoforschung im Bereich Bio- und Gentechnik, betrieben von Personen, die gezielt keine unabhängige Forschung betreiben und unterstützen, ist ebenfalls gescheitert. Wir müssen nach 17 Jahren des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen auf weltweit inzwischen über 170 Millionen Hektar Fläche feststellen, dass offensichtlich die Interessen von Landwirten und Verbraucherinnen und Verbrauchern gewahrt wurden und es damit überhaupt keinen Anlass für eine solche Petition gibt. Der rot-grüne Beschluss in Niedersachsen, das Schulprojekt HannoverGen nicht fortzuführen, hat zu einem Shitstorm auf der Internetseite der Grünen geführt. Die Angst der Grünen vor der Vermittlung von konkretem Wissen zu den Methoden der Gentechnik war so groß, dass sie ein bundesweit anerkanntes Schulprojekt beendet haben. Wissen, das grüner Ideologie entgegensteht, ist offensichtlich verpönt. Nicht immer weist der gesellschaftliche Mainstream in die richtige Richtung. Astronomen wissen das aus der Geschichte: Die Erde ist keine Scheibe und dreht sich um die Sonne. Wenn das Bundesverfassungsgericht Aussagen zur Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Gesetzes wie des Gentechnikgesetzes macht, ist dies sein gutes Recht und seine Aufgabe. Wenn es aber außerdem über naturwissenschaftliche Tatbestände Bewertungen vornimmt, ist es in seine Schranken zu weisen. Schuster, bleib bei deinen Leisten. Deswegen sind Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zur Verbreitung von gv-Pflanzen völlig ohne Bedeutung. Es ist richtig, dass bei Befragungen die Verbraucherinnen und Verbraucher der Gentechnik skeptisch gegenüberstehen. Gleichzeitig müssen die Unternehmen jedoch feststellen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht bereit sind, für ihre Sonderwünsche auch finanziell geradezustehen. Das ist bedauerlich für die Unternehmen, die auf diese Sonderwünsche gesetzt haben. Aber diese Realität müssen wir zur Kenntnis nehmen. Angesichts des Anbaus von gv-Soja auf über 80 Prozent der Anbaufläche ist das Beharren auf herkömmlich gezüchtetem Soja ein Sonderwunsch. Das britische Einzelhandelsunternehmen Tesco, das drittgrößte weltweit, hat deswegen gemeinsam mit anderen in diesem Frühjahr entschieden, zur Erstellung der von Tesco vermarkteten Geflügelprodukte die Fütterung mit gv-Soja zuzulassen. Die Unternehmen nehmen mit ihrer Entscheidung zur Kenntnis, dass gv-Soja sicher und inzwischen Standard ist. Der Anteil des Anbaus von herkömmlich gezüchtetem Soja ist inzwischen weltweit auf unter 20 Prozent gesunken; er findet in einigen Ländern wie Argentinien nicht mehr statt. Herkömmlich gezüchtetes Soja wurde vom Markt gedrängt, weil weder die Chinesen als weltweit größte Sojaimporteure noch die Europäer bereit sind, die durch erhöhten Zeit- und Energieaufwand entstehenden erhöhten Kosten der Landwirte zu bezahlen. Diesen erhöhten Kosten steht für die Verbraucherinnen und Verbraucher kein Nutzen gegenüber. Auch zur leidigen Diskussion über die sogenannte Nulltoleranz liefert der SPD-Antrag keine neuen Erkenntnisse. Es ist überfällig, dass die noch geltende Nulltoleranz bei Lebensmitteln und Saatgut gegenüber in der EU noch nicht zugelassenen Sorten durch einen technischen Schwellenwert ersetzt wird. Es macht doch keinen Sinn, für Gifte wie Dioxin oder Aflatoxin einen Grenzwert zu akzeptieren, bei völlig harmlosen Beimengungen von gv-Sorten aber auf der sogenannten Nulltoleranz zu bestehen. Allerdings hat hier die Bundesregierung aufgrund der Haltung der CSU die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Das Fehlurteil des EuGh, das Pollen im Honig als Zutat definierte, muss unverzüglich korrigiert werden. Die FDP unterstützt deshalb den Vorschlag der Kommission, die Honigrichtlinie zu ändern. Tomaten auf der Pizza sind eine Zutat, Pollen im Honig jedoch nicht. Zur Ausweisung von Sortenhonigen wie Raps- oder Heidehonig wird die Sortenreinheit unter anderem durch Bestimmung des Pollenspektrums nachgewiesen. Dies ist nur sinnvoll, weil Pollen ein natürlicher Bestandteil von Honig ist. Den Gegnern des Kommissionsvorschlags geht es nicht um den Honig. Es geht allein darum, der grünen Gentechnik durch ein Hintertürchen Steine in den Weg zu legen. Wer solche Winkelzüge braucht, um Gentechnik zu diskreditieren, hat keine Argumente. Die Änderung der Honigrichtlinie ist auch für Honige, die aus Entwicklungs- und Schwellenländern über Fairtrade importiert werden, eine wertvolle Hilfe. Die Grünen tragen ihre ideologischen Grabenkämpfe auf dem Rücken der Imker in diesen Ländern aus. Das oft angeführte Argument, gv-Pflanzen schadeten den Kleinbauern, ist ein hartnäckiger Irrglaube, der durch häufige Wiederholung nicht richtiger wird. In der letzten Ausgabe der Welt setzt sich die Autorin Pia Heinemann mit ebendiesem Vorurteil auseinander. Sie kommt zu dem Schluss, dass Bt-Baumwolle einen Beitrag zur Armutsbekämpfung in Indien leistet. Der Agrarökonom Professor Matin Qaim von der Universität Göttingen hatte beispielsweise untersucht, welche sozialen und finanziellen Folgen der Anbau von Bt-Baumwolle für indische Bauern hat. So stiegen zwischen 2002 und 2008 die Ernteerträge dieser Bauern um 24 Prozent. Bauern, die auf die neue Bt-Sorte umstiegen, hatten in der gleichen Zeit ein Einkommensplus von 50 Prozent, da sie weniger Insektizide einsetzen mussten, aber dennoch bessere Erträge hatten. Die Folge war eine Verbesserung ihrer Ernährungssituation. Spektakulär war die öffentliche Entschuldigung von Mark Lynas, ehemaliger Gentechnikgegner aus Großbritannien, für seine frühere Beteiligung an Feldzerstörungen. Es wird wohl noch etwas dauern, bis Gentechnikgegner bei den Grünen und der SPD bereit sind, Sachargumente zur Kenntnis zu nehmen. An die Adresse der SPD gerichtet: Dadurch würden Sie am besten die Verbraucherinteressen wahren. Es muss doch zu denken geben, wenn der Anarchist Jörg Bergstedt öffentlich darlegt, dass er seinen Protest gegen die Gentechnik jetzt ruhen lassen will zugunsten des Protests gegen die sogenannte Massentierhaltung oder das Fracking. Es zählt offensichtlich das "Dagegensein". Wer solche anarchistischen Bewegungen unterstützt, wendet sich gegen die Menschen in unserem Land, gegen deren Wunsch nach Frieden und Wohlstand und einer guten Zukunft für ihre Kinder. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Die Linksfraktion lehnt gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere aus vielfältigen Gründen ab - bislang sind in der EU nur gentechnisch veränderte Pflanzen relevant. Sie gefährden beispielsweise die gentechnikfreie Landwirtschaft und Imkerei. Durch Vermischungen oder durch Auskreuzungen kann es zu Verunreinigungen kommen. Sicher verhindert werden kann das nicht. Das zeigte sich erst jüngst wieder, als in den USA Gentechnik-Weizen auf einem Feld gefunden wurde, der nie eine Anbauzulassung hatte. Wer weiß, wie viele Weizenernten bereits völlig unbemerkt mit Gentech verunreinigt und verarbeitet wurden? Erinnert sei an den Reis LL 601, der ebenfalls nie zugelassen wurde, aber dennoch seinen Weg vom Feld in Georgia/USA weltweit in die Supermarktregale gefunden hat. Weiterhin gefährdet die Agro-Gentechnik die Umwelt. Statt Pestizide einzusparen, vergrößert sich zumindest mittelfristig der Bedarf, und wahre Gift-Cocktails werden verspritzt. Der Fehler liegt auch hier im System: Massiver Gentech-Anbau führt früher oder später zu resistenten Schädlingen und Unkräutern. Bei massiven Antibiotika-Anwendungen ist dieser Vorgang Grundwissen; bei Gentech-Pflanzen wird das oft ausgeblendet. Im Fachjournal "Nature Biotechnology" wurde kürzlich eine aufschlussreiche Studie veröffentlicht. Die Anzahl der Insektenarten, die man nicht mehr effektiv mit insektenresistenten Gentech-Pflanzen bekämpfen kann, hat sich innerhalb weniger Jahre verfünffacht. Studien besagen, dass in den USA, Indien und Südafrika über die Hälfte der Individuen einiger Insektenvölker bereits unempfindlich gegen das Gift sind. Statt auf diesem Irrweg umzukehren, wurde vor zwei Wochen auf EU-Ebene über den achtfach veränderten Gentech-Mais SmartStax verhandelt. Die Linksfraktion hält diese All-in-One-Waffe für viel zu riskant. Die Enthaltung der Bundesregierung bei der Abstimmung ist deshalb inakzeptabel: Sie hätte Nein sagen müssen. Ein dritter Grund, warum wir gegen Gentech-Pflanzen sind, ist die Verteuerung der gentechnikfreien Lebensmittelproduktion. Von Gentech-Verunreinigungen sind auch die Lebensmittelverarbeitung und der Lebensmittelhandel betroffen. Dagegen müssen sie sich schützen - das kostet. Mehrkosten entstehen durch stark steigende Saatgutpreise sowie erforderliche Maßnahmen zur Vermeidung drohender Resistenzen, zur Trennung der Ernte- und Verarbeitungstechnik, der Warenströme und durch notwendige Kontrolluntersuchungen. Die Verunreinigung mit agrogentechnisch verändertem Material kann enorme wirtschaftliche Folgen haben. Im schlimmsten Fall können Landwirtinnen und Landwirte ihre Ernteprodukte und Imkerinnen und Imker ihren Honig nicht mehr verkaufen. Durch den Starlink-Skandal im Jahr 2000 fiel der Mais-Preis in den USA um sechs Prozent. Die Linksfraktion hat mehrfach kritisiert, dass Berechnungen zum Ausmaß der volkswirtschaftlichen Kosten der Agrogentechnik fehlen und gefordert, diese dringend zu erheben. (Bundestagsdrucksachen 16/7903 und 16/7441). Außerdem müssen endlich sozio-ökonomische Effekte und ethische Belange in das EU-Zulassungsverfahren für Gentech-Pflanzen verbindlich eingebunden werden. Die SPD greift in ihrem Antrag diese Bedenken auf und stellt diskussionswürdige Lösungsvorschläge vor. Leider ist diese vorbildliche Konsequenz der SPD auf der Bundesebene noch nicht in allen Landesverbänden angekommen. Im rot-rot regierten Brandenburg wären wir mit vergleichbar gentechnikkritischem Denken unseres Koalitionspartners sehr viel weiter gekommen beim Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft und der Imkerei. Das wäre auch im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Linksfraktion unterstützt die meisten Forderungen aus dem SPD-Antrag. Es ist richtig, die Nulltoleranz bei Saatgut und Lebensmitteln beizubehalten. Meiner Meinung nach sollte sie auch bei Futtermitteln wieder eingeführt werden. Die Koexistenz zwischen Gentech- und gentechfreier Landwirtschaft ist ein Märchen. Das ist unterdessen auch vielfach bewiesen. Gerade deshalb dürfen wir Verunreinigungen auch nicht durch die Hintertür zulassen. Denn genau das passiert, wenn die Koalitionsfraktionen immer wieder an der Nulltoleranz im Saatgut und gegenüber nicht zugelassenen gentechnisch veränderten Pflanzen in Lebensmitteln sägen. Die sozio-ökonomischen Auswirkungen müssen dringend im EU-Zulassungsverfahren verbindlich verankert werden. Das Zulassungsverfahren muss transparenter werden. Unabhängige Forscherinnen und Forscher müssen Zugang zu den Unterlagen erhalten, damit sie die Ergebnisse der Gentech-Konzerne überprüfen können. Ganz wichtig ist die Sicherung von Transparenz und Unabhängigkeit auch bei den Forschungsinstituten. Die aktuelle Bundestags-Petition "Behördenaufbau und -organisation - Stärkung der Unabhängigkeit der Forschungsinstitute" vom 16. April 2013 zeigt eindrucksvoll, dass es hierbei dringenden Handlungsbedarf gibt. Wichtig ist uns auch, dass die sogenannte Kennzeichnungslücke geschlossen wird. Das betrifft Lebensmittel wie Eier, Milch oder Fleisch, die von Tieren stammen, die zum Beispiel mit Gentech-Soja gefüttert wurden. Das Futtermittel wird gekennzeichnet - das damit gewonnene Lebensmittel nicht. Wie sollen sich so Verbraucherinnen und Verbraucher bewusst entscheiden können? Dies ist die letzte Gentechnik-Debatte in dieser Wahlperiode, auch für die SPD. Ich hoffe, sie wird sich noch an diese vorzeigbaren Gentech-Forderungen erinnern, wenn sie nach der Wahl zusammen mit der CDU/CSU am Kabinettstisch sitzen sollte. Denn das einzige Kriterium der Wahrheit ist die Realität. Die Linke wird das weiter einfordern. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Agrogentechnik ist aktuell aus den Schlagzeilen weitgehend verschwunden, auch weil Gentechnikkonzerne wie Monsanto vorgeben, den europäischen Markt aufgegeben zu haben. Doch davon dürfen wir uns nicht täuschen lassen; denn Monsanto hält ausnahmslos alle seine EU-Zulassungsanträge für Gentechpflanzen aufrecht! Hinzu kommt die Gefahr, dass für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA wichtige Verbraucherschutzregelungen auch im Bereich Gentechnik geopfert werden. Ministerin Aigner hat auch bei diesem Thema versucht, sich als vermeintliche Verteidigerin der Verbraucherrechte zu inszenieren. Europa, so Ilse Aigner, werde seine "hohen Standards beim Verbraucherschutz für ein Freihandelsabkommen nicht zur Disposition stellen". Und was sagt Aigners Chefin zu dieser Frage? Angela Merkel meint zwar in ihrem aktuellen Videopodcast, man wolle "jetzt nicht einfach Standards minimieren". Letztlich werde man aber, so die Bundeskanzlerin, "zum Schluss Lösungen finden müssen, die von allen akzeptiert werden". Damit räumt Merkel ein, dass sie gerade die weit entwickelten EU-Verbraucherschutzstandards zur Disposition stellt. Alle gegenteiligen Beschwörungen sind also nur Beruhigungspillen für die Öffentlichkeit, die mit der Realität solcher Verhandlungen nichts zu tun haben. Zwischen der Rhetorik von Ilse Aigner und der tatsächlichen Gentechnikpolitik von Schwarz-Gelb klafft schon seit vier Jahren ein tiefer Glaubwürdigkeitsgraben! Union und FDP spielen dabei ein falsches Doppelspiel mit verteilten Rollen. Während Aigner und ihre bayerischen Parteifreunde sich öffentlich als Gentechnikkritiker gebärden, sind viele Bundestagsabgeordnete der CDU, CSU und FDP nach wie vor überzeugte Fans der Agrogentechnik. Während der bayerische Landwirtschaftsminister Brunner laut für Sojaanbau ohne Gentechnik wirbt, ist im Bundeshaushalt 2013 kein einziger Cent für die Förderung des Eiweißpflanzenanbaus in Deutschland eingestellt. Die Markteinführung von Aigners Siegel "Ohne Gentechnik" wird nur stiefmütterlich mit einem winzigen Bruchteil der Mittel gefördert, die einst für die Bekanntmachung des Biosiegels geflossen sind. Während die Bundeslandwirtschaftsministerin spät ihre Liebe zur Nulltoleranz gegenüber nicht zugelassenen Gentechpflanzen entdeckt hat, fordern einige Koalitionsvertreter, insbesondere aus der FDP, weiterhin unverdrossen die Schleifung dieses Prinzips, sogar beim Saatgut! Und in Brüssel winken Aigners Vertreter neue Importzulassungen von Gentechpflanzen ohne Ausnahme durch! Nicht einmal gegen den besonders risikobehafteten Genmais SmartStax, der gegen zwei Herbizide resistent ist und der sechs verschiedene Insektengifte produziert, hat sich Deutschland gewehrt. Ein Nein zur Gentechnik? Fehlanzeige! Nach wie vor fördert Schwarz-Gelb mit Millionensummen Forschungsprojekte zur Nutzung der Agrogentechnik. Dabei belegen immer mehr Studien, dass Gentechpflanzen statt zu höheren Erträgen nur zu mehr Pestizideinsatz und wachsender Abhängigkeit der Landwirtschaft von wenigen Konzernen führen. Handfeste Erfolge hat hingegen die moderne konventionelle Züchtung vorzuweisen. Schwarz-Gelb verschwendet also knappe Forschungsmittel für eine Dinosauriertechnologie! Bei diesem Punkt fehlt dem vorliegenden Antrag leider die nötige Konsequenz; denn es reicht eben nicht, nur "in gleichem Maße auch nichtgentechnische Ansätze" zu fördern. Grünes Ziel ist die effektive Verwendung von Forschungsmitteln für leistungsfähige Technologien; daher fordern wir die komplette Streichung öffentlicher Forschungsförderung zur Entwicklung von Gentechpflanzen. Das hat aber nichts mit einem Forschungsverbot oder gar mit "Bücherverbrennung" zu tun, wie es Kollege Lehmer in einer inakzeptablen Entgleisung genannt hat. Die zahlreichen konkreten Hinweise auf verbreitete Interessenkonflikte bei der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA und dem Bundesamt für Risikobewertung, BfR, sind der Regierung Merkel völlig egal! Dabei ist ein unabhängiger und kritischer Blick auf die Risiken der Agrogentechnik nötiger denn je: Ganz aktuell hat eine australisch-amerikanische Fütterungsstudie mit Gentechmais und Gentechsoja an Schweinen neue ernstzunehmende Hinweise auf Gesundheitsschäden erbracht. Die Bundesregierung findet dennoch nichts dabei, dass sie Aufträge zur Gestaltung von den Internetseiten biotechnikum.eu und biosicherheit.de an Agenturen vergeben hat, die enge Kontakte zur Gentechlobby pflegen. Kein Wunder, dass auf diesen Portalen, die sich besonders an Schülerinnen und Schüler richten, wesentliche Risiken und negative Folgen der Agrogentechnik entweder gar nicht vorkommen oder kleingeredet werden. Nicht nur Gentechpflanzen selbst bergen Risiken. So weisen viele Studien auf Gefährdungen von Mensch und Umwelt durch das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat hin, das vor allem beim Anbau von Gentechpflanzen zum Einsatz kommt. Doch auch hier haben Aigner, Merkel und Co ihre Ohren auf Durchzug gestellt. Für Vertreter von Schwarz-Gelb ist es normal und kein Problem, dass im Urin einer Mehrheit unserer Bevölkerung Rückstände des Herbizids Glyphosat nachweisbar sind, wie eine in der letzten Woche veröffentlichte BUND-Studie ergeben hat. Angesichts so viel Ignoranz gegenüber Risiken und Klientelpolitik zum Nutzen der Gentechlobby verwundert es nicht, dass diese Bundesregierung viele überfällige Hausaufgaben zum Schutz der gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft nicht erledigt hat. Der SPD-Antrag enthält dazu eine lange Liste von Forderungen, die wir weitestgehend teilen. Daher stimmen wir dem Antrag trotz kleinerer Schwächen zu. Schwarz-Gelb hat weder für die bessere rechtliche Absicherung der gentechnikfreien Regionen noch für die Verankerung des Schutzes der Imkerei vor gentechnischen Verunreinigungen im Gentechnikgesetz irgendetwas geleistet. Ganz im Gegenteil: Die Bundesregierung unterstützt die EU-Kommission sogar dabei, das sogenannte "Honig-Urteil" des Europäischen Gerichtshofes von 2011 über eine Änderung der Honigrichtlinie auszuhebeln. Damit würden die Verbraucherinnen und Verbraucher ihrer Rechte auf Wahlfreiheit und Transparenz beraubt, weil so selbst Honige, die weit überwiegend Pollen von Gentechpflanzen enthalten, nicht als Genfood gekennzeichnet werden müssen. Das ist Verbrauchertäuschung pur! Selbst von den Vorhaben des eigenen Koalitionsvertrages hat Schwarz-Gelb nichts umgesetzt. Die Bundesländer warten immer noch auf die Ermächtigung, selbst größere Abstände zu Gentechfeldern vorgeben zu dürfen. Auch die großspurig angestrebte "umfassende Verbrauchertransparenz" durch die Einführung einer Prozesskennzeichnung für Lebensmittel ist ein Papiertiger: Noch immer gibt es keine Kennzeichnungspflicht für tierische Produkte, die mit Gentechfuttermitteln erzeugt wurden. Fazit: Beim Thema Gentechnik hat die Regierung Merkel nichts Positives bewirkt. Da ist es bezeichnend, wenn das Einzige, was im neuen Wahlprogramm der Unionsparteien zum Thema Gentechnik steht, die vage Forderung nach einer Art Prozesskennzeichnung ist. Was schon im letzten Koalitionsvertrag versprochen war und von Schwarz-Gelb noch nicht einmal ansatzweise vorangetrieben wurde, wird jetzt wieder aufgewärmt! Beim Thema Gentechnik gilt für die Union offensichtlich: Wer nichts Wesentliches verspricht, weckt keine Erwartungen und muss daher auch nichts halten. So gesehen ist das Merkel'sche Wahlprogramm an dieser Stelle - allerdings auch nur an dieser - unfreiwillig ehrlich. Diese Ehrlichkeit hätte der Union auch in Sachen Finanzierbarkeit ihrer Wahlgeschenke gut zu Gesicht gestanden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der zuständige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/7559, den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/6479 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Regierungsfraktionen haben zugestimmt, die Oppositionsfraktionen abgelehnt. Tagesordnungspunkt 41: Beratung des Antrags der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die deutsch-koreanischen Beziehungen dynamisch fortentwickeln - Drucksache 17/14110 - Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Gute Beziehungen zu anderen Nationen zu pflegen, ist seit Jahrzehnten ein Markenkern deutscher Außenpolitik. Etwas ganz besonderes ist es, wenn diese Beziehungen bereits seit 130 Jahren andauern, so wie zwischen Deutschland und Korea. Mit der Unterzeichnung des deutsch-koreanischen Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsvertrages am 26. November 1883 begannen die offiziellen Beziehungen zwischen beiden Ländern und sind seither über rein wirtschaftliche Verbindungen hinausgewachsen. Viele Koreaner haben mittlerweile in Deutschland eine Heimat gefunden, so wie viele Deutsche den Schritt gewagt haben, sich ein neues Leben in Korea aufzubauen. Sie alle sind ein wichtiger Teil unserer gegenseitigen Beziehungen. Gute bilaterale Beziehungen leben eben nicht nur von Kontakten auf politischer Ebene, sie leben vor allem von den Begegnungen aller Mitglieder unserer Gesellschaft. Von diesen Begegnungen lebt jede Partnerschaft. Nichts geht über den direkten Kontakt und die persönliche Anschauung, um etwas über andere Länder und Menschen zu erfahren und sich ein stimmiges Bild über die dortigen Lebensbedingungen zu machen. Nur wenn man sich für andere interessiert und sich auf ihre Sicht der Dinge einlässt, kann man sie auch verstehen und schätzen. Wir begehen in diesem Jahr allerdings nicht nur 130 Jahre bilateraler Beziehungen, sondern auch den 50. Jahrestag des deutsch-koreanischen Abkommens über die Anwerbung koreanischer Bergleute. Auf dessen Grundlage und mit einer späteren Vereinbarung über die Entsendung von koreanischen Krankenschwestern kamen bis 1977 10 000 Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen sowie 8 000 Bergleute aus der Republik Korea in die Bundesrepublik Deutschland und haben maßgeblich am Aufbau und wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes mitgewirkt. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Mit unserem heutigen Antrag wollen wir fortsetzen, was vor 130 Jahren begonnen hat. Den 130. Jahrestag der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Korea nehmen wir zum Anlass, die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu beiden koreanischen Staaten auch in der Zukunft weiter auszugestalten und dynamisch fortzuentwickeln. Dabei gilt es insbesondere, die politische Annäherung zwischen der Republik Korea und der Demokratischen Volksrepublik Korea mit dem Ziel einer Wiedervereinigung nach Kräften zu unterstützen und sich für eine demokratische Entwicklung im nördlichen Teilstaat einzusetzen, sich für eine Wiederaufnahme des multilateralen Forums der Sechs-Parteien-Gespräche, mit Beteiligung der beiden koreanischen Staaten, der Volksrepublik China, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Russischen Föderation und Japan, einzusetzen, auf Grundlage der Empfehlungen des jährlich stattfindenden Deutsch-Koreanischen Forums die politischen, wirtschaftlich-technologischen und kulturellen Beziehungen weiter auszubauen, die Regierung der Republik Korea darin zu unterstützen, durch Dialog und humanitäre Gesten die Entspannung auf der koreanischen Halbinsel zu fördern und den Austausch von Schülern, Studenten, Auszubildenden und jungen Berufstätigen aus beiden Ländern dadurch zu intensivieren, dass mit der Regierung der Republik Korea konkrete Maßnahmen vereinbart werden, die den Austausch zwischen der jungen Generation beider Länder quantitativ und qualitativ voranbringen. Insbesondere der letzte Punkt sollte im Mittelpunkt der künftigen Beziehungen unserer Länder stehen. Die Jugend aus Deutschland und Korea muss sich kennenlernen, um die deutsch-koreanischen Beziehungen auch weiterhin auf ein solides Fundament zu stellen und dynamisch weiterzuentwickeln. Nur dann ist sichergestellt, dass es nicht nur bei den 130 Jahren guter bilateraler Beziehungen bleibt. Jugendliche, die sich auf einen internationalen Austausch einlassen, haben die Chance, überraschende Entdeckungen zu machen und bislang unbekannte Erfahrungen zu sammeln. Sie merken, wie viel Spaß es macht, sein Wissen zu erweitern und vielleicht auch die eine oder andere neue Sichtweise auf vermeintlich Bekanntes kennenzulernen. Zwischen Deutschland und Korea liegen keine Welten; aber Unterschiede in Geschichte, Kultur und Traditionen gibt es dennoch. Wie leben die Jugendlichen hier, welche Fragen treiben sie um, wofür interessieren sie sich? Am besten erfährt man so etwas natürlich direkt vor Ort, am besten erfährt man es von den Menschen selbst. Aus diesem Grund ist der von uns gewünschte Austausch auch so wichtig. Der Antrag soll darüber hinaus auch unseren Willen bekräftigen, die politische Annäherung zwischen der Republik Korea und der Demokratischen Volksrepublik Korea mit dem Ziel einer Wiedervereinigung nach Kräften zu unterstützen und sich für eine demokratische Entwicklung in der Volksrepublik einzusetzen. Wir Deutsche sind dankbar, dass unser Bestreben, uns für Verständigung und ein friedliches Europa einzusetzen, dazu geführt hat, mit den anderen europäischen Nationen in Sicherheit und Frieden zusammenleben zu können. Dies ist für unsere Freunde auf der koreanischen Halbinsel leider keine Selbstverständlichkeit. Die aktuelle politische Situation auf der koreanischen Halbinsel und in ganz Nordostasien ist geprägt vom Nuklearprogramm und militärischen Drohgebärden Nordkoreas im Frühjahr dieses Jahres. Ziel der Politik muss es daher sein, Nordkorea zur Abkehr von seinen Nuklearambitionen zu bewegen. Nur eine Denuklearisierung kann den Weg für eine Annäherung und Normalisierung der Beziehungen ebnen. Wie auf der koreanischen Halbinsel haben auch wir Deutschen in jeweils anderen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen gelebt. Dennoch war ein Bewusstsein von den gemeinsamen Wurzeln in Ost wie West wach geblieben, der die Grundlage für die Wiedervereinigung gebildet hat. Ich wünsche mir für unsere koreanischen Freunde, dass auch ihnen dieser Weg in nicht allzu ferner Zeit gelingen möge. Johannes Pflug (SPD): Als wir im Mai 2001 mit der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages im Rahmen unseres Korea-Besuchs die Sokkuram-Grotte in Kyngje besuchten, wurden wir plötzlich von einer großen Schar von Schulkindern umringt. Die Schulkinder freuten sich über die Schar von "Langnasen" und machten sich einen Spaß daraus, uns um Autogramme zu bitten. Abgesehen davon, dass es einem Politiker ja nicht so häufig passiert, dass er mit so viel Freude und Sympathie um seine Unterschrift gebeten wird, erinnerte ich mich plötzlich an das Jahr 1957. Damals war ich gerade elf Jahre alt und sah zum ersten Mal Menschen aus Asien, die in größerer Zahl als Gastarbeiter in meine Heimatstadt Duisburg gekommen waren, um als Bergleute oder Krankenschwestern zu arbeiten. Meines Wissens waren Koreaner die ersten Gastarbeiter überhaupt, die auf Schachtanlagen in meiner Heimatstadt Duisburg arbeiteten. Diese kleine Anekdote aus meiner Jugend zeigt, dass es eine langjährige deutsch-koreanische Freundschaft gibt, die nicht nur auf Arbeitsaustausch und Wirtschaftsbeziehungen beruht. Vielmehr ist es die gemeinsame Erfahrung aus geteilten Vaterländern, die eine enge gegenseitige Solidarität begründet hat. Wir feiern dieses Jahr den 130. Jahrestag der Aufnahme offizieller Beziehungen zwischen Deutschland und Korea. Am 26. November 1883 unterzeichneten beide Länder den ersten Handels-, Freundschafts- und Schifffahrtsvertrag. Damit wurden die bilateralen Beziehungen auf eine offizielle Grundlage gestellt. Ebenso begehen die Bundesrepublik Deutschland und die Republik Korea in diesem Jahr den 50. Jahrestag des deutsch-koreanischen Abkommens über die Anwerbung koreanischer Bergleute. Auf dessen Grundlage und mit einer späteren Vereinbarung über die Entsendung von koreanischen Krankenschwestern kamen bis 1977 10 000 Krankenschwestern und Schwesternhelferinnen sowie 8 000 Bergleute aus der Republik Korea in die Bundesrepublik Deutschland, eben jene, die ich als kleiner Junge in Duisburg gesehen habe. Die deutschen politischen Erfahrungen - nämlich Teilung, Annäherungspolitik, Wende und anschließender Einigungsprozess - bieten der koreanischen Politik Anregungen und Hoffnungen für den eigenen Weg. Unsere politischen Entscheidungen zur Überwindung der Folgen dieser Teilung sind in Korea aufmerksam verfolgt worden, nicht als Modell, das importiert werden könnte, sondern als Ermutigung, dass die friedliche Überwindung einer Teilung möglich sein kann. Ich gebe zu: Die aggressiven Äußerungen Nordkoreas in letzter Zeit machen es einem wirklich schwer, an eine baldige Annäherung zwischen Nord- und Südkorea zu glauben. Die Spaltung zwischen Nord- und Südkorea reicht sehr viel tiefer, die Isolierung beider Länder war und ist nach wie vor viel umfassender, als sie zwischen beiden Teilen Deutschlands damals war. Aber es gibt den unübersehbaren Willen, eine konstruktive Lösung für die Situation auf der koreanischen Halbinsel zu finden. Wo immer wir als Deutsche etwas dazu beitragen können, durch unsere Erfahrungen und durch unsere politische Praxis, sollten wir es tun. Nordkorea ist ein sehr schwieriger Partner in der Region, aber auch darüber hinaus. Das Land macht immer wieder von sich reden: mit seiner aggressiven Rhetorik gegenüber den USA und seinem südkoreanischen Nachbarn, mit seinen Raketentests, mit seinen gravierenden Menschenrechtsverletzungen. Wir unterstützen die internationalen Appelle zur Beendigung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms und fordern Nordkorea auf, sich konstruktiven Gesprächen nicht zu verschließen. Dennoch halte ich es für wichtig, auch die nordkoreanische Seite zu verstehen und sich in sie hineinzuversetzen: Wir müssen die nordkoreanischen Sicherheitsinteressen ernst nehmen mit dem Ziel, nordkoreanischen Politikern zu verdeutlichen, dass sie auch für ihre Sicherheitsbedürfnisse durch internationale Kooperation mehr gewinnen können als durch Rüstungsprogramme und nukleare Drohoptionen. Ich bin sicher, dass dies auch im Interesse Südkoreas liegt. Zur beiderseitigen Verständigung gibt es keine Alternative! Bijan Djir-Sarai (FDP): Vor 130 Jahren haben Deutschland und Korea ihre bilaterale Beziehung aufgenommen und dies mit der Unterzeichnung des deutsch-koreanischen Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsvertrags auf eine offizielle Grundlage gestellt. 130 Jahre Zusammenarbeit, das ist Anlass genug für die heutige Aussprache zu unserem Antrag. Die koreanische Halbinsel ist, wie damals Deutschland, geteilt. Diese Teilung verbindet Deutschland mit Korea auf eine besondere Art und Weise. Beide Teile Koreas könnten nicht unterschiedlicher sein. Früher bildete der Norden den industriellen Schwerpunkt, wogegen der Süden weitgehend landwirtschaftlich geprägt war. Unter energischer Steuerung durch den Staat entwickelte sich Südkorea in weniger als einer Generation zu einer dynamischen Industrienation. Das Land belegte 2012 mit einem kleinen Exportrückgang weltweit Platz 7 der Exportnationen. Neben einem allgemeinen Bekenntnis zu multilateralen Welthandelsgesprächen verfolgt die koreanische Regierung in den letzten Jahren systematisch den Abschluss von Freihandelsabkommen. Deutschland und Südkorea sind füreinander wichtige Wirtschaftspartner. Der Handel zwischen beiden Staaten ist stetig angewachsen und ist durch ein hohes technologisches Niveau bei den gehandelten Gütern gekennzeichnet. Südkorea ist einer der wichtigen Handelspartner in Asien. Das deutsch-koreanische Handelsvolumen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt und weist unverändert hohe Wachstumsraten auf. Der Norden hingegen produziert kaum wettbewerbsfähige Güter. Das staatliche Versorgungssystem ist nicht in der Lage, die Menschen vor Ort mit ausreichend Nahrung zu versorgen. Viele Menschen sind auf alternative Versorgungskanäle angewiesen, damit sie nicht hungern müssen. Die Verschlechterung der Ernährungssituation in Nordkorea bereitet uns in Deutschland große Sorgen. Nichtregierungsorganisationen wie die Welthungerhilfe versorgen Hunderttausende von Menschen in Nordkorea mit Lebensmitteln. Gerade bei der körperlichen Entwicklung der Kinder existieren gravierende Unterschiede aufgrund der Ernährungssituation zwischen Nord- und Südkorea. Auch wenn beide Teile des Landes unterschiedlicher nicht sein könnten, möchten wir in unserem Antrag verdeutlichen, dass die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zu beiden koreanischen Staaten auch in der Zukunft weiter auszugestalten und dynamisch fortzuentwickeln ist. Wir wollen die südkoreanische Regierung darin unterstützen, durch klaren politischen Dialog eine Entspannung der Gesamtsituation auf der koreanischen Halbinsel zu erreichen. Nordkorea müssen völkerrechtliche und politische Grenzen seiner Aktionen deutlich gemacht werden. Wir sprechen uns für eine demokratische Entwicklung Nordkoreas aus. Wir möchten, dass Nordkorea und Südkorea das Ziel der Wiedervereinigung vor Augen haben und dies kontinuierlich verfolgen. Deutschland wird dies auch weiterhin unterstützen. Seit 2002 gibt es das Deutsch-Koreanische Forum, das regelmäßig Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft beider Länder zusammenbringt. Die Forumsmitglieder sprechen jeweils Empfehlungen an die Staats- und Regierungschefs beider Länder aus, die zur nachhaltigen Entwicklung der Länder beitragen. Ich selbst habe letztes Jahr Nord- und Südkorea bereist und bin von der Wichtigkeit überzeugt, die politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen weiter auszubauen. Die deutschen Botschaften in Seoul und Pjöngjang sind um eine Annäherung beider Staaten bemüht. Man muss anerkennend sagen, dass die Friedrich-Naumann-Stiftung eine der ersten politischen Stiftungen war, die in Nordkorea aktiv wurde. Es gibt viele Herausforderungen, die wir zukünftig gemeinsam mit der koreanischen Halbinsel meistern können. Wir freuen uns, dass Südkorea zu einem unverzichtbaren Partner in der internationalen Staatengemeinschaft geworden ist und als eine immer stärker wachsende Industrienation eine zunehmend wichtigere Rolle in der internationalen Zusammenarbeit spielt. Stefan Liebich (DIE LINKE): Als am 26. November 1883 das Deutsche Reich und das Königreich Korea, damals ein China tributpflichtiger Vasall, einen Handels-, Schifffahrts- und Freundschaftsvertrag abschlossen, beschleunigte das die Öffnung des Landes. Korea geriet infolge von Kriegen zwischen China und Japan unter die Herrschaft Japans, bis es schließlich gänzlich japanische Kolonie wurde. Erst mit der Befreiung Koreas durch amerikanische und sowjetische Truppen 1945 endete diese grausame und bis heute nicht aufgearbeitete dunkle Kolonialgeschichte. Verbunden sind Korea und Deutschland nicht zuletzt durch gemeinsame Erfahrungen. Dazu zählen die Teilung ihrer Länder und der Wirtschaftsboom nach Kriegsende. Nicht vergessen sollten wir dabei den Korea-Krieg von 1950 bis 1953, der einen tiefen Eindruck bei Deutschen in Ost und West hinterließ, einer der blutigsten Kriege des 20. Jahrhunderts, ausgetragen in einem geteilten Land unter Beteiligung der jeweiligen Führungsmächte des Kalten Krieges. Sowohl in der DDR wie auch in der Bundesrepublik wurde nach dem Krieg Unterstützung für Nord- und Südkorea beim Wiederaufbau des völlig zerstörten Landes organisiert. Doch während die Teilung in Deutschland überwunden werden konnte, hält sie in Korea an und hält mit ihren Auswüchsen die Welt wieder und wieder in Atem. Die koreanische Halbinsel gehört zu den am meisten militarisierten Gegenden der Erde. Atomwaffen, weit reichende Raketen, riesige Bestände an konventionellen Waffen in Nord und Süd gefährden den Frieden nicht nur in Asien. Andererseits hat Südkorea eine wirtschaftliche Entwicklung genommen, die es in den Kreis der sogenannten Tigerstaaten brachte. Als wir unlängst mit einer Delegation des Auswärtigen Ausschusses in der Sozialistischen Republik Vietnam weilten und deutsche Abgeordnete nach Verbindungen der vietnamesischen Kommunisten nach Nordkorea fragten, schüttelten diese nur den Kopf und verwiesen stattdessen auf den großen südkoreanischen Mischkonzern Samsung, der der größte Investor in Vietnam ist. Nicht nur in Asien haben sich südkoreanische Konzerne Märkte erschlossen. Auch hier in Deutschland nutzen wir Mobiltelefone, Autos und andere Produkte aus südkoreanischer Produktion. Trotzdem - das möchte ich kritisch anmerken - fehlt eine strategische Einbettung der Beziehungen zu beiden Staaten Koreas in eine Gesamtstrategie für Deutschlands Beziehungen nach Asien. Die x-te strategische Partnerschaft wird uns an dieser Stelle nicht helfen. Deutschland hat in vielerlei Hinsicht Schnittpunkte mit beiden Koreas. Bedeutsam war die beidseitige Unterzeichnung des Anwerbeabkommens 1963, im Rahmen dessen koreanische Bergarbeiter und Krankenschwestern in die Bundesrepublik Deutschland entsandt wurden. Bis 1977 sind fast 8 000 Koreaner und etwa 10 000 Koreanerinnen nach Westdeutschland eingereist, um im Bergbau bzw. in Krankenhäusern ihren Dienst zu tun. Auch die Kontakte zwischen der DDR und der KDVR, wie sie bei uns hieß, also Nordkorea, werden im Antrag erwähnt, obwohl sie nie diese Größenordnung an Austausch erreicht haben. An diese Erfahrungen will der Antrag anknüpfen und neben der Unterstützung für den Frieden auf der koreanischen Halbinsel vor allem menschliche Kontakte, Spracherwerb und Kulturaustausch fördern. Unsere Fraktion Die Linke begrüßt und unterstützt diese Initiativen und stimmt daher dem Antrag zu, auch wenn nicht verschwiegen werden soll, dass eine Initiative aller Fraktionen für diesen Antrag nicht an uns gescheitert ist, sondern einmal mehr an den Albernheiten der CDU/CSU-Fraktion, die alle anderen Fraktionen daran hindert, gemeinsame Anträge einzubringen, wenn wir uns - wie in diesem Fall - einig sind. Es wäre ein schönes Zeichen, auch an die koreanische Halbinsel, wenn diese letzten Ausläufer des Kalten Krieges hier endlich beendet werden würden. Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die jüngsten Nachrichten von einer Entspannung der Situation zwischen Nord- und Südkorea haben wir alle mit großer Erleichterung aufgenommen. Die infolge der militärischen und nuklearen Drohgebärden der Volksrepublik Korea entstandene Konfrontation im Frühjahr und Frühsommer dieses Jahres hat die ganze Welt in Atem gehalten. Die Sorgen in der Region vor einem Eskalieren der Auseinandersetzung waren groß - zu Recht. Jetzt ist die Erleichterung bei den Menschen spürbar über die Wiederaufnahme von ersten Gesprächen und Treffen im Grenzort Panmunjeom. Auch wenn zunächst wirtschaftliche Interessen im Vordergrund stehen, wie die Wiedereröffnung der Sonderwirtschaftszone Kaesong, die im April, am Höhepunkt der Spannungen, geschlossen wurde, so geht es in einem zweiten Schritt auch darum, Treffen von Familienangehörigen wieder zu ermöglichen, die zwischen 1950 und 1953 getrennt wurden. Noch bleibt abzuwarten, wie tragfähig die Annäherungsschritte sind. Dass sie absolut notwendig sind, um insgesamt wieder zu einer Stabilität in der Region und mehr noch zu einer Perspektive auf einen Einigungsprozess zu kommen, steht außer Frage. Darin unterscheidet sich nämlich die heutige Situation in Korea, wie wir sie auch auf unserer gemeinsamen Reise der Parlamentariergruppe erlebt haben, fundamental von der Situation in Deutschland zu Zeiten der Teilung. Hier war immer der Austausch zwischen den Menschen in einem gewissen Maß möglich, die Kontakte innerhalb der Familie blieben bestehen, man wusste von den anderen, von deren Freuden, Sorgen und Nöten. In begrenztem Rahmen waren Besuche möglich. Es ist dieser Austausch, den ich den Menschen in Nord- und Südkorea heute wünsche als Voraussetzung für eine schrittweise Annäherung und ein Zusammenwachsen. Es ist dieser Austausch, von dem die Menschen in Nordkorea in der Bewältigung ihrer alltäglichen Probleme am meisten profitieren würden jenseits der guten und wichtigen institutionellen Hilfsangebote. Außerdem wünsche ich mir, dass wir Deutsche mit unserer Erfahrung der Teilung und den aus DDR-Zeiten auf persönlicher Ebene bestehenden Verbindungen nach Nordkorea mehr dafür tun, die Kontakte nach Korea insgesamt zu intensivieren. Gerade in den Bereichen Kultur, Sport und erneuerbare Energien können Brücken gebaut werden, die Dialog und Deeskalation fördern. Lassen Sie mich noch etwas zur Zusammenarbeit auf meinem Arbeitsgebiet hier im Bundestag, zur Umwelt- und Energiepolitik, sagen. Vor 130 Jahren, im Jahr 1883, in dem die offiziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Korea ihren Ausgangspunkt haben, wurde in Darmstadt der weltweit erste Studiengang für Elektrotechnik eingerichtet. Heute stehen wir vor enormen Herausforderungen, was die Entwicklung neuer, sparsamer Geräte, verbrauchsarmer Technologien, aber auch die Weiterentwicklung der erneuerbaren Energien, Speicher und Leitungssysteme anbelangt. Korea ist auf diesem Gebiet ein wichtiger Partner. Im Rahmen ihres vertieften wirtschaftlichen und technologischen Austauschs können Deutschland und Korea dazu beitragen, die Entwicklungen in diesen Bereichen mit voranzutreiben und damit zum Ausbau der erneuerbaren Energien beitragen, zu Energieeffizienz und Klimaschutz und damit zur Schaffung von Jobs im Bereich des Green New Deal. Deutschland wie Korea haben in den letzten Jahren die Folgen von Wetterextremen zu spüren bekommen, die uns die absolute Notwendigkeit eines Stopps der Erderwärmung vor Augen geführt haben. Die gemeinsame Weiterentwicklung von Forschung und Entwicklung emissionsarmer Technologien und Systeme voranzubringen ist mir deshalb zu diesem 130-jährigen Jubiläum der deutsch-koreanischen Beziehungen ein besonderes Anliegen. Ich freue mich darauf, mich hier auch in den kommenden Jahren im Rahmen der Parlamentariergruppe besonders einzubringen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 17/14110. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist einstimmig angenommen. Tagesordnungspunkt 42: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (10. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kirsten Tackmann, Dr. Dietmar Bartsch, Herbert Behrens, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Die Agrarwissenschaften in Deutschland auf höhere Anforderungen ausrichten - Drucksachen 17/4531, 17/13998 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Max Lehmer Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Christel Happach-Kasan Dr. Kirsten Tackmann Harald Ebner Auch hier sind die Reden zu Protokoll genommen. Christoph Poland (CDU/CSU): Mit ihrem Antrag fordert die Linke die Bundesregierung auf, eine Strategie zur künftigen Entwicklung der Agrarwissenschaften vorzulegen. Agrarwissenschaften spielen eine Schlüsselrolle bei der Lösung globaler Probleme, entnehme ich dem Antrag weiter. Sie sehen die Agrarwissenschaften als Systemwissenschaften mit gesellschaftlicher Schlüsselfunktion. Dazu kann ich nur sagen: Glasklare Analyse! Genau das ist auch der Grund, warum die Bundesregierung schon längst gehandelt hat! Gerade mit der "Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030" ist eine wettbewerbsfähige Strategie zu einer biobasierten Wirtschaft entworfen worden. Angesichts knapper Ressourcen und einer wachsenden Weltbevölkerung benötigt die Menschheit neue, nachhaltige Arten des Wirtschaftens. Einen solchen Ansatz bietet eine wissensbasierte Bioökonomie, also eine moderne, nachhaltige und biobasierte Wirtschaft, deren vielfältiges Angebot die Welt ausreichend und gesund ernährt und mit hochwertigen Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen versorgt. Mit der "Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030" legt die Bundesregierung die Grundlagen für die Vision einer solchen nachhaltigen biobasierten Wirtschaft vor! Hier sind die fünf prioritären Forschungsfelder weltweite Ernährungssicherheit, nachhaltige Agrarproduktion, gesunde und sichere Lebensmittel, nachwachsende Rohstoffe, die industriell genutzt werden können, und Energieträger auf der Basis von Biomasse gesetzt. Deutschlands Bioökonomie ruht heute schon auf mehreren Säulen. Die industrielle Forschung der Privatwirtschaft investiert erhebliche Mittel, aber auch die Ressortforschung über die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Institute, die Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Leibniz und die Fraunhofer-Gesellschaft forschen im Sinne des Gemeinwohls und für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Forschung, Entwicklung und Innovation werden in diesem Bereich mit mehr als 2,4 Millionen Euro unterstützt! Die Exzellenzinitiative zur Agrar- und Ernährungsforschung gemeinsam mit dem BMELV wird mit 40 Millionen Euro gefördert! Nicht zu vergessen ist, dass die Bioökonomie Potenziale für Wachstum und Beschäftigung birgt! Nach Schätzungen des Bioökonomierates erwirtschaftet der biobasierte Wirtschaftssektor derzeit rund 1,7 Billionen Euro Jahresumsatz mit 22 Millionen Beschäftigten. In Deutschland steht jeder zehnte Arbeitsplatz mit der Land- und Ernährungswirtschaft in Verbindung. In der Landwirtschaft erzeugen die rund 1,25 Millionen Voll- oder Teilzeitarbeitskräfte in 370 000 Betrieben jährlich Güter im Wert von 40 Milliarden Euro. Das sind nicht nur beeindruckende Zahlen, das zeigt auch: Dieser Wirtschaftzweig kann sich sehen lassen! Liebe Kollegen von der Linken, Sie können daran auch ermessen, dass uns der Stellenwert der wissensbasierten Landwirtschaft für Deutschland und die Welt durchaus bewusst ist. Von Ihnen brauchen wir dafür keine Aufklärung! Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD): Am Ende der Legislaturperiode rufen wir heute nochmals ein sehr wichtiges Thema im Plenum auf. Die Zukunftsfähigkeit unserer deutschen, aber auch der europäischen und internationalen Nahrungsmittelproduktion hängt ganz entscheidend von einer effizienten Agrarforschungslandschaft ab. Und diese müssen wir zukunftsfähig ausrichten. Die Fragestellungen an die nationale wie internationale Agrarforschung sind eindeutig. Im Jahr 2050 wollen voraussichtlich mehr als 9 Milliarden Menschen eine sichere Nahrungsgrundlage und eine sichere Zukunft haben. Die natürlichen Ressourcen Wasser, Boden, Biodiversität und fossile Energieträger sind endlich. Der Klimawandel wird die landwirtschaftliche Produktion verändern und die Ernteerträge unsicherer machen. Es werden immer mehr Menschen in Städten leben. Die Ernährungsgewohnheiten werden sich verändern. Es wird zukünftig mehr Fleisch konsumiert. Das Preisniveau für Agrarrohstoffe wird weiter steigen. Gleichzeitig stellt die Gesellschaft vor allem in Europa konkrete Anforderungen an die Agrarproduktion. Auf ökologische, ökonomische, soziale und ethische Fragen werden Antworten auch von der Agrarforschung erwartet. Sie müssen von der Forschung aufgegriffen werden. Doch darauf ist sie gegenwärtig relativ schlecht vorbereitet. Denn die deutsche Agrarforschungslandschaft ist zersplittert. Interdisziplinäre und transdisziplinäre Forschung findet kaum statt. Forschungsauf-träge werden in intransparenten Verfahren vergeben. Spezialwissen ohne gesellschaftliche Einordnung und Bewertung ist das Ergebnis. Das Denken in großen Zusammenhängen geht in der Forschung verloren und wird in der Lehre kaum noch vermittelt. Zudem wurden den Agrarfakultäten systematisch die sozialwissenschaftlichen Professuren gestrichen. Teilweise wird die Axt auch an die traditionellen Gartenbau- und Agrarwissenschaftsstandorte gelegt. Aktuelle Beispiele finden sich an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Hannover. Die Folge: Die Forschungskapazitäten werden weiter ausgedünnt; der Rest zu sehr auf naturwissenschaftliche Problemanalyse und technische Lösungen beschränkt. Wissenschaft findet so ohne Anbindung an die Zivilgesellschaft statt. Dadurch kommt heute schon vorhandenes Wissen in der Gesellschaft vielfach nicht an. Wissenschaft hat sich in Teilen zu einem selbstreferenziellen System entwickelt und vernachlässigt die erforderliche Kommunikation mit der Gesellschaft. Die Herausforderungen der Zukunft verlangen aber gerade ein enges Zusammenspiel zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft. Angesichts der globalen Herausforderungen an die Agrarwirtschaft ist eine Überprüfung der nationalen Forschungsstrukturen notwendig. Da gebe ich Ihnen voll recht, Herr Kollege Süßmair. Die enge Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft ist Voraussetzung für die notwendigen Innovationsschritte in eine nachhaltige globale Agrarproduktion. Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich im März 2012 auf einer großen Fachtagung zum Thema "Klimawandel, Ernährungssicherheit und Biodiversität - Herausforderungen an eine zukunftsfähige deutsche Agrarforschungslandschaft" mit dem Thema beschäftigt. Eine Motivation für diese Veranstaltung war vor allem die Veränderung der Forschungslandschaft. Wir haben zusammen mit Wissenschaftlern darüber diskutiert, wie gut wir in Deutschland für die Aufgabenstellungen in der Ressortforschung, an den Hochschulen, in der öffentlichen Forschung und in der privaten Forschung aufgestellt sind. Ein wichtige Frage war im letzten Jahr: Welche Auswirkungen haben die weltweiten Anforderungen auf unsere Agrarforschung? Die Drittmittelforschung hat zu einer Veränderung der Schwerpunktsetzung und hin zur Verwertbarkeit der Ergeb-nisse geführt. Auch das haben wir diskutiert. Am Ende haben wir uns natürlich intensiv darüber ausgetauscht, was verändert werden muss. Die Ergebnisse dieser Fachtagung waren sehr hilfreich für unsere weitere politische Arbeit. Erfreulich ist für mich, dass sich seit dem Einbringung des vorliegenden Antrages der Fraktion Die Linke aus dem Agrarforschungssektor selber sehr konstruktive Forschungsangebote an die Politik herangetragen wurden. Die Anstrengungen, die die Deutsche Agrarforschungsallianz, DAFA, in den letzten Jahren unternommen hat, begrüße ich ausdrücklich. Hier sind sehr gute Vorarbeiten für eine bessere Koordination und Vernetzung innerhalb wichtiger Zukunftsthemen der Agrarforschung erarbeitet worden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dieses Engagement aufgegriffen und in den letzten Haushaltsberatungen die Bereitstellung entsprechender Mittel eingefordert. Leider hat sich die schwarz-gelbe Koalition erneut gegen eine grundlegende und verbesserte Vernetzung der zersplitterten Agrarforschungslandschaft ausgesprochen. Ich gehe davon aus, dass eine SPD-geführte Bundesregierung ab Herbst 2013 weitaus vorausschauender agieren wird und die Agrarforschungslandschaft stärkt. Und: dass wir dann auch viele der Forderungen des vorliegenden Antrages umsetzen werden. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Die Bedeutung der Agrarwirtschaft für unser Gemeinwesen ist deutlich größer, als dies von vielen Menschen angenommen wird. Sie steht national und international vor vielen Herausforderungen. Deswegen ist eine Stärkung der Agrarwissenschaften ein wichtiges Ziel. Die Erfordernisse der Welternährung, die Produktion von Biomasse für die energetische Nutzung sowie von nachwachsenden Rohstoffen für eine nachhaltige Entwicklung sind Herausforderungen, deren Bewältigung eine globale Dimension hat. Diesen Herausforderungen müssen die Agrarwissenschaften gewachsen sein. Der Antrag ist mit Herzblut erarbeitet worden. Es gibt Gedanken, denen wir zustimmen. Er hat aber einen falschen Denkansatz. Das überschwängliche Lob im Antrag für die Erstellung des sogenannten Weltagrarberichts ist kalter Kaffee. Das Lob lässt völlig unberücksichtigt, dass dieser Bericht einfachsten Ansprüchen nicht genügt. Mit der insgesamt falschen Analyse der Situation der Welternährung kommt der Bericht automatisch auch zu falschen Empfehlungen, wie die Situation gebessert werden kann. Ein Verfahren, das ein schlechtes Ergebnis erbringt, kann für uns kein Vorbild sein. Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass der zwei Jahre alte Antrag der Linken inzwischen in einigen Punkten überholt ist. Er konnte verschiedene Entwicklungen nicht berücksichtigen. Er verkennt im Übrigen die föderale Struktur Deutschlands, die den Ländern bestimmte Aufgaben zuweist. Das können wir nicht übersehen. Die Länder sind gern bereit, die Gelder des Bundes anzunehmen, nicht aber die Vorstellungen des Bundes, selbst dann nicht, wenn es aus Vernunftgründen durchaus sinnvoll wäre. Das Thema Welternährung war in den vergangenen vier Jahren ein wichtiges Thema des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. 7 Milliarden Menschen leben auf der Erde. Immer noch ist 1 Milliarde Menschen unterernährt und 1 Milliarde Menschen mangelernährt. Eine halbe Million Kinder erblinden aufgrund von Vitamin-A-Mangel. Die FAO setzt deshalb verstärkt auf die Verbesserung der Situation mangelernährter Menschen. Die pro Kopf zur Verfügung stehende landwirtschaftlich nutzbare Fläche ist seit 1950 auf etwa ein Drittel gesunken und wird aufgrund des Bevölkerungswachstums weiter sinken. Das bedeutet, dass nur eine Strategie der nachhaltigen Intensivierung der Landwirtschaft die Aussicht bietet, diesen gewaltigen globalen Anforderungen gerecht zu werden. Der britische Regierungsreport "The Future of Food and Farming" vom Frühjahr 2011 beschreibt eine solche erfolgversprechende Strategie. Der Antrag übergeht diese Problematik, der sogenannte Weltagrarbericht aus dem Jahr 2008 weiß keine Lösung für dieses Problem. Er ist außerdem überholt und genügt einfachsten Anforderungen insgesamt nicht. Dort wird zudem völlig vernachlässigt, dass in Regionen, in denen Hunger herrscht, Bildung und Ausbildung der Menschen schlecht sind, viele nicht lesen und schreiben können und daher moderne Erkenntnisse gar nicht nutzen können. Deswegen ist es gut, dass das von Dirk Niebel geführte Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die BMZ-Bildungsstrategie "Zehn Ziele für mehr Bildung" erarbeitet hat. Gute Bildung ist gerade bei der Armutsbekämpfung als Voraussetzung zur Besserung der Ernährungssituation von besonderer Bedeutung. Die von der Agrarwirtschaft zu bewältigenden Aufgaben erfordern eine moderne effiziente Landwirtschaft. Dafür ist eine Intensivierung der Agrarforschung erforderlich. Die Bundesregierung hat mit der deutlichen Erhöhung der Forschungsmittel dafür entscheidende Weichenstellungen vorgenommen. Die Empfehlungen des Bioökonomierats unterstützen das Konzept einer nachhaltigen Intensivierung. Im Mittelpunkt steht das Ziel, natürliche Ressourcen nachhaltig zu nutzen, die notwendige Technik weiterzuentwickeln, durch Pflanzenzucht die genetischen Möglichkeiten der Pflanzen auszuschöpfen, die Verbesserung der Tiergesundheit durch Zucht und tiergerechte Haltung und Fütterung voranzubringen. Insgesamt wird im Bundeshaushalt 2013 eine halbe Milliarde Euro für Forschung veranschlagt. Die Bundesregierung rückt die Bekämpfung des Welthungers stärker in den Fokus und erkennt an, dass für die Verbesserung der Situation der Welternährung vor allem gezielte Forschung und Investitionen in die Landwirtschaft erforderlich sind. Die Strategie der Deutschen Agrarforschungsallianz, DAFA, zur Nutztierhaltung ist nach Auffassung der FDP ein richtiger Ansatz. Tierhaltung steht im gesellschaftlichen Diskurs. Auf der einen Seite stehen romantisierende Vorstellungen einer weitgehend von der Landwirtschaft entfremdeten Bevölkerung, auf der anderen Seite Tierhalter, die einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind. Deshalb wollen wir die Forschung im Bereich Nutztierhaltung verstärkt unterstützen. Die Standards für die Nutztierhaltung können nur verbessert werden, wenn wir genau wissen und wissenschaftlich nachweisen, unter welchen Bedingungen sich Nutztiere wohlfühlen. Dies entspricht nicht immer menschlichen Vorstellungen. Es ist ein weiteres Ziel, die Genetik der Nutztierrassen zu verbessern. Zum Beispiel hat sich die Zahl der Laktationen bei Milchkühen deutlich verringert. Es ist ein Beitrag zum Tier- und Umweltschutz, durch züchterische Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass sich dieser Trend nicht fortsetzt. Wir wollen eine Landwirtschaftspolitik, die sich stärker als bisher an den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert. Unsere gut ausgebildeten Landwirte können Hand in Hand mit der Wissenschaft nachhaltiger, effizienter und ressourcenschonender wirtschaften. Es gilt, dafür in Zusammenarbeit mit der Ressortforschung noch bessere Rahmenbedingungen zu geben. Die Landwirtschaft steht global vor großen Herausforderungen. Ihr Aufgabenspektrum reicht von der Sicherung der Welternährung bis hin zum Anbau von Energiepflanzen. Deutschland kann hier Grundlagen schaffen, die nicht nur bei uns, sondern weltweit genutzt werden können. Wir sollten Fortschritt nicht allein den anderen überlassen. Aus Sicht der FDP gibt es bei der Bewertung der Agrarforschung und ihrer Struktur aber auch Schatten. Der Umgang mit der in Norddeutschland bei Milchvieh sporadisch auftretenden multifaktoriellen Erkrankung zeigt auf, dass die Zusammenarbeit von Ressortforschung, Universitäten und Fachbehörden der Länder in einigen Bereichen nicht optimal ist und dass Verbesserungsbedarf besteht. Landwirte sind die Leidtragenden. Sie werden mit einem sehr schwierigen Krankheitsbild alleingelassen. Die Ressortforschung tut zu wenig, um Forschungsanstrengungen zu koordinieren und die Erkenntnisfindung zu beschleunigen. Einige Wissenschaftler profilieren sich in den öffentlich-rechtlichen Medien, noch bevor sie Ergebnisse durch Veröffentlichung auch den Fachleuten zur Verfügung stellen. Das ist völlig unbefriedigend. Die gesellschaftliche Ächtung der biotechnologischen Pflanzenzüchtung, die weltweit inzwischen eine große Bedeutung gewonnen hat, ist ein besonderer Nachteil für Deutschland. Die sehr hohe Regelungsdichte, die allein durch die mangelnde Akzeptanz begründet ist und denen vergleichsweise geringe Risiken gegenüberstehen, verhindert, dass mittelständische Unternehmen in Europa diese Technik nutzen können. Dies führt zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Gleichzeitig können die Chancen dieser Technologie bei der Züchtung von Pflanzen, die gegenüber den verschiedenen Schadorganismen wie Insekten, Pilzen, Viren resistent sind und dadurch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel ermöglichen, nicht genutzt werden. Auch dieses Thema bleibt im Antrag der Linken ausgespart. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Welchen Stellenwert hat die Agrarforschung heute in Deutschland? Ist politisch genug passiert, um diesen aus unserer Sicht immens wichtigen Bereich angewandter Forschung weiter zu entwickeln und angesichts aktueller Entwicklungen und absehbarer Erfordernisse zu stärken? Aus Sicht der Linken waren die vier Jahre Schwarz-Gelb vier verlorene Jahre, zumindest in Parlament und Regierung. Die Agrarwissenschaften haben sich zum Glück selbst auf den Weg gemacht. Nicht ganz ohne finanzielle Unterstützung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, BMELV, aber der Einstieg und die Fortführung wären mit konsequenter politischer Unter-stützung sehr viel leichter. Die Notwendigkeit starker Agrarwissenschaften liegt auf der Hand: zur Lösung globaler Probleme wie beispielsweise der Hungerbekämpfung bei gleichzeitigem Wachstum der Bevölkerung oder um dem zunehmenden Wassermangel, dem Verlust an Bodenfruchtbarkeit und der Zerstörung land- und forstwirtschaft-licher Flächen, dem Rückgang biologischer Vielfalt und den sozialen und ökologischen Folgen der Globalisierung der Agrarmärkte zu begegnen. Aber auch zur strategischen Ausrichtung der einheimischen Landwirtschaft werden die Agrarwissenschaften zu einem Schlüsselelement. In Europa stellen sich drängende Fragen für die Land-, Forst- und Ernährungswissenschaft. Dazu gehören die Auswirkungen des Klimawandels, des Verlusts an Flächen und Bodenfruchtbarkeit, an biologischer Vielfalt auf und neben den Äckern sowie im Stall, die Auswirkungen des Bevölkerungsrückgangs in den ländlichen Räumen bzw. politische Instrumente zur Gegensteuerung, steigende Risiken für die Lebensmittelsicherheit durch globale Personen- und Warenströme, Umweltgifte, Nahrungsergänzungs-, Konservierungs- und Farbstoffe oder auf den Menschen übertragbare Tierkrankheiten und Lebensmittelvergiftungen. Die in Europa, aber auch weltweit betriebene Deregulierung der Agrarmärke führt zu steigendem ökonomischen Druck auf die Landwirtschaftsbetriebe. Durch eine schlechte Marktposition gegenüber Oligopolen der Verarbeitungsindustrie und des Lebensmittelhandels wird dieser Druck verstärkt. Es gibt eine Vielzahl neuer oder sich zuspitzender Herausforderungen an die Landwirtschaft. Die lösen sich nicht so nebenbei, sondern müssen wissenschaftlich bearbeitet werden. Die Fragen sind für das gesamte Gesellschafts- und Wirtschaftssystem existenziell. Daher müssen die Agrarwissenschaften durch Politik und Gesellschaft viel stärker gewichtet werden, als das bislang der Fall war. Genau das will Die Linke mit dem Antrag erreichen. Wir fordern von der Bundesregierung die Vorlage einer Strategie zur künftigen Entwicklung der Agrarwissenschaften, die über das hinausgeht, was bisher geschah. Die einseitige Ausrichtung der deutschen Agrarforschung auf Exzellenzkonzepte, auf Bioökonomie und die Bevorzugung von Hightech-Strategien sind weder der Situation in den Industriestaaten noch den internationalen Herausforderungen und der Verantwortung Europas für eine gerechte Welt angemessen. Hier ist aus unserer Sicht die Forschungspolitik der Bundesregierung auf dem falschen Dampfer. Der für den Agrarbereich vor einigen Jahren gegründete Bioökonomierat repräsentiert mehr die Interessen der Agrarindustrie, als dass von ihm ein substanzieller Beitrag zu den vorher beschriebenen Herausforderungen erwartet werden kann. Die Bioökonomiestrategie degradiert die Landwirtschaft zum Rohstofflieferanten. In diesen Zusammenhang passt ins Bild, dass die Bundesregierung bis heute nicht bereit ist, den von über 500 internationalen Expertinnen und Experten erarbeiteten Weltagrarbericht zu unterschreiben und die Fortsetzung dieser interdisziplinär breit ausgerichteten Arbeit des Weltagrarrats angemessen zu unterstützen. Als unverhoffter Lichtblick hat sich die Gründung der Deutschen Agrarforschungsallianz, DAFA, erwiesen. Ich habe das zunächst mit viel Skepsis gesehen, habe mich aber schnell davon überzeugt, dass damit ein Schritt in die richtige Richtung getan wurde, der nun politisch verlässlich und bedarfsgerecht begleitet werden muss. In dem Gespräch der DAFA mit dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Bundestags vor zwei Wochen wurde deutlich, dass die DAFA finanziell eher auf wackeligen Beinen steht. Hier ist eine solide Verstetigung der Arbeit gefordert. Immerhin könnte aus unserer Sicht die DAFA in der Agrarforschungslandschaft dauerhaft eine Position gewinnen, die unseren Vorstellungen einer besseren Koordinierung und Vernetzung der deutschen Agrarforschung entspricht. Das muss politisch - auch vonseiten der Bundesländer - gewollt und unterstützt werden. Es ist klar, dass hier noch eine Menge Arbeit geleistet werden muss. Die Aufträge dazu haben wir in unserem Antrag zur Stärkung der Agrarwissenschaften in Deutschland ausführlich erläutert. Mit Ihrer Zustimmung zu diesem Antrag würden Sie ein sehr wichtiges Signal senden. Also, geben Sie sich doch einen Ruck! Am Ende der Wahlperiode kann man doch einmal parteipolitische Erwägungen hinten anstellen und in der Sache entscheiden. Die Agrarwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler hätten diese Unterstützung verdient. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die deutsche und europäische Landwirtschaft stehen vor gewaltigen Herausforderungen: Einerseits muss weiterhin die Erzeugung gesunder und hochwertiger Lebensmittel sichergestellt werden. Gleichzeitig müssen die massiven Schäden an Artenvielfalt, Böden und Gewässern, die durch eine zunehmend industriell ausgerichtete Produktionsweise in den letzten Jahrzehnten entstanden, so weit wie möglich behoben werden, um auch kommenden Generationen überhaupt die Bewirtschaftung von Acker und Grünland zu ermöglichen. Auch der globale Klimawandel, zu dem die Landwirtschaft derzeit aktiv beiträgt - da spricht die Wissenschaft eine deutliche Sprache - gefährdet die Grundlagen der Lebensmittelerzeugung. Eine ebenfalls immer stärker industrialisierte Tierhaltung gerät zunehmend in Konflikt mit den berechtigten Ansprüchen der Gesellschaft und mit dem im Grundgesetz verankerten Tierschutz. Der mit dieser "Tierproduktion" verbundene massenhafte Import gentechnisch veränderter Futtermittel aus Übersee und die "Entsorgung" von Fleischresten in Afrika haben auch global verheerende Folgen. Um in diesem Spannungsfeld nachhaltig wirtschaften zu können, benötigen die Landwirte und die vor- und nachgelagerten Sektoren innovative Lösungsansätze durch eine Agrarforschung, die nicht - wie bisher - vor allem einseitig auf Produktionssteigerung ausgerichtet ist. Ob eine Bundesregierung die genannten Herausforderungen nur in Sonntagsreden erwähnt, oder ob sie ihrer Verantwortung für die deutsche Landwirtschaft auch durch die konkrete Ausrichtung ihrer Agrarforschung gerecht wird, zeigt sich in den inhaltlichen und finanziellen Schwerpunkten der zuständigen Ministerien, also des Agrar- und des Forschungsministeriums. Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, SRU, bezeichnet den Ökolandbau als "Gold Standard" für Nachhaltigkeit. Auch nach dem erklärten Willen der schwarz-gelben Bundesregierung sollen 20 Prozent der Nutzfläche Deutschlands ökologisch bewirtschaftet werden - irgendwann einmal. Die logische Konsequenz daraus wäre eine gezielte Investition von (mindestens) 20 Prozent der Agrarforschungsmittel in die Weiterentwicklung des Ökolandbaus. Doch Schwarz-Gelb macht genau das Gegenteil: Das Bundesprogramm Ökolandbau dümpelt mit insgesamt 17 Millionen Euro weiter vor sich hin, während die Bundesregierung parallel 2,4 Milliarden Euro in einer vermeintlich heilsbringenden "Bioökonomie-Strategie" versenkt, bei der weder Ziele noch Methoden transparent sind. Auch der Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages zur "Forschung für die Welternährung" wird von Schwarz-Gelb konsequent ignoriert. Dabei betont der Vorsitzende des Agrarausschusses von der FDP bei jeder Gelegenheit, wie wichtig ihm die Welternährungsthematik sei. Aber Unterstützung für mehr Forschung über Ernährungsstile oder Agrarsoziologie? Leider völlige Fehlanzeige bei Schwarz-Gelb. Große Reden - nichts dahinter! Auch beim Pflanzenschutz wimmelt es nur so von verbalen Beteuerungen der Bundesregierung, wie notwendig Forschung zu Alternativen zum Einsatz von Pestiziden sei, beispielsweise im neuen Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, NAP. Ein Blick in den Haushalt des BMELV entlarvt die Sonntagsredner: Gerade einmal 4 Millionen Euro ist dieser Bundesregierung die Suche nach Alternativen zur chemischen Keule wert, weniger als 0,1 Prozent des Etats. Ökolandwirte und konventionelle Kollegen, die auf weniger Chemie setzen wollen, werden also auch weiterhin von dieser Bundesregierung keine Unterstützung erwarten können. Dabei wäre eine intensive Forschung zu Pestizidalternativen schon allein deshalb sinnvoll und wichtig, weil sich die großen Agrochemiekonzerne immer stärker auf Pflanzenschutzmittel für die "großen" Kulturpflanzen Mais, Soja, Weizen oder Reis konzentrieren. Für Winzer oder den Obst- und Gartenbau gibt es dadurch zwangsläufig immer weniger "moderne" Wirkstoffe. Damit diese Betriebe eine Zukunft haben, müsste gerade in diesen Bereichen verstärkt nach Methoden geforscht werden, mit denen ohne Einsatz von Pestiziden produziert werden kann. Doch es geht noch schlimmer. Ein Extremfall von fehlgeleiteten öffentlichen Forschungsgeldern ist die jahrelange intensive Förderung von Forschungsvorhaben im Bereich der Agrogentechnik. Obwohl Landwirte und Händler, Verbraucher und Umweltschützer seit Jahrzehnten den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland massiv ablehnen, wurden immer wieder Forschungsprojekte vom Agrar- und vor allem vom Forschungsministerium mit zum Teil hohen Zuwendungssummen unterstützt. Die Verschwendung von Steuergeldern für riskante, unnötige und von der Gesellschaft klar abgelehnte Projekte ist ein weiterer Beleg für die von einer Mehrheit der Bevölkerung erkannte Tatsache, dass diese Bundesregierung Lobbyinteressen vor das Gemeinwohl stellt, was übrigens sogar viele Unions- und FDP-Wähler gar nicht bezweifeln. Eine seriöse Agrarforschungspolitik orientiert sich nicht an einer "Exzellenzstrategie", die Qualität allein anhand der Zahl von Veröffentlichungen in bestimmten Fachzeitschriften misst und nur neue, praxisferne Elfenbeintürme aufbaut. Eine seriöse Agrarforschungspolitik bezieht immer die Möglichkeit der Umsetzung in die Praxis ein. Was nützt eine Forschungsförderung für die Züchtung von Eiweißpflanzen ohne eine aktive Unterstützung vielfältiger Fruchtfolgen? Wenn der Anbau von Eiweißpflanzen nicht aktiv unterstützt wird, gibt es auch keinen Markt für die Forschungsprodukte. Oder was nützt eine verstärkte Forschung zu artgerechten Tierhaltungssystemen, wenn der Bau neuer Großställe oder die fehlende Kennzeichnung der Tierhaltungsform bei Lebensmitteln dafür sorgen, dass sich die industrielle Massentierhaltung trotzdem weiter durchsetzt? Mehr Forschung für den Ökolandbau ist unverzichtbar. Gleichzeitig muss sich auch die übrige Agrarpolitik konsequent auf eine Ausweitung der ökologischen Bewirtschaftung ausrichten. Noch deutlicher wird das bei der Welternährung. Selbst eine ambitionierte Welternährungsforschung bleibt wirkungsfreies Feigenblatt, wenn das "virtuelle Land-Grabbing" durch den massenhaften Import von Futtermitteln aus Schwellen- und Entwicklungsländern nicht gestoppt wird und wenn die dortigen Agrarmärkte weiterhin durch unsere Dumpingexporte von Geflügelprodukten oder Milchpulver schon im Ansatz zerstört werden. In diesem Sinne unterstützen wir viele Elemente des von der Linksfraktion vorgelegten Antrages und insbesondere eine klare Ausrichtung der deutschen Agrarforschung auf die im Weltagrarbericht beschriebenen Fragestellungen. Eine zentrale Koordinationsstruktur halten wir dagegen für weniger geeignet, die erforderliche Neuausrichtung umzusetzen. Wir brauchen keine neuen Strukturen, sondern vor allem neue Leitbilder und Inhalte. Die Ministerien für Landwirtschaft und für Forschung verfügen mit und in ihren Etats schon jetzt über zahlreiche Möglichkeiten, den Forschungskurs zu korrigieren. Wir werden uns daher enthalten. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13998, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/4531 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 43: Beratung des Antrags der Abgeordneten Anette Hübinger, Albert Rupprecht (Weiden), Michael Kretschmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Dr. Martin Neumann (Lausitz), Dr. Peter Röhlinger, Patrick Meinhardt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Deutschland in der Globalen Wissensgesellschaft klar positionieren - Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter vorantreiben - Drucksache 17/14111 - Hier sind die Reden zu Protokoll genommen. Anette Hübinger (CDU/CSU): Der weltweite Austausch von Wissen hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten überproportional zugenommen. Dieser Befund ist eine Erfolgsgeschichte, und ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht - ganz im Gegenteil! Immer neue digitale Vernetzungsmöglichkeiten, die noch vor Jahren undenkbar waren, treiben aktuell diese rasante Entwicklung immer weiter voran. Es scheint in der Natur der Sache zu liegen, dass die Akteure aus Wissenschaft und Forschung diese Chancen ergreifen und nutzen. Deutschland und seine Wissenschafts- und Forschungslandschaft sind in der globalen Wissensgesellschaft ein bedeutender Akteur. Es liegt in unserer Verantwortung und ist auch unser Anspruch, die zukünftige Entwicklung in diesem so wichtigen Bereich im Sinne einer Kooperation auf Augenhöhe zwischen den internationalen Partnern mitzugestalten. Jeder unserer Partner muss wissen, wofür Deutschland im Rahmen des globalen Wissensaustausches steht. Eine klare sowie international sichtbare Positionierung ist daher unabdingbar. Neben dieser globalen Komponente, ist der Austausch von Wissen auch für die Zukunft unseres Landes von entscheidender Bedeutung. Vor dem Hintergrund, dass über 90 Prozent des Wissens außerhalb Deutschlands generiert wird, brauchen wir Zugang zu diesen Wissensressourcen, um als innovatives Land auch künftig im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Daneben stellt der globale Austausch von Wissen die erfolgversprechendste Möglichkeit zur Lösung der großen Fragen unserer Zeit, wie die Bewältigung der Folgen des Klimawandels, Fragen der Energiewende und der globalen Gesundheit, dar. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit bei wissenschaftlichen Fragestellungen ein wichtiger Schlüssel für Entwicklung und Frieden. Diese prägenden Zielsetzungen griff die Bundesregierung 2008 auf und positionierte sich erstmals im Rahmen einer konsistenten Strategie zum Thema "Internationalisierung im Wissenschafts- und Forschungsraum". Der damaligen Forschungsministerin Dr. Annette Schavan ist es zu verdanken, dass wir heute auf über fünf erfolgreiche Jahre Wissenschafts- und Forschungskooperation im Rahmen der Internationalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zurückblicken können. Aus Überzeugung hat die christlich-liberale Koalition 2009 dieses Anliegen auch im Koalitionsvertrag fest verankert und in der anschließenden 17. Wahlperiode weiter mit Leben gefüllt. Die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung verstehen wir als einen Prozess. Dieser muss auch in den kommenden Jahren weiter vorangetrieben werden. Mit dem heute zur Abstimmung stehen Antrag von CDU/CSU und FDP setzen wir dahin gehend ein Zeichen, an welchen Stellschrauben noch gedreht werden kann und auch muss, um die Internationalisierung in der deutschen Wissenschafts- und Forschungslandschaft weiter voranzubringen. Ein Blick ins Wahlprogramm 2013 von CDU und CSU zeigt, dass wir diesem Thema auch künftig einen hohen Stellenwert einräumen und viele eingeschlagene Wege weitergehen wollen, die sich in den letzten Jahren bewährt haben. Aber wir wollen und werden auch neue Anreize setzen. Dies betrifft die Stärkung unserer exzellenten Wissenschaftseinrichtungen genauso wie die noch bessere Vernetzung von Wissenschaft und Forschung im europäischen sowie im internationalen Kontext. Auf dem Fundament der Internationalisierungsstrategie der aktuellen Bundesregierung können wir aufbauen, weil das Bundesministerium für Bildung und Forschung schon 2008 die richtigen Schwerpunkte in den Blick genommen hat. Die vier Eckpfeiler der Strategie bleiben auch in den kommenden Jahren wegweisend. Denn es muss unser Anspruch sein, die Forschungszusammenarbeit mit den weltweit Besten zu stärken, Innovationspotenziale international zu erschließen, die Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern in Bildung, Forschung und Entwicklung nachhaltig zu stärken und international Verantwortung zu übernehmen, um globale Herausforderungen zu bewältigen. Die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in Bildung, Forschung und Entwicklung liegt mir als Forschungs- und Entwicklungspolitikerin verständlicherweise besonders am Herzen. Internationalisierung bedeutet nämlich auch, dass wir für jedes Land maßgeschneiderte Wege der Kooperation eröffnen müssen. So sind bei der Zusammenarbeit mit Industrienationen andere Ansätze gefragt als bei Instrumenten der Kooperation mit Entwicklungs- oder Schwellenländern. Im vorliegenden Antrag haben wir deshalb zu Recht aufgezeigt, dass sich die ressortübergreifende deutsche Wissenschafts- und Forschungspolitik in einem Spannungsfeld zwischen Kooperation und Konkurrenz bewegt und eine Abgrenzung oft sehr schwierig ist. Wir zeigen aber gleichermaßen, dass dieser vermeintliche Gegensatz nicht zwangsläufig ist. Wir können Internationalisierung in Wissenschaft und Forschung so gestalten, dass dieser Prozess zu einer Win-win-Situation für alle Beteiligten wird, egal ob der Partner in einem Industrie-, Schwellen- oder Entwicklungsland verortet ist. Es liegt ganz allein an uns, welches Angebot wir machen, um im internationalen Umfeld als attraktiver Partner wahrgenommen zu werden! Wir stehen deshalb gerade im viel zitierten "Wettbewerb um die besten Köpfe" für einen partnerschaftlichen Ansatz, der zum beiderseitigen Nutzen ausgestaltet ist. Dies ist besonders bei der Zusammenarbeit mit unseren Partnern in Entwicklungs- und Schwellenländern wichtig, in deren Rahmen wir natürlich auch Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für einen dauerhaften oder zeitlich begrenzten Aufenthalt in Deutschland gewinnen wollen. Hier geht es aber gleichzeitig auch darum, dass diese wissenschaftlichen Eliten wieder in ihr Heimatland zurückkehren und dort auf Basis ihrer hier gewonnenen Erfahrungen die Entwicklung vorantreiben. Dieser Verantwortung stellen sich schon heute alle in diesem Bereich tätigen deutschen Wissenschaftsorganisationen. Es existiert eine Vielzahl von bewährten Kooperationsmodellen, die diesen Grundgedanken widerspiegeln. Der Bedeutungszuwachs von Entwicklungs- und Schwellenländern in Wissenschaft und Forschung legt uns dabei folgerichtig nahe, unsere Kooperationen mit diesen Ländern auszubauen bzw. genau dort neue Schwerpunkte zu setzen. Lobend möchte ich an dieser Stelle unsere seit Jahren im internationalen Umfeld erfolgreichen Austausch- und Forschungsorganisationen nennen. Ob Alexander-von-Humboldt-Stiftung, Deutscher Akademischer Austauschdienst, Fraunhofer-Gesellschaft, Leibniz-Gemeinschaft oder Max-Planck-Gesellschaft, alle diese Institutionen haben eines gemeinsam: Diese großen Akteure unserer Wissenschafts- und Forschungslandschaft sind unverzichtbar bei der Umsetzung der Instrumente und Maßnahmen im Rahmen der Internationalisierungsstrategie. Diese Institutionen leben in ihrer täglichen Arbeit den Grundgedanken von weltweiter Wissenschafts- und Forschungskooperation. Deshalb müssen wir ihnen einen verlässlichen ordnungspolitischen Rahmen garantieren, damit sie Internationalisierung in Bildung, Wissenschaft und Forschung noch weiter vertiefen können. Neben diesem Rahmen, der sowohl gesetzliche Regelungen als auch eine angemessene Finanzausstattung umfasst, können bzw. müssen die einzelnen Ressorts des Bundes zum Gelingen von Internationalisierung in Wissenschaft und Forschung beitragen. Durch eine noch engere Kooperation der Ressorts können weitere Synergieeffekte gehoben werden. Die Internationalisierungsstrategie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik des Auswärtigen Amtes und die Bildungsstrategie in der Entwicklungszusammenarbeit des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung müssen ineinander fließen und miteinander verknüpft werden. Für Egoismen einzelner Ressorts ist dabei kein Platz! In den vergangenen Jahren hat sich hier vieles zum Guten entwickelt, und dieser Weg muss weiter beschritten werden. Unser Antrag greift Themen aller drei Ressorts auf und verdeutlicht dadurch noch einmal, dass viele Räder ineinander greifen müssen, um die Internationalisierung in Wissenschaft und Forschung weiter zu stärken. Grundsätzlich muss es unser Anspruch sein, denn deutschen Ansatz der partnerschaftlichen Wissenschafts- und Forschungskooperation in die Welt zu tragen. Hier ist die Bundesregierung gefragt, offensiv für dieses Ideal zu werben, damit immer mehr Länder auf Basis dieser Win-win-Situation untereinander und natürlich auch mit uns kooperieren wollen. Wie schon angesprochen, verfügen wir in Deutschland über eine Vielzahl von Institutionen, die sich mit dem Thema Internationalisierung beschäftigen. Das vorhandene Portfolio an Fördermaßnahmen des Bundes muss kontinuierlich an aktuelle Entwicklungen und natürlich an die entstehenden Bedarfe dieser Organisationen angepasst werden. Des Weiteren müssen ausreichend finanzielle Mittel bereitstehen, damit auch neue Wege gegangen werden können, ohne das dafür bewährte vorhandene Instrumente und Maßnahmen, beispielsweise die Stipendienvergabe, gekürzt oder gestrichen werden müssen. Wir müssen darauf achten, dass beispielsweise die sehr nachgefragten und in der internationalen Öffentlichkeit anerkannten Preise, wie der Sofja-Kovalevskaja-Preis, in angemessener Anzahl vergeben werden können. Die Möglichkeit der jährlichen Vergabe des Sofja-Kovalevskaja-Preises und die denkbare einjährige Verlängerung des Förderzeitraumes in Kopplung mit einem Tenure-Track-Modell, wären in meinen Augen ein richtiger und wichtiger Schritt, um junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Deutschland zu binden. Genauso lohnt aber auch ein Blick auf die deutschen Hochschulen. Instrumente wie die Maßnahmen zur Beratung von Hochschulmanagern in Fragen der Internationalisierung müssen gestärkt werden. In die gleiche Richtung zielt die bewährte strategische Partnerschaft des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit dem Deutschen Akademischen Austausch-dienst bei der Prämierung von Internationalisierungskonzepten deutscher Hochschulen. Auch dieser Anreiz trägt dazu bei, Internationalisierung zum Vorteil unserer Hochschulen und ihrer Partner voranzubringen. Bund und Länder müssen in diesen Fragen gemeinsam Verantwortung übernehmen und die Hochschulen bei ihren Internationalisierungsstrategien unterstützen. Internationalisierung in Wissenschaft und Forschung ist in Deutschland eine Gemeinschaftsaufgabe, der sich alle Akteure der deutschen Wissenschafts- und Forschungslandschaft mit Unterstützung von Bund und Ländern stellen müssen. Wir begleiten diesen Prozess konstruktiv, mit großem Interesse und helfen wo es geht, die Rahmenbedingungen für die handelnden Akteure weiter zu verbessern. Der heute zur Abstimmung stehende Antrag "Deutschland in der Globalen Wissensgesellschaft klar positionieren - Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter vorantreiben" der christlich-liberalen Koalition ist das beste Beispiel dafür. Ulla Burchardt (SPD): Wissenschaft ist per se international, und schon immer wirkten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den großen deutschen Wissenschafts- und Forschungsorganisationen an internationalen Austauschprozessen mit. Bereits 1998 haben wir begonnen, die Weichen für die Internationalisierungsstrategie zu stellen. Ministerin Edelgard Bulmahn und die rot-grüne Koalition haben die Einführung des professionellen internationalen Hochschulmarketings, das Schaffen attraktiverer Karrierewege durch die Juniorprofessur, die Exzellenzinitiative mit international sichtbaren Leuchttürmen, die Gründung der deutschen Universitäten in Kairo und Amman, die Preise zur Gewinnung internationaler Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler und nicht zuletzt den Pakt für Forschung und Innovation auf den Weg gebracht. Im Jahr 2005 sorgte Außenminister Frank-Walter Steinmeier für weitere wichtige Impulse: Mit der Außenwissenschaftsinitiative hat er einen Paradigmenwechsel in der Außenpolitik eingeleitet. Er brachte die Einrichtung von Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäusern auf den Weg, die die Repräsentanz der deutschen Wissenschaft im Ausland stärken und den Austausch fördern. Für den DAAD gab es unter anderem mehr Mittel für den Ausbau der Alumni-Vernetzung und für die Vergabe von Stipendien. Auch die PASCH-Initiative "Schulen: Partner der Zukunft" wurde von Frank-Walter Steinmeier ins Leben gerufen, um den Deutschunterricht massiv zu befördern. Es ist löblich, dass sich die Koalitionsparteien in ihrem Antrag zur Fortsetzung unserer erfolgreichen Arbeit bekennen. Wie immer verschweigen Sie die Urheberschaft. Aber vor allem drehen Sie Stück für Stück das Rad rückwärts. Das Konzept von Außenminister Guido Westerwelle "Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in Zeiten der Globalisierung", AKBP, ist darauf angelegt. Der aktuelle Bericht der Bundesregierung zur AKBP bestätigt, dass Ihre Politik vor allem an den nationalen Interessen ausgerichtet ist und nicht auf Partnerschaft. Mit der Devise "Privat vor Staat" verteuern Sie den Besuch der deutschen Auslandsschulen und führen so den Ursprungsgedanken ad absurdum. Jahr um Jahr müssen wir um das Budget für die Auslandsschulen kämpfen, um Planungs- und Finanzierungssicherheit für die Schulen zu gewährleisten. Sie brechen damit Ihr Versprechen, sie weiter auszubauen. Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung zu Auslandsschulen lässt auch darauf schließen, dass es Kürzungen bei den Lehrerstellen an den Auslandsschulen, besonders bei den Auslandsdienstlehrkräften geben wird. Problematisch ist weiter, dass kleine Auslandsschulen oder Schulen, die sich erst im Aufbau befinden, aus der Förderung herausfallen. Viele von ihnen haben zwar mehr als fünf Abschlüsse im Jahr, aber nicht die jetzt vorgesehenen zwölf Abschlüsse. Das trifft besonders hart Schulen in Krisenregionen wie Accra, Alexandria, Kairo, Erbil oder Kabul. Diese Schulen sollten Leuchttürme für Demokratie und daher für Deutschland von besonderem politischem Interesse sein und gefördert und nicht geschliffen werden. Insgesamt ist festzustellen, dass Mittel, die aus dem Sonderprogramm Bildung und Forschung kommen und für die AKBP vorgesehen sind, regelmäßig für das Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden. Dabei ist das Sonderprogramm eigentlich ein Investitionsprogramm. Die rund 90 Millionen Euro für den Haushalt 2013 hätten beispielsweise die Auslandschulen gut gebrauchen können - oder das Goethe-Institut, bei dem auch in diesem Jahr wieder Einsparungen vorgenommen wurden. Es ist offenkundig: Die Internationalisierung der Wissenschaft ist der Regierung doch nicht so wichtig, wie immer in Reden verlautbart wird. Ein weiterer Beleg, dass Sie anders reden als handeln, sind die geplanten Kürzungen des DAAD-Stipendien-Titels um 18 Millionen Euro. Das sind rund 20 Prozent des dafür vorgesehenen Etats und bedeutet 1 000 Stipendien weniger - und das vor dem Hintergrund, dass der Titel für Stipendien seit 2010 nicht mehr erhöht wurde. Das passt mit der Antragsrhetorik nicht zusammen. Damit verkleistern Sie die Probleme. Die lobend erwähnten Fachzentren sind gefährdet, und trotz Kürzungen fordern Sie gleichzeitig mehr Aktivitäten wie die Entwicklung eines globalen Netzwerks ausländischer Alumni deutscher Hochschulen, was der DAAD auch noch übernehmen soll. Das bedeutet also mehr Aufgaben bei weniger Budget. Auch die Deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser stehen auf keinem sicheren Fundament. Wenn die Häuser aber Schaufenster für den Innovationsstandort Deutschland bleiben sollen, brauchen sie eine solide Finanzierung und Planungssicherheit. Ihre Forderungen bleiben zu unkonkret. Vor allem bleibt die Frage offen, wie sie finanziert werden sollen. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Mit dem Antrag "Deutschland in der Globalen Wissensgesellschaft klar positionieren - Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter vorantreiben" setzt diese christlich-liberale Koalition in der Internationalisierung des deutschen Wissenschaftssystems einen neuen Akzent. Denn Wissenschaft und Forschung, der Austausch von Wissen, kennt keine nationalen Grenzen. Überall auf der Welt wird Wissen generiert; insbesondere in der letzten Dekade hat das internationale Wissenspotenzial stetig zugenommen. Staaten wie China, Südkorea, Indien, Vietnam oder Brasilien investieren massiv und zunehmend in Forschung und Entwicklung, gründen Forschungseinrichtungen und neue Hochschulen. Demgegenüber darf Deutschland nicht abfallen, als Volkswirtschaft, welche von Forschung und Innovation, vom Potenzial ihres Wissenschaftssystems lebt. Aber auch im Hinblick auf die Lösung der großen globalen und gesellschaftlichen Herausforderungen ist die internationale Vernetzung und der Austausch von Wissen entscheidend. Deshalb ist es für die Zukunft zwingend, am Austausch dieses internationalen Wissens in besonderer Weise zu partizipieren. Hierzu hat die Bundesregierung in 2008 einen ersten richtigen Schritt getan. Mit der Verabschiedung der Strategie zur Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung wurde ein wichtiger Impuls für das deutsche Wissenschafts- und Forschungssystem gegeben. Schwerpunkte der sogenannten Internationalisierungsstrategie sind die Stärkung der Forschungszusammenarbeit mit den weltweit Besten, die Erschließung internationaler Innovationspotenziale; der nachhaltige Ausbau der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern in Bildung, Forschung und Entwicklung sowie die Übernahme internationaler Verantwortung zur Bewältigung globaler Herausforderungen. Diesen politischen Leitlinien liegt der Gedanke von Wettbewerb und Kooperation zugrunde. Deutschland als "Wissensmacht" steht auf der einen Seite im Wettbewerb mit den anderen Nationen, auf der anderen Seite zugleich als ein Kooperationspartner für Austausch und gemeinsame Projekte. Der Internationalisierungsstrategie fühlt sich die christlich-liberale Koalition nicht nur verpflichtet, sondern sie drängt auch auf eine Fortentwicklung und Ausweitung dieser in den verschiedensten Bereichen. So hat diese Bundesregierung in der Außenwissenschaftspolitik Akzente für den Innovationsstandort Deutschland gesetzt, beispielsweise durch den Aufbau Deutscher Wissenschafts- und Innovationshäuser, DWIH. Die Innovationshäuser sind an sechs ausgewählten Orten präsent, in New Delhi, New York, Moskau, São Paulo, Tokio und Kairo. Sie sind Schaufenster des deutschen Innovationssystems, ein Forum für Dialog und Austausch sowie zentrale Anlaufstelle für Beratung und Unterstützung ausländischer Wissenschaftler. Darüber hinaus wurde eine Vielzahl von institutionellen Kooperationen und Vernetzungsaktivitäten gefördert und begleitet. Ich erinnere nur beispielhaft an die Gründung des Max Planck Florida Institute for Neuroscience in den Vereinigten Staaten oder die vielen zeitlich befristeten Kooperationen der Fraunhofer-Gesellschaft mit Universitäten im Ausland im Rahmen der Fraunhofer Project Centres. In dem vorgelegten Antrag richten wir nun einen verstärkten Blick auf den Austausch von Wissenschaftlern. Denn Wissenschaftskooperationen werden nicht nur durch Institutionen gelebt, sondern in der Zusammenarbeit, durch Mobilität von Studierenden und Wissenschaftlern, durch eine sogenannte Brain Circulation. Hierzu gilt es insbesondere diejenigen Wissenschaftsorganisationen weiter zu fördern und zu unterstützen, die nah an den Wissenschaftlern und der Mobilität dran sind - Akteuren wie den Deutschen Akademischen Austauschdienst, DAAD, oder die Alexander-von- Humboldt-Stiftung, AvH. Beide Akteure wollen wir durch eine stärkere finanzielle Grundlage in die Lage versetzen, neue Instrumente und Programme zur Förderung der Internationalisierung zu initiieren und entwickeln. Dabei wollen wir vor allem innovative Netzwerke von Wissenschaftseinrichtungen fördern und auch internationale Projektkonsortien zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen aufbauen. Solche unterschiedlichen Kooperationen in Netzwerken und Konsortien können aber nur gelingen, wenn wir die außeruniversitären Forschungseinrichtungen weiter stärken und unterstützen. Ein letzter Punkt: Die Internationalisierungsstrategie ist noch relativ jung. Die Erfolge sind jedoch heute schon sichtbar. Sie bestehen in zählbaren Kooperationen sowie Forschungsbauten und Instituten. Jedoch gilt es die Internationalisierung zukünftig auch messbar zu machen. Deshalb soll dem Deutschen Bundestag einmal pro Legislaturperiode über den Umsetzungsstand der Maßnahmen der Internationalisierungsstrategie durch die Bundesregierung berichtet werden. Darauf aufbauend können wir unsere Ziele überprüfen und eine Fortentwicklung bzw. Weiterentwicklung von Maßnahmen und Instrumenten vornehmen. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Die Internationalisierung von Wissenschaft und Forschung weiter vorantreiben, das liest sich zunächst einmal ganz gut, genauso wie viele andere Teile der vorliegenden Antragslyrik. Kooperationen ausbauen, Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern stärken, gemeinsam globale soziale und ökologische Herausforderungen meistern. Die Koalitionsfraktionen waren offenbar kurz davor, den schönen und wahren Gemeinplatz vom Wissen, das sich vermehrt, wenn es geteilt wird, in ihren Antrag zu schreiben. Das aber haben sie gerade so noch vermieden, denn dann wäre der innere Widerspruch des Papiers noch augenscheinlicher, als er jetzt schon ist. Denn neben allen schön klingenden und teilweise ja auch ernst gemeinten Vorschlägen des globalen Miteinanders in Wissenschaft und Forschung steht eben immer wieder auch ein komplett anderes Verständnis der Internationalisierung, nämlich der Anspruch, dass Deutschland mit Blick auf den eigenen Vorteil und eine Vorreiterrolle möglichst internationale Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler nach Deutschland holt und hier bindet. Das ganze Papier windet sich in diesem Widerspruch. Da werden einerseits recht konkrete Haushaltsforderungen aufgestellt, um mit viel Geld die besten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Stellen nach Deutschland zu locken, andererseits wollen sie helfen, gute Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in und vor allem für Entwicklungsländer auszubilden. Während Letzteres im Grundsatz zu begrüßen ist, frage ich mich schon, wie fair das im Verbund mit dem Erstgenannten verknüpft werden kann. Vor allem aber wäre es national wie international nachhaltiger und besser, nicht nur die Besten der Besten nach Deutschland zu locken, sondern insgesamt attraktive Arbeitsplätze in der deutschen Forschungs- und Wissenschaftslandschaft anzubieten. Diese Baustelle haben Union und FDP mit einem Halbsatz sogar bedacht, doch schlagen sie dann gleich den nächsten Widerspruch vor: Sie wollen einerseits noch mehr Flexibilität in Personalangelegenheiten, andererseits den Ausbau von Tenure-Track-Optionen. Letzteres fordern wir Linken seit langem, in der Realität hat die Flexibilisierung der Personalangelegenheiten, Beispiel Wissenschaftszeitvertragsgesetz, genau solche verlässlichen und damit auch international attraktiven Arbeitsbedingungen und Karrierewege maßgeblich verschlechtert. Wie wenig reizvoll ein Arbeitsplatz in der deutschen Akademie für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ist, lässt sich im Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs nachlesen. Wir hatten dazu erst vor kurzem debattiert. Besonders amüsiert habe ich mich übrigens bei der Sprachregelung im vorliegenden Antrag zum Bologna-Prozess. Gerade das Ziel der Internationalisierung des Studiums ist durch die kleinteiligen und sehr starr ausgerichteten, von Hochschule zu Hochschule differierenden Bachelorstudienordnungen in Deutschland nicht nur verfehlt worden, sein Erreichen wurde vielmehr massiv behindert. Hier von einer nötigen Weiterentwicklung zu sprechen, ist äußerst kreativ. Statt die dringend nötigen Strukturreformen in Deutschland anzugehen, die in einer offenen und vernetzten Wissenschaftslandschaft auch schnell international Beachtung fänden, schlägt Schwarz-Gelb neben der einen oder anderen sinnvollen Forderung lieber ein willkürliches Potpourri aus Widersprüchlichkeiten und ein ganzes Paket an Marketingmaßnahmen vor. Doch so nett die einen oder andere Hochglanzbroschüre und so hilfreich Kontaktbüros in anderen Ländern sein mögen, ein roter Faden und ein eindeutiges Bekenntnis zu einer kooperativen Idee der Internationalisierung, verknüpft mit ordentlichen Arbeitsbedingungen hier vor Ort auf allen Ebenen wissenschaftlicher Arbeit, wären der fehlende Nährboden für solche Blüten. Nicht zuletzt ist auch der Wissenstransfer ein wichtiger Baustein einer Internationalisierungsstrategie. Ein konsequentes Eintreten für Open Access in der Wissenschaft wäre dabei eine Maßnahme, die im Koalitionsantrag völlig fehlt. Schon heute tragen Open-Access-Publikationen messbar stärker als herkömmliche Veröffentlichungen dazu bei, Wissen und Erkenntnis aus und in Entwicklungsländern zu verbreiten. Eine starke und umfassende Open-Access-Politik könnte Deutschland auf diesem Feld eine Spitzenposition einbringen, die nicht im Widerspruch zum Kooperationsgedanken von Internationalisierung stünde. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Internationalisierung im Wissenschafts- und Forschungsbereich ist zweifellos von zentraler Bedeutung. Umso seltsamer ist der Umgang der Koalitionsfraktionen mit diesem wichtigen Thema. Da wird auf den letzten Drücker kurz vor Toresschluss zur nächtlichen Stunde noch ein Internationalisierungsantrag auf die Tagesordnung gehievt, sofort abgestimmt und abgeräumt, die Reden gehen zu Protokoll, eine Ausschussbefassung ist nicht mehr möglich und wohl auch nicht erwünscht. Da hat wohl jemand vergessen, seine Hausaufgaben rechtzeitig zu machen, arbeitet nur noch schnell für die Galerie und serviert uns einen Antrag, der zu 90 Prozent aus Lobhudelei besteht. Dieses Thema hat wirklich Besseres verdient. Aber wirklich dreist ist, dass dieselbe Regierungskoalition, die sich hier heute in Selbstbeweihräucherung ergeht, im Haushaltsentwurf für 2014 bereits massive Kürzungen bei den Stipendien des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, DAAD, vorsieht. Damit unterminieren Sie alle Internationalisierungsbemühungen der deutschen Hochschulen! Durch die Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation hat die internationale Sichtbarkeit Deutschlands als Wissenschaftsstandort zweifellos zugenommen. Überall, wo man hinkommt, begegnet man dem Eindruck, dass sich in Deutschland trotz Finanzkrise gerade in der Forschung eine erhebliche Dynamik zeigt. Auf den regelmäßig stattfindenden GAIN-Konferenzen in Boston und San Francisco für deutsche Nachwuchswissenschaftler in den USA und Kanada konnten wir in den letzten Jahren feststellen, dass das Interesse, nach Deutschland zurückzukehren, inzwischen immens ist. Die DFG berichtet, dass auch bei ausländischen Spitzenwissenschaftlern in den USA, aber sogar bei US-amerikanischen Forschern, das Interesse an Deutschland deutlich gestiegen ist. Dies ist sicher auch auf die sich deutlich verschlechternden Bedingungen in den USA zurückzuführen. Auch das Interesse ausländischer Studierender an Deutschland als Studienort wächst kontinuierlich. Dabei spielt im internationalen Wettbewerb mit Sicherheit auch die Frage der Studiengebühren eine Rolle. Dies sind zunächst die guten Nachrichten. Aber jetzt kommen wir mal zu den kritischen Fragen: Wie ist Deutschland eigentlich darauf vorbereitet, diesem gewachsenen Interesse zu begegnen? Die schlechten Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Unterfinanzierung der Universitäten führen dazu, dass wir rückkehrwilligen Postdocs kaum verlässliche Karriereperspektiven aufzeigen können und sich unsere Universitäten im Gegensatz zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen nicht angemessen an den Internationalisierungsprozessen beteiligen können. Sowohl bei der Verbesserung der Berufsperspektiven für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als auch bei der Neustrukturierung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern zugunsten der Hochschulen hat diese Bundesregierung bisher jede Verantwortungsübernahme verweigert und ausschließlich mit dem Finger auf die Länder gezeigt. Damit ignoriert die Koalition aber die Folgen für das deutsche Wissenschaftssystem, nämlich dass die gewachsenen Internationalisierungschancen nicht hinreichend genutzt werden können, vor allem nicht an den Hochschulen. Das bedeutet zum Beispiel, dass exzellente ausländische Spitzenwissenschaftler, die von einer außeruniversitären Forschungseinrichtung nach Deutschland geholt werden, nicht oder nur in einem sehr geringen Maße an der Lehre teilnehmen, die Universitäten aber kaum in der Lage sind, eigene attraktive Angebote zu machen. Dadurch geht zweifelsohne viel Inspirationspotenzial für die akademische Ausbildung verloren. So ist es durchaus bezeichnend, dass 40 Prozent der internationalen Sofja-Kovalevskaja-Preisträgerinnen und -preisträger nach fünf Jahren Deutschland wieder verlassen, weil ihnen in Deutschland einfach keine Tenure-Track-Perspektive angeboten werden kann. Es wundert mich in diesem Zusammenhang, dass die Koalition in ihrem Antrag fordert, "in Anlehnung" an den Kovalevskaja-Preis der Alexander-von-Humboldt-Stiftung etwas Neues schaffen zu wollen, statt diesen renommierten Preis weiterzuentwickeln und mit besseren Anschlussperspektiven zu versehen. Mit dem Georg- Foster-Forschungsstipendium erreicht die Alexander- von-Humboldt-Stiftung zwar rund 30 internationale Spitzenwissenschaftler aus zum Teil eher forschungsschwachen Ländern. Aber gerade, wenn es darum geht, Forschern aus Entwicklungsländern oder den europäischen Krisenländern die Möglichkeit zu geben, den Anschluss an internationale Spitzenleistung zu finden, ist sicher noch Luft nach oben. Das BMBF hat sich in den letzten Jahren verstärkt der Aufgabe der Außenwissenschaftspolitik gewidmet. Damit gibt es aber aus unserer Sicht keinen Grund mehr dafür, dass die Alexander-von-Humboldt-Stiftung weiter beim Auswärtigen Amt statt im Wissenschaftsministerium ressortiert. Dies erschwert es nur unnötig, eine Internationalisierungsstrategie aus einem Guss und aus der Gesamtschau zu entwickeln. In diesem Zusammenhang noch einmal zum DAAD. Viel zu oft wurden wir als Fachpolitiker über die geplante finanzielle Entwicklung beim DAAD in den letzten Jahren im Unklaren gelassen. Zwar konnten die Kürzungen meist noch abgewandt werden, aber auch jetzt sind beim Auswärtigen Amt wieder Kürzungen bei den Stipendienmitteln des DAAD für 2014 geplant. Wie soll das eigentlich mit Ihrem heutigen vollmundigen Antrag zusammenpassen? Diese Kürzungen müssen dringend rückgängig gemacht werden! Eine auf Nachhaltigkeit angelegte Internationalisierungsstrategie braucht Kontinuität und Planungssicherheit. In diesem Kontext möchte ich auch dringend anmahnen, dass die deutschen Wissenschafts- und Innovationshäuser im Ausland dort, wo ihre Arbeit sich bewährt hat, auf eine verlässliche Grundlage gestellt werden. Auf Dauer wird Kontinuität in der Qualität der Arbeit, zum Beispiel in New York, nicht ohne Kontinuität in der Personalentwicklung zu haben sein. Wenn Wissenschaftsaußenpolitik gerade auch gegenüber den Entwicklungsländern zu einer Kooperation auf Augenhöhe und zum echten Capacity Building in diesen Ländern selbst beitragen soll, ist es dringend erforderlich, zu evaluieren, welche Maßnahmen und Instrumente in diesem Sinne wirklich erfolgreich und nachhaltig gewesen sind. Darüber sollte sich der Bundestag in Zukunft berichten lassen. Zu einer verantwortlichen Science Diplomacy Policy gehört auch, dass bei Kooperationen mit eher forschungsschwachen Ländern diese von den Forschungsergebnissen auch profitieren können. Im Bereich der seltenen Krankheiten ist mit der Förderung von PDPs, den Product Development Partnerships, sicher ein wichtiger Schritt getan worden. Die Opposition hat mehrfach dafür plädiert, diese Aktivitäten auszubauen. Die vielfältigen Aspekte einer Internationalisierungsstrategie hätten eine gründliche Beratung verdient gehabt. Ich kann nur hoffen, dass diese Themen in der nächsten Legislatur frühzeitig und mit Nachdruck wieder aufgegriffen werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Regierungsfraktionen auf Drucksache 17/14111. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 44: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (15. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, Stephan Kühn, Dr. Anton Hofreiter, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Straßen- und Schienenlärm wirksam reduzieren - Drucksachen 17/13915, 17/14151 - Berichterstattung: Abgeordnete Daniela Ludwig Die Reden sind zu Protokoll genommen. Thomas Jarzombek (CDU/CSU): Wir beraten über einen Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zum Lärmschutz. Das ist ein ernstes und wichtiges Thema. In meiner Heimat Düsseldorf lebe ich selbst unter dem Einfluss von Verkehrslärm. Deshalb bin ich froh, sagen zu können: Wir als Koalition haben in den vergangenen vier Jahren viel für den Lärmschutz getan, während unter all den SPD-Verkehrsministern zuvor viele Chancen verpasst wurden. Der zunehmende Verkehrslärm ist auch eine Folge des wirtschaftlichen Erfolges unseres Landes. Als vor allem auf Export ausgelegte Wirtschaft benötigen wir eine leistungsfähige Infrastruktur. Die Güterverkehre sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen und werden laut Prognosen auch in Zukunft zunehmen. Allerdings sind für den Menschen Lärmemissionen und die damit oft einhergehenden Erschütterungen wohl diejenigen Umweltbeeinträchtigungen, die am direktesten spürbar sind. Deshalb besteht zwischen der Verkehrsinfrastruktur und dem Lärmschutzbedürfnis zwangsläufig ein Spannungsverhältnis. Wir als Koalition haben den Lärmschutz zu einem zentralen Anliegen gemacht. Der wirtschaftliche Erfolg darf nicht zulasten der Gesundheit gehen. Während in der Vergangenheit lediglich viel Lärm um den Lärmschutz gemacht worden ist, hat diese Regierung in den vergangenen vier Jahren endlich auch gehandelt. Beim Thema Lärmschutz haben wir echte Erfolge vorzuweisen. Ich will das noch einmal am Beispiel des Schienengüterverkehrs deutlich machen. Denn vor allem von Güterzügen geht eine hohe Lärmbelastung aus. Während Personenzüge meist mit modernen Scheibenbremsen ausgestattet sind, verfügen Güterzugwaggons regelmäßig über Klotzbremsen. Diese sind generell lärmintensiver, da für den Bremsvorgang der Bremsklotz direkt auf die Lauffläche der Räder gedrückt wird. Dabei besteht der Bremsklotz bislang oft sogar noch aus Metall, sodass also Metall auf Metall wirkt und die entsprechenden Reibungsgeräusche entstehen. Zudem haben Güterzüge ein höheres Gewicht und verkehren bevorzugt in den Nachtstunden, da in dieser Zeit das Schienennetz weniger stark durch Personenzüge frequentiert wird. Doch gerade in den Nachtstunden braucht der Mensch Ruhe. Daher steht insbesondere die Reduzierung von Güterzuglärm in unserem Fokus. Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 den Lärm an Gütertrassen zu halbieren. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg dahin ist die Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems. Seit der letzten Fahrplanumstellung Ende 2012 müssen laute Güterzüge mehr für die Nutzung von Trassenkilometern zahlen als leise Züge. Gleichzeitig können die Wagenhalter eine Förderung erhalten für die Umrüstung der Bremsen ihrer Güterwaggons auf moderne und geräuscharme Technik. Dieses Umrüstprogramm wird einerseits finanziert aus den Mehreinnahmen durch das geänderte Trassenpreissystem und andererseits aus Bundesmitteln in Höhe von bis zu 152 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2020 wollen wir so eine Modernisierung von mindestens 80 Prozent der etwa 180 000 Güterwaggons, die in Deutschland verkehren, erreichen. Ab dem Jahr 2020 dürfen Züge, die die geltenden Lärmrichtlinien nicht erfüllen, auf dem deutschen Schienennetz nicht mehr fahren. Erfreulicherweise hat die sogenannte LL-Sohle Anfang Juni 2013 vom internationalen Eisenbahnverband UIC die Zulassung für den europaweiten Einsatz erhalten. Bei der LL-Sohle handelt es sich von der Bauart her zwar weiterhin um eine Klotzbremse, jedoch besteht der Bremsklotz aus einem Verbundwerkstoff. Die metallischen Reibungsgeräusche entfallen also. Wegen der gleichen Bauart lassen sich die Sohlen außerdem relativ leicht austauschen. Der Zulassung sind mehrjährige Testläufe vorausgegangen. In Deutschland beispielsweise hat sich diese "Flüsterbremse" beim Pilotprojekt "Leiser Rhein" bewährt, das vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung mit zunächst 1 500 Güterwaggons initiiert worden war. Ein komplett mit dieser neuen Bremssohle ausgestatteter Güterzug kann eine Reduzierung um 10 dB(A) erreichen, was für das menschliche Ohr einer Lärmhalbierung entspricht. Im Zusammenwirken mit dem Umrüstprogramm des Bundes können wir hier also auf eine zügige und spürbare Lärmreduzierung hoffen. Ein weiterer großer Erfolg dieser Koalition beim Kampf gegen den Schienenlärm ist die Abschaffung des sogenannten Schienenbonus. Ab dem 1. Januar 2015 entfällt dieses Privileg beim Aus- und Neubau von Bahnstrecken. Bislang war es so, dass Schienenlärm als weniger schädlich beurteilt wurde als etwa Straßenlärm. Ein Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen bestand also für Anwohner einer Bahnstrecke erst bei einer um 5 dB(A) höheren Lärmbelastung als für Anwohner einer Straße. Diese Ungleichbehandlung haben wir beendet, da sie nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik entspricht. Bahnlärm ist für Betroffene nicht weniger belastend als Straßenlärm. Auch bei der Lärmsanierung am Bestandsnetz, die im Gegensatz zur Lärmvorsorge bei Aus- und Neubaumaßnahmen nicht zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist, haben wir sehr hilfreiche Maßnahmen durchgeführt. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat gemeinsam mit der Deutschen Bahn AG ein Gesamtkonzept für die Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen entwickelt. Darin wurden von etwa 33 000 Kilometern Gesamtnetz rund 3 700 Kilometer als besonders belastet und sanierungsbedürftig eingestuft. Diese Streckenabschnitte wurden seinerzeit unter den damals geltenden niedrigeren Lärmstandards genehmigt und realisiert und werden nun sukzessive an den modernen Maßstab angepasst, der auch für Neubauten gilt. Für das freiwillige Lärmsanierungsprogramm stehen jährlich Haushaltsmittel in Höhe von 100 Millionen Euro zur Ver-fügung. Bereits ein Drittel der Strecken konnte hiermit saniert werden. Darüber hinaus stehen in diesem Jahr zusätzlich weitere 40 Millionen Euro aus dem "Sonderprogramm Lärmschutz Schiene" im Rahmen des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms zur Verfügung. Auch hiermit werden besonders lärmbelastete Streckenabschnitte saniert. All dies sind Entlastungen für von Lärm Betroffene, die Grüne und SPD in ihrer Regierungszeit nicht hinbekommen haben. Die christlich-liberale Koalition dagegen hat beim Thema Lärmschutz endlich angepackt. Es liegt an der Untätigkeit unserer Vorgänger, dass bis zu einem durchschlagenden Erfolg gegen den Lärm noch einige Jahre ins Land streichen werden. Erst Bundesminister Dr. Ramsauer hat hier die richtigen Weichen gestellt. Wir könnten dem Ziel schon viel näher sein, wenn auch seine Vorgänger im Amt das Problem erkannt hätten. Deshalb ist es gut für Deutschland, dass jetzt diese Koalition in der Regie-rungsverantwortung steht. Und wir werden diesen erfolgreichen Weg beim Lärmschutz auch in der neuen Legislaturperiode weiter beschreiten. Als Union bekennen wir uns in unserem Wahlprogramm klar dazu, dass der Mensch bei Infrastrukturprojekten für uns im Mittelpunkt steht. Wir wollen den Lärmschutz durch ein einheitliches Lärmschutzprogramm verbessern und die Berechnungsgrundlagen bei den Lärmbelastungswerten anpassen und vereinheitlichen. Auch des Themas Fluglärm werden wir uns weiter annehmen. Dazu wollen wir das Fluglärmgesetz weiterentwickeln. Es wird leiser in Deutschland. Diese Koalition hat bewiesen, dass wir Wettbewerbsfähigkeit und Lärmschutz in Einklang bringen können. Daniela Ludwig (CDU/CSU): "Straßen- und Schienenlärm wirksam reduzieren": Das ist ein schöner Titel, und genau so könnte man auch unsere Politik der vergangenen Jahre titulieren. Wir haben Straßen- und Schienenlärm wirksam reduziert und zusätzlich die Weichen gestellt, dass das auch in Zukunft weiterhin der Fall sein wird. Sie fordern nun in Ihrem Antrag eine maßgebliche Umstrukturierung der derzeitigen Vorgehensweise bei der Erfassung, Planung, Umsetzung und Finanzierung von Lärmschutzmaßnahmen an Straßen und Schienenwegen sowie die Gewährleistung von Lärmsanierungsmaßnahmen auf gesetzlicher Grundlage. Kurz gesagt: Sie wollen, dass der Bund sich mit viel Geld an der Finanzierung der Lärmsanierung an Straßen in der Baulast der Länder und Gemeinden beteiligt. Das kommt ein bisschen spät, oder? So umfassende Forderungen in der letzten Sitzungswoche zur Diskussion zu stellen, in dem Wissen, dass in dieser Legislaturperiode keine Zeit mehr für Beratungen sein wird, ist schon ziemlich ernüchternd; denn es offenbart, dass Ihnen das Thema nicht wirklich wichtig ist. Im Gegenteil: Sie stellen unrealistische Forderungen auf, die stark an ein Wahlprogramm, aber nicht an einen ernsthaft gemeinten Antrag erinnern. Die Gesundheit der Menschen liegt uns doch allen am Herzen. Dass Lärm krank machen kann, steht außer Frage. Daher schützen wir uns vor krank machendem Lärm, wo es nur geht. Dank unseres Bundesverkehrsministers und dank der guten Arbeit der CDU/CSU- und FDP-geführten Bundesregierung steht Lärmschutz in der Verkehrspolitik mit an vorderster Stelle und ist uns ein zentrales Anliegen. Die Akzeptanz für den weiteren Ausbau der Verkehrsinfrastruktur hängt maßgeblich davon ab, dass die Lärmbelastung des Bürgers reduziert wird. Im Verkehrsbereich haben wir es gleich mit mehreren potenziellen Lärmquellen zu tun: Schienenlärm, Straßenlärm und Fluglärm. Noch an diesem Montag stellte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer zum internationalen Tag gegen Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik, DEGA, eine neue Broschüre über Maßnahmen gegen Schienenlärm vor. Aber wir haben ja auch einiges vorzuweisen, was ich an dieser Stelle kurz erwähnen möchte: So wird unter anderem seit Dezember 2012 eine lärmmindernde Umrüstung von Eisenbahnwagen durch das lärmabhängige Trassenpreissystem gefördert. Mit Förderung durch BMVBS und DB AG werden Güterwagen, die in Deutschland verkehren, auf Flüstertechnik umgerüstet. Sollten später alle Güterwagen im deutschen Schienennetz zudem mit den voraussichtlich im Sommer endgültig zugelassenen LL-Sohlen umgerüstet sein, wird davon ausgegangen, dass eine Lärmminderung von 10 dB(A) eintritt. Auch der Lärmschutz an der Strecke - zum Beispiel der Bau von Lärmschutzwänden oder der Einbau lärmdämpfender Technik auf den Schienen - läuft parallel weiter. Neue Strecken werden mit Lärmschutz nach hohen Standards gebaut. Die Bundesregierung hat mit dem Gesamtkonzept Lärmsanierung rund 3 700 Kilometer besonders belasteter Güterstrecken identifiziert, die nach den damals geltenden, niedrigeren Lärmstandards genehmigt und gebaut wurden und nun auf Neubaustandard gebracht werden. Dafür stellt das BMVBS jährlich 100 Millionen Euro zur Verfügung. Ein Drittel dieser Strecken konnte so bereits saniert werden. Mit dem zusätzlichen Sonderprogramm Lärmschutz Schiene werden dieses Jahr und 2014 weitere ebenfalls besonders belastete Abschnitte für insgesamt 40 Millionen Euro lärmsaniert. Aufgrund unser Initiative wurde endlich durchgesetzt, dass der Schienenbonus zum 1. Januar 2015 abgeschafft wird. Dazu hätten Sie ja schon Jahrzehnte Zeit gehabt. Wir haben es endlich durchgesetzt. Auch die Lärmschutzmaßnahmen an den Bundesfernstraßen, für die wir als Bund zuständig sind, laufen hervorragend. 50 Millionen Euro pro Jahr sind eine gute Summe. Einen Rechtsanspruch auf Schutz vor Verkehrslärm begründet bekannterweise das Bundes-Immissionsschutzgesetz, BImSchG, in Verbindung mit der Verkehrslärmschutzverordnung, 16. BImSchV. Dort wird geregelt, wie und welche Lärmvorsorge bei dem Neubau oder einer wesentlichen baulichen Änderung eines Verkehrsweges vor sich gehen soll. Es gelten die in der 16. BImSchV festgelegten Lärmgrenzwerte. Bundesminister Ramsauer hat bereits Ende 2012 in Berlin das Forschungsprogramm "Straße im 21. Jahrhundert - Innovativer Straßenbau in Deutschland" vorgestellt. Das Programm ist der Rahmen für künftige Forschungsaktivitäten im Straßenwesen und soll dem Straßenbau einen Innovationsschub geben. Das Programm ist bis 2030, also langfristig, und somit mit einer gewissen Planungssicherheit angelegt. Es ist eingebettet in das Gesamtforschungsprogramm des BMVBS und der Bundesanstalt für Straßenwesen, BASt, sowie die Hightech-Strategie der Bundesregierung. Aus der BMVBS-Forschung sind bereits erfolgversprechende Prototypen entstanden, darunter zum Beispiel abgasschluckende Schallschutzwände. Also: weiter so! Ausreichende Lärmschutzmaßnamen sind und bleiben für uns ein zentraler Punkt bei allen betreffenden Infrastrukturprojekten. Zuletzt möchte ich aber noch einmal kurz auf zwei Punkte aus Ihrem Antrag zurückkommen: Sie möchten eine neue koordinierende Behörde schaffen, die ausschließlich für Lärmsanierungsmaßnahmen zuständig sein soll. Abgesehen von den Kosten, die so eine Behörde mit sich bringt, ist deren Sinn doch sehr fragwürdig. Wir haben ein erfolgreiches föderalistisches Sys-tem, das wir erst vor wenigen Jahren reformiert haben. Die Straßenbauverwaltungen der Länder und die DB Netz AG leisten gute Arbeit. Daran sollten wir nicht rütteln. Ein weiterer Punkt ist der Lärmpegel. So ist es zum Beispiel aus unserer Sicht nicht sinnvoll, feste Lärmpegel für alles und überall einzuführen, die nicht überschritten werden dürfen. Wir befürworten ein Berechnungsverfahren, das unterschiedliche Lärmpegel zu unterschiedlichen Tageszeiten vorsieht. Schließlich ist gerade in sogenannten Mischgebieten zur Unterstützung der dort angesiedelten Unternehmen ein Tag- und ein Nachtpegel sehr sinnvoll. Auch in den derzeit zu überarbeitenden Berechnungsvorschriften für Straßen- und Schienenlärm - RLS-90 und Schall03 - wird dies so gehandhabt. Zusammengefasst: Sie haben unrealistische Forderungen, und es ist viel zu teuer. Guter Lärmschutz geht auch anders; das haben wir in dieser Legislaturperiode bewiesen. Gustav Herzog (SPD): Wir beraten heute den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, "Straßen- und Schienenlärm wirksam reduzieren". Der Antrag stellt zu Recht fest, dass zu viele Menschen unter Lärm leiden, zu viele Schäden an unserer Volkswirtschaft infolge des Lärms in Kauf genommen werden, und wie widersinnig es ist, Jahr für Jahr 10 Milliarden Euro Schaden zuzulassen, weil man einen Bruchteil dessen nicht in Lärmschutz investiert. Ich füge dem noch die soziale Komponente hinzu; denn wer lebt denn an verlärmten Orten? Es sind doch zu oft diejenigen, die es sich nicht leisten können, von dort wegzuziehen. Hier dreht sich eine soziale Spirale nach unten; denn anhaltender Lärm verursacht nachweislich Kreislaufprobleme und Aufmerksamkeitsstörungen. Kinder, die nachts nicht schlafen können, können tagsüber auch nur schwer in der Schule aufnahmefähig sein. Was das bedeutet, muss ich hier niemandem erklären. Oder vielleicht doch? Ich erinnere mich an die spöttischen Bemerkungen des Kollegen Jarzombek, der sich bei der Beratung unseres Antrags im April 2011 darüber lustig gemacht hat, er müsse ja in einem Getto wohnen, S-Bahn links, Straße rechts und Flugrouten darüber. Kollege Jarzombek, ich lade Sie ein ins Mittelrheintal, eine Nacht neben den Gleisen bei Spitzenpegeln jenseits der 100 dB(A) und Sie wissen, was ich meine. Sie wissen dann auch, wie ernst die Lage ist - und dass Spott hier nun wirklich fehl am Platze ist. Zurück zum Antrag: Liebe Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, gerne hätten wir Ihrem Antrag zugestimmt; denn er hat einige gute Ansätze, und grundsätzlich liegen wir auch nicht weit weg voneinander. Ich bin davon überzeugt, dass wir nach der Bundestagswahl gemeinsam etwas richtig Gutes auf die Beine stellen werden. Denn wir haben nicht nur verstanden, dass unsere Infrastruktur die Akzeptanz unserer Bevölkerung braucht, und die gibt es nur, wenn Verkehre leiser werden. Wir wissen, dass es allemal günstiger ist, Lärm gar nicht erst entstehen zu lassen, als ihn dann zu bekämpfen, wenn er auf dem Weg ist, und wir haben den Willen, diese harte Nuss zu knacken. Denn schwierig wird es. Es gibt keinen Königsweg, und es wird auch nicht billig. Wir haben viele Instrumente, und wir hätten noch viel mehr, hätte sich diese Bundesregierung nicht vier Jahre auf den Taten ihrer Vorgänger ausgeruht. Nichts hat Ihr Bundesminister getan, außer große Reden zu schwingen, doch ohne Engagement entsteht auch keine eigene Initiative und damit kein Fortschritt. Vier Jahre Schwarz-Gelb sind vier verlorene Jahre für den Lärmschutz. Jetzt ist es an der Zeit, Lärmschutz zur Chefsache zu erklären und nicht nur Gipfel zu veranstalten, sondern auch persönlich in Brüssel Verhandlungen zu führen. Bei allem Respekt für diejenigen, die in den Referaten die Arbeit machen: Hier muss der Minister persönlich ran und nicht die Arbeitsebene. Wir brauchen ein lärmabhängiges Trassenpreissystem, das seinen Namen verdient. Wir brauchen ein Umrüstprogramm, das die Anwohner ins Zentrum stellt. Wir brauchen die Schall 03 und weitere Anstrengungen in Forschung und Lehre. Wir brauchen europaweite Regelungen und dafür einen Schulterschluss mit dem Europäischen Parlament. Auch auf unseren Straßen gibt es viele Möglichkeiten, gestaltend einzugreifen, und wenn ich sehe, dass bei vielen Beteiligten die Sensibilität für das Problem wächst, dann muss ich das aufgreifen und handeln. Die Grenzwerte für sogenannte Sportauspuffe müssen runter: keine Akzeptanz dafür, dass ein paar wenige auf Kosten der Ruhe aller ihre Leidenschaft für röhrende Motoren ausleben. Was nutzen all unsere Anstrengungen, den Verkehr auf der Straße leiser zu gestalten, wenn durch ein lautes Motorrad die ganze Stadt senkrecht im Bett steht? Laut ist out, sage ich Ihnen, und dazu müssen wir die Grenzwerte senken und die Länder den Vollzug verstärken, illegale Gefährte aus dem Verkehr zu ziehen. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der grünen Fraktion, und damit komme ich zu dem Knackpunkt Ihres Antrags: Maximalpegel, die zu keinem Zeitpunkt überschritten werden dürfen, sind so kompromisslos, dass die Folgen kaum abschätzbar sind. Ich bin ganz bei Ihnen: Den Mittelungspegel müssen wir anpacken; denn er bildet die Realität der Betroffenen nicht ab. Doch das Haushalts- und das Verkehrsrisiko einer "Es-darf-niemals-laut-sein"-Position ist so hoch, dass wir uns bei dem Antrag nur enthalten können. Am BER haben wir beispielhaft gesehen, was Derartiges an Kosten nach sich ziehen kann. Behörden würden vielleicht sogar gezwungen, Straßen und Strecken stillzulegen, wenn sie die Kosten für diesen kompromisslosen Lärmschutz nicht aufbringen können. Hier müssen wir noch mehr Gedanken investieren und weitere Lösungswege suchen. Das Motto "Viel hilft viel" nutzt nicht immer. Die Lärmsanierungsmittel für die Straße zu vervierfachen macht nur dann Sinn, wenn das Geld vernünftig angelegt wird. Immer weiter mit den Lärmschutzwänden ist nur die halbe Lösung. Auch bei der Straße müssen wir an die Lärmquelle und damit an die Straßenbeläge, die Kfz und die Geschwindigkeiten. Wir brauchen neue Fahrzeugkonzepte und Reifen, und nicht zuletzt muss der Verkehr auch flüssiger werden. Das ist nicht nur sicherer und leiser, sondern zudem meist sogar schneller als Stop-and-run. Judith Skudelny (FDP): Straßen- und Schienenlärm sind stetig wachsende Probleme. Angesichts der massiven Zunahme des Güterverkehrs werden die Anwohner durch immer mehr Verkehr in kürzeren Abständen belastet. Diverse Studien haben belegt, dass gerade die nächtliche Lärmbelastung zu Schlafproblemen und Gesundheitsschäden führt, von denen allein in Deutschland mehr als 11 Millionen Menschen betroffen sind. Hier ist die Politik in der Pflicht, Bedingungen zu schaffen, die die Situation der Anwohner spürbar verbessern muss. Wir dürfen dabei allerdings nicht vergessen, dass zu einer wachsenden Wirtschaft und einem wachsenden Wohlstand natürlich auch eine Ausweitung des Güterverkehrs gehört. Und wir dürfen nicht vergessen, dass die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene im Hinblick auf die Reduzierung der CO2-Emissionen auch politisch gewollt ist; denn von einer florierenden Wirtschaft profitieren alle Deutschen und von einer Reduktion der Treibhausgase die gesamte Welt. Zwischen diesen beiden Positionen muss ein Ausgleich gefunden werden, der die Anwohner einerseits entlastet, aber gleichzeitig den Güterverkehr und die Wirtschaft nicht überlastet. An dieser Stelle möchte ich an die Adresse der Antragsteller sagen: Ihr Antrag ist reine Schaufensterpolitik und an vielen Stellen überhaupt nicht durchdacht. Fraglich ist zunächst, wie die Kommunen neben ihrem Auftrag zur Lärmkartierung durch die EU-Umgebungslärmrichtlinie auch noch eine Ermittlung und Messung des Gesamtlärmpegels und damit eine Priorisierung der Sanierungsgebiete vornehmen sollen. Für einige Kommunen ist selbst die Lärmkartierung aufgrund klaffender Finanzlücken nicht oder nur schwer zu leisten. Ob der zusätzliche Verwaltungs- und Kostenaufwand in einer angemessenen Relation zu dem Nutzen steht, wage ich zu bezweifeln. Den Kern des Antrags bildet die Einführung eines gesetzlichen Anspruchs auf Lärmsanierung, der durch eine neue Kostenverteilung realisiert werden soll. In Abhängigkeit vom Verursachungsbeitrag am Gesamtlärm soll sich der Finanzierungsanteil des jeweiligen Baulastträgers orientieren. Mir stellt sich dabei die Frage, was diese neue Kostenverteilung bringen soll, solange sämtliche Baulastträger am Rande ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit sind. Das Problem ist doch nicht, dass die Kommunen nicht wissen, wer die Lärmverursacher sind oder welche Maßnahmen am wirkungsvollsten wären, das Problem ist doch vielmehr, dass in den meisten Fällen schlicht nicht die finanziellen Mittel vorhanden sind, die bekannten Maßnahmen umzusetzen! Auch das vorgeschlagene Konzept des Gesamtlärms muss kritisch hinterfragt werden: Es ist richtig, dass viele Anwohner von verschiedenen Verkehrsträgern gleichzeitig belastet werden und dieser Lärm mit jedem neu hinzukommenden Verkehrsträger als noch belastender empfunden wird. Doch eine Antwort auf eine konkrete Berechnung des Gesamtlärmpegels gibt der vorliegende Antrag nicht. Eine bloße Addition der einzelnen Werte dürfte der unterschiedlichen Wahrnehmung wohl kaum gerecht werden, von der allgemeinen Gültigkeit der Werte bei den derzeit angewandten unterschiedlichen Berechnungs- und Messverfahren ganz zu schweigen. Zudem schafft das vorliegende Konzept erhebliche Rechtsunsicherheit. Beispielsweise könnte der Fall eintreten, dass ein Anwohner durch Flug- und Schienenlärm belastet ist, die Belastung aber unter den geltenden Grenzwerten liegt. Wenn noch eine dritte Lärmquelle wie Straßenlärm hinzukommt und der Gesamt-lärm die Grenzwerte überschreitet, sind alle verpflichtet, einen Beitrag zu zahlen. Ob dies sachdienlich ist, wage ich zu bezweifeln. Mit dieser Regelung würden einzelne Bemühungen für mehr Lärmschutz durch innovative Techniken wie Schienenstegbedämpfer, Flüsterasphalt oder Ähnliches im Keim erstickt; denn die Baulastträger müssen immer damit rechnen, trotz ihrer Bemühungen wegen anderer Baulastträger zur Kasse gebeten zu werden. Damit könnte ein proaktiver Anreiz unterhalb der Lärmgrenzwerte wegfallen. Ob dieses Vorgehen zu mehr oder eher weniger Lärmschutz beiträgt, ist mir nicht ersichtlich. Die abschließende Forderung nach einer Verdopplung der Mittel für die Lärmsanierung an Schienenwegen und einer Vervierfachung der Mittel für die Straßen ist reine Augenwischerei. Alle Kollegen wissen, dass zusätzliche finanzielle Mittel nicht einfach vom Himmel fallen. Selbst mit all Ihren Steuererhöhungen schaffen Sie es voraussichtlich gerade einmal, die von Ihnen versprochenen Erhöhungen der Sozialleistungen zu finanzieren. In Baden-Württemberg können Sie bereits sehen, dass Ihre Milchmädchenrechnungen nicht aufgehen: Trotz Steuererhöhungen und sprudelnder Einnahmequellen kommt die grün-rote Landesregierung dort nicht mit ihrem Geld zurecht. Hören Sie auf, Versprechungen zu geben, die Sie nicht einhalten können! Ihr Antrag ist reine Schaufensterpolitik für eine Ware, die es nicht im Laden zu kaufen gibt. Was haben Sie denn in Ihrer Regierungszeit für den Lärmschutz der betroffenen Bürger getan? Ich sage es Ihnen: Sie haben das Thema komplett ignoriert und wollen sich jetzt im Nachhinein als Schutzpatron der Betroffenen aufspielen. Fest steht: Wir - und nicht Sie - haben die endgültige Abschaffung des Schienenbonus durchgesetzt und damit entscheidende Verbesserungen für die Anwohner an Neu- und Ausbaustrecken erreicht. Durch die Absenkung der Grenzwerte um 5 dB(A) erhalten mehr Anwohner als bisher die Möglichkeit, von der freiwilligen Lärmsanierung profitieren zu können. Wir haben die Einführung eines lärmabhängigen Trassenpreissystems beschlossen und damit den Grundstein für die Umrüstung der Güterwagen auf Flüstertechnik gelegt. Wir haben aus den Mitteln des Infrastrukturbeschleunigungsprogramms II 40 Millionen Euro zusätzlich für das "Sonderprogramm Lärmschutz Schiene" zur Verfügung gestellt, mit dem weitere Streckenabschnitte lärmsaniert werden. Wir haben im Jahr 2010 die Grenzwerte für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen um 3 dB(A) abgesenkt und so den Weg für weitere Lärmschutzmaßnahmen freigemacht. Wir haben die jährlichen Mittel für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen von 16,7 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 40,7 Millionen Euro im Jahr 2010 erhöht. Zusammengefasst: Wir haben all das umgesetzt, was Sie in ihrer Regierungszeit weder geschafft noch thematisiert haben. Leere Forderungen und Worthülsen, wie in diesem Antrag, schaffen keinen Lärmschutz für die Betroffenen. Durch die von uns beschlossenen Maßnahmen haben wir den Bürgern vor Ort wirklich geholfen, und wir werden uns auch in der nächsten Legislaturperiode für einen besseren Ausgleich zwischen den lärmgeplagten Anwohnern und der Wirtschaft einsetzen. Sabine Leidig (DIE LINKE): Es ist gut, dass das in der Tat fast völlig vernachlässigte Problem des Verkehrslärms an bestehenden Straßen und Schienenwegen hier noch einmal auf die Tagesordnung kommt - allerdings wahrlich spät. Es ist ja nicht nur gesundheitsschädlich und nervenaufreibend für Leute, die an dicht befahrenen Straßen oder an Güterzugtrassen wohnen, sondern es ist auch noch ungerecht und perspektivlos - nach jetziger Rechtslage; denn während es im Falle eines Neu- oder Ausbaus echte Grenzwerte gibt, die eingehalten werden müssen (in der 16. Verordnung nach dem Bundes-Immissiosschutzgesetz, der 16. BImSchV), gibt es für bestehende Straßen und Schienen keinerlei Rechtsanspruch auf Lärmschutz. Für Bundesstraßen und Autobahnen sowie Schienenwege des Bundes gibt es freiwillige Lärmsanierungsprogramme, für die aber erstens mehr "Krach" zugelassen ist und auf die es zudem keinen Rechtsanspruch gibt. Übrigens gilt das Bundes-Immissionsschutzgesetz für alle Straßen - in Bund, Ländern und Kommunen. Wir als Linksfraktion haben im März 2011 einen Antrag in den Bundestag eingebracht, der die gleiche Thematik behandelt und der wesentlich anspruchsvoller war als das, was die Grünen hier vorgelegt haben. Unser Vorschlag sah vor, dass auch für bereits bestehende Bahnstrecken und Straßen die Lärmschutzwerte der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gelten sollen, versehen mit einer knapp zehnjährigen Übergangsfrist zur Lärmsanierung. In Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ist ein deutlich weniger anspruchsvoller Grenzwert vorgesehen. Und ich frage: Wieso wollen Sie den Anwohnerinnen und Anwohnern bestehender Strecken nicht den gleichen Schutzstandard gewähren wie denjenigen, die an einer Strecke wohnen, die neu ausgebaut wird? Folgt man dem Antrag, gibt es weiter Lärmbetroffene erster und zweiter Klasse! Wir haben in unserem Antrag ganz klare Fristen vorgesehen, ab wann es ruhiger werden muss. Wir wollen, dass die Werte bis 2020 überall eingehalten werden müssen. Laut Grünen-Antrag sollen zunächst Lärmsanierungsgebiete identifiziert und dann Lärmminderungsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden. Aber Sie haben keinen klaren Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Ruheniveau vorgesehen. Warum nicht? Das hieße doch, dass die Betroffenen sich dann - wie bei den Luftreinhalteplänen - über die Angemessenheit der einzelnen Maßnahmen vor Gericht streiten müssen. Auch hier weichen sie von der 16. BImSchV ab. Und Sie sagen, dass die Kosten der Sanierung ermittelt werden sollen. Allerdings liegen für die Bundesfernstraßen und Schienenwege des Bundes bereits Zahlen vor. So beziffert die Bundesregierung in ihrer Antwort auf unsere Anfrage die Kosten der Angleichung der Werte für die Lärmsanierung an die 16. BImSchV auf 3,9 Milliarden Euro (Frage 1 in Bundestagsdrucksache 17/8733). Das wäre doch einmal ein sinnvolles Konjunkturprogramm und ist weniger, als wir Jahr für Jahr sowieso in die Bundesfernstraßen stecken! Bei Ihnen, liebe Kollegen und Kolleginnen der Grünen, liest sich das aber so, als ob Sie den Finanzierungsvorbehalt in § 41 Abs. 2 der BImSchV nicht antasten wollen, sodass es Lärmsanierung weiterhin nur nach Kassenlage geben soll. Wir verlangen, dass diese Passage gestrichen wird; denn Gesundheitsschutz hat Vorrang! Abschließend stelle ich fest, dass das, was die Grünen hier beantragen, zwar leider hinter dem Nötigen und Möglichen zurückbleibt, aber es wäre deutlich besser als das Nichts, welches leider die bestehende Rechtslage ist. Deswegen werden wir dennoch zustimmen. Deutlich besser allerdings wäre es gewesen, unser linker Antrag wäre beschlossen worden, um die Anwohner möglichst gut und zügig vom Höllenlärm zu entlasten. Diese Chance hat der 17. Deutsche Bundestag nicht genutzt. Aber wir werden dranbleiben - zusammen mit den vielen Bürgerinitiativen - und Druck machen, damit wenigstens in der nächsten Legislatur die Weichen zugunsten der betroffenen Menschen gestellt werden! Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt im Bundestag ein großes Maß an Betroffenheit, wenn es um Straßen- und Schienenlärm geht. Im ganzen Land haben wir Probleme mit dem Lärm. Unter großen Mühen hat es die Koalition mithilfe der Opposition geschafft, wenigstens den sogenannten Schienenbonus - dieses völlig veraltete Lärmprivileg - für neue Schienenstrecken ab 2015 abzuschaffen. Das ist ein kleiner Fortschritt. Den überwiegenden Teil der Lärmprobleme werden wir damit aber kaum lösen, denn der Lärm entsteht an allen Strecken, nicht nur an neu gebauten Straßen oder Schienen und vor allem nicht nur in Bundesverantwortung. Die meisten Betroffenen gehen damit leer aus. Wir müssen ganz klar sagen: Wer heute an einer lauten Straße oder Schienenstrecke wohnt, hat fast immer einfach Pech gehabt. Das müssen wir ändern. Nur 150 Millionen Euro sind im schwarz-gelben Haushalt für die Sanierung alter Strecken zu finden. Mit den heutigen Mitteln würde es noch Jahrzehnte dauern, bis Betroffenen endlich geholfen wird. Das ist keinem zu vermitteln und auch volkswirtschaftlich unklug: Wenn wir etwa die Hälfte der jährlich entstehenden Kosten einmalig für Lärmschutz ausgeben, können wir die größten Probleme dauerhaft beseitigen und anschließend jedes Jahr sparen. Mit Interesse sehen ich, dass in der letzten Zeit die öffentliche Aufmerksamkeit für den Verschleiß unserer öffentlichen Infrastruktur ansteigt. "Der Spiegel" und "Die Zeit" haben das Problem zuletzt gut beschrieben. Deswegen müssen wir den Grundsatz "Erhalt vor Neu- und Ausbau" endlich auch Realität werden lassen. Zum Erhalt gehört für mich ganz klar der Lärmschutz. Wenn wir alte Straßen oder Schienenstrecken anpacken, müssen wir das Lärmproblem mit lösen. Ein neuer Asphalt kann auch gleich ein lärmgeminderter Asphalt sein. Für die Umsetzung des Sanierungsstaus brauchen wir ein akzeptables Verfahren, wie die Mittel eingesetzt werden sollen. Heute läuft die Lärmsanierung unkoordiniert ab: Der Bund stellt - viel zu wenig - Geld als freiwillige Leistung nach Haushaltslage zur Verfügung. Aber es ist unklar, nach welchem Ablauf saniert wird. Das ist den Ländern weitestgehend selbst überlassen, und es gibt keine Vorgabe, dass sich die Baulastträger Bahn, Land, Kommune und Bund abstimmen müssen. Es kann dann schon mal passieren, dass eine Lärmschutzwand nur für eine Schnellstraße, nicht jedoch für die daneben liegende Schienenstrecke ausreicht, weil unterschiedliche Stellen geplant haben. Kernproblem beim Schutz vor Verkehrslärm ist der fehlende Anspruch auf Lärmminderung. Das wollen wir Grünen ändern und Betroffenen das Recht auf Ausweisung von Lärmsanierungsgebieten geben, wenn es bei ihnen zu laut ist. Da ab 65 dB(A) das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt, wäre ein Schutzanspruch ab einem Pegel von 65 dB(A) tags bzw. 55 dB(A) nachts für Gebiete mit Wohnnutzung angemessen. Es lässt sich darüber debattieren, ob nicht noch niedrigere Grenzwerte besser wären, denn man kann sich auch schon mit niedrigeren Werten gestört fühlen. Wir müssen aber einen ausgewogenen Mittelweg für ein modernes Industrieland finden. Blätterrascheln kann nicht das Maß der Dinge sein. Es wird immer einen gewissen Lärmpegel geben. Wir müssen uns vor allem darum kümmern, dass nicht Millionen Menschen davon krank werden. Eine Behörde soll verpflichtet sein, in einem Lärmsanierungsgebiet Minderungsmaßnahmen vorzuschlagen und nach einem intensiven Bürgerdialog auch tatsächlich umzusetzen. Denn die heutigen Lärmkartierungen sind meistens folgenlos. Die Sanierungsgebiete sollten auf Grundlage eines einheitlichen Bemessungsverfahrens erfasst und nach Dringlichkeit bearbeitet werden. Je höher das Maß der Lärmüberschreitung und je größer die Anzahl der Betroffenen, desto prioritärer sollen die Sanierungsgebiete eingestuft und nach Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel nach und nach abgearbeitet werden. Mit einem solchen transparenten Verfahren können wir eine klare Perspektive schaffen. Das kann der Bund nicht alleine in Gang setzen. Zunächst müssen wir umfassend prüfen, welchen Umfang eine umfassende Lärmsanierung hätte, denn die Datengrundlage zu den Kosten ist bisher sehr dünn. Außerdem ist klar, dass Länder und Kommunen einer Regelung nur zustimmen, wenn sie bei den Kosten der Lärmsanierung finanziell unterstützt werden. Wir Grünen wollen die Mittel für den Bund von 150 auf 400 Millionen anheben. Auch die Länder sollten überlegen, welchen Anteil sie leisten können. Selbstverständlich hat der Bund eine zentrale Verantwortung, aber auch die Länder und Kommunen werden von der Lärmsanierung profitieren. Denn wo der Lärm sinkt, da steigen Lebensqualität und der Wert von Grundstücken und Immobilen. Wir brauchen eine verfassungsrechtlich abgesicherte Lösung und ein tragfähiges Finanzierungsmodell und wir fordern Bund und Länder auf, gemeinsam ein solches Modell zu entwickeln. Eine Möglichkeit bietet vielleicht eine vergleichbare Regelung wie bei der Städtebauförderung nach dem Baugesetzbuch, bei der Kommunen mit einem Förderprogramm von Bund und Ländern bei Entwicklung und Erneuerung unterstützt werden. Mir ist klar, dass unser Vorschlag heute abgelehnt wird. Aber er zeigt eine vernünftige und ausgewogene Perspektive, wie wir 11 Millionen Betroffenen helfen können. Um diese Ideen anzupacken, brauchen wir aber wohl ab Herbst neue Mehrheiten in diesem Haus. Nicht nur deswegen müssen wir diese Koalition endlich nach Hause schicken. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14151, den Grünen-Antrag auf Drucksache 17/13915 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 45: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz - Drucksache 17/13428 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14219, 17/14220 - Berichterstattung: Abgeordnete Thomas Silberhorn Burkhard Lischka Stephan Thomae Jens Petermann Jerzy Montag Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Thomas Silberhorn (CDU/CSU): Die äußere Erscheinungsform eines Produkts ist oftmals von entscheidender Bedeutung für dessen Verkaufserfolg. Demgegenüber geraten die Produkteigenschaften bei der Kaufentscheidung bisweilen in den Hintergrund. Ein Produkt wird erworben, weil es modern und zeitlos aussieht, weil es Wohlstand ausstrahlt, weil es sich optisch von anderen Produkten abhebt. Wer in Deutschland eine zweidimensionale oder dreidimensionale ästhetische Gestaltungsform schützen möchte, meldet beim Deutschen Patent- und Markenamt ein sogenanntes Geschmacksmuster an. Das Geschmacksmuster schützt die Erscheinungsform eines Erzeugnisses, die etwa durch Linien, Konturen, Farben, die Gestalt der Oberflächenstruktur beziehungsweise die Werkstoffe des Erzeugnisses definiert wird. Während in den einschlägigen Fachkreisen der Begriff des Geschmacksmusters geläufig ist, kann sich der überwiegende Teil der Gesellschaft unter diesem Begriff wohl eher nichts vorstellen. Weitaus vertrauter ist hingegen der seit 1973 im deutschen Rechtschreibduden aufgenommene Begriff Design. Unter einem Design kann sich jeder etwas vorstellen. Juristisch steht das Wort Design mit seinen Bedeutungen Entwurf und Gestalt als Oberbegriff für zweidimensionale und dreidimensionale Darstellungen. Deshalb wird in englischen Rechtstexten - auch auf europäischer und internationaler Ebene - allein dieser Begriff zur Beschreibung von geschützten Formgebungen verwendet. Dem allgemeinen Sprachgebrauch in Öffentlichkeit und Praxis entsprechend, ersetzen wir daher den Begriff des Geschmacksmusters im deutschen Recht durch das "eingetragene Design". Das Geschmacksmustergesetz wird damit zum Designgesetz. Diese Begriffsänderung ändert jedoch nichts am Schutzumfang. Das eingetragene Design bleibt ein vergleichsweise kostengünstiges, klassenunabhängiges Schutzrecht mit einer Schutzdauer von maximal 25 Jahren. Darüber hinaus passen wir das Geschmacksmusterrecht an die bestehende Rechtssituation im Marken-, Patent- und Gebrauchsmusterrecht an, indem wir für die Feststellung der Nichtigkeit eines eingetragenen Designs ein Antragsverfahren zur Entscheidung vor dem Deutschen Patent- und Markenamt einführen. Bislang musste ein solcher Antrag vor den zuständigen Landgerichten gestellt werden. Durch das Nichtigkeitsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt reduzieren wir das Kostenrisiko der Rechtssuchenden deutlich und garantieren durch das dort vorhandene Fachwissen eine kompetente Prüfung. Der Rechtsweg bleibt weiterhin über Widerklage auf Feststellung oder Erklärung der Nichtigkeit im Rahmen von Rechtsverletzungs- und Schadensersatzprozessen erhalten. Im gesamten Bereich des Markengesetzes, des Designgesetzes, des Gebrauchsmustergesetzes und des Patentgesetzes vereinfachen wir darüber hinaus den Bekanntmachungsprozess. Sämtliche Bekanntmachungen können in Zukunft im Bundesanzeiger erfolgen. Bisher sind sie im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden. Die Bekanntmachung im Bundesanzeiger hat den Vorteil, dass dieser für jedermann elektronisch und kostenfrei abrufbar ist und über eine umfangreiche Suchfunktion verfügt. Das dient nicht nur der besseren Verfügbarkeit und Transparenz. Die Aktualität der Bekanntmachungen spielt auch eine entscheidende Rolle bei den in diesem Rechtsbereich wichtigen Fragen der Priorität und Neuheit. Um das Gesamtpaket im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht abzurunden, das wir heute gemeinsam mit der Patentrechtsnovelle und dem Gesetz zur Bekämpfung unseriöser Geschäftspraktiken beschließen, enthält der vorliegende Gesetzentwurf schließlich noch eine wichtige Verschärfung des Markengesetzes hinsichtlich der Strafbarkeit von Produktpiraterie. Der bisherige Qualifikationstatbestand einer gewerbsmäßig begangenen Kennzeichenrechtsverletzung in § 143 Abs. 2 Markengesetz hat sich als nicht ausreichend erwiesen. Produktpiraterie im gewerblichen Ausmaß schadet nicht nur den Unternehmen, deren Marken für Qualität und Innovation stehen. Abgesehen von den enormen wirtschaftlichen Schäden gefährdet Produktpiraterie auch die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Bürger muss sich schließlich auf die Echtheit und Qualität der von ihm gekauften Produkte verlassen können. Bisher werden in den Fällen gewerbsmäßiger strafbarer Kennzeichenrechtsverletzung meist nur geringe Geldstrafen verhängt. Wir halten es daher für geboten, die Mindeststrafe auf eine Freiheitsstrafe von drei Monaten anzuheben. Darüber hinaus soll künftig nicht nur die gewerbsmäßige Begehung, sondern auch die bandenmäßige Begehungsform den Qualifikationstatbestand erfüllen. Burkhard Lischka (SPD): Mit dem Gesetzgebungsvorhaben sollen das Geschmacksmustergesetz modernisiert und die Bekanntmachung zum Ausstellungsschutz geändert werden. Vorgesehen sind überwiegend rechtstechnische und verfahrensrechtliche Änderungen. Im Interesse der besseren Verständlichkeit ist vor allem die Anpassung des Geschmacksmustergesetzes an den - national wie international - üblichen Sprachgebrauch, der den Begriff "Design" verwendet, zu begrüßen. Mit der Einführung eines Nichtigkeitsverfahrens in Anlehnung soll für den Rechtssuchenden im Vergleich zur bisherigen Rechtslage eine kostengünstigere Möglichkeit zur Feststellung der Nichtigkeit der bestehenden Eintragung geschaffen werden. Ein entsprechendes Antragsverfahren sieht das Gesetz zurzeit noch nicht vor, mit der Folge, dass die Betroffenen bisher eine mit hohen Kosten verbundene Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Geschmacksmustereintragung vor den zuständigen Gerichten führen mussten. Für das Nichtigkeitsverfahren ist zukünftig ein Gebührenrahmen von 300 Euro vorgesehen. Positiv ist, dass der Regierungsentwurf außerdem die Möglichkeit einer Streitwertbegünstigung auf Antrag einer Partei vorsieht. Hierdurch kann wirtschaftlich schwachen Prozessparteien die Durchführung eines Gerichtsverfahrens ermöglicht werden, wenn das Kostenrisiko auf der Grundlage des Streitwertes die wirtschaftliche Lage der Partei erheblich gefährden würde. Darüber hinaus hat die Koalition mit ihrem überraschend vorgelegten Änderungsantrag das Markenstrafrecht verschärft. § 143 Abs. 2 des Markengesetzes enthält einen Qualifikationstatbestand der gewerbsmäßig begangenen Kennzeichenrechtsverletzung. Laut Begründung setzt das Merkmal "Gewerbsmäßigkeit" jedoch den manchmal schwierig zu erbringenden Nachweis der Wiederholungsabsicht voraus. Um diesen Nachweisproblemen auszuweichen und den Zusammenschluss zur Begehung von Produkt- und Markenpiraterie im Qualifikationstatbestand ausdrücklich zu erfassen, soll der Tatbestand um die Alternative "als Mitglied einer Bande" ergänzt werden. Die Koalition kommt damit Forderungen unter anderem des Markenverbands nach, der schon lange eine zu laxe strafrechtliche Verfolgung von Markenrechtsverletzungen kritisiert. Gleichzeitig wird damit jedoch der Gleichlauf der Strafbestimmungen bei den gewerblichen Schutzrechten durchbrochen; denn zum Beispiel Urheberrechts- und Patentgesetz sehen bei bandenmäßiger Begehung bislang keine Strafverschärfung vor. Weshalb Verstöße gegen das Markenrecht schärfere Sanktionen rechtfertigen, erschließt sich mir nicht. Wir werden dem Gesetzentwurf im Ergebnis dennoch zustimmen. Stephan Thomae (FDP): Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält im Wesentlichen rein technische Änderungen, mit denen das Geschmacksmusterrecht verbessert wird. So wird ein Nichtigkeitsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, DPMA, eingeführt. Damit steht Marktteilnehmern, die sich gegen eine Geschmacksmustereintragung wehren wollen, der direkte Weg zum DPMA frei. Sie müssen nicht mehr Klage einreichen und die damit verbundenen Kosten tragen. Wir passen damit die Regelungen im Geschmacksmusterrecht an bereits bestehende Vorschriften im Marken-, Patent- und Gebrauchsmusterrecht an. Zudem ersetzen wir den Begriff "Geschmacksmuster" durch den Begriff "eingetragenes Design". Mit dieser Änderung passen wir das deutsche Recht an den nationalen und internationalen Sprachgebrauch an. Die Fachöffentlichkeit verwendet diesen Begriff schon seit langer Zeit und hat entsprechende Änderungen in der Vergangenheit immer wieder angeregt. Außerdem ist der Begriff "Design" auch in der Öffentlichkeit eher gebräuchlich, sodass die Änderung das Verständnis und die Akzeptanz des Gesetzes fördern wird. FDP und CDU/CSU haben sich ebenfalls darauf verständigt, den Schutz vor organisierten Markenrechtsverletzungen zu verbessern. Bislang sieht § 143 Abs. 2 Markengesetz, MarkenG, vor, dass ein gewerbsmäßig handelnder Täter mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird. Der Mindeststrafrahmen wird nun erhöht. Wer gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten im Sinne des § 143 Abs. 1 MarkenG verbunden hat, Produktfälschungen vornimmt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Für diese Verschärfung sprechen folgende Gründe: Markenrechtsverletzungen treten zunächst im Bereich von Bekleidungs- und Modeartikeln auf. Hier stellen sie zwar keine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit der Kunden dar, verursachen aber für die Rechteinhaber erheblichen finanziellen Schaden. Es gibt darüber hinaus aber auch Fälle von Markenrechtsverletzungen, die neben den finanziellen Schäden für die betroffenen Rechteinhaber auch noch eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung darstellen. Zu denken ist hierbei in erster Linie an gefälschte Arzneimittel, Spielsachen, Werkzeuge, aber auch gefälschte Lebensmittel. Plastikspielzeug für Kinder darf zum Beispiel nicht mit einem Unbedenklichkeitssiegel versehen werden, wenn die dafür erforderlichen Voraussetzungen tatsächlich nicht gegeben sind. Die Zollstatistik der EU-Kommission für das Jahr 2010 besagt, dass mehr als 68 Prozent der beschlagnahmten Artikel im Postversand Medikamente waren. Hier ist es unsere Aufgabe, die Verbraucher vor entsprechenden Gefahren zu schützen. Die bestehenden Regelungen haben bislang nicht dazu beigetragen, dass Produktfälschungen unterlassen wurden. So wurden im Jahr 2010 in Deutschland 2 008 Fälle von nachgewiesenen Verstößen gegen das MarkenG aufgeklärt. Davon wurde in 225 Fällen eine Geldstrafe verhängt. In 54 Fällen wurde eine Freiheitsstrafe verhängt, die wiederum in 52 Fällen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nur in zwei Fällen wurde die Freiheitsstrafe ohne Strafaussetzung verhängt. Alle anderen Fälle wurden nicht weiter verfolgt oder eingestellt. Wer aber durch gewerbsmäßiges Handeln oder als Mitglied einer Bande Produktfälschungen vornimmt und dabei vorsätzlich Gesundheitsschäden bei der Bevölkerung in Kauf nimmt, soll nicht damit rechnen dürfen, dass er lediglich mit einer Geldstrafe belegt wird. Durch die Gesetzesformulierung "gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat", schließen wir auch aus, dass Fälle erfasst werden, in denen sich jemand einen dummen Streich erlaubt oder unbedacht gegen das Markenrecht verstoßen hat. Wir treffen also mit der Regelung nicht die Falschen. Daher wird die FDP-Bundestagsfraktion dem Gesetzentwurf zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften sowie dem dazu eingereichten Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zustimmen. Ich bitte auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, um Unterstützung für dieses Vorhaben. Michael Schlecht (DIE LINKE): Der vorliegende Gesetzentwurf enthält einige richtige und wichtige Punkte, denen wir zustimmen. Allerdings schlägt die Koalition mit ihrem Änderungsantrag eine Verschärfung im Markenstrafrecht vor, die wir nicht mittragen. Wir werden uns unter anderem deshalb bei dem Gesetzentwurf enthalten, was ich hier kurz begründen möchte. Richtig und wohl auch überfällig sind die sprachlichen Klarstellungen und der Austausch des antiquierten Begriffs "Geschmacksmuster" durch "eingetragenes Design". Das Geschmacksmustergesetz von 2004 wird damit quasi zum Designgesetz. Klar ist, dass diese sprachliche Modernisierung die Probleme für diejenigen Personen und Unternehmen, die diese Schutzrechte in Anspruch nehmen, nicht löst. Wir begrüßen die Einführung eines Nichtigkeitsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt, DPMA. Beim eingetragenen Design wird damit möglich, was bei Patenten, Gebrauchsmustern und Marken im gestuften Verfahren üblich ist. Wenn nun also künftig gegen ein beim DPMA hinterlegtes Design vorgegangen wird, muss nicht mehr automatisch der Streit vor dem zuständigen Landgericht entschieden werden. In bestimmten Fällen wird das Verfahren kostengünstiger. Da jedoch bei Streitfällen letztendlich immer ein Urteil über die Nichtigkeit im Rahmen eines bereits geführten Streits beim DPMA über die Verletzung eines eingetragenen Designs - als Widerklage - notwendig wird, ist dies aber nicht immer so. Es ist auch völlig offen, wie häufig die Gerichte bei den Streitfällen um das Nichtigkeitsverfahren angerufen und vor allem wie sie agieren werden. Rechtlicher Beistand bleibt in den meisten Fällen ohnehin wohl auch weiterhin notwendig. Die Streitfälle werden wahrscheinlich sogar eher zunehmen. Denn mit der Einführung des Nichtigkeitsverfahrens und der dazu vorgesehenen Amtsgebühren in Höhe von 300 Euro werden die Angriffe von Designrechten aufgrund geringer Verfahrenskosten steigen. Ob und wie stark sich damit auch das aus anderen Bereichen bekannte unsägliche Abmahnwesen ausweitet, kann heute noch nicht bewertet werden. Klar ist einzig, dass viele betroffene Personen und Unternehmen weiter rechtlichen Beistand und fachliche Expertise nutzen und dafür zahlen müssen, um ihre Rechte zu schützen. Genau deshalb wäre neben den für die Verfahrensänderung veranschlagten finanziellen und personellen Zuwächsen beim Deutschen Marken- und Patentamt eine Erhöhung und qualitative Ausweitung der Aufgabenwahrnehmung dringend angesagt. Ziel müsste sein, präventiv zu agieren, besser zu informieren und aktiver die Personen und Unternehmen zu beraten, die ihr Design eintragen lassen und so ihre Rechte schützen wollen. So ließen sich die rechtlichen Konflikte im Vorfeld sicher effektiver ausräumen. Statt hier nachzubessern, werden über den Änderungsantrag der Koalition strafrechtliche Aspekte im Markengesetz eingefügt. Bisher wird hier nach § 143 Abs. 2 jemand, der gewerbsmäßig Markenmissbrauch betreibt, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe verfolgt. Das reicht der Koalition nicht, da in der Praxis primär geringe Geldstrafen verhängt würden. Nun wird die Mindeststrafe auf drei Monate Freiheitsstrafe heraufgesetzt. Neben der Gewerbsmäßigkeit soll für den Qualifikationstatbestand auch ausreichen, wenn das Grunddelikt als Bandenmitglied begangen wird. Die damit mögliche kurze Freiheitsstrafe widerspricht allerdings dem Grundsatz, dass kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden sind. Es ist dem Unrechtsgehalt einer - auch gewerbs- oder bandenmäßigen - Markenrechtsverletzung deshalb überhaupt nicht angemessen, wenn zwingend eine Freiheitsstrafe verhängt werden muss. Auch hier sind für uns die Prävention sowie die konsequente Anwendung geltender Gesetze vorrangig. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir begrüßen, dass die Bundesregierung einen konkreten Vorschlag zur Reformierung des Geschmacksmustergesetzes macht. Sicherlich handelt es sich um eine in erster Linie verfahrensrechtliche Regelungen betreffende Vorlage. Hier stehen insbesondere zwei Änderungen im Raum. Die erste ist eher kosmetischer Natur. Das aus dem letzten Jahrhundert stammende Wort "Geschmacksmuster" soll durch den Begriff "Designrecht" ersetzt werden. Wie Sie wissen, unterstützen wir immer eine transparente, verständliche Gesetzessprache, weil sie bürgernäher ist und auch Juristinnen und Juristen die Arbeit erleichtert. In der Rechtspraxis hat sich der Begriff "Designrecht" schon lange durchgesetzt. Insofern sind wir da völlig bei Ihnen. Die zweite Änderung betrifft den Streit über die Nichtigkeit einer Eintragung. Hier soll der Aufgabenbereich des Deutschen Patent- und Markenamtes, DPMA, ausgeweitet werden und dort, ähnlich wie bereits im Markenrecht, eigenständig über die Nichtigkeit einer Eintragung entschieden werden können. Dieser Weg hat sich bereits beim eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster bewährt. Auch hier sehen wir den Vorteil: Während bislang eine Klage vor den zuständigen Landgerichten, verbunden mit dem dort herrschenden Anwaltszwang, erhoben werden musste, erspart ein entsprechender Antrag vor allem hohe Kosten. Die vorgesehenen Gebühren jedenfalls erscheinen angemessen. Damit steht die Möglichkeit der Feststellung der Nichtigkeit nicht mehr nur denjenigen offen, die die Kosten hierfür aufbringen können. Wichtig ist dabei vor allem, dass keine Rechtsschutzverkürzung eintritt. Mit dem Verweis auf § 47 Abs. 2 BPatG können die Beschlüsse der Nichtigkeitsabteilung vom Beschwerdesenat des BPatG überprüft werden. Das ergibt Sinn. Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf eine brauchbare Klarstellung hinsichtlich der Schutzwirkungen bei Löschungseinwilligung, § 9 Abs. 1 Satz 1. Die Bekanntgabe von geschützten Ausstellungen im Bundesanzeiger bedeutet eine Verbesserung der Kenntnisnahmemöglichkeit aufgrund der kostenlosen elektronischen Abrufbarkeit des amtlichen Teils. Für perspektivisch erwägenswert halten wir die vereinzelt im Schrifttum erhobene Forderung, angesichts der Schaffung der Widerklage für die sogenannten Designgerichte auch im Gerichtsverfassungsgesetz festzulegen, dass anstelle der Kammern für Handelssachen zukünftig die für Patent- und Gebrauchsmustersachen geschaffenen Zivilkammern zuständig werden. Grund dafür ist deren größere Sachkompetenz in den ähnlich gelagerten Fällen des Designrechts. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf den Drucksachen 17/14219 und 17/14220, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13428 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und FDP bei Enthaltung von Linken und Grünen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit gleichen Mehrheitsverhältnissen wie in der zweiten Beratung angenommen. Tagesordnungspunkt 48: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Petra Crone, Angelika Graf (Rosenheim), Christel Humme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Diskriminierung abbauen - In jedem Alter - Drucksachen 17/11831, 17/13996 - Berichterstattung: Abgeordnete Markus Grübel Petra Crone Nicole Bracht-Bendt Heidrun Dittrich Elisabeth Scharfenberg Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, werden die Reden zu Protokoll genommen. Markus Grübel (CDU/CSU): Wir als Unionsfraktion haben in dieser Legislaturperiode - und auch schon davor - eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um Diskriminierung aufgrund des Alters vorzubeugen. Wir lehnen jegliche Form der Diskriminierung ab! Es ist ein grundlegendes Ziel der Seniorenpolitik der Unionsfraktion, die Entwicklung und Verankerung eines neuen Bildes des Alters zu vermitteln. Hiermit sind Benachteiligungen von Personen aufgrund ihres Lebensalters nicht vereinbar. In Ihren Antrag führen Sie 19 Einzelforderungen zum Abbau von Diskriminierungen aufgrund des Alters an, die noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden sollen. Abgesehen davon, dass wir vieles von dem schon umgesetzt haben und einige Forderungen ablehnen, wie zum Beispiel einen flächendeckenden und alle Branchen umfassenden gesetzlichen Mindestlohn, ist es unrealistisch, dass wir heute am vorletzten Sitzungstag der 17. Legislaturperiode noch politische Aktivitäten initiieren können, die bis Ende September umgesetzt werden. Zukünftige Aktivitäten in diesem Bereich werden der 18. Deutsche Bundestag und die dann gewählten Abgeordneten zu entscheiden haben. Lassen sie mich einige Ausführungen zu den von Ihnen genannten Punkten machen: Durch das im Januar 2011 gestartete Programm "Altersbilder" des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Umsetzung der Erkenntnisse des 6. Altenberichts sollen nicht nur die Auswirkungen spezifischer Altersbilder in den unterschiedlichen Lebensbereichen aufgezeigt, sondern auch alle gesellschaftlichen Akteure für potenziell negative Auswirkungen überholter Altersbilder sensibilisiert werden. Die Vermittlung von realistischen Altersbildern bildet eine zentrale Grundlage für das gegenseitige Verständnis der Generationen und damit für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Auch das Wissenschaftsjahr 2013 "Die demografische Chance" setzt einen Schwerpunkt auf das Thema "Altersbilder". So leistet zum Beispiel die Kampagne des Wissenschaftsjahres ihren Beitrag dazu, dass Fortschritte aus Wissenschaft und Forschung Schlagzeilen verändern können und dass gängige Vorurteile keine Gültigkeit mehr besitzen. Wir als Unionsfraktion haben uns stets für die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, AGG, eingesetzt. Bei der Verabschiedung des AGG wurde zu diesem Zweck eigens eine Antidiskriminierungsstelle eingerichtet, zu deren Aufgaben nach dem AGG ausdrücklich auch die Öffentlichkeitsarbeit und Maßnahmen zur Verhinderung von Benachteiligungen unter anderem aufgrund des Alters gehören. Mit dem im Jahr 2009 im Auftrag des BMFSFJ erstellten Gutachten zum Thema "Altersgrenzen und gesellschaftliche Teilhabe" erfolgte eine ausführliche Bestandsaufnahme der bestehenden Altersgrenzen in verschiedenen rechtlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Dabei wurde unter anderem deutlich, dass gesetzliche Altersgrenzen in der Rechtspraxis oft nicht wirklich hinterfragt werden. Sie werden meist pauschal mit dem Hinweis auf eine unterstellte allgemeine Lebenserfahrung, dass die menschliche Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnehme, gerechtfertigt. Wir als Unionsfraktion sehen auch keine Anhaltspunkte für eine Diskriminierung älterer Menschen, die sich freiwillig engagieren. Soweit bei ehrenamtlichen Tätigkeiten teilweise das 70. Lebensjahr für die Wählbarkeit in bestimmte Positionen festgelegt ist, stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Erforderlichkeit von Altersgrenzen für Wahlämter. Die rechtlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die in Vereinssatzungen festgelegten Altersgrenzen sind allerdings begrenzt. Die Satzungshoheit der Vereine ist durch die Privatautonomie grundrechtlich geschützt. Die bestehenden Reglementierungen im Vereinsrecht dienen ausschließlich der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Es haben sich derzeit rund 450 Mehrgenerationenhäuser mit Bundesförderung etabliert. Sie sind niedrigschwellige Orte der Begegnung von Menschen jeden Alters, unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft. Mehrgenerationenhäuser fördern eine generationenübergreifende Begegnung: Etwa die Hälfte aller älteren freiwillig Engagierten gab an, dass sie anderen Generationen aktiv begegnet. Aber auch ohne sich freiwillig zu engagieren, hatte ein Drittel der 51-Jährigen und Älteren regelmäßigen Kontakt zu anderen Generationen im Mehrgenerationenhaus. Der Ausbau und die Vernetzung der Mehrgenerationenhäuser sind wesentliche konzeptionelle Bausteine des laufenden Aktionsprogramms II, die im Rahmen der laufenden Programmumsetzung weiter forciert werden. Die Laufzeit des aktuellen Programms Mehrgenerationenhäuser II beträgt noch fast zwei Jahre. Ob und inwieweit im Anschluss daran die Mehrgenerationenhäuser in den Kommunen weiter ausgebaut und vernetzt werden, steht derzeit noch nicht fest. Notwendig wird sein, dass Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, die im Grundgesetz verankerte Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen eine dauerhafte Förderung des Bundes für Projekte auf lokaler Ebene, wie es die Mehrgenerationenhäuser sind, nicht zulässt. Um den Generationendialog weiter zu fördern, diskutieren wir derzeit ausgehend von der Demografiestrategie der Bundesregierung und der dort formulierten Notwendigkeit einer bedarfs- und sachgerechten Sozialraumgestaltung das Leitbild der "Sorgenden Gemeinschaften" vor Ort. Der 7. Altenbericht wird uns hierüber detailliert eine Antwort geben. Die Altenberichtskommission hat ihre Arbeit schon aufgenommen und wird den Bericht im Jahr 2015 vorlegen. Der Freiwilligendienst aller Generationen, FDaG, ist bereits bundesgesetzlich geregelt, § 2 Abs. 1 a SGB VII, und kann daher von allen Beteiligten dauerhaft angeboten, durchgeführt und gefördert werden. Den Gesetzentwurf des Bundesrates, Drucksache 17/10423, der eine Aufnahme des FDaG in das Bundfreiwilligendienstgesetz, BFDG, vorsieht, lehnen wir ab, da es nicht sein kann, dass aus dem Bundesfreiwilligendienst-Haushalt hierfür Millionen aufgebracht werden. Zudem ist der FDaG kein klassischer Freiwilligendienst und passt von der Systematik her nicht ins BFDG. Da es auch keine zusätzlichen finanziellen Mittel gibt, ist eine solche Debatte im Kontext des Bundesfreiwilligendienstes abzulehnen Das Bundesprogramm "Perspektive 50plus - Beschäftigungspakte für Ältere in den Regionen" wurde im Jahr 2005 gestartet. Es läuft zurzeit in seiner dritten Phase, die von Januar 2011 bis Dezember 2015 dauert. Ein Ziel der dritten Programmphase ist die Übernahme besonders erfolgreicher Modelle für die Wiedereingliederung älterer Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt in das Regelgeschäft der Grundsicherungsstellen. Derzeit gibt es keine Pläne, das Bundesprogramm "Perspektive 50plus" über das Ende der dritten Programmphase nach dann zehn Jahren Laufzeit fortzuführen. Die Beschäftigungssituation älterer Menschen hat sich im vergangenen Jahrzehnt verbessert: Deutschland hat seine Erwerbstätigenquote der 55- bis unter 65-Jährigen auf 61,5 Prozent im Jahr 2012 gesteigert, ein im EU-Vergleich weit überdurchschnittlicher Wert. Die aktuellen Forderungen der SPD-Bundestagsfraktion zur Leiharbeit - Verankerung des Grundsatzes "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Equal Pay" - sind insgesamt abzulehnen. Die Forderungen gehen teilweise ins Leere, da sie die geltende Rechtslage wiedergeben; insgesamt sind die Forderungen zur Leiharbeit abzulehnen, da ihre Umsetzung die positiven beschäftigungspolitischen Wirkungen der Zeitarbeit gefährden würde. Einen generellen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir als Unionsfraktion ab. Die Höhe von Lohnuntergrenzen muss durch die Tarifpartner und nicht politisch durch den Gesetzgeber oder die Bundesregierung bestimmt werden. Die unmittelbar Betroffenen wissen am besten, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspricht. Deshalb wollen wir für die Bereiche, in denen es keine Tarifverträge gibt, die Tarifpartner gesetzlich verpflichten, gemeinsam einen tariflichen Mindestlohn festzulegen. Die Schulpolitik fällt grundsätzlich in die Verantwortung der Länder. In der Qualifizierungsinitiative haben Bund und Länder 2008 vereinbart, die Schulabbrecherquote, Anteil Jugendlicher ohne Schulabschluss, bis 2015 zu halbieren. Im Rahmen von berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahmen für junge Menschen oder im Rahmen der Förderung der beruflichen Weiterbildung für Erwachsene besteht aber unter bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Förderung der Vorbereitung auf das Nachholen des Schulabschlusses. Ein Recht auf eine qualifizierte Ausbildung im Sinne eines klagbaren Anspruchs,- etwa auf Abschluss eines konkreten Berufsausbildungsvertrages, wäre mit unserem auf Privatautonomie beruhendem Recht und unserem Berufsbildungssystem nicht vereinbar. Auch verfassungsrechtlich gesicherte Positionen der etwaigen Anspruchsgegner, wie etwa die Berufsausübungsfreiheit und das Eigentumsrecht, wären durch ein so verstandenes "Recht auf qualifizierte Berufsbildung" betroffen. Ziel der Unionsfraktion ist, dass insbesondere benachteiligte und junge Menschen einen Berufsabschluss im dualen System erreichen. Dazu gibt es ein vielfältiges Unterstützungsinstrumentarium im Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch. Agenturen für Arbeit und Jobcenter wenden hierfür rund 3 Milliarden Euro für 430 000 junge Menschen im Jahresdurchschnitt auf. Die Forderung, junge Erwachsene bei den Sanktionen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, SGB II, mit anderen Altersgruppen gleichzustellen und die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige aus dem SGB II zu streichen, lehnen wir ab. Gerade bei jüngeren Hilfebedürftigen ist es besonders wichtig, eine Verfestigung der Hilfebedürftigkeit und die Gewöhnung an den Leistungsbezug zu verhindern. Zu Beginn des Berufslebens müssen die Weichen in Richtung des ersten Arbeitsmarktes gestellt werden. Deswegen muss besonders bei dieser Gruppe das Grundprinzip des Förderns und Forderns angewendet werden. Auch die Sanktionsregelungen für unter 25-jährige erwerbsfähige Leistungsberechtigte sind Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, Jugendliche an den entscheidenden Stellen des Übergangs von Schule in Ausbildung und von Ausbildung in Arbeit intensiver als andere Personengruppen zu unterstützen und sie zu motivieren, diese Unterstützung auch anzunehmen und aktiv an ihrer Eingliederung in Arbeit mitzuwirken. Die besonderen Sanktionsregelungen für unter 25-Jährige sind sachlich gerechtfertigt. Zusammenfassend: Mit einer Reihe von Maßnahmen, unter anderem dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, der Initiative "50plus" sowie den weiteren Maßnahmen der Arbeitsförderung haben wir der Ausgrenzung Älterer am Arbeitsmarkt entgegengewirkt. Neben der aktiven Unterstützung von Arbeitsuchenden, Beschäftigten und Betrieben wird auch der notwendige Bewusstseinswandel mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit gefördert. Ich denke, wir haben viel getan und werden auch zukünftig durch gezielte Maßnahmen Altersdiskriminierung entgegenwirken. Petra Crone (SPD): In unserer Gesellschaft ist kein Platz für Altersdiskriminierung. Dennoch ist sie vielfältig vorhanden und leider auch spürbar - für nahezu alle Altersgruppen. Viele ältere Menschen bekommen das Gefühl vermittelt, im Job nicht mehr belastbar zu sein, jüngere sehen sich Vorurteilen zum Beispiel ihrer Lebenserfahrung gegenüber ausgesetzt. Beides ist nicht hinnehmbar, da sich Stereotypen verfestigen, die längst wissenschaftlich widerlegt sind. Wir wollen die alltägliche und häufig heruntergespielte Altersdiskriminierung aus der Mitte der Gesellschaft verbannen. Gesetze und erfolgreiche Klagen sind dafür ganz wichtige erste Schritte, um einen ausreichenden rechtlichen Schutz vor Altersdiskriminierung zu schaffen. Nur so wird sich - das hat die Geschichte der Diskriminierungen zum Beispiel aufgrund des Geschlechts gezeigt - sukzessive eine Veränderung in den Köpfen der Menschen vollziehen. Darüber hinaus ist es wichtig, die Menschen zu sensibilisieren, eine Öffentlichkeit für unser Anliegen zu schaffen. Wir Sozialdemokraten erwarten daher eine Kampagne der Bundesregierung, die sich gezielt mit dem Thema Altersdiskriminierung auseinandersetzt und die gleichen Rechte aller Altersgruppen propagiert. Der Bewusstseinswandel darf nicht nur die Politik durchdringen. Wir müssen auch dafür Sorge tragen, dass ein Austausch zwischen den Generationen stattfindet, um Vorurteilen vorzubeugen. Mehrgenerationenhäuser und andere Begegnungsstätten sollten ausgebaut und vernetzt werden. Dafür setzt sich die SPD seit langem ein. Insbesondere ältere Menschen müssen gestärkt werden. Ihr Engagement zum Beispiel durch auf sie zugeschnittene Angebote in der Freiwilligenarbeit muss gefördert und so ihre Teilhabe an der Gesellschaft sichergestellt werden. Eine Expertenkommission der Antidiskriminierungsstelle unter Leitung von Henning Scherf und Professor Dr. Naegele hat für die Politik Handlungsempfehlungen erarbeitet, unter anderem die Abschaffung von Altersgrenzen im bürgerschaftlichen Engagement. Ihr Bericht enthält viele weitere gute Anregungen, die wir gemeinsam mit den Ländern und Kommunen diskutieren und umsetzen sollten. Passiert ist bislang wenig - leider. Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer und Seniorenbildung generell dürfen keine außergewöhnlichen Tätigkeiten sein. Hier muss ganz klar ein Sinneswandel durch die Unternehmen und auch durch die öffentlichen Einrichtungen gehen. Ältere sind nicht außen vor, nur weil die Haare grau werden. Sie werden gebraucht, und sie wollen sich einbringen, ob im Job oder im Anschluss an ihr Arbeitsleben, und genau das muss eine Bundesregierung mit Programmen unterstützen. Natürlich habe ich aber auch junge Menschen im Fokus, die aufgrund ihres Alters benachteiligt werden. Das zuletzt gefällte Urteil zur Urlaubsstaffelung im öffentlichen Dienst ist auch ein Warnschuss an uns, bestehende Gesetze zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Wir appellieren an die Bundesregierung, auf dem Arbeitsmarkt ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren zu fördern. Wir Sozialdemokraten setzen uns ein gegen den Missbrauch von Praktika und die sachgrundlose Befristung von Arbeitsstellen, von der sehr viele junge Menschen betroffen sind, flankiert von einem flächendeckenden Mindestlohn. Jeder junge Mensch hat unserer Meinung nach das Recht auf einen Schulabschluss und eine qualifizierte Ausbildung. Ihre guten Kontakte zu den Arbeitgebern hat diese Bundesregierung nicht ausreichend genutzt, um diese Ziele umzusetzen. Wir erinnern sie gerne daran, bald etwas zu ändern. Mein Dank gilt der Antidiskriminierungsstelle, die eine wichtige Beratungs- und Aufklärungsarbeit leistet und dafür von der Bundesregierung mit den nötigen finanziellen Mitteln auszustatten ist. Nach einigen Jahren des Ignorierens ist die konservativ-liberale Regierung endlich auch dieser Meinung. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich auch weiterhin dafür ein, weder Junge noch Alte zu bevorzugen und so der Generationengerechtigkeit Vorschub zu leisten. Nicole Bracht-Bendt (FDP): Es ist gut, dass wir in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause an dieser Stelle noch einmal über den demografischen Wandel reden. Der wird auch in der nächsten Legislatur ein wichtiges Thema sein. Altersdiskriminierung ist kein Kavaliersdelikt. Bei einer Anhörung der Gleichstellungsstelle der Bundesregierung vergangenes Jahr fragte ich die Leiterin, wie hoch der Anteil von gemeldeten Diskriminierungen aufgrund des Lebensalters ist. Zwei Drittel. Das ist ernüchternd. Die Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zeigt sich in vielfältiger Weise: bei Bewerbungen, aber auch innerhalb von Arbeitsverhältnissen, bei Kündigungen, aber auch bei Arbeitslosigkeit. Da stimme ich den Kolleginnen und Kollegen in ihrer Kritik uneingeschränkt zu. Die FDP-Fraktion wird Ihrem Antrag aber dennoch aus mehreren Gründen heute nicht zustimmen. Denn: Der Antrag ist dem Wahlkampf geschuldet, ist Symbolpolitik. Sie wissen ganz genau, dass die Koalition sich in den letzten vier Jahren ganz gezielt mit den Herausforderungen an unsere Gesellschaft mit Blick auf die alternde Gesellschaft beschäftigt hat. Sie heben ja selbst in Ihrem Antrag positiv hervor, dass die Politik durch den 6. Altenbericht unter dem Thema "Altersbilder in der Gesellschaft" eine öffentliche Debatte angestoßen hat, ganz klar mit dem Ziel, negative Altersbilder auszuräumen. Ich finde es auch gut, dass Sie in Ihrem Antrag den wertvollen Dienst der Mehrgenerationenhäuser loben. Es dürfte Ihnen auch nicht neu sein, dass wir die letzten Jahre nicht nur Absichtserklärungen abgegeben haben. Die Bundesregierung hat gezielte Maßnahmen in die Wege geleitet, um das neue Leitbild des Alters voranzutreiben. Hiermit sind Benachteiligungen von Menschen aufgrund ihres Lebensalters nicht vereinbar. Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, der Initiative "50plus" sowie dem Bündel an Maßnahmen der Arbeitsförderung wird schon heute einiges getan, damit Ältere am Arbeitsmarkt nicht ausgegrenzt werden. Durch das 2011 gestartete Programm "Altersbilder" des Ministeriums zur Umsetzung der Erkenntnisse des 6. Altenberichts sollen nicht nur die Auswirkungen spezifischer Altersbilder in den unterschiedlichen Lebensbereichen aufgezeigt werden. Sondern wir wollen alle Bürger für überholte Altersbilder sensibilisieren. Ich persönlich halte den Wegfall sämtlicher Altersgrenzen ohnehin für ein wichtiges Signal. Das ist nur eine der Forderungen des Antrags, den wir als Regierungskoalition Anfang vergangenen Jahres auf den Weg gebracht haben. Dieser Antrag enthält eine Fülle von Maßnahmen, mit denen wir die Herausforderungen - aber auch die Chancen, denn die sehen wir unbedingt - an den demografischen Wandel angehen werden. Sie kommen in Ihrem Antrag auch auf die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland zu sprechen. Ich bin froh, dass die sich im Vergleich zu allen übrigen Ländern in Europa in den vergangenen Jahren deutlich verringert hat. Junge Menschen haben bessere Chancen denn je auf einen Ausbildungsplatz. Und das ist durchaus ein Erfolg der Wirtschaft und dieser Bundesregierung. Deshalb lehnen wir die von Ihnen geforderte Ausbildungsplatzgarantie ab, die brauchen wir angesichts vieler offener Stellen nun wirklich nicht. Sie wissen ganz genau, dass viele Unternehmen schon heute händeringend geeignete junge Auszubildende suchen. Ich sage ganz bewusst: geeignete. Das Handwerk und die Kammern beklagen ja schon seit Jahren, dass die Zahl der Schulabgänger mit eklatanten Defiziten, was Verantwortung, aber auch Rechnen und Rechtschreibung betrifft, groß ist. Aber das ist eine anderes Problem. Selbstverständlich fehlt auch in diesem SPD-Antrag nicht das Verteufeln der Leiharbeit. Auch hier gehen Ihre Forderungen teilweise ins Leere, da sie die geltende Rechtslage wiedergeben. Insgesamt lehnen wir die Forderungen zur Leiharbeit ab, da sie die positiven beschäftigungspolitischen Wirkungen der Zeitarbeit gefährden würden. Wir lehnen aber auch einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn ab, der ist das genaue Gegenteil erfolgreicher Arbeitsmarktpolitik. Die Höhe von Lohnuntergrenzen muss durch die Tarifpartner bestimmt werden. Hier hat sich die Politik rauszuhalten. Für den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements merken Sie kritisch an, dass die Menschen mit dem Leitbild des aktiven und produktiven älteren Menschen nicht überfordert werden dürften. Sie sprechen sogar von einem "Aktivierungswahn im Sinne einer Wiederverpflichtung der Gruppe der Älteren". Das halte ich ja nun wirklich für übertrieben. Ich kenne niemanden, der bei uns gezwungen wird, sich ehrenamtlich zu betätigen. Was Sie zum Punkt Diskriminierung von Älteren im bürgerschaftlichen Engagement sagen, da teile ich wiederum Ihre Meinung. Ich sprach es eben ja schon einmal an, für mich machen Altersgrenzen keinen Sinn, deshalb verstehe ich auch nicht, dass das bei den freiwilligen Feuerwehren im Umgang mit Atemschutzgeräten häufig noch so rigoros gehandhabt wird. Ansonsten sehe ich in Ihrem Papier weitestgehend Forderungen, die unser Antrag vom letzten Jahr längst aufgegriffen hat. Daher wird die FDP-Fraktion dem SPD-Antrag nicht zustimmen. Heidrun Dittrich (DIE LINKE): Heute geht es um den Antrag der SPD "Diskriminierung abbauen - In jedem Alter". Nach unserem Grundgesetz ist Diskriminierung zum Beispiel nach Geschlecht, Herkunft, politischer oder religiöser Anschauung oder Behinderung verboten. Das Alter als Diskriminierungsmerkmal ist noch nicht enthalten. Die aktuellen und ehemaligen Regierungsparteien CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne selbst haben das Alter diskriminiert, indem die große Koalition mit CDU/SPD 2005 die schrittweise Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent des durchschnittlichen Jahreseinkommens beschlossen hat. Zurzeit liegt das Rentenniveau bei 49,6 Prozent nach dem Bericht der Deutschen Rentenversicherung 2012. Damit werden Renterinnen und Rentner in die Grundsicherung getrieben. Diese Politik produziert die Altersdiskriminierung für Seniorinnen und Senioren. Stattdessen fordert die Linke, eine steuerfinanzierte Mindestrente von 1 050 Euro für alle, die keine Vollzeiterwerbstätigkeit von 47 Jahren bis zum 67. Lebensjahr vorweisen können, sei es, weil sie entlassen wurden, sei es, weil sie krank wurden, oder wie es den Frauen im Westen der Republik immer schon erging, weil sie keine qualifizierte und flächendeckende Kinderbetreuung vorfinden. Die Pflege der Angehörigen kommt als Grund für die Unterbrechung der Berufstätigkeit oder dem Ausüben von Teilzeittätigkeit hinzu. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre produziert ebenfalls Altersarmut. Jeder zweite Rentner lebt auf Grundsicherungsniveau, dabei sind die Frauen besonders betroffen, weil sie in Arbeitsbereichen tätig sind, wo weniger verdient wird, weil sie Teilzeit arbeiten der Kinder wegen und weil sie 400-Euro-Jobs annehmen müssen. Auch die Zahl der Leiharbeiterinnen in Krankenhäusern steigt immens. Deshalb fordert die Linke das Verbot der Leiharbeit. Keine Beschäftigten erster und zweiter Klasse mehr. Die SPD fordert den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Es hat über zehn Jahre gedauert, bis ein gesetzlicher Mindestlohn von Ihnen als sinnvoll angesehen wurde. Die Linke, die Erwerbslosengruppen und die Gewerkschaften forderten dies als erste, und heute wissen wir: Auch 10 Euro Mindestlohn reichen nur für eine Person, ein Kind kann damit schon nicht mehr durchgefüttert werden, trotz Kindergeld und Kinderfreibeträgen. Deshalb will die Linke bis 2017 den gesetzlichen Mindestlohn auf 12 Euro erhöhen. Die unsägliche Agenda 2010 mit den Hartz-Gesetzen und dem angeblichen Fordern und Fördern ist eine Drangsalierung der Arbeitsuchenden und ein Schreckgespenst für jeden Beschäftigten. Jede noch so gering bezahlte Arbeit soll besser sein, als Arbeitslosengeld II, Hartz IV, zu beziehen. Das ist Diskriminierung im Erwerbsleben, und es trifft auch die jungen Menschen. Die Jobcenter verhängen bei Arbeitsuchenden unter 25 Jahren verstärkt Kürzungen bis hin zur Streichung des Existenzminimums, was eigentlich nicht geht, denn was bleibt dann als Existenzminimum, wenn es genommen wird? Die Bundesregierung baut im Interesse der großen Konzerne die Systeme der sozialen Sicherung ab. Sie nutzt geradezu die Weltwirtschaftskrise, um die sogenannte Eigenverantwortlichkeit zu stärken und den Sozialstaat abzuschaffen. Daher ist eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1 050 Euro monatlich notwendig, um aus der Armutsfalle zu kommen. Die älteren Menschen haben ihre Lebensleistung erbracht. Die UN- Konvention für Menschen mit Behinderung bezieht sich nicht nur auf Barrierefreiheit, sondern auch auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und das ist mehr als das Arbeitsleben. Vor allem ist Geld dafür nötig, und das nehmen Sie den Menschen weg durch Lohndumping und Steuern, die nicht mehr den Sozialstaat finanzieren, sondern die Bankenrettung. Die Steuern verteilen Sie hin zu den Vorständen der großen Banken, Versicherungen und angeschlossenen Konzerne. Die Polizei am 1. Juni 2013 hat auch keine Rücksicht auf ältere Menschen genommen, die in Frankfurt am Main für ein Umverteilen des gesellschaftlich erarbeiteten Reichtums demonstriert hatten. Ältere Damen und Herren wurden einfach von der Polizei umgeworfen, ohne Rücksicht auf Verletzungen. Ich war dabei und konnte es beobachten. Diese Gesellschaft ist gespalten in Arm und Reich, nicht in Jung und Alt; diese Spaltung führen Sie herbei. Mit dem 6. Altenbericht begründete die Bundesregierung den produktiven Rentner, der sich ehrenamtlich engagiert. Die Frauen wurden hübsch ausgeklammert, die brauchen nämlich einen Zuverdienst, weil die Rente nicht reicht, und keinen Engagementplatz. Der Bundesfreiwilligendienst für die im Erwerbsleben benachteiligten Gruppen wie Frauen, Migranten und Menschen mit Behinderung stellt einen neuen Niedriglohnsektor im sozialen Bereich dar und vernichtet hauptsächlich sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze von Frauen, womit die Altersarmut von Frauen wiederum verstärkt wird. Deshalb fordern wir die Abschaffung des Bundesfreiwilligendienstes von 16 bis 70 Jahre. Auch Sie haben angekündigt, die Altersgrenzen im Ehrenamtsbereich hochzusetzen, frei nach dem Motto: Wer sich über das 67. Lebensjahr hinaus engagieren kann, der kann auch bis 70 Jahre arbeiten. Insofern sind Sie, meine Damen und Herren von der SPD, nicht weit von der Familienministerin der CDU entfernt. Die Linke wehrt sich gemeinsam mit Gewerkschaften gegen die Rente erst ab 67 Jahren. In Frankreich können die Beschäftigten mit 60 Jahren in Rente gehen, und das ist auch unser Ziel. Sie von der SPD fordern die Überprüfung aller bundesgesetzlichen Altersgrenzen, das ist doch neoliberal und nicht sozial. Die Menschen wurden nicht geboren, um lebenslänglich für andere zu arbeiten. Es gibt ein Recht auf den Ruhestand. Die Linke unterstützt das Ehrenamt, aber über den sozialen Bereich hinaus: Wir wollen keinen Ersatz für Altenpflegerinnen, sondern wir wollen die Interessensvertretung der Menschen fördern, ihren Einsatz für ihre eigenen Interessen wie zum Beispiel antifaschistische Gruppen fördern, für Menschen in jedem Alter und für die Teilnahme von Menschen mit Behinderung in jedem gesellschaftlichen Bereich. Eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Personal- und Lohnausgleich auf 30 Stunden in der Woche würde Arbeitsplätze schaffen, die Sozialkassen füllen und vor allem den jungen Menschen eine berufliche Existenz ermöglichen. Warum soll der Opa mit 67 Jahren noch arbeiten und die Enkelin mit 24 Jahren immer noch ein Praktikum nach dem anderen machen müssen? Schluss mit der "Generation Praktikum"! Ein selbstbestimmtes Leben soll in jedem Alter möglich sein, auch für die junge Generation. Zukunftsplanung und Weiterbildung sind gar nicht denkbar, wenn die Berufseinmündung nur in Engagementplätzen besteht, für die circa 150 bis 300 Euro monatlich gezahlt werden. Auch hier produzieren Sie Aufstocker und subventionieren Unternehmen. Schaffen Sie die Lohndiskriminierung ab, beginnen Sie mit dem gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro jetzt, und Sie werden perspektivisch die Altersdiskriminierung verringern! Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um Diskriminierungen aufgrund des Alters - und ich meine damit jedes Alter, auch das junge - abzubauen, bedarf es zunächst einmal eines veränderten Blicks auf unsere Gesellschaft. 16-Jährige sind heutzutage nicht zu jung zum Wählen, 55-Jährige nicht zu alt für einen neuen Job. Wir sollten allen Menschen auf Augenhöhe begegnen. Das heißt nicht, Unterschiede zu leugnen. Ältere Menschen haben mehr Erfahrung als jüngere, junge Menschen sind meistens risikobereiter als ältere. Doch alle haben dasselbe Recht auf Teilhabe, Anerkennung und Selbstbestimmung. Daran sollten wir uns orientieren, wenn wir Diskriminierungen aufgrund des Alters abbauen wollen. Für eine umfassende Teilhabe aller Altersstufen hätte das zuständige Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend etwas tun können. Es kann sich auf die Altenberichte stützen, in denen die Lage gut analysiert ist und die Herausforderungen benannt werden. Im Rahmen der Demografiestrategie mit dem Motto "Jedes Alter zählt" gab es jede Menge Raum, Diskriminierungen bei den Teilhabemöglichkeiten abzubauen. Passiert ist indessen nichts. Es wurde auf Veranstaltungen und in Stuhlkreisen viel darüber geredet, aber ob das ausreicht, das bezweifeln wir. Noch immer wird man irgendwann zu alt für ein Ehrenamt, noch immer werden Absolventen nach der Uni in schlechtbezahlten Praktika ausgebeutet. Ein Meilenstein, gar eine Revolution wäre es gewesen, wenn die Bundesregierung es geschafft hätte, einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff umzusetzen, der sich am Teilhabeanspruch der pflegebedürftigen Menschen orientiert, ganz gleich, ob sie körperliche oder kognitive Einschränkungen haben. Damit wäre eine Menge gewonnen, für alle Pflegebedürftigen und zugleich für einen neuen Blick, weg von den Einschränkungen, hin zu den Fähigkeiten der Menschen. Aber Schwarz-Gelb hat gekniffen. Revolutionen und neue Blickwinkel sind ihre Sache nicht. Teilhabe, das bedeutet, arbeiten gehen zu können und angemessen bezahlt zu werden, ein Ehrenamt ausüben zu können, beim Arzt entsprechend dem Gesundheitszustand behandelt zu werden. Das bedeutet auch, möglichst selbstbestimmt leben zu können. Darum ist es ein Unding, dass unter 25-Jährige im SGB II schärfer sanktioniert werden als Ältere. Aus welchem Grund geschieht das? Das müssen Sie uns einmal näher erläutern. Wenn alle Menschen den gleichen Anspruch auf Teilhabe haben, statt von vornherein aufgrund ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, ihres Alters in bestimmte Kategorien eingeordnet zu werden, dann fallen viele Diskriminierungen, die wir heute für kaum ausräumbar halten, einfach weg. Nehmen Sie die anonymisierte Bewerbung: ein einfaches Mittel, um den Blickwinkel zu verändern. Sobald der Personaler keinen Namen, kein Geburtsdatum und kein Foto mehr sieht, ist er gezwungen, sich auf die Qualifikation zu konzentrieren. Mag er vorher gedacht haben, eine Frau, ein Bayer oder ein 23-Jähriger passen nicht in das Unternehmen, so erkennt er nun möglicherweise Potenziale, die ihm vorher aufgrund seiner eigenen Voreingenommenheit entgangen wären. Ähnliches gilt für die Altersgrenzen. In der Sozialgesetzgebung, in der Versicherungswirtschaft, im bürgerschaftlichen Engagement existieren starre Vorgaben, die sich rein am Lebensalter festmachen. Wozu soll das gut sein? Wir wollen alle Altersgrenzen überprüfen und jegliche Diskriminierung abschaffen. In vielen Bereichen bedarf es freilich aufwendigerer Maßnahmen, um allen die gleichen Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen. Wir brauchen Programme wie unseren "Sozialen Arbeitsmarkt", Bundestagsdrucksache 17/11076, der für alle Menschen über 25 mit gesundheitlichen und/oder sozialen Einschränkungen, die arbeitslos sind, eine Perspektive zur Teilhabe jenseits von Arbeitslosengeld II eröffnen will. Das sind oft ältere Arbeitslose, aber eben nicht nur. Wir brauchen gesetzliche Regelungen zur Leiharbeit und einen einheitlichen Mindestlohn, um bestimmte Diskriminierungen einfach unmöglich zu machen. Es ist wichtig, dass Wohnquartiere möglichst barrierefrei sind und kurze Wege bieten; denn die meisten Menschen möchten, wenn sie älter werden, in ihrer Umgebung bleiben, auch wenn sie nicht mehr so mobil sind. Außerdem brauchen wir eine andauernde und tiefgreifende gesellschaftliche Debatte über Altersbilder jeden Alters, um endlich von den Bildern, die weitgehend unser Denken und Handeln prägen, wegzukommen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13996, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/11831 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 47: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung patentrechtlicher Vorschriften und anderer Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes - Drucksache 17/10308 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14221, 17/14222 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth Burkhard Lischka Stephan Thomae Halina Wawzyniak Ingrid Hönlinger Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Mit dem Regierungsentwurf wollen wir Patentverfahren erleichtern und Züchter und Landwirte vor Patentansprüchen Dritter schützen. Der Gesetzentwurf betrifft die Neuregelung von Verfahrensabläufen bei der Anmeldung von Patenten. Im Einzelnen sieht der Entwurf vor, den Inhalt des Rechercheberichts zu erweitern. Dieser soll künftig neben der Feststellung der Neuheit einer Erfindung auch Angaben über die Patentfähigkeit der angemeldeten Erfindung, wie es bereits der Recherchebericht des Europäischen Patentamtes vorsieht, enthalten. Das Deutsche Patent- und Markenamt kann, um sich vor ausuferndem Arbeitsaufwand zu schützen, bereits im Rechercheverfahren den Mangel der Uneinheitlichkeit der angemeldeten Erfindung feststellen und den Inhalt des Rechercheberichts auf eine einheitliche Erfindung begrenzen. Weitere Erleichterungen soll es geben bei der Einreichung von englisch- und französischsprachigen Anmeldeunterlagen. Diese müssen künftig erst bis zum Ablauf des zwölften Monats beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht werden. Die Verlängerung der Übersetzungsfrist bedeutet für den Anmelder, dass dieser nunmehr eine längere Bedenkzeit bekommen wird, ob er die derzeit hohen Kosten einer Übersetzung der Anmeldeunterlagen für die Weiterverfolgung des nationalen Anmeldeverfahrens aufbringen will. Künftig wird die Erteilung eines Patents ohne Benennung des Erfinders nicht mehr möglich sein. Hierdurch wird das Persönlichkeitsrecht des Erfinders gestärkt. Des Weiteren soll es künftig für die Beteiligten und Dritte möglich sein, die Akten von über 18 Monate zurückliegenden Patentanmeldungen und erteilten Patenten auch durch Zugriff über das Internet einzusehen. Mit diesen Änderungen tragen wir als christlich-liberale Koalition der Entwicklung im Zeitalter des Internets Rechnung. Patente können somit zügiger und kostengünstiger angemeldet werden. Die Transparenz wird gesteigert. Mit dem Gesetzentwurf wollen wir zugleich aus ethischer Überzeugung und im Interesse der deutschen Landwirtschaft und Züchter festschreiben, dass die unmittelbar aus konventioneller Züchtung stammenden Pflanzen und Tiere nicht von Dritten patentiert werden können. Hierzu war uns als CDU/CSU-Fraktion sehr wichtig, entsprechend dem Beschluss der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes zu den Patentfällen "Brokkoli" und "Tomate" vom 9. Dezember 2010 festzuhalten, dass bei der im Wesentlichen biologischen Züchtung von Pflanzen und Tieren nicht nur die Verfahren selbst, sondern auch die mit solchen Verfahren hergestellten Pflanzen und Tiere selbst nicht patentierbar sind, selbst wenn sie keine Pflanzensorten oder Tierrassen darstellen. Diesem Ziel sind wir mit der Ergänzung des § 2 a des Patentgesetzes nachgekommen. Überdies kommen wir mit der Änderung des Patentgesetzes dem Auftrag des fraktionsübergreifenden Antrags vom 17. Januar 2012 nach. Ich bedanke mich bei all denjenigen, die am Zustandekommen des Gesetzes im Gesetzgebungsverfahren beteiligt waren. Dr. Matthias Miersch (SPD): Vor über einem Jahr forderte der Bundestag, Bundestagsdrucksache 17/8344, die Bundesregierung unter anderem dazu auf, sich für eine Klarstellung verschiedener Vorschriften im Bereich Biopatente einzusetzen. Bis heute wurde dieser fraktionsübergreifende Beschluss von der Bundesregierung ignoriert. Erst als die SPD-Bundestagsfraktion gemeinsam mit der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen bei der heute zu beschließenden Änderung von Vorschriften im gewerblichen Rechtsschutz einen Änderungsantrag einbrachte, wurde der Druck so groß, dass auch die Regierungsfraktionen etwas tun mussten. Inhaltlich geht es darum, dass große Konzerne seit Jahren immer weitere Teile der Nahrungsmittelproduktionskette monopolisieren. Trotz einiger entgegenstehender Beschlüsse der großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes, EPA, werden weiterhin Patente auf im Wesentlichen biologische Züchtungsverfahren und dadurch gezüchtete Pflanzen vergeben. Kürzlich wurde auf eine Chilipflanze, EP 2140023, und erneut auf eine Brokkolipflanze, EP 1597965, ein europäisches Patent vergeben, obwohl das angewandte Züchtungsverfahren ganz klassische Methoden zum Hauptgegenstand hat. Mit den im Februar 2012 interfraktionell geforderten Gesetzesänderungen wären diese Patente nicht vereinbar gewesen. Das, was jetzt in dieser Gesetzesänderung im Bereich Biopatente verändert wird, ist bei genauer Betrachtung eine Änderung, die wesentliche Punkte, die im Februar 2012 interfraktionell gefordert wurden, unbeachtet lässt. Der Ausschluss der Patentierbarkeit bezieht sich nun auf durch ausschließlich im Wesentlichen biologische Verfahren gewonnene Pflanzen und Tiere. Die Stoßrichtung dieser Regelung ist durchaus zu begrüßen. Sie ist ein deutliches Signal an die große Beschwerdekammer des EPA. Dort ist eine Vorlagefrage mit genau dieser Problematik anhängig. Allerdings enthält der Wortlaut eine entscheidende Einschränkung. Das Wort "ausschließlich" schafft eine unklare Rechtslage, die zu Missverständnissen bei der Auslegung der Norm führt. So könnte diese Formulierung im ungünstigsten Fall dahin gehend missverstanden werden, dass der Ausschluss der Patentierbarkeit lediglich für rein klassische biologische Verfahren gelten soll, dass also der Tatbestand nicht mehr erfüllt ist, sobald ein noch so kleiner Verfahrensschritt technischer Natur ist. Durch diese missverständliche Formulierung wird eine Streitfrage heraufbeschworen, die schon in der berühmten Brokkoli-Entscheidung der großen Beschwerdekammer beim EPA Hauptgegenstand des Streits war. Diese Problematik wäre leicht zu umgehen gewesen. Statt Auslegungsklarheit zu schaffen, wird möglicherweise neue Rechtsunsicherheit produziert. Zudem wurden einige weitere wichtige Punkte von den Regierungsfraktionen ignoriert. So wurde, entgegen der gemeinsamen Beschlusslage, die Ausweitung des Patentierungsausschlusses auf Erzeugnisse und Produkte nicht mit aufgenommen. Die Endprodukte sind allerdings das eigentlich wirtschaftlich wichtige Produkt, an dem Unternehmen ein Interesse an der Patentierbarkeit haben. Es wird damit kein Zeichen gegen sogenannte Patentketten gesetzt, die heute an der Tagesordnung sind, wenn zum Beispiel von der gentechnisch manipulierten Sojasorte Patentschutz bis zum daraus mittelbar resultierenden Schnitzel begehrt wird. Es wäre leicht möglich gewesen, auf Grundlage der gemeinsamen Entschließung ein Zeichen des deutschen Gesetzgebers zu setzen. Aber der wohl wichtigste Punkt, der nicht mit aufgenommen wurde, ist ein anderer. Der juristische Knackpunkt, ab wann ein Verfahren im Wesentlichen biologisch ist und ab wann es ein technisches Verfahren ist, hätte ein für alle Male gesetzlich bestimmt werden können. Es bot sich hier die Chance, wirkliche Rechtssicherheit zu schaffen. Hiermit wäre die Regelungskompetenz des deutschen Gesetzgebers im Hinblick auf die vollharmonisierende EU-Richtlinie nicht überschritten worden. Vielmehr ging es hierbei nur um die Klarstellung einer richtlinienkonformen Auslegung. Auch dies wäre ein deutliches Zeichen an das EPA gewesen, das laufend Patente auf Verfahren erteilt, die eigentlich auf klassischen biologischen Kreuzungsverfahren beruhen und unter dem Deckmantel weniger technischer Details als technisches Verfahren durchgewunken werden. Auf die Brokkoli-Entscheidung ihrer eigenen großen Beschwerdekammer nimmt das EPA bei der Erteilung von Patenten offensichtlich keine Rücksicht, wie gerade die bereits erwähnte Erteilung auf eine Chilipflanze belegt. Somit ist die auf den letzten Drücker durch die Regierungsfraktionen geänderte Regelung im Bereich Biopatente mehr Schein als Sein und wird kaum zu merkbaren Veränderungen bei der nicht hinnehmbaren Patentierungspraxis führen. Damit wurde eine große Chance verpasst. Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Es ist gut, dass wir heute das novellierte Patentgesetz verabschieden. Unsere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat einen guten Entwurf auf den Weg gebracht und auch im einzig strittigen Punkt, der materiellen Änderung des Patentgesetzes, einen klugen und tragfähigen Kompromiss vorgeschlagen. Der Schutz geistiger Leistungen ist für Deutschland als Wissenschaftsstandort von herausragender Bedeutung. Wer in geistige Leistungen wie Erfindungen investiert, muss daraus auch einen Gewinn erzielen können. Was für Autoren eine Selbstverständlichkeit ist, gilt auch für jeden Erfinder, ob im Maschinenbau oder in der Pflanzenzucht. Die geistigen Leistungen müssen geschützt werden. Es gibt sehr unterschiedliche Rechtsinstrumente für den Schutz geistigen Eigentums. Patente sind ein solches Instrument. Ihre Stigmatisierung lehnen wir ab. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es Patente auch auf Organismen. Über 1 000 Mikroorganismen sind patentiert. Gentechnisch veränderte Mikroorganismen produzieren Vitamine, Aminosäuren sowie Wirkstoffe für Medikamente. Dies dient unserer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Wirtschaft. Diese Mikroorganismen ersetzen die Produktion dieser Stoffe durch mehrstufige chemische Prozesse, die einen hohen Energie- und Wassereinsatz erforderten. In unserem gemeinsamen Antrag zu Biopatenten ist in Punkt 4 auch ein Prüfauftrag enthalten, ob das nationale Patentgesetz geändert werden sollte. Wir als FDP sind der Überzeugung, dass die jetzt gefundene Klarstellung für den Ausschluss der Patentierung von herkömmlich gezüchteten Pflanzensorten und Tierrassen eine gute Lösung ist. Wir wollen Rechtssicherheit. Deswegen haben wir darauf gedrungen, dass der Gleichklang unseres nationalen Patentgesetzes mit den Bestimmungen der Biopatentrichtlinie erhalten bleibt. Darin sind wir von der Mehrheit der Experten in der Anhörung bestätigt worden. Die Ausgestaltung unseres Patengesetzes hat keinerlei Einfluss auf Entscheidungen des Europäischen Patentamtes. Daher wäre die von der Opposition entgegen der Empfehlung eigener Experten formulierte Forderung nach einer Gesetzesänderung reine Symbolpolitik. Wir wollen eine Eins-zu-eins-Umsetzung europäischer Rechtsakte und keine Sonderregelungen für Deutschland, die Rechtsunsicherheit und Wettbewerbsverzerrungen verursachen. Wir lehnen auch die Nummer 2 des Oppositionsantrages ab. Die Verwendung von Markern ist Teil herkömmlicher Züchtung. Von Markern unterstützte herkömmliche Züchtung unterliegt dem Sortenrecht. Es ist völlig überflüssig, dazu Aussagen im Patentgesetz zu machen. Das Auffinden eines Genes ist eine Entdeckung, keine Erfindung. Genetische Ressourcen müssen frei verfügbar bleiben und dürfen nicht patentiert werden. Dies ist ethisch geboten. Es ist gut, dass dies inzwischen auch international so gesehen wird. Der Supreme Court der USA hat gerade in einer einstimmigen Entscheidung Patente auf natürlich vorkommende Gene für ungültig erklärt. Wir haben in Deutschland mit unserem Sortenschutzrecht bereits ein sehr gutes Instrument, um im Bereich der Pflanzenzüchtung den Urheberrechtsschutz für die Pflanzenzüchter zu gewährleisten. Dieser muss gestärkt und weiterentwickelt werden. Dazu gehört für die FDP auch, dass die Pflanzenzüchter dabei unterstützt werden, die gesetzlich festgelegten Nachbaugebühren zu realisieren. Das Nachbaurecht der Landwirte ist gekoppelt an die Zahlung der Nachbaugebühren. Wir als Liberale freuen uns, dass die Patentrechtsnovelle die notwendige Balance zwischen den Ansprüchen der Zivilgesellschaft und den Erfordernissen von Wissenschaft und Züchtung hält. Die Patentrechtsnovelle der Bundesregierung stellt einen guten Kompromiss für alle Seiten dar und wird auch von Experten einhellig begrüßt. Sie optimiert patentrechtliche Vorschriften, vereinfacht die Verfahrensabläufe und ermöglicht die Onlineakteneinsicht. Stephan Thomae (FDP): Deutschland hat seine größten Naturschätze in den kreativen Ideen unserer Bürger. Dies schlägt sich deutlich in den Statistiken des Deutschen Patent- und Markenamtes, DPMA, nieder. Im Jahr 2012 wurden 61 311 Patentanmeldungen beim DPMA eingereicht. Darüber hinaus gehen etwa 40 Prozent aller vom Europäischen Patentamt an Anmelder aus Europa erteilten europäischen Patente nach Deutschland. Diese Zahlen machen deutlich, dass Deutschland ein Land ist, in dem sehr viele Patente angemeldet werden. Umso wichtiger ist es, dass wir für die Patentanmeldungen einen Rechtsrahmen vorsehen, der die Abläufe für alle Beteiligten möglichst effektiv und unkompliziert gestaltet. Dazu trägt das vorliegende Gesetz bei. Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen werden sowohl die Kosten als auch den Bürokratieaufwand im Rahmen einer Patentanmeldung beim DPMA senken. Gleichzeitig stärken wir damit den Stellenwert des deutschen Patents im Vergleich zum europäischen Patent und dem geplanten europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung. Ein einfacheres und anwenderfreundlicheres Patentrecht erhöht zudem die Wettbewerbsfähigkeit des DPMA gegenüber dem Europäischen Patentamt. Dies ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ich möchte einige wesentliche Punkte aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung hervorheben und erläutern, welche Verbesserungen erzielt wurden. Erstens. Künftig können Anmeldeunterlagen online über das Internet eingesehen werden. Man muss dann nicht mehr eigens nach München zum Patentamt anreisen oder sich umfangreiche Aktenkopien zuschicken lassen. Dies ermöglicht eine unkomplizierte und aktuelle Bereitstellung von Patentinformationen. Die Praxis profitiert von dieser Neuregelung, da die einzelnen Unternehmen ihre Entwicklungstätigkeiten schneller und besser auf bestehende Patentanmeldeverfahren abstimmen können. Zweitens. Eine weitere Verbesserung schaffen wir für Patentanmeldungen in englischer und französischer Sprache. Nach bisheriger Rechtslage müssen alle Unterlagen bereits drei Monate nach der Anmeldung übersetzt in deutscher Sprache vorliegen. Die jetzige Novellierung verlängert diese Frist für englische und französische Anmeldungen auf zwölf Monate. Dies hat folgenden Hintergrund: Viele Erfinder melden ihre Patente zunächst beim DPMA an, wo sie in der Regel nach zehn Monaten einen ersten Recherchebericht erhalten. Je nachdem, wie dieser Bericht ausfällt, beantragen die Erfinder dann den Erwerb eines Schutzrechtes beim Europäischen Patentamt. Internationale Anmelder sollen nun ihre für die Nachanmeldung beim Europäischen Patentamt vorgesehenen fremdsprachigen Papiere erst dann ins Deutsche übersetzen müssen, wenn sie sich entschließen, ihr Erteilungsverfahren beim Deutschen Patentamt fortzusetzen. Diese Regelung macht es attraktiver, das Angebot des DPMA zu nutzen. Gleichzeitig wird die Konkurrenzfähigkeit des DPMA gegenüber dem Europäischen Patentamt verbessert. Drittens. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat auch Einfluss auf den Recherchebericht des DPMA, den dieses im Rahmen einer Patentanmeldung erstellen muss. Der Bericht enthält künftig auch Ausführungen zur Patentierbarkeit der angemeldeten Erfindung. Ist für den Anmelder anhand dieser Ausführungen erkennbar, dass seine Chancen auf Patenterteilung gering sind, kann er das Verfahren abbrechen und weitere Kosten vermeiden. Neben diesen technischen Neuerungen haben wir uns mit der Union darauf verständigt, auch eine Klarstellung im Hinblick auf Biopatente vorzunehmen. Wir stellen in § 2 a Patentgesetz klar, dass Patente auch nicht auf solche Pflanzen und Tiere erteilt werden, die aus im Wesentlichen biologischen Züchtungsverfahren gewonnen wurden. Bereits im Januar 2012 haben die Fraktionen von FDP, CDU/CSU, SPD und Grünen einen gemeinsamen Antrag verabschiedet, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine entsprechende Klarstellung im deutschen Patentgesetz zu prüfen. Mit der nun vorgenommenen Änderung wird dieser Auftrag umgesetzt. Das Gesetz strafft und entbürokratisiert Verfahrensabläufe im Rahmen einer Patentanmeldung und entlastet sowohl die Patentanmelder als auch das Patentamt. Die Änderungen sind für Deutschland als international konkurrenzfähigen Patentstandort von größter Bedeutung. Daher stimmt die FDP-Bundestagsfraktion dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu. Ich bitte auch Sie um Ihre Zustimmung. Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE): Seit acht Jahren bin ich Bundestagsabgeordnete. Während dieser Zeit erlebte ich unzählige Ausschussanhörungen zu vielen verschiedenen Themen. Oft gab es von Sachverständigen massive Kritik an den Gesetzentwürfen der Koalitionen, meist verbunden mit klugen Verbesserungsvorschlägen. Aber in nur zwei Fällen gab es nach der Anhörung noch nennenswerte Änderungsanträge der Koalition, die solche Hinweise aus der Anhörung aufgriffen. Das war beim Bundeswaldgesetz der Großen Koalition der Fall und trifft nun auch beim vorliegenden Gesetzentwurf zur Novelle des Patentrechts zu. Leider sind das seltene parlamentarische Sternstunden, obwohl das eigentlich selbstverständlich sein sollte. Wenn es beim Patentgesetz zu einer Sternstunde der Gesetzgebung gereicht hätte, wäre das Glücksgefühl fast nicht zum Aushalten gewesen. Aber davor hat uns die FDP bewahrt. Dazu etwas später. Jedenfalls hatten fast alle Sachverständigen bei der Anhörung des federführenden Rechtausschusses am 12. Juni 2013 im Rahmen der ohnehin anstehenden Gesetzesnovelle auch klarstellende Formulierungen zum Thema Biopatentierung gefordert. Sie sollen sichern, dass konventionelle Züchtungsverfahren nicht patentiert werden können. Dieses Verbot der Patentierung sollte umfänglich sein, das heißt aus diesen Verfahren entstehende Nachkommen oder daraus erzeugte Produkte einschließen. Genau das stand auch in einem von allen Bundestagsfraktionen erarbeiteten Antrag, der mit allen Stimmen des Bundestags 2012 angenommen wurde. Im Gesetzentwurf der Koalition zum Patentgesetz fand sich diese Klarstellung trotzdem nicht. Vielmehr meldeten sich aus dem FDP-geführten Justizministerium Bedenkenträger zu Wort. Mit Störfeuer von dort war schon versucht worden, den Antrag aller Bundestagsfraktionen zu verhindern. Vor einem Jahr war diese Attacke aber noch erfolglos. Aber treu nach dem Struck'schen Gesetz, dass kein Gesetzentwurf das Parlament unverändert verlässt, gab es ja die Chance, dass die Fraktionen ihre Positionen durch eine Änderung des Gesetzentwurfs einbringen. Leider haben SPD und Grüne trotz der bekanntermaßen gemeinsamen Position diesen Antrag zur Präzisierung im § 2 a aus wahltaktischem Kleingeist ohne die Linke eingebracht. Aber natürlich haben wir dem Antrag zugestimmt, weil damit das weitreichende Biopatentverbot erreicht worden wäre, das wir eigentlich alle schon beschlossen hatten. Aber wie befürchtet, fand der Änderungsantrag keine Mehrheit - weil die FDP blockierte und die Union umfiel. Aber ein bisschen musste sich Schwarz-Gelb dann doch bewegen, um nicht gänzlich das Gesicht zu verlieren, da sie dem überfraktionellen Antrag ja zugestimmt hatten. Mit ihrem Änderungsantrag werden nun zumindest die Nachkommen von der Patentierbarkeit ausgenommen. Eine Produktpatentierung aus konventioneller Zucht jedoch, beispielsweise ein Pflanzenöl, wird damit weiterhin möglich sein. Die Änderung am Gesetzentwurf erfüllte also nur eine der beiden wichtigen Forderungen aus der Anhörung. Das Glas ist also höchstens halb voll. Daher können wir uns nur enthalten. Aus Sicht meiner Fraktion möchte ich noch einmal ganz grundsätzlich auf das Thema der Biopatentierung eingehen. Die Linke hat eine klare und unmissverständliche Position: Wir wollen ein umfassendes Verbot von Biopatenten. Ganz grundsätzlich können aus unserer Sicht Pflanzen, Tiere und ihre Gene inklusive ihrer Eigenschaften und Funktionen zwar entdeckt, aber nicht erfunden werden. Ich finde, ein Patentschutz ist schon aus systematischen Gründen völlig absurd. Es ist ein Grundprinzip, dass Natur und ihre Eigenschaften nicht von Menschen erfunden und deshalb auch nicht patentiert werden können. Aber es geht uns um mehr: Unsere Ablehnung von Biopatenten ist auch mit ihren gesellschaftlichen Risiken begründet. Denn es geht um die Abwägung zwischen Schutzinteressen Einzelner auf der einen und dem Schutz der Interessen der Gesellschaft auf der anderen Seite. Aus dieser gesellschaftspolitischen Sicht halten wir Patente auf Leben weder für ethisch noch für sozioökonomisch oder ökologisch verantwortbar. Patente auf Leben können beispielsweise das Recht auf Nahrung und die Ernährungssouveränität gefährden. Die Behauptung, die Möglichkeit zum Wissensschutz durch Biopatente wäre ein Anreiz zur wissenschaftlichen Arbeit, ist zumindest bezüglich der Wissenschaft im öffentlichen Interesse nicht belegt. Biopatente sichern die wirtschaftlichen Interessen der Patentinhaber, aber nicht die Interessen der wissenschaftlichen Community. Das ist in vielen Bereichen durchaus legitim. Bei der lebensmittelproduzierenden Agrarwirtschaft ist es das aus unserer Sicht ganz sicher nicht. Die Linke hat 2012 einen eigenen Biopatentantrag zur Abstimmung gestellt, in dem wir das weitreichende Verbot der Patentierung von Leben fordern, Bundestagsdrucksache 17/8584 "Keine Patente auf Leben". Um das zu erreichen, müssten auch internationale Vereinbarungen neu verhandelt werden, wie beispielsweise das TRIPS-Abkommen über die geistigen Eigentumsrechte. Auch auf EU-Ebene müsste sich einiges ändern. Natürlich müssten die Änderungen auch im deutschen Patentgesetz übernommen werden. Der erste Tippelschritt, den der Bundestag heute geht, reicht nicht. Die Linke wird weiter Druck machen. Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Patentrecht macht immer wieder Schlagzeilen. Beispiele sind der Patentstreit zwischen Apple und Samsung oder die kürzlich vom Obersten Gerichtshof der USA abgelehnten Patente auf menschliche Gene. Letztere sind ein Sonderfall der sogenannten "Biopatente", also Patente auf Lebewesen. Zunehmend kritisch werden auch Patente auf Software diskutiert. Gleichzeitig gelten gerade in Technologieländern wie Deutschland Patente in vielen Branchen als "Marker" für die Innovationskraft von Branchen oder sogar von Staaten. Speziell in deutschen Kernsektoren wie dem Fahrzeug- oder Maschinenbau werden jährlich Tausende von Patenten angemeldet und erteilt, um damit geistiges Eigentum zu schützen. Mit der jetzt vorgelegten Novellierung des Patentgesetzes und anderer Gesetze sind eine Reihe von sinnvollen Verfahrenserleichterungen für die Anmelder von Patenten verbunden, wie die elektronische Aktenführung und -einsicht oder die Möglichkeit, Übersetzungen fremdsprachiger Patentschriften auch bis zu 30 Tage nach dem offiziellen Anmeldetag nachreichen zu können. Der erweiterte Recherchebericht gibt Erfindern die Möglichkeit, bereits frühzeitig im Verfahren die Innovationshöhe ihrer Erfindungen und damit die Aussichten auf Erteilung des angemeldeten Patents besser und frühzeitiger einschätzen zu können. Allerdings haben die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf und die schwarz-gelbe Koalition mit ihrem Miniänderungsantrag vorsätzlich die Gelegenheit in den Wind geschlagen, die von allen Fraktionen des Bundestages in interfraktionellen Anträgen geforderten Behebungen der Patentrechtsdefizite im Bereich der Software- und Biopatente anzupacken. Im Bereich der Biopatente liegt seit Februar 2012 ein klarer Auftrag des Bundestages an die Bundesregierung vor: Um die wiederholte Erteilung umstrittener Biopatente zu stoppen, soll die Bundesregierung die dafür verantwortlichen Grauzonen im nationalen und europäischen Biopatentrecht bereinigen. Wir dürfen in diesem Parlament stolz auf diesen einstimmigen Beschluss sein. Die zuletzt erteilten Patente auf Brokkoli, Tomaten, Melonen oder Sonnenblumen standen insbesondere deshalb in der Kritik, weil selbst nach erfolgreichen Einsprüchen gegen unberechtigte Patente auf Züchtungsverfahren und der entsprechenden Korrektur der Patente die Ansprüche auf die mit diesen Züchtungsverfahrenen erzeugten Pflanzen, Tiere und daraus hergestellte Produkte immer noch gültig blieben. Im Falle des Sonnenblumenpatents wurde der Hauptanspruch auf das Züchtungsverfahren widerrufen. Aber das Öl aus den neu gezüchteten Sonnenblumen bleibt patentiert, obwohl die Produktion dieses Öls mit keinerlei "Erfindung" verbunden war. Auch die Wirkung des berüchtigten Patents auf das äthiopische "Teff"-Getreide basiert auf dem Schutzanspruch auf das Mehl aus diesem Getreide und den daraus abgeleiteten Produkten. Der Bundestag hat deshalb mit allen Ihren Stimmen beschlossen, auch die aus konventionell gezüchteten Pflanzen und Tieren hervorgehenden Produkte in das Patentierungsverbot einzuschließen. Außerdem forderte der Bundestag auch im nationalen Patentrecht die Klarstellung, dass klassische Züchtungsverfahren auch durch technische Ergänzungen nicht patentierbar werden können. Es ist beschämend, dass Union und FDP mit ihrem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf diesem gemeinsamen Beschluss von 2012 nicht nachkommen. Gerade der Ausschluss von Patenten auf die Produkte ist jetzt nicht aufgenommen, ebenso fehlt eine Ergänzung zu technisch ergänzten Züchtungsverfahren. Besonders pikant: Die Union schreibt in ihrem vorgestern frisch gedruckten Wahlprogramm, dass sie Patente auf Äpfel ablehne. Noch schizophrener geht es ja gar nicht. Denn Patente auf Äpfel sind gerade mit diesem Gesetz weiterhin möglich, eben weil die Produkte aus Pflanzen damit weiterhin patentierbar bleiben. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, stimmen also heute nicht nur gegen den Beschluss des Bundestages, sondern auch gegen Ihr eigenes Programm. Aber was soll's, der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, hat ja letzte Woche gesagt, dass die Union ohnehin nicht beabsichtige, ihre Wahlversprechen zu erfüllen. Skandalös ist aber nicht nur der Inhalt der jetzt vorgelegten Novelle, skandalös ist auch, dass sich Union und FDP in den Ausschüssen und im Plenum feige vor einer Debatte über ihren windigen Kompromiss gedrückt haben. Offensichtlich ist die Dauerstreitkoalition nicht einmal selbst von der jetzt gefundenen Formel überzeugt. Und dann in Pressemitteilungen zu behaupten, das Gesetz sei in den Ausschüssen "beraten" oder im Plenum "debattiert" worden, das grenzt schon an aktive Volksverdummung. Union und FDP wollen offenbar immer noch nicht begreifen, wie fundamental Patente auf Pflanzen und Tiere in das bisherige "Open Source"-System in Landwirtschaft und Züchtung eingreifen, zumindest wollen sie nicht wirklich dagegen vorgehen! Die völlig kritiklose Übernahme von Positionen der chemischen Industrie zeigt mehr als deutlich, wessen Interessen diese Koalition mit ihrer Novelle wirklich verfolgt. Die von der Union heute proklamierte "Rechtssicherheit" wird mit diesem Gesetz vielleicht für Monsanto & Co. gelten. Landwirte, Züchter und Verbraucher müssen dagegen weiterhin befürchten, mit völlig überzogenen Patenten und den damit verbundenen Nutzungseinschränkungen und Kosten konfrontiert zu werden. Für uns Grüne steht fest: Pflanzen und Tiere sind kein "geistiges Eigentum", das irgendjemand für sich reklamieren darf. Und eine Tomate, die aus einem nicht-patentierbaren Züchtungsverfahren hervorgeht, darf ebenso wenig patentierbar sein wie ein Ketchup, das ohne weitere "Erfindungsleistung" aus dieser Tomate gewonnen wird. Wir haben schon viel zu viel an biologischer Vielfalt verloren, da dürfen wir die sowieso schon rasante Monopolisierung im Saatgut- und Lebensmittelbereich nicht auch noch durch Biopatente verstärken. Wir werden weiter auf echte Lösungen drängen und im Herbst hoffentlich zeigen können, wie eine Bundesregierung die existenziell wichtige Biopatentthematik konsequent angehen kann. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14221 und 17/14222, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/10308 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf zustimmt, sollte sich erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den gleichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor angenommen. Tagesordnungspunkt 51: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Lars Klingbeil, Martin Dörmann, Doris Barnett, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Potenziale von WLAN-Netzen nutzen und Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber schaffen - Drucksachen 17/11145, 17/13793 - Berichterstattung: Abgeordnete Ulla Lötzer Die Reden sind zu Protokoll genommen. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Die Fraktion der SPD legte bereits im letzten Jahr diesen Antrag vor, dessen Ziel auf den ersten Blick recht vernünftig aussieht. Aber bei der Methode der Zielerreichung liegt der Teufel im Detail. Im Wesentlichen geht es um die umfangreichere Nutzung bereits betriebener WLAN-Netze für die Öffentlichkeit, die Beschränkung des Haftungsrisikos für den Betreiber des WLAN und um Schutzmaßnahmen für jene Betreiber zur Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit bei unbefugter Nutzung durch Dritte. Zentraler Gegenstand ist deswegen die Frage, ob die Haftungsbeschränkung für professionelle Access Provider gemäß § 8 TMG auf andere WLAN-Betreiber ausgeweitet werden soll. Nach dem Telemediengesetz sind kleine Gewerbetreibende wie Internetcafés mit kostenfreiem WLAN-Angebot bereits jetzt von der Haftung für Missbrauch durch Dritte befreit. Wie auch bei sehr großen Providern mit sehr vielen Nutzern, lässt sich in diesen Fällen der Verursacher durch technische Nachweismöglichkeiten identifizieren. Natürlich ist der Gewerbetreibende verpflichtet, bei ersten Anzeichen eines Missbrauchs geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine Freistellung von der Haftung zu erhalten. Unterlässt er dies, muss auch er mit Folgen rechnen. Ist nun die Forderung nach einer Gleichstellung des privaten Bereichs mit dem gewerblichen Bereich folgerichtig und sinnvoll? Im privaten Bereich, beispielsweise wenn ein Dritter den privaten Internet-/WLAN-Zugang eines Nutzers für strafrechtlich relevante Handlungen missbraucht, kann mit technischen Mitteln nicht nachgewiesen werden, wer der eigentlich Schuldige ist. Illegales Verhalten wird dann in der Regel dem privaten Nutzer zugerechnet, auf den der Internet- bzw. WLAN-Anschluss angemeldet ist. Vom privaten Nutzer wird daher auch eine gewisse Verantwortung für den sorgsamen Umgang mit dem Internetzugang erwartet, egal ob er fest installiert ist oder per WLAN erfolgt. Erfolgt der Zugang hingegen frei, kann auf dem WLAN-Anschluss jeder machen, was er will, ohne dass er mit etwaigen Folgen rechnen muss. Strafrechtlich relevante Handlungen können nicht verfolgt werden, der oder die Täter können nicht zur Verantwortung gezogen werden. Das ist das grundlegende Problem und bei einer Entscheidung abzuwägen. Gegenwärtig ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Auch eine Anhörung im Unterausschuss für neue Medien zu diesem Thema gab kein einheitliches Bild. Manche Sachverständige berichteten von massiven Problemen mit Abmahnungen, gerade wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen, während andere wiederum nur vereinzelte Probleme zu berichten wussten. Das Bundesministerium der Justiz bearbeitet derzeit die Frage, ob und in welcher Form der angesprochene Aspekt der "Störerhaftung" rechtlich geregelt werden kann, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Offene WLANs bieten sicher Potenzial, aber wir dürfen dieses auch nicht überschätzen. Die große Mehrheit der Nutzer nutzt UMTS (3G) als mobile Datenverbindung. Die Mobilfunkunternehmen bauen gerade den nächsten Standard des Mobilfunks LTE (4G) aus. LTE kann - unter Laborbedingungen - Bandbreiten erreichen, welche die Leistungen der DSL-Anschlüsse, die in der Regel die Grundlage für WLAN-Router bieten, übertreffen. Zusätzlich entlastet ein auf den LTE-Standard aufgerüstetes Mobilfunknetz auch den bisherigen Standard UMTS und wird auch im UMTS-Netz die Leistungen verbessern. Dazu kann jeder Betreiber eines WLAN seinen Nutzern einen Zugangscode aushändigen und sich somit vor den möglichen Folgen von Rechtsverletzungen schützen. Auch CDU und CSU erkennen natürlich das Potenzial offener WLAN-Netze an. Deswegen heißt es auch in unserem Regierungsprogramm "Zugang zum drahtlosen Internet - WLAN-Netz ausbauen. Jeder Vierte greift heute bereits von unterwegs mobil auf das Internet zu. Darin liegt eine große Chance für neue Dienstleistungen und Geschäftsideen. Deshalb wollen wir auch in Deutschland die Voraussetzungen schaffen, damit gerade in den Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar wird. Wir setzen uns dafür ein, gesetzliche Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter zu schaffen." Wir werden also in der nächsten Legislaturperiode sicher wieder über das Thema beraten, aber Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. Ob die pauschale Haftungsfreistellung aller WLAN-Betreiber der richtige Weg zum Ziel ist, bezweifle ich. Ich empfehle daher die Ablehnung des Antrags. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Sätze wie "Dem Zugang zu einem freien und leistungsfähigen Internet kommt in der digitalen Gesellschaft grundlegende Bedeutung zu" oder "Drahtlose lokale Netzwerke ... haben sich als Teil der Telekommunikationsinfrastruktur etabliert und ihnen kommt eine wichtige Bedeutung für den flächendeckenden Ausbau kabelloser Zugangsinfrastrukturen zu" sind natürlich unstrittig und würden auch von mir unterschrieben werden. Warum machen Sie von der SPD aber aus den sich erfolgreich ausbreitenden WLAN-Angeboten gleich wieder ein Problem, wo gar keines existiert? Nur um einmal wieder ein Thema für einen weiteren überflüssigen Antrag zu modellieren, mit dem wir uns in einer weiteren nächtlichen Plenarsitzung herumschlagen müssen? Und wie können Sie der Bundesregierung und damit der Koalition vorwerfen, wir verhinderten "den weiteren Ausbau von öffentlichen WLAN-Zugängen"? WLAN-Angebote oder Hotspots schießen heute wie Pilze aus dem Boden, mittlerweile nicht nur in den großen Städten, sondern erfreulicherweise auch in den kleineren Städten und Gemeinden. Nicht nur in Berlin errichten zum Beispiel Kabel Deutschland oder die Wall AG immer mehr öffentliche Hotspots für den freien mobilen Internetzugang - 40 sind es heute schon, weitere 60 sind in Planung. In meinem Wahlkreis prüft derzeit die Stadt Neu-Ulm, an welchen Standorten sie eine solche Funkstation etabliert, damit sich Benutzer von Laptops, Smartphones oder Tablets zum Nulltarif ins weltweite Netz einloggen können. Das ist eine tolle Entwicklung, die wir fördern müssen, wo es nur geht. Deswegen haben CDU und CSU auch in ihr Wahlprogramm geschrieben, dass wir in Deutschland die Voraussetzungen dafür schaffen wollen, damit "gerade in den Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar wird." Weiter sichern wir in unserem Programm zu: "Wir setzen uns dafür ein, gesetzliche Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter zu schaffen." Aber wohlüberlegt und nicht überstürzt. Wie aber ist die Rechtslage heute? Kommerziell ausgerichtete Zugangsanbieter sind nach § 8 des Telemediengesetzes für Inhalte und Informationen Dritter sowieso nicht verantwortlich, also nicht haftbar. Anders Privatpersonen, die ihr privates WLAN-Netz Dritten zur Verfügung stellen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 12. Mai 2010 (Aktenzeichen I ZR 121/08 - Sommer unseres Lebens) festgestellt, dass "auch privaten Anschlussinhabern aber eine Pflicht [obliegt,] zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen vor der Gefahr geschützt ist, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden." Zwar muss der private Betreiber eines WLAN-Netzes seine Netzwerksicherheit nicht ständig auf dem neuesten Stand der Technik halten. "Ihre Prüfpflicht bezieht sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen." In diesem Verfahren ging es um einen privaten Inhaber eines WLAN-Netzes, der sein WLAN nicht durch ein Passwort geschützt hatte und damit seine Prüfpflicht im gerade zitierten Sinne verletzt hatte. Der BGH hat hier angenommen, dass der Beklagte - also der private WLAN-Betreiber - "nach den Rechtsgrundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten ... " haftet. Der BGH weiter: "Diese Haftung besteht schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen ist der Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hat der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte [also der WLAN-Betreiber] den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht hat. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehlte." Das ist die Situation bei den privaten Inhabern von WLAN-Netzen. Anders die Störerhaftung von kommerziellen Anbietern von WLAN-Netzen etwa in Cafés, Restaurants oder Hotels. Letzten Endes stehen auch diese Anbieter in einer gewissen Verantwortung gegenüber den Urheberrechtsinhabern etwa von Musiktiteln oder Videofilmen, das aber nur in zumutbarer Weise, und zwar in dem Sinne, wie es das Landgericht Frankfurt am Main in seinem Urteil vom 18. August 2010 (Aktenzeichen 2-6 S 19/09) befunden hat. Das Landgericht urteilt hier, dass eine Abmahnung gegenüber einem Hotelbetreiber unberechtigt ist, wenn der Hotelier sein WLAN verschlüsselt und sicherheitsaktiviert hat und wenn er die Hotelgäste darauf hingewiesen hat - etwa in seinen AGB und/oder durch Aushang im Hotel - , dass die Nutzung des Internets nur unter den gesetzlichen Voraussetzungen erfolgen darf, sprich: zum Beispiel keine illegalen Downloads oder keine Aufrufe von rechtswidrigen Darstellungen bzw. Homepages. Damit ist das Hotel seiner Verantwortung gegenüber Rechteinhabern nachgekommen und aus der Haftung entlassen. Mahnt eine Kanzlei das Hotel trotz solcher Vorkehrungen ab, ist dies als rechtswidriger Eingriff in den Gewerbebetrieb zu werten und die Abmahnung somit unwirksam. Das sind "zumutbare" Vorkehrungen, die jedes Hotel, jedes Café und jeder Gastwirt ohne größeren Aufwand treffen können. Eine weitere Möglichkeit wäre es nach meiner Vorstellung, dass jeder Internetnutzer, der sich in ein öffentliches WLAN-Netz einloggt, vorher ein persönliches Passwort erhält, das er vom WLAN-Betreiber zum Beispiel per SMS zugeschickt bekommt und das nur dieser eine Benutzer verwenden kann. Dann wäre eindeutig, welcher Nutzer in welchem Zeitraum über diesen WLAN-Anschluss im Netz war. Das Problem bei der WLAN-Mitnutzung ist ja, dass ein Urheberrechtsinhaber das Vergehen nur über die IP-Adresse des Anschlusses zurückverfolgen lassen kann. Und das heißt, dass nur nachrecherchiert werden kann, in welchem WLAN-Netz die Straftat stattgefunden hat. Wer das genau war, ist so eben nicht zu ermitteln. Mit einem solchen M-TAN-Verfahren ähnlich wie beim Homebanking wäre genau zurückverfolgbar, wer der Nutzer und Urheberrechtsverletzer zu diesem oder jenem Zeitpunkt war. Sicher: Das bedeutete einen Mehraufwand für den WLAN-Betreiber, der alle Daten der Nutzer im Sinne des § 101 UrhG sieben Tage lang speichern müsste. Nur so ließen sich die Personen ausfindig machen, die nach einer Abmahnung natürlich schon längst über alle Berge sind. Ob man Cafébesitzern, Hotelinhabern und Gastwirten einen solchen Aufwand aufbürden will, gilt es zu diskutieren. Die Rechteinhaber wird es freuen. Darüber hinaus gäbe das eine datenschutzrechtliche Diskussion. Eines wird aber nicht möglich sein: das total offene WLAN für alle, ohne Kontrolle und Rückverfolgbarkeit, und gleichzeitig die "Wahrung der Rechte und Rechtsverfolgungsmöglichkeiten der Inhaber von Urheberrechten und der Funktionsfähigkeit der Strafverfolgung", wie Sie beides gleichzeitig fordern. Da posaunen die Genossen einmal wieder utopische Wunschvorstellungen heraus, ohne abzuwägen, ob das überhaupt realisierbar wäre. Nicht Ihr Antrag ist im Übrigen "ein Beitrag gegen den Abmahnmissbrauch", sondern das von uns zufälligerweise genau am heutigen Tage in dritter Lesung beschlossene und von der Koalition auf den Weg gebrachte Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Nicht wenige Abmahnkanzleien haben sich bekannterweise auf den Internetbereich spezialisiert. Dass auch WLAN-Nutzer in das Visier solcher Geschäftspraktiken kommen, ist klar. Mit dem neuen Gesetz begrenzen wir die Erstattungsfähigkeit von Anwaltsgebühren im Urheberrecht bei Abmahnungen gegenüber Privatpersonen auf einen Regelstreitwert von 1 000 Euro. Das führt dazu, dass Verbrauchern künftig nicht mehr als 155 Euro an Anwaltskosten in Rechnung gestellt werden dürfen. Zu Unrecht bzw. missbräuchlich Abgemahnte haben künftig einen Schadensersatzanspruch. Selbst wenn es also einmal zu einem Abmahnverfahren gegen einen WLAN-Betreiber kommen sollte und ihm Recht zugebilligt wird, sind die Prozesskosten tragbar und treiben den Wirt nicht in den Ruin. Ein "beträchtliches wirtschaftliches Risiko", wie die SPD uns bei dem Thema andichten will, gibt es also so oder so nicht. Also, Genossen, lassen Sie uns lieber "schreiten Seit' an Seit'" beim Ausbau der WLAN-Netze und Hotspots in Deutschland, und machen Sie kein Problem aus konstruierten Wenn-dann-Konstellationen, die sowieso nicht eintreten. Lars Klingbeil (SPD): Die Bilanz dieser Bundesregierung in der Netzpolitik ist verheerend, und die schwarz-gelbe Koalition wird heute leider eine weitere wichtige netzpolitische Chance verstreichen lassen. Wenn die Koalition heute der Beschlussempfehlung folgt, dann wird sie - wider besseres Wissen - unsere Initiative und damit auch die Initiative des Bundesrates ablehnen, die darauf zielt, Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen und die wichtigen Potenziale dieser Technologie für die digitale Infrastruktur zu heben. Dies wäre allerdings dringend geboten; denn bislang liegt dieses Potenzial oft deswegen brach, weil es aufgrund der Rechtsprechung Unklarheiten bei der Reichweite der Haftung von WLAN-Betreibern gibt, wenn diese von ihren Nutzern für Rechtsverletzungen, beispielsweise Urheberechtsverletzungen, genutzt werden. Im Kern geht es also um die Frage, inwieweit WLAN-Betreiber sich auf diese Haftungsprivilegierung des Telemediengesetzes, TMG, berufen können und zugleich entsprechende Pflichten, wie beispielsweise die Wahrung des Telekommunikationsgeheimnisses, einhalten müssen, wenn sie nicht wie professionelle Anbieter von Telekommunikationsanlagen im Sinne des TKG WLAN-Zugänge für die Öffentlichkeit gegen Entgelt, sondern beispielsweise kostenlos anbieten wollen. Für private WLAN-Betreiber hat die Rechtsprechung sehr weitgehende Vorgaben entwickelt. WLAN-Betreiber haften dann auch im privaten Rahmen als Störer für über den von ihnen bereitgestellten Zugang begangene Rechtsverletzungen, wenn dieser nicht nach dem Stand der Technik gesichert ist, Passwortschutz etc. Bei gewerblichen WLAN-Anbietern, zum Beispiel Hotels, Gaststätten etc., ist - anders als bei den "klassischen" Access Providern - diesen Internetzugangsanbietern die Frage der Haftung offensichtlich oftmals unklar, und es ist für die Praxis nicht abschließend geklärt, ob sie sich auf die Haftungsreglungen des Telemediengesetzes berufen können und ob und in welchem Umfang von ihnen auch unter dem Gesichtspunkt der von den Gerichten insbesondere bei Urheberrechtsverletzungen angenommenen "Störerhaftung" Schutzmaßnahmen verlangt werden können. Daher wird befürchtet, dass der Betrieb von öffentlichen WLANs für diese Betreiber ein beträchtliches wirtschaftliches Risiko darstellen kann und zumindest psychologisch so der weitere Ausbau von öffentlichen WLAN-Zugängen durch Private oder öffentliche Stellen behindert wird. Wir haben eine Anhörung hierzu im Unterausschuss "Neue Medien" durchgeführt, und alle geladenen Sachverständigen haben dieses Problem bestätigt und eine gesetzliche Klarstellung angemahnt. Die Bundesregierung teilt diese Auffassung nicht. In ihrer Stellungnahme zu der Entschließung des Bundesrates zur Beschränkung des Haftungsrisikos für Betreiber drahtloser lokaler Netzwerke erklärt die Bundesregierung, dass "die aktuelle Gesetzeslage dem Angebot von WLAN-Anschlüssen zur Nutzung durch Dritte nicht" entgegenstehe und dass sie daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch "keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf zur Verbesserung des Potenzials der Technologie" sehe. Mit dieser Auffassung steht die Bundesregierung zwar allein auf weiter Flur, und dennoch folgen die Koalitionsfraktionen dieser Ansicht und lehnen diese wichtigen Initiativen ab, vermutlich allein deshalb, weil sie von der Opposition kommen. Diese heutige Ablehnung ist nicht nur aus gesellschaftspolitischer und auch aus wirtschaftspolitischer Perspektive nicht ansatzweise nachvollziehbar, heißt es doch im sogenannten Regierungsentwurf von CDU und CSU: "Jeder Vierte greift heute bereits von unterwegs mobil auf das Internet zu. Darin liegt eine große Chance für neue Dienstleistungen und Geschäftsideen. Deshalb wollen wir auch in Deutschland die Voraussetzungen schaffen, damit gerade in den Städten mobiles Internet über WLAN für jeden verfügbar wird. Wir setzen uns dafür ein, gesetzliche Grundlagen für die Nutzung dieser offenen Netze und deren Anbieter zu schaffen." Was sind das denn für Lippenbekenntnisse? Offener können folgenlose Ankündigungen und konkretes politisches Handeln kaum auseinanderfallen. Es ist ein erneuter Beleg dafür, dass wir dringend einen Regierungswechsel brauchen, damit es endlich in der Netzpolitik vorwärtsgeht. Die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" kann man auch als Dokument des netzpolitischen Scheiterns der Bundesregierung lesen. Sie lehnen inzwischen sogar diejenigen Initiativen ab, denen Sie bei der Erarbeitung der Handlungsempfehlungen noch zugestimmt haben, beispielsweise zur Gestaltung der digitalen Infrastruktur. Wir können uns einen solchen Stillstand und regierungsamtliche Untätigkeit nicht länger leisten. Deswegen heißt es im Regierungsprogramm der SPD: "Wir wollen dafür sorgen, dass in öffentlichen Räumen ein Zugang zum WLAN ermöglicht wird. Die SPD wird sich für eine Änderung der WLAN-Betreiberhaftung einsetzen, um mehr Rechtssicherheit für die Anbieter zu schaffen." Dass dies im Unterschied zur schwarz-gelben Koalition keine Lippenbekenntnisse sind, sieht man an der Tatsache, dass wir - wie im übrigen auch beim Thema Netzneutralität oder Breitbandausbau; um nur zwei Beispiele zu nennen - zahlreiche konkrete Initiativen vorgelegt haben, die Sie allesamt als Panikmache, als nicht notwendig, als Überregulierung oder aus welchen Gründen auch immer abgelehnt haben. Die Forderung nach einer Haftungsbeschränkung und der Schaffung von Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter ist richtig und wichtig. Es ist auch klar, dass dies ein rechtlich schwieriges Unterfangen ist. Aber es ist dringend geboten; denn dem Zugang zu einem freien und leistungsfähigen Internet kommt in der digitalen Gesellschaft grundlegende Bedeutung zu. Drahtlose lokale Netzwerke könnten ein wichtiger Bestandteil der digitalen Infrastruktur sein und gerade auch in öffentlichen Räumen einen Zugang zum Internet eröffnen und so die öffentlichen Räume im Netz sicherstellen. Claudia Bögel (FDP): Ganz grundsätzlich gebe ich den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion ja recht: Das Internet gewinnt in rasantem Tempo an Bedeutung. Es gehört inzwischen schon zur alltäglichen Grundversorgung wie Wasser, Strom und das Verkehrsnetz. Denn beim Zugang zum Internet geht es um Teilhabe am öffentlichen Leben und um Kommunikation. Drahtlose Netzwerke können dabei flächendeckenden Zugang zum Internet ermöglichen und die mobile Vernetzung in der digitalen Welt unterstützen. Denn Vernetzung ist eine wichtige Fähigkeit, nicht nur im realen Leben. Die Zahl der drahtlosen Netzwerke hat sich in den letzten Jahren stark erhöht, was den Trend zur Mobilität in der Kommunikation noch einmal unterstreicht. Die SPD fordert in ihrem Antrag nun, dass das Potenzial vorhandener WLAN-Netze stärker nutzbar gemacht werden soll. Dafür soll nach Meinung der SPD-Fraktion das Haftungsrisiko für Betreiber öffentlicher WLANs beschränkt werden. Wir sind uns darin einig, dass drahtlose Netzwerke die kommunikative Teilhabe erhöhen können und somit eine wichtige Rolle in der Wissens- und Informationsvermittlung spielen. Dieses Potenzial kann und sollte sicherlich stärker genutzt werden. Wir unterscheiden uns aber in der Umsetzungsfrage. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, wollen dafür die Gesetzeslage ändern. Wir sind hingegen der Meinung, dass die derzeitige Rechtslage einer stärkeren Verbreitung und intensiveren Nutzung des Potenzials öffentlicher WLAN-Netze nicht entgegensteht. Gesetzliche Maßnahmen sind unserer Meinung nach daher überhaupt nicht erforderlich. Die gegenwärtig geltende Rechtslage spricht aus zweierlei Gründen nicht gegen die weitere Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum: Erstens sind die Betreiber gesicherter WLANs keinem unzumutbaren Haftungsrisiko ausgesetzt. Denn ist das drahtlose Netzwerk angemessen gegen den unbefugten Zugriff Dritter geschützt, kann sich der WLAN-Inhaber bei Rechtsverstößen einer Haftung entziehen. Somit unterwirft die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Betreiber eines privat genutzten WLAN durch die festgelegten Sicherungs- und Belehrungspflichten keinem unzumutbaren Haftungsrisiko. Gesetzlicher Handlungsbedarf existiert daher unserer Meinung nach an dieser Stelle überhaupt nicht. Zweitens sind die Haftungsregelungen auch beim gewerblichen WLAN-Betrieb ausreichend. Das Haftungsrisiko für Betreiber von öffentlichen bzw. gewerblichen drahtlosen Netzwerken, wie beispielsweise Hotspots oder WLANs in Hotels sowie Gaststätten, ist ebenfalls bereits in vernünftigem Maße begrenzt. Die Access Provider, die als Betreiber von WLAN-Netzen Dritten den Zugang zum Internet ermöglichen, sind laut § 8 Abs. 1 Satz 1 des Telemediengesetzes für Rechtsverstöße ihrer Nutzer bzw. Kunden weder schadenersatzpflichtig noch strafrechtlich verantwortlich. Diese Regelung privilegiert denjenigen haftungsrechtlich, der lediglich den technischen Zugang zu einem drahtlosen Netzwerk zur Verfügung stellt. Für die Informationen, die in diesem Rahmen übermittelt werden, ist dieser nicht verantwortlich. Der Begriff des Diensteanbieters ist im entsprechenden § 2 Satz 1 Nr. 2 des Telemediengesetzes sehr weit gefasst. Daher können auch diejenigen WLAN-Betreiber darunter gefasst werden, die über ihr drahtloses Netzwerk Dritten den Zugang zum Internet ermöglichen. Die Haftungsprivilegien für Accessprovider gelten bekanntermaßen jedoch nicht für die Störerhaftung. Deshalb ist die Frage, ob die Betreiber öffentlicher bzw. gewerblicher WLANs als Störer für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer bzw. Kunden zur Verantwortung gezogen werden können, auch noch nicht abschließend höchstrichterlich geklärt. Wir sind aber - wie die Bundesregierung auch - der Meinung, dass die Rechtsprechung diese praxisgerecht entwickeln wird. Das hat auch schon im Falle der privat genutzten drahtlosen Netzwerke sehr gut funktioniert. Wir Liberalen sind dabei zuversichtlich, dass auch im öffentlichen bzw. gewerblichen Bereich eine Balance zwischen den Interessen der WLAN-Betreiber, die verständlicherweise nicht für jeden Rechtsverstoß oftmals völlig fremder Personen haften wollen, und den Ansprüchen der von etwaigen Rechtsverletzungen Betroffenen gefunden wird. Erfreulicherweise ist schon heute eine Tendenz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu erkennen, die störerhaftungsrechtlichen Prüfungspflichten gewerblicher Provider zu begrenzen. Das bestätigt mein Vertrauen in die praxisgerechte Rechtsprechung. Ich möchte auch noch kurz die in der Bundesratsinitiative angesprochene Verringerung der Abmahnungsrisiken der WLAN-Anschlussinhaber ansprechen. Viele Abmahnungen gegenüber gewerblichen WLAN-Anbietern sind durchaus unberechtigt. Diesem Problem wollen wir aber mit einer anderen, vom Telemediengesetz unabhängigen Maßnahme, nämlich dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken, begegnen. Dadurch werden wir zukünftig die Rechtsstellung der Betreiber von WLANs verbessern. Zudem schaffen wir für unberechtigt abgemahnte Anschlussinhaber einen Anspruch auf Ersatz der Kosten, die im Rahmen der Verteidigung ihrer Rechte anfallen. Wir sind überzeugt, dass diese Maßnahmen dazu beitragen, das wirtschaftliche Risiko von WLAN-Betreibern zu verringern und den Ausbau von weiteren drahtlosen Netzwerken voranzutreiben. Ich denke, dass ausreichend klar geworden ist, dass der Verbreitung von WLAN im öffentlichen Raum mit Blick auf die derzeitige Rechtslage nichts im Wege steht. Eine Überregulierung hat selten zum Erfolg geführt, und so halten meine Kolleginnen und Kollegen der FDP-Bundestagsfraktion und ich eine gesetzliche Regelung zur Beschränkung des Haftungsrisikos für WLAN-Betreiber momentan weder für geeignet noch für erforderlich. Ihren Antrag lehnen wir daher ab. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Noch immer sind weite Teile der Bevölkerung von der Nutzung des Internets ausgeschlossen. Nicht wenige können sich einen Internetanschluss einfach nicht leisten. Sie bleiben damit abgeschnitten von all den Möglichkeiten, die das Internet bietet. Besonders für Kinder bedeutet das einen eklatanten Nachteil für ihre Bildungschancen. Wir wollen, dass niemand von der Nutzung des Internets ausgeschlossen wird. Wir wollen, dass es nicht vom Geldbeutel abhängt, ob jemand das Internet nutzen kann oder nicht. Eine Möglichkeit, dies zu realisieren ist die Einrichtung offener WLANs, die von jeder und jedem genutzt werden können. Dies ist in vielen Ländern bereits Realität. In Deutschland hindert vor allem die sogenannte Störerhaftung ein flächendeckendes offenes WLAN. Störerhaftung bedeutet, dass derjenige, welcher sein WLAN nicht oder nur unzureichend schützt und damit für jede Person in der Nähe zugänglich macht, dafür zur Verantwortung gezogen wird, wenn diese Person bei der Verwendung dieses Internetzugangs eine Straftat begeht. Eigentlich klingt dies ziemlich absurd, wurde aber im "Sommer unseres Lebens"-Urteil höchstrichterlich bestätigt. Die Folge ist eine Unsicherheit für Betreiber offener WLANs und eine Ungleichbehandlung von Providern. Während die großen Provider von einer Störerhaftung ausgeschlossen sind, müssen kleine Provider wie Cafés, Hotels oder Privatpersonen stets befürchten, für Straftaten, die andere begehen, belangt zu werden. Das ist absurd und so nicht hinnehmbar. Es wird also Zeit, diese Störerhaftung für alle Betreiber offener WLANs endlich zu beseitigen. Erfreulicherweise hat dies die SPD auch erkannt und einen entsprechenden Antrag eingebracht. Dieser ist jedoch von Lösungsansätzen weit entfernt und stellt lediglich einen Prüfauftrag an die Bundesregierung dar. Das ist uns viel zu wenig! Anstatt die Bundesregierung lediglich dazu aufzufordern, zu prüfen, die Störerhaftung zu beseitigen, brauchen wir konkrete Vorschläge. Zum Glück hat die Digitale Gesellschaft einen solchen Vorschlag unterbreitet, den wir sehr gerne aufgenommen haben. Konkret schlagen wir vor, das Haftungsprivileg von Zugangsprovidern im Telemediengesetz auf gewerbliche und private WLAN-Betreiber auszudehnen. Damit beseitigen wir das absurde Risiko, wegen Straftaten, die andere begehen, haftbar gemacht zu werden. Die Freistellung soll ausdrücklich auch für Unterlassungsansprüche wegen Urheberrechtsverletzungen gelten, die etwa vielen Cafébesitzern infolge der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zusetzen. Oft wird uns entgegengehalten, dass man Betreiber von WLANs nicht von der Haftung ausschließen kann, weil man sonst niemanden für eventuelle Straftaten, die bei der Nutzung dieses WLAN begangen werden, belangen kann. Ja, das ist in der Tat so. Die Frage ist doch aber: Will man eher hinnehmen, dass vielleicht auch einmal eine berechtigte Abmahnung erfolglos bleibt, als dass Menschen für Rechtsverletzungen anderer haften müssen? Ich finde, das kann man hinnehmen. Auch außerhalb des Internets kann man nicht einfach irgendjemanden bestrafen, nur damit jemand bestraft werden kann. Wenn das Ergebnis davon ist, dass wir endlich offene WLANs ermöglichen, ist der Preis nicht zu hoch. Und wenn ein weiteres Ergebnis ist, dass das eh schon absurde Abmahnunwesen eingedämmt wird, dann ist das sogar ein sehr positiver Nebeneffekt. Zum Schluss weise ich darauf hin, dass das Teilen von Internetzugängen keine rein rechtspolitische Frage ist, sondern auch eine netz- und sozialpolitische. Wer sein WLAN anderen zur Mitnutzung zur Verfügung stellt, ist kein potenzieller Verbrecher, sondern tut etwas Gutes. Besonders sozial benachteiligten Bürgerinnen und Bürgern wird mit unserem Entwurf ermöglicht, in einem solidarischen Verfahren einen Internetzugang zu erhalten. Wir werden uns zum Antrag der SPD enthalten, nicht weil wir der Meinung sind, dass Störerhaftung kein Problem darstellt. Das Gegenteil ist der Fall. Wir wollen, dass die Störerhaftung so schnell wie möglich beseitigt wird. Dazu bedarf es konkreter Gesetzesinitiativen. Wir haben eine vorgelegt. Stimmen Sie ihr zu, dann muss die Bundesregierung auch nichts mehr prüfen. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das sogenannte "Sommer unseres Lebens"-Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Mai 2010 hat für eine erhebliche Rechtsunsicherheit gesorgt. In seinem Urteil vertritt der BGH die Auffassung, dass der Betrieb eines offenen WLAN grundsätzliche eine Gefahrenquelle für Rechtsverletzungen durch Dritte darstellt. Demjenigen, der ein WLAN betreibt, legt das Gericht gewisse Pflichten zu dessen Sicherung auf, um hierdurch Rechtsverstöße zu vermeiden. Unterbleiben diese vom Gericht geforderten Sicherungsmaßnahmen, so greift die sogenannte Störerhaftung, um die es hier heute erneut geht. Die Verunsicherung nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs ist groß. Da fuhren Betreiber von Straßencafés ihr Angebot freier WLAN-Netze zurück, und Hotelbetreiber erkundigten sich verunsichert, wie ihre Netze denn nun angemessen zu schützen seien. Menschen, die bislang ihren Nachbarn oder Passanten ihr eigenes WLAN-Netz zur Verfügung stellten, zogen es vor, dies zukünftig nicht mehr zu tun. Der Handlungsbedarf war offensichtlich. Seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs und der daraus resultierenden Rechtsunsicherheit diskutieren wir daher intensiv die Frage, wie der eigentlichen Intention des Gesetzgebers wieder Geltung verschafft werden kann und wie die im Telemediengesetz, TMG, vorgesehenen Privilegierungen so ausgeweitet werden können, dass zukünftig auch die oben genannten Kreise ihre Netze Dritten zur Verfügung stellen können, ohne sich auf rechtlich unsicheres Terrain begeben zu müssen. Kritiker des Urteils des BGH verweisen seit langem darauf, dass sich der Gerichtshof in seinem Urteil nicht mit dem einschlägigen Paragrafen des TMG, dem § 8, beschäftigt hat. Die Ausblendung der dort vorgesehenen Privilegierung durch den Gerichtshof sei vor allem aus dem Grund nicht nachvollziehbar, dass es sich im Zuge der Bereitstellung eines WLAN lediglich um eine Durchleitung, nicht aber um die Speicherung von Informationen bzw. Daten Dritter handele, wodurch auch der Betreiber eines privaten WLAN durchaus als Access Provider angesehen werden könne, auf den dann folgerichtig die gleiche Privilegierung Anwendung finden müsse. Durch dieses Versäumnis des Bundesgerichtshofs sei ein ursprünglich weder im Telemediengesetz noch in der sogenannten E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union vorgesehenes Ungleichgewicht zwischen gewerblichen und privaten Anbietern im Vergleich zu kommerziellen Internetprovidern entstanden. Das alles ist bekannt. Genauso bekannt ist, darauf hatte ich bereits verwiesen, dass das "Sommer unseres Lebens"-Urteil zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit bei den Betreibern öffentlicher WLAN-Netzwerke geführt hat und der Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, der ursprüngliche Intention des Telemediengesetzes wieder Geltung zu verschaffen, groß ist. Um es den Betreibern von Internetcafés und Hotels, aber zum Beispiel auch der Freifunkgemeinde, zu erlauben, anderen Personen auch weiterhin Zugang zu ihren WLAN-Netzwerken anzubieten, erscheint es dringend angeraten, die durch das Urteil hervorgerufene Rechtsunsicherheit zu beheben und die ursprünglich vorgesehene Gleichbehandlung von gewerblichen und privaten Anbietern mit kommerziellen Internetprovidern wiederherzustellen. Hierzu liegen seit nunmehr mehreren Jahren etliche Aufforderungen in Richtung der Bundesjustizministerien vor. Die Ministerin selbst hat den Handlungsbedarf ganz offenkundig ebenfalls erkannt und in dieser Legislatur mehrfach in Aussicht gestellt, im Zuge des "Dritten Korbs" der Urheberrechtsnovelle eine entsprechende rechtliche Klarstellung vorlegen zu wollen. Geschehen ist nichts. Obwohl entsprechende Aufforderungen der Justizministerkonferenz, verschiedener Landesparlamente, des Bundesrates und mehrerer Fraktionen dieses Hauses seit langem vorliegen und alle dasselbe Ziel verfolgen, nämlich die zuständige Bundesjustizministerin dazu zu bewegen, hier endlich für Rechtsklarheit zu sorgen, ist nichts passiert. Es wäre die Aufgabe der Justizministerin gewesen, nach dem "Sommer unseres Lebens"-Urteil des Bundesgerichtshofs die geltende Gesetzeslage so zu präzisieren, dass das Potenzial der zahlreich vorhandenen WLAN-Netze stärker gesellschaftlich nutzbar gemacht werden kann. Die sich hierdurch ergebenden Chancen wurden vergeben. Die liberale Verweigerungshaltung ist auch vor dem Hintergrund, dass die FDP nun in ihrem gerade vorgelegtem Wahlprogramm schreibt, dass sie sich für eine Änderung der Betreiberhaftung einsetzen würde, um so "mehr Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu schaffen", vollkommen unverständlich. Meine Damen und Herren von der FDP, hierzu hatten Sie eine ganze Legislatur Zeit. Ihre Ministerin hat nichts vorgelegt, nicht einmal einen Referentenentwurf. Versuchen Sie doch jetzt nicht, die Menschen für dumm zu verkaufen. Obwohl der Bundesrat die Ministerin gerade noch einmal, rechtzeitig vor Ende der Legislatur, aufgefordert hatte, zu prüfen, inwieweit das Haftungsrisiko für WLAN-Betreiber, zum Beispiel indem die Haftungsbeschränkung für Access Provider gemäß § 8 TMG auf andere WLAN-Betreiber erstreckt wird, beschränkt werden kann, ist rein gar nichts geschehen. Dabei wäre eine solche Klarstellung wirklich überfällig gewesen. Dass es hier letztendlich noch nicht einmal, trotz mehrfacher anderslautender Ankündigungen, gewagt wurde, einen Referentenentwurf vorzulegen, lässt tief blicken und zeigt noch einmal sehr deutlich, wie vergiftet das Klima in dieser Legislatur zwischen den Koalitionspartnern war. Zu dem nun vorliegenden Antrag der SPD habe ich das Wesentliche bereits in der ersten Lesung gesagt. So begrüßenswert der Antrag seiner Intention nach auch ist, so fachlich schlecht ist er leider gemacht. In Ihrer Initiative, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, wird die Bundesregierung "zwecks Erhöhung der Rechtssicherheit und unter Einbeziehung von Zumutbarkeitskriterien" aufgefordert, "Schutzmaßnahmen, die die Betreiber von WLAN-Netzen zur Vermeidung ihrer Verantwortlichkeit für unbefugte Nutzung durch Dritte" zu ergreifen haben, so "zu konkretisieren, dass Betreiber bei Erfüllung dieser Anforderungen ihre WLANs ohne Haftungs- und Abmahnungsrisiken betreiben können". Was genau Sie unter "technischen Maßnahmen" oder "Zumutbarkeitskriterien" verstehen, bleibt indes leider unklar und wird von Ihnen leider nicht weiter ausgeführt. Wenn wir die Intention Ihrer Initiative, die Rechtssicherheit für Anbieter von WLAN-Netzwerken zu erhöhen, auch begrüßen, so fragen wir uns doch, ob Ihnen die möglichen Auswirkungen ihrer Formulierungen bei einer - ob nun bewusst oder unbewusst - falschen Auslegung im Klaren sind. Hierdurch, aber eben auch dem Umstand geschuldet, dass wir mittlerweile ganz erhebliche Zweifel haben, dass eine erneute Formulierung von Prüfbitten in Richtung einer schwarz-gelben Bundesregierung, die ihren Unwillen tätig zu werden doch längst zu Protokoll gegeben hat, tatsächlich zielführend ist, erscheint uns zumindest fraglich, ob die Initiative letztendlich ihr eigentliches Ziel, einen Beitrag zur Verminderung der Rechtsunsicherheit für private und gewerbliche Betreiber von WLAN-Netzen und einen verbesserten Zugang für Dritte zu leisten, zu erreichen tatsächlich im Stande ist. Nun kann man sicher die Meinung vertreten, dass eine weitere Aufforderung in Richtung Bundesregierung auch nicht schaden kann. In diesem Fall haben wir da aber unsere erwähnten Zweifel. Erstens wollen wir es vermeiden, dass durch unklare Rechtsbegriffe Dosen geöffnet werden, die lieber verschlossen bleiben sollten, und zweitens wissen wir doch alle, dass diese Bundesregierung, die im Bereich des Urheberrechts rein gar nichts auf den Weg gebracht hat, die den "Dritten Korb" längst abgeblasen hat, auch hier keine Regelung mehr vorlegen wird. Wir halten, auch das haben wir in diesem Haus schon zum Ausdruck gebracht, die Frage, wie es gelingt, gemeinsam eine Regelung vorzulegen, die imstande ist, die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen und so für einen tatsächlich besseren Zugang zum wichtigsten Kommunikationsraum unserer Zeit zu sorgen, bei allem Verständnis für den nun tatsächlich beginnenden Wahlkampf für zu wichtig, um sie hier anhand einer solch unkonkreten Vorlage in der letzten Sitzungswoche dieser Legislatur durchzuwinken. Daher sage ich im Namen meiner Fraktion und in der Hoffnung, dass ich hiermit auch in den anderen Fraktionen auf Zustimmung treffe, dass es unser aller Anliegen sein sollte, dieses Thema gleich zu Beginn der nächsten Legislatur, ganz egal wer dann regiert, gemeinsam ganz oben auf die Agenda zu setzen und anhand einer konkreten Gesetzesvorlage zu diskutieren. Eine solche Gesetzesvorlage liegt ja bereits in Form einer konkreten Ausarbeitung der "Digitalen Gesellschaft" vor. Diese Initiative aus der Mitte der Zivilgesellschaft begrüßen wir ausdrücklich und finden, auch das sagen wir hier gerne noch einmal in aller Deutlichkeit, absolut nichts Verwerfliches daran, eine solche Vorlage als Diskussionsgrundlage zu nehmen - ganz im Gegenteil. Ziel ist und bleibt, privaten Nutzern, aber auch Betreibern von Cafés und Geschäften sowie Freifunkinitiativen die Möglichkeit zu eröffnen, ihre Netze anderen Personen zur Verfügung zu stellen, ohne dabei weitreichende Haftungsrisiken in Kauf nehmen zu müssen. Die haftungsrechtliche Gleichstellung von Bürgerinnen und Bürgern und Gewerbetreibenden mit kommerziellen Internetprovidern ist überfällig. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13793, den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/11145 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Regierungsfraktionen haben dafür gestimmt, die SPD-Fraktion hat dagegen gestimmt; Linke und Grüne haben sich enthalten. Zusatzpunkt 15: Beratung des Antrags der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dirk Fischer (Hamburg), Ulrich Lange, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Oliver Luksic, Petra Müller (Aachen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Stärkung des Ausbaus von grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen - Drucksache 17/14140 - Die Reden sind mit Ihrem Einverständnis zu Protokoll genommen.29 Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag auf Drucksache 17/14140. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen bei Enthaltung der Opposition angenommen. Zusatzpunkt 16: Beratung des Antrags der Abgeordneten Arnold Vaatz, Dirk Fischer (Hamburg), Jürgen Klimke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Torsten Staffeldt, Dr. Christel Happach-Kasan und der Fraktion der FDP Die Elbregion mit einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept ökologisch und ökonomisch weiterentwickeln - Drucksache 17/14112 - Die Reden sind zu Protokoll gegeben.30 Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag auf Drucksache 17/14112. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 49: Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Raju Sharma, Jan Korte, Petra Pau, weiteren Abgeordneten und der Fraktion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Staatsleistungsablösegesetz - StAblG) - Drucksache 17/8791 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/13156 - Berichterstattung: Abgeordnete Beatrix Philipp Dr. Dieter Wiefelspütz Dr. Stefan Ruppert Raju Sharma Wolfgang Wieland Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Beatrix Philipp (CDU/CSU): Ende Februar dieses Jahres haben wir uns bereits in diesem Hause im Rahmen der ersten Lesung mit dem Entwurf eines Staatsleistungsablösegesetzes, wie ihn die Fraktion Die Linke vorschlägt, auseinandergesetzt. Insofern kann ich mich heute kurz fassen, denn die intensiven und tiefen Diskussionen in den Ausschüssen haben unsere Haltung gegen dieses vorgebrachte Staatsleistungsablösegesetz nicht verändert. Sie, meine Damen und Herren von den Linken, glauben, dem Zeitgeist zu dienen, wenn Sie vermeintlich öffentlichkeitswirksam auf angebliche Missstände hinweisen. Denn die Problematik rund um die Umsetzung des Verfassungsauftrages aus Art. 140 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 138 Abs. 1 der Weimarer Reichsverfassung ist seit langem bekannt. Wer sich jedoch ernsthaft und intensiv mit diesem Auftrag auseinandersetzt und Rechtsprechung und Schrifttum verfolgt, wird schnell feststellen, dass auch nach fast 70 Jahren Grundgesetz eine Regelung diesbezüglich nicht ohne Weiteres möglich ist. Eine Regelung, so wie sie die Linken vorsehen, ist jedoch völlig inakzeptabel. Staatsleistungen haben ihren historischen Ursprung in der Zeit der Säkularisierung, geregelt im Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803. 1803 übernahmen die damaligen Landesherren die Verpflichtung, im Gegenzug die Besoldung und Versorgung der Pfarrer sicherzustellen. Es handelte sich also ursprünglich um eine Art Pachtersatzleistung. Staatsleistungen stellen auch heute noch keine Förderung der Kirchen durch den Staat dar. Vielmehr handelt es sich immer noch um die Wiedergutmachung für erlittene Rechtsverluste infolge der säkularisationsbedingten Vermögensverluste der Kirchen. Daher sind Staatsleistungen Ausdruck der Trennung von Staat und Kirche durch die Weimarer Reichsverfassung. Für die vor dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung im Jahre 1919 begründeten Staatsleistungspflichten besteht ein Ablösungsauftrag für den Staat. Gegen das von den Linken vorgelegte Grundsätzegesetz sprechen maßgeblich zwei Aspekte: Erstens hat die Ablösung gemäß Art. 18 Satz 3 des Staatskirchenvertrages vom 20. Juli 1933 zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich, dem sogenannten Reichskonkordat, einvernehmlich mit dem Heiligen Stuhl zu erfolgen. Diese bzw. die Absicht zur Einvernehmlichkeit vermisse ich bei Ihnen, meine Damen und Herren von den Linken, vollends. Zweitens muss die Ausgleichssumme angemessen sein. Die Ablösung hat den Ablösungsberechtigten einen angemessenen Ausgleich für den Wegfall der bisherigen staatlichen Leistungen zu gewähren. So steht es in Art. 18 Satz 3 des Reichskonkordates. Da diese Ablösung in Form der endgültigen einseitigen Aufhebung der Staatsleistungen eine erhebliche Einmalleistung bedeuten würde, ist es bisher nicht dazu gekommen, und es hat immer wieder Lösungen auf freiwilliger, einvernehmlicher Basis gegeben. Ein Bundesgesetz würde für alle - Bund und Län-der - eine hohe Kostenbelastung bedeuten. Das kann bei der derzeitigen Haushaltslage - welche sich nach dem Hochwasser nochmals verschärft hat - niemand ernsthaft wollen; denn nach derzeitigen unabhängigen Schätzungen ist von einer Größenordnung von bis zu 115 Milliarden Euro auszugehen. Selbst bei sprudelnden Steuereinnahmen wird dies für den Bund und erst recht für die Länder gar nicht infrage kommen. Auch die Verhältnismäßigkeit muss gewahrt bleiben. Im Verhältnis zwischen den einzelnen Bundesländern und den Kirchen tat und tut sich einiges - anders als hier im Gesetzentwurf formuliert wird. Denn unabhängig von der Verpflichtung aus Art. 138 Weimarer Reichsverfassung haben bereits zahlreiche Bundesländer vertragliche Regelungen gegenüber den Religionsgemeinschaften für eine Ablösung der Staatsleistungen getroffen. Hier seien die Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und Baden-Württemberg aus dem Jahre 2007, der Vertrag von 2009 mit Schleswig-Holstein und der Vertrag mit Nordrhein-Westfalen mit etwa 21 Millionen Euro nur beispielhaft erwähnt. Staatsleistungen stellen auch heute keine Förderung der Kirchen durch den Staat dar. Vielmehr handelt es sich um die Wiedergutmachung für erlittene Rechtsverluste infolge der säkularisationsbedingten Vermögensverluste der Kirchen aus den Jahren 1803 durch den Reichsdeputationshauptschluss. Ich sage noch einmal: Staatsleistungen sind nur ein Teil der kirchlichen Einnahmen. Nicht zu den Staatsleistungen gehören daher Kostenerstattungen aus staatlichen Mitteln an die Kirchen für die gleichzeitige Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, wie zum Beispiel den Betrieb von Kindergärten, Altenheimen und Krankenhäusern. Ebenfalls ist die Kostenübernahme für Maßnahmen im Bereich gemeinsamer Angelegenheiten von Staat und Kirche (Religionsunterricht, Seelsorge in der Bundeswehr, Gefängnisseelsorge und andere Formen der Anstaltsseelsorge) keine Staatsleistung. Die teilweise Kostenübernahme beruht in diesen Fällen darauf, dass der Staat Träger der betroffenen Anstalten und Einrichtungen ist und dort die Religionsfreiheit nach Art. 4 bzw. den Religionsunterricht als Teil auch des staatlichen Bildungsauftrags nach Art. 7 des Grundgesetzes gewährleistet. Die finanziellen Beiträge der Kirchen in diesen Bereichen sind beträchtlich und wichtig, um letztlich religiöse und gesamtgesellschaftliche Aufgaben zu erfüllen. So hatte das Institut für Wirtschaft und Gesell-schaft Bonn e. V. dazu geschätzt, dass die ehrenamtlichen Tätigkeiten durch kirchliche Träger den Staat und damit die Gesellschaft jährlich um circa 11 Milliarden Euro entlasten. Es ist durchaus im staatlichen Interesse, wenn die Kirchen einen letztlich - nach meiner Überzeugung - schlicht unersetzlichen, historisch tief verwurzelten Beitrag für die ethische Orientierung und nicht zuletzt auch für das Gemeinwohl in unserem Land leisten. Der Staat, und zwar gerade der weltanschaulich neutrale Staat, muss - neben der Frage des Werteerhalts - ein starkes Interesse an leistungs- und handlungsfähigen Kirchen haben. Wir haben im vergangenen Jahrhundert zwei Diktaturen in Deutschland erlebt. Beide waren geprägt von der Ideologisierung des Menschen. Beide hatten den Anspruch, Wahrheitsfragen mit ihrer Weltanschauung - und nur mit dieser - zu beantworten. Ich, die in dem freien Teil Deutschlands aufwachsen durfte, lernte zwar, dass das Grundgesetz eine gewisse Werteordnung vorgibt, aber auch, dass es nicht gleichzeitig den Anspruch erhebt, auf alle Fragen des Menschseins eine Antwort geben zu müssen. Der Staat kann und darf die existenziellen Fragen nach Wahrheit, dem Sein, dem Lebenssinn und Gott nicht beantworten. Sie müssen aber diskutiert und beantwortet werden. Nur so kann Gewissensbildung geschehen. Nur so können ethische Leitplanken erneuert und gegebenenfalls korrigiert werden. Kurzum: Nutznießer des Staatskirchenrechts ist neben der Kirche auch der Staat - also wir. Abschließend: Es spricht alles dafür und nichts dagegen, im Bereich der Staatsleistungen auf freiwillige, den Einzelfragen angemessene Lösungen zwischen den Beteiligten zu vertrauen. Daher folgen wir der Beschlussempfehlung des Innenausschusses und lehnen den vorgelegten Gesetzentwurf ab. Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Der Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke über die Grundsätze zur Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften (Bundestagsdrucksache 17/8791) wird von der SPD-Bundestagsfraktion abgelehnt. Die Argumente, die die Ablehnung des Gesetzentwurfs zwingend stützen, sind bereits in der ersten Lesung des Entwurfs am 28. Februar 2013 vorgetragen worden. Auf diese Debatte verweise ich. Es mag durchaus verdienstvoll sein, dass mit dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf einen seit Jahrzehnten nicht erfüllten Verfassungsauftrag aufmerksam gemacht wird. Nach Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung ist der Bund verpflichtet, ein Grundsätzegesetz über die Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgesellschaften zu erlassen. Diesem Verfassungsauftrag muss der Gesetzgeber nachkommen. Die Lösung, die mit dem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke vorgeschlagen wird, ist allerdings nicht überzeugend. Bereits die vorgesehene Ablösungssumme ist nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus wird der Gesetzentwurf der differenzierten Situation in den Ländern im Hinblick auf die Staatsleistungen an Religionsgesellschaften nicht gerecht. Nachdem ein eindeutiger Verfassungsauftrag seit mehr als 90 Jahren nicht erfüllt wird, ist es vielmehr sachgerecht, einen Diskussionsprozess, an dem Bund, Länder und Religionsgemeinschaften beteiligt sind, einzuleiten, um eine faire gesetzliche Regelung vorzubereiten. Dr. Stefan Ruppert (FDP): Vielen Dank für Ihren Antrag, liebe Linke, aber er nutzt nichts. Mit Ihrer Gesetzesinitiative können wir die Staatsleistungen nicht ablösen. Bereits der erste Absatz der Begründung verrät Ihre tief laizistische Motivation. Unser bewährtes Religionsverfassungsrecht ist traditionsgesättigt, aber nicht überkommen. Es besteht eine kooperative, den Religionsgemeinschaften zugewandte positive Neutralität unter Wahrung der Parität. Eine "regulierte Selbstregulierung" ist der modernere Ansatz im Vergleich zu laizistischen Trennungssystemen wie in Frankreich. Wir wollen den Kirchen nicht die finanzielle Grundlage für ihre Existenz und sozial-caritative Tätigkeit nehmen. Die Wiedergutmachung für Enteignungen hat nichts mit der Trennung von Staat und Kirche zu tun, wie Sie auf Seite 2 behaupten. Diese Trennung kann im Übrigen auch dann fehlen, wenn der Staat Kirchenenteignungen nicht kompensiert, wie wir aus anderen europäischen Ländern - skandinavische Staaten, aber auch Russland - wissen. Länder wie Tschechien haben erst vor kurzem eine umfassende Entschädigungsregelung für Enteignungen kirchlichen Eigentums beschlossen. Die Weimarer Reichsverfassung enthält in Art. 138 Abs. 2 nicht nur das Ablösungsgebot, sondern auch eine Garantie des kirchlichen Eigentums, die wir als Gesetzgeber nicht antasten dürfen; denn sie ist ein Ausdruck der kollektiven Religionsfreiheit. Religionsfeindliche Töne sind gleich am Anfang der Begründung des Antrags zu vernehmen. Auf Seite 4 steht: "Grundsätzlich verstoßen daher alle Leistungen, die bestimmte Religionsgesellschaften privilegieren, gegen die Verfassungsgrundsätze der Trennung von Staat und Kirche sowie der Verpflichtung des Staates zur Neutralität und Parität." Ist das dahin gehend zu deuten, dass die Linke demnächst auch einen Antrag gegen die Staatsleistungen an den Zentralrat der Juden - es sind 10 Millionen Euro bei insgesamt Hunderttausend Mitgliedern der jüdischen Religionsgemeinschaft - stellt? Oder ist die Linke auch gegen die jährliche Zuwendung des Landes Berlin an die Jüdische Gemeinde zu Berlin in Höhe von 5 Millionen Euro? Nach dieser Logik darf der Staat auch keine Lehrstühle für islamische Theologie an staatlichen Hochschulen zulassen; denn dies verstößt gegen Ihr so formuliertes Trennungsverständnis. Der Aufstellung des Grundsätzegesetzes, also der Erfüllung des verfassungsrechtlichen Auftrags durch den Gesetzgeber, sollte eine gründliche Vorarbeit vorausgehen. Wenn wir als Bund die Länder verpflichten wollen, immense Entschädigungszahlungen - das Zehnfache des Jahresbeitrages - auf einmal zu ermöglichen, so müssten wir mit ihnen, den Ländern, vorher ins Gespräch über die Modalitäten dieser Ablösung kommen. Aber wen wir unvermeidlich fragen müssen, ob sie mit der vorgeschlagenen Regelung der Ablösung einverstanden sind, das sind die Kirchen selbst als Betroffene. Eine einseitige Ablösung ohne die Kirchen oder gar gegen die Kirchen ist mitnichten die Intention der Väter und Mütter der Weimarer Verfassung gewesen. Sie ist auch heute nicht gerichtsfest. Die Kirchen haben längst das Signal gegeben, dass sie sich einem Gespräch über eine einvernehmliche Ablösung der Staatsleistungen nicht verschließen. Wir haben somit eine gute Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Kirchen und sollten diese nutzen, zumal die Staatsleistungen 2 bis 3 Prozent des kirchlichen Haushalts ausmachen. Ein Ablösegesetz sollte der Abschluss einer umfassender Rekapitulation und Aufarbeitung der altrechtlichen Staatsleistungen in jedem einzelnen Bundesland sein und nicht am Anfang stehen. Das muss Herr Sharma wissen, wenn er Friedrich Naumanns Wort "Inventur" in den Mund nimmt. Möglicherweise benötigen wir ein Gremium, das aus Bund, Ländern, Kirchen und Kommunen besteht und die Grundsätze für die Ablösung unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede ausarbeiten würde. Es geht um quantitative, aber auch um qualitative Fragen, die offen sind, etwa um die Fragen, ob kommunale Staatsleistungen vom Grundsätzegesetz erfasst werden sollen und wie etwa mit den Baulasten zu verfahren ist. Auch die Linke hat hierzu keinen Überblick. Die pauschal angegebenen 460 Millionen Euro sind äußerst zweifelhaft; denn die Zusammensetzung dieses Beitrags ist nicht ersichtlich. Die finanziellen und volkswirtschaftlichen Herausforderungen, welche diese Einmalzahlung für die Länderhaushalte bedeuten würde, müssen ebenfalls bedacht werden. Obwohl in Ihrem Antrag eingangs eine begriffliche Abgrenzung der altrechtlichen Staatsleistungen von anderen staatlichen Zuwendungstiteln vorgenommen wird, werden dort ständig die beiden Kategorien vermischt. Was die sogenannten negativen Staatsleistungen, etwa Steuer- und Gebührenbefreiungen, in diesem Antrag zu suchen haben, ist ebenfalls unklar. Hinzu kommt, dass in einer Reihe von Bundesländern die altrechtlichen Staatsleistungen eine neue rechtliche Grundlage in Landeskirchenverträgen erhalten. Wie mit diesen weiter zu verfahren ist, verrät die Linke nicht. Es stimmt außerdem nicht, dass ohne ein Grundsätzegesetz keine Ablösung vor Ort möglich ist. Von "Sperrwirkung", wie Sie schreiben, kann in der Realität keine Rede sein. Wir haben sehr gute Beispiele einvernehmlicher Lösungen in den Ländern. Auch auf Bundesebene hat es bereits vor dem Antrag der Linken eine Ablösung gegeben. Aus dem Haushalt des Bundes wurden bis vor 20 Jahren Staatsleistungen aufgrund alter Rechtstitel geleistet. Die letzten Staatsleistungen, die aus dem Bundeshaushalt gezahlt wurden - aus Rechtstiteln in der Nachfolge des Landes Preußen -, wurden Mitte der 90er-Jahre im Einvernehmen mit der evangelischen und katholischen Kirche eingestellt. Die Staatsleistungen stellen keine "Bevorzugung der Kirchen gegenüber anderen Bekenntnisgemeinschaften und nichtreligiösen gesellschaftlichen Gruppen" dar, wie der Antrag auf Seite 2 sagt. Es sind, wie der Antrag einräumt, fortlaufende, regelmäßig wiederkehrende Kompensationszahlungen der Länder und der Kommunen, welche die Kirchen für Enteignungen im 19. Jahrhundert entschädigen. Altes Recht ist nicht gleich ungültiges Recht. Es ist auch falsch, dass Weltanschauungsgemeinschaften und nichtreligiöse gesellschaftliche Gruppen keine staatlichen Zuwendungen bekommen. Das Land Berlin fördert beispielsweise den Humanistischen Verband Deutschlands, HVD, und zwar so, dass die Religionsförderung pro Mitglied des HVD deutlich höher als die der katholischen und evangelischen Kirche in der Hauptstadt ist. Unser Religionsverfassungsrecht ist nicht diskriminierend. Weltanschaulicher Wettbewerb, um linke Terminologie zu verwenden, findet ungestört statt. Dass die Linke Zitate aus einer Ansprache, die Papst Benedikt XVI. vor zwei Jahren an engagierte Katholiken aus Kirche und Gesellschaft in Freiburg richtete, anführt, um für ihren laizistischen Vorstoß zu werben, zeigt den Argumentationsmangel dieses Antrags. Ich versichere Ihnen, der Papst fordert mit dieser Aussage definitiv keine einseitige Ablösung der Staatsleistungen und schon gar nicht in der Form, in der Sie dies machen. Der Antrag ist abzulehnen; denn er schafft keine Klarheit, sondern sorgt für Rechtsunsicherheit. Raju Sharma (DIE LINKE): Die Linke hat einen Gesetzentwurf zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen ins Parlament eingebracht, über den heute in zweiter und dritter Lesung beraten wird. "Lesung" ist dabei - im Gegensatz zu "Parlament" - durchaus wörtlich zu nehmen, denn anders als das Wort Parlament vermuten lässt, werden die "Reden" zu diesem Tagesordnungspunkt nicht gesprochen, sondern - wie bei weiteren 55 Tagesordnungspunkten in dieser Sitzungswoche - "zu Protokoll" gegeben. "Parlament als Farce" hat Heribert Prantl diese Praxis, die im Bundestag längst keine Ausnahme mehr darstellt, in der "Süddeutschen Zeitung" genannt. Da ist was dran. Für diejenigen, die sich nicht kurzfassen können oder wollen, haben derart ungehaltene Reden zumindest den Vorteil, dass die Lektüre durchaus etwas länger dauern darf, als die nach der Geschäftsordnung zugeteilte Redezeit dies ausweist. So bleibt hier ausreichend Platz, mich bei dieser, meiner letzten Rede im Bundestag, angemessen zu bedanken: bei den Protokollantinnen und Protokollanten des Deutschen Bundestages, die manchen parlamentarischen Ausführungen erst den Sinn geben, der ihnen womöglich zugedacht war, bei den Kolleginnen und Kollegen vom Plenardienst, die den Abgeordneten am Rednerpult und in den vordersten Reihen jederzeit das Wasser reichen können - und dies auch tun -, bei den Beschäftigten des Deutschen Bundestages außerhalb des Plenarsaals, ohne deren vielfältige Unterstützung die Arbeit im Plenarsaal so nicht möglich wäre, beim Bundestagspräsidium für die faire, freundliche und umsichtige Sitzungsleitung, bei den Abgeordneten aller Fraktionen für Redebeiträge, Beifall, Missfallensbekundungen und - zahlreiche - Zwischenrufe, die eine Plenardebatte erst lebendig machen, bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meiner Fraktion und in meinem Abgeordnetenbüro, allen voran bei meinem Büroleiter Mark Seibert. Zur Sache: Der Bundestag hat sich am 28. Februar 2013 erstmals mit dem Gesetzentwurf der Linken zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen befasst. Dabei geht es um finanzielle Zuwendungen, die aufgrund historischer Begebenheiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden sind und die laut Verfassung schon längt abgegolten sein sollten. Dennoch zahlen die Länder jährlich rund eine halbe Milliarde Euro an die Kirchen. Die Linke will dies beenden, aus Achtung vor dem Grundgesetz und zur Entlastung der Länderhaushalte. Dass bisher keine andere Fraktion im Deutschen Bundestag einen entsprechenden Vorstoß unternommen hat, ist das eine. Dass alle anderen Fraktionen den von der Linken vorgelegten Gesetzentwurf abgelehnt haben, überrascht ebenfalls nicht besonders. Dass aber - mit Ausnahme von Bündnis 90/Die Grünen - keine der anderen Fraktionen auch nur bereit war, im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss nach möglichen Alternativen zu suchen, ist armselig. So bleibt dieser - eindeutige, unmissverständliche und verbindliche - Verfassungsauftrag aus dem Jahr 1919 auch in dieser Wahlperiode unerfüllt. Was aber auch bleibt, ist die Hoffnung. In den Divyavadana, den "göttlichen Geschichten" des indischen Buddhismus, heißt es: "Nicht in alle Ewigkeit geht, was wir getan, zugrunde. Alles reift zu seiner Zeit und wird Frucht zu seiner Stunde." In diesem Sinne, auf ein Neues. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Thema der Ablösung der Staatsleistungen muss und sollte mit der gebotenen Ruhe und Umsicht behandelt werden. Leider hat die Linksfraktion erst kurz vor Ablauf der Wahlperiode ihren Gesetzentwurf eingebracht, was - vorsichtig ausgedrückt - Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieses Anliegens aufkommen lässt. Deshalb haben wir auch einer kurzfristig noch anzuberaumenden Anhörung zum Gesetzentwurf der Linken nicht zugestimmt; die Experten hätten uns die von uns gesehenen offenkundigen Mängel der Vorlage aber sicher bestätigt. In dieser Wahlperiode können wir dieses Thema nicht mehr sinnvoll parlamentarisch zum Abschluss bringen. Angesprochen sind nur die sogenannten altrechtlichen Staatsleistungen. Dies wird im Gesetzentwurf richtig unterschieden. Denn dem Staat ist es nicht verwehrt, neue Staatsleistungen zu begründen. Dies hat der Bundestag getan, indem er mit dem Zentralrat der Juden einen Staatsvertrag abgeschlossen hat, der unter anderem die Gewährung von Staatsleistungen in Höhe von 10 Millionen Euro pro Jahr zur Förderung jüdischen Lebens in Deutschland vorsieht. Diese Zahlungen - das möchte ich betonen - sind nicht Gegenstand des aktuellen Gesetzentwurfes. Deshalb hinterlässt es mich ratlos, mit welcher Vehemenz in der Begründung das - völkerrechtlich verpflichtende - "Einvernehmen" mit dem Heiligen Stuhl abgelehnt wird. Entgegen der Argumentation der Linksfraktion ist es nicht in erster Linie eine rechtliche Frage, sondern eine Frage guter Staatspraxis, dass man mit den Betroffenen einer Regelung so weit wie möglich Einigkeit erzielt. Im Übrigen ist auch nicht erkennbar, dass sich die katholischen Bistümer wie auch die evangelischen Landeskirchen einer solchen Verhandlung entziehen würden. Insofern geht die Linke von einer Frontstellung aus, die gar nicht existiert. Inhaltlich genügt der Gesetzentwurf nicht den Ansprüchen, die an ein solches Gesetz gestellt werden müssen. Dies möchte ich anhand eines der wenigen einschlägigen Aufsätze, von Professor Dr. Heinrich Amadeus Wolff aus der Festschrift Badura von 2004, begründen und aufzeigen, wo die Probleme der Ablösung liegen und warum die Lösung der Linksfraktion dem nicht gerecht wird. Wolff schreibt: "Objekt des Grundsätzegesetzes sind die Ablösungsgesetze, nicht die Ablösung selbst." Mögliche Gegenstände seien etwa: Grundsätze des Ablösungsverfahrens, Kriterien für die Abgrenzung der ablösungspflichtigen von den nicht ablösungspflichtigen Staatsleistungen, die Wertermittlung, die Art des möglichen Wertausgleichs. Diese Aufzählung ist unvollständig, aber es wird bereits deutlich: Der vorliegende Entwurf beschäftigt sich mit keiner dieser Fragen. Interessant ist dabei, dass ein Grundsätzegesetz Angaben zur Wertermittlung der Staatsleistungen beinhalten sollte. Insofern müsste der allererste Schritt darin bestehen, den Wert und die Höhe der Ablösungszahlung zu ermitteln. Im Gesetzentwurf der Linken steht davon kein Wort. "Hinsichtlich der Dichte der bundesgesetzlichen Vorgaben", schreibt Wolff weiter, "muss der Gesetzgeber zwei Aspekte beachten: Erstens spricht die Verfassung von ,Grundsätzen', zweitens sind die Grundsätze an den Landesgesetzgeber gerichtet und müssen demnach einer Ausfüllung in genereller Art zugänglich und der Regelungsautonomie eines Gesetzgebers würdig sein." Beides erfüllt der vorliegende Gesetzentwurf unserer Meinung nach ebenfalls nicht. Denn die einzige Autonomie der Landesgesetzgebung besteht darin, die Zahl und Höhe der Raten zu bestimmen, nach denen die Ablösung zu erfolgen hat. Dazu aber braucht es im Grunde kein Parlament; denn das kann auch eine Verwaltungseinheit auf Basis ihrer Finanzplanung leisten. Ich betone, dass man mit der Ansicht dieses Staatsrechtlers nicht übereinstimmen muss. Aber es zeugt schon von großer Ignoranz, die komplexe Debatte mit all ihren Fragen und Problemen nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, weil sie nicht zur eigenen ideologischen Linie passt. Zur Reduktion dieser Komplexität und für mögliche Ideen auf dem Wege zu einer verfassungsfesten Ablösung, die sowohl die Kirchen als auch die Länder guten Gewissens mittragen können, hat dieser Gesetzentwurf denn auch keinen Beitrag geleistet. Aus einer Sachfrage, die für sich genommen kompliziert genug ist, macht die Linke ein Kulturkampf-instrument. Das ist der Sache der Ablösung weder angemessen, noch dient dieses Vorgehen dem gesellschaftlichen Frieden. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf weiterhin ab. Es bleibt dabei: Nur im Dialog mit den betroffenen Kirchen und den Bundesländern kann diese Debatte sinnvoll geführt werden. Das strebt meine Fraktion für die Zukunft an. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13156, den Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/8791 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung gegen die Stimmen der Linken mit den Stimmen des Hauses im Übrigen abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Zusatzpunkt 17: Beratung des Antrags der Abgeordneten Ingo Gädechens, Gero Storjohann, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Rainer Brüderle, Torsten Staffeldt, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung gewährleisten - Drucksache 17/14113 - Die Reden sind zu Protokoll gegeben.31 Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag auf Drucksache 17/14113. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 50: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Memet Kilic, Josef Philip Winkler, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Das Kindernachzugsrecht am Kindeswohl ausrichten - Drucksachen 17/12395, 17/13801 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Memet Kilic Wie in der Tagesordnung ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Michael Frieser (CDU/CSU): Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vertritt die Ansicht, der Kindernachzug werde durch die Rechtslage in Deutschland erschwert, und fordert in ihrem Antrag, die Nachzugsbedingungen für über 16-Jährige abzuschaffen. Der Kindernachzug ist ein wichtiges Thema, dem der vorliegende Antrag jedoch nicht gerecht wird, weswegen er abzulehnen ist. Die Forderung, die Integrationsbedingungen für über 16-jährige Kinder beim Nachzug aufzuheben, entspricht keineswegs dem Kindeswohl. Die Nachzugsbedingungen für Kinder ab dem Alter von 16 Jahren sind keine Schikanen, sondern gewährleisten, dass die nachziehenden Jugendlichen nicht in die Perspektivlosigkeit nachziehen. Die aktuelle Rechtslage ist auch nicht familienfeindlich, sondern geht sogar über die Grundsätze der Familienzusammenführungsrichtlinie hinaus, denn diese gestattet grundsätzlich Einschränkungen für Kinder ab 12 Jahren, wogegen die deutsche Regelung erst bei Jugendlichen ab 16 Jahren ansetzt. Die Unterscheidung zwischen jüngeren Kindern und Jugendlichen ab 16 Jahren ist durch die unterschiedlichen Voraussetzungen bei der Zuwanderung begründet. Anders als jüngere Kinder, die auf ihr Elternhaus angewiesen sind und sich schneller an ihr neues Umfeld gewöhnen können, haben sich ältere Jugendliche ab 16 Jahren bereits in ihrer Heimatkultur eingelebt. Je jünger Kinder bei der Einreise sind, desto einfacher fällt ihnen das Erlernen der Sprache des Aufnahmelandes. In der Regel ist ihre Integrationsfähigkeit hoch, da sie bei ihren Eltern in der neuen Kultur aufwachsen. Bei Jugendlichen über 16 Jahren ist die Integrationsfähigkeit dagegen nicht selbstverständlich hoch und bedarf deswegen einer Prognoseentscheidung. Sprachkenntnisse sind der Schlüssel zur Integration, wes-wegen die Forderung von Sprachkenntnissen gerechtfertigt ist. Der Kindernachzug ist aber auch bei noch fehlenden Sprachkenntnissen unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 2 AufenthG möglich, wenn gewährleistet erscheint, dass sich das Kind aufgrund seiner bisherigen Ausbildung und Lebensverhältnisse in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einfügen und sich hier eine Zukunft aufbauen kann. Das Kindernachzugsrecht wird nicht durch die Abschaffung von Nachzugsvoraussetzungen am Kindeswohl ausgerichtet, sondern durch die geforderte positive Integrationsprognose, die verhindert, dass Jugendliche aus ihrer Heimat herausgerissen werden, obwohl die Prognose zeigt, dass sie in Deutschland keine Zukunft hätten. Als Integrationsbeauftragter der CDU/CSU-Fraktion weiß ich, dass Integrationspolitik erfolgreich und praktikabel organisiert werden muss, damit wir zu einem gedeihlichen Miteinander kommen. Wer das nicht tut, wird den Menschen nicht gerecht. Es ist weder für die Zuwanderer noch für das Aufnahmeland praktikabel, die Möglichkeiten für den Zuzug losgelöst von der Möglichkeit einer erfolgreichen Integration zu betrachten. Das Kindeswohl steht für die christlich-liberale Koalition im Fokus. Mit der Einführung eines eigenständigen Aufenthaltstitels für gut integrierte geduldete Jugendliche und Heranwachsende, die sich schon lange in Deutschland aufhalten, erfolgreich die Schule besuchen oder einen Schul- oder Berufsabschluss haben, wurde eine fundamentale humanitäre Verbesserung und Zukunftssicherung ermöglicht. Mit dieser Regelung werden die erbrachten Integrationsleistungen von jungen Menschen entsprechend honoriert. Ihr Aufenthaltstitel ist nicht mehr untrennbar mit dem Schicksal ihrer Eltern verbunden. Gut integrierten Jugendlichen wird eine Perspektive in Deutschland nicht deshalb genommen, weil die Eltern keine Aufenthaltsberechtigung haben. Die Beherrschung der Sprache ist der Schlüssel zu einem selbstbestimmten Leben und wirtschaftlicher Unabhängigkeit. Es wäre deshalb nicht im Interesse der Betroffenen selbst, die Anforderungen an ihre Sprachkenntnisse herabzusetzen. In einer Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration befand von 1 220 befragten Drittstaatsangehörigen in Deutschland, also den Menschen, die von der Regelung betroffen sind, eine Mehrheit von 69,8 Prozent die von den Grünen kritisierten Sprachanforderungen als hilfreich. Nur 3,3 Prozent nahmen an, dass die Anforderungen den neu zuwandernden Familienangehörigen nicht helfe, sich von Anfang an in Deutschland zurechtzufinden. Auch die Kritik an der Prüfung ausländischer Urkunden und der Möglichkeit im Familiennachzugsverfahren, das Verwandtschaftsverhältnis mittels DNS-Test nachweisen zu lassen, zeigt, dass die Verfasser des vorliegenden Antrags nicht mit den tatsächlichen Gegebenheiten und Bedürfnissen der Antragsteller vertraut sind. Der Vorwurf, es würden pauschal Zweifel an der Echtheit von Urkunden geäußert, obwohl die Antragsteller keine Möglichkeit hätten, auf die Zuverlässigkeit des Urkundswesens einzuwirken, zeigt das mangelnde Verständnis für den Sinn und Zweck einer Urkundenprüfung. Es geht bei der Prüfung der Echtheit von Urkunden nicht um ein eventuelles Verschulden der Antragsteller, sondern um die Tatsache, dass es Länder mit gravierenden Mängeln im Urkundswesen gibt, die den Beweiswert der Urkunde tangieren. Für diese Fälle bieten die Auslandsvertretungen im Rahmen der Amtshilfe die Vermittlung eines Urkundenüberprüfungsverfahrens an. Wenn dennoch ein entscheidungserheblicher Nachweis der Abstammung nicht erbracht werden kann, besteht die Möglichkeit eines freiwilligen DNS-Abstammungsgutachtens. Die Forderung, diesen freiwilligen Nachweis nur noch als Ultima Ratio zuzulassen, verkennt, dass in einigen Fällen ein DNS-Beweis für die Betroffenen leichter und schneller zu erbringen ist als die vermeintlich weniger belastenden Beweismittel. Ein Zwang zur Durchführung eines DNS-Abstammungsgutachtens besteht nicht. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der vorliegende Antrag weder die Position der Kinder stärkt noch den praktischen Anforderungen an das Nachzugsverfahren gerecht wird. Er ist deshalb abzulehnen. Rüdiger Veit (SPD): Meiner Ansicht nach benennt der Antrag der Kolleginnen von Bündnis 90/Die Grünen eine Selbstverständlichkeit: Wonach sollte sich das Nachzugsrecht von Kindern orientieren, wenn nicht vorrangig am Kindeswohl? Bei allen Problematiken Kinder betreffend ist die Frage nach ihrem Wohlergehen die grundsätzlich entscheidende. Und es ist ja nicht so, dass dies bislang nun gar nicht vom Gesetzgeber berücksichtigt worden wäre. So wird das Kindeswohl in § 32 Absatz 4 AufenthG als zu berücksichtigendes Kriterium wörtlich genannt. Dennoch gibt es Verbesserungsbedarf. Heute sprechen wir über Verbesserungen für die Nachzugsmöglichkeiten von minderjährigen Kindern ab 16 Jahren zu ihren in Deutschland lebenden Eltern. In meiner Rede anlässlich der ersten Lesung zum vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen habe ich schon einmal unsere Meinung ausführlich dargelegt, tue es aber heute vielleicht etwas kürzer gerne noch einmal. Deutschland ist das einzige europäische Land, das für den Nachzug von minderjährigen 16- und 17-jährigen Ausländern zu ihren Eltern besondere Bedingungen stellt. Dahinter steht die Annahme, dass sich ein Mensch, je jünger er ist, desto schneller wird integrieren können. Zum einen ist und bleibt dies eben eine reine Annahme, zum anderen ist die Einführung dieser Altersgrenze willkürlich: Warum integriert sich ein 15-Jähriger besser als ein 16-Jähriger? Für mich ist ebenso problematisch, dass ein 16-jähriges nachzugswilliges Kind die "deutsche Sprache beherrschen" muss, was laut den Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Aufenthaltsgesetz (AVwA-AufenthG) die Stufe C 1 der kompetenten Sprachanwendung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, GER, bedeutet. Von einem Ausländer, der sich einbürgern lassen möchte, wird demgegenüber jedoch das Sprachniveau B 1 des GER gefordert. Das ist und bleibt ein Wertungswiderspruch, auch wenn es neben dem geforderten Spracherfordernis noch ein anderes Kriterium - günstige Integrationsprognose - für den Nachzug gibt. Im September 2011 hat Deutschland die Neufassung der Qualifikationsrichtlinie mit beschlossen. Eine der dort getroffenen wichtigsten Neuerungen ist die Angleichung des Status von subsidiär Geschützten an den von GFK-Flüchtlingen und Asylberechtigten. Insofern teilen wir weiterhin die Ansicht, dass die Nachzugsansprüche zu subsidiär geschützten Personen denen von GFK-Flüchtlingen angeglichen werden müssen. Es handelt sich hierbei um eine europäische Vorgabe und keinesfalls um die Schaffung eines "Bleiberechts durch die Hintertür" für subsidiär Geschützte, wie die CDU/CSU-Fraktion ihre ablehnende Haltung in den Beratungen im Innenausschuss begründet. Ebenso teilen wir die Meinung der Antragsteller, dass die Nachzugsregelungen zu Ausländern mit einem humanitären Aufenthaltsrecht zu öffnen sind. Viele dieser Menschen sind - anders als angenommen - nicht nur vorrübergehend hier. Auch ihr Recht auf ein Leben im Familienverband wird von Art. 6 GG geschützt. Leider machen die Antragsteller jedoch keinen Vorschlag, wie die Nachzugsregelung - zum Beispiel ob es sich um eine Anspruchs- oder Ermessensnorm handeln soll - konkret ausgestaltet werden soll. Wie in der ersten Lesung des Antrags ausgeführt, halten wir weiterhin die Einschränkung von DNS-Abstammungstests für wünschens- und unterstützenswert. Das Argument der Regierungsfraktionen, dass "in manchen Fällen" ein solcher Abstammungstest für die Betroffenen "leichter und schneller" zu erbringen sei, vermag nicht zu überzeugen; denn der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht eines jeden Menschen ist gravierend. Zudem kann ich nach wie vor nicht erkennen, dass ein DNS-Test aufenthaltsrechtlich notwendig wäre. Schließlich sind wir der Ansicht, dass auch einem getrennt lebenden Elternteil ermöglicht werden muss, sein Kind nachziehen zu lassen, wenn die Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben und der andere Elternteil dem Zuzug nach Deutschland zugestimmt hat. Auch hier muss das Kindeswohl im Vordergrund stehen sowie die Entscheidung beider Eltern, wo das Kind am besten leben soll. Wir werden dem Antrag zustimmen. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Es war die liberale Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die es geschafft hat, dass die Bundesregierung den Vorbehalt zur UN-Kinderrechtskonvention zurückgenommen hat. Insbesondere die Bundesländer hatten sich gegen die Rücknahme gesträubt. Hinweise von grüner Seite zur Beachtung des Kindeswohls brauchen wir daher nicht. Sie haben das in Ihrer Regierungszeit nicht zustande gebracht. Das ist auch bei der Abschaffung der Übermittlungspflichten für Schulen so. Auch hier haben wir das Kindeswohl im Blick. Bildung ist Bürgerrecht. Kinder müssen zur Schule gehen können. Es kann nicht sein, dass Eltern aus Angst vor einer Abschiebung verhindern, dass Kinder in die Schule gehen. Auch hier haben Sie in der rot-grünen Regierungszeit nichts zustande gebracht. Die FDP hat sich dagegen erfolgreich dafür eingesetzt. Die christlich-liberale Koalition hat die Übermittlungspflicht für Schulen und Kindertagesstätten abgeschafft. Hinzu kommt: Wir, die christlich-liberale Koalition, haben ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende geschaffen, von dem auch die Eltern profitieren können. Auch hier gibt und gab es aus Ihren Reihen viele Forderungen und öffentliche Verlautbarungen in den letzten Jahren. Aber hinbekommen hat es die christlich-liberale Koalition. Das ist der Einstieg in ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht. Diese drei Beispiele zeigen bereits: Es waren vier gute Jahre für das Kindeswohl im Ausländerrecht in Deutschland. Sie wollen mit Ihrem Antrag dagegen den Eindruck erwecken, dass das Kindeswohl im deutschen Ausländerrecht nicht beachtet würde. Das ist falsch, und das wissen Sie. Ich möchte nicht verhehlen, dass es auch Aspekte gibt, über die man sich in der nächsten Wahlperiode unterhalten muss. Wie gehen wir mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen um? Wann kann es überhaupt gerechtfertigt sein, Minderjährige in Abschiebehaft zu nehmen? Macht es Sinn, weiter die Verfahrensfähigkeit im Aufenthaltsrecht bei 16 Jahren eintreten zu lassen? Ich verrate kein Geheimnis: Die FDP hat in ihrem Bürgerprogramm klar gefordert, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge erst ab 18 als verfahrensmündig angesehen werden sollen. Ich möchte aber auch sagen: Die Bundesländer können heute bereits viel tun. Hier stehlen Sie von den Grünen sich aus der Verantwortung. Auf Bundesebene große Anträge stellen, aber in den eigenen Landesregierungen die praktische Umsetzung des Ausländerrechts nicht an diesen Forderungen messen: Das geht nicht. Wir hatten eine Anhörung zu eben diesem Thema: Ist das Ausländerrecht konform mit der UN-Kinderrechtskonvention? Wie meistens kann auch bei diesem Thema jeder sein Wunschergebnis aus der Anhörung ziehen. Aber uns hat es überzeugt, als festgestellt wurde, dass es nicht sinnvoll ist, im Ausländerrecht das Kindeswohl besonders zu verankern. Der Grund dafür ist einfach: Das Kindeswohl ist überall, in jedem Rechtsbereich und nicht nur im Ausländerrecht, zentral zu berücksichtigen. Was wäre denn die Folge, wenn Sie es im Ausländerrecht explizit erwähnten, aber in anderen Rechtsgebieten nicht? Heißt das, dass für Sie nur dort das Kindeswohl zur Anwendung kommen soll? Das möchte ich Ihnen nicht unterstellen. Und auch beim Kindernachzug haben wir, die christlich-liberale Koalition, gerade vor ein paar Monaten Verbesserungen vorgenommen. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern haben wir Erleichterungen geschaffen. So ist in Zukunft der Nachzug zu einem Elternteil möglich bei gemeinsamer Personensorge, wenn der andere Elternteil zustimmt. Wir brauchen eine Kultur der Anerkennung für diejenigen Zuwanderer, die die Integration in Deutschland geschafft haben. Wir halten integrierte Zuwanderer mit ihren Erfahrungen für eine große Bereicherung unserer Gesellschaft. Wir beglückwünschen diejenigen, die sich erfolgreich integriert haben. Sie können stolz auf ihre Leistung sein, und wir sind dankbar und stolz, dass sie sich für Deutschland entschieden haben. Das ist der Unterschied zwischen der rot-rot-grünen Toleranz durch Ignoranz und der liberalen Kultur des Willkommens. Zuwanderer sind in Deutschland willkommen. Wir sehen die Chancen einer durch Zuwanderung bereicherten Gesellschaft und wollen diese stärken. Zuwanderer sind aber selbst auch klar gefordert: Die deutsche Sprache, die Grund- und Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat sind das für alle geltende Fundament unserer Gesellschaft. Sevim Dagdelen (DIE LINKE): Die Fraktion der Grünen fordert in ihrem Antrag gesetzliche Änderungen und weitere Regelungen zur Erleichterung des Kindernachzugs im Aufenthaltsrecht. Das ist gut; denn es gibt hier erhebliche Probleme in der Praxis und Mängel der Rechtslage. So ist zum Beispiel der Kindernachzug von über 16-Jährigen fast zum Erliegen gekommen und subsidiär Schutzberechtigte werden gegenüber anderen Flüchtlingen beim Familiennachzug benachteiligt. Die Linke teilt die Kritik und Vorschläge der Grünen weitgehend und wird dem Antrag trotz Kritik im Detail deshalb zustimmen. Schade und verwunderlich ist es, dass der Antrag erst so kurz vor Ende der Wahlperiode eingebracht wurde. Es macht den Eindruck, als wenn es den Grünen nur um einen Schaufensterantrag wegen des kommenden Bundestagswahlkampfes geht. Eine gründliche Beratung und Sachverständigenanhörung zum Thema wäre dabei sicherlich sinnvoll gewesen. Dabei hätten dann auch weitergehende Forderungen meiner Fraktion eingebracht und berücksichtigt werden können. Die Linke ist zum Beispiel grundsätzlich dagegen, den Nachzug enger Familienangehöriger von Einkommensnachweisen abhängig zu machen, wie es im Aufenthaltsrecht regelmäßig der Fall ist. Das Menschenrecht auf Familienzusammenleben darf nicht unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt werden! Sozial ausgegrenzte Menschen und Beschäftigte mit geringer Entlohnung oder prekärer Beschäftigung dürfen nicht noch mit einer Trennung von ihren Familienangehörigen bestraft werden, wenn es diese Gesellschaft nicht schafft, sie in gute Arbeit zu bringen. Auch ein bisschen mehr Selbstkritik und Ehrlichkeit hätte dem Antrag gutgetan. Anstatt es wieder mal so darzustellen, als habe eine "böse" Bundesregierung den "guten" rot-grünen Gesetzgeber hintergangen, hätten die Grünen einräumen sollen, dass die von ihnen mit beschlossene Härtefallregelung nach § 32 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz mit der Anforderung einer "besonderen Härte" zu restriktiv ausgefallen ist. Ähnliches ließe sich zu fehlenden Nachzugsregelungen bei subsidiär Schutzberechtigten und humanitären Flüchtlingen sagen - auch hier herrschte unter Rot-Grün eisige Kälte und Untätigkeit! Auf eine klare inhaltliche Differenz muss ich hinweisen. Die Linke fordert, grundsätzlich auf DNS-Abstammungsnachweise beim Familiennachzug zu verzichten. Jenseits aller praktischen Probleme bleibt angesichts einer Vielzahl von sozialen Vaterschaften - zum Teil bekannten, zum Teil verschwiegenen, sogenannte "Kuckuckskinder", Schätzungen gehen bis zu 12 Prozent aller Kinder - das unauflösliche Problem, dass ein DNS-Prüfverfahren diese "sozialen" Vater-Kind-Beziehungen systematisch ausschließt und benachteiligt. Die DNS-Prüfung kann nicht nur dazu führen, dass zu Unrecht der Kindernachzug bei sozialen Vaterschaften verwehrt wird. Es gibt zudem die Gefahr, dass bestehende Eltern-Kind-Beziehungen schwer beschädigt oder sogar zerstört werden, wenn durch den DNS-Nachweis eine fehlende biologische Abstammung erstmalig bekannt wird. Entscheidend bei der Prüfung sollten mithin die soziale Elternschaft und real bestehende Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl sein. Natürlich sehen wir die Problematik, dass der Abstammungsnachweis durch ein DNS-Gutachten für Betroffene im Einzelfall der letzte Hoffnungsschimmer sein kann, um die Familieneinheit herzustellen. Deshalb fordern wir, dass im Gegenzug zum Verbot von DNS-Gutachten im Nachzugsverfahren im Zweifelsfall eine eidesstattliche Versicherung zum Nachweis der Abstammung ausreichen muss. Diese Problematik wird in dem Antrag der Grünen leider nicht angesprochen. Zum Problem des nahezu unmöglichen Kindesnachzugs bei getrennt lebenden Eltern, wenn der Herkunftsstaat kein getrenntes Sorgerecht kennt, hat die Koalition in der Zwischenzeit mit dem 3. EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz eine Neuregelung des § 32 AufenthG beschlossen. Dementgegen hat die Koalition keine Verbesserung der Familiennachzugsregelungen für subsidiär Schutzberechtigte im Gesetz zur Umsetzung der EU-Qualifikationsrichtlinie vorgenommen, obwohl dies in einem ersten Referentenentwurf noch vorgesehen war. Dies wurde auch in einem Schreiben der beiden Kirchen an den Innenausschuss vom 14. Mai 2013 beklagt. Zur an sich begrüßenswerten Neugestaltung des § 32 AufenthG möchte ich noch anmerken, dass dem Wortlaut und der Systematik nach es hierdurch zu einer - offenkundig nicht beabsichtigten - Verschärfung des Kindernachzugs zu anerkannten Flüchtlingen gekommen ist; denn auch von diesen werden künftig Personensorgenachweise verlangt, die Flüchtlinge im Regelfall aber nicht erbringen können. Zwar hat die Koalition den diesbezüglichen Änderungsanträgen der Linken bedauerlicherweise nicht zugestimmt. Sowohl im Ausschuss als auch im Plenum wurde aber von der Koalition und dem Bundesinnenministerium klargestellt, dass in diesen Fällen die Glaubhaftmachung der Personensorge ausreichend sein soll. Die Regierung steht hier im Wort und sollte entsprechende Anwendungshinweise bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes herausgeben. Die Linke wird sie immer wieder daran erinnern! Memet Kilic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Bundestag hat in dieser Wahlperiode mehrfach über die Probleme beim Ehegattennachzug diskutiert. Sowohl Urteile des Europäischen Gerichtshofs als auch Stellungnahmen der Kommission haben hierzu immer wieder Anlass gegeben. Insbesondere haben wir Grüne uns dafür stark gemacht, dass Ehegatten endlich von der Pflicht befreit werden, vor der Einreise Deutschkenntnisse nachzuweisen. Bei diesen Debatten sind aber die familienfeindlichen Hürden beim Kindernachzug zu kurz gekommen. Ich bin sehr froh, dass wir mit unserem Antrag dieses wichtige Thema - die Stärkung der Kinderrechte im Familiennachzug - noch einmal auf die Tagesordnung des Bundestages setzen konnten. Das jüngste Richtlinienumsetzungsgesetz der Bundesregierung hat nur wenig Abhilfe geschaffen. Die Neuformulierung des Kindesnachzugsrechts ist mehr Kosmetik denn Reform. Zwar wurde der Nachzug für Kinder von getrennt lebenden Eltern etwas vereinfacht. Dennoch sind weiterhin Regelungen in Kraft, die gegen die Familienzusammenführungsrichtlinie verstoßen und problematisch sind im Hinblick auf den im Grundgesetz und der Grundrechtecharta der EU verankerten Schutz des Familienlebens. Für anerkannte Flüchtlinge hat die Bundesregierung den Nachzug sogar noch erschwert. Kritische Hinweise von Sachverständigen und Protest aus Opposition und Zivilgesellschaft haben die Bundesregierung schließlich dazu gebracht, die Verschlechterung mittels einer Protokollerklärung wieder auszubügeln. Das deutsche Kindernachzugsrecht enthält verschiedene Vorschriften, die das Zusammenleben in der Familie erheblich erschweren und damit dem Kindeswohl entgegenstehen. Kein anderes europäisches Land legt Kindern, die zu ihren Eltern ziehen möchten, so viele Steine in den Weg wie Deutschland. So knüpft Deutschland - als einziger EU-Staat - den Nachzug von über 16-Jährigen zum Beispiel daran, dass diese Kinder bereits beim Nachzug besser Deutsch sprechen müssen als bei einer Einbürgerung. Zudem haben Kinder keinen Anspruch auf Nachzug, wenn die getrennt lebenden Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben. Eltern mit bestimmten, insbesondere humanitären Aufenthaltstiteln sind sogar völlig vom Kindernachzug ausgeschlossen. Kein Wunder, dass es bei diesen Restriktionen kaum ein Kind zu seiner Familie nach Deutschland schafft. Das wollen wir ändern. Unsere wichtigsten Forderungen sind: Aufhebung der Integrationsbedingungen. Das gemeinsame Leben in der Familie darf nicht von Deutschkenntnissen abhängig gemacht werden. Kinder werden dadurch erheblichem und unnötigem Druck ausgesetzt. Das vorgeschobene Argument der Koalition, die Deutschkenntnisse dienten dem Kindeswohl, steht nicht im Einklang mit unseren Verfassungsgrundsätzen. In Deutschland entscheiden immer noch die Eltern mit ihren Kindern, was dem Kindeswohl dient, und nicht der Staat. So sieht es unsere Verfassung vor, die dem Staat lediglich das sogenannte Wächteramt eingeräumt hat. Familien können gute Gründe haben, ihre Kinder zunächst im Herkunftsland zu belassen. Der Staat darf diese Familienentscheidungen weder bewerten noch bestrafen. Kindernachzug im Ermessen ohne besondere Härte. Besonders wichtig ist uns eine Öffnung des Kindernachzugs im Ermessen. Bei den Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz hatten wir damals mit der SPD in die Härtefallregelung aufgenommen, dass das Kindeswohl und die familiäre Situation vorrangig berücksichtigt werden sollten. Die Bundesregierung hat die Absicht des damaligen Gesetzgebers jedoch konterkariert. Nach der von ihr entworfenen Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz, AVwV-AufenthG, soll der Rechtsanwender - gleichberechtigt neben dem Kindeswohl - den auf "Steuerung und Begrenzung" ausgerichteten "integrations- und einwanderungspolitischen Belangen der Bundesrepublik Deutschland" Geltung verschaffen. Der Kindernachzug im Ermessen ist dadurch weitgehend zum Erliegen gekommen, vergleiche Bundestagsdrucksache 17/10442, Seite 10. Wir schlagen daher vor, den Kindernachzug nicht vom Vorliegen einer besonderen Härte abhängig zu machen und das Ermessen der zuständigen Behörden allein am Kindeswohl zu orientieren. Nachzug für alle Personen, die über eine Bleibeperspektive verfügen. Nach geltendem Recht sind Personen mit bestimmten, insbesondere humanitären Aufenthaltstiteln vom Kindernachzug ausgeschlossen. Dieser dauerhafte Ausschluss des Familiennachzugs widerspricht aber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 Grundgesetz, Schutz von Ehe und Familie. Bereits 1987 hat das Bundesverfassungsgericht klargestellt: Auch nichtdeutsche Familienangehörige stehen nach Art. 6 GG unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Wir wollen außerdem die inzwischen europarechtswidrige Ungleichbehandlung von Flüchtlingen und subsidiär geschützten Personen beim Kindernachzug beenden und Kinder von getrennt lebenden Eltern gleichstellen. Und wir wollen die Praxis von Gentests in Familiennachzugsverfahren grundlegend korrigieren: Was ursprünglich für Ausnahmefälle als freiwilliges und zusätzliches Angebot zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses gedacht war, wird in der Praxis von den Visabehörden allzu oft eingefordert, zulasten der Antragstellerinnen und Antragsteller. Es ist Zeit, die familienfeindlichen Regelungen im Nachzugsrecht zu überwinden und endlich die Interessen der Kinder in den Vordergrund zu stellen. Daher bitten wir um Zustimmung für unseren Antrag. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13801, den Antrag der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/12395 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der drei Oppositionsfraktionen angenommen. Zusatzpunkt 18: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Monika Grütters, Dorothee Bär, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Deutsche Sprache fördern und sichern - Drucksache 17/14114 - Die Reden sind leider zu Protokoll gegeben.32 Das wäre meine letzte Rede gewesen. Wie bedauerlich! Sie verpassen etwas. (Zurufe: Oh! - Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir sollten es uns noch einmal überlegen!) - Ich sehe, Sie sind aber trotzdem leichtsinnigerweise damit einverstanden. Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag auf Drucksache 17/14114. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Tagesordnungspunkt 52: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Anton Schaaf, Silvia Schmidt (Eisleben), Anette Kramme, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Den demographischen Wandel bei den Aufwendungen für Leistungen zur Teilhabe in der gesetzlichen Rentenversicherung besser berücksichtigen - Drucksachen 17/8602, 17/13972 - Berichterstattung: Abgeordneter Peter Weiß (Emmendingen) Die Reden sind zu Protokoll genommen worden. Max Straubinger (CDU/CSU): Wir alle wissen: Eine längere Beteiligung der Menschen am Erwerbsleben ist volkswirtschaftlich geboten und betriebswirtschaftlich sinnvoll. Deshalb stehen wir ohne Wenn und Aber zur beschlossenen Anhebung der gesetzlichen Regelaltersgrenze auf 67 Jahre. Wir ducken uns nicht weg wie die Sozialdemokraten, sondern halten an der gemeinsam beschlossenen Verlängerung der Lebensarbeitszeit fest. Wir wollen aus der "Rente mit 67" das "Arbeiten bis 67" machen. Wir wollen einen Aufbruch in eine altersgerechte Arbeitswelt. Deshalb setzen wir nicht einfach die Altersgrenze herauf, sondern fördern zugleich die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Menschen durch bessere Gesundheitsleistungen. Denn Arbeiten bis zur Regelaltersgrenze 67 Jahre setzt voraus, dass wir alles tun, um die Menschen in die Lage zu versetzen, dies auch zu können. Deshalb ist medizinische und berufliche Rehabilitation ganz wichtig, um körperliche und psychische Beeinträchtigungen gezielt anzugehen. Beides sind zwei Seiten einer Medaille. Daneben steigt der Rehabilitationsbedarf angesichts des demografischen Wandels weiter an. In den letzten Jahren ist der Bedarf an Rehabilitationsleistungen der Deutschen Rentenversicherung stetig angestiegen: Die bewilligten Leistungen nahmen von 2005 auf 2011 für die medizinische sowie die berufliche Rehabilitation um jeweils 24 Prozent zu. Mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen. Neben der demografischen Entwicklung und der Anhebung der Altersgrenzen kommen weitere relevante Entwicklungen, wie zum Beispiel die Zunahme der Anschlussrehabilitation, der psychischen Störungen mit Rehabilitationsbedarf, der onkologischen Rehabilitation, der stufenweisen Wiedereingliederung zulasten der Rentenversicherung sowie der Ausbau präventiver Leistungen, hinzu. Die Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung für Rehabilitationsleistungen werden durch ein gesetzlich festgelegtes Budget begrenzt. Dieses Rehabudget orientiert sich in seiner Fortschreibung, das heißt seiner jährlichen Veränderung, an der Entwicklung der durchschnittlichen Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. Nicht berücksichtigt werden strukturelle Veränderungen des Rehabedarfs, die durch Änderungen der Bevölkerungsstruktur oder Gesetzesänderungen hervorgerufen werden. Das Budget wurde in der Vergangenheit eingehalten. Dabei wurde es in den Jahren 2009 bis 2011 weitgehend vollständig ausgeschöpft. Im letzten Jahr wurde der Ausgabendeckel um knapp 13 Millionen Euro überschritten. Es ist absehbar, dass der Rehabedarf in den nächsten Jahren weiter steigen wird bzw. nur durch den Verzicht auf notwendige Leistungen eingehalten werden kann. Dies könnte aber in der Folge zu einer Zunahme von Erwerbsminderungsrenten führen und nicht zuletzt den Bemühungen um eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit zuwiderlaufen. Das wollen wir verhindern. Deshalb halten wir eine strukturelle Anpassung des Rehabudgets für erforderlich. Wir wollen, dass das Rehabudget mit der Demografie atmet, auch wenn dies mittelfristig mit höheren Kosten verbunden ist. Die Deutsche Rentenversicherung Bund hat hierzu einen sinnvollen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Die Bundesregierung ist diesem Anliegen im Wesentlichen gefolgt und hat im Rahmen des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales angestoßenen "Rentendialogs" einen eigenen Vorschlag zur Anhebung des Rehadeckels unterbreitet, der schließlich im Entwurf für ein Alterssicherungsstärkungsgesetz aufgegriffen worden ist. Nachdem klar war, dass die Regierung handelt, sind die Sozialdemokraten Anfang Februar 2012 auf den fahrenden Zug aufgesprungen und haben ihren Antrag vorgelegt, über den wir heute im Deutschen Bundestag beraten. Das zeigt: Die Sozialdemokraten sind sozialpolitische Trittbrettfahrer. Die kontroversen Diskussionen, auch innerhalb der Koalition, um das Rentenpaket des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sind bekannt. Ich persönlich hätte mir in dieser Legislaturperiode eine Verbesserung bei den Erwerbsminderungsrenten, die Einführung der Kombirente und eine Anpassung des Rehabudgets vorstellen können. In diesen Punkten besteht bei den Fachleuten breiter Konsens. Allerdings scheiterten diese Maßnahmen an der Ankündigung der rot-grün geführten Länder, im Bundesrat noch eigene Vorschläge draufzusatteln, die sozialpolitisch falsch und nicht zu finanzieren sind. Mit anderen Worten: Rot-Grün hat es politisch zu verantworten, dass es in dieser Legislaturperiode zu keinen Änderungen beim Rehabudget gekommen ist. Dies hier und heute zu beklagen ist scheinheilig und zeigt das Bild der Sozialdemokraten in der Rentenpolitik: Der SPD geht es nicht um die Interessen der Menschen, sondern um reine Showelemente. Daran beteiligen wir uns nicht und lehnen den Antrag deshalb ab. Wir werden in der kommenden Legislaturperiode einen neuen Anlauf unternehmen und die Anpassung des Rehabudgets im Rahmen eines rentenpolitischen Gesamtkonzepts erneut vorlegen. Diese Zusage ist ausdrücklich Gegenstand des Regierungsprogramms von CDU und CSU. Darauf können sich alle Betroffenen verlassen. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Die Begrenzung der Aufwendungen für Leistungen zur Teilhabe in der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der sogenannte Rehadeckel wurde 1996 eingeführt. Ziel war es damals, zu einem angemessenen Ausgleich zwischen Kosten und Leistungen für Rehamaßnahmen zu kommen und überdurchschnittlich ansteigende Rehaausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung zu vermeiden. Notwendig wurde diese Neuerung, da sich die bisherige Begrenzungsregelung für die Entwicklung der Ausgaben für Leistungen zur Rehabilitation als nicht wirksam erwiesen hatte. Trotz der gesetzlichen Soll-Vorgabe, dass sich die jährlichen Ausgaben der Rentenversicherung für Leistungen zur Rehabilitation nicht stärker verändern sollen als die voraussichtliche Bruttolohn- und -gehaltssumme unter Berücksichtigung von Veränderungen der Zahl der Versicherten und strukturellen Veränderungen, waren die Ausgaben in den vergangenen Jahren immer wieder wesentlich stärker angestiegen. So sollte mit der Regelung des § 220 SGB VI nach der damaligen Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass ein überproportionaler Anstieg der Ausgaben für solche Leistungen zurückgeführt und gleichzeitig ein Niveau gesichert wird, mit dem gewährleistet ist, dass Leistungen zur Teilhabe den Berechtigten auch künftig in dem erforderlichen Umfang bewilligt werden können. Das kann man in der Gesetzesbegründung auf Seite 24 der Bundestagsdrucksache 13/4610 nachlesen. Anders gesagt, sollten die erforderlichen Leistungen zur Teilhabe künftig allen Versicherten zugutekommen, die sie benötigen, um ihr vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verhindern. Die in § 220 SGB VI genannten Leistungen und Ausgaben der Rentenversicherung sind nämlich gerade keine Leistungen, auf die die Betroffenen einen Rechtsanspruch nach Art und Höhe haben, sondern Leistungen, die auf Ermessensentscheidungen oder Entscheidungen aufgrund von Selbstverwaltungsbefugnissen beruhen. Würden nun bei einem Rentenversicherungsträger diese Leistungen und Ausgaben unproportional steigen, wäre infolge des Finanzverbundes der Rentenversicherungsträger diese Steigerung von allen Rentenversicherungsträgern zu tragen. Nach der Gesetzesbegründung sollte weiter die Ausgabenbegrenzung nicht gleichzeitig auch zu einer Verminderung der Anzahl der Leistungen zur Teilhabe führen. Der Rentenversicherungsträger muss unter Beachtung des Grundsatzes der wirtschaftlichen und sparsamen Leistungserbringung immer prüfen, ob zur Erreichung des angestrebten Rehaerfolges ambulante oder stationäre Leistungen besser geeignet sind. Darüber hinaus kann durch eine flexiblere Gestaltung der Leistungsdauer gewährleistet werden, dass Leistungen für eine größere Anzahl von Berechtigten bewilligt werden können. Dies kann in der Gesetzesbegründung auf Seite 25 der Bundestagsdrucksache 13/4610 nachgelesen werden. Dieser Rehadeckel hat sich in der Folgezeit grundsätzlich als Instrument der Rehaausgabensteuerung bewährt und stellt bislang bei einer Altersgrenze von 65 Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung eine bedarfsgerechte rehabilitative Versorgung sicher. Eine völlige Aufhebung der Deckelung von Rehaleistungen der Rentenversicherung, wie sie beispielsweise von den Linken gefordert wird, würde dazu führen, dass dieses wichtige und effektive Steuerungsinstrument verloren ginge. Wir würden Gefahr laufen, dass die bedarfsgerechte rehabilitative Versorgung der Versicherten der Rentenversicherung nicht mehr mit den gesetzlich festgelegten Beitragssatzzielen zu vereinbaren ist. So würde eine Erhöhung des Budgets um etwa 1 Milliarde Euro einen Anstieg des Rentenversicherungsbeitrages um 0,1 Prozentpunkte nach sich ziehen. Grundsätzlich leisten Rehabilitationsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag zum Erhalt und zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit. Die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung, DRV, belegen - DRV 2011, Reha-Bericht-Update 2011, Seite 6 -, dass im Verlauf von zwei Jahren nach der Rehabilitation 85 Prozent der Rehabilitanden wieder erwerbsfähig sind. Im Bereich der beruflichen Rehabilitation nimmt zwei Jahre nach Abschluss der Maßnahme der Umfang der pflichtversicherten Beschäftigung bei 48 Prozent der Teilnehmer von Rehamaßnahmen zu. Dies ist auf Seite 7 des Reha-Bericht-Updates nachzulesen. Die Zahl der Versicherten, die von beruflichen Rehabilitationsleistungen Gebrauch machen wollen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich angewachsen. Nach den Zahlen der Arbeits- und Sozialministerkonferenz der Länder stieg die Zahl der beantragten Rehabilitationsleistungen in der Rentenversicherung von 1,45 Millionen in 1999 auf 2,04 Millionen in 2009. Das entspricht einer Steigerung von 40,7 Prozent. In derselben Zeit stieg das Finanzvolumen lediglich um 29,3 Prozent, von 4,1 Milliarden Euro in 1999 auf 5,3 Milliarden Euro in 2009. Um mit dem Finanzrahmen auszukommen, hat die Deutsche Rentenversicherung alle Möglichkeiten genutzt, um Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen. So wurde der Grundsatz "Ambulant vor stationär" gestärkt, die Aufenthaltsdauer in Rehabilitationsmaßnahmen wurde gekürzt, Fremdbelegungen wurden restriktiver gehandhabt. Zugleich erfolgte aber auch eine strengere Antragsprüfung, insbesondere bei rentennahen und arbeitsmarktfernen Versicherten. Dieses wird unter anderem auch darin deutlich, dass die Zahl der Bewilligungen von circa 70 Prozent der Anträge in 2000 auf circa 64 Prozent in 2010 gesunken ist. Faktisch hat sich also die Chance der Versicherten auf Bewilligung einer Rehabilitationsmaßnahme verringert. Die Deutsche Rentenversicherung gelangt bei den Rehabilitationsleistungen jetzt aber an die Grenze des Machbaren. Eine weitere Öffnung der Schere zwischen Rehabilitationsbedarf und zur Verfügung stehenden Mitteln ist in Zukunft nicht verkraftbar. Bis vor kurzem konnten die enger werdenden Spielräume durch Effizienzsteigerungen weitgehend aufgefangen werden. Künftig würde sich diese Praxis negativ auf die Chancen der Versicherten auswirken, eine erforderliche Rehabilitationsmaßnahme bewilligt zu bekommen. Deshalb müssen wir sicherstellen, dass zusätzliche finanzielle Spielräume schwerpunktmäßig für Rehamaßnahmen aufgewendet werden, die erheblich beeinträchtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben ermöglichen. Wenn das Arbeiten bis 67 Jahre für alle möglich sein soll, dann ist mehr berufliche Rehabilitation zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Arbeitskraft nötig. Bei der Ausgestaltung der künftigen Ausgabengrenze sind daher die Anhebung des Renteneintrittsalters und damit die Ausweitung der Lebensarbeitszeit zu berücksichtigen. Diese sind politisch gewollt und auch notwendig. Eine Abkehr oder ein Aussetzen der schrittweisen Erhöhung des Renteneintrittsalters, wie die SPD es befürwortet, bedeutet jedoch einen Schritt zurück. Hieraus sind aber nun auch die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen. Ohnehin schon nimmt aufgrund der Altersentwicklung der Bevölkerung auch das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung zu. Diese strukturellen Einflussfaktoren bildet die jetzige Formel - die Koppelung der Rehaaufwendungen an die Einkommen der Arbeitnehmer - nicht ab. § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB VI regelt, dass das Volumen für Leistungen zur Teilhabe jährlich entsprechend der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer festgesetzt wird. Hinzukommen werden aber noch weitere Ursachen, die sich entsprechend auf den Rehabilitationsbedarf auswirken: Aufgrund der Altersentwicklung der Bevölkerung nimmt auch das Durchschnittsalter der Erwerbsbevölkerung zu. Da mit zunehmendem Alter die Ausgaben für Gesundheitsleistungen steigen, wirkt sich dieses auch auf den Rehabilitationsbedarf aus. Die Anhebung des Renteneintrittsalters und der durchschnittlichen Lebensarbeitszeit führen mit aufwachsender Tendenz zu zusätzlichem Rehabilitationsbedarf. Medizinischer Fortschritt mit neuen Behandlungsmöglichkeiten sowie eine veränderte Krankheitsstruktur mit einem stärkeren Anteil chronischer und psychischer Erkrankungen schlagen sich auch in der Kostenstruktur für Rehabilitationsleistungen nieder. Arbeitgeber, Rentenversicherung und Sozialversicherungsträger sowie die ganze Gesellschaft haben an der Verhinderung des vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erwerbsleben und der dauerhaften Wiedereingliederung ins Erwerbsleben ein nachvollziehbares Interesse. Studien zeigen, dass sich die durchschnittlichen Kosten für eine Rehabilitationsmaßnahme von 3 600 Euro bereits amortisieren, wenn der Beginn einer Erwerbsminderungsrente um vier Monate hinausgeschoben wird. Das Prognos-Institut hat ermittelt, dass die Gesellschaft für 1 in die medizinische Rehabilitation investierten Euro 5 Euro zurückerhält. Immer mehr Ältere wollen auch im Rentenalter beruflich aktiv bleiben. Das wollen wir unterstützen, nicht zuletzt, weil unsere Wirtschaft auf erfahrene Fachkräfte angewiesen ist. Die Beschäftigungsmöglichkeiten älterer Menschen wollen wir durch bessere Gesundheitsleistungen und darüber hinaus durch eine bessere Anpassung der Rehabilitationsleistungen an den sich verändernden Altersaufbau unserer Gesellschaft fördern. Schon 2007 wurde deshalb im Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Initiative RehaFutur gestartet, die unter dem Leitmotiv "Entwicklungen gemeinsam gestalten" Konzepte und Aktivitäten koordinieren soll. 2010 hat das Entwicklungsprojekt RehaFutur begonnen. Zentrale Themen sind die Förderung und Verbesserung der Beratung zur Rehabilitation, mehr betriebliche Vernetzung und die Intensivierung von Forschungsaktivitäten. Die Bundesregierung greift aber nicht allein an der finanziellen Seite der beruflichen Rehabilitation an, sondern auch an der praktischen Umsetzung, um mit effizienten Mitteln ein zukunftsfähiges und innovatives System Rehabilitation zu gestalten. So müssen Angebote weiter vernetzt werden und eine Reha mit vor- oder nachgelagertem Versorgungssystem einfach und unbürokratisch möglich sein. Die Erfolge, die eine zielgerichtete und effiziente Rehabilitation und berufliche Integration bereits jetzt haben, zeigen uns, dass dies der richtige Weg ist. Rehabilitation ermöglicht den Betroffenen einen Weg zurück in Beruf und Arbeitsleben und hilft, die Existenz von Einzelpersonen und deren Familien zu sichern. Gerade in Zeiten drohenden Fachkräftemangels sollten wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um durch Rehabilitation und Reintegration qualifizierte Arbeitskräfte auch nach Krankheit oder Unfall im Beruf zu halten. Letztendlich führt eine konsequente und funktionierende Rehabilitation mittel- und langfristig sogar zur Entlastung der Rentenkassen; denn Leistungsempfänger werden wieder zu Leistungsträgern. In unserem Wahlprogramm sprechen wir uns deshalb dafür aus, Vorsorge und Rehabilitation weiter zu stärken. Dazu gehört auch die Anhebung des Rehabudgets. In einer älter werdenden Gesellschaft gewinnen Gesundheitsförderung, Eigenverantwortung und Vorsorge weiter an Bedeutung. Sie sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und können nicht allein über die sozialen Sicherungssysteme gelöst werden. Es liegt in der Verantwortung und im Interesse eines jeden Einzelnen, durch eine gesundheitsbewusste Lebensweise Krankheiten vorzubeugen und seine Gesundheit zu erhalten. Anton Schaaf (SPD): Die Mittel, die die Rentenversicherung für Rehabilitation verwenden kann, sind begrenzt und orientieren sich an der voraussichtlichen Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer. Angesichts des steigenden Anteils älterer Beschäftigter, die eindeutig einen höheren Rehabedarf haben, ist diese Deckelung nicht angemessen. Deshalb ist seit Jahren eine Reform dieser Begrenzung in der Diskussion. Die von uns im vorliegenden Antrag geforderte Anpassung des Rehabudgets an die demografische Entwicklung ist auch im sogenannten Rentenpaket der Bundesministerin Ursula von der Leyen enthalten. Dieses "Rentenpaket" wird nun aber nicht etwa in die Tat umgesetzt, sondern als neues Wahlversprechen in die nächste Legislaturperiode verschoben. Damit wird der schon jetzt kaum vorhandene Spielraum der Rentenversicherung bei der Gewährung von Leistungen zur Teilhabe noch enger. Wieder einmal müssen wir beunruhigt feststellen, dass die Bundesregierung trotz besseren Wissens und trotz gegenteiliger Ankündigungen untätig bleibt. Bundesregierung und Regierungskoalition haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie ohne Rücksicht auf die Interessen der Menschen regierungsinterne Querelen befrieden, indem sie auf vernünftige Politik verzichten. In sozialpolitischen Debatten verstecken sie sich hinter Leitprinzipien, die es zu wahren gelte. Diese können aber auch schnell über Bord geworfen werden, wie zuletzt die Diskussionen um den gescheiterten Vorschlag zur Lebensleistungsrente oder um den Vorstoß zu den Mütterrenten deutlich gemacht haben. Letztendlich aber sperren sie sich dagegen, die richtigen Konsequenzen gerade in der Alterssicherung aus den gegenwärtigen Entwicklungen zu ziehen. Dabei hat es an richtigen Vorschlägen, Initiativen und Unterstützung nicht gefehlt: Unser Antrag wurde am 1. März 2012 erstmals hier im Hause behandelt. Der Bundesrat hat versucht, die Bundesregierung zum Handeln zu bewegen. Aussagekräftige Expertisen und Gutachten liegen ebenfalls vor, so beispielsweise in Form eines Kurzdossiers der Prognos AG von August 2011. Die zuständigen Sprecher und Berichterstatter der Regierungskoalition versicherten in den zahlreichen rentenpolitischen Debatten, die wir geführt haben, man werde eine praktikable Lösung finden, die den Interessen der Versicherten diene, ohne die Finanzen der Rentenversicherung zu überfordern. Im ersten Referentenentwurf zur Umsetzung des Rentenpakets allerdings wurden Verbesserungen erst für das Jahr 2017 angekündigt - zu einem Zeitpunkt also, zu dem die starken Jahrgänge der sogenannten Babyboomer sich längst mitten im rehaintensiven Alter befinden; dies wird ab dem 45. Lebensjahr angenommen. Erst nach vehementer Kritik wurde dies korrigiert. Im zweiten Referentenentwurf zum sogenannten Alterssicherungsstärkungsgesetz fand sich dann die demografische Komponente zur Berechnung des Rehabudgets bereits für das Jahr 2013. Doch wie wir alle wissen, wird daraus nun nichts. Zuletzt haben wir mit einem Änderungsantrag zu einem laufenden Gesetzgebungsverfahren (Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze, Bundestagsdrucksache 17/12297) die Bundesregierung dazu aufgefordert, das Rehabudget den neuen Anforderungen anzupassen. Auch dies wurde von der Regierungskoalition abgelehnt. Nun liegt unser Antrag zur abschließenden Abstimmung vor - leider wegen der gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse wieder ohne Aussicht darauf, angenommen zu werden. Mit unserem Hauptanliegen fordern wir die Bundesregierung dazu auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Vorschläge der Selbstverwaltung der Deutschen Rentenversicherung Bund aufgreift. Die Leistungen zur Teilhabe in der gesetzlichen Rentenversicherung sollen in Zukunft nicht allein an die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter angepasst werden, sondern auch die demografische Entwicklung und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit als Folge der schrittweisen Anhebung der Regelaltersgrenze müssen Berücksichtigung finden. Dies muss schnell geschehen, weil absehbar ist, dass sich in Zukunft die Schere zwischen Rehabedarf und Leistungen weiter öffnen wird. Das zur Verfügung stehende Budget der Rentenversicherung beträgt circa 5,5 Milliarden Euro. In den vergangenen Jahren wurde dieses nahezu ausgeschöpft; eine Überschreitung würde die Budgets der Folgejahre belasten. In Zukunft wird das Geld nicht mehr reichen, um den Rechtsanspruch nach dem SGB IX auf Leistungen zur Teilhabe der Versicherten zu erfüllen. Dies machen auch die kontinuierlich steigenden Antragszahlen und Bewilligungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation sichtbar. Was wir vermeiden wollen, ist die Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation nach Kassenlage. Ein neuer Anpassungsgemechanismus muss das Verhältnis von Bedarf und Leistung besser in Einklang bringen. Die Deutsche Rentenversicherung hat sehr deutlich gemacht, dass bei einer älter werdenden Bevölkerung und einem höheren Rentenalter auch der finanzielle Aufwand für eine nachhaltige Rentenpolitik, die tatsächlich dem Grundsatz von "Reha vor Rente" gerecht werden soll, steigen muss. Tendenzen zur Verdichtung der Arbeit insbesondere in Berufen mit belastenden Arbeitsbedingungen bringen gesundheitliche Risiken mit sich. Die demografische Entwicklung, die zurzeit gesetzlich geregelte Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, aber auch die Zunahme von psychischen und anderen chronischen Erkrankungen führen zu einem größeren Bedarf an Rehabilitationsmaßnahmen. Zusätzlich wird die Ausgabendeckelung auch angesichts eines verlangsamten Anstiegs der Löhne und Gehälter zum Problem. Obwohl in Anbetracht einer alternden Gesellschaft und eines schmelzenden Potenzials an Fachkräften die Erkenntnis wächst, dass alle länger arbeiten müssen, spiegelt sich dies noch nicht hinreichend in der finanziellen Ausstattung der Rentenversicherung wider. So sind in der Zeit von 2005 bis 2010 die Antragszahlen auf Leistungen zur Teilhabe von 1,636 Millionen auf 2,082 Millionen angestiegen. Aktuell gehen rund 2 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung in die Leistungen zur Teilhabe. Gemessen an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung, die kontinuierlich angestiegen sind, ist ihr Anteil sogar etwas gesunken. Dabei sind die unterschiedlichen Rehaträger der Sozialversicherung seit jüngerer Zeit zusätzlich auch für präventive Maßnahmen verantwortlich. Zurzeit werden circa 64 Prozent der Anträge auf Rehaleistungen bewilligt. Zugleich wird rund die Hälfte der Anträge auf Erwerbsminderungsrente abgelehnt. Daher müssen wir zum einen die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt mehr Menschen ermöglichen. Dies darf nicht an einem zu engen Berechnungskorsett scheitern, zumal der gesamtgesellschaftliche Gewinn den Aufwand deutlich übersteigen wird. Zum anderen muss es Verbesserungen in der Höhe der Erwerbsminderungsrenten geben. Zugleich müssen wir Menschen, die gesundheitlich eingeschränkt sind, neue Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eröffnen. Wer wegen Krankheit nach einem langen Arbeitsleben früher in Rente geht, soll keinen mit Abschlägen verbundenen vorzeitigen Rentenbeginn akzeptieren müssen oder vor dem Renteneintritt auf Arbeitslosengeld II verwiesen werden. Wollen wir mehr Menschen den Weg zurück ins Arbeitsleben ebnen, setzt dies einen stärkeren, zielgenaueren und flexibleren Einsatz der Instrumente zur beruflichen Rehabilitation durch die Rentenversicherung voraus. Auch Personen, die eine befristete Erwerbsminderungsrente beziehen, haben einen Anspruch auf Rehabilitation und Unterstützung bei der Wiedereingliederung. Dieser Anspruch muss künftig besser umgesetzt werden, um den Betroffenen neue Perspektiven zu eröffnen. Offenbar haben weder Bundesregierung noch Regierungskoalition den Ernst der Lage tatsächlich erkannt. Gerade als die Regelungen zur Rente mit 67 in der Großen Koalition beschlossen wurden, wie auch bei der Anwendung der entsprechenden Überprüfungsklausel, wonach die Bundesregierung seit 2010 dazu verpflichtet ist, regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahmen mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist, wurde gerade von der Union jeder Handlungsbedarf verneint. Wer aber die schrittweise Erhöhung des Rentenalters weiter aufrechterhalten will, muss zumindest sicherstellen, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft tatsächlich länger arbeiten können. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die Antragsteller fordern die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Deckelung der Ausgaben für Rehabilitationsmaßnahmen für Arbeitnehmer im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung dem momentan wachsenden Bedarf anpasst. Dieser Gesetzentwurf existiert, ist aber wegen der absehbaren Blockade im Bundesrat vor der Bundestagswahl nicht abgeschlossen worden. Wir werden den Entwurf nach der Wahl wieder aufrufen, zumal wichtige Teile davon auf breiten Konsens über die Politik hinausstoßen. Dazu zählt die Anpassung des Rehabilitationsbudgets an die demografische Entwicklung ebenso wie die Anhebung der Zuverdienstgrenzen für Rentner. Dann können wir auch die aktuellen Daten in die Überlegungen mit einbeziehen. Gestern wurde auf der Vertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung mitgeteilt, dass im Bereich der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation von Januar bis Mai 2013 rund 4,1 Prozent weniger Anträge gestellt wurden als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. In den letzten Jahren war die Zahl der Anträge ebenso wie die Bewilligungen auf Rehabilitationsleistungen stetig gestiegen, sodass das gedeckelte Budget zunehmend und bis an den Rand ausgeschöpft wurde. Die Deckelung war richtig, um alle Beteiligten zu veranlassen, die begrenzten Mittel mit Sorgfalt einzusetzen. Und auch in Zukunft sollten wir sie beibehalten. Die geburtenstarken Jahrgänge erfordern aber, das Budget dem steigenden Bedarf der nächsten Jahre anzupassen. Mir gefällt das Konzept des "atmenden Deckels". Er wird bei Bedarf gelupft, bleibt aber auf dem Topf, um auch in Zukunft wirtschaftliches Handeln im Sinne der Beitragszahler zu bewirken. Wir müssen auch die Mahnungen des Bundesrechnungshofes ernst nehmen, der bereits mehrfach eine bessere Koordination der Rentenversicherungsträger im Bereich der Rehabilitation anmahnte. Nach ersten Überlegungen, diese Öffnung erst ab dem Jahr 2017 vorzunehmen, hatten sich die Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen entschlossen, früher damit zu beginnen. Ich bin überzeugt, dass eine entsprechende Regelung rechtzeitig nach der Bundestagswahl in Kraft treten kann. Die Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen wird im Jahr 2016 ihre größte Anzahl erreichen. Rehabilitation ist ein zentrales Ziel unserer Sozialpolitik. Rehabilitation hilft nicht nur den betroffenen Menschen, sie ist neben Vorsorge auch das richtige Konzept, zukünftige Krankheiten und Behinderungen - und damit auch Kosten für das Sozialsystem - zu vermeiden. Und auch die gesetzlich festgelegten Beitragssatzziele der Rentenversicherung sind für uns ein wichtiges Ziel. Die Amortisation der Rehabilitation ist unbestritten. Das von der Deutschen Rentenversicherung zugrunde gelegte Modell der Amortisation besagt, dass sich eine medizinische Reha schon dann lohnt, wenn sie den Bezug einer Erwerbsminderungsrente um vier Monate verzögert. Selbstredend sind Rehamaßnahmen auch ein Baustein unserer Maßnahmen zur Vermeidung wachsender Altersarmut; denn der Erhalt der Erwerbsfähigkeit ist entscheidend für die eigenständige Erwirtschaftung des Lebensunterhalts und einer ausreichenden Altersvorsorge. Das durchschnittliche Alter derer, die medizinische Reha in Anspruch nehmen, beträgt bei Frauen 51,6 Jahre und bei Männern 51 Jahre. Die Tendenz ist steigend. Das liegt aber nicht im späteren Renteneintritt begründet, der ja erst in sehr kleinen moderaten Schritten auf den Weg kommt. Dass das Durchschnittsalter der Betroffenen steigt, hat Gründe des medizinischen Fortschritts und auch des Erfolgs früherer Rehabilitationsmaßnahmen. Die Erwerbstätigenquote in der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen ist in den Jahren 2000 bis 2009 um 19,9 Prozentpunkte auf 38,4 Prozent gewachsen, eine Verdoppelung. Die Zahl der bewilligten medizinischen Rehamaßnahmen ist im gleichen Zeitraum nur um 3 Prozent angestiegen. Die durchschnittlichen Kosten einer stationären Rehamaßnahme lagen nach Auskunft des letzten vorliegenden Rehaberichts bei circa 2.450 Euro. Deutlich höher sind die Kosten der längerfristigen Leistungen bei psychischen und Abhängigkeitserkrankungen. Hier muss eventuell noch mehr als bisher über Prävention nachgedacht werden. Entsprechende Initiativen haben wir in den letzten Wochen beschlossen, einen Antrag zur Eindämmung psychischer Belastungen in der Arbeitswelt beraten wir gerade heute. Der Anteil ambulanter Rehaleistungen hat sich innerhalb von acht Jahren vervierfacht. Diese Tendenz wird sich ganz sicher fortsetzen. Das ist gut so, und auch das begrenzt die Ausgaben. Wichtig ist auch, den Weg zur berufsorientierten medizinischen Reha weiter zu beschreiten. Ich bin sicher, auch das trägt zum effektiveren Mitteleinsatz bei. Dies alles werden wir in Ruhe auswerten. Den heute vorliegenden Antrag unterstützen wir deshalb nicht. Matthias W. Birkwald (DIE LINKE): Es ist gut, dass sich inzwischen alle Fraktionen einig sind, dass das Rehabudget der gesetzlichen Rentenversicherung angehoben werden muss. Das reicht aber nicht aus. Warum? Nun, es ist richtig, dass der notwendige Rehabilitationsbedarf nach der geltenden Rechtslage in den kommenden Jahren nur mit einer Budgeterweiterung finanziert werden kann. Bereits in den vergangenen Jahren ist das Rehabudget nämlich mehrfach an seine Grenze gelangt, und wir wissen: Das Problem wird sich aber weiter verschärfen. Inzwischen kommen die geburtenstarken Jahrgänge ins rehaintensive Alter, und das macht sich bemerkbar. Rentenversicherung, Gewerkschaften, Oppositionsfraktionen und verspätet auch Bundesozialministerin von der Leyen haben in Form der Referentenentwürfe zur Zuschussrente Vorschläge vorgelegt, wie das Rehabudget angehoben werden kann. Die SPD hat dies in Form des vorliegenden Antrags sowie eines Änderungsantrags zum Bundesunfallkassenneuordnungsgesetz getan. Es wird von der SPD gefordert, den Vorschlag der Deutschen Rentenversicherung Bund auf-zugreifen: Neben der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter sollen auch die demografische Entwicklung und die Verlängerung der Lebensarbeitszeit im Anpassungsmechanismus wirksam werden. Die SPD verlangt Vorschläge zur Frage, wie die Ermittlung des jährlichen Budgets entsprechend dem tatsächlichen Bedarf an Teilhabeleistungen gewährt werden kann. Außerdem sollen die vorhandenen Präventionsleistungen weiterentwickelt werden. Im Änderungsantrag zum BUK-NOG wird eine Demografiekomponente für die Anpassung ab 2013 bis 2050 beziffert. Es ist schon erstaunlich, dass sich die Bundesregierung trotz der herrschenden Einigkeit nicht dazu durchringen konnte, den Rehadeckel anzuheben. Das gehört wohl auch zum rentenpolitischen Armutszeugnis dieser Bundesregierung. Wir Linken sagen: Das Rehabudget muss sich am tatsächlichen Bedarf ausrichten. Menschen, die eine Rehamaßnahme brauchen, sollen diese auch bekommen. Das bedeutet: Der Rehadeckel gehört abgeschafft. So sieht das übrigens auch die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ulrike Flach von der FDP. Der "Schwarzwälder Bote" zitiert die Kollegin mit den Worten: Der Rehadeckel muss weg. Es ist doch sehr interessant, dass in direkten Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern von Kliniken so klar formuliert wird, was auf der Hand liegt. Auch der Kollege Sascha Raabe von der SPD-Fraktion versprach noch im vergangenen Jahr dem Vertreter der Median-Klinikgruppe, sich weiter für die vollständige Abschaffung des Rehadeckels stark zu machen. Das ist ihm in der eigenen Fraktion offenbar ebenso wenig gelungen wie Frau Flach von der FDP bzw. der Koalition. Die Linke hat dazu schon im Januar 2012 einen Antrag eingebracht, und auch die Grünen haben unserem Antrag zugestimmt. Die SPD hat sich damals trotz des Appells des Kollegen Dr. Raabe nur enthalten. In diesem Antrag nun verlangt die SPD in ihrer zweiten Forderung nach Vorschlägen zur Ausrichtung der Reha am tatsächlichen Bedarf. Warum wird nicht konsequent in diese Richtung gearbeitet, frage ich. Wir können auch nicht akzeptieren, dass die SPD weiter an der Erhöhung der Regelaltersgrenze und der scheinbaren Verlängerung der Lebensarbeitszeit festhält. Die Rente erst ab 67 muss rückgängig gemacht werden, weil sie zu noch mehr Kürzungen und damit zu noch mehr Altersarmut führt. Hier wird auf das falsche Pferd gesetzt. Eine Korrektur des Rehadeckels um eine Demografiekomponente, wie sie hier vorgeschlagen wird, greift in jedem Fall zu kurz. Wenn wir sagen "Reha vor Rente", dann müssen wir das auch so meinen und mehr für die Versicherten tun. Wir bleiben bei unserer Forderung: Reha am Bedarf ausrichten! Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist schon eine Weile her - es war am 1. März des letzten Jahres -, da haben wir zum ersten Mal hier im Plenum über diesen Antrag diskutiert. Die Debatte war von großer Einigkeit geprägt: Alle Fraktionen dieses Hauses stehen zum Grundsatz "Reha vor Rente", und alle Fraktionen sehen, dass die Mittel der Rentenversicherung in ihrer gegenwärtigen Form nicht ausreichen werden, den zunehmenden Rehabilitationsbedarf zu decken. Ein Blick in das Protokoll unserer Debatte lohnt sich. Der Kollege Peter Weiß sagte damals, die Koalitionsfraktionen seien dabei, ihren Rentendialog auszuwerten und wollten "möglichst bald in die konkrete Gesetzgebung einsteigen". Er bekannte sich klar und deutlich zu dem Ziel, die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung für die Rehabilitation stärken zu wollen. Auch der Kollege Heinrich Kolb hob hervor: "Rehabilitation ist ein zentrales Ziel unserer Sozialpolitik." Er gab sich zuversichtlich, als er ankündigte, "dass wir nach dem Ende der Rentengespräche, wenn die Koalition ihre Beratungen abgeschlossen hat, sicherlich im Gesamtpaket auch an dieser Stelle etwas tun werden. Bis dahin bitte ich noch um Ihre Geduld. Aber ich glaube, Warten kann sich in diesem Fall tatsächlich auch lohnen." Nun ist über ein Jahr vergangen, und wir sprechen in der letzten regulären Sitzungswoche des 17. Deutschen Bundestages abschließend über den Antrag der SPD. Wir haben nicht nur gewartet in der Zwischenzeit: Meine Fraktion hat die Bundesregierung im Mai letzten Jahres nach dem Grund für die Verzögerungen bei der bedarfsgerechten Gestaltung des Rehabudgets befragt. Die Bundesregierung gab damals an, Einsparpotenziale im Rehabudget zu prüfen, die Bundesrechnungshof und Rechnungsprüfungsausschuss identifiziert hatten, weigerte sich aber konsequent, konkrete Zahlen zu nennen. Und obwohl die Bundesregierung damals nicht wusste, sondern erst prüfte, ob tatsächlich Wirtschaftlichkeitsreserven bei der Rentenversicherung bestehen, schien sie dies nicht daran zu hindern, die Anhebung des Budgets für die nächsten drei Jahre mit Verweis auf genau diese Reserven zu verzögern. Das ist mit Blick auf die Wirksamkeit und Notwendigkeit von Rehabilitation nicht nur fahrlässig, es ist auch nicht im Sinne der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler. Ich möchte noch einmal daran erinnern: Es handelt sich hier nicht um eine Frage, die politisch besonders strittig wäre. Wir alle möchten diejenigen, die mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung leben und arbeiten wollen, darin unterstützen. Diese Leistungen stehen den Menschen zu. Sie sind darüber hinaus volkswirtschaftlich sinnvoll. Und trotzdem kommt die Bundesregierung - man muss es einmal so platt sagen - nicht aus dem Quark. Meine Fraktion hat zuletzt Ende Oktober letzten Jahres gefordert, das Rehabudget angemessen auszugestalten. Damals wurde unser Antrag "Beitragssätze nachhaltig stabilisieren, Erwerbsminderungsrente verbessern, Reha-Budget angemessen ausgestalten" abschließend diskutiert und von den Koalitionsfraktionen abgelehnt. Dass die Union in ihrem Wahlprogramm viele Projekte ankündigt, von denen klar ist, dass sie im Grunde keine Ahnung hat, wie sie finanziert werden sollen, ist so bekannt wie unehrlich. Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP: Ich habe schon im letzten Jahr gesagt, dass mir Ihr Rentendialog wie ein schwarzes Loch vorkommt, in dem alle Vorschläge verschwinden. Sie haben sich damals lautstark dagegen gewehrt. Der Kollege Lehrieder hielt es sogar für nötig, mich zu belehren: "Lieber Kollege Kurth, bei uns gilt das Prinzip ‚Gründlichkeit vor Schnelligkeit'." Jetzt sehen wir, was dabei herauskommt. Was genau ist Ihre Gründlichkeit wert, wenn dabei nichts herauskommt? Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13972, den Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/8602 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der beiden Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Zusatzpunkt 19: Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Börnsen (Bönstrup), Dorothee Bär, Dr. Reinhard Brandl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Reiner Deutschmann, Burkhardt Müller-Sönksen, Sebastian Blumenthal, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP Kulturgüterschutz stärken - Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen - Drucksache 17/14115 - Die Reden wurden zu Protokoll genommen.33 Wir kommen zur Abstimmung über diesen Antrag auf Drucksache 17/14115. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen der beiden Regierungsfraktionen und der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 55: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes - Drucksache 17/13424 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/14157 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Josef Philip Winkler Die Reden sind zu Protokoll genommen worden. Helmut Brandt (CDU/CSU): Das Thema Bleiberecht für langjährig in Deutschland lebende ausreisepflichtige Ausländer war in den letzten Jahren sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene immer wieder Gegenstand von Anträgen, parlamentarischen Anfragen und kontrovers geführten Diskussionen. Auch heute ist das Thema Bleiberecht wieder Gegenstand einer Debatte im Deutschen Bundestag. Zugrunde liegt dieser Debatte ein Gesetzentwurf des Bundesrates. Der Bundesrat fordert die Einführung einer allgemeinen alters- und stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung. Voraussetzungen sind unter anderem ein langjähriger Aufenthalt, das heißt acht Jahre bzw. bei Familien mit Kindern bereits sechs Jahre, "überwiegende" Sicherung des Lebensunterhalts, hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache, das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie grundsätzlich gegebene Straffreiheit. Gleichzeitig soll das Bleiberecht für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende nach § 25 a Aufenthaltsgesetz dahin gehend modifiziert werden, dass bereits nach vier Jahren Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll. Begründet wird der Gesetzentwurf insbesondere damit, sowohl die IMK-Bleiberechtsregelungen als auch die gesetzliche Altfallregelung nach §§ 104 a und b Aufenthaltsgesetz seien stichtagsgebunden und damit unflexibel. Die aufenthaltsrechtliche Situation der Betroffenen könne in vielen Fällen weder durch eine zwangsweise Aufenthaltsbeendigung noch durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geändert werden. In der Folge, insbesondere bei ungeklärter Identität der Ausländer, verlängere sich der Aufenthalt weiterhin auf unbestimmte Zeit, ohne dass beispielsweise Sanktionen betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt aufgehoben oder der Zugang zu Integrationskursen eröffnet werden könne. Es ist unbestritten - die Zahlen sind uns auch bekannt -, dass wir eine große Anzahl von Menschen mit Duldungsstatus in Deutschland haben. Wir stimmen auch darin überein, dass die aus der Bleiberechtsregelung in bestimmten Fällen resultierenden Kettenduldungen für die Betroffenen und auch für die Allgemeinheit einen sehr unbefriedigenden Zustand darstellen. Die bloßen Zahlen lassen für mich jedoch nicht automatisch den Rückschluss zu, dass die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes ungeeignet sind oder dass hier eine Regelungslücke besteht. Ein geduldeter Aufenthalt ist ein zwar strafloser, aber dennoch rechtswidriger Aufenthalt. Dieser Umstand bleibt meiner Meinung nach in der Diskussion um ein Bleiberecht allzu häufig unbeachtet. Alle Menschen mit einer Duldung sind grundsätzlich ausreiseverpflichtet, aber aus unterschiedlichen Gründen kommen sie dieser Ausreiseverpflichtung nicht nach. Der Staat wiederum ist häufig nicht in der Lage, diese Menschen mit Duldungsstatus abzuschieben, also Zwang anzuwenden, ebenso aus unterschiedlichen Gründen. Dabei wird durch die Antragsteller nicht berücksichtigt, dass in sehr vielen Fällen die Ursache für die Kettenduldungen von den Betroffenen selbst herbeigeführt wird. Denn ein Hauptgrund ist oft, dass, wie Sie selbst einräumen, Unklarheit im Hinblick auf die Identität der Geduldeten besteht, dass die Papiere fehlen und dass oft die Betroffenen nicht dabei mitwirken, das Problem zu lösen, oder gar aktiv verhindern, ihre Identität zu ermitteln. Dabei bin ich im Gegensatz zu Ihnen davon überzeugt, dass dies in einer nicht geringen Anzahl durchaus bewusst bzw. vorsätzlich geschieht, um eben nicht ausreisen zu müssen. Sollen wir nun diejenigen, die ihre Mitwirkungspflichten, die ich im Übrigen für durchaus zumutbar halte, vorsätzlich verletzen und ihre Ausreise dadurch hintertreiben, nun auch noch belohnen? Wir sind uns einig in der Zielsetzung, gut integrierten jungen Zuwanderern mit ordentlicher Schul- und Berufsausbildung eine verlässliche Perspektive in unserem Land zu geben. Dazu dienen die sogenannten Altfallregelungen nach §§ 104 a und b Aufenthaltsgesetz. Dazu dient § 25 a Aufenthaltsgesetz. Diese Regelungen haben sich nach meiner festen Überzeugung bewährt. So haben beispielsweise viele Flüchtlingskinder in den letzten Jahren davon profitiert. Im Ergebnis hat damit unser Land insgesamt davon profitiert. Der vorliegende Gesetzentwurf schießt weit über dieses Ziel hinaus. Dass beispielsweise ein 15-Jähriger, der gerade einmal vier Jahre in Deutschland ist und aktuell eine Schule besucht, allein schon deshalb einen Rechtsanspruch auf dauerhafte Bleibe in Deutschland erhalten soll, geht zu weit. Im Ergebnis hieße das, wie wir alle wissen, dass auch seine Eltern auf Dauer hier bleiben dürften; denn natürlich möchte niemand eine Familie auseinanderreißen. Durch die von Ihnen geforderte Herabsetzung der Bedingungen für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht stärken Sie den Pull-Effekt und schaffen verstärkt Anreize, dass ausreisepflichtige Ausländer sich vier oder fünf Jahre ihrer Ausreisepflicht geschickt entziehen müssen, um schon einen Anspruch auf dauerhafte Bleibe samt Sozialleistungen zu haben. Das halte ich für nicht vertretbar. Denn ich bin überzeugt, dass dies unsere Gesellschaft und auch unsere Sozialsysteme überfordern würde, was wiederum Zündstoff birgt. Wir haben Möglichkeiten der Aufenthaltslegalisierung geschaffen bei erhöhter humanitärer Dringlichkeit gemäß § 23 a Aufenthaltsgesetz, bei arbeitsmarktpolitischen Interessen gemäß § 18 a Aufenthaltsgesetz, bei vom Betroffenen selbst nicht zu vertretender Alternativlosigkeit des weiteren Verbleibs in Deutschland gemäß § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz, wenn nicht nur die Abschiebung, sondern - und zwar unverschuldet - auch eine freiwillige Ausreise rechtlich oder tatsächlich unmöglich ist und mit dem Wegfall des Ausreisehindernisses in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, und schließlich bei gut integrierten geduldeten Jugendlichen und Heranwachsenden sowie deren Eltern und Geschwistern. Mit dem am 1. Juli 2011 in Kraft getretenen § 25 a Aufenthaltsgesetz können langjährig geduldete junge Ausländer, die die Schule besuchen bzw. diese erfolgreich abgeschlossen haben und für die eine positive Integrationsprognose besteht, ein Aufenthaltsrecht erhalten. In diesem Jahr beantragen doppelt so viele Menschen Asyl in Deutschland wie im vergangenen Jahr. Die meisten der Bewerber kommen aus Russland, Syrien und Afghanistan. Angesichts der anhaltenden Konflikte in Syrien werden die Zahlen eher steigen als sinken. Dass wir diesen Menschen helfen, ist selbstverständlich. Eine Regelung, die auf eine deutliche Herabsetzung der Kriterien für ein dauerhaftes Bleiberecht hinauslaufen würde, lehnen wir jedoch ab. Rüdiger Veit (SPD): Vergangenen Freitag wurde zu meinem großen Bedauern der von uns eingebrachte Gesetzentwurf "Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung einer aufenthaltsrechtlichen Bleiberechtsregelung" - Drucksache 17/7933 - von der Regierungskoalition leider abgelehnt. Wie schon in meiner Rede anlässlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs des Bundesrates angekündigt, werde ich daher nunmehr Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf empfehlen. Viele der von uns für wichtig erachteten Regelungen sind auch in dem Entwurf des Bundesrates enthalten, insbesondere soll eine stichtagsunabhängige fortlaufende Regelung eingeführt werden. Der Gesetzentwurf des Bundesrates stellt maßgeblich auf bereits erbrachte Integrationsleistungen ab. Dem können wir uns anschließen. Ich will allerdings auch deutlich machen, dass wir gesehen haben: Der Antrag des Bundesrates stellt höhere Anforderungen an die Lebensunterhaltssicherungspflicht als unser Gesetzentwurf. Hier soll allein das ernsthafte Bemühen um Arbeit im Gegensatz zu unserem Entwurf nicht ausreichen. Andererseits lässt er aber auch Ausnahmen für Familien und Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern zu. Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Die Koalition aus Union und FDP hat eine neue Zuwanderungs- und Integrationspolitik auf den Weg gebracht, die sich vom ideologischen Ballast links-rot-grüner Utopien befreit hat. Die zu Ende gehende Legislaturperiode steht für vier gute Jahre für Deutschland! Die Koalition aus CDU/CSU und FDP hat vor zwei Jahren den Einstieg in eine dauerhafte, bundesgesetzliche Bleiberechtsregelung geschaffen. Erstmals wurde für minderjährige und heranwachsende geduldete Ausländer ein vom Aufenthaltsrecht der Eltern unabhängiges Bleiberecht in einem Bundesgesetz geschaffen. Das ist humanitäre Rechtssicherheit. Die große Schwierigkeit einer sinnvollen, alle Betroffenen erfassenden Bleiberechtsregelung besteht darin, einerseits den unhaltbaren Zustand der Kettenduldungen abzuschaffen, andererseits aber die Zuwanderung nach Deutschland so zu steuern, dass diese auch nachhaltige Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern findet. Eine dauerhafte Regelung zu finden, die das Problem der Kettenduldungen nachhaltig löst, zugleich aber keine unerwünschten Anreize zur Zuwanderung in die sozialen Sicherungssysteme Deutschlands schafft, ist nach wie vor eine Herausforderung. Der vorliegende Gesetzentwurf thematisiert zwar zum wiederholten Male tapfer das erstgenannte Problem, zeigt aber keine Lösung für das zweite auf. Als FDP sind wir sehr daran interessiert, eine nachhaltige Lösung beim Bleiberecht zu finden, die stichtagsunabhängig an Integrationsmerkmalen orientiert sein sollte. Im Bundesrat werden schon seit ein paar Jahren Vorschläge für ein stichtagsunabhängiges Bleiberecht debattiert. Es waren zunächst die schwarz-gelben Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die Vorschläge in den Bundesrat eingebracht hatten. Warum wurden diese eigentlich jahrelang von Rot und Grün torpediert? Längst hätten wir schon eine Diskussionsgrundlage aus dem Bundesrat haben können. Stattdessen haben Sie gewartet: Jetzt ist die letzte Sitzungswoche. Jetzt ist es zu spät, um eine nachhaltige Lösung, die alle Interessen vereint, zu erarbeiten. Wären Sie an einem Konsens interessiert gewesen, hätten Sie und Ihre Länderkollegen sich früher darum bemüht. Denn dieses Thema muss im fraktionsübergreifenden Konsens gelöst werden. Bisher waren es die Länder, die uns daran gehindert haben, eine solche Regelung einzuführen. Aber es ist Wahlkampf, daher haben Sie das noch schnell auf die Spur gesetzt. Wer dabei einem schrankenlosen Daueraufenthaltsrecht in vermeintlich humanitärer Gesinnung das Wort redet, riskiert die steigende Ablehnung der Bevölkerung gegen Zuwanderer. Tatsächliche Integration in Deutschland muss das zentrale Kriterium sein. Der eigenständige Lebensunterhalt ist dabei, anders als der Gesetzentwurf des Bundesrates es suggeriert, von entscheidender Bedeutung. Der Gesetzentwurf verneint die Notwendigkeit einer tatsächlichen eigenständigen Lebensunterhaltssicherung für Menschen, die ein Aufenthaltsrecht in Deutschland suchen. Ein "ernsthaftes Bemühen" darum soll reichen. Wie und mit welchem Aufwand die Behörden dieses "ernsthafte Bemühen" kontrollieren sollen, bleibt eine offene Frage. Von dem Grundprinzip, dass jemand seinen Lebensunterhalt selbst sichern können muss, dürfen wir nicht abkommen. Allerdings müssen die Menschen dann auch die effektive Möglichkeit haben, zu arbeiten: Sie dürfen nicht vom Arbeitsmarkt künstlich ferngehalten werden. Es muss darüber nachgedacht werden, ob sie auch Zugang zu den Integrationskursen bekommen. Die Kenntnisse der deutschen Sprache sind unerlässlich für die Teilnahme am Arbeits- und Sozialleben. Natürlich kommt sofort das Argument: "Ja, aber die Betroffenen sollen Deutschland doch eigentlich verlassen." Das stimmt - rechtlich. Aber tatsächlich sind diese Menschen oft schon jahrelang in Deutschland. Und sie werden Deutschland auf weitere mehrere Jahre nicht verlassen. Wir müssen die Realität in den Blick nehmen. Klar ist, dass ernsthaftes Bemühen allein die Sozialkassen nicht entlastet. Wer die Zahl der Sozialleistungsempfänger vergrößern will, der sollte den bisherigen Leistungsempfängern auch sagen, dass sie Konkurrenz bekommen. Die Möglichkeit für langjährig Geduldete, den eigenständigen Lebensunterhalt - wenn auch nach einer Übergangszeit - zu bestreiten, ist sehr wohl ein wichtiges Kriterium der Bleiberechtsregelung. Das dient der Integration. Wir sind uns dessen bewusst, dass an die Voraussetzungen zur Lebensunterhaltssicherung nicht Anforderungen gestellt werden dürfen, die in der Realität nicht erfüllt werden können. Darüber müssen wir in der nächsten Wahlperiode sprechen. Gleichzeitig gilt auch hier: Es muss den Betroffenen frühzeitig ermöglicht werden, zu arbeiten. Die FDP hat durchgesetzt, dass der Zugang zum Arbeitsmarkt im Asylverfahrensgesetz bereits jetzt auf neun Monate abgesenkt wird. Das war das Ergebnis unserer Bemühungen. Es bleibt unser Ziel, sie weiter herabzusetzen. Human ist nicht die Zementierung eines Bittstellerstatus für immer mehr Menschen in unserem Land, sondern die Eröffnung von Lebenschancen, wie die Koalition aus CDU/CSU und FDP es tut. Zuwanderer sind zu fördern, aber sie sind selbst auch klar gefordert. Die deutsche Sprache, Demokratie und Rechtsstaat, die Grund- und Menschenrechte sind das für alle geltende Fundament unserer Gesellschaft. Wir verbinden wirksame Integration mit der aktiven Steuerung von Zuwanderung, ökonomischer Vernunft und Fairness, Offenheit und Klarheit, Fördern und Fordern. Dieser rote Faden zieht sich durch die christlich-liberale Integrations- und Migrationspolitik: Wir haben die Visawarndatei eingeführt. Wir erleichtern so für ein weltoffenes Industrieland wie Deutschland den unverzichtbaren internationalen Reiseverkehr und stärken zugleich die Sicherheit unseres Landes, ohne ausufernde Datenerfassung und unter Wahrung der Bürgerrechte. Wir haben die aufenthaltsrechtlichen Übermittlungspflichten öffentlicher Stellen geändert, um den Schul- und Kindergartenbesuch von Kindern zu gewährleisten, und die Residenzpflicht für Geduldete und Asylbewerber gelockert, um ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung oder Ausbildung zu erleichtern;. Wir haben die Stabilisierungszeit für Menschenhandelsopfer auf drei Monate ausgedehnt und sind damit einem dringenden Petitum von Opferverbänden, aber auch der Polizei gefolgt. Wir haben es ermöglicht, dass Abschiebehäftlinge auf ihren Wunsch hin von Nichtregierungsorganisationen besucht werden dürfen und die Bedingungen für die Abschiebehaft signifikant verbessert. Wir haben erstmals ein eigenständiges Wiederkehr- bzw. Rückkehrrecht für ausländische Opfer von Zwangsverheiratungen geschaffen und den eigenständigen Straftatbestand der Zwangsheirat eingeführt. Das ist aktiver Opferschutz und ein klarer Appell, unsere freiheitliche Werteordnung zu achten. Wir Liberalen realisieren eine neue Kultur des Willkommens, die nicht falsche Versprechungen auf Kosten anderer Leute macht, sondern Chancen und Perspektiven eröffnet. Wir geben Menschen Chancen. Hier werden wir weiterarbeiten. Ulla Jelpke (DIE LINKE): In dieser Woche reden wir erneut über eine gesetzliche Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete. Dass offenkundig weiterer Handlungsbedarf besteht, zeigt schon die Vielzahl der Debatten, Briefe und Appelle zu diesem Thema. Aber auch die unverändert hohe Zahl geduldeter Menschen, etwa 85.000, unter ihnen über 20.000 Kinder und Jugendliche, belegt, dass wir endlich zu einer wirksamen humanitären Bleiberechtsregelung kommen müssen. Diesmal also hat der Bundesrat einen Vorschlag gemacht. Bei aller Kritik am Detail der Regelungen unterstützt Die Linke diesen Gesetzentwurf, weil dadurch zumindest für einen Teil der langjährig Geduldeten eine Perspektive geschaffen würde. Der Vorschlag des Bundesrates knüpft an bereits bestehende gesetzliche Bleiberechtsregelungen an, zum einen die 2009 geschaffene Regelung des § 104a Aufenthaltsgesetz für eine stichtagsgebundene sogenannte Altfallregelung und die 2011 geschaffene Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche im § 25a Aufenthaltsgesetz. Die sogenannte Altfallregelung aus dem Jahr 2009 soll zu einer allgemeinen Bleiberechtsregelung ausgebaut werden; die vorgeschlagene Regelung enthält also keinen Stichtag mehr. Bedingung für einen Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis ist zunächst ein mindestens sechsjähriger Voraufenthalt bei Familien oder acht Jahre bei Alleinstehenden. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist dann an ein Bündel von Anforderungen zum Nachweis der nachhaltigen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse geknüpft. Gefordert wird die überwiegend eigenständige Lebens-unterhaltssicherung, was angesichts des weitgehenden Ausschlusses dieser Gruppe vom Arbeitsmarkt eine hohe Hürde darstellt. Eine unangebracht hohe Hürde wird auch mit Sprachanforderungen auf dem Niveau A2 geschaffen. Denn die Betroffenen wurden von den Integrationskursen systematisch ausgegrenzt. Anders als in der Regelung von 2009 deutet der Entwurf zumindest an, dass die Anforderungen an die Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland nicht im Einzelnen, sondern in der "Gesamtschau" erfüllt sein müssen. Insbesondere für Familien, Alleinerziehende, Auszubildende und Studierende wird auch ein vorübergehender Sozialhilfebezug hingenommen. Dies macht es den Ausländerbehörden zumindest möglich, die Regelung großzügig anzuwenden. Ob das dann auch in der Praxis der Fall wäre, darüber kann nur spekuliert werden. Nach den bisherigen Erfahrungen mit den Regelungen zur Beendigung von Kettenduldungen ist jedoch Skepsis angesagt. Der Gesetzentwurf verzichtet leider auch nicht auf eine Reihe von Ausschlusskriterien, etwa Verurteilungen zu 50 Tagessätzen bzw. 90 Tagessätzen bei ausländerrechtlichen Verstößen. Solche Strafen sind schnell erreicht, zum Beispiel wenn Menschen mehrfach gegen die Residenzpflichtauflagen verstoßen haben oder aufgrund des fehlenden Arbeitsmarktzugangs einer irregulären Beschäftigung nachgegangen sind. Vermeintliche Täuschungen über die Identität und fehlende Mitwirkung sollen ebenfalls zum Ausschluss vom Bleiberecht führen. Ein solcher Vorwurf wird in der ausländerbehördlichen Praxis jedoch viel zu vorschnell und häufig zu Unrecht erhoben. Die Linke fordert deshalb bereits seit vielen Jahren eine großzügige humanitäre Bleiberechtsregelung für langjährig Geduldete, ohne strenge Ausschlussregeln. Der Vorschlag des Bundesrates ist leider allzu engherzig und restriktiv, um das Problem der Kettenduldungen wirksam und im Interesse der Menschen beenden zu können. Es fehlt im Übrigen auch eine Regelung, die das Entstehen von Kettenduldungen bereits im Ansatz verhindert. Ursprünglich sollte der § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes diese Aufgabe übernehmen. Doch die Ausformulierung durch den damaligen rot-grünen Gesetzgeber war schon im Ansatz missglückt, weil an das Kriterium der unverschuldeten Ausreise angeknüpft wurde, statt wie zuvor an die Unmöglichkeit der Abschiebung. Die Linke hat hierzu in einem Gesetzentwurf eine Korrektur vorgeschlagen, die leider keine Mehrheit fand (vergleiche Bundestagsdrucksache 17/1557). Der Gesetzentwurf des Bundesrates will des Weiteren im Rahmen der Regelung für gut integrierte Jugendliche die geforderte Voraufenthaltszeit von sechs auf vier Jahre absenken. Allerdings hält er auch an dieser Stelle an der Ausschlussklausel fest, dass den Jugendlichen vermeintliche Täuschungen über ihre Identität oder fehlende Mitwirkung bei der Abschiebung als Grund vorgehalten werden können, ihnen ein Bleiberecht zu verweigern. Wohlgemerkt, es sind Handlungen der Eltern, die den Jugendlichen hier vorgehalten werden, die sie also selbst gar nicht zu verantworten haben. Die Eltern der Jugendlichen, die in den Genuss dieser Regelung kommen, müssen für eine Aufenthaltserlaubnis auch weiterhin einen eigenständigen Lebensunterhalt nachweisen. Damit wird für die Jugendlichen eine belastende Situation geschaffen, in der sie für sich eine Perspektive für ihr Leben in der Bundesrepublik schaffen können, der Aufenthaltsstatus der Eltern aber weiterhin prekär bleibt. Auch dies ist ein Argument für eine Bleiberechtsregelung ohne weitere Vorbedingungen, die, wie von der Linken gefordert, allen Geduldeten nach drei Jahren (Familien) oder fünf Jahren (Alleinstehende) ein dauerhaftes Bleiberecht gewährt. Für eine solche humanitäre und großzügige Bleiberechtsregelung wird die Linke auch in der kommenden Wahlperiode streiten. Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist sehr bedauerlich, dass es in der gestrigen Innenausschusssitzung nicht gelungen ist, eine gesetzliche Bleiberechtsregelung noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden. Die Koalitionsabgeordneten wollten nicht über ihren Schatten springen, obwohl die beiden großen Kirchen sich erneut an die Mitglieder des Innenausschuss gewandt und für die Verabschiedung einer stichtagslosen Bleiberechtsregelung noch in dieser Legislaturperiode geworben hatten. Die Länder haben mit der Einbringung des Gesetzentwurfes gezeigt, dass sie die Regelung mehrheitlich wollen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung hat sich auf dem diese Woche stattgefundenen Symposium zum Flüchtlingsschutz ebenfalls für eine umfassende Regelung ausgesprochen. Was fehlt, ist die Einsichtsfähigkeit der Koalition in dieser Frage. Die neue Bleiberechtsregelung hätte mindestens 35 000 Menschen zugutekommen können, die laut Aussage der Bundesregierung Ende 2012 mehr als sechs Jahre nur geduldet in Deutschland lebten. Sie hätten nach Jahren des unsicheren Aufenthalts in Deutschland endlich einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus und endlich eine Zukunftsperspektive erlangen können. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Bleiberechtsregelung hätte das immer noch bestehende Problem der Kettenduldungen deutlich eingrenzen können. Der Gesetzesvorschlag sieht vor, dass Flüchtlinge eine dauerhafte Perspektive in Deutschland erhalten können, wenn sie sich seit mehr als acht Jahren oder als Familie mehr als sechs Jahre in Deutschland aufhalten. Grundsätzlich müssen sie ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern und straffrei geblieben sein. Aus humanitären Gründen bezieht die neue Bleiberechtsregelung aber auch die Menschen mit ein, die Anforderungen wie die eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts nicht erfüllen können, weil sie zum Beispiel alt oder krank sind. Es bleibt festzuhalten, dass trotz verschiedener Altfall- und Bleiberechtsregelungen in den vergangenen Jahren, eine grundlegende Lösung jedoch weiterhin fehlt. Stichtagsregelungen führen immer wieder zu neuen humanitären Härtefällen. Daher ist eine dauerhafte, gleitende Bleiberechtsregelung ohne festen Stichtag notwendig, die auch auf zukünftige Fälle Anwendung finden kann. Nur eine großzügige Bleiberechtsregelung, die auch humanitären Grundsätzen genügt, ist auf Dauer geeignet, das Problem der Kettenduldungen zu lösen und den betroffenen Menschen eine gesicherte Lebensperspektive zu eröffnen. Dank der Uneinsichtigkeit der Koalition in dieser humanitären Frage wird dieses wichtige Thema nun erst wieder in der neuen Legislaturperiode gelöst werden können, dann hoffentlich mit anderen Mehrheiten. Für die grüne Fraktion bleibt die Schaffung einer großzügigen stichtagsunabhängigen Bleiberechtsregelung ein zentrales Anliegen, dem wir uns auch in der neuen Wahlperiode mit voller Kraft widmen werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14157, den Gesetzentwurf des Bundesrates auf Drucksache 17/13424 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt. Damit entfällt die weitere Beratung. Zusatzpunkte 20 a und 20 b: a) - Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Drucksache 17/13423 - - Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Drucksache 17/5053 - - Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Burkhard Lischka, Dr. Peter Danckert, Martin Dörmann, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - UrhWahrnG) - Drucksache 17/3991 - Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - Drucksachen 17/14194, 17/14217 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Geis Ansgar Heveling Burkhard Lischka Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jerzy Montag b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Agnes Krumwiede, Dr. Konstantin von Notz, Jerzy Montag, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zugang zu verwaisten Werken erleichtern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz, Krista Sager, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung - Drucksachen 17/4695, 17/7031, 17/14194, 17/14217 - Berichterstattung: Abgeordnete Norbert Geis Ansgar Heveling Burkhard Lischka Stephan Thomae Halina Wawzyniak Jerzy Montag Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegen ein Änderungsantrag und ein Entschließungsantrag der Grünenfraktion vor. Die Reden wurden zu Protokoll gegeben.34 Wir kommen zur Abstimmung. Zusatzpunkt 20 a. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14194 und 17/14217, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Drucksache 17/13423 in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Grünenfraktion auf Drucksache 17/14252 vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken abgelehnt. Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Dritte Beratung und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen. Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/14253. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken abgelehnt. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf den Drucksachen 17/14194 und 17/14217, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/5053 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken und Grünen abgelehnt. Also entfällt die weitere Beratung. Abstimmung über den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD zur Änderung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c auf den Drucksachen 17/14194 und 17/14217, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/3991 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken und Grünen abgelehnt. Es entfällt die weitere Beratung. Zusatzpunkt 20 b. Fortsetzung der Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses auf den Drucksachen 17/14194 und 17/14217. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe d die Ablehnung des Antrags der Grünenfraktion auf Drucksache 17/4695 mit dem Titel "Zugang zu verwaisten Werken erleichtern". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Unter Buchstabe e empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünenfraktion auf Drucksache 17/7031 mit dem Titel "Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe f auf Drucksachen 17/14194 und 17/14217, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 53: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Barbara Höll, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Wirksamer Schutz für Flüchtlinge, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden - Drucksachen 17/9193, 17/13788 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Josef Philip Winkler Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll gegeben. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Bevor man weitreichende gesetzliche Änderungen fordert, sollte man sich sorgfältig mit der gegenwärtigen Rechts- und Gesetzeslage auseinandersetzen. In ihrem Antrag hat die Fraktion Die Linke einige aktuellere Entscheidungen von bayerischen Verwaltungsgerichten zitiert, um hierdurch sowohl eine falsche Rechtsanwendung in der Praxis als auch einen dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu belegen. Sie hat dabei allerdings übersehen, dass die tatsächlichen Gründe für die jeweilige Ablehnung des beantragten Rechtsschutzes nicht nur in der gegenwärtigen Rechtslage, sondern vor allem auch in der Widersprüchlichkeit des Vortrages des jeweiligen Klägers begründet waren. So führt das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2011 (Az. RN 5 K 11.30261) aus, dass der Vortrag des Klägers hinsichtlich eines möglichen Verfolgungsgeschehens zumindest teilweise unglaubhaft sei. Das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, welches im Antrag der Fraktion Die Linke ebenfalls als Beleg für einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf angeführt wird, geht in seinem Urteil vom 11. April 2011 (Az. Au 6K 09.30189) sogar noch einen Schritt weiter. Es führt aus: "Der Vortrag des Klägers hinsichtlich seiner angeblichen Verfolgung wegen seiner Homosexualität ist unglaubhaft, unsubstantiiert und stellt sich über weite Strecken auch als bloße Behauptung dar." Dass das eigentliche Problem nicht eine möglicherweise unklare Rechtslage, sondern eher im Verhalten einzelner Asylsuchender liegt, zeigt im Übrigen auch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 10. Mai 2007 (Az. M 22 K 06.50254). Auch in dieser Entscheidung ging es um die Anerkennung eines Asylantrages aufgrund einer möglichen strafrechtlichen Verfolgung von Homosexualität im Herkunftsland des Asylsuchenden. Das Verwaltungsgericht führt in seiner Entscheidung aus: "Da der Kläger zugeben musste, das Gericht hinsichtlich seiner bisher geltend gemachten Asylgründe bewusst angelogen zu haben und solche offenbar beliebig erfindet, um seinen Aufenthalt in Deutschland zu verlängern, glaubt ihm das Gericht sein nunmehriges Vorbringen ebenfalls nicht. Darüber hinaus ist das Gericht auch aufgrund des persönlichen Eindrucks, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, sowie aufgrund massiver und unauflösbarer Widersprüche in wesentlichen Punkten seines nunmehrigen Vorbringens davon überzeugt, dass - ebenso wenig wie von seinem bisherigen Vorbringen - auch hiervon kein Wort wahr ist und dass der Kläger sich, nachdem ihm die Unglaubwürdigkeit seines bisherigen Vorbringens bewusst geworden war, zusammen mit seinem Bruder und ihrem Freund lediglich etwas anderes, nicht Nachprüfbares ausgedacht hat, um weiter in Deutschland bleiben zu können." Die von mir zitierten Ausführungen der bayerischen Verwaltungsgerichte belegen eindrucksvoll, dass es vorrangig nicht darum gehen kann, die bisherige Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge bei der Bearbeitung der Asylanträge und auch nicht die Praxis der Verwaltungsgerichte anzuprangern. Bereits jetzt bietet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge umfassende Schulungsmaßnahmen zum Themenkomplex Verfolgung in Anknüpfung an die sexuelle Identität an. Die Entscheider werden dabei sowohl in den damit verbundenen Rechtsfragen als auch im persönlichen Umgang mit den Antragstellern geschult. Mögliche Fallkonstellationen oder aber aktuelle Entwicklungen sind zudem immer Gegenstand von gesonderten, fachspezifischen Schulungen und dem Erfahrungsaustausch bei Tagungen der Entscheider. Darüber hinaus existiert ein Erfahrungsaustausch für sogenannte Sonderbeauftragte für geschlechtsspezifisch Verfolgte. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verlangt grundsätzlich auch keine sexualwissenschaftlichen Gutachten. Dies ist eine weitere nicht haltbare Unterstellung der antragstellenden Fraktion. Es verlangt jedoch vom antragstellenden Asylbewerber, dass er glaubhaft macht, warum seine Furcht vor einer politischen bzw. strafrechtlichen Verfolgung in seinem Herkunftsstaat begründet ist und an seine tatsächliche oder vermeintliche Homosexualität anknüpft. Damit folgt es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das in seiner Entscheidung vom 29. November 1990 (Az. 2 BvR 1095/90) dazu ausgeführt hat, dass es "dem Asylsuchenden obliegt, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen, und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern." Der Asylbewerber muss somit glaubhaft machen, dass die begründete Furcht vor Verfolgung an seine tatsächliche oder vermeintliche Homosexualität anknüpft. Selbstverständlich dürfen dabei hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen gestellt werden und keine unumstößliche Gewissheit verlangt werden, sondern der Entscheider muss sich in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig auszuschließen sind. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits jetzt gesonderte Verfahrensregelungen für entsprechende Anträge getroffen hat. Demnach wird berücksichtigt, dass es aufgrund sozio-kultureller Prägungen oder weil die Intimsphäre betroffen ist, nicht allen Antragstellern möglich sein könnte, von sich aus über Verfolgungen, die an die sexuelle Orientierung anknüpfen, zu sprechen. In Fällen, in denen Anhaltspunkte für eine derartige Verfolgung vorliegen könnten, wird selbstverständlich mit der gebotenen Sensibilität im Rahmen der Anhörung nachgefragt. Im Anschluss daran findet dann eine einzelfallbezogene individuelle Prüfung des Vorbringens des Antragstellers statt, ob tatsächlich eine Verfolgungsgefahr besteht. Die vorgenannten Urteile der bayerischen Verwaltungsgerichte belegen, dass auch in sich anschließenden Gerichtsverfahren eine sehr umfangreiche und individuelle Überprüfung des Asylantrages des Antragstellers vorgenommen wird. Hierbei werden sowohl aktuelle Untersuchungen über die Rechtslage im Herkunftsland als auch die aktuellen Länderberichte des Auswärtigen Amtes berücksichtigt. Sie enthalten Informationen über mögliche geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe sowie zur möglichen Ahndung von homosexuellen Handlungen. Für die Hauptherkunftsländer werden sogar mindestens jährlich aktualisierte Berichte ausschließlich über asyl- und abschiebungsrelevante Fallkonstellationen erstellt. Den von der Fraktion Die Linke festgestellten Zustand einer Schutzlosigkeit von Menschen, die wegen der Ahndung homosexueller Handlungen nach Deutschland gekommen sind, vermag ich daher nicht nachzuvollziehen. Vielmehr scheint dieses Argument lediglich der Deckmantel für eine gewünschte grundsätzliche Öffnung des Asylrechts zugunsten einzelner, möglicherweise benachteiligter Gruppen zu sein. Eine solche grundsätzliche Öffnung würde jedoch nicht nur Bedenken im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 GG hervorrufen, sondern dem Missbrauch wären Tür und Tor geöffnet. Die von mir eingangs zitierten Entscheidungen zeigen, dass bereits in den vergangenen Jahren eine mögliche Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung gerne auch als "weiterer Asylgrund" vorgetragen worden ist, oftmals auch erst, nachdem die im zunächst im Antrag genannten Gründe mangels Stichhaltigkeit abgelehnt worden sind. Die von der Fraktion Die Linke in ihrem Antrag geforderten Maßnahmen würden somit zukünftige Antragsteller gerade dazu einladen, einen entsprechenden Verfolgungsgrund vorzutragen bzw. ihn nach erfolgloser Erstantragstellung noch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachzureichen. Die christlich-liberale Koalition hat in dieser Wahlperiode deutlich gemacht, dass sie für den Schutz politisch Verfolgter eintritt, wie es unserem Grundgesetz und der aus unserem christlich geprägten Menschenbild entspringenden Verantwortung entspricht. Wer politisch verfolgt wird und schutzbedürftig ist, kann auch weiterhin auf Deutschland vertrauen. Wir bekennen uns zum Grundrecht auf Asyl und setzen uns auch weiterhin im Interesse der Betroffenen für zügige Verfahren bei Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichten ein, damit auch die Betroffenen möglichst schnell Rechtsklarheit über ihren Status erhalten. Unabhängig davon haben wir in dieser Legislaturperiode immer wieder unbürokratisch Tausende von Flüchtlingen aus Krisenregionen aufgenommen, wie zuletzt im Fall des Angebots, 5 000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen, wenn ihnen eine baldige Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich war oder wenn sie nicht dauerhaft in das Land, das sie zuerst aufgenommen hatte, rückgeführt werden konnten. Auch in Zukunft werden wir Flüchtlingen helfen und dabei vertrauensvoll mit dem Flüchtlingshochkommissar der Vereinten Nationen zusammenarbeiten. Eine Zuwanderung, die darauf gerichtet ist, unsere Gastfreundschaft zu missbrauchen und lediglich die Systeme der sozialen Sicherung unseres Landes auszunutzen, werden wir aber auch weiterhin entschlossen ablehnen. Rüdiger Veit (SPD): Die sexuelle Ausrichtung eines Menschen gehört zu von ihm unverfügbaren Merkmalen, die seine Persönlichkeit prägen. Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung in ihren Heimatländern verfolgt werden, müssen in Deutschland Asyl erhalten. Kommt Asyl gemäß Art. 16 a Grundgesetz nicht zum Tragen, muss geprüft werden, ob Schutz aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention gewährt wird. Dies wurde durch die 2004 in Kraft getretene Qualifikationsrichtlinie konkretisiert. Dort heißt es: "Eine Gruppe gilt insbesondere als soziale Gruppe, wenn die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale ... teilen, die so bedeutsam für die Identität sind ..., dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten. ... Je nach Gegebenheit im Herkunftsland kann als eine soziale Gruppe auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Ausrichtung gründet" - Richtlinie 2004/83/EG. Wir haben also bereits Gesetze, die den Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Trans- und Intersexuellen - LSBTTI - vorsehen und ermöglichen. Für die Schaffung eines neuen Gesetzes spricht auch nicht notwendigerweise die Tatsache, das einige deutsche Gerichte die drohende Durchsetzung einer exzessiven Strafe im Herkunftsland für die Zuerkennung des Schutzstatus verlangen, was die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke in ihrem Antrag zu Recht kritisieren, wogegen wiederum andere Gerichte den Schutzstatus in korrekter Anwendung der Qualifikationsrichtlinie gewähren, wenn im Herkunftsland die sexuelle Ausrichtung als solche kriminalisiert wird. Immerhin hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 15. März 1988 - 9 C 278/86 - deutlich gemacht: Die Verfolgung wegen Homosexualität ist ein Asylgrund. Wir sind selbstverständlich für eine einheitliche, der Qualifikationsrichtlinie entsprechende Entscheidungspraxis deutscher Gerichte und werden die Entscheidungspraxis weiter kritisch verfolgen und beobachten. Für beachtlich halten wir die Forderung in dem Gesetzentwurf der Fraktion der Linken nach besonderen Schutzvorkehrungen für LSBTTI in Aufnahme-, Haft- und Unterbringungseinrichtungen. Dies werden wir prüfen und im Auge behalten. Allerdings sehen wir momentan auch hier keinen Handlungsbedarf für gesetzgeberische Initiativen. Die Fraktion Die Linke fordert in ihrem Gesetzentwurf, dass LSBTTI nicht auf staatlichen Schutz bei nichtstaatlicher Verfolgung und nicht auf interne Fluchtalternativen bei Staaten verwiesen werden dürfen, von denen bekannt ist, dass sie homophob sind. Hier wird Deutschland eine "vorbildliche Praxis" in der auch von der Fraktion Die Linke zitierten Studie von Sabine Jansen und Thomas Spijkerboer Fleeing Homophobia attestiert, da bei uns eben gerade nicht verlangt wird, dass LSBTTI um staatlichen Schutz in Ländern nachsuchen müssen, in denen Homosexualität kriminalisiert wird. Wir unterstützen auch die Forderung des Gesetzentwurfs, dass LSBTTI nicht entgegengehalten werden darf, sie sollten sich in ihrem Heimatland diskret verhalten, um so einer drohenden Verfolgung zu entgehen. Entscheidungen im Asylanerkennungsverfahren gründen auf der Glaubhaftmachung des Antragstellers. Grundsätzlich beruht diese auf dessen Ausführungen. Daher sollten die Einzelentscheider entsprechend geschult sein, so auch eine weiter in dem vorliegenden Antrag der Fraktion Die Linke enthaltene Forderung, der wir zustimmen. Wie schon anlässlich der ersten Lesung des vorliegenden Gesetzesantrags ausgeführt, halten wir die Problematiken rund um eine inländische Fluchtalternative, dem diskreten Verhalten, um Verfolgung zu entgehen, und die Maßstäbe, die an die Glaubhaftmachung angelegt werden, für nicht allein LSBTTI betreffende Fragen. Sie sind unseres Erachtens verallgemeinerungsfähig. Ich habe es schon bei der ersten Lesung gesagt, aber ich wiederhole mich diesbezüglich gerne: Was wir brauchen, ist eine allgemeine Debatte über die Ausgestaltung des Anerkennungsverfahrens, innerhalb derer wir über die Standards bei der Glaubhaftmachung und der Nachweispflicht im Anerkennungsverfahren sprechen sollten. Vielleicht müssen sich da Dinge ändern, zumal wenn es sich um traumatisierte Flüchtlinge handelt, nicht nur LSBTTI. Manche Flüchtlinge brauchen beispielsweise mehr Zeit, Dinge vorzubringen, da es ihnen aufgrund ihrer besonderen Schutzbedürftigkeit schwerer fällt, bei der ersten Anhörung alles für den Entscheider Wesentliche zu sagen und glaubhaft zu machen. Das Grundanliegen, die Anerkennung der sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung als Asyl- und Fluchtgrund, teilen wir ebenso wie die Forderung nach einer diskriminierungsfreien Behandlung von LSBTTI im Verfahren. Das Werkzeug dafür ist jedoch vorhanden. Einer gesetzlichen Änderung bedarf es nicht. Ich bleibe daher bei meiner Empfehlung, sich dem Antrag gegenüber zu enthalten. Serkan Tören (FDP): Die Abgeordneten der Fraktion Die Linke fordern in dem vorliegenden Antrag einen wirksameren Schutz für Flüchtlinge, die aufgrund ihrer sexuellen Identität in ihrem Heimatland Verfolgung fürchten müssen. Dieser Forderung kommt das derzeitige Asylprüfverfahren jedoch bereits vollständig nach. Erst 2009 hat das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes reagiert und seinen Handlungsansatz in Bezug auf die Asylantragsprüfung gegenüber Flüchtlingen, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden, überarbeitet. Die Prüfung richtet sich nun nach den tatsächlich zu erwartenden Sanktionen im Heimatland und ist nicht länger von bestimmten Handlungen oder der sexuellen Ausrichtung an sich abhängig. Die von den Linken geforderten Maßnahmen sind demnach unnötig. Darüber hinaus würde eine pauschale Zuerkennung des Flüchtlingsstatus für Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität aus ihrem Heimatland fliehen müssen, sogar eine Aufweichung der derzeit geltenden Grundsätze im Asylverfahren bewirken und den Flüchtlingsschutz somit nachhaltig schwächen. Das Asylverfahren unterliegt dem Gleichheitsgrundsatz. Demnach muss jeder einzelne Asylantrag nach objektiven Gesichtspunkten geprüft werden. Weitreichende und pauschale Zugeständnisse, wie es die Linken in ihrem Antrag fordern, würden möglicherweise zur Folge haben, dass Personen, die aus anderen Gründen ebenfalls asylberechtigt sind, letztendlich benachteiligt werden. Zudem ist eine solche Regelung schlichtweg unrealistisch. Eine Einzelfallprüfung ist und bleibt deshalb unabdingbar. Die schwarz-gelbe Koalition hat die besondere Situation von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Trans- und Intersexuellen aber nicht nur im Asylprüfungsverfahren berücksichtigt. Unter der Leitung von FDP-Minister Niebel wurden die Menschenrechte Homosexueller erstmals auch als eigenständiges Thema im Entwicklungsministerium geführt. So wurde die Budgethilfe der Bundesrepublik an Uganda explizit an die Menschenrechtslage Homosexueller im Land gekoppelt und die direkte Förderung eines Projektes von Homosexuellen in Nigeria bewilligt. Eine solche Strategie kann letztendlich eine langfristige Verbesserung der Menschenrechtslage in den betroffenen Ländern herbeiführen und somit der Notwendigkeit einer Flucht aus dem Heimatland entgegenwirken. Die vorangegangenen Beispiele machen deutlich, dass sich die Bundesregierung bereits sehr intensiv und differenziert mit der besonderen Problematik staatlicher Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität auseinandergesetzt hat. Diese Entwicklungen werden vom Antrag der Linken jedoch vollkommen ignoriert. Anstatt sich einzig und allein auf den Umgang mit den Auswirkungen strafrechtlicher Verfolgung zu konzentrieren, setzt die Strategie der Bundesregierung an der Wurzel des Problems an. Ulla Jelpke (DIE LINKE): In vielen Ländern der Welt werden Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt. Davon betroffen sind in erster Linie homosexuelle Männer und Frauen, aber auch Transsexuelle und Transgender, die in Konflikt mit der vorherrschenden Sexualmoral ihrer Länder geraten. Die Linke fordert in ihrem Antrag, diesen Menschen in Deutschland umfassend Schutz vor Verfolgung zuzusichern. Ein Schutz und sicherer Aufenthalt in Deutschland sollen gewährt werden, wenn in den Herkunftsländern die sexuelle Identität kriminalisiert wird. Völlig inakzeptabel ist die von der Rechtsprechung langjährig gerechtfertigte Zumutung, die Betroffenen sollten sich nach einer Abschiebung bedeckt halten und ihre sexuelle Identität öffentlich verbergen, um nicht verfolgt zu werden. Die Glaubwürdigkeit der Angaben zur sexuellen Identität sollen im Asylverfahren nur noch von entsprechend ausgebildetem und für die Thematik sensibilisiertem Personal auf der Grundlage der persönlichen Selbsteinschätzung beurteilt werden, statt sich auf fragwürdige psychologische Gutachten zu stützen. Wenn die sexuelle Identität erst in einem Folgeantrag vorgebracht wird, muss berücksichtigt werden, dass Homosexualität im Erstverfahren häufig aufgrund der vorherrschenden rigiden Moralvorstellungen im Herkunftsland oder aus Scham verschwiegen wird. Schließlich wollen wir erreichen, dass die besonderen Schutzbelange der betroffenen Gruppe auch bei der Unterbringung in Sammelunterkünften - die wir allerdings ohnehin grundsätzlich abschaffen wollen - berücksichtigt werden. Dadurch wollen wir vermeiden, dass die Betroffenen auch in Deutschland Opfer homophober Übergriffe werden. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es in den vergangenen Jahren durch die EU-Asylgesetzgebung und durch die veränderte Rechtsprechung der Gerichte in Asylverfahren zu einer Änderung der Anerkennungspraxis bei Verfolgung aufgrund der sexuellen Identität gekommen ist. Seit 2009 müssen Asylantragsteller nun nicht mehr nachweisen, dass ihre Homosexualität "irreversibel" sei. Damit gilt Homosexualität oder eine von der Geschlechtsidentität abweichende sexuelle Identität im Asylverfahren endlich nicht mehr als Abweichung im medizinischen, psychiatrischen oder psychologischen Sinne, die durch entsprechende Gutachten nachgewiesen werden muss. Leider gibt es immer noch regelmäßig Fälle, in denen die Angaben von Asylsuchenden zu ihrer sexuellen Identität als unglaubwürdig gewertet werden. Diese Praxis des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und der Ausländerbehörden muss beendet werden. Bis 2012 wurden Asylanträge durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt, wenn es zu dem Schluss gelangte, dass Asylsuchende ihre Sexualität im Herkunftsland ja im Verborgenen leben könnten, um einer Verfolgung zu entgehen. Diese Rechtsposition ist eine unglaubliche Zumutung für die Betroffenen und hat zugleich in vielen Fällen dazu geführt, dass der Asylantrag abgelehnt wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil aus dem Jahr 2009 festgestellt, dass die sexuelle Orientierung zu den zentralen Persönlichkeitsmerkmalen gehört. Es ist nicht zumutbar, dieses zentrale Persönlichkeitsmerkmal verbergen zu müssen. Diese Position wurde durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom September 2011 zu ähnlich gelagerten Fällen religiöser Verfolgung gestützt, und daraufhin wurde auch die Entscheidungspraxis des Bundesamtes geändert. Es spielt bei der Anerkennung nun keine Rolle mehr, ob ein Leben im Verborgenen möglich wäre oder nicht. Trotz dieser Fortschritte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht weiterhin gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Denn einzelne verwaltungsgerichtliche Entscheidungen stützen sich weiterhin auf ein skandalöses Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 1988. Nach diesem Urteil müssen Asylsuchende glaubhaft machen, dass sie "unentrinnbar" und "schicksalhaft" auf ihr sexuelles Verhalten festgelegt seien, ganz so, als handele es sich um eine tödliche Krankheit. Die drohende Strafe muss "offensichtlich unerträglich hart und ... schlechthin unangemessen" sein. Wenn das Sexualstrafrecht im Herkunftsland der "Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral" diene - im Urteil ging es um den Iran - so sei das vor dem Hintergrund des § 175 Strafgesetzbuch, der bis 1969 in der Bundesrepublik homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, legitim. Das Asylrecht habe nicht die Aufgabe, gewandelte moralische Anschauungen in Deutschland in anderen Staaten durchzusetzen. Auf dieses veraltete Urteil stützte sich zum Beispiel noch im Jahre 2011 das Verwaltungsgericht Augsburg, das eine drohende Freiheitsstrafe von drei Jahren für einen syrischen Asylsuchenden nicht als so unmenschlich empfand, dass deshalb Schutz gewährt werden müsse. Immer wieder werden drohende Gefährdungen auch dadurch relativiert, dass es heißt, gesetzliche Strafandrohungen würden in der Praxis nicht oder nur selten angewandt, sodass eine Rückkehr zumutbar sei. Einer solchen skandalösen Spruchpraxis kann nur durch gesetzliche Klarstellungen ein Riegel vorgeschoben werden. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Antrag der Fraktion der Linken zielt darauf ab, den Schutz von Flüchtlingen, die aufgrund ihrer sexuellen Identität verfolgt werden, zu stärken. Das Grundanliegen bleibt richtig, auch wenn in der Zwischenzeit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Anerkennungspraxis zum Teil geändert hat. Inzwischen hat das Amt das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. September 2012 umgesetzt, wonach es Flüchtlingen nicht zuzumuten ist, ihre Religion - oder eben ihre sexuelle Identität - nur im Privaten zu leben und in der Öffentlichkeit zu verbergen. Das hat das Amt in einem Schreiben an mich im Januar dieses Jahres bestätigt und zwischenzeitlich auch seine internen Richtlinien geändert. Nun gilt es, genau zu beobachten, ob und wie diese neue Praxis in der Entscheidungswirklichkeit ankommt. In der Vergangen-heit strotzten die Bescheide von diskriminierender Sprache und absurden Feststellungen, wenn etwa behauptet wurde, dass "Homosexuelle im Iran ein sicheres Dasein führten". Menschenrechte sind aber unteilbar. Es ist deswegen richtig, wenn in dem vorliegenden Antrag gefordert wird, dass eine Abschiebung von homosexuellen Menschen in Länder, die Homosexualität kriminalisieren, generell unterbunden werden muss. Sorgen macht uns allen in diesem Zusammenhang die Entwicklung in Russland. Der Menschenrechtsausschuss hat gestern einstimmig eine Resolution verfasst, der die dringende Aufforderung an Präsident Putin richtet, das von der Duma und dem Föderationsrat verabschiedete sogenannte "Propaganda"-Gesetz nicht zu unterzeichnen. Mit diesem Gesetz werden die Menschen- und Bürgerrechte von Schwulen und Lesben, von Transgendern und Transsexuellen massiv eingeschränkt. Zugleich heizt sich die homosexuellenfeindliche Stimmung im Land immer mehr an. In den vergangenen Wochen erreichten uns erschreckende Berichte von Pogromen, bis hin zu Morden durch homophobe Mobs. Ich meine, dass diese Verfolgung eine Qualität erreicht hat, die es erforderlich macht, den verfolgten Schwulen und Lesben Russlands Asyl anzubieten. Der Antrag behandelt auch Fragen, die den Umgang mit homosexuellen Flüchtlingen im Zuge des Verfahrens thematisieren. Gerade durch eine verbesserte Einschätzung der Lage in den Herkunftsländern kommt es umso stärker darauf an, die Glaubhaftmachung von Homosexualität als Asylgrund nachvollziehbar zu machen. Auch hier gibt es Ablehnungsbescheide, die von wenig Fachkenntnis geprägt sind. Da wird den Antragstellern vorgeworfen, dass sie gegenüber ihren Familien ihre sexuelle Identität verborgen hätten. Dabei ist es selbst in Deutschland alltägliche Realität, dass Menschen ihre sexuelle Identität aus Angst vor Diskriminierung und Ablehnung verbergen. In einem anderen Fall wurde ernsthaft ein Antragsteller als unglaubwürdig eingestuft, weil dieser als Jugendlicher vergewaltigt worden war - und nach einer Vergewaltigung könne er ja unmöglich homosexuell empfinden. Da werden tiefsitzende Vorurteile und Unkenntnis bei den Entscheidern deutlich, da müssen wir durch Weiterbildung nachsteuern. Es ist richtig, dass die Glaubhaftmachung von Homosexualität nicht immer einfach nachzuprüfen ist. Eine Beweiserhebung im Herkunftsland wäre unzulässig, ein Beweis über Gutachten medizinischer Art ist nicht möglich. Deswegen müssen wir zu einem Verfahren kommen, dass besonders auf entsprechend geschultes Personal hier in Deutschland abstellt. Dabei sollten die Lesben- und Schwulenverbände und -beratungsstellen eine Schlüsselfunktion erhalten; denn sie können vorurteilsfrei und präzise entsprechende Fragen stellen und überprüfen. Es ist sehr schade, dass die Koalition diesem wichtigen Thema nicht mehr Aufmerksamkeit schenkt. Wir werden hier hoffentlich mit einer neuen Bundesregierung ab Herbst zu einem verbesserten Umgang mit homo-, bi- und transsexuellen Flüchtlingen kommen! Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13788, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9193 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 54: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Ingo Egloff, Burkhard Lischka, Sebastian Edathy, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Genossenschaftsgründungen erleichtern, Wohnungsgenossenschaften stärken, bewährtes Prüfsystem erhalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Heidrun Bluhm, Johanna Voß, Dr. Kirsten Tackmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Genossenschaften aktiv fördern, Mitgliedschaften erleichtern und unterstützen - zu dem Antrag der Abgeordneten Beate Walter-Rosenheimer, Ingrid Hönlinger, Kerstin Andreae, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kleine und Kleinstgenossenschaften stärken, Bürokratie abbauen - Drucksachen 17/9976 (neu), 17/11828, 17/11579, 17/14037 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Stephan Harbarth Ingo Egloff Marco Buschmann Halina Wawzyniak Ingrid Hönlinger Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Wir debattieren heute über die von den Oppositionsfraktionen vorgelegten Anträge zur Änderung des Rechts der eingetragenen Genossenschaften. Das Jahr 2012 war von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr der Genossenschaften erklärt worden - zu Recht. Denn im Verlauf ihrer über 150-jährigen Geschichte haben sich Genossenschaften in den verschiedensten Märkten etabliert. Die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft, eG, stellt einen bedeutenden Pfeiler der deutschen Wirtschaft dar. Sie ist ein Erfolgsmodell. Sie genießt als solide Rechtsform hohes Vertrauen bei ihren Mitgliedern, Gläubigern und Kunden. Genossenschaften sind in Deutschland Vorbilder, wenn es darum geht, ökonomische, ökologische und soziale Interessen zu bündeln. Allein in den vergangenen drei Jahren sind rund 900 Genossenschaften in Deutschland gegründet worden. Nicht hinwegzudenken sind die Wohnungsgenossenschaften mit ihrer für die Gesellschaft wichtigen Funktion der Wohnungsbereitstellung und der Wohnungsbeschaffung. Von den in immer größerer Zahl gegründeten Energiegenossenschaften wissen wir, dass sie bei der Umsetzung der Energiewende eine wichtige Rolle spielen. Damit eingetragene Genossenschaften auch weiterhin so erfolgreich wirtschaften und sich am Markt behaupten können, wollen wir sie auch weiterhin auf ihrem Weg in die Zukunft verlässlich begleiten, und, falls erforderlich, wollen wir gute Rahmenbedingungen schaffen. Die Oppositionsfraktionen schlagen in ihren Anträgen Maßnahmen zur Entbürokratisierung in der Gründungsphase, bei den Bilanzierungspflichten sowie im Prüfungswesen vor. Jedenfalls auf den ersten Blick erscheinen manche Vorschläge beachtenswert. Doch es bedarf einer tiefer gehenden Prüfung, um herauszufinden, ob im Bereich der Kleinstgenossenschaften tatsächlich Änderungsbedarf besteht. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass wir bereits mit der Genossenschaftsnovelle im Jahr 2006 die deutsche Genossenschaft so modernisiert haben, dass sie im europäischen Wettbewerb bestehen kann, ohne nationale Besonderheiten im deutschen Genossenschaftsrecht zu zerstören. Mit der Genossenschaftsnovelle von 2006 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft, Societas Cooperativa Europaea, SCE, sowie Vereinfachungen bei der Gründung von Genossenschaften beschlossen. Außerdem hat der Gesetzgeber viele Regelungen den Satzungen der Genossenschaften überlassen und damit nicht alles im Gesetz selbst festgeschrieben. Das Bundesministerium der Justiz hat die Genossenschaftsnovelle von 2006 evaluiert und dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages im Mai 2009 einen entsprechenden Bericht zugeleitet. In diesem Bericht wird empfohlen, durch Änderung des Genossenschaftsgesetzes eine "Kleine Genossenschaft" bzw. "Kooperativgesellschaft (haftungsbeschränkt)" einzuführen, die von der Pflichtmitgliedschaft und Pflichtprüfung befreit ist. So sollen Existenzgründungen im Bereich der Genossenschaften erleichtert werden. Wir als christlich-liberale Koalition wollen es Kleinstunternehmen ermöglichen, sich in der Rechtsform der Genossenschaft zu gründen. Die uns vom Bundesministerium der Justiz unterbreiteten Vorschläge sind in den Koalitionsfraktionen mit externem Sachverstand intensiv beraten worden. Letztlich sind wir zu der Erkenntnis gelangt, dass wir im bewährten Genossenschaftsrecht keinen undurchdachten "Schnellschuss" beschließen wollen, der sich hinterher unter Umständen als schwerwiegender, kontraproduktiver Eingriff herausstellen könnte. Eine Änderung des Genossenschaftsgesetzes muss gut und äußerst sorgfältig vorbereitet sein. Hier geht Qualität auf jeden Fall vor Schnelligkeit. Vor einer Neuregelung im Bereich der Kleinstgenossenschaften sind deshalb eine sorgfältige wissenschaftliche Analyse und eine Bedarfsfundierung, die auch die Folgen einer etwaigen Änderung des Genossenschaftsgesetzes bedenkt sowie Alternativen prüft, unumgänglich. Ich gehe fest davon aus, dass dieses Thema in der neuen Wahlperiode auf der rechtspolitischen Agenda stehen wird. Ingo Egloff (SPD): Drei Anträge liegen uns heute vor, die alle in die gleiche Richtung zielen: Wir brauchen Prüfungserleichterungen bei Kleinstgenossenschaften. GmbHs und andere Kapitalgesellschaften müssen ihren Jahresabschluss und Lagebericht erst ab einer Unternehmensgröße von 4,84 Millionen Euro Bilanzsumme, 9,68 Millionen Euro Umsatzerlösen oder 50 Arbeitnehmern von einem externen Abschlussprüfer prüfen lassen. Dabei genügt es, zwei dieser drei Merkmale zu erfüllen, um der Prüfpflicht zu unterliegen. Laut § 316 in Verbindung mit § 267 HGB wird aber nach geltendem Recht auch die allerkleinste Genossenschaft mindestens alle zwei Jahre von ihrem Genossenschaftsverband kostenpflichtig geprüft. Das ist überzogen, wird aber von den Prüfverbänden vehement verteidigt. Nach dem Antrag der SPD sollen Kleinstgenossenschaften künftig keine kostenpflichtigen regelmäßigen Prüfungen der Geschäftsführung durch den Prüfverband mehr benötigen. Dies wäre immer dann der Fall, wenn sie in Anlehnung an die europäische Micro-Unternehmensrichtlinie mit weniger als 750 000 Euro Umsatz, 350 000 Euro Bilanzsumme und zehn Mitarbeitern operieren. Die Gründungsprüfung und eine Pflichtmitgliedschaft im Prüfungsverband bleiben in jedem Fall erhalten. Außerdem sollen Genossenschaften bei der Existenzgründungsförderung berücksichtigt und nicht länger rechtsformbedingt benachteiligt werden. Schließlich sollen Mitgliederkredite an Genossenschaften erleichtert werden. Bündnis 90/Die Grünen wollen durch ihren Antrag ebenfalls eine Kategorie Kleinstgenossenschaften in Anlehnung an die Micro-Unternehmensrichtlinie schaffen, nehmen allerdings die Mitglieder-, nicht Mitarbeiterzahl als Grundlage. Gründungsprüfung und Pflichtmitgliedschaft im Prüfungsverband sollen in diesem Antrag erhalten bleiben. Allerdings wollen die Grünen unter Ziffer 2 ihres Antrags die Schwellenwerte nach § 53 Abs. 2 GenG auf die Werte des § 267 HGB anheben. Dies hätte Folgen für die Pflichtprüfung, sodass hier die Gefahr bestünde, dass zum Beispiel ein erheblicher Teil der Wohnungsbaugenossenschaften befreit würde. Dies wollen wir ausdrücklich nicht. Die Linken wollen ebenfalls gesetzliche Regelungen, durch die kleine Genossenschaften gegebenenfalls unter bestimmten Auflagen für die Satzung von Pflichtprüfungen befreit werden. Sie wollen außerdem einen Bericht der Bundesregierung, in dem sie darlegt, wo die Genossenschaften überall benachteiligt werden, sowie mehr innergenossenschaftliche Demokratie. Sie wollen besondere Förderprogramme für soziale oder ökologisch ausgerichtete Wohnungsgenossenschaften, die Verhinderung von europäischen Diskriminierungen von Agrargenossenschaften und schließlich eine besondere Ressortforschung im Landwirtschaftsministerium, um die Besonderheiten von Agrargenossenschaften zu analysieren und zu evaluieren. Das alles ist wohlgemeint, aber zu kleinteilig und von fragwürdigem Erfolg. Die Zeit des Evaluierens sollte sieben Jahre nach der letzten Reform des Genossenschaftsrechts eigentlich vorbei sein, jetzt geht es darum, die bereits erkannten Defizite zu beheben. Leider ist es entgegen der Zusage aus dem Bundesjustizministerium in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, eine Reform des Genossenschaftsrechts vorzulegen, die die angesprochenen Problemfelder konsequent angeht. Deshalb ist es gut, dass der Referentenentwurf nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren gelangt ist. Die Aufgabenstellung der Reform wird über die Bundestagswahl hinaus weiterbestehen, und wir werden uns dann ihrer Lösung annehmen müssen. Marco Buschmann (FDP): Die deutschen Genossenschaften haben sich in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise bewährt. Sie haben ihre Insolvenzfestigkeit bewahrt. Deshalb tun wir gut daran, das Genossenschaftsrecht zu pflegen und wenn nötig zu modernisieren. Die vorliegenden Vorschläge zum Genossenschaftsrecht modernisieren es jedoch nicht. Sie schaden ihm. Bereits in der ersten Lesung haben wir unseren Hauptkritikpunkt an den vorliegenden Vorschlägen unterbreitet. Sie werden dem Wesen der Genossenschaft nicht gerecht und fügen ihm möglicherweise sogar Schaden zu. Sie alle wissen, dass sich die Genossenschaft als Rechtsform an ein breites Publikum richtet. Das erkennt man schon daran, dass es in Deutschland etwa 21 Millionen Genossen gibt. Die Genossenschaft ist also Publikumsgesellschaft. Gleichzeitig begibt sich der Genosse unter Umständen in die Gefahr, mit seinem gesamten Vermögen zu haften. Auf die Gefahr unbeschränkter Nachschusspflicht in § 6 Nr. 3 des Genossenschaftsgesetzes hatte ich ja bereits in der ersten Lesung hingewiesen. Und diese Haftungsgefahr für das eigene Vermögen besteht, anders als bei einer Personengesellschaft, ohne Einfluss auf die Geschäftsführung. Diese eigenwillige Kombination einer Publikumsgesellschaft mit der Gefahr, das gesamte eigene Vermögen zu verlieren, ist ein großer Unterschied zu den Kapitalgesellschaften, also der GmbH und AG; denn hier ist die Haftung auf das Vermögen der Gesellschaft beschränkt. Die Gefahr für das Privatvermögen des anlegenden Publikums ist begrenzt und steuerbar. Daher muss der Gesetzgeber großen Wert auf den Schutz gerade auch der unerfahrenen Genossen legen, wenn er das Vertrauen in die Genossenschaften bewahren möchte. Wenn die ersten Fälle eines privaten Ruins unerfahrener Genossen aufgrund der Insolvenz einer Genossenschaft durch die Zeitungen wandern würden, dann entstünde sicher schwerer Schaden für das Genossenschaftswesen. Die Antwort des Gesetzgebers darauf ist seit 150 Jahren das Prüfungswesen. Die Genossenschaften werden bereits bei ihrer Gründung und im laufenden Betrieb besonders daraufhin geprüft, ob sie wirtschaftlich gesund sind. Wenn man hier Lockerungen vornehmen möchte, dann muss das zwingend mit einer Begrenzung des Haftungsrisikos für die anlegenden Genossen einhergehen. Das verlangen Verbraucher- und Anlegerschutz. Genau das leisten die Vorschläge aber nicht. Sie thematisieren dieses Problem nicht einmal. Auch wir hatten durchaus überlegt, ob man hier - allerdings unter Beachtung des Verbraucher- und Anlegerschutzes - Lockerungen vornehmen könnte, um insbesondere Gründungs- und Prüfungskosten zu senken. Hier muss man sich jedoch mit einer Reihe von Fragen sorgfältig auseinandersetzen: Sollen bestehende Genossenschaften in eine "gelockerte" Minigenossenschaft umgewandelt werden können? Wie wirkt sich das auf die Mitgliedschaft in Prüfungsverbänden aus? Schlagen diese Veränderungen auf das Beitragswesen durch, und erhöht dies die Kostenlast für die regulären Genossenschaften? Führt die Lockerung der Prüfungspflicht zu einem gesteigerten Haftungsrisiko für die Vorstände der Minigenossenschaften, die ja in der Regel mit Ehrenamtlichen besetzt sein werden? All diese Fragen wollen wohl bedacht sein, sodass wir auch von dem eigenen Vorhaben für diese Legislaturperiode Abstand genommen haben. Und das würde ich Ihnen für Ihren Vorschlag auch empfehlen. Wir lehnen ihn jedenfalls ab! Johanna Voß (DIE LINKE): Genossenschaften unterscheiden sich deutlich von anderen Unternehmensformen. Mit der demokratischen Selbstverwaltung nach dem Prinzip "ein Mitglied - eine Stimme" und der Förderung der Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Beschäftige, Mieter oder Konsumentinnen sind Genossenschaften eine demokratische Alternative zu vorrangig an maximaler Rendite orientierten Geschäftsmodellen. Genossenschaften haben in den letzten Jahren wieder einen Aufschwung erlebt, vor allem bei den erneuerbaren Energien. Leider sind Genossenschaften jedoch in vielerlei Hinsicht gegenüber anderen Unternehmensformen benachteiligt, und es müssen insbesondere kleinere genossenschaftliche Selbsthilfeprojekte mit vielen Schwierigkeiten kämpfen. Seit nunmehr vier Jahren liegt dem Rechtsausschuss eine Empfehlung vor, kleine Genossenschaften von Prüfpflichten zu befreien. Die Erleichterungen aus der Genossenschaftsnovelle von 2006 reichen nicht aus. Sieben Jahre gingen seitdem ins Land, in denen wenig passiert ist. Immer wieder wurde die Bundesregierung auf das Problem aufmerksam gemacht, dass für kleine Genossenschaften die Belastungen durch die Prüfpflichten zu hoch sind - so auch vom Petitionsausschuss des Bundestages im Mai 2012. Gehandelt hat sie nicht. Das internationale Jahr der Genossenschaften ist verstrichen. Die deutsche Politik hat es nicht geschafft, das Genossenschaftswesen durch eine Gesetzesänderung zu stärken. Die Anträge der Oppositionsfraktionen hierzu lehnen CDU/CSU und FDP sämtlich ab. Immerhin sah sich die Regierung durch die Anträge veranlasst, Anfang des Jahres einen Referentenentwurf in die Verbändeanhörung zu geben; auch dies blieb aber wieder folgenlos. Weil kleine Genossenschaften immer noch regelrecht totgeprüft werden, weichen zahlreiche Initiativen in andere Rechtsformen aus und arbeiten beispielsweise als eingetragene Vereine. Die zahlreichen solidarischen Initiativen brauchen endlich die Befreiung von den unverhältnismäßig hohen Prüfkosten. Das ist jedoch nicht die einzige Benachteiligung des Genossenschaftswesens gegenüber anderen Unternehmensformen: In Bildung und Ausbildung werden Genossenschaften immer noch stiefmütterlich behandelt. Förderprogramme, beispielsweise zur Gründungsförderung, sind oft auf individuell-selbstständige Tätigkeiten zugeschnitten und stehen daher den Genossenschaften nicht offen. Genossenschaften sind von Finanzierungsquellen ausgeschlossen, die anderen Unternehmensformen zur Verfügung stehen. Auch diese Benachteiligungen von Genossenschaften müssen beseitigt werden. Wir können heute auch den Anträgen von SPD und Grünen zustimmen. Sie vergessen wichtige Fragen der Entwicklung des Genossenschaftswesens, beispielsweise Fragen der Demokratie in Genossenschaften. Jedoch beinhalten die Anträge die meisten der oben genannten Punkte und würden eine Erleichterung für viele Genossenschaften bewirken. Wir wollen auch den genossenschaftlichen Gedanken und die genossenschaftlichen Strukturen innerhalb von Genossenschaften fördern, während mit den vergangenen Novellen die genossenschaftliche Rechtsform immer weiter den Kapitalgesellschaften angeglichen wurde. Wir schlagen daher in unserem Antrag vor, die Generalversammlung und die Mitbestimmungsmöglichkeit der Genossenschaftsmitglieder zu stärken sowie den Einfluss der investierenden Mitglieder auf die Unternehmenstätigkeit zu begrenzen. Wir wollen die genossenschaftliche Übernahme von Unternehmen durch ihre Belegschaften und die Übernahme von zu verkaufenden Wohnungen durch Mietergenossenschaften unterstützen und hierfür gesetzliche Grundlagen schaffen. Bei der Privatisierung der TLG-Wohnungen haben wir es praktisch angepackt; jedoch wollte die Bundesregierung lieber an private Investoren als an die betroffenen Mieter verkaufen. Gerade in Zeiten der Krise sind Genossenschaften eine Form, in der Menschen versuchen, die Auswirkungen der Krise zu lindern. Unterstützen wir Sie dabei! Ingrid Hönlinger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): "Genossenschaften erinnern die internationale Gemeinschaft daran, dass es möglich ist, Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung zu verbinden", sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, zum Jahr der Genossenschaften 2012. Die Kombination aus wirtschaftlichen und sozialen Elementen ist es, die die Rechtsform der Genossenschaft so einzigartig macht. Genossenschaften sind dazu da, ihre Mitglieder zu fördern. Es geht hier nicht um reine Kapitalansammlung. Genossenschaften sind mit dem Prinzip "Jedes Mitglied eine Stimme" eine demokratische Rechtsform wie keine andere. Die verschwindend geringe Insolvenzquote von unter 1 Prozent belegt außerdem, dass diese demokratische Form der Unternehmensführung der Wirtschaftlichkeit der Genossenschaften keinen Abbruch tut. Verglichen mit anderen Gesellschaftsformen ist die Genossenschaft trotzdem eher das Stiefkind der Rechtsformen. Seit der letzten Genossenschaftsreform sind die Gründungszahlen zwar gestiegen, aber selbst der Höchststand von 370 Neugründungen in 2011 ist immer noch eine niedrige Zahl, verglichen mit Hunderttausenden Neugründungen anderer Gesellschaftsformen. Das stellt uns vor die Fragen: Wie können wir Genossenschaften besser fördern? Wie können wir Menschen dazu ermutigen, diese Rechtsform zu wählen? Unsere Vorstellungen, wie das Genossenschaftsrecht besser und weniger bürokratisch ausgestaltet werden kann, haben wir Grünen in unserem Antrag zur Stärkung der Genossenschaften formuliert. Unsere Kernpunkte sind Bürokratieabbau und rechtliche Erleichterungen. Gerade für Kleinstgenossenschaften, wie zum Beispiel einen kleinen Dorfladen, den die Dorfbewohner als Genossenschaft führen, sehen wir einen großen Bedarf. Was meinen wir Grünen damit konkret? Als Kleinstbetriebe gelten im Gesellschaftrecht Unternehmen mit nicht mehr als 350 000 Euro Bilanzsumme und 700 000 Euro Umsatzerlösen. Für diese Unternehmen sind Entlastungen hinsichtlich der Rechnungslegung im Gesetz vorgesehen. Dies gilt dank der Micro-Richtlinie sogar EU-weit. Wir sollten es den kleinen Genossenschaften nicht schwerer machen als anderen kleinen Gesellschaften. Wir sollten sie an diesen Erleichterungen teilhaben lassen. Dazu gehört auch die Erleichterung der Pflichtprüfung. Die Pflichtprüfung dient der Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse einer Genossenschaft. Sie erfolgt bei kleinen Genossenschaften bisher zwingend alle zwei Jahre und wird vom Genossenschaftsverband durchgeführt. Bei kleinsten Genossenschaften ist das finanzielle Verlustrisiko gering. Kleinstgenossenschaften sollte es selbst überlassen sein, ob sie die sogenannte Pflichtprüfung durchführen wollen oder nicht. Ein weiterer wichtiger Punkt ist für uns Grüne die Förderung der Existenzgründung. Gründerprogramme haben die selbstständige unternehmerische Tätigkeit im Blick. Genossenschaften aber sind anders strukturiert. Sie sind beispielsweise nicht auf einzelne Personen begrenzt, sondern für weitere Mitglieder zugänglich. Daher erfüllen sie die Kriterien der Förderprogramme nicht. Folge ist, dass Genossenschaftsgründer in der Regel keine Gründungsförderung erhalten. Wir müssen deshalb die Fördermaßnahmen umstrukturieren, um sie so auch Genossenschaften zugänglich zu machen. Vor allem sollte eine Förderung die Kosten der Gründungsprüfung der Genossenschaft abfangen können, insbesondere wenn die Genossenschaft soziale oder ökologische Zwecke verfolgt. Ambitionierte Menschen, die sich zusammenfinden, um unternehmerisch, gestaltend und zum Wohl der Gemeinschaft aktiv zu werden, verdienen mehr Unterstützung, als ihnen bisher zuteil wird. Ein Ausweichen auf die Rechtsform des Vereins, wie es derzeit teilweise geschieht, kann nicht die Lösung sein. Außerdem sollten wir prüfen, wie eine Förderung aussehen könnte, wenn Mitarbeiter eines Krisenbetriebs sich bereit erklären, diesen als Genossenschaft fortzuführen, und ihn so aus der Insolvenz retten. Hier sind über das Genossenschaftsgesetz hinaus auch Reformen in anderen Gesetzen, wie zum Beispiel der Insolvenzordnung, denkbar. Unsere erste Bundestagsdebatte zu Genossenschaften fand vor Weihnachten, also vor einem halben Jahr, statt. In dieser Debatte haben die Koalitionsfraktionen angekündigt, einen Gesetzentwurf zum Thema Genossenschaften vorzulegen. Aus dem Bundesjustizministerium folgte dann tatsächlich im März ein Referentenentwurf. Diesen Vorschlag finden wir Grünen nicht überzeugend; denn er hätte zur Folge, dass die Kleinstgenossenschaften faktisch nicht mehr richtig im genossenschaftlichen System eingebunden sind. Das wäre ein Schritt in die falsche Richtung. Der Referentenentwurf aus dem Justizministerium zeigt aber, dass seit der Einbringung unseres Antrags in den Bundestag zumindest Bewegung in die Sache gekommen ist. Das wars dann aber schon. Die Koalition hat vor Weihnachten behauptet, dass wir gemeinsam intensiv über Genossenschaften diskutieren, sobald ein Vorschlag aus dem Ministerium vorliegt. Aber die vollmundig angekündigten konstruktiven Beratungen sind ausgeblieben. Entweder hat die Regierungskoalition kein ernsthaftes Interesse daran, Erleichterungen für Genossenschaften zu schaffen, oder sie war wieder einmal nicht in der Lage, sich in dieser Legislaturperiode auf Neuregelungen zu einigen. Mit dieser Sitzungswoche endet die Legislaturperiode. Wir hätten im Bereich des Genossenschaftsrechts gemeinsam einige Verbesserungen erreichen können. Es ist schade um die verpasste Gelegenheit. Wir Grünen werden die Reform des Genossenschaftsrechts mit einer neuen Regierung in der nächsten Legislaturperiode wieder aufgreifen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses auf Drucksache 17/14037. Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/9976 (neu) mit dem Titel "Genossenschaftsgründungen erleichtern, Wohnungsgenossenschaften stärken, bewährtes Prüfsystem erhalten". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungs- gegen die der Oppositionsfraktionen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Linkenfraktion auf Drucksache 17/11828 mit dem Titel "Genossenschaften aktiv fördern, Mitgliedschaften erleichtern und unterstützen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der Grünen auf Drucksache 17/11579 mit dem Titel "Kleine und Kleinstgenossenschaften stärken, Bürokratie abbauen". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 56: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Marianne Schieder (Schwandorf), Frank Hofmann (Volkach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Konsum kristalliner Methamphetamine durch Prävention eindämmen - Neue synthetische Drogen europaweit effizienter bekämpfen - Drucksachen 17/10646, 17/14007 - Berichterstattung: Abgeordnete Karin Maag Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Karin Maag (CDU/CSU): Wir werden dem Antrag schon deshalb nicht zustimmen, weil hier alles durcheinandergewürfelt wurde und vor allem nicht ausreichend zwischen den Problemen mit Methamphetamin in den deutschen Grenzregionen zu Tschechien und dem europaweiten Problem immer neuer psychoaktiver Substanzen differenziert wird. Vor allem wird bei uns die Ausbreitung von Methamphetamin insbesondere von deutschen und tschechischen Polizei- und Zollbehörden in den Grenzregionen effektiv bekämpft. Richtig ist, dass die Zuwächse im Bereich der Methamphetaminkonsumenten besorgniserregend sind. Die Sächsische Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V. berichtet zum Beispiel für das Jahr 2012 eine deutliche Steigerung der Klientenzahlen. Sachsenweit machten die Methamphetaminkonsumenten im Hilfebereich "Illegale Drogen" bereits 41 Prozent aus. Gegenüber dem Vorjahr betrage die Zuwachsrate bei den Stimulanzienkonsumenten 47 Prozent. In Europa wird Methamphetamin zum allergrößten Teil in der Tschechischen Republik illegal hergestellt. Im Jahr 2010 meldete Deutschland eine starke Zunahme beschlagnahmten Methamphetamins - 26,8 Kilogramm gegenüber 7,2 Kilogramm im Jahr 2009 -, wobei der größte Anteil auf die Bundesländer Sachsen und Bayern entfiel. Beide Bundesländer grenzen an die Tschechische Republik. Und in Deutschland ist laut Drogen- und Suchtbericht 2012 die Zahl erstauffälliger Konsumenten im Zusammenhang mit kristallinem Methamphetamin im Jahr 2011 wie schon im Vorjahr weiter angestiegen. Der Zuwachs betrug 2011 gegenüber dem Vorjahr 164 Prozent. Auch die Zahl erstauffälliger Methamphetaminkonsumenten erreichte 2011 einen neuen Höchstwert. Die deutschen und die tschechischen Polizei- und Zollbehörden arbeiten hier aber intensiv mit gemeinsamen Maßnahmen und Kontrollstrategien zusammen. Die deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft hat bei der Anhörung deutlich darauf verwiesen, dass die Behörden vom Zoll, der Bundespolizei, der Landespolizei Sachsen und Bayern sowie der tschechische Zoll und die tschechische Polizei ihre Kräfte bündeln und gemeinsam erfolgreich vorgehen. Im Februar 2012 habe der "Hofer Dialog" über die Vertiefung der Zusammenarbeit begonnen. Wesentlich sei die Vereinbarung zur Errichtung des gemeinsamen Zentrums der tschechisch-deutschen Polizei- und Zollzusammenarbeit Petrovice/Schwandorf, einem "Meilenstein" in der Zusammenarbeit. Das BMF hat entschieden, dass die an den Grenzen zu Polen und Tschechien vorhandenen Vollzugskräfte in den Kontrolleinheiten der Hauptzollämter auf Dauer anerkannt und nicht wieder abgebaut werden müssen. Wer behauptet, dass hier keine effektiven Maßnahmen ergriffen würden, hat sich schlicht nicht informiert. Der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Grundstoffverordnung ist allerdings nicht geeignet, um hier Verbesserungen zu schaffen. Methamphetamin wird in der Grenzregion nach Erkenntnissen der Zoll- und Polizeibehörden vor allem aus Abzweigungen von Fertigarzneimitteln aus polnischen und tschechischen Apotheken hergestellt. Da hilft es nicht, Ausfuhren in Deutschland im Einzelfall zu untersagen. Und wenn es Ihnen um Prävention geht: Gerade die deutsche Zollverwaltung ist - darauf wurde in der Anhörung auch hingewiesen - zum Beispiel in den Grenzregionen auch präventiv tätig. Die Hauptzollämter im Grenzgebiet haben einen interaktiven Präventionsvortrag mit dem Schwerpunkt Crystal entwickelt, der auch an Schulen angeboten wird. Aber vor allem hat das BMG als Teil der präventiven Maßnahmen im Bereich illegaler Drogen und als Bestandteil der Maßnahme der nationalen Strategie jüngst die Förderung eines Projekts zur Erforschung der Zielgruppen der missbräuchlich Methamphetamin Konsumierenden ausgeschrieben. Ziel der Projektförderung ist es, geeignete Informationen zur Zielgruppe, ihrer Konsummotivation und den Konsumgewohnheiten zu erhalten. Die Ergebnisse der Projektförderung sollen Hinweise zu zweckmäßigen Präventionsaktivitäten für diese Zielgruppe, insbesondere fundierte selektive oder indizierte Präventionsansätze für die Zielgruppe der Konsumierenden, geben. In den drogenpolitischen Konzepten der Bundesregierung wird nicht nur dem Methamphetaminmissbrauch, sondern selbstverständlich auch den "neuen Drogen" ein wichtiger Stellenwert beigemessen. Sowohl in der nationalen Strategie vom Februar 2012 als auch im Drogen- und Suchtbericht der Bundesdrogenbeauftragten vom Mai 2012 wird auf Kon-sumformen, Gefahrenpotenziale und Bekämpfungsstrategien sogenannter neuer Drogen eingegangen. In der nationalen Strategie ist den neuen synthetischen Drogen ein eigenes Kapitel gewidmet. Insbesondere das angekündigte Gutachten zur Machbarkeit der Einführung einer Stoffgruppenregelung im Betäubungsmittelgesetz liegt vor und wird vom BMJ überprüft. Der Ausbau und die weitere Vernetzung der bestehenden Frühwarnsysteme im Bereich neuer synthetischer Drogen sind in Arbeit. Hier wird deutlich, dass das Konzept der Bundesregierung weit über "Workshops und einmalige Aufklärungskampagnen" hinausgeht und nicht nur Methamphetamin und dessen Konsumenten Bestandteil verschiedener Präventions-, Beratungs- und Behandlungsstrategien sind. Mehr noch wird der zentralen Forderung der SPD, für Methamphetaminkonsumenten "den Beratungs- und Aufklärungsstrukturen eine besondere Bedeutung" beizumessen, in beiden Berichten längst entsprochen. Um eine bessere Grundlage für zielgruppenspezifische Prävention zu schaffen, hat das BMG seit 2009 mehrere Studien gefördert. Gerade mit der konsequenten Trennung der zielgruppenorientierten Präventionsmaßnahmen im Hinblick auf die Konsumenten und Risikogruppen sind wir auf dem richtigen Weg. Zu den neuen psychoaktiven Substanzen gilt, dass mit der 26. und 27. BtM-Änderungsverordnung insgesamt 54 neue synthetische Stoffe innerhalb eines Jahres dem BtMG unterstellt wurden. Und um den neuen psychoaktiven Substanzen noch effektiver begegnen zu können, wurde ja das bereits beschriebene Gutachten in Auftrag gegeben, das die Unterstellung von Stoffgruppen unter das BtMG prüft. Die Verhandlungen mit Russland zu einem Grundstoffabkommen sind überdies abgeschlossen. Wir sind in allen Bereichen, anders als die SPD, auf der Höhe der Zeit. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Als wir den Antrag aufgrund der Entwicklungen im deutsch-tschechischen Grenzgebiet geschrieben haben, sprachen Nachrichtenmeldungen über einen Höchststand bei den synthetischen Drogen. Im Jahr 2010 war mit 41 neuen Substanzen, einem Drittel aller seit 2005 neu gemeldeten Substanzen, eine Rekordsteigerung gemeldet worden. Vor einigen Wochen kam nun der EU-Drogenbericht heraus und hat diese besorgniserregenden Zahlen nochmals in den Schatten gestellt. Die EU hat für 2013 europaweit nun noch einmal 70 neue Drogen nachgewiesen. Kristallines Methamphetamin, Crystal, ist eine "alte" Droge, aber es ist die (halb-)synthetische Droge mit den derzeit höchsten Steigerungsraten. Insbesondere in Bayern, Thüringen und Sachsen sind enorme Zuwächse der illegalen Verbreitung und des Konsums zu verzeichnen. Die Dunkelziffer dazu ist zudem vermutlich sehr hoch. Daher haben auch viele Kolleginnen und Kollegen aus den entsprechenden Landesgruppen diesen Antrag namentlich unterstützt. Vor diesem Hintergrund kann ich weder verstehen, warum Linke und Grüne den Antrag kritisieren, weil er Harm Reduction nicht genügend berücksichtigen würde, noch Union und FDP, die im Ausschuss sagen, dass die Bundesregierung ja genügend mache. Denn so ist es eben nicht. Es ist immer noch unklar, wie die Bundesregierung in diesem Bereich präventiv tätig werden will. Zu den Ereignissen in den Grenzregionen bleibt die Bundesregierung erschreckend tatenlos. Das Problem wird nicht durch ein paar Besuche von Bundesminister Friedrich in Tschechien gelöst. Hier ist eine deutlich verstärkte Präventionsarbeit nötig, nicht nur in der polizeilichen Zusammenarbeit. Denn die Geschwindigkeit und die zum Teil großen Mengen, mit der neue psychoaktive Substanzen auf den Markt gebracht werden, sind für einzelstaatliche Reaktionen ein großes Problem. Wir fordern daher eine entschlossene Reaktion seitens der EU-Mitgliedstaaten und osteuropäischen Länder. Dies wurde auch von der EU bereits eingefordert. Auch bei der polizeilichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit und bei der Bekämpfung der Abzweigung von Drogengrundstoffen macht die Bundesregierung bislang zu wenig. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht muss zukünftig schneller auf das Auftreten von neuen Substanzen reagieren können. Auch alle Sachverständigen haben in der öffentlichen Anhörung zum Antrag im Gesundheitsausschuss vor der Ausbreitung synthetischer Drogen gewarnt, mehr Präventionspolitik und eine bessere internationale polizeiliche Zusammenarbeit gefordert. Die Situation zu Crystal war ebenso dramatisch, zumal - das hat die Anhörung sehr deutlich gemacht - Crystal nicht nur ein Problem der Grenzregionen ist, sondern immer stärker neben Brandenburg auch Berlin und andere Großstädte betroffen sind. Sie ist Milieudroge und Alltagsdroge zugleich. Auch alleinerziehende Mütter mit Burn-out-Syndrom suchen die Beratungsstellen auf. Ich kann nachvollziehen, dass die Bundesregierung nicht mit öffentlichkeitswirksamen Aktivitäten dazu beitragen will, dass die Droge noch bekannter wird. Doch wo sind ein abgestimmtes Konzept und eine verbesserte Prävention? Erst unser Antrag, der im September 2012 in den Deutschen Bundestag eingebracht worden ist, hat die Bundesregierung zumindest in Sachen Forschung ein wenig aus ihrem Schlaf gerissen, und sie hat zum Missbrauch von Amphetaminen im März 2013, also ein halbes Jahr nach dem SPD-Antrag zum Thema, eine Studie ausgeschrieben. Doch nicht einmal das haben Sie vernünftig getan: In der öffentlichen Anhörung zum Thema wurde kritisiert, dass die Ausschreibung Mängel aufweist, weil in besonders betroffenen Regionen auch "allgemeiner Präventionsbedarf" bestünde, "Drogenaffinitätsstudien" aber immer noch fehlen würden. Wir wollen mit dem Antrag die Forschung zu Crystal und zu den synthetischen Drogen stärker fördern. Außerdem wollen wir mit dem Antrag dazu auffordern, die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und der EU massiv zu verstärken, um effizientere Maßnahmen zur Bekämpfung der neuen illegalen Substanzen ergreifen zu können, auch im Hinblick auf die Drogenausgangsstoffe. Und nicht zuletzt wollen wir, das ist mir ein sehr wichtiger Punkt, die Beratungs- und Aufklärungsstrukturen stärken: in der Prävention, in den Schulen und bei der Polizei. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Der Konsum neuer synthetischer Drogen, insbesondere der Konsum kristalliner Methamphetamine, ist äußerst gefährlich und endet nicht selten tödlich. Die Gefahren, die von diesen Drogen ausgehen, sind in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch nicht ausreichend bekannt. Eine Rolle spielt dabei, dass diese psychoaktiven Stoffe als "Designerdrogen", "Spice" oder "Legal Highs" verharmlost und ihre Auswirkungen damit heruntergespielt werden. Das ist aus unserer Sicht nicht hinnehmbar. Es gilt also, wirksame Instrumente zur Eindämmung des Konsums dieser Substanzen zu entwickeln. Dazu bedarf es einer Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, aber auch zwischen den einzelnen europäischen Ländern, insbesondere in den Regionen, in denen dieses Phänomen grenzüberschreitend zu beobachten ist. Im Rahmen einer Anhörung im Deutschen Bundestag hat eine Reihe von Sachverständigen dargelegt, an welchen Stellen es bei der Bekämpfung des Handels und der Verbreitung dieser Stoffe hakt. Es wurde erklärt, wie die Verbreitung von Methamphetamin in Deutschland ist. Dabei kam auch heraus, dass es sich in erster Linie um ein regionales Phänomen handelt. Die Anhörung gab auch Antworten auf die Frage, was die Gründe für die Zunahme der Verbreitung von Methamphetamin in den deutschen Grenzregionen zu Tschechien sind. Es wurde erläutert, welche Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung und des Missbrauchs von Methamphetamin in den Grenzregionen zu Tschechien ergriffen worden sind und welche weiteren Maßnahmen geplant sind. Von zentraler Bedeutung sind auch die in der Anhörung gewonnenen Erkenntnisse über die Stoffe an sich. Bei neuen synthetischen psychoaktiven Substanzen handelt es sich um bislang unbekannte oder noch nicht in Verkehr gebrachte Stoffe und Zubereitungen, die dem BtMG nicht unterstellt sind und entsprechend nicht verboten sind. Durch die geschickte Veränderung der chemischen Struktur wird erreicht, dass die neuen Drogen nicht den Status illegal haben, weil sie in der Form eben nicht unter das BtMG fallen. Deshalb prüfen wir, ob es vor diesem Hintergrund sinnvoll und praktikabel sein könnte, im BtMG eine Stoffgruppenregelung einzuführen. Wenn sich dies als gangbarer Weg zeigt, der Verbreitung gefährlicher neuer Drogen zu begegnen, werden wir eine solche Stoffgruppenregelung ins Rollen bringen. Der vorliegende Antrag deckt den Handlungsbedarf nicht ausreichend ab. Die christlich-liberale Koalition wird den gesamten Komplex der neuen synthetischen Drogen deshalb genau unter die Lupe nehmen und die notwendigen Änderungen zur besseren Bekämpfung dieser gefährlichen Stoffe herbeiführen. Frank Tempel (DIE LINKE): Zum vorliegenden Antrag der SPD wurde in der entsprechenden Anhörung im Gesundheitsausschuss am 17. April eigentlich alles Notwendige gesagt. Die ausführliche Dokumentation der Anhörung mit zahlreichen Stellungnahmen befindet sich auf der Homepage des Gesundheitsausschusses. Der Antrag selbst beschäftigt sich mit dem Konsum psychoaktiver Substanzen und behauptet dabei, dass der Konsum synthetischer Drogen "zu einem immer größeren Problem" werde und sowohl die Zahl der neu auf den Markt kommenden synthetischen Drogen als auch die Zahl der davon abhängigen Konsumenten steige. Eine besonders gefährliche synthetische Droge sei Crystal, ein kristallines Methamphetamin, das ein extrem hohes Suchtpotenzial habe. Der Antrag fordert unter anderem, die Verbreitung durch konzentrierte Maßnahmen europaweit stärker zu bekämpfen. Der Antrag zeugt von einer beeindruckenden Inkompetenz der Initiatorinnen und Initiatoren: Unkritisch und fachlich falsch werden die verschiedensten Substanzen durcheinandergewürfelt. Darauf werde ich später noch einmal eingehen. Allein der Begriff "kristalline Methamphetamine" im Titel ist kurios; denn erstens gibt es nur ein Methamphetamin, und zweitens ist das immer kristallin. Die Forderungen nach einer europaweiten Koordinierung der Drogenpolitik sowie die Verstärkung der Forschung in diesem Bereich scheinen mir innerhalb dieses Forderungskataloges der SPD die vordergründig wichtigsten zu sein. Beim Thema Europa sollte es aber vielmehr darum gehen, die Ansätze der Drogenregulierung durch Drogenlegalisierung, wie sie in Portugal, der Schweiz, den Niederlanden, in Tschechien und in Belgien geschehen ist, europaweit zu koordinieren. Es gilt aus den sehr positiven Erfahrungen der genannten Länder zu lernen und diese Ansätze in die dringend benötigte Evaluation der deutschen Drogenpolitik mit einzubinden. In der Gesamtheit entspringen die geforderten Maßnahmen aber einem alten Denken, das die SPD in Sachen Drogenpolitik leider mit der schwarz-gelben Koalition gemein hat. Die Überwachung und Verfolgung von Produktion, Transit und Handel funktioniert seit fast 100 Jahren trotz riesiger öffentlicher Ausgaben nicht, trotzdem fordert die SPD ihre Verschärfung. Auch gegen Präventionsarbeit in Schulen ist nicht per se etwas zu sagen. Wenn allerdings im Geiste des Antrags ein Drogenfahnder den Kindern erzählt, dass Drogen böse sind und nur ein abstinenter Mensch ein guter Mensch ist, fällt der Erfolg entsprechend dürftig aus. Eine gute Präventionsarbeit ist nicht paternalistisch, sondern befähigt die Menschen, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen. Letztlich muss es um individuelle und um gesellschaftliche Konsumkompetenz sowie um ein umfassendes Verständnis von Gesundheitsförderung im Public-Health-Sinne gehen. Nichts davon findet sich in dem SPD-Antrag. Das Schreckgespenst, das die SPD mit dem vorliegenden Antrag an die Wand malt, wird der Droge Crystal in keiner Weise gerecht. Es ist richtig, dass wir regional an der Grenze zu Tschechien einen höheren Crystalkonsum nachweisen können als im restlichen Bundesgebiet. In Tschechien ist Crystal seit Jahrzehnten eine der am weitesten verbreitenden illegalen Drogen. Die SPD macht aber Zahlentricks. So schreibt sie in ihrem Antrag von einem Anstieg der Anzahl der Erstkonsumierenden um 163,7 Prozent. Dass es sich dabei um insgesamt 642 Personen handelt, wird nicht erwähnt. Auch die weitere Aufzählung reiner Prozentzahlen, ohne die absoluten Zahlen zu benennen, soll wohl ganz bewusst ein äußerst verzerrtes Bild der eigentlichen Realität darstellen. Das Problem ist bei diesem Vorgehen, dass es sich bei dem von mir beispielhaft genannten Anstieg von 163,7 Prozent bzw. den 642 auffälligen Erstkonsumentinnen und -konsumenten vielmehr um ein Aufhellen des Dunkelfeldes durch mehr polizeiliche Kontrollen und den damit verbundenen Erfahrungsgewinn in der Arbeit der Strafermittlungsbehörden handelt. Über die konkrete Verbreitung in Deutschland gibt es jedoch keine sicheren Zahlen. Hinweise über die Verbreitung ergeben sich bisher höchstes aus den Sicherstellungsmengen des Zolls, aus der sich nur eine sehr unzuverlässige Abschätzung des Konsums ableiten lässt, und der Zahl der Hilfesuchenden sowie nichtrepräsentative Umfragen. Richtig ist, dass die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit einem Crystalhintergrund seit 2009 in sächsischen Suchtberatungsstellen zugenommen hat. Laut "Bericht der ambulanten Suchtkrankenhilfe in Sachsen" von 2011 stieg der Anteil seit 2009 um 24 Prozent im Jahr 2010 bzw. um 29 Prozent im Vergleich zu 2011. Das heißt in absoluten Zahlen: Von 2009 an hat sich die Anzahl der Hilfesuchenden von 1 500 Klientinnen und Klienten auf circa 1 800 im Jahr 2010 und dann nochmals auf 2 400 Klientinnen und Klienten im Jahr 2011 erhöht. Auch dieser Anstieg könnte damit erklärt werden, dass immer mehr Menschen aufgrund der zunehmenden Berichterstattung die Hilfsangebote wahrnehmen. Aber auch das lässt sich nur vermuten. Daher ist es richtig, dass die Drogenbeauftragte der Bundesregierung einen Forschungsauftrag zur genaueren Analyse der Crystalproblematik nun in Auftrag gibt. Gerade weil ich die Bundesdrogenbeauftragte in den letzten vier Jahren ihrer Amtszeit noch nie loben konnte, möchte ich diese Entscheidung nun positiv erwähnen. Was wir benötigen, sind konkrete Daten als Grundlage konkreter Handlungen und keine populistischen Schnellschüsse wie der vorliegende Antrag der SPD. Denn wie bereits zu Beginn benannt, enthält der Antrag weitere schwere inhaltliche Fehler. So wird das Aufkommen von Legal-High-Produkten - synthetische Cannabinoide - mit dem völlig anders gelagerten Bereich des Crystal vermischt. Beide Konsummuster haben nichts miteinander zu tun. Hier lässt sich eine oberflächliche Beschäftigung mit dem Thema vermuten. Der Einzelsachverständige Dr. Werse vom Institut für Sozialpädagogik und Erwachsenbildung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main schrieb deshalb dazu auch in seiner Stellungnahme als Einzelsachverständiger in der genannten Anhörung am 17. April (vergleiche Drucksache 17(14)0398(11), Deutscher Bundestag): "Zu Ihrem Antrag möchte ich noch Folgendes hinzufügen: - es ist mir vollkommen unverständlich, weshalb Sie das ‚Legal Highs'-Phänomen und das Crystal-Meth-Phänomen in einen Topf werfen. Bei erstem handelt es sich um neue und noch nicht illegalisierte Substanzen mit weitgehend unbekannten Risiken, die v.a. über halblegale Wege im Internet gehandelt werden. Demgegenüber ist Methamphetamin seit langem bekannt, wird seit langem illegal gehandelt (und unter unkontrollierten Bedingungen hergestellt) und auch die Risiken sind weitgehend bekannt. Auch die Konsumentengruppen dürften sich allenfalls teilweise überschneiden bzw. gerade die im Fokus stehenden Problemkonsumenten von Meth benötigen sehr spezifische konkrete Hilfsangebote, die in keinem Zusammenhang mit den Legal Highs stehen. Wie unten in meiner gestrigen Mail angesprochen, bieten demnach auch unsere Ergebnisse der Onlinebefragung zu Legal Highs keinerlei Grundlage für Meth-Präventionsmaßnahmen. In Ihrem Antrag vermengen Sie konsequent diese beiden unterschiedlichen Phänomene miteinander, was einen ausgeprochen merkwürdigen Eindruck erweckt." Ich kann mich den Ausführungen von Herrn Dr. Werse nur anschließen. Die Bundestagsfraktion Die Linke lehnt diesen Antrag der SPD daher entschieden ab. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es tut mir leid, dies gleich zu Beginn meiner Rede sagen zu müssen: Der uns von der SPD-Fraktion vorgelegte Antrag ist von einer bemerkenswerten drogenpolitischen Unkenntnis geprägt. Dazu gehört zum einen die Vermischung des Problems der sogenannten Legal Highs mit dem Thema Methamphetamin, bei dem es sich gar nicht um eine neuartige psychoaktive Substanz handelt, sondern um ein klassisches Betäubungsmittel, das schon in den 1930er-Jahren als Arzneimittel auf den Markt kam und schon lange dem Betäubungsmittelrecht unterliegt. Auch die Aussage, neue psychoaktive Substanzen hätten ein erhebliches Abhängigkeitspotenzial und würden zu einer immer größeren Zahl an Süchtigen führen, ist in dieser Pauschalität wissenschaftlich überhaupt nicht belegt. Wie die Bundesregierung in ihrem aktuellen Entwurf zur Betäubungsmittel-Änderungsverordnung wieder zugeben musste, existierten kaum wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirkweise und insbesondere zum Gefahrenpotenzial vieler Substanzen. Vielmehr wird häufig allein aufgrund der chemischen Nähe zu anderen Stoffen auf eine psychoaktive Wirkung geschlossen, ohne dass diese nachgewiesen ist oder das gesundheitliche Risiko konkret belegt wurde. Manchmal wird die Unterstellung unter das Betäubungsmittelgesetz allein damit begründet, dass die Substanzen in "einschlägigen" Internetforen angeboten werde. Aber zurück zum Antrag der SPD. Enttäuschend ist auch, dass sich dieser überhaupt nicht mit den Gründen auseinandersetzt, weshalb diese sogenannten Legal Highs auf dem Markt aufgetaucht sind und konsumiert werden. Dies sind nämlich in erster Linie der illegale Status von Cannabis und die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten. In mehreren Befragungen gab die Mehrheit der Konsumenten von Legal Highs an, auf diese Substanzen zurückzugreifen, weil sie, anders als Cannabis, legal seien. Auch andere Gründe stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Prohibition von Cannabis: Das sind beispielsweise die Nichtnachweisbarkeit von Legal Highs in Drogentests, die Angst vor Verlust des Führerscheins oder das Zurückschrecken vor der Beschaffung von Cannabis in der Drogenszene. Insbesondere für regelmäßige Konsumenten war das Argument der Legalität sehr wichtig, gerade auch in Regionen wie Bayern, in denen ein hoher Verfolgungsdruck auf Cannabiskonsumenten herrscht. In einer aktuellen Studie des King College London geben über 90 Prozent der Legal-Highs-Konsumenten an, dass sie eigentlich natürliches Cannabis bevorzugen, beispielweise wegen geringerer Nebenwirkungen. Dies zeigt eindeutig, dass es sich bei dem Konsum von Legal Highs größtenteils um ein Ausweichverhalten handelt, das unmittelbar durch die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten hervorgerufen wird. Nachhaltig wird man das Problem der Legal Highs unter anderem also nur durch eine legale Abgabe von Cannabis lösen können. Solch eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Problematik sucht man in dem vorliegenden Antrag allerdings vergeblich. Er bleibt auch in seinen Forderungen sehr unkonkret und geht kaum über die "Allgemeinplätze" hinaus, die er seinerseits der Bundesregierung vorwirft. Mit welchen Instrumenten die geforderte Drogenbekämpfung durchgeführt werden soll, bleibt weitgehend unklar. Die geforderte Unterstützung eines EU-Regelungsvorschlags zu Legal Highs ist fragwürdig, da noch völlig unklar ist, wie dieser Vorschlag aussehen wird. Auch die Forderungen im Bereich der Prävention bleiben sehr unkonkret. Die Säule der Schadensminderung wird zudem überhaupt nicht erwähnt. Klar wird allerdings, dass die SPD einen eindeutig repressiven Ansatz verfolgt, der in erster Linie auf die Intensivierung der Strafverfolgung setzt. Man hat fast das Gefühl, die SPD möchte die schwarz-gelbe Regierung da noch überholen. Das ist allein schon wegen des offensichtlichen Scheiterns dieses Ansatzes abzulehnen. Er hat weder zu einer Reduzierung des Angebots noch zu einer Verringerung der Nachfrage nach Drogen geführt. Stattdessen hat die prohibitive Drogenpolitik erhebliche Menschenrechtsverletzungen und immense gesundheitliche sowie gesellschaftliche Schäden zu verantworten. Eine Wende in der Drogenpolitik und eine Entkriminalisierung der Drogenkonsumentinnen und -konsumenten sind daher auch in Deutschland längst überfällig. Die SPD hat sich diesem Gedanken in der nun zu Ende gehenden Legislaturperiode allerdings zumeist verschlossen. Der vorliegende Antrag ist ein erneuter Beleg dafür. Deshalb lehnt unsere Fraktion diesen Antrag ab. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Gesundheit empfiehlt auf Drucksache 17/14007, den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/10646 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der Linken und der Grünen gegen die Stimmen der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 59: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Angelika Graf (Rosenheim), Dr. Edgar Franke, Dr. Carola Reimann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Überlebenshilfe in der Drogenpolitik - Situation der Substitution von Opiatabhängigen verbessern - Substitutionsbehandlung im Strafvollzug gewährleisten - zu dem Antrag der Abgeordneten Frank Tempel, Dr. Martina Bunge, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Abhängigen helfen - Substitutionstherapie erleichtern - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Harald Terpe, Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Versorgungsqualität und Therapiefreiheit in der Substitutionsbehandlung stärken - Drucksachen 17/12181, 17/12825, 17/13230, 17/14017 - Berichterstattung: Abgeordnete Angelika Graf (Rosenheim) Auch hier sind die Reden zu Protokoll genommen. Karin Maag (CDU/CSU): Drogenpolitik heißt für uns generell, den Spagat zwischen der medizinisch notwendigen Versorgung und der Gewährleistung der Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zu bewältigen. Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2009 die Voraussetzungen für die diamorphingestützte Behandlung Opiatabhängiger geschaffen und diese Therapieoption in die Regelversorgung überführt. Damals hat meine Fraktion dieses Gesetz abgelehnt. Heute begleiten wir die Entwicklungen in diesem Bereich kritisch konstruktiv. Als Gesundheitspolitikerin geht es mir in erster Linie natürlich um eine gute Versorgung, so unbürokratisch wie möglich und auf hohem Qualitätsniveau. Ich bin aber auch verpflichtet, darauf zu achten, dass den berechtigten staatlichen Sicherheitsinteressen Rechnung getragen wird. Es gilt diesbezüglich vor allem, den Missbrauch von Betäubungsmitteln zu unterbinden. Die Richtlinien der Bundesärztekammer nennen heute als Behandlungsziel die schrittweise Wiederherstellung der Betäubungsmittelabstinenz einschließlich der Besserung und Stabilisierung des Gesundheitszustandes und der Unterstützung der Behandlung einer neben der Opiatabhängigkeit bestehenden Erkrankung. Und rund ein Drittel der substituierten Patienten werden entsprechend stabilisiert und können wieder ein geregeltes Leben führen. Seit 2009 ist also viel geschehen: Heute gibt es zum Beispiel ein erstes diamorphinhaltiges Fertigarzneimittel, die Bundesärztekammer hat ihre Substitutionsrichtlinien ebenso überarbeitet, wie der G-BA die Richtlinie "Methoden vertragsärztlicher Versorgung", und es gibt GKV-relevante Abrechnungspositionen für die diamorphingestützte Behandlung Schwerstopiatabhängiger. Das Ergebnis dieser vielfältigen Bemühungen ist, dass sich diese Therapieoption für Opiatabhängige mittlerweile fest im Angebot der Regelversorgung etabliert hat. Und weil uns Behandlungsqualität wichtig ist, hat das BMG in Absprache mit den Bundesländern die PREMOS-Studie "Langfristige Substitution Opiatabhängiger: Prädiktoren, Moderatoren und Outcome", in Auftrag gegeben. Die am 21. September 2011 vorgestellte Studie stellt fest, dass die Substitutionstherapie in Deutschland effektiv ist und die allgemeinen primären Ziele überwiegend erreicht werden. Auch die IMPROVE-Studie belegt, dass Suchtmediziner, Patienten und Opiatkonsumenten die opiatgestützte Substitution als wertvoll und wirksam ansehen. Die in dem Antrag der SPD gestellte Forderung nach einer Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für die Konsiliar-, Mitgabe- und Take-home-Regelungen ist mit dem Blick auf die IMPROVE-Studie zu betrachten. Tatsächlich wünschen sich 47 Prozent der befragten, aktiv substituierenden Ärzte eine Veränderung der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Genannt sind hier zum Beispiel: weniger Bürokratie, weniger restriktives Vorgehen sowie juristische Unterstützung statt Sanktionen. Gerade die Forderung nach einer Erleichterung für die behandelnden Ärzte kann ich persönlich gut nachvollziehen. Gleichzeitig belegt die Studie aber auch, dass die Ärzte erhebliche Bedenken in Bezug auf Missbrauch und unerlaubte Weitergabe der Substitutionsmedikamente durch die Patienten haben. 49 Prozent der Ärzte bezeichnen dies als erhebliches Problem, weitere 17 Prozent als besonders schwerwiegendes Problem. Ähnliches gilt für den Missbrauch der Substitutionsmittel durch die Patienten. 23 Prozent der Patienten gaben im Rahmen der Studie an, das Substitut schon einmal verkauft oder weitergegeben zu haben. Gerade vor dem Hintergrund der sehr realen Gefahren von Weitergabe und Missbrauch, die die Befragungen ergeben haben, halte ich den Rechtsrahmen zu allen Formen der Mitgabe für ausreichend. Mit der 23. Betäubungsmittelrechts-Änderungsverordnung wurde im § 5 Abs. 8 Satz 1 bis 3 BtMVV die sogenannte Zwei-Tages-Verschreibung verankert. Der behandelnde Arzt darf Patienten, denen ansonsten ein Substitutionsmittel zur unmittelbaren Verabreichung überlassen wird, in Fällen, in denen die Kontinuität der Substitutionsbehandlung nicht anderweitig gewährleistet werden kann, ein Substitutionsmittel in der bis zu zwei Tagen benötigten Menge verschreiben. Mit dieser Regelung wurde bereits dem besonderen ärztlichen Anliegen, Versorgungsmöglichkeiten insbesondere an Wochenenden zu schaffen, entsprochen. Diese neue Verschreibungsmöglichkeit wurde in das "Take-home" eingebettet, das die Voraussetzungen für die bis zu sieben Tage mögliche Take-home-Verschreibung sowie für die sogenannte Auslandsverschreibung, das heißt den Substitutionsmittelbedarf von bis zu 30 Tagen, beschreibt. Es sind sicher Fallgestaltungen denkbar, bei denen sich der vorhandene Rechtsrahmen als "in der Praxis schwer handhabbar" darstellen läßt. Hier müssen wir aber nicht den Rechtsrahmen ändern, sondern die Zahl der substituierenden Ärzte erhöhen. Die Zahl der von der Ärztekammer gemeldeten und im Substitutionsregister registrierten, suchttherapeutisch qualifizierten Ärzte liegt mit 8 400 deutlich höher als die tatsächlich substituierenden Ärzte, die mit 2 731 gemeldet sind. Das Problem liegt folglich nicht in der Zahl der vorhandenen qualifizierten Ärzte, sondern eher an der Motivation, die Substitutionsbehandlung Opiatabhängiger anzubieten. Neben den bereits eingangs genannten Verbesserungen auch für substituierende Ärzte hat die Drogenbeauftragte der Bundesregierung unter anderem im Rahmen einer breitenwirksamen Kampagne die Motivation und Bereitschaft unter Ärzten für die Behandlung von opiatabhängigen Patienten unterstützt. Zusammen mit der KBV wendet sie sich mit an die Ärzteschaft, um die Chancen und Herausforderungen für die Teilnahme an der suchtmedizinischen Grundversorgung zu fördern. Ich selbst unterstütze diese Kampagne ebenfalls. Die von der Fraktion Die Linke geforderte Änderung der Approbationsordnung der Ärzte ist aus unserer Sicht nicht erforderlich, da bereits nach der geltenden Approbationsordnung für Ärzte die Möglichkeit besteht, auf suchtmedizinische Aspekte einzugehen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass das BMG Mindestanforderungen für die ärztliche Ausbildung regelt, die konkrete Ausgestaltung obliegt den Hochschulen. Die Forderung nach Intensivierung der Forschung zur Substitutionsbehandlung geht ebenso ins Leere. Insbesondere mit der PREMOS-Studie wurden Wirksamkeit und Effektivität der aktuellen Therapiesituation untersucht und damit wesentlich zur Verbesserung der Substitutionstherapie und der Angleichung regional unterschiedlicher Standards beigetragen. Soweit Bündnis 90/Die Grünen bedarfsgerechte Versorgungsstrukturen einfordern, wird mit der PREMOS-Studie auch dargestellt, dass die langfristigen Substitutionsbehandlungen gerade nicht, wie von ihnen unterstellt, mit anderen chronischen Erkrankungen verglichen werden können. Dort fehlten zum Beispiel die kurzfristigen krisenhaften Zuspitzungen, die eine sehr individuelle Behandlung notwendig machen. Die Forderung nach evidenzbasierten Leitlinien kann wiederum meines Erachtens nur an die Fachgesellschaften gehen. Die Forderung, in Abstimmung mit dem BfArM eine verbesserte Statistik, inklusive der Kennzeichnung der Substitution in Haft und im Maßregelvollzug zu erzielen, würde ein komplett neues Verfahren erfordern, in dem zumindest für die bezeichnete Gruppe der Strafgefangenen die bisher praktizierte Anonymisierung und Kryptierung aufgehoben werden müsste. Datenschutzrechtliche Bedenken sowie die Stigmatisierung dieser Patientengruppe sprechen dagegen. Zudem liegt diese Veränderung in der Zuständigkeit der Länder, die primär angesprochen werden müssten. Zu der Frage des Ausbaus der qualitätsgesicherten Substitutionsbehandlung in Freiheit ist auf den Sicherstellungsauftrag der KVen nach § 75 Abs. 1 SGB V zu verweisen. Die Schaffung eines bedarfsgerechten Angebotes für Substitutionsbehandlung im Strafvollzug fällt in die ausschließliche Kompetenz der Länder. Ebenso liegt es in der Verantwortung und Zuständigkeit der Länder, welche Einstellungsvoraussetzungen diese hinsichtlich ihres ärztlichen Personals in den Justizvollzugsanstalten einfordern. Ein verpflichtender Nachweis einer suchtmedizinischen Zusatzqualifikation ist sicher wünschenswert, bleibt aber offen, vor dem Hintergrund, ob sich dieses im Einzelfall realisieren lässt. Eine Unvereinbarkeit von § 64 StGB mit den Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger liegt nicht vor. Eine substitutionsgestützte Behandlung im Maßregelvollzug ist grundsätzlich als Teil eines therapeutischen Gesamtkonzeptes möglich. Auch hier ist die Zuständigkeit der Länder für den Vollzug gegeben. Alles in allem gilt: Die Substitutionstherapie in Deutschland ist effektiv, und die allgemeinen, primären Ziele werden überwiegend erreicht. Dem folgend werden wir, wie bisher, weiterhin daran arbeiten, dass das hohe Niveau erhalten bleibt und sich gegebenenfalls hier und da noch verbessert. Ihre Anträge lehnen wir als nicht zielführend ab. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): In der ersten Lesung des Antrages der SPD-Fraktion zur Substitution gab es eine überraschend interessante und sehr sachorientierte Diskussion um die Qualität und die Gewährleistung der Substitutionsbehandlung in Deutschland. Das hat mich sehr gefreut. Dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und die Linksfraktion im Anschluss an die erste Lesung dann ebenfalls jeweils noch einen Antrag einbringen mussten, unterstreicht zwar den Handlungsbedarf in der Substitutionsbehandlung, doch waren die Anträge entbehrliche Aufgüsse des SPD-Antrages. Wenn schon ein interfraktionelles Vorgehen nicht möglich ist, so hätte ich mir gewünscht, dass die Kolleginnen und Kollegen von Grünen und Linken mal über ihren Schatten springen könnten und den Antrag der SPD einfach nur unterstützen. Erst recht deshalb, weil die Forderungen doch in die gleiche Stoßrichtung gehen und der Antrag der SPD wesentlich differenzierter als Grüne und Linke das Problem beschreibt und daraus umsichtige Forderungen ableitet. In der Anhörung am 5. Juni 2013 haben die Sachverständigen doch sehr einmütig - und das ist doch angesichts der damaligen Widerstände seitens der konservativen Parteien interessant - die Substitutionsbehandlung eindeutig als Erfolg bewertet. Seit den 1990er-Jahren wird in Deutschland im Umgang mit Opiatabhängigen der Ansatz der Schadensreduzierung und Überlebenshilfe durch Substitution verfolgt. Das ist - mit einem Rückblick auf zwanzig Jahre "harm reduction" - ein schöner Erfolg der damaligen Anstrengungen vor allem von SPD und Grünen. Insbesondere die rot-grüne Regierungspolitik hatte dies damals vorangetrieben, und angesichts der Erfolge sind wir gut beraten, dass wir diesen Ansatz nach der Wahl weiter vorantreiben. Die Sachverständigen haben eindrücklich bestätigt, dass das Ziel der Abstinenz in vielen Fällen in der Praxis nicht zu erreichen ist. Auch die Bundesärztekammer unterstrich, dass Abstinenz zwar ein wichtiges Ziel, in vielen Fällen aber unrealistisch sei. Die Medizin sei gut beraten, Ziele "auf dem Niveau des Patienten" und an seinen tatsächlichen Bedürfnis und Chancen auszurichten. Dr. Meyer-Thompson von der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin hat auf die Problematik der zusätzlichen Substanzen hingewiesen, die oftmals von substituierten Patientinnen und Patienten eingenommen würden. Mit anschaulichen Beispielen haben die Sachverständigen nicht zuletzt die zunehmende und nicht zu tolerierende Kriminalisierung von substituierenden Ärzten besonders in Süddeutschland kritisiert. Es sei kontraproduktiv für den Erfolg einer Substitutionsbehandlung, wenn die Ärztinnen und Ärzten in ihrem Praxisalltag ständig mit der Strafbarkeit konfrontiert werden - so die ebenfalls einmütige Bewertung der Sachverständigen. Urteile vor allem von bayerischen Gerichten belegen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Abstinenz immer noch als oberstes Ziel verstehen - häufig in Verkennung der tatsächlichen Rahmenbedingungen vor Ort. Immer öfter kommt es zu der Situation, dass sich in ländlichen Regionen die Versorgung von opiatabhängigen Patientinnen und Patienten durch "grenzwertige" Gerichtsurteile drastisch verschlechtert und in bestimmten Gegenden schlichtweg nicht mehr gewährleistet ist. Das können wir als Gesetzgeber nicht hinnehmen; die Regelungen sowohl in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung als auch im Betäubungsmittelgesetz sind nicht eindeutig genug und lassen zu viel Raum für problematische Urteile im Sinne einer Gewährleistung der Versorgung, die den Stand der Wissenschaft zudem nicht berücksichtigen. Deswegen muss der Gesetzgeber endlich für Klarheit für alle Beteiligten sorgen. Die rechtliche Situation - auch das hat die Anhörung zu den Anträgen sehr deutlich gemacht - ist der Hauptgrund dafür, dass viel zu wenig Ärzte die Substitutionsbehandlung anbieten und erst gar nicht in die Suchtmedizin einsteigen, obwohl genügend Ärzte über entsprechende Fortbildungen verfügen. Und obwohl bekannt ist, dass ein Großteil der praktizierenden Suchtmediziner eher älter sind und eine Pensionierungswelle naht, muss man feststellen: Sowohl die Kassenärztliche Bundesvereinigung als auch die Bundesregierung tun zu wenig, um die Situation zu verbessern. Der anstehende Generationswechsel wird große Versorgungsprobleme mit sich bringen. Wir können uns ein weiteres Vertagen, das so typisch ist für die Merkel-Regierung, nicht leisten. Ich freue mich, dass - nach Intervention von mir und meiner Fraktion - die Drogenbeauftragte der Bundesregierung Dyckmans zumindest bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung vorstellig geworden ist, um die problematischen Regelungen für eine neue EBM-Struktur zu diskutieren. Die KBV wollte substituierenden Hausärzten die Pauschalen kürzen, damit sie sich "auf die Allgemeinmedizin" konzentrieren können. Wenn aber 95 Prozent der substituierenden Ärzte Hausärzte sind, dann wäre eine solche Änderung des EBM vor dem Hintergrund der bestehenden Versorgungsprobleme verhängnisvoll. In der Anhörung haben wir nun gehört, dass diese Planungen vom Tisch sein sollen. Doch reicht das nicht aus. Ich hätte mich gefreut, wenn die finanziellen Mittel, die für Imagekampagnen für Haus- und Fachärzte zur Verfügung gestellt werden, nicht für alle Arztgruppen eingesetzt worden wären, sondern für die Arztgruppen, die es nötig gehabt hätten. Vor allem wollen wir mit unserem Antrag aber erreichen, dass aus den genannten Gründen die rechtlichen Rahmenbedingungen der Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen reformiert werden. Sowohl das Abstinenzparadigma in der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung als auch die überzogenen Strafandrohungen in § 29 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz müssen dringend überprüft werden. Wir brauchen junge Suchtmedizinerinnen und Suchtmediziner, wenn wir die Substitutionsbehandlung erhalten wollen. Daher bitte ich um Zustimmung der Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP. Wenn sie nicht zustimmen, könnten man es aber auch so werten, dass Union und FDP vielleicht diese Behandlungsform sehenden Auges vor die Hunde gehen lassen wollen. Aktivitäten seitens der Bundesregierung für eine Gewährleistung der Substitutionsbehandlung verlangen wir auch für die Situation in deutschen Haftanstalten. Im Maßregel- und Strafvollzug ist die Möglichkeit zur Substitutionsbehandlung oftmals nicht gewährleistet. Das bestätigte bereits der Drogenbericht der Bundesregierung im Jahr 2009, dem Jahr des Amtsantritts dieser Regierung. Die Regelungen in den Bundesländern sind immer noch höchst unterschiedlich. Der Bundesregierung kommt hier mindestens eine Moderationsfunktion zu, aus der sie sich nicht ständig mit dem Argument herausreden darf, sie sei für Haftanstalten nicht zuständig. Die Substitutionsbehandlung von Opiatabhängigen ist durch ein Bundesgesetz ermöglicht worden. Das Durcheinander in den Bundesländern und die fehlenden Angebote in den Haftanstalten können wir als Gesetzgeber nicht tolerieren. Ich bitte auch deshalb, dem Antrag der SPD, der dazu konkrete aber umsichtige Forderungen aufstellt, im Sinne der Sache zuzustimmen. Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Die von den Oppositionsfraktionen vorgelegten Anträge thematisieren ein wichtiges Anliegen. Das Konzept des Ineinandergreifens von Prävention, Beratung und Therapie, Überlebenshilfen und Repression erachte ich als den richtigen Ansatz zeitgemäßer Drogenpolitik. Dieses Säulenmodell reflektiert die Vielfalt der Anforderungen an Staat und Gesellschaft im Umgang mit Drogen und Suchterkrankungen. Im Rahmen der Überlebenshilfe spielt die Substitution von Opiatabhängigen eine sehr wichtige Rolle. Die Substitutionstherapie ist ein zielführendes Instrument, einen Suchtkranken in einem absehbaren Zeitraum in einen Zustand permanenter Abstinenz zu bringen oder im Rahmen einer Dauersubstitution wenigstens ein Mindestmaß an Schadensminimierung zu erreichen. Mit einer Substitutionstherapie kann man den Gesundheitszustand und die soziale Situation der Patienten deutlich verbessern. Im wahrsten Sinne des Wortes kann eine Substitution überlebenswichtig sein. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die derzeit in Deutschland praktizierte Substitutionssystematik gut funktioniert. Die PREMOS-Studie zeigt auf, wie die Situation von Substitutionspatienten ist, und liefert Erkenntnisse über Mortalität, Morbidität, Lebensqualität, Delinquenz, stabile Substitution und Beikonsum. Im internationalen Vergleich steht Deutschland recht gut da. Gleichwohl gibt es immer Aspekte, die verbessert werden können und sollten. Die von den Oppositionsfraktionen thematisierten Probleme bei der Substitutionsbehandlung im Strafvollzug sowie die grundlegenden Fragen der Versorgungsqualität in der Substitutionstherapie sind wichtige Aspekte. Im Rahmen einer Anhörung hier im Deutschen Bundestag hat eine Reihe von Experten aufgezeigt, an welchen Stellschrauben man drehen kann, um das System der Substitutionstherapie zu verbessern. Die vorliegenden Anträge sind jedoch aus fachlicher Sicht in vielen Punkten problematisch. Für die medizinische Versorgung in Haftanstalten und somit auch für die Substitution sind grundsätzlich die Länder zuständig. Einer bundeseinheitlichen Regelung für die Substitutionsbehandlung opiatabhängiger Inhaftierter steht damit eine eindeutige Länderkompetenz für diesen Bereich entgegen. Die christlich-liberale Koalition wird den gesamten Komplex der Substitutionstherapie deshalb erneut genau überprüfen und die notwendigen Änderungen zur Verbesserung der Situation herbeiführen. Frank Tempel (DIE LINKE): Die vorliegenden Anträge von SPD, Linken und Grünen lassen schnell erkennen, dass zumindest die Oppositionsfraktionen die Substitutionstherapie in Deutschland ernst nehmen und dabei auf dringenden Änderungsbedarf hinweisen. Alle drei vorliegenden Anträge gehen in die richtige Richtung. Auch wenn der Antrag der SPD richtige Punkte benennt, unterscheidet er sich doch qualitativ an einigen Punkten sehr von unserem Antrag und dem Antrag der Grünen. Die Substitutionstherapie ist nachweislich die effektivste Methode, die negativen gesundheitlichen und sozialen Folgen der Opiatabhängigkeit zu bekämpfen. Die Versorgungslage für Substituierende muss sich unter anderem auch dadurch verbessern, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Substitutionsärztinnen und -ärzte sowie die der Substituierenden selbst geändert werden. Die Substitutionsbehandlung wurde per Gerichtsbeschluss erzwungen und die Ausgestaltung des Substitutionsrechts anschließend von den Kritikerinnen und Kritikern vorgenommen. Diesen Geist trägt die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, BtMVV, bis heute. Es geht deshalb darum, dass die BtMVV Substitutionsbehandlungen in erster Linie ermöglicht und nicht verhindert. Zwar sehen auch Union und FDP hier Handlungsbedarf, aber grundlegende Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen wurden bis heute nicht durchgeführt. Die Beantwortung einer Kleinen Anfrage von mir zur "Versorgungssituation zur Substitutionsbehandlung", Bundestagsdrucksache 17/12614, im März dieses Jahres hat ergeben, dass die Bundesregierung die Lage der Substituierenden nicht verbessert hat. Aus der Beantwortung der Kleinen Anfrage ist zu erkennen, dass die aktuelle Versorgungslage äußerst prekär ist: Bei einer steigendenden Zahl von Substituierenden in den letzten zehn Jahren ist die Anzahl der Substitutionsärztinnen und -ärzte annähernd gleich geblieben. Die notwendige umfassende ärztliche Betreuung wird dadurch vor allem in ländlichen Gebieten immer schwieriger. Das Durchschnittsalter der Substitutionsärztinnen und -ärzte liegt mittlerweile bei 59 Jahren. Die Bundesregierung musste daher offen zugeben, "dass in den nächsten Jahren eine Reihe von Substitutionsärztinnen und -ärzten in den Ruhestand wechseln" wird. Wir wollen, dass alle Menschen, die eine Substitu-tionstherapie brauchen und diese in Anspruch nehmen möchten, dies auch tun können. Viele Abhängige haben anders gar keine Möglichkeit aus dem Sumpf aus sozialem Absturz, Abhängigkeit und Kriminalität auszusteigen. Um das klar zu sagen: Substitutionstherapie rettet Leben, und sie tut noch mehr: Sie senkt die Infektionsrate mit HIV und Hepatitis, sie ermöglicht den Betroffenen die Rückkehr ins gesellschaftliche Leben, sie reduziert die Beschaffungskriminalität und eröffnet nicht zuletzt andere Beratungs- und Betreuungsangebote. Die Forschung hat klar gezeigt, dass die Opiatabstinenz nur selten erreicht wird, dass sie aber für die positiven Effekte der Substitution auch nicht notwendig ist. Unser Antrag sieht daher die in der BtMVV getroffene Festlegung auf die Abstinenz als primäres Behandlungsziel äußerst kritisch. So wird eine Behandlung verhindert, die entsprechend der internationalen Forschung und in Übereinstimmung mit dem Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation, WHO, stattfinden könnte. Die fachlich-medizinischen Festlegungen aus der BtMVV sind insgesamt zu streichen und der Selbstverwaltung zu übergeben. Das betrifft insbesondere die Festlegungen des Behandlungsziels, die Therapievoraussetzungen für Patientinnen und Patienten, die Regelungen zum Beikonsum sowie die Festlegung auf bestimmte Applikationsformen oder Wirkstoffe der Substitutionsmittel. Wir wollen, dass die Aushändigung des Substitutionsmittels für bis zu 30 Tage bei gesundheitlich und sozial stabilen Menschen ermöglicht wird, Take-Home-Regelung; denn wenn die Substitutionsbehandlung selbst die Reinte-grierung behindert, hat sie ihr Ziel verfehlt. In der Diamorphinsubstitution ist die Lage besonders prekär. Es ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung, dass seit Ende des erfolgreichen Modellversuchs keine einzige Diamorphinambulanz hinzugekommen ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sinnvollerweise die Hürden in der Diamorphinrichtlinie gesenkt. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung die Zeichen der Zeit erkennt und die flächendeckende Versorgung hier voranbringt. Des Weiteren sollte die Kopplung einer medizinischen Suchtbehandlung mit anderen Maßnahmen in der BtMVV gestrichen werden. Durch eine Änderung der Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Kooperation mit den Bundesländern soll zudem darauf hingewirkt werden, dass suchtmedizinische Themen allgemein, insbesondere die Substitutionstherapie, stärker während des Medizinstudiums Berücksichtigung finden. Die jüngste Beantwortung einer Kleinen Anfrage von mir durch die Bundesregierung zum Thema "Behandlungs- und Versorgungssituation Alkoholabhängiger sowie Ausbildungslage im Medizinstudium", Bundestagsdrucksache 17/13641, lässt aber erkennen, dass diese Forderung bei Union und FDP auf taube Ohren stößt. Die SPD fordert in ihrem Antrag daher richtigerweise sowohl eine Reform der BtMVV als auch des Betäubungsmittelgesetzes, BtMG. Leider bleibt der Antrag aber relativ unkonkret. Zwar wurde die grundsätzlich richtige Forderung nach Angleichung der BtMVV an die ärztlichen Leitlinien gefordert, noch besser wäre es aber, die fachlich-medizinischen Festlegungen ganz aus der BtMVV zu entfernen, so wie es der Antrag der Linken fordert. Die meisten weiteren Forderungen im SPD-Antrag sind nur als Prüfauftrag formuliert. Das betrifft insbesondere die Regelungen zur Mitgabe von Substitutionsmitteln, Take-Home-Regelung, zur Strafandrohung gegen Ärztinnen und Ärzte und die flächendeckende Versorgung von inhaftierten Opiatabhängigen. Was die SPD jeweils konkret will, bleibt offen. Etwas Mut in der Sache hätte dem Antrag gutgetan. So hinkt er selbst den Beschlüssen von Ärztekammer und Gemeinsamem Bundesausschuss hinterher. Die Grünen hingegen werden in ihrem Antrag konkreter. Sie fordern die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, nach dem die medizinischen Vorgaben der BtMVV insbesondere zum Behandlungsziel, zur Dosierung und zur Art der Medikation, zur Mitgabe des Medikaments oder dessen Verschreibung sowie zur psychosozialen Begleitbehandlung, soweit jeweils medizinisch geboten, zukünftig durch eine dem aktuellen Stand der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft entsprechenden Behandlungsrichtlinien der Bundesärztekammer, BÄK, geregelt werden. Dabei stimmen wir als Linke mit der Analyse der Grünen und dem grundsätzlichen Weg zur Verbesserung der Versorgung bei der Substitutionsbehandlung überein. Kritisch anzumerken ist lediglich, dass sich keine Forderung auf die Verbesserung der Versorgungslage bei der psychotherapeutischen sowie psychosozialen Betreuung bezieht. Die Union erklärte im Beratungsverlauf, dass sie ausschließlich dem Antrag der SPD etwas Positives abgewinnen kann; aber selbst bei diesem hätte man große Bedenken, ob die vorgeschlagenen Punkte nicht der Sicherheit im Betäubungsmittelverkehr widersprechen. Ebenso wie die FDP lehnt die Union daher alle drei Anträge ab, ohne konkrete Vorschläge zur Verbesserung der Substitutionslage zu erbringen. In der Gesamtheit ist das Verhalten der schwarz-gelben Bundesregierung daher ein weiteres Armutszeugnis. Es bedarf auch aus drogen- und suchtpolitischer Sicht eines grundlegenden Wechsels in der bisherigen Bundespolitik. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vor wenigen Wochen gab es zu diesen drei Anträgen eine Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Ich habe selten erlebt, dass sich fast alle Sachverständigen so einig waren: Es muss etwas geschehen. Die rechtlichen Regelungen zur Behandlung der Heroinabhängigkeit müssen deutlich liberalisiert und an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft angepasst werden. Umso unverständlicher ist, dass die Koalition diese Anträge dennoch hier ablehnt. Sie nimmt damit in Kauf, dass sich die Behandlungsqualität weiter verschlechtert. Besonders verwunderlich ist die Haltung der FDP. Noch in der vergangenen Wahlperiode - da war die FDP noch in der Opposition - habe ich unter anderem gemeinsam mit dem damaligen Kollegen Detlef Parr für eine Reform der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung gefochten. Davon ist heute ganz und gar nicht mehr die Rede. Glaubt man der FDP, ist alles palletti. Die FDP versteckt sich hinter den folgenlosen Appellen der Drogenbeauftragten für mehr Ärzte in der Substitution. Das ist wohlfeil, geht aber am eigentlichen Problem vorbei; denn es fehlt uns nicht an Ärztinnen und Ärzten mit einer suchtmedizinischen Qualifikation. Wer heutzutage die Substitutionsbehandlung anbietet, der steht mit einem Bein im Knast, wie es ein ärztlicher Kollege mal ausgedrückt hat. Um dieses Problem zu beheben, müsste die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung, BtMVV, ihren repressiven Charakter verlieren; sie muss also geändert werden. Es geht aber gar nicht zentral um die Ärzte, sondern darum, dass die Patientinnen und Patienten auf dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft behandelt werden, wie sie das bei anderen schweren chronischen Erkrankungen auch erwarten können. Die Bundesärztekammer, aber auch andere Sachverständige haben darauf hingewiesen, dass zentrale Annahmen und Vorgaben der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung nicht dem aktuellen Stand der evidenzbasierten Medizin entsprechen bzw. sogar kontraproduktiv sind. Das gilt zum Beispiel für die Abstinenzforderung der BtMVV. Nur etwa 4 Prozent der Opiatabhängigen erreichen jemals die Abstinenz. Die PREMOS-Studie hat deutlich gezeigt, welche negativen Folgen diese forcierte Abstinenzorientierung für die Betroffenen hat. Ein weiterer Punkt wurde ebenfalls in der Anhörung genannt: die Regelungen zum sogenannten Beikonsum. Sie besagen, dass Patientinnen und Patienten, die zusätzlich zu Methadon auch andere Substanzen gebrauchen, einen Behandlungsabbruch befürchten müssen. Ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten drohen häufig Sanktionen, wenn sie sich nicht daran halten. Dabei ist wissenschaftlich mittlerweile belegt, dass der Beikonsum häufig eine Folge zu niedriger Dosierung von Substitutionsmedikamenten oder Symptom einer Mehrfachabhängigkeit ist. Es ist also völlig abwegig und kontraproduktiv, den Betroffenen mit disziplinarischen Konsequenzen zu drohen. In der geltenden Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung manifestiert sich ganz klar eine repressiv ausgerichtete Drogenideologie. In dieser Verordnung werden den Ärztinnen und Ärzten die Indikation und Kontraindikation der Behandlung vorgegeben. Es werden ihnen die Art der Medikation, die Dosierung und die Applikation des Arzneimittels vorgeschrieben. Es werden die Behandlungs- und Verschreibungsfrequenz, die Art der Begleitbehandlung und der Behandlungsabbruch bei Non-Compliance detailliert vom Staat bestimmt, und sogar das Behandlungsziel, die Abstinenz, schreibt die Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung den Ärztinnen und Ärzten vor. Kennen Sie irgendeine andere chronische Erkrankung, bei der der Staat derart massiv in die ärztliche Therapiefreiheit eingreift und Patienten die Heilung quasi staatlich vorschreibt? Noch schlimmere Auswirkungen als in der Freiheit hat die herrschende Politik übrigens im Strafvollzug. Etwa 20 bis 30 Prozent der in Deutschland inhaftierten Menschen sind intravenöse Drogenkonsumenten. Dennoch bekommen nur 500 bis 700 der bis zu 15 000 infrage kommenden Inhaftierten eine entsprechende Behandlung. Die Koalition weist darauf hin, dass Strafvollzug Ländersache ist. Richtig! Aber wer regiert denn in Bayern, dem Bundesland mit den größten Problemen? Es sind Union und FDP. In Bayern ist die Situation besonders dramatisch. Hier ist die Behandlung nur in einer einzigen Haftanstalt möglich - und in der Regel auch nur für Inhaftierte, die eine Freiheitsstrafe von weniger als drei Monaten verbüßen. Dort herrscht mit Billigung des Justizministeriums in vielen Haftanstalten die mittelalterliche Vorstellung, Opiatabhängigkeit sei keine Krankheit und Substitution nur eine überflüssige Belohnung für Drogenkonsum. Es ist also wie bei vielen anderen Fragen der Drogenpolitik: Die wissenschaftlichen Fakten liegen auf dem Tisch und sprechen eindeutig dafür, die geltenden rechtlichen Regelungen zu verändern und den repressiven und prohibitiven Charakter der Drogenpolitik aufzugeben. Vor diesem Hintergrund werden wir allen drei Anträgen zustimmen. Wir müssen endlich wegkommen von der repressiv orientierten Drogenpolitik. Ziel muss es sein, den opiatabhängigen Patientinnen und Patienten eine optimale gesundheitliche Versorgung zukommen zu lassen und ihnen so die Chance auf Linderung ihrer Abhängigkeitserkrankung zu eröffnen. Dabei helfen uns keine weltfremden Abstinenzideologien, sondern nur kooperative und patientenorientierte Versorgungsstrukturen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Gesundheit auf Drucksache 17/14017. Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/12181 mit dem Titel "Überlebenshilfe in der Drogenpolitik - Situation der Substitution von Opiatabhängigen verbessern - Substitutionsbehandlung im Strafvollzug gewährleisten". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Linken auf Drucksache 17/12825 mit dem Titel "Abhängigen helfen - Substitutionstherapie erleichtern". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Linken und Grünen angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/13230 mit dem Titel "Versorgungsqualität und Therapiefreiheit in der Substitutionsbehandlung stärken". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Mit den Stimmen der Regierungsfraktionen bei Gegenstimmen von Linken und Grünen und bei Enthaltung der SPD angenommen. Tagesordnungspunkt 57: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Harald Weinberg, Kathrin Senger-Schäfer, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung - Drucksachen 17/12095, 17/14226 - Berichterstattung: Abgeordneter Lars Lindemann Die Reden sind zu Protokoll gegeben. Lothar Riebsamen (CDU/CSU): Der Patient - der Mensch - steht im Mittelpunkt. So überschreibe ich die Politik der christlich-liberalen Koalition in der zu Ende gehenden Legislaturperiode. So überschreibe ich aber auch die tägliche Arbeit der Menschen, die in unseren Krankenhäusern arbeiten und sicherstellen, dass Patienten optimal versorgt werden. Für diese - nicht immer einfache - Arbeit möchte ich ihnen danken. In Deutschland versorgen die Krankenhäuser über 18 Millionen Patienten pro Jahr. Und diese Patienten sind zufrieden. Aktuelle Umfragen ergeben, dass 82 Prozent aller Befragten ihr Krankenhaus weiterempfehlen würden. 83 Prozent sind mit der ärztlichen und 82 Prozent mit der pflegerischen Versorgung zufrieden. Diese Ergebnisse sind ein großes Lob für unser Gesundheitswesen, stellen uns aber auch vor die Aufgabe, dieses Niveau zu halten. Dass heute eine derart gute Patientenversorgung und somit auch eine gute Krankenhauspflege gegeben ist, ist zu einem großen Teil auf das sogenannte "Pflegestellen-Sonderprogramm" der Jahre 2009 bis 2011 zurückzuführen. Durch dieses Programm wurde über 1 Milliarde Euro zur Bekämpfung des akuten Pflegenotstands zur Verfügung gestellt. Insgesamt wurden über 14 400 zusätzliche Stellen geschaffen. Richtig und wichtig ist aber auch, dass dieses hohe Niveau der Patientenversorgung in Zukunft ebenfalls gegeben sein muss. Ja, es gibt Personalengpässe, und ja, im Pflegebereich ist die Situation oftmals angespannt. Aber ich halte es für falsch, ein Ziel unter Androhung von Sanktionen erreichen zu wollen. Vielmehr gilt es, auf andere Art und Weise Anreize dafür zu setzen und Fehlanreize zu vermeiden. So garantiert eine wirtschaftlich sinnvolle Betriebsführung den sinnvollen Umgang mit Ressourcen zu einem sehr hohen Maße, ganz ohne Droh- und Sanktionsmechanismen. Um der großen Bedeutung gerecht zu werden, die dem Thema Krankenhauspflege vonseiten der christlich-liberalen Koalition zugemessen wird, wurde beschlossen, eine öffentliche Anhörung durchzuführen. In dieser wurde deutlich, dass der hier diskutierte Antrag der Linken von maßgebenden Beteiligten abgelehnt wird. Allein schon der Hinweis, dass Häuser mit problematischen Zuständen in der Pflege ohnehin keine Chance hätten, sich im Wettbewerb zu behaupten, spricht für sich. Dieser Wettbewerb - auch um die besten Köpfe - ist vom überwiegenden Teil der Politik gewollt und führt letztlich zu einer höheren Qualität der Versorgung. Zentrale, gesetzlich festgelegte Personalmindeststandards sind - wie starre Quoten generell - äußerst wettbewerbsfeindlich und somit kontraproduktiv. Neben dem Schreckgespenst einer ausufernden Bürokratie kann der wirkliche Personalbedarf eines einzelnen Krankenhauses ausschließlich vor Ort adäquat bestimmt werden. Hier steht schließlich auch der Patient im Mittelpunkt. Schließlich ist Krankenhaus nicht gleich Krankenhaus. Die Anforderungen an die Häuser und von den einzelnen Häusern sind häufig sehr unterschiedlich. So sind beispielsweise die Anforderungen im baulichen Bereich sehr verschieden. Außerdem unterscheiden sich Krankenhäuser oft in ihrem Auftrag bzw. ihren Schwerpunkten. Ein Krankenhaus zur Maximalversorgung kann nicht mit einem Haus zur Grundversorgung in der Fläche verglichen werden. Letztendlich ist ja die Schwere der Fälle entscheidend für den Pflegeaufwand. Hinzu kommt eine Flexibilisierung der Aufgaben im Pflegebereich, die eben nicht starr vorgegeben und kontrolliert werden können, ohne positive Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte zu gefährden. Die Forderungen des Antrags stellen zudem das Fallpauschalensystem generell infrage. Betrachtet man die Sache realistisch, dann steht unser Gesundheitssystem und gerade auch der Krankenhausbereich - nur weil das DRG-System eingeführt wurde - heute auf schlankeren, aber viel gesünderen Beinen. Das DRG-System ist ein Glücksfall und ein Erfolgsmodell. In Zukunft wird das Thema "Qualität" im Krankenhausbereich eine immer wichtigere Rolle spielen. Um dieses Thema weiter in den Vordergrund zu rücken, ist es erforderlich, Qualitätsindikatoren weiterzuentwickeln. Aus diesem Grund erhielten die Partner der Selbstverwaltung den Auftrag, im Rahmen einer Studie Struktur- und Ergebnisqualität zu definieren. Absicht war, das Ergebnis dieser Studie bis Ende der Sitzungsperiode vorzulegen, was bisher leider nicht der Fall ist. Ich nutze die Gelegenheit und fordere die Beteiligten mit Nachdruck auf, ihrem Auftrag nachzukommen. Generell ist gute Qualität nur mit einer optimalen Personalausstattung zu erreichen. Daher plädiere ich dafür, Qualität zu belohnen - gerade auch finanziell - und von dieser "Belohnung" dann das zusätzlich eingestellte Personal zu bezahlen. Schließlich steht - wie bereits mehrfach erwähnt - der Patient im Mittelpunkt. Und schließlich ist gute Qualität nur mit ausreichender Pflege möglich. Dies muss auch für die Krankenhauspolitik der Länder gelten. Bislang kommen die meisten Länder ihrer Finanzierungsverpflichtung nicht ausreichend nach; stets muss der Bund einspringen, um die schlechte finanzielle Situation der Krankenhäuser auszugleichen. Gestatten Sie mir zum Abschluss einen kurzen Ausblick auf die nächste Wahlperiode, in welcher das Thema "Qualität" eine bedeutende Rolle in der Krankenhauspolitik spielen wird. Dies gilt es - ebenso wie grundlegende Strukturreformen - anzupacken. Und wir werden dies auch tun. Mechthild Rawert (SPD): Sowohl in der ersten Lesung des Antrages "Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung" am 14. März 2013 als auch in der darauffolgenden öffentlichen Anhörung dazu am 12. Juni 2013 waren sich in der Analyse alle einig: Die Situation der Beschäftigten in deutschen Krankenhäusern ist schwierig. In diesem Feld muss etwas geschehen, wie auch in allen anderen, in denen Pflegefachkräfte in der Pflege tätig sind. Für uns als SPD-Bundestagsfraktion gilt: Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern brauchen gute Pflege. Pflegefachkräfte brauchen Arbeitsbedingungen, die ihnen gute Pflege ermöglichen. Deshalb haben wir uns als SPD-Bundestagsfraktion bereits seit langem und sehr intensiv mit der Verbesserung der notwendigen Strukturen für die Pflege auseinandergesetzt und hierzu viele Vorschläge gemacht. Ich erinnere beispielhaft an die Debatte heute morgen zu unserem Antrag "Für eine umfassende Pflegereform - Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken", in dem wir uns mit dem breiten Feld der Pflege, mit dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, mit notwendigen Bedingungen zur Verbesserung der Ausbildung und sehr vielen Faktoren mehr beschäftigen. Ich erinnere an die vielen Ausführungen, in denen wir gefordert haben, dass das Berufsfeld Pflege attraktiver zu gestalten ist. Es geht um die Verbesserung der Rahmenbedingungen: hinsichtlich der gesellschaftlichen Wertschätzung, der Entlohnung, der Rahmenbedingungen für Pflege, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Gestaltung von gesundheits- und altersgerechten Arbeitsbedingungen, die einen Verbleib bis zur Rente im Berufsfeld Pflege ermöglichen, aber auch hinsichtlich der Professionalisierung der Pflege und hinsichtlich des Auf-Augenhöhe-Arbeitens zwischen den verschiedenen Professionen. Es ist ein Desaster, dass wir nun am vorletzten Tag der letzten Sitzungswoche des von CDU/CSU- und FDP-geführten 17. Bundestages immer noch wie am Anfang dieser Legislaturperiode über das Beschäftigtenwohl in der stationären Pflege und damit über das Wohl der Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern debattieren. Es zeigt: Für die Beschäftigten in der Pflege hat Schwarz-Gelb nichts getan, und für die Verbesserung der Situation der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen nur in Spurengrößen. Der gestern vorgestellte Bericht zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff ist der Beweis: Seit der schwarz-gelben Regierungsübernahme wurde nichts vorangetrieben. Kurzum: Für Patientinnen und Patienten, für die Beschäftigten in der Pflege war diese Legislaturperiode eine verlorene Legislaturperiode. Ich erinnere auch an die Diskussionen, die wir hier sowohl im Plenum als auch im Gesundheitsausschuss zur Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft der Krankenhäuser geführt haben. Die nachhaltige Sicherung dieser Zukunft ist entscheidende Voraussetzung für eine gute medizinische und pflegerische Versorgung der Patientinnen und Patienten und für "gute Arbeit" in den Krankenhäusern. Die Nachhaltigkeit der Qualitätssicherung ist das A und O. Aber was macht Schwarz-Gelb? Sie verabschiedeten kurz vor knapp, nämlich Mitte dieses Monats, ein nur kurzfristig wirkendes Akut-Maßnahmenpaket zur finanziellen Entlastung der Krankenhäuser, welches über 1 Milliarde Euro kostet. Dieses wird die Nachhaltigkeit patientenorientierter Pflege und dazu notwendiger Rahmenbedingungen aber nicht stärken. Es ist nicht an Qualitätsstandards gebunden. Es ist ein teures Gießkannenprogramm und dazu noch Flickschusterei. Das ist keine seriöse Gesundheitspolitik. Die immer wieder neu aufgelegten und kurzfristigen finanziellen Hilfsmaßnahmen, so notwendig sie für einzelne Häuser sein mögen, verschieben die Lösung der Probleme auf Dauer nur. Sie sorgen aber nicht für mehr Qualität. Sie steigern weder das Patientenwohl noch die Rahmenbedingungen für die Beschäftigten. Es muss dringend etwas geschehen. Der Antrag der Linksfraktion lautet "Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung". Schon zuvor hat sich die SPD-Bundestagsfraktion die Jahre über intensiv mit der Situation der Krankenhäuser befasst und am 23. April 2013 das umfassende Positionspapier "Konzept zur Krankenhausreform und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege" beschlossen. Aktuell reagieren wir damit auch auf die bundesweite "Kampagne 2013: Wir alle sind das Krankenhaus". Die SPD-Bundestagsfraktion steht hinter den in der Pflege Beschäftigten der Krankenhäuser: Es ist Zeit, mehr deutliche Zeichen der Wertschätzung für die Beschäftigten in den Krankenhäusern zu setzen; dies betrifft zumeist die Frauen. Dazu gehört, dass die Beschäftigten an der allgemeinen Tariflohnentwicklung teilhaben können. Wir brauchen leistungsgerechte und tarifliche Entlohnungssysteme, die Sicherung professioneller Handlungsautonomie, flexible Arbeitszeitmodelle, qualitativ hochwertige Weiterbildungsangebote, moderne teamorientierte Kommunikations- und Kooperationsstrukturen, Modelle zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Beruf und Pflege sowie alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze. All dies sind Entscheidungsfaktoren für den Einstieg bzw. den Verbleib im Berufsfeld Pflege. All dies sind angesichts der bestehenden Konkurrenz um Fachkräfte Entscheidungsfaktoren für den Verbleib an einem konkreten Krankenhaus. Eine am Wohl der Patientinnen und Patienten orientierte wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören die ständige Weiterentwicklung des DRG-Fallpauschalensystems und die Frage der Investitionskostenfinanzierung ebenso wie die konsequente Verbesserung der Qualitätsmessung und Qualitätssicherung, damit sich zukünftig nicht die Menge, sondern die Qualität der Leistung für Krankenhäuser wirtschaftlich lohnt. Um hier voranzukommen, bedarf es eines Gesamtkonzeptes, wie wir es in unserem Positionspapier in den wesentlichen Schwerpunkten beschrieben haben. Die SPD-Bundestagsfraktion wird sich dafür einsetzen, dass es nach den verlorenen Jahren der schwarz-gelben Regierungszeit hier endlich wieder vorangeht. Die SPD-Bundestagsfraktion spricht sich in diesem Zusammenhang auch für verbindliche und bundesweite Mindestpersonalstandards aus. Auch als Partei übernehmen wir Verantwortung: in unserem Wahl- und Regierungsprogramm. Die Personalmindeststandards sind von einer ständigen Kommission, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Deutschen Krankenhausgesellschaft, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Gewerkschaften und der Pflegeverbände, zu ermitteln und verbindlich zu vereinbaren. Ein Unterschreiten dieser Mindestpersonalstandards muss zwingend zu Vergütungsabschlägen für die betroffenen Häuser führen. Wir halten diese Ständige Kommission für die bessere Wahl als eine fixe gesetzliche Quote, die den Gesetzgeber voraussichtlich zu sehr vielen Änderungsmaßnahmen zwingt. Wir enthalten uns deshalb beim Antrag der Linksfraktion. Die SPD-Bundestagsfraktion bleibt aber auch bei ihrer Auffassung, dass zusätzliches Geld der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler für die Krankenhäuser nur zu verantworten ist, wenn diese Mittel unmittelbar den Patientinnen und Patienten und den Beschäftigten in den Krankenhäusern zugutekommen. Die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung muss sichergestellt sein. Der Weg zurück zum Selbstkostendeckungsprinzip ist mit der SPD-Bundestagsfraktion nicht zu gehen. Wir brauchen dringend bessere Instrumente, um Qualität insgesamt, vor allem aber auch die Qualität in der Pflege messbar zu machen. Die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie der Beschäftigten in den Krankenhäusern sind wichtige Indikatoren für eine gute Qualität in der stationären Versorgung. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass gute Qualität auch honoriert wird. Lars Lindemann (FDP): Der Antrag der Linken "Bessere Krankenhauspflege durch Mindestpersonalbemessung" ist in seiner Absicht gut. In seinem analytischen Teil beschreibt er die personelle Situation an einigen deutschen Krankenhäusern durchaus zutreffend. Man müßte blind sein, wollte man nicht sehen, dass in der Tat die Qualität der Patientenversorgung unter Personalmangel leidet. Auch die Stichwörter von "enormem wirtschaftlichen Druck" auf die Krankenhäuser und in dessen Folge "unhaltbaren Zuständen", "massiven Überstunden", "gefährlicher Pflege" und "lebensbedrohlichen Situationen" sind leider nicht nur rhethorische Figuren. Welchen enormen Einsatz auch die Pflegenden in deutschen Krankenhäusern bringen und die Leistung, die sie trotz oft schwieriger Bedingungen schaffen, verdienen unseren Respekt. Ihre oft idealistische Motivation, nicht immer wieder zu frustrieren und stattdessen ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern, ist auch unsere Aufgabe als Politiker. Darin sind wir uns, glaube ich, einig. Leider ist nicht jeder gut gemeinte Vorschlag automatisch gut gemacht. Im Gegenteil, manchmal sind die gut gemeinten Vorschläge gefährlich. Es ist ein klassisch linker Ansatz, zu glauben, die beschriebenen Zustände seien durch schlichtes Vorschreiben der gewünschten Endeffekte in einem Gesetzestext zu ändern. Die Illusion, der Staat könnte in geradezu naiver Vereinfachung der vielfältigen Wirkfaktoren der Krankenversorgung ein bestimmtes Ergebnis festlegen, ist etwas für einfache Geister. Hier meinen Sie, liebe Kollegen von der Linken, offenbar, durch die simple Vorschrift eines pauschalen Personal-Patienten-Quotienten eine so komplexe Größe wie die Qualität der Pflege nicht nur steuern, sondern auch noch restlos vereinheitlichen zu können. Dabei sprechen wir über eine enorme Vielfalt von regionalen oder lokalen Faktoren, der individuellen Organisation der einzelnen Häuser, ihres Fächer- und Leistungsspektrums, ihrer bestehenden Personalstruktur, ihrer technisch-apparativen Ausstattung, ihrer Traditionen, ihrer Trägerschaft, ihrer Konzepte, ihrer Ausbildungsgänge, ihres Patientenguts, ihres Versorgungsumfeldes im ambulanten und stationären Bereich, kulturelle Unterschiede und solche der flankierenden Leistungsangebote im Umfeld und andere mehr. All das ignoriert der Antrag der Linken und behauptet, eine einheitliche, für alle gleiche Personaldichte würde automatisch die Pflege verbessern und überall gleich machen. Eine gewisse Standardisierung von Personalbemessungen betreibt im Übrigen bereits das InEK durch seine kalkulierten Pflegebedarfe. Diese ändern nichts an den beschriebenen Missständen. Es ist immer wieder verblüffend: Wie gut starre Planwirtschaft funktioniert und wie wenig bedrucktes Papier wert ist, wenn die komplexe Wirklichkeit und die realen Funktionsweisen von Menschen und Organisationen außer acht gelassen werden, sollte gerade die Linke wissen. Schließlich ist ihre Vorgängerpartei eindrucksvoll daran gescheitert, Ergebnisse komplexer Prozesse staatlich festlegen, bis ins Detail planen und gleichschalten zu wollen, ohne die tatsächlich wirksamen Kräfte und Motivationen von Menschen zu beachten. Deshalb ist es beim Stichwort "Motivation" besonders schade, liebe Kollegen von der Linken, dass Sie in Ihrem Antrag eigentlich den entscheidenden Hinweis für eine vernünftige Problemlösung selber geben, ohne ihn aber weiterzuverfolgen. Sie beklagen nämlich, dass eine hohe Qualität in der Pflege nicht gesondert vergütet werde. Sie haben vollkommen recht in diesem Befund. Leider gilt dies nicht nur bei der Pflege. Verrückterweise ziehen Sie aber daraus nicht die logische Konsequenz, dass man eben genau das tun sollte: gute Pflegeergebnisse belohnen. Stattdessen wollen Sie dieses Nichtbelohnen guter und Nichtbestrafen schlechter Pflege gar nicht antasten, sondern stattdessen allen an dieser Stelle dieselbe personelle Infrastruktur vorschreiben. Absurd! Wenn wir wollen, dass in einer Situation knapper Kassen die Krankenhäuser ihre Pflege so organisieren, dass das Ergebnis dieser Pflege qualitativ gut ist, dann müssen wir erstens diese Qualität objektiv und unabhängig erfassen und zweitens dann auch belohnen. Hier würde eine Investition der Kassen und der gemeinsamen Selbstverwaltung insgesamt in die Versorgungsforschung eine erhebliche qualitative Rendite für die Versorgung der Patienten bringen. Langfristig würde das aber nicht nur Qualität verbessern. Gute Versorgungsergebnisse sparen auch Kosten, denn in ihren Ergebnissen gute Versorgung ist auch wirtschaftliche Versorgung. Zu ihrem eigenen Schaden bewegen sich die Kassen aber hier nur wenig und reagieren auf jedes Risiko kurzfristiger Mehrkosten mit einem Blockadereflex; leider verhindert diese Kurzfristhysterie immer wieder langfristigen Nutzen. Statt hier anzusetzen, kommen Sie, liebe Kollegen der Linken, zu einem ganz anderen Schluß. Sie ignorieren die Finanz- und Nachwuchssituation aus Einfachheitsgründen und sagen: "Wir schreiben einfach jedem Krankenhaus dasselbe Zahlenverhältnis Pflegekräfte-Patienten vor". Und Sie sind dann naiv genug, zu glauben, dies würde dazu führen, dass es dann keine Unterschiede mehr im Niveau der Pflege gäbe. Man kann sich nur wundern, wie weit weg das von der Lebenswirklichkeit der Patientenversorgung ist. Außerdem machen Sie weder einen Vorschlag, aus welcher Quelle das Personalplus finanziert werden soll, noch erklären Sie, wie Pflegeberufe so attraktiv werden können, dass überhaupt mittelfristig genug Nachwuchs zur Verfügung steht. In Berlin war es in der letzten Legislaturperiode unter anderem Ihre linke Gesundheitssenatorin, die eine von der FDP geforderte einjährige Krankenpflegehelferausbildung abgelehnt hat, durch deren Absolventen Krankenschwestern und -pfleger von nicht pflegerischen Aufgaben hätten entlastet werden sollen, um sich besser persönlich um ihre Patienten kümmern zu können. Und auch im Bundestag sind es immer die Linken, die sich gegen differenzierte leistungsabhängige Vergütungselemente wehren, weil eine Belohnung der Besseren eben immer auch einen Druck auf die Schlechteren bedeutet. Dafür müßte man Vielfalt und Differenzierung akzeptieren können. Das widerspricht aber diametral dem linken Gleichheitsdogma. Deshalb ist Ihnen der Ansatz der Belohnung guter Leistung so unsympathisch. In der Regel wollen Sie Gutleister, "die starken Schultern", ja mehr belasten, damit sie schwächer werden. Aber nochmals: In dem Ziel und auch der Notwendigkeit einer besseren personellen Ausstattung der Pflege sind wir uns einig. Hier muß mehr geschehen, und die begonnenen Reformschritte müssen mutig ergänzt werden. Außerdem müssen die Krankenhäuser endlich aus der fatalen Zwangslage befreit werden, ihre enormen Investitionsstaus und die daraus resultierenden Mehrkosten immer wieder durch Personaleinsparung gegenfinanzieren zu müssen. Hier sind im Übrigen in der dualen Finanzierung ganz wesentlich die Bundesländer gefragt. Sie lassen die Häuser allzu oft im Regen stehen. Allein in den letzten zehn Jahren sind die Bundesländer gemessen an einer Krankenhausinvestitionsquote von rund 3,5 Prozent den deutschen Krankenhäusern rund 33,5 Milliarden Euro schuldig geblieben. Berlin ist hierfür ein trauriges Beispiel: Der Investitionsstau allein der Charité steigt seit Jahren rapide und liegt mittlerweile bei einer Milliarde Euro. Der Vorstand der Charité hat klar gemacht, dass die absolute Grenze des Personalabbaus erreicht und die Patientensicherheit bedroht ist, sollte hier weiterer Einspardruck entstehen. Die Tarifbewegung, die innerhalb der Charité, und übrigens nicht bundeseinheitlich für alle gleich, eine Verbesserung der Personalbemessung fordert, ist deshalb verständlich. Das Land Berlin muß hier ebenso wie andere Bundesländer seine Pflicht zur Finanzierung der Investitionskosten der Krankenhäuser erfüllen und in der Haushaltspolitik neue Prioritäten setzen. Hier verdienen die Krankenhäuser definitiv einen höheren Stellenwert. Es ist ein skandalöser Zustand, dass die Bundesländer durch ihre Entscheidungen, ausgerechnet die Krankenhäuser zu Sparschweinen ihrer Haushalte zu machen, die Häuser dazu zwingen, diejenigen Mittel, die eigentlich für die Betriebs- und damit auch die Personalkosten vorgesehen sind, quasi kannibalistisch für Investitionen abzweigen zu müssen. Das ist der wahre Skandal, wenn wir über die Ursachen personeller Engpässe reden wollen. Wenn die Häuser durch die Länder von diesen Lasten befreit und von den Krankenkassen für ihre steigenden auch sächlichen Betriebskosten fair vergütet werden, wenn zusätzlich hohe Pflegestandards und gute Ergebnisse auch belohnt werden, dann brauchen sie keine Zahlenverhältnisse vorzuschreiben, die als Papiertiger enden. Und nur dann entsteht eine originäre und langfristige Motivation zur Investition in gute Pflege. Wie das einzelne Haus dies organisiert, ist seine Sache. Die Häuser sollten nicht in totaler Ignoranz ihrer Vielfalt und regionalen Unterschiede dabei bevormundet werden. Wir Liberale wollen auch hier ausdrücklich Vielfalt. Denn wenn sich gute Pflege lohnt, dann ist Vielfalt die Grundlage für bessere Pflegekonzepte, für Differenzierung, Fortschritt und Entwicklung. Evolution braucht Vielfalt, sonst stirbt das Leben aus. Das gilt auch für die notwendige Evolution der Pflege. Bevormundung der Krankenhäuser durch Gleichschaltungs- und Vorschriftswahn, Ignoranz der Realitäten und zentrale Gleichschaltung der Personalbemessung einer vielfältigen Krankenhauslandschaft würden gute Pflege erschweren. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab. Harald Weinberg (DIE LINKE): Von vornherein war klar, dass dieser Antrag das Schicksal sämtlicher Anträge aus der Opposition teilen und von Schwarz-Gelb abgelehnt werden wird. Dennoch hat dieser Antrag der Linken das erreicht, was wir uns davon versprochen haben: Er hat einen Diskussionsprozess angestoßen. Er hat dafür gesorgt, dass mittlerweile auch alle anderen Fraktionen das Thema, den Personalmangel in der Krankenhauspflege, verstanden haben. Niemand kann heute mehr ernsthaft leugnen, dass es in vielen Krankenhäusern massive Probleme mit der Arbeitsverdichtung in diesem Bereich gibt. Daran haben auch die halbherzigen Maßnahmen der Bundesregierung, das Pflegestellenprogramm und der Pflegekomplexmaßnahmen-Score, PKMS, im Wesentlichen nichts geändert. Auch bestreitet kaum noch jemand, dass dieses Problem seine Ursache im Finanzierungssystem der Krankenhäuser hat. Der von der Mehrheit der anderen Fraktionen gewollte Wettbewerbsdruck, der auf den Krankenhäusern lastet, sorgt dafür, dass die Krankenhäuser einem enormen Sparzwang unterliegen. Die Krankenhausleitungen tun das einzig betriebswirtschaftlich Richtige: Sie sparen am Personal, genauer gesagt, an dem Teil des Personals, der für die Erlöse keine große Rolle spielt: bei den Pflegekräften und auch beim technischen Dienst. Eine gleichermaßen für alle Krankenhäuser geltende Mindestpersonalbemessung könnte das ändern. Gäbe es sie, dann gäbe es keinen Wettbewerb mehr darum, wer die meisten Stellen kürzt. Durch viele internationale Studien ist mittlerweile belegt: Zu wenige Pflegekräfte bedeuten für die Patientinnen und Patienten eine höhere Sterblichkeit im Krankenhaus und mehr Komplikationen. Deshalb hat man beispielsweise in Kalifornien das getan, was wir hier mit unserem Antrag auch für Deutschland fordern: Man hat für die Pflegekräfte im Krankenhaus in den Jahren 1999 bis 2004 eine verbindliche gesetzliche Mindestpersonalbemessung eingeführt. Ein Vergleich von Kalifornien mit anderen Bundesstaaten, die keine Mindestpersonalbemessung kennen, hat die positiven Effekte dieser Regelung belegt: Während der Krankenhausbehandlung starben in Kalifornien 13,9 Prozent weniger Patienten als in New Jersey und 10 Prozent weniger als in Pennsylvania. Die Sterblichkeit in den 30 Tagen nach Entlassung hat sich ebenfalls verringert, und auch die Zahl der Krankenhausinfektionen ist niedriger. Die kalifornischen Pflegekräfte sind deutlich weniger überlastet und zufriedener mit ihrem Arbeitsplatz. Mehr Pflegekräfte sind notwendig, kosten aber zunächst mehr Geld. Einmal abgesehen davon, dass es unethisch wäre, vermeidbare Todesfälle mit Geld aufzurechnen, kann man mit einer vernünftigen Personalausstattung auch Geld sparen. Man hat in Kalifornien auch untersucht, welche Effekte es gibt, wenn man einer Pflegekraft einen Patienten weniger zuteilt. Das brachte einen um 24 Prozent kürzeren Aufenthalt der Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen und einen um 31 Prozent verkürzten Aufenthalt auf Normalstationen. Hierdurch können die Mehrausgaben bei den Personalkosten oft sogar überkompensiert werden. Dennoch wehren sich Krankenkassen und Krankenhausträger mit Händen und Füßen gegen eine solch sinnvolle Lösung. Kaum ein Argument erscheint diesen Akteuren zu abwegig. So meinte der Vertreter der Krankenkassen in der Anhörung des Gesundheitsausschusses ernsthaft, man könne den Pflegenotstand, den er so gar nicht sieht, auch in den Griff bekommen, indem man mehr Fahrstühle im Krankenhaus einbaut, damit die Pflegekräfte nicht so viel Arbeitszeit damit verschwenden, auf die Aufzüge zu warten. Ich finde, solche "Argumente" kommentieren sich selbst. Nun wird uns immer entgegengehalten, mehr Pflegekräfte wären ja schön, aber es gebe einfach nicht ausreichend Bewerberinnen und Bewerber hierfür. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Wenn man derzeit durch schlechte Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen alles dafür tut, diese Arbeit unattraktiv zu machen, muss man sich nicht wundern, wenn zu wenige diesen Beruf ergreifen wollen und sich ausgebildete Pflegekräfte nach anderen Arbeitsplätzen umschauen. Fragen Sie doch einmal die Gegner einer Mindestpersonalbemessung, ob sie ihrem eigenen Kind diesen Beruf nach dem Schulabschluss empfehlen würden. Die Antwort kann man sich denken. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Verbessert man die Arbeitsbedingungen, wird es auch mehr Bewerberinnen und Bewerber geben. In Kalifornien gab es, nachdem das Gesetz 2004 in Kraft getreten war, 60 Prozent mehr Bewerberinnen und Bewerber aus anderen Bundesstaaten. Im australischen Bundesstaat Victoria, in dem man ebenfalls Gesetze zur Mindestpersonalbemessung erlassen hat, konnte man feststellen, dass 2 650 examinierte Pflegekräfte, die in anderen Berufen arbeiteten, binnen kurzer Zeit wieder in die Krankenhäuser zurückgekehrt sind. In Deutschland ist es noch ein langer Weg bis dahin. Die Linke wird auch nach der Wahl im Bundestag dafür werben, dass der Pflegenotstand gelöst wird. Ich hoffe, die Versprechen der anderen, das Problem anzugehen, sind nach dem 22. September 2013 nicht vergessen. Was wir aber hierfür dringend brauchen, ist Druck aus der Zivilgesellschaft. Den gibt es bereits, wie die Belegschaft beispielsweise der Charité zeigt. Da es keine gesetzliche Regelung gibt, nehmen die Beschäftigten die Sache dort selbst in die Hand und fordern vom Arbeitgeber eine tarifvertragliche Mindestpersonalbemessung. Es ist wahrscheinlich, dass es hier zu Streiks kommen wird. Ich hoffe auch auf die Unterstützung der Patientinnen und Patienten; denn letztlich geht es um sie und um ihre Gesundheit. Elisabeth Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Personalsituation der Pflegekräfte im Krankenhaus ist angespannt. Das ist allzu offensichtlich. Es ist nur dem überaus großen Einsatz der Pflegekräfte zu verdanken, dass die Versorgung der Patientinnen und Patienten noch so gut ist. Da werden Überstunden gemacht, es wird auf freie Tage verzichtet, Urlaub wird verschoben und nach Dienstschluss noch an der Pflegedokumentation gearbeitet. Viel Engagement - wenig Ehre. Das alles führt dazu, dass Pflegekräfte über kurz oder lang ihre Arbeitszeit reduzieren wollen, weil sie nicht mehr können. Es führt auch dazu, dass viele aus dem Beruf ausscheiden oder selbst schwer erkranken. Das können wir so nicht mehr hinnehmen - in der Pflege muss etwas passieren. Die Pflegekräfte sind eine wichtige Säule in der medizinischen Versorgung im Krankenhaus. Die Ökonomisierungsbestrebungen und der Wettbewerb dürfen deshalb nicht in Form von Personalabbau auf ihrem Rücken ausgetragen werden. Doch genau dieser Schluss liegt nahe, wenn man sich die Entwicklung der Personalzahlen über die letzten Jahre ansieht. Die Linken stellen in ihrem Antrag die richtige Problemanalyse. Beim Beschreiten des Lösungsweges stimmen wir allerdings an einigen Punkten nicht mit ihnen überein. Wir müssen nämlich zunächst kurzfristige Abhilfe schaffen. Dazu bedarf es womöglich der Neuauflage eines Pflegestellenförderprogramms. Dieser zweite Anlauf müsste aber zielgerichteter ablaufen und klarere Richtlinien umfassen. Das letzte Förderprogramm war zwar überaus unbürokratisch, aber die positive Wirkung war aufgrund fehlender Daten leider nicht gänzlich zu belegen. Kurzfristig ist auch zu prüfen, ob die allgemeinen Standards der Fachgesellschaften, beispielsweise für den Intensivbereich nicht schon ein Instrument für den angemessenen Personaleinsatz sein können. Bei Eignung müssten sie verbindlich geregelt werden. Wir brauchen auch eine belastbare empirische Studienlage. Das haben alle Experten bei der Anhörung zum Antrag bekräftigt. Wir wissen zwar, dass die Sterblichkeitsrate von Patientinnen und Patienten im Zusammenhang mit der Personalausstattung steht. Aber welcher Personalschlüssel hier signifikant ist, ist uns noch nicht klar. Ebenso wichtig sind nämlich weitere Faktoren wie die Teamzusammensetzung, die Umgebungsfaktoren, die qualitativen Arbeitsbedingungen. Also, allein auf eine Mindestpersonalbemessung zu setzen, ist zu kurz gesprungen. Ganz klar, wir brauchen ein Instrument, das den Personaleinsatz regelt; anders scheint es nicht mehr zu gehen. Für uns wäre auch ein bestimmter Wertekorridor denkbar, in dem sich die Krankenhäuser und die Stationen bewegen können. Das wäre sogar noch leichter einzuführen als ein Mindestpersonalbemessungsinstrument - das uns noch nicht zur Verfügung steht und das erst noch mühsam erstellt werden muss. Ganz klar, die Entwicklung muss vorankommen, aber bis ein Ergebnis vorliegt, können Jahre vergehen. Denn: Für Station zu Station, für Versorgungsbereich zu Versorgungsbereich, auch abhängig von der Erkrankung und vom Risikopotenzial der Patientinnen und Patienten, müsste ein differenziertes Instrument entstehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, ich kann Ihnen sagen, dass das dauert. Ich erinnere nur an die Bemühungen aus der Altenpflege und an das RAI, PLAISIR und wie die Instrumente alle hießen. Es ist kein leichtes Unterfangen, eine Mindestpersonalbemessung zu erfassen und abzubilden. Auch bezüglich der Sanktionen bei Nichteinhaltung der Personalmindestgrenze haben wir eine andere Sichtweise als die Linke. Sie schlagen in ihrem Antrag vor, dass Krankenhäuser bei Unterschreitung entsprechend sanktioniert werden und einen Abschlag bei der Vergütung in Kauf nehmen müssen. Das kann aber auch wieder dazu führen, dass das Krankenhaus durch die Einbußen keine Pflegekräfte mehr einstellen kann, weil das Geld fehlt. Und was, wenn vor Ort wirklich keine geeignete Pflegekraft zur Neueinstellung zu finden ist? Die Sanktionierung kann der Einstieg in eine Negativspirale sein. Daher gehen wir an diesem Punkt nicht mit. Es könnte ja sogar sein, dass Krankenhäuser die Strafzahlung gerne in Kauf nehmen, weil sie dabei immer noch mehr sparen, als sie die Einstellung einer Pflegekraft kosten würde. Es muss also eine effektivere Reaktion erfolgen als eine Strafzahlung. Wir Grüne sprechen uns klar für eine Personalbemessung und Personaluntergrenze in der Pflege aus. Wir müssen und wollen in diesem Bereich auch Verantwortung übernehmen. Das sind uns die Pflegekräfte wert und die Patientinnen und Patienten ebenso. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14226, den Antrag der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/12095 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 58: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Sportausschusses (5. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Daniela Wagner, Marieluise Beck (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Vergabekriterien für Sportgroßveranstaltungen fortentwickeln - Menschen- und Bürgerrechte bei Sportgroßveranstaltungen stärker berücksichtigen - Drucksachen 17/9982, 17/14091 - Berichterstattung: Abgeordnete Klaus Riegert Martin Gerster Dr. Lutz Knopek Jens Petermann Viola von Cramon-Taubadel Auch hier sind die Reden zu Protokoll gegeben. Eberhard Gienger (CDU/CSU): Wenn die Politik dem Sport Vorschriften macht, deren Folgen in die Autonomie der jeweiligen Verbände eingreift, dann bedient sich die Politik der gleichen Mittel wie undemokratische Regime: Die Politik würde den Sport instrumentalisieren. Das soll nicht sein. Dem uns vorliegenden Antrag können wir aus diesem Grund in der derzeitigen Form nicht zustimmen. Wir müssen davon Abstand nehmen, dem Sport Aufgaben anzudienen, die er nicht erfüllen kann. Der Sport kann politische Probleme wie zum Beispiel die Achtung der Menschenrechte nicht lösen und wäre damit auch vollkommen überfordert. Mahnende Beispiele dieser Überforderung des Sports durch die Politik sind die uns aus der Vergangenheit bekannten Boykotte von Olympischen Spielen. Dabei hat sich immer wieder gezeigt, dass ein Boykott von Sportgroßveranstaltungen nur zulasten der Sportler und der Menschen vor Ort geht und im Endeffekt keine messbaren Erfolge offenbar wurden. Das sage ich Ihnen nicht nur als Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sondern als vom damaligen Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau direkt Betroffener. Natürlich ist es möglich, Mängel und Verfehlungen zum Beispiel bei der Achtung der Menschenrechte anzuzeigen; aber das darf nicht dazu führen, dass der Sport als öffentlichkeitswirksames Medium durch die Politik instrumentalisiert wird, und es hat sich, wie gerade erwähnt, gezeigt, dass ein Boykott keine Lösung ist. In Ihrem Antrag werden die Olympischen Spiele 2008 in Peking als negatives Beispiel angeführt. Vor den Spielen wurde kontrovers darüber diskutiert, wie mit den eklatanten Problemen in Tibet und auch allgemein mit der Unterdrückung der Menschenrechte und der freien Meinungsäußerung in China umgegangen werden soll. Auch hier wurde das Thema Boykott lang und breit diskutiert; aber am Ende hat es keinen Boykott gegeben, und es kam durchaus zu positiven Veränderungen, die von Ihnen aber offensichtlich ausgeblendet werden. Natürlich hätten wir uns eine größere und länger anhaltende Öffnung des Landes auf vielen Ebenen gewünscht; aber es kann nicht verleugnet werden, dass es auch nachhaltige Veränderungen gab. Hier möchte ich vor allem die Paralympics herausstellen und die Erfolge, die für Behinderte in einem Land erzielt werden konnten, in dem genau so viele behinderte Menschen leben wie Deutschland Einwohner hat. Behinderte wurden früher in China versteckt, kamen sozusagen nicht vor. Erst durch die Paralympics und die im vorolympischen Jahr durchgeführten Special Olympics ist diese "versteckte" Gruppe von Menschen in China in der Gesellschaft angekommen. Bei Sportgroßveranstaltungen in Staaten, in denen unsere rechtsstaatlichen Grundprinzipien nicht in dem Maße eingehalten werden, wie wir uns das zweifelsfrei wünschen würden, kommt die Politik an ihre nationalstaatlichen Grenzen. Die Sportverbände sind nur der eigenen politischen Neutralität verpflichtet und nicht den Wünschen und Hoffnungen von Politikern. Es spielen bei der Vergabe von Sportereignissen eben nicht die Kriterien eine Rolle, nach denen die Politik einen Staat als demokratisch oder nichtdemokratisch einstuft, sondern die Mehrheitsverhältnisse für oder gegen einen sich bewerbenden Verband sind ausschlaggebend. Diese werden nicht von der Politik festgelegt, sondern vom autonom handelnden Sport. Zudem liegen zwischen der Entscheidung, ein großes Sportereignis in ein Land zu vergeben und dem tatsächlichen Beginn der Veranstaltung meistens mehrere Jahre, in denen sich die politischen Vorzeichen dramatisch ändern können, wie wir es bei der Fußball-Europameisterschaft in Polen und insbesondere in der Ukraine erleben konnten. Der Zeitpunkt, an dem die Entscheidung für diese beiden Länder getroffen wurde, war der Versuch, einem mittel- und einem osteuropäisches Land die Möglichkeit zu geben, sich der Welt in Zeiten politischer Veränderungen hin zu mehr Demokratie zu präsentieren. Unsere polnischen Nachbarn haben diese Möglichkeit sehr gut genutzt, und ich bin der Überzeugung, dass die Fußball-Europameisterschaft Polen noch näher an Europa herangeführt hat. Für die Ukraine gilt dies leider nicht. Obwohl das Land nach dem Regierungswechsel 2010 weiter Richtung Europa strebt, so müssen wir doch erkennen, dass sich die politischen Realitäten in dem Land noch nicht an die Werte der Europäischen Union angenähert haben. Aber es gibt eine klare Trennung der Zuständigkeiten zwischen Sport und Politik. Diese klare Trennung ist in einigen Bereichen nicht immer einfach zu ziehen, wie wir an Ihrem Antrag sehen können; sie sollte aber von der Politik respektiert werden. Die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen an Länder, die nicht unserem Demokratieverständnis entsprechen, führt dazu, dass die Aufmerksamkeit für die massiven Defizite in einem Land steigt. Durch die weltweite Berichterstattung sind die Sportverbände und die Sportler durchaus in der Lage, für eine Verbesserung der Situation und für eine Öffnung eines bisher mehr oder weniger abgeschotteten Landes zu werben. Ja, die Politik kann und sollte sich mit den nationalen Sportverbänden zusammensetzen und darüber diskutieren, wie die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen in Zukunft transparenter gestaltet werden könnte und, ja, die Politik kann das Gleiche auch mit den internationalen Sportverbänden machen. Wir können auch zusammen mit diesen Partnern darauf hinarbeiten, dass eine internationale Vereinbarung über rechtstaatliche und humanitäre Mindestanforderungen während der Austragung von Sportgroßveranstaltungen ausgearbeitet wird. All das ist möglich. Eines muss aber auch den Antragstellern von den Grünen gesagt werden: Wir können und dürfen den Sportverbänden nicht diktieren, in welche Länder sie in Zukunft solche Ereignisse vergeben und dass bereits getroffene Entscheidungen revidiert werden müssen. Dies müssten die Fachverbände selbst machen, sonst können wir uns darauf einstellen, dass es in Zukunft an vielen Ausrichterländern etwas auszusetzen gibt und Sportgroßveranstaltungen in Zukunft immer nur an die gleichen Länder vergeben werden. Die Lösung für die Probleme, über die wir hier diskutieren, ist ein verstärktes Zusammenwirken von Sport und Politik, und dieses gelingt am besten, wenn miteinander gesprochen wird; dann kann die Autonomie des Sports gewahrt bleiben, ohne dass sich die Politik einzumischen versucht und den Sport instrumentalisieren will. Dafür ist der vorliegende Antrag der falsche Weg, denn er macht dem Sport Vorschriften und würde bei einer Umsetzung zu einer Überforderung führen. Nur gemeinsam mit den Verbänden kann die Politik positive Veränderungen bewirken und das ist der Leitfaden, an dem sich das Handeln der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auch weiterhin orientieren wird, um erfolgreiche Sportpolitik zu machen. Dr. Frank Steffel (CDU/CSU): Derzeit erleben wir in Brasilien, dem Austragungsland der Fußballweltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Sommerspiele 2016, dass Sport und Politik zwar unabhängig, aber nicht zwangsläufig voneinander trennbar sind. Dort, wo sich in diesen Tagen auf den Straßen der brasilianischen Metropolen die Hoffnung auf Veränderungen und politischen Fortschritt in Form von Gewalt und Demonstrationen entlädt, werden wir in weniger als zwölf Monaten jubelnde und begeisterte Fußballfans aus allen Teilen der Welt tanzen, singen, feiern und vielleicht auch weinen sehen, angetrieben von der Freude und den Emotionen des Fußballs. Das größte Land Südamerikas, die sechstgrößte Volkswirtschaft der Welt, ja das Fußballland schlechthin, erlebt derzeit, welch enorme Kraft vom Sport ausgeht. Sportgroßveranstaltungen können schon im Vorfeld ein Katalysator für politische oder gesellschaftliche Veränderungen sein. Alle Jahre wieder schaut die Welt bei der Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen gespannt auf den weißen Umschlag mit dem Gewinner der Austragung. In einem langjährigen Verfahren haben sich zuvor mehrere Städte oder Staaten um die Ausrichtung beworben. Die Prozedur der Vergabe ist zum Teil undurchsichtig und schwer nachvollziehbar. Die Tragweite der Entscheidung ist nicht allein eine Angelegenheit des Sports. Sie hat auch eine politische Bedeutung. Politische Führer in aller Welt wissen um die Begeisterung für den Sport und die Macht der Bilder. Manche wollen diese für sich und ihr Land nutzen. Es ist der Wunsch, vor einem Milliardenpublikum über mehrere Wochen ein möglichst positives Image seines Landes zeigen zu können: eine Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit, die man kaum anders erreichen kann. Gleichermaßen wissen die internationalen Sportverbände, wie viel dies den politischen Führern - im wahrsten Sinne des Wortes - "wert" ist. Doch wenn wir diese Erkenntnis haben, warum nutzen wir sie nicht gemeinsam für politische Veränderungen? Genau diese grundsätzliche Frage, inwiefern Sport und Politik miteinander verbunden sind, wird mit dem vorliegenden Antrag thematisiert. Als Peking am 13. Juli 2001 den Zuschlag des Internationalen Olympischen Komitees, IOC, für die Sommerspiele 2008 erhielt, hatten wir die Hoffnung, dass sich auch im Reich der Mitte an der Situation der Tibeter, der Akzeptanz von Behinderungen oder der Meinungs- und Pressefreiheit positiv etwas verändert. Eine spürbare Veränderung hat es aber leider nur in geringem Umfang gegeben. Gleiches galt auch für das Fußball-EM-Austragungsland Ukraine. Wer wie die Ukraine zur europäischen Familie gehören will - und das war ja das Ziel der freiwilligen Bewerbung um die Austragung der Europameisterschaft -, muss auch das Ziel haben, die Werte und Prinzipien unserer europäischen Gemeinschaft zu verinnerlichen. Eine wahrnehmbare Annäherung blieb aus. Auf eine ähnliche Konstellation treffen wir nächstes Jahr in Belarus. Der autokratisch herrschende und nicht wenig eitle weißrussische Präsident Lukaschenko, auch als letzter Diktator Europas bezeichnet, ist bekanntlich ein Eishockey-Narr. Wenn sein Land die Eishockey-Weltmeisterschaft 2014 austragen darf, wird die internationale Staatengemeinschaft genau darauf achten müssen, inwieweit sich Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und echte demokratische Prinzipien in dem nur zwei Flugstunden von Deutschland entfernten Land verbessert haben. Solange Demonstranten konsequent eingesperrt werden, können weder Politik noch die Sportverbände tatenlos zusehen. Die nächste Chance zur gesellschaftlichen Einmischung erhalten FIFA und IOC, wenn 2018 in Russland und 2022 in Katar der Ball rollt und in Sotschi 2014 die Biathleten über die Loipen spuren. Pressefreiheit und politische Mitbestimmung der Opposition stehen dann dem russischen Wunsch nach medialer Selbstdarstellung gegenüber. Ebenso wird sich das arabische Emirat Katar überlegen müssen, ob homosexuelle oder unverschleierte Fußballfans in Stadien und im Land sicher sind. Es bleibt abzuwarten, ob die FIFA diese und andere kritische Themen in Moskau und in Doha frühzeitig anspricht. Die eben genannten Beispiele für die Vergaben an China, Russland, Katar, Ukraine und Weißrussland werfen die Frage auf: Was sind geeignete Kriterien für Vergaben von Sportgroßveranstaltungen? Aus Sicht der Politik fordern wir selbstverständlich die Rechtsstaatlichkeit, Einhaltung der Menschenrechte sowie der Presse- und Meinungsfreiheit ein. Aus Sicht des Sports geht es primär um Kriterien wie geeignete Sportstätten, ein angemessenes Umfeld für die Sportler, Infrastruktur sowie eine nachhaltige und wirtschaftliche Entwicklung der Region. Lassen sich diese Kriterien verbinden? Stehen sie in einem Widerspruch zueinander? Und welchen Einfluss kann und sollte die Politik auf die autonomen Entscheidungsprozesse in den internationalen Sportverbänden nehmen? Oder stimmt das Argument, dass gerade mit der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen an solche Länder eher Verbesserungen herbeigeführt werden können? Ist es richtig, dass wir westlich-geprägten Demokratien selbstverständlich unsere eigenen Grundsätze und Werte als Maßstab für die ganze Welt als gegeben voraussetzen? Dürfen wir das? Unstreitig ist: Die Sportverbände genießen Autonomie. Das widerspricht jedoch nicht dem Gedanken, dass sie bei der Vergabe von sportlichen Großveranstaltungen demokratische Prinzipien, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einfordern können und müssen. Es existiert der leise Vorwurf, dass die großen Sportverbände die Kraft zur Demokratisierung nicht haben, weil sie vielleicht selbst nicht vollständig demokratisch strukturiert sind. Diesem Vorwurf können die Verbände nur durch aktives Tun entgegenwirken. Welche Chancen, welche Kraft und welches Veränderungspotenzial Sportgroßveranstaltungen mit sich bringen, haben die Australier im Jahr 2000 bewiesen, als die Aborigine Cathy Freeman das Olympische Feuer entzündete. Als Botschafterin ihres Volkes, der Ureinwohner Australiens, machte sie die Weltöffentlichkeit auf die Unterdrückung aufmerksam. Ein gewolltes, nachhaltiges, starkes und selbstbewusstes Zeichen der Versöhnung Australiens in die ganze Welt. Pierre de Coubertin hat die Olympischen Spiele der Neuzeit erfunden. Es soll ein "Treffen der Jugend der Welt" sein und der Völkerverständigung dienen. Doch längst ist aus diesem Gedanken mehr geworden. Wenn die großen Verbände IOC, FIFA und UEFA eine ihre Veranstaltungen vergeben, dann machen sie damit nicht nur ein Geschäft, sondern auch Politik. Mit der 5. UNESCO-Weltsportministerkonferenz 2013 in Berlin und der "Berliner Erklärung" hat sich die Bundesregierung kraftvoll für eine internationale Verständigung auf sportpolitischer Seite eingesetzt. Die Handlungsfelder gingen dabei über die im Antrag geforderten Punkte weit hinaus. Die Bundesregierung setzt sich an unzähligen Stellen für die Verbesserung von Menschen- und Bürgerrechten im In- und Ausland ein. Dies gilt für den Sport wie auch für alle anderen gesellschaftlichen Bereiche. Im Nachgang der Weltsportministerkonferenz setzt sich die Bundesregierung für die Nachverfolgung der genannten Zielstellungen auf nationaler und internationaler Ebene ein. Die "Berliner Erklärung" soll im weiteren Verfahren zu einer UN-Konvention weiterentwickelt werden. Deshalb war die Intention des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen nachvollziehbar. In den Beratungen im Sportausschuss konnte ich allerdings nicht nachvollziehen, wie es sein kann, dass Bündnis 90/Die Grünen in diesem Antrag die Vergabe von Sportgroßveranstaltungen nach höchsten ökologischen Standards einfordern, aber die Olympischen Winterspiele 2018 in München abgelehnt haben, die diese Kriterien erfüllt hätten. Die Stärkung von Menschen- und Bürgerrechten bei Sportgroßveranstaltungen ist sehr zu begrüßen. In Deutschland wie in vielen anderen Ländern wurden diesbezüglich enorme Fortschritte gemacht. Die normativen Anforderungen lassen sich aber nicht ohne Weiteres auf alle Länder übertragen, ohne dabei zum Beispiel die gesellschaftliche Situation, politische Historie oder Entwicklung zu beachten. Der Antrag verkennt aber die politischen Unterschiede in der Welt. Zudem wird die Autonomie der Sportverbände in Deutschland wie auch vor allem die Unabhängigkeit der sich im Ausland befindenden internationalen Sportverbände missachtet. Die Ergebnisse der hierzu durchgeführten Anhörung haben ferner ergeben, dass nach Einschätzung der Experten ein Wandel auf internationaler Ebene nur durch langfristige, diplomatische Bemühungen erreicht werden kann. Das Ansetzen eigener, zum Teil überzogener Maßstäbe führt nach Ermessen der Experten nicht zum Ziel, sondern zu einer zunehmenden Abschottung. Der Antrag ignoriert weiterhin, dass bei den durch die internationalen Sportverbände vergebenen Sportgroßereignissen die jeweils nationalen Mitgliedsorganisationen in Deutschland nur ein geringes Stimmgewicht haben. Aus Sicht der Sportverbände ist die Internationalität eine unglaubliche Chance zur Verständigung und Annäherung wie auch gleichzeitig eine schwierige Herausforderung hinsichtlich länderübergreifender Einigkeit und politischer Neutralität. Die Statuten deutscher Sportverbände weisen seit langem deutliche Verbindungslinien zu Menschen- und Bürgerrechten sowie anderen Diskriminierungsverboten auf. Die Umsetzung und Einhaltung von Standards bei internationalen Sportveranstaltungen liegt zuvorderst im Kompetenzbereich des jeweilig ausrichtenden Landes. Der Besuch von Großsportveranstaltungen im In- und Ausland durch Regierungsvertreter liegt im persönlichen Ermessensspielraum. Fernbleiben wie auch der Besuch können hierbei ein unterstützendes Signal sein, um beispielsweise auf Missstände hinzuweisen. Darüber hinaus ist die Meinungsfreiheit von deutschen Sportlerinnen und Sportlern bei Sportveranstaltungen in keiner Weise eingeschränkt. Die gescheiterte deutsche Bewerbung um die Austragung der Olympischen Winterspiele 2018 in München wurde trotz höchster ökologischer Standards und aktiver Bürgerbeteiligung dennoch von den Grünen konsequent abgelehnt. Insofern steht die Ernsthaftigkeit des Antrages an sich infrage. Die zeitliche Dimension des Antrages im parlamentarischen Verfahren spiegelt ebenso das tatsächliche Interesse von Bündnis 90/Die Grünen an dem Thema wider. Der Antrag soll nach mehr als einem Jahr der Beratungen nun abgeschlossen werden. Wir lehnen ihn ab. Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung: Bei meiner Arbeit hier im Bundestag hat mich in den letzten vier Jahren mein wissenschaftlicher Mitarbeiter Lorenz Weser sehr engagiert unterstützt. Da er in wenigen Tagen mein Bundestagsbüro verlässt, möchte ich ihm - was ihn vermutlich besonders freut - an dieser Stelle für die geleistete Arbeit und Unterstützung meinen besonderen Dank aussprechen und viel Erfolg bei seiner neuen beruflichen Tätigkeit wünschen. Martin Gerster (SPD): Um es gleich vorab zu sagen: Der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen enthält gute Ansätze und einige wichtige Forderungen an Sport und Bundesregierung, sich mehr zu engagieren, wenn es um den Einsatz für Bürger- und Menschenrechte bei internationalen Sportwettkämpfen geht. Es ist doch völlig klar, dass das besondere öffentliche Interesse bei solchen Sportveranstaltungen auch in Zukunft genutzt werden muss, um auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen. Gleichwohl ist es eine Aufzählung von sportpolitischen Allgemeinplätzen, in der die konkreten Handlungsmöglichkeiten offenbleiben. Wir haben es bei der Fußballeuropameisterschaft 2012 in Polen und der Ukraine erlebt, welche Macht öffentlicher Protest aus allen Teilen der Gesellschaft verbunden mit dem Einsatz von internationaler Diplomatie haben kann, auch wenn Frau Bundeskanzlerin Merkel die klare Positionierung zu den politischen Verhältnissen in der Ukraine einmal mehr wieder vermissen ließ. Wir erwarten von einer Bundesregierung, von unserem Bundesaußenminister genauso wie von der Bundeskanzlerin deutliche Zeichen und klare Positionen, wenn unter einem Regime die Rechte von Menschen missachtet werden. Vor uns liegen die olympischen Winterspiele in Sotchi 2014, die Fußball-WM in Brasilien 2014, die olympischen Sommerspiele in Rio 2016, die Fußball-WM in Russland 2018 und die Fußball-WM in Katar 2022. Die Ausrichtungen dieser Veranstaltungen bieten reichlich Gelegenheit für den Sport, zu zeigen, wie er seiner gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird, wie er auf Bedürfnisse und Anforderungen eingeht und wo er Verbesserungen unterstützt. Wir respektieren die Unabhängigkeit des Sports. Die internationalen Sportverbände, IOC, FIFA und UEFA wählen und entscheiden den Ort für das sportliche Ereignis autonom. Sie wissen um die fachlichen Kriterien und die nötige Infrastruktur, damit aus einem Wettkampf ein Fest wird. Dennoch halten wir es für absolut richtig und stimmen mit der Antragstellerin überein, dass große Sportfeste nicht im "luftleeren Raum" stattfinden. Sport übernimmt eine große Vorbildfunktion, Sportlerinnen und Sportler sind Idole, Sport stärkt die Gesellschaft. Hier schließen wir uns an und appellieren an die Sportverbände, ihrer besonderen Verantwortung gerecht zu werden. Ich hatte es bereits in der ersten Lesung zu dieser Initiative im Bundestag gesagt: Gemeinsam mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) müssen wir Regelungen entwickeln, die ein verantwortungsvolles Handeln aller Akteure einfordern. Der Grundsatz der Autonomie des Sports bleibt dabei natürlich gewahrt, und ich bin sicher: Als Partner können wir einiges erreichen. Für uns ist klar: Rechtstaatlichkeit, die Garantie von Menschen- und Bürgerrechten sowie Meinungs- und Pressefreiheit gehören dazu, wenn es um die Vergabe von internationalen sportlichen Events geht. Wir erwarten von allen Staaten, die große und damit auch sehr lukrative Sportwettkämpfe ausrichten, dass sie internationale Grundrechte einhalten und für faire Verhältnisse sorgen. Ein Beispiel für einen Konflikt sind die aktuellen Unruhen und Krawalle am Rande des Confed-Cups in Brasilien. Wir schauen gerne die großartigen Fußballbilder; aber es darf doch nicht sein, dass auf der einen Seite glamouröse Spiele inszeniert und auf der anderen Seite Armut und Unmut der Bevölkerung verdrängt werden. Die Bundesregierung hat mit der sogenannten Berliner Erklärung auf der Weltsportministerkonferenz MINEPS im Mai 2013 erst kürzlich die internationale Agenda für faire Bedingungen und die Wahrung der Menschenrechte im Sport unterschrieben. Wir fordern daher von der Bundesregierung vollen Einsatz für die Einhaltung humaner Bedingungen und die konsequente Begleitung der Prozesse in den Ausrichterländern. So haben wir beispielsweise gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen den Antrag "Keine Eishockeyweltmeisterschaft 2014 in Belarus" in den Bundestag eingebracht, der leider von der schwarz-gelben Koalition abgelehnt wurde. In Belarus werden grundlegende demokratische Freiheiten und Menschenrechte mit Füßen getreten. Das belarussische Regime ist kein würdiger Gastgeber für die 2014 geplante Eishockeyweltmeisterschaft. Wir fordern daher von der Bundesregierung, sich dafür stark zu machen, dass die internationale Eishockeyföderation ihre Entscheidung zur Austragung der Eishockeyweltmeisterschaft 2014 in Belarus zurücknimmt. Politik und Sport können gemeinsam vieles erreichen. Wir unterstützen das Engagement für Menschen- und Bürgerrechte und fordern, dass sich Bundesregierung und Sportverbände intensiv für gute Rahmenbedingungen bei der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen einsetzen. Trotzdem bleibt es dabei, dass viele der im Antrag geforderten Maßnahmen Aufzählungen des Status quo sind und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen darüber hinaus noch einiges miteinander verquickt, was eine eigene Initiative verdient hätte, so etwa die wichtige Frage des gemeinsamen Verfahrens in Europa, wenn es um steuerliche Regelungen geht. Denn nur dann, wenn die EU-Staaten sich einig sind, gibt es eine gemeinsame Linie bei Steuerersätzen für Sportgroßveranstaltungen, und kein Land würde in einem Dumpingwettbewerb um die größten Steuererleichterungen gegen das andere ausgespielt. Hier bedarf es einer koordinierten Vorgehensweise - ein wichtiger Aspekt, der nicht in diesem Potpourri Ihrer Forderungen untergehen sollte. Nicole Bracht-Bendt (FDP): Die aktuellen Bilder aus Brasilien zeigen uns: Sportgroßveranstaltungen machen die Welt auf Missstände in den ausrichtenden Ländern aufmerksam. Die Menschen dort wissen, dass ihr Protest wahrgenommen wird. Sportereignisse können aber auch die Ursache für Missstände sein, etwa wenn ein armes Land allein der Reputation wegen Milliarden für Stadien ausgibt und die Bedürftigen am Ende die Zeche bezahlen müssen, weil kein Geld mehr für Sozialleistungen übrig ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, blicken Sie doch einmal nach Brasilien oder in die Ukraine oder nach Südafrika. Denken Sie einmal darüber nach, wem Ihr Antrag eigentlich nützt. Am Ende der Legislatur noch ein wenig Symbolpolitik zu betreiben ist blanker Spott für die Menschen vor Ort. Selbstverständlich wollen wir Liberale Menschen- und Bürgerrechte durch Sportevents stärken. Dass der Antrag aber kaum dazu beiträgt, sagen nicht nur wir, sondern sagten ausnahmslos alle Experten bei der öffentlichen Anhörung zum Thema. Der Antrag ist ohnehin so vage formuliert, dass er überhaupt nicht einheitlich umgesetzt werden kann. Welche Sportgroßver-anstaltungen sind überhaupt gemeint? Jedes Fußballbundesligaspiel ist eine Großveranstaltung. Auch inhaltlich lassen Sie entscheidende Fragen offen. Was hat die Berichterstattung der Medien oder die An- bzw. Abwesenheit von Abgeordneten mit Vergabekriterien zu tun? Nichts! Die Vergabe, hier missachten Sie Kompetenzen, erfolgt durch die ausrichtenden Verbände, nicht durch eine Regierung. In Deutschland werden die Forderungen der Grünen ohnehin längst umgesetzt. Es ist selbstverständlich, dass Empfehlungen von Nichtregierungsorganisationen sowie Menschenrechte und Nachhaltigkeit im Sport grundsätzlich bedacht werden; das ist völlig klar. Hätten sich die Grünen nicht gegen eine Bewerbung für die Olympischen Winterspiele in München gestellt, hätten auch Sie, Frau Künast und Herr Trittin, das mit eigenen Augen sehen können. In anderen Ländern sind die Unterschiede historisch, politisch und kulturell so groß, dass eine einheitliche Regulierung überhaupt nicht erst anwendbar ist. Ein Sachverständiger betonte bei der Anhörung, dass selbst die Schweiz regelmäßig vom UNO-Menschenrechtsrat gerügt wird. Je nachdem, wie hoch wir die Standards setzen, wird von 205 Ländern mit Olympischen Komitees nur noch eine Handvoll übrig bleiben, die sich überhaupt noch bewerben dürfte. Zu erwarten, dass man ein Land wie Russland mit all seinen Verbindungen, auch zum deutschen Leistungssport, einfach abkoppelt, ist illusorisch. Länder auszuschließen und wegzusehen ist der falsche Weg, die Situation dort wird sich dadurch nicht bessern. Was wäre also ein wirklich vernünftiger Ansatz? Die ausrichtenden Verbände entscheiden über die Vergabe von Großveranstaltungen. In Deutschland sind die Kriterien mehr als erfüllt. Dann macht es doch Sinn, die Verbände bei uns zu stärken und von dort die Themen Nachhaltigkeit und Menschenrechte zu betonen und zu begleiten. Hier gibt es erheblichen Bedarf. Wenn nur zwei Deutsche unter den 115 entscheidenden Mitgliedern des IOC sind und auch nur zwei unter allen Weltpräsidenten im Sport, sind unsere Möglichkeiten, mehr für Menschenrechte in der Welt einzutreten, gering. Wir sind nicht Teil des Commonwealth und haben kein Netzwerk mit ehemaligen Kolonien wie Frankreich. Es sollte also unser Ziel sein, über die Verbände bei so wichtigen Themen wie Menschenrechte für hohe Standards einzutreten. Verantwortlich sind aber nicht nur die Sportverbände. Sponsoring und Förderung an Empfehlungen von Nichtregierungsorganisationen zu orientieren wäre eine Möglichkeit, Standards zu setzen und beizubehalten. Statt sich über die geregelten Zuständigkeiten hinwegzusetzen, sollte lieber logisch gedacht werden. Es kann nicht sein, dass beispielsweise bei Fußballweltmeisterschaften nur ein Land als Ausrichter infrage kommt, das mindestens 12 bis 14 Stadien präsentieren kann. Diese Stadien für 50 000 Menschen werden nach einem Monat Veranstaltung kaum noch genutzt und verfallen. Hinzu kommt, dass kein Geld für die Pflege und Instandsetzung da ist. Eine wahnwitzige Fehlinvestition! Das hat auch fatale Auswirkungen auf den Bewerbungsprozess bei Sportgroßveranstaltungen: Arme Länder fallen grundsätzlich durch das Raster; das ist Missachtung der Menschenrechte. So werden immer wieder die gleichen wenigen Länder eine Weltmeisterschaft oder Olympische Spiele ausrichten. Provisorische Bauten müssen daher akzeptiert werden; das wäre tatsächlich etwas Ökologisches. Aufgabe der Politik sollte es sein, auf solche Fehlentwicklungen hinzuweisen. Ein gutes Signal ging bereits vor wenigen Wochen von der Weltsportministerkonferenz in Berlin aus. Die Berliner Erklärung ist wegweisend und richtet den Blick auf dieses wichtige Thema. Auch die G 20 hat die Integrität insbesondere bei Sportgroßveranstaltungen auf ihrer Agenda. Wir dürfen nicht wegsehen, wenn die Menschen in Brasilien vor der nächsten Fußballweltmeisterschaft auf die Barrikaden gehen, weil sie befürchten müssen, dass sie letzten Endes für das Prestigeprojekt zahlen müssen und selber die Spiele gar nicht im Stadion verfolgen können, weil sie die Tickets für das Luxusstadion nicht bezahlen können. Genauso wenig dürfen wir wegsehen, wenn es darum geht, dass die Menschen in Südafrika nach der letzten Weltmeisterschaft auf den Kosten sitzen bleiben. Nicht wegzusehen, das ist unsere vorderste Verantwortung. Der Antrag der Grünen verbessert hier nichts. Deshalb lehnt die FDP-Fraktion den Antrag ab. Katrin Kunert (DIE LINKE): In Brasilien gehen Millionen von Menschen auf die Straße. Es sind die größten Proteste seit 20 Jahren. Der Anlass sind steigende Lebenshaltungskosten, fehlende Investitionen in die Bildungs- und Gesundheitsinfrastruktur, aber auch die anhaltende Korruption und Kriminalität. Wenn das alles auch Folgen der hohen Investitionssummen für die Ausrichtung der Fußball-WM 2014 sind, müssen endlich Konsequenzen gezogen werden. Auf den Transparenten der Demonstranten liest man: "Wir sind nicht gegen die WM, aber gegen die Weise, wie man mit uns umgeht". Sportanlagen, zu einem großen Teil aus der Staatskasse finanziert, werden wesentlich teurer als geplant. Nach Schätzungen des brasilianischen Senats ist die WM in Brasilien teurer als die drei vergangenen Weltmeisterschaften zusammen. Rechtfertigt die Ausrichtung eines so großen und internationalen Sportereignisses die chronische Unterversorgung von Krankenhäusern und die Erhöhung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr? Ist das der versprochene Wirtschaftsaufschwung, mit dem die FIFA so gern wirbt? Worum geht es denn eigentlich bei einem Sportevent dieser Größenordnung? Sportlerinnen und Sportler sowie Zuschauerinnen und Zuschauer aus aller Welt kommen zusammen, lernen sich kennen und teilen gemeinsam die Freude am sportlichen Wettkampf. Der Sport dient der Völkerverständigung. Das Gastgeberland nimmt zunächst die Kosten der Ausrichtung auf sich, profitiert aber im Gegenzug von dem Austausch mit den internationalen Gästen. Bis zur Fußball-WM ist noch ein Jahr Zeit, aber dieses Ziel ist in weite Ferne gerückt; denn nicht nur in Brasilien wird dieser Anspruch von den aktuellen Unruhen überschattet. Wir erinnern uns an die Kritik der Menschenrechtslage im Vorfeld der Sommerspiele in Peking, 2008, oder bei der Vergabe der Eishockey-WM 2014 an Belarus. Auch die in Peking und die für die Winterspiele 2014 in Sotschi angesprochenen Umweltprobleme sind uns im Gedächtnis. Forderungen nach politischen und ökologischen Kriterien bei der Vergabe von Sportgroßveranstaltungen wurden und werden immer wieder laut. Hier zeigt der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen in die richtige Richtung. Sportgroßveranstaltungen brauchen ein Vergabeverfahren, das einheitlich, transparent und nachvollziehbar ist. Die jüngsten Vergabepraktiken der internationalen Sportorganisationen lassen hier Zweifel aufkommen. Selbstverständlich darf die Natur beim Bau von Sportanlagen nicht zu stark in Mitleidenschaft gezogen werden. Es dürfen keine dauerhaften Schäden entstehen. Nicht umkehrbare Eingriffe müssen an anderer Stelle durch positive Maßnahmen ausgeglichen werden. Das alles muss schon bei der Vergabe der Veranstaltung anhand ökologischer Kriterien berücksichtigt werden. Weitere Kriterien müssen sicherstellen, dass der Austragungsort in einem friedlichen und stabilen Umfeld liegt. Neben der äußeren Sicherheit ist selbstverständlich auch die Menschenrechtslage im Innern des Landes zu beachten. Die Einhaltung von Mindeststandards und deren öffentliche Dokumentation ist ein erster Schritt. Die öffentliche Anhörung zum Antrag hat allerdings mehrere Schwach- und Fehlstellen aufgedeckt. Wir sehen das Thema Menschenrechte aus einem rein europäischen Blickwinkel und erwarten, dass unsere Sichtweise weltweit Allgemeingültigkeit besitzt. In anderen Teilen der Welt werden Menschenrechte aber anders interpretiert und ausgelegt. Die unterschiedlichen Wertesysteme müssen bei der Erstellung des Kriterienkatalogs unbedingt berücksichtigt werden. Da Menschenrechtsverletzungen am Rande von Sportgroßveranstaltungen wiederholt auftreten, ist dieses Thema eine zentrale Herausforderung. Darauf habe ich bereits in der ersten Lesung hingewiesen. Dabei wären politische Boykotte aus unserer Sicht nicht zielführend. Sie treffen vor allem die Sportlerinnen und Sportler und die Menschen in den Gastgeberländern. So waren beispielsweise die Boykotte gegen die Ukraine zur Fußball-EM 2012 rein symbolischer Natur. Die westlichen Politiker haben ihre Chance versäumt, persönlich in das Land zu fahren, um auf die Menschenrechtsverletzungen vor Ort hinzuweisen. Die Menschen in der Ukraine waren enttäuscht. In der bisherigen Diskussion fehlen uns neben den politischen und ökologischen Aspekten allerdings die sozialen Kriterien. Menschenrechtsfragen sind wichtig, und wir sind uns alle einig, dass die Umwelt ein schützenswertes Gut ist. Doch müssen wir auch an die Menschen denken, die in den Gastgeberländern von den Vorbereitungsmaßnahmen der Großveranstaltungen direkt betroffen sind. Das aktuelle Beispiel Brasilien führt uns das deutlich vor Augen. Die massiven Ausschreitungen lassen eine tiefe soziale Dimension zum Vorschein kommen. Die Proteste sind Folge der großen gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten, die bei der Ausrichtung von internationalen Sportereignissen immer wieder geschaffen bzw. verstärkt werden. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass ein Sportereignis in einem Schwellenland stattfindet. Eigentlich hätten die Folgen der Fußball-WM 2010 in Südafrika eine Lehre sein können. Das erhoffte Wirtschaftswachstum blieb aus. Durch die Bau- und Infrastrukturmaßnahmen verloren viele ihren Wohnsitz, es sind nur kurzfristig Arbeitsplätze entstanden. Die Unterhaltskosten der gigantischen Stadien sind heute höher als ihre Einnahmen. Schwellenländer verfügen in der Regel über schwächere Sozialsysteme als entwickelte Industrienationen. Deshalb müssen bei der Vergabe unbedingt auch soziale Kriterien berücksichtigt werden. Es darf nicht sein, dass Infrastruktur- und Baumaßnahmen im Rahmen einer Sportgroßveranstaltung auf Kosten sozialer Projekte erfolgen und die Bevölkerung darunter leidet. Auch muss der Kriterienkatalog unbedingt eine Kostendeckelung enthalten. Schon im Bewerbungsverfahren muss abgewogen werden, ob die jeweilige Staatskasse die hohen Investitionen tragen oder ob die Veranstaltung nur auf Kosten der Bevölkerung erfolgen kann. Sozial geht vor! Wir unterstützen das Grundanliegen des Antrags, werden uns aber enthalten. Bereits in der ersten Lesung habe ich die Problematik bei der Definition von Menschenrechtsstandards angesprochen. Unser Vorschlag, auch soziale Standards in den Katalog aufzunehmen, fand keine Berücksichtigung. Zu Menschen- und Bürgerrechten gehört aus Sicht der Linken aber zwingend auch ein Recht auf soziale Sicherheit. Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In Brasilien findet zurzeit der Confed-Cup im Fußball statt. Ein fußballbegeistertes Land verfolgt dabei nicht nur die Spiele, sondern kritisiert vor allem auch die Fehlentwicklungen wie Korruption und überteuerte Sportstätten. Die dortigen Massenproteste sind ein Ausdruck von Demokratie. Und auch das brasilianische Team zeigt Verständnis und Unterstützung, während die verantwortlichen Fußballfunktionäre sich gleichermaßen sprachlos wie kompetenzlos zeigen. Dass der Weltfußballverband FIFA bis heute die Zeichen der Zeit ganz offensichtlich überhaupt nicht erkannt hat, zeigt sich mindestens bei jeder bizarren Pressekonferenz dieses Verbandes und auch bei der als Reformkongress titulierten Status-quo-Veranstaltung des Verbandes wie vor einigen Wochen auf Mauritius. Es ist deutlich geworden, dass Sportgroßveranstaltungen wie Confed-Cup, Fußball-WM und Olympische Spiele nicht in einem luftleeren sportpolitischen Raum stattfinden. Sondern sie sind vom Anfang bis zum Ende ein hochpolitischer Vorgang, in den Staatsoberhäupter und Regierungen zwar eingebunden sind, von dem aber leider Bürgerinitiativen und Menschenrechtsorganisationen ausgeschlossen sind. Immer öfter sind es Veranstaltungen, die in einem krassen Missverhältnis zur Situation des Staates stehen, in dem sie stattfinden. Ich erinnere an Griechenland, das mit Athen im Jahr 2004 die Olympischen Sommerspiele ausgerichtet hat, sich aufgrund der überteuerten Spiele massiv verschuldet hat und heute unter einem europäischen Rettungsschirm steht. In Polen und der Ukraine gibt es schon ein Jahr nach Ende der Fußball-Europameisterschaft weitgehend ungenutzte Stadionneubauten, für deren Instandhaltungskosten niemand in diesen Ländern aufkommen kann. Bei meinen Besuchen in der Ukraine konnte ich mir ein Bild von der desolaten Situation machen. Auch aus diesem Grund komme ich zu der Einschätzung, dass es so nicht weitergehen kann. Denn wenn die internationale Sportpolitik so weitermacht wie bisher, dann werden wir die brasilianischen Proteste in unterschiedlicher Ausprägung bald auch bei anderen Sportgroßveranstaltungen erleben. Aus Sicht der grünen Bundestagsfraktion steht fest: Die Sportorganisationen tragen ein gehöriges Maß an Mitverantwortung am schlechten Ruf. Korruption und Intransparenz sind Bestandteil des Weltsports geworden. Überzogenes Anspruchsdenken und ein überdimensionierter kommerzieller Sport sind seit Jahren festzustellen. Dafür gibt es Verantwortliche: Es sind Funktionäre, die sich des Sports bedienen, um ihre eigenen Geschäfte unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit zu machen. Und es sind immer öfter auch autoritäre Staaten, die sich als Gastgeber um Sportgroßereignisse bewerben, um unter dem Deckmantel des Sports den Ruf ihres undemokratischen Regimes aufzupolieren. Ich erwarte von Thomas Bach als deutschem Kandidaten für die IOC-Präsidentschaft, aber auch von anderen deutschen Mitgliedern in den internationalen Sportorganisationen, endlich Vorschläge und Initiativen zu erarbeiten, wie diesen Missständen Einhalt geboten werden soll. Wir haben in unserem Antrag einen politischen Weg aufgezeigt, der Menschenrechte und Nachhaltigkeitsaspekte bei der Vergabe und Durchführung von internationalen Sportgroßveranstaltungen besser berücksichtigen würde. Wir haben ein Maßnahmenbündel aufgelegt, das durch eine völkerrechtlich bindende Konvention eine internationale Anerkennung und Durchsetzbarkeit erhalten würde. Uns steht schon in Kürze im Vorfeld der Olympischen Winterspiele in Sotschi eine neue Diskussion um Menschenrechte und Nachhaltigkeit bevor. Nicht nur die ökologischen Auswirkungen der geplanten Winterspiele im subtropischen Klima sind katastrophal. Vertreibungen von Menschen und Ausbeutung von Arbeitern gehören dort seit Beginn der Vorbereitung auf die Spiele zum Alltag. Aus unserer Sicht ist keine Zeit mehr zu verlieren, um endlich die notwendigen Maßnahmen von Politik und Sport zu beschließen, damit es zukünftig einen größeren Stellenwert von Demokratie, Menschen- und Bürgerrechten sowie der immer wieder proklamierten Nachhaltigkeit im Sport gibt. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Sportausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14091, den Antrag der Grünenfraktion auf Drucksache 17/9982 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 60: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung von Informationsfreiheit und Transparenz unter Einschluss von Verbraucher- und Umweltinformationen - Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz - Drucksache 17/13467 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/13800 - Berichterstattung: Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) Kirsten Lühmann Gisela Piltz Jan Korte Dr. Konstantin von Notz Die Reden sind zu Protokoll gegeben. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Wir debattieren heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion zur Zusammenlegung des Verbraucherinformationsgesetzes mit dem Umweltinformationsgesetz und dem Informationsfreiheitsgesetz unter Berücksichtigung eines Transparenzgesetzes. Bereits in der ersten Lesung des Gesetzentwurfs hatte ich deutlich gemacht, welche erheblichen rechtlichen Bedenken gegen die Zusammenlegung der vorgenannten Gesetze bestehen. Auch die vom Innenausschuss beim Institut für Gesetzesfolgenabschätzung in Speyer in Auftrag gegebene Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes hatte sich im Ergebnis gegen eine undifferenzierte Zusammenlegung der unterschiedlichen Gesetze ausgesprochen. Diese würden schließlich ihrem Wesen nach sehr unterschiedliche Informations- und Zugangsrechte beinhalten. Zudem würden sie auch auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen beruhen. Diese Ausführungen sowie die deutlichen Stellungnahmen der Sachverständigen in der Anhörung im September letzten Jahres hätten aus meiner Sicht dazu führen müssen, den vorgelegten Gesetzentwurf entweder grundlegend zu überarbeiten oder aber vollständig zurückzuziehen. Offensichtlich haben Sie, sehr geehrte Frau Kollegin Lühmann, die Ausführungen der Sachverständigen nicht sehr aufmerksam verfolgt. Nur so kann ich mir erklären, dass Sie in der Sitzung des Innenausschusses vom 12. Juni 2013 den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sogar erneut gefragt haben, wie er die Stellungnahmen der Sachverständigen im vergangenen Jahr aufgefasst habe. Seine Antwort war so vorhersehbar wie eindeutig. Auch Herr Schaar verwies darauf, dass sich sämtliche anwesende Sachverständigen "skeptisch" gezeigt hätten. Für Ihre politisch motivierten Lippenbekenntnisse für mehr Transparenz und Zugang zu öffentlichen Informationen bleibt aus meiner Sicht angesichts dieser Sach- und Rechtslage kein Raum mehr. Dies hätten Sie auch durchaus erkennen können. Rein vorsorglich möchte ich anmerken, dass selbst eine "kleine Lösung", wie beispielsweise die Zusammenführung des Informationsfreiheitsgesetzes mit dem Umweltinformationsgesetz, im Ergebnis nicht sinnvoll wäre und von unserer Fraktion daher auch nicht unterstützt wird, da beide Gesetze unterschiedliche Rechtsgrundlagen und somit eine unterschiedliche Herkunft haben. Dies spiegelt sich auch in der Ausgestaltung und im Umfang der Informationsansprüche wider. Informationen und die Möglichkeit, an diese Informationen möglichst einfach zu gelangen, sind und bleiben unbestritten zentrale Voraussetzungen für die Partizipation der Bevölkerung an einzelnen politischen Prozessen oder dem politischen System insgesamt. Hier hat die christlich-liberale Regierungskoalition in der laufenden Legislaturperiode zahlreiche wichtige Maßnahmen, wie beispielsweise die Eröffnung des GovData-Portals, ergriffen. Zudem hat die Bundesregierung im Rahmen des G-8-Gipfels in der vergangenen Woche in Loch Erne in Nordirland fünf gemeinsame Open-Data-Prinzipien beschlossen, die unter Berücksichtigung der nationalen politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen umgesetzt werden sollen. Verwaltungsdaten sollen demnach möglichst umfassend offen zur Verfügung gestellt werden, sofern keine rechtlichen oder andere Gründe explizit dagegen sprechen. Diese Daten sollen qualitativ hochwertig, aktuell und gut beschrieben sein und auch als Rohdaten zur Verfügung stehen. Offene Datenformate sollen dabei Vorrang haben. Dies ermöglicht innovative Nutzungen der Daten. Bestandteil der getroffenen Vereinbarung ist auch ein Erfahrungsaustausch über Prozesse und Standards. Ergänzt wird die Open-Data-Charta um einen Annex, in dem die geplanten Maßnahmen zur Umsetzung der vorgenannten Prinzipien festgelegt werden. So sollen schnellstmöglich Statistikdaten, Karten, Wahlergebnisse und Haushaltsdaten veröffentlicht werden. Bis Ende Oktober dieses Jahres sind weiterführende Aktionspläne zu erarbeiten. Die christlich-liberale Koalition redet somit nicht nur über die Bereitstellung von Informationen, sondern sie handelt, und sie bezieht dabei auch unsere europäischen und internationalen Partner ein. Als direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages ist mir eine höchstmögliche Rückkopplung mit der Bevölkerung in meinem Wahlkreis besonders wichtig. Nur wer zuhört, sich informiert und diskutiert, sorgt für die notwendige Teilhabe an politischen Entscheidungen im Vorfeld und im Anschluss an diese für deren Akzeptanz. Für mich und viele andere meiner Kollegen ist dies bereits heute selbstverständlich. Wir sind jederzeit über die entsprechenden Informationskanäle wie Homepage, E-Mail, Facebook oder abgeordnetenwatch.de erreichbar. Hier besteht aus meiner Sicht bereits jetzt eine höchstmögliche Form der Beteiligungsmöglichkeit für die Bürgerinnen und Bürger. Auch die unmittelbaren Beteiligungsmöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger an Gesetzgebungsverfahren sind in Deutschland äußerst vielseitig. Neben der Möglichkeit, sich unmittelbar an den eigenen Wahlkreisabgeordneten oder eine Fraktion zu wenden, kann beispielsweise auch direkt das zuständige Ausschusssekretariat des Deutschen Bundestages angeschrieben werden. Einigen Gesetzgebungsverfahren sind in dieser Wahlperiode zudem eigene Konsultationsverfahren für interessierte Bürgerinnen und Bürger vorgeschaltet worden. Daneben bleibt jedem Bürger und jeder Bürgerin selbstverständlich auch weiterhin die Wahrnehmung seines Grundrechts nach Art. 17 des Grundgesetzes, dem Recht auf Eingabe einer Petition. Im vergangenen Jahr machten hiervon beim Deutschen Bundestag 15 191 Bürgerinnen und Bürger Gebrauch. Bereits mehr als ein Drittel aller eingereichten Petitionen, nämlich 5 112, erfolgte online. Zu diesen Petitionen wurden insgesamt 500 000 Mitzeichnungen von Unterstützern registriert. Die von mir eingangs geschilderten Beispiele zeigen jedoch, dass es gerade bei der Bürgerbeteiligung im Verwaltungsverfahren und bei Maßnahmen der Exekutive an der einen oder anderen Stelle Verbesserungsbedarf gibt. Hieran knüpft das Ende März 2012 von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer vorgestellte Handbuch für eine gute Bürgerbeteiligung an. Es zeigt teilweise neue, aber teilweise auch nur veränderte Wege auf, wie durch eine bessere Einbindung zielgerichtete und umfassende Informationen die Akzeptanz von Projekten bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern gestärkt werden kann. Mit Hilfe eines umfassenden Werkzeugkastens haben es zukünftig die zuständigen Behörden, aber auch die Vorhabenträger in der Hand, für eine frühe und umfassende Bürgerbeteiligung zu sorgen. Damit ist das Handbuch zwar keine allumfassende Antwort auf den "Wutbürger" oder die vielfach vorhandene "Dagegen-Mentalität". Es bietet jedoch vielfältige Ansatzmöglichkeiten, um bisheriges Verhalten zu überprüfen und an die neuen Gegebenheiten und Wünsche der Bürgerinnen und Bürger anzupassen. Eine frühzeitige Einbindung und die Möglichkeit, Ideen, Änderungswünsche oder Vorbehalte in die Entscheidungsfindung einfließen zu lassen, sind die Basis einer vertrauensvollen Kooperation auf Augenhöhe. Sie helfen zudem, erhebliche Vorbehalte abzubauen und zurückzuführen. Grundvoraussetzung für einen transparenten Beteiligungsprozess ist es daher auch, dass Experten die relevanten Informationen so aufbereiten und in einen Gesamtzusammenhang stellen, dass die unmittelbar betroffenen Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen können, welche Auswirkungen das Projekt auf sie und ihr Verhalten auf das Vorhaben haben kann. Nur eine umfassende Information in Verbindung mit der Befähigung der Beteiligten, Chancen und Risiken umfassend und objektiv einschätzen zu können, führt am Ende dazu, Kompromisse und Ergebnisse innerhalb eines Prozesses zu akzeptieren. Neben einer umfassenden und zielgerichteten Kommunikation und Information durch die zuständigen Behörden muss aber natürlich auch die Bereitschaft für ein Umdenken bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern wachsen. Anderenfalls wird das Mehr an Bürgerbeteiligung letztlich nicht zu mehr Akzeptanz führen. Der vorliegende Gesetzentwurf von der SPD-Bundestagsfraktion hilft keine der bestehenden Herausforderungen abzubauen. Er bringt gerade kein Mehr an Information und Transparenz. Vielmehr erhöht er den bereitzuhaltenden Ressourcenbedarf ohne einen erkennbaren Mehrwert. Er versucht Dinge gleichzumachen, die es schlicht nicht sind. Ich empfehle Ihnen daher dringend, sich den wirklich relevanten Fragen in Sachen Information und Partizipation der Bürgerinnen und Bürger zuzuwenden. Sie sollten die Idee der undifferenzierten Zusammenführung der bestehenden Informationsgesetze endlich ad acta legen. Lars Klingbeil (SPD): Die schwarz-gelben Sonntagsreden zu Transparenz und Informationsfreiheit erweisen sich einmal mehr als Lippenbekenntnisse. Während Vertreter der schwarz-gelben Koalition in Sonntagsreden die Notwendigkeit von Informationsfreiheit und Transparenz betonen und gern von anderen einfordern, möchte die Union diese offensichtlich am liebsten wieder gänzlich abschaffen. Begründet wird dies damit, dass das Informationsfreiheitsrecht zu einer immensen Arbeitsbelastung für die Behörden geworden und zudem nicht notwendig sei, da es ja Auskunftsansprüche für die Medien gebe. Gleichzeitig versucht die Bundesregierung, die Auskunftsansprüche der Medien nach der schwierigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Nichtanwendbarkeit der Landespressegesetze für Bundesbehörden auf einen Minimalststandard zu reduzieren. Dieser Minimalststandard würde weit hinter den geltenden Auskunftsansprüchen der Landespressegesetze zurückfallen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf für ein Presseauskunftsgesetz für Bundesbehörden, welches auch heute auf der Tagesordnung steht und welches die dringend gebotene Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten schaffen wird, wird selbstverständlich von der Koalition mit ihrer Mehrheit abgelehnt. So überrascht es auch nicht, dass die Journalistinnen und Journalisten und ihre Verbände beklagen, dass sich Behörden mit der Transparenz vielfach schwertun und sie insbesondere bei Journalistenanfragen die zahlreichen Ausnahmeregelungen des Gesetzes nutzen, um IFG-Anfragen zu unterlaufen oder durch übermäßig hohe und unrechtmäßige Gebühren von der Antragstellung abzuhalten. Die FDP erinnert sich an Themen wie Informationsfreiheit und Transparenz immer nur dann, wenn sie in der Opposition ist. Überall da, wo sie in der Regierungsverantwortung ist, misst die ehemalige Bürgerrechtspartei diesen wichtigen Themen jedoch keinerlei Bedeutung bei. So haben wir bis heute ein gravierendes Informationsfreiheits- und Transparenzgefälle zwischen den von Rot-Grün regierten Ländern und den schwarz-gelben Ländern, und noch immer müssen die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen, Hessen und Bayern auf einen solchen Rechtsanspruch verzichten. Ich freue mich, dass die neuen Landesregierungen in Baden-Württemberg und in Niedersachsen die Vorlage eines Informationsfreiheitsgesetzes in ihre Koalitionsvereinbarungen aufgenommen haben, und ich hoffe sehr, dass beide Länder zeitnah moderne Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze, angelehnt an das Hamburger Transparenzgesetz und an den Gesetzentwurf der SPD-Bundestagsfraktion für ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz, vorlegen werden. Mit ihrer heutigen Ablehnung des Entwurfs der SPD-Bundestagsfraktion für ein Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz verhindert die Koalition eine Modernisierung und Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsrechtes zu einem umfassenden Informationsfreiheits- und Transparenzrecht. Transparenz ist konstitutiv für den demokratischen und sozialen Rechtsstaat. Transparenz stärkt die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger, erleichtert Planungsentscheidungen, wirkt Staatsverdrossenheit entgegen und erschwert Manipulationen und Korruption. Die Ermöglichung von Transparenz ist zugleich ein wichtiger Gradmesser dafür, inwiefern eine plurale und offene Gesellschaft ihren demokratischen Anspruch verwirklicht hat. Die Evaluation des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes hat gezeigt, dass sich das 2005 von den damaligen Regierungsfraktionen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen auf den Weg gebrachte neue Recht im Grundsatz bewährt hat. Sie hat zugleich aber auch den Handlungsbedarf und die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Informationsfreiheitsrechtes aufgezeigt. Da ist zum einen das derzeitige Nebeneinander von unterschiedlichen Informationszugangsansprüchen - beispielsweise das Informationsfreiheitsgesetz, IFG, das Verbraucherinformationsgesetz, VIG, und das Umweltinformationsgesetz, UIG - zu nennen, die zudem unterschiedliche und zum Teil auch widersprüchliche Zugangsansprüche eröffnen und oft leider auch verwehren. Das zweite wichtige Ergebnis: Das IFG des Bundes und die vielen IFG in den Ländern waren ein wichtiger erster Schritt, insbesondere das IFG des Bundes ist aber auch geprägt durch eine vorsichtige Abkehr vom Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit hin zum Grundsatz der prinzipiellen Aktenöffentlichkeit, was sich durch viel zu weit gehende und zum Teil auch doppelt und dreifach abgesicherte Ausnahmetatbestände zeigt. Das dritte Evaluationsergebnis ist die Notwendigkeit und die Verpflichtung der Behörden zur proaktiven Veröffentlichung im Sinne eines umfassenden Open-Data-Prinzips. Notwendig ist daher eine Zusammenführung der Informationszugangsansprüche, und zwar auf einem deutlich höheren Informationsfreiheitsniveaus, eine drastische Reduzierung der überbordenden Ausnahmetatbestände und ein Rechtsanspruch auf OpenData durch eine Verpflichtung der Behörden auf proaktive Information. Diese Empfehlungen der Evaluation und auch die Empfehlungen der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" haben wir mit dem vorgelegten Gesetzentwurf aufgegriffen und umgesetzt. Mit diesem Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz wollen die Behörden bereits im Betriebssystem auf Transparenz umstellen: Ein moderner Staat hat keine unnötigen Geheimnisse vor seinem Auftraggeber, dem Volk. Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass das Handeln von Regierung und Verwaltung transparent ist. Leider ist dieses Vorhaben aufgrund der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse nicht umsetzbar, und die Bekenntnisse zu mehr Transparenz bleiben Lippenbekenntnisse. Wir werden diesen Gesetzentwurf aber nach der Bundestagswahl gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf den Weg bringen und den Weg für eine bürgerfreundliche und transparente Verwaltung freimachen. Kirsten Lühmann (SPD): "Die Suche nach außerirdischem Leben und die Umsetzung der VN-Resolution A/33/426 zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischer Lebensformen" hat der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einem Gutachten untersucht. Dieses Gutachten steht der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Ich habe es gelesen und kann Ihnen sagen: Die Inhalte sind nicht weltbewegend. Aber die Bürger und Bürgerinnen sollten das Recht haben, zu einem eigenen Urteil zu kommen, und nicht gezwungen werden, meine Sicht der Dinge ungeprüft übernehmen zu müssen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verfasst Stellungnahmen, die wir für unsere Arbeit verwenden. Es gibt meiner Ansicht nach aber keinen Grund, warum nur Abgeordnete diese Informationen nutzen dürfen. Das betrifft genauso Gutachten und Studien, die Bundes- oder Landesbehörden in Auftrag geben, um Entscheidungen vorzubereiten. Solche Informationen sollten öffentlich sein. Daher haben wir in dem vorliegenden Gesetzentwurf die Möglichkeiten, Anträge auf Informationen abzulehnen, deutlich eingeschränkt. Dieser Gesetzentwurf bedeutet eine Weichenstellung. Er ist eine Antwort auf eine ganz grundlegende Frage, die wir uns stellen müssen: In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Wollen wir ein neues Biedermeier, unpolitische Bürger und Bürgerinnen, die sich zurückziehen ins Private und in ihrer engen Stube zu irdischer Glückseligkeit finden? Wollen wir eine neue außerparlamentarische Opposition heranziehen, die keine Möglichkeit mehr sieht, sich innerhalb demokratischer Strukturen an politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen? Oder wollen wir eine offene Bürgergesellschaft, die durch Transparenz gekennzeichnet ist, die eine weitgehende Offenlegung der Gründe für Verwaltungshandeln ermöglicht, die Bürger und Bürgerinnen an Planungsentscheidungen beteiligt, die Staatsverdrossenheit entgegenwirkt und Manipulation und Korruption erschwert? Die Antwort der SPD ist klar: Wir wollen Letzteres. Deshalb haben wir den Gesetzentwurf vorgelegt, über den wir heute abstimmen. Unser Entwurf eines Informationsfreiheits- und Transparenzgesetzes ist ein Quantensprung in puncto Transparenz. Es steht in einer Reihe mit unseren Vorschlägen zur Verbesserung der Presseauskunftsrechte, der Einführung eines Lobbyregisters, der Strafbarkeit von Abgeordnetenbestechung bis hin zur Offenlegung von Nebeneinkünften. All diese Initiativen hat die Koalition aus CDU/CSU und FDP abgelehnt, und genauso wollen sie es mit der Verbesserung der Informationsfreiheitsrechte halten. Dabei sind die Empfehlungen der Experten zur Evaluation des bestehenden Gesetzes eindeutig. Daher haben wir sie aufgegriffen und in unseren Gesetzentwurf eingearbeitet. Wir wollen einen Kulturwandel: weg vom Amtsgeheimnis, hin zu einer offenen Verwaltung. Ein moderner Staat hat keine unnötigen Geheimnisse vor seinem Auftraggeber, der Bevölkerung. Mit diesem Ziel vor Augen haben wir in unserem Gesetzentwurf die Ausnahmetatbestände, die die Akteneinsicht beschränken, deutlich reduziert und die Abwägung zwischen Geheimhaltung und Öffentlichmachung zugunsten eines überwiegenden öffentlichen Interesses am Informationszugang gestärkt und die Verwaltung zur aktiven Veröffentlichung wesentlicher Informationen verpflichtet, und zwar nicht nur von Öffnungszeiten oder Fahrplänen, die derzeit auf dem freiwilligen Open-Data-Portal der Bundesregierung zu sehen sind. Wir wollen grundsätzlich die Veröffentlichung zum Beispiel von Vorabentwürfen von Gesetzen, von Verträgen der Daseinsvorsorge und von Subventionsvergaben, also von wichtigen Informationen, die politische Entscheidungsprozesse leiten. Außerdem haben wir das zersplitterte Informationsfreiheitsrecht, das derzeit in einer unübersichtlichen Zahl verschiedener Gesetze geregelt ist, vereinfacht, indem wir drei große Gesetze, das Informationsfreiheitsgesetz, das Umweltinformationsgesetz und das Verbraucherinformationsgesetz, zusammengeführt haben. Die deutsche Verwaltung gilt international als vorbildlich. Mit einer Entwicklung in Richtung Transparenz und Open Data könnten wir auch in diesem Gebiet einen Kulturwandel einleiten, der nicht nur unsere Gesellschaft verändert, sondern auch über unsere Grenzen hinaus wirken wird. Deshalb bleibt dieses Thema auf der Agenda der SPD. Auch wenn CDU/CSU und FDP sich heute verweigern, bin ich überzeugt: Diese Entwicklung können Sie auf Dauer nicht aufhalten. Und das ist gut so! Gisela Piltz (FDP): Im Juni 2005, also vor acht Jahren, wurde das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes im Bundestag verabschiedet. Das Gesetz legt bis heute die Grundlage für die Abkehr von einer Verwaltung, die sich nicht in die Karten schauen lassen will, und mithin die Etablierung des modernen und für eine Demokratie wichtigen Grundsatzes von Transparenz und Offenheit der Verwaltung. Orientierungspunkt muss größtmögliche Transparenz und Offenheit sein. Denn Informationsfreiheit ist ein Gewinn für die Demokratie. Das Vertrauen der Menschen in die staatlichen Institutionen braucht diese Offenheit. Wo der Eindruck entsteht, es würde gemauschelt und in Hinterzimmern entschieden, da blüht Misstrauen. Die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Handeln der Verwaltung ist nicht nur zur Kontrolle des Staates durch den Souverän, die Bürgerinnen und Bürger, unabdingbar, sondern auch, weil damit auch schon in der Entscheidungsfindung eine Öffentlichkeitsbeteiligung stattfinden kann. Das ist ein ganz und gar urdemokratisches Prinzip. Im Informationsfreiheitsgesetz von 2005 ist zwar schon angelegt, dass Informationen proaktiv und auch unter Nutzung der neuen Medien für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden, doch sind wir in der technischen Entwicklung heute bereits viel weiter. Der Ansatz von Open Data, also offen zugänglichen Verwaltungsdaten, ist ein zentraler Dreh- und Angelpunkt für mehr Transparenz. Die ersten Schritte, die die Bundesregierung hier schon mit der Verabschiedung des Programms "Vernetzte und transparente Verwaltung" und der Eröffnung des Open-Data-Portals unter www.govdata.de gegangen ist, legen bereits einen Grundstein. Noch befindet sich www.govdata.de im Testbetrieb, bis 2014 wird es als zentrales Portal in den Regelbetrieb gehen. Bis dahin werden weitere Verwaltungen von Bund, Ländern und Kommunen dort Bürgern, Verwaltung und Wirtschaft einen zentralen Einstieg in die Daten der öffentlichen Verwaltung eröffnen. Ein weiterer Meilenstein ist die Verabschiedung des Planungsvereinheitlichungsgesetzes in diesem Jahr. Danach ist nunmehr im Verwaltungsverfahrensgesetz die elektronische Veröffentlichung von Plänen durch die Verwaltung vorgeschrieben. Durch die Verpflichtung der Verwaltung, diese im Internet zur Verfügung zu halten, kann jeder diese nun einfacher als bisher einsehen. Schon vor acht Jahren war richtig, was auch heute noch richtig ist: Informationsfreiheit darf kein Stückwerk sein. Informationsfreiheit darf nicht löchrig sein wie ein Schweizer Käse. Und Informationsfreiheit darf nicht Transparenz und Offenheit gegen den Schutz personenbezogener Daten ausspielen. Insofern liegt dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion durchaus ein zutreffender Gedanke zugrunde: Informationsfreiheitsnormen in einem Gesetz zu bündeln, statt diverse, teils voneinander abweichende bereichsspezifische Regelungen in mehreren Einzelgesetzen zu haben, ist durchaus ein guter Ansatz. Auch dass die grundsätzlich proaktive Veröffentlichung von Daten, also der Grundsatz von Open Data, gleichfalls im selben Gesetz geregelt werden soll, ist eine sinnvolle und notwendige Fortenwicklung des Informationsfreiheitsrechts. Aber: Auch bei diesem Vorhaben gilt, gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Informationsfreiheit steht selbstverständlich nicht über Grundrechten wie Datenschutz oder dem Recht am ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb. Notwendig ist deshalb immer eine ausgleichende Lösung, um dem Grundgesetz zu genügen und einen ausgewogenen Interessenausgleich vorzusehen. Im Bezug auf den Datenschutz ist das diesem Gesetzentwurf jedoch nicht gelungen. Nach den Vorstellungen der SPD-Fraktion muss sich derjenige rechtfertigen, dessen Daten betroffen sind. Personenbezogene Daten - so sieht es die SPD-Fraktion vor - werden per se erst einmal herausgegeben. Nach dem schlichten Informationsfreiheitsanspruch kann jedermann, ohne weitere Voraussetzungen, auch personenbezogene Daten anderer herausverlangen. Erst eine "erhebliche" Beeinträchtigung des Betroffenen soll dem entgegenstehen. Damit bleibt der Gesetzentwurf weit hinter dem Datenschutzniveau des geltenden IFG zurück. Denn nach dem geltenden Recht muss das Informationsinteresse das schutzwürdige Interesse des Betroffenen, um dessen Daten es geht, überwiegen. Der SPD-Gesetzentwurf kehrt diesen Grundsatz nicht nur um, sondern senkt den Schutz der personenbezogenen Daten noch weiter ab. Die Förderung der Informationsfreiheit darf nicht mit den personenbezogenen Daten Dritter bezahlt werden. Die SPD-Fraktion übernimmt hier die Formulierung aus dem Umweltinformationsgesetz, die aber in der Literatur sehr umstritten ist, weil sie eine deutliche Herabsenkung des Datenschutzniveaus beinhaltet. Während nämlich im früheren UIG noch ein höheres Datenschutzniveau gegeben war, hat die damalige rot-grüne Koalition das geändert, und diese verfehlte Regelung soll jetzt als Blaupause für das gesamte Informationsfreiheitsrecht dienen. Das aber ist kein gutes Vorbild. Als zu rot-grünen Zeiten das Umweltinformationsgesetz geändert wurde, versuchten SPD und Grüne sich dadurch herauszureden, es käme bei Beibehaltung des höheren Datenschutzniveaus zu Wertungswidersprüchen zwischen dem Schutz der informationellen Selbstbestimmung einerseits und dem Schutz des Urheberrechts und der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse andererseits. So kann man es in der damaligen Gesetzesbegründung auf Seite 20 der Bundestagsdrucksache 15/3406 nachlesen. Davon übrig geblieben ist im jetzt vorgelegten Gesetzentwurf der SPD-Fraktion, dass personenbezogene Daten im Grunde keinen Schutz mehr genießen, aber Daten, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse oder Urheberrechte betreffen, nur mit Einwilligung oder überwiegendem öffentlichen Interesse herausgegeben werden dürfen. Diese Daten sind damit beinahe absolut geschützt. Auch wenn es selbstverständlich richtig ist, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wie etwa Rezepturen nicht frei verfügbar gemacht werden können, weil sonst der Industriespionage und der Nachahmung von Produkten Tür und Tor geöffnet würden, muss doch dann genauso beim Datenschutz ein hohes Schutzniveau gelten. Bei der Herausgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen darf bei Überwiegen öffentlicher Interessen - also des Allgemeinwohls sozusagen - eine Herausgabe erfolgen. Das ist ein angemessen hoher Schutz. Den muss es dann aber auch für personenbezogene Daten geben. Auch an anderer Stelle finden sich in dem Gesetzentwurf Fallstricke: Vorgesehen ist etwa eine Pflicht zur Veröffentlichung von "politischen Konzepten sowie Plänen und Programmen". Eine Erläuterung, was darunter genau zu verstehen sein soll, sucht man jedoch in der Gesetzesbegründung vergebens. Daher kann man jetzt mal ein wenig rätseln, was konkret unter "politischen Konzepten" zu verstehen sein soll. "Politische Pläne" erklärt sich ja noch eher. Das wäre dann wohl so etwas wie ein Koalitionsvertrag, wo drinsteht, was alles von der Regierung, die ja informationspflichtig nach IFG ist, geplant ist. Oder Regierungserklärungen. Aber die sind ja ohnehin öffentlich. Was sind dann aber "politische Konzepte"? Also, wohlgemerkt, der Verwaltung, denn die ist ja informationspflichtig. Politische Parteien haben unterschiedliche politische Konzepte. Aber eine Verwaltung ja nun nicht. Natürlich kann beispielsweise eine Stadtverwaltung, wenn es um die Innenstadtgestaltung geht oder um die Festsetzung der Gewerbesteuerhebesätze, unter einem FDP-Bürgermeister anders entscheiden, als säße da ein Sozialdemokrat. Aber das prägt sich ja in den Einzelentscheidungen aus, die natürlich in der Verwaltung nach Recht und Gesetz getroffen werden. Was soll denn aber dann von diesem Informationsanspruch erfasst sein? Das bleibt völlig unklar. Schwierig ist auch, dass unklar bleibt, ob die in dem Gesetz geforderte Aufbereitung der Informationen in "verständlicher Form" für die Verbraucher die Bereitstellung in Rohform ausschließen oder abschließend ersetzen soll. Wir wissen natürlich alle, dass es oft sinnvoll ist, die Daten mit Erläuterungen zu versehen, weil man Informationsansprüche natürlich faktisch auch dadurch ins Leere laufen lassen könnte, wenn man den Anfragenden mit einer Masse an unverständlichen Daten "zuwirft". Auf der anderen Seite ist jede Art der Aufbereitung ein Einfallstor für die Interpretationshoheit. Deshalb muss aus unserer Sicht dort eine Wahl bestehen. Die Daten müssen auch in ihrer Rohform herausverlangt werden können. Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion ist - kurz zusammengefasst - dann doch ein aktionistischer Schnellschuss. Stückwerk bleibt auch dann Stückwerk, wenn man die einzelnen Versatzstücke rasch zusammenschustert. Das Thema wird auf der Agenda bleiben: Aber wir werden es so angehen, dass Datenschutz gewahrt bleibt und am Ende wirklich ein Informationsfreiheitsrecht aus einem Guss herauskommt. Jan Korte (DIE LINKE): Spät in dieser Legislatur haben die Diskussionen um Informationsfreiheit, Auskunftsrechte und -pflichten, um Open Data noch einmal richtig Fahrt aufgenommen. Die Sachverständigenanhörung des Innenausschusses zu der umfangreichen Evaluierung des Informationsfreiheitsgesetzes und zur Aufnahme der Informationsfreiheit ins Grundgesetz am 24. September 2012 hat die Mängel der geltenden Regelungen zur Informationsfreiheit ziemlich schonungslos aufgedeckt und noch einmal deutlich gemacht, dass wir weit hinter anderen Ländern herschleichen. Leider hat diese Konzentration am Ende der Legislatur - dazu kommt auch noch das ebenfalls von der SPD stammende Presseauskunftsgesetz, das ja ebenfalls heute von der Mehrheit abgelehnt werden wird - dazu geführt, dass wahlkampforientierte Schnellschüsse abgefeuert wurden. So auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf. Insofern können wir unsere Kritik aus der ersten Lesung im Wesentlichen wiederholen. Selbstverständlich ist die Idee, mit einem Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz alle sieben relevanten Bundesgesetze zu vereinen und dabei das vor sieben Jahren in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz, IFG, zu reformieren und an entscheidenden Stellen endlich auch zu verbessern, ausgezeichnet. Das unterstützen wir auch. Noch immer glauben manche Regierungs- und Behördenvertreter offenbar nach wie vor, dass es ausreiche, wenn das Ministerium eine Webseite habe, um Transparenz zu schaffen. Von proaktiver Informationsfreigabe, auf jeder Sachverständigenanhörung dringend gefordert, in jeder sachkundigen Diskussion eingeklagt, fehlt jede Spur. Stattdessen wird permanent die alte Mär von den eigensüchtigen Interessen derjenigen wiederholt, die Anträge auf Auskunft stellen. Entweder hat die Regierung immer noch nicht die Bedeutung der Transparenz staatlichen Handelns für die Demokratie erkannt oder aber einfach nur ein anderes Demokratieverständnis. Beides wäre schlecht und muss schnellstens geändert werden. Die Verpflichtung der Verwaltungen zur proaktiven - also der unaufgeforderten und selbstverständ-lichen - Veröffentlichung "einer Vielzahl von Verwaltungsdaten im Internet" ist lange überfällig. Zu Recht ist das der Kernpunkt des neuen Gesetzentwurfs. Dem selbstgewählten Vorbild, also dem beispielhaften Hamburger Transparenzgesetz sowie dem dazugehörigen Open-Data-Portal der Stadt Hamburg, wird der Gesetzentwurf der SPD allerdings nicht in allen Punkten gerecht. Anders als sie es noch auf ihrer Pressekonferenz zur Vorstellung des Gesetzentwurfs darzustellen versucht hat, ist es der SPD nämlich nicht gelungen, die Ausnahmetatbestände "auf das tatsächlich notwendige Maß" zu reduzieren sowie "eine stärkere Betonung der Abwägung zugunsten eines überwiegenden öffentlichen Interesses am Informationszugang" durchzusetzen. Die im Gesetzentwurf in Abschnitt 3 stehenden Formulierungen bieten für die Behörden einen gehörigen Spielraum bei der Umsetzung. Der § 7 "Schutz öffentlicher Belange" ist mit der Einfügung "Soweit das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen hätte" so unkonkret formuliert, dass es, wenn man zum Beispiel die hier im Bundestag tagtäglich anzutreffende Praxis zum Maßstab nimmt, stets möglich wäre, Anträge aus Sicherheits- und Geheimhaltungsgründen abzulehnen. Und das wundert mich auch nicht wirklich. Unseren Antrag "Demokratie durch Transparenz stärken - Deklassifizierung von Verschlusssachen gesetzlich regeln", 17/6128, der eine automatische Deklassifizierung von Verschlusssachen nach 20 Jahren vorsah, haben Sie ja erst kürzlich zusammen mit der Koalition abgelehnt. War das denn schon zu viel Transparenz? Auch § 8 "Schutz sonstiger Belange", der den Schutz personenbezogener Daten ebenso regeln soll wie den Schutz von Betriebsgeheimnissen, ist längst nicht so klar formuliert, wie es das Hamburger Vorbild getan hat. Ebenfalls hätte der Umfang der proaktiv zu veröffentlichenden Informationen durchaus größer ausfallen können. Warum Sie darüber hinaus weiterhin unter bestimmten Umständen die Kosten den Anfragenden aufbürden wollen, müssen Sie uns einmal erklären. Gerade diese Gebührenregelung, die zudem immer wieder zu missbräuchlich überhöhten Gebühren führt, wurde und wird im Zusammenhang mit der Evaluierung des IFG kritisiert. Aus unserer Sicht spricht nichts gegen eine konsequent kostenfreie Nutzung und Anforderung der Daten. Leider - auch diese Kritik begleitete die kurze Geschichte Ihres Entwurfs von Anfang an - gehen Sie im gesamten Entwurf nicht näher auf Open Data ein. Auch hier wiederholen wir uns: Weder die Maschinenlesbarkeit der Daten noch die Verpflichtung, die Daten unter einer freien Lizenz zu veröffentlichen, sind bei Ihnen vorgesehen. Beides sind aber doch Essentials einer transparenten Datenpräsentation. Ein einheitliches Regelwerk auf höchstem Niveau, das auch das nicht minder reformbedürftige Verbraucherinformationsgesetz, VIG, verbessert und die Stellung des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit deutlich stärkt, hätte tatsächlich für die Bürgerinnen und Bürger nur Vorteile und würde die Demokratie hierzulande nachhaltig stärken. Die Idee ist also gut; bei der Umsetzung hapert es leider noch. Dies sollten wir frühzeitig und fraktionsübergreifend in der nächsten Wahlperiode angehen. Bei der Abstimmung über den vorliegenden Gesetzentwurf werden wir uns enthalten. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Partizipation gehört zum Wesen der Demokratie, und Transparenz und Informationsfreiheit sind die Voraussetzung für Partizipation, für Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben. Nur wer über das Handeln und die Entscheidungsgrundlagen von Politik und Verwaltung auf Augenhöhe informiert ist, kann mitreden, mitgestalten, fundierte Wahlentscheidungen treffen und seine Interessen und Überzeugungen gegenüber anderen vertreten und durchsetzen. Die Bürgerinnen und Bürger haben das erkannt und fordern ihr Recht auf Information ein. Sie lassen es sich nicht mehr bieten, das Gemauschel in den Hinterzimmern, den intransparenten Lobbyismus auf Kosten des Allgemeinwohls und eine Verwaltung, die Transparenz und Einmischung der Bürgerinnen und Bürger eher als Gefahr sieht statt als Bereicherung. Ja, ich weiß, das wurde alles schon oft gesagt. Aber so simpel und selbstverständlich diese Botschaft auch klingt, bei der schwarz-gelben Merkel-Koalition scheint sie noch immer nicht angekommen. Das Demokratieverständnis wird dort offenbar noch immer vom Bild des gütigen Staates als Geheimanstalt geprägt. Die Bürgerinnen und Bürger und eine freie Zivilgesellschaft sind der CDU/CSU und der FDP offenbar suspekt. Das zeigt sich in vielen Politikbereichen; ich kann hier nur einige Beispiele nennen. Das Misstrauen der Koalition gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern zeigt sich in einer Ordnungspolitik, die auf Verbote und Überwachung setzt statt auf Kommunikation. Das Misstrauen zeigt sich im Planungsrecht, wo die Vorschläge der Koalition mehr Bürger- und Bürgerinnenbeteiligung und Konfliktlösungsverfahren gerade nicht vorsehen. Dieses tiefsitzende ideologische Misstrauen zeigt sich in der noch immer nicht abgeschafften Extremismusklausel, mit der ausgerechnet die Initiativen gegen Rechtsextremismus und für Demokratieförderung, die wir so dringend brauchen in diesem Land, unter Generalverdacht gestellt werden. Vor allem zeigt es sich aber in der bleiernen Untätigkeit der Merkel-Koalition in Bezug auf Transparenz und Informationsfreiheit, die diese dem Ende zugehende Wahlperiode geprägt hat. Selbst steigende Politikverdrossenheit und steigende Nichtwählerquoten konnten die Koalition nicht zum Handeln bewegen, ebensowenig gezielte und fundierte Empfehlungen der Informationsfreiheitsbeauftragten und ein vom Parlament selbst in Auftrag gegebener Evaluierungsbericht, der Reformvorschläge für beinahe jeden einzelnen Paragraphen des Informationsfreiheitsgesetzes macht. Nicht einmal ein Reförmchen der Informationsfreiheit hat Schwarz-Gelb auf den Weg gebracht: keine Änderung der inkohärenten und viel zu unklaren Ausnahmevorschriften, die neben der Offenlegung von Informationen auch den Verwaltungsapparat blockieren, keine Verbesserung im Bereich Open Data, wo sich die Bundesregierung gegen eine Veröffentlichungspflicht der Verwaltung wehrt und stattdessen ein schlecht funktionierendes Datenportal aufsetzt, in dem die Verwaltung nach Belieben Informationen einstellt oder es eben lässt. Meine Damen und Herren von der Koalition, wenn man nicht will, dass staatliches Handeln für die Bürgerinnen und Bürger auch in Deutschland transparent wird - wir haben da im europäischen Vergleich großen Aufholbedarf -, dann muss man vielleicht auch einmal offen sagen: Zu verbergen ist es ohnehin nicht, auch dann nicht, wenn man sich, wie es der Kollege Mayer von der CDU/CSU in der ersten Lesung zu diesem Gesetzesentwurf getan hat, an einem einzelnen Aspekt des umfassenden Gesetzesentwurfes der SPD festbeißt und damit die Ablehnung der Gesamtreform begründet. Wenn die Koalition andere Vorstellungen von Transparenz und Informationsfreiheit hat, bitte, warum hat sie dann keine Vorschläge vorgelegt? Ich kann es Ihnen sagen, ich komme damit an den Anfang zurück: Schwarz-Gelb hat es mehrfach in Reden hier plastisch zum Ausdruck gebracht, warum die Merkel-Koalition diese Transparenz nicht will. Sie empfindet die Verpflichtung zur Transparenz als Ausdruck eines Vorwurfs und Pauschalverdachts gegen die Verwaltung. So wurde es ausdrücklich gesagt. Wenn man es so sieht, ist die Sache wieder klar: Der gütige Staat als Geheimanstalt muss gegen die Bürgerinnen und Bürger geschützt werden. Meine Damen und Herren, wir sind im 21. Jahrhundert, der Staat dient den Bürgerinnen und Bürgern und nicht umgekehrt. Wir Grüne wollen es wissen - raus aus den Hinterzimmern! Raus mit den Informationen über Prism, Tempora, die Arbeit des BND, die Nebeneinkünfte der Abgeordneten, die Unterlagen der Deutschen Bahn AG und vieles, vieles andere. Ich danke der SPD für ihren Gesetzesentwurf zur Reform der Informationsfreiheit, dem wir zustimmen werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Der Innenausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/13800, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13467 abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Grünen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Linken abgelehnt. Die weitere Beratung entfällt damit. Tagesordnungspunkt 63: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Auskunftspflicht von Bundesbehörden gegenüber der Presse (Presseauskunftsgesetz) - Drucksache 17/12484 - Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss) - Drucksache 17/13995 - Berichterstattung: Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) Michael Hartmann (Wackernheim) Jimmy Schulz Ulla Jelpke Dr. Konstantin von Notz Die Reden sind auch hier zu Protokoll gegeben. Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Wir behandeln heute den von der SPD-Bundestagsfraktion vorgelegten Gesetzentwurf eines Presseauskunftsgesetzes. Die SPD hat an dieser Stelle aufgrund eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20. Februar 2013, BVerwG 6 A 2.12, gehandelt - und zwar binnen einer Woche -, aber es war doch ein wenig zu voreilig; denn ihr Gesetzentwurf erweist sich als juristisch nicht hieb- und stichfest, und wir sollten gerade bei der Wichtigkeit des Themas Pressefreiheit mehr Sorgfalt an den Tag legen. Nach dem Willen der SPD-Fraktion soll mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geregelt werden, dass Bundesbehörden gegenüber Vertretern der Presse, des Rundfunks und der Telemedien zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe Auskünfte erteilen müssen, wenn der Auskunft keine Geheimhaltungsvorschriften entgegenstehen. Auskünfte sollen zudem nur dann verweigert werden können, wenn die Durchführung von schwebenden Gerichtsverfahren vereitelt, erschwert oder verzögert wird, schutzwürdige Privatinteressen verletzt werden oder die Veröffentlichung der angeforderten Informationen öffentliche Interessen gefährden oder schädigen. Um es gleich vorwegzunehmen - es bestehen an dieser Stelle keine Zweifel und keine Rechtsunsicher-heit -: Diese Auskunftspflicht von Bundesbehörden gibt es, und sie ist rechtlich abgesichert. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein Journalist des Axel-Springer-Verlages hatte mit einer Untätigkeitsklage sein Auskunftsbegehren beim Bundesnachrichtendienst weiterverfolgt und stützte sich dabei auf § 4 Abs. 1 des Berliner Pressegesetzes. Der BND hatte ihm zwei Jahre zuvor Auskünfte mit der Begründung verweigert, es handele sich um Informationen, die aktuell nicht einfach verfügbar seien, und die Bearbeitung werde noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilte die Klage des Journalisten als unbegründet, da die Pressegesetze der Bundesländer auf Bundesbehörden nicht anwendbar seien. Deshalb müsse der Bund gesetzliche Regelungen erlassen, um den presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden zu klären. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, und der Axel-Springer-Verlag erwägt, Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung einzulegen. Lassen Sie mich eines von vornherein klarstellen: Es ist grundsätzlich richtig und wichtig, Pressefreiheit zu schützen; denn in unserer Demokratie haben die Medien eine wichtige Kontrollfunktion. Nicht umsonst werden sie oft im Sinne der Gewaltenteilung die vierte Gewalt im Staat genannt, und das Bundesverfassungsgericht bezeichnet in seiner Rechtsprechung eine freie Presse als "schlechthin konstituierend" für die Demokratie. Daher gewährleistet Art. 5 des Grundgesetzes die Pressefreiheit gemeinsam mit der Meinungsfreiheit, der Rundfunkfreiheit und der Informationsfreiheit. Eben weil die Pressefreiheit ein so schützenwertes Gut ist und wir nicht wollen, dass sie unzulässig eingeschränkt oder behindert wird, haben wir den Gesetzentwurf der SPD im Innenausschuss des Deutschen Bundestages ausführlich behandelt und obendrein am 13. Mai 2013 eine Sachverständigenanhörung durchgeführt. Die eingeladenen Sachverständigen - einschließlich derjenigen, die die SPD benannt hatte - übten erhebliche fachliche Kritik an dem Gesetzentwurf und rieten mehrheitlich dazu, die Rechtskraft der Entscheidung bzw. ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes abzuwarten, da das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Schiedsspruch die herrschende Meinung in der juristischen Literatur auf den Kopf gestellt habe. So betonte der Stuttgarter Rechtsanwalt Professor Emanuel Burkhardt, Presse, Rundfunk und Telemedien benötigten einen rechtlich durchsetzbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Behörden. Er halte aber die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz in dieser Frage für unzutreffend. Burkhardt fügte hinzu, sollte seine eigene Rechtsauffassung zutreffend sein, stehe die Gesetzgebungskompetenz hier den Ländern zu und nicht dem Bund. Auch der Sachverständige Professor Matthias Cornils von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sagte, der Weg des Bundesverwaltungsgerichts sei "verfassungsrechtlich unzutreffend". Cornils wandte sich gegen die Annahme des Gerichts, den Ländern fehle die Gesetzgebungszuständigkeit für die Regelung eines Auskunftsanspruchs der Medien, soweit dieser sich an Bundesbehörden richte. Seiner Auffassung nach sprächen mehr und bessere Gründe dafür, dass den Ländern eine ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit für diese Frage zustehe. Auch die Sachverständige vom Deutschen Anwaltverein, Frau Dr. Angela Rapp, warnte bei der Anhörung vor einem sogenannten Bundespressegesetz; denn dies sei unstreitig Länderkompetenz. Es ist verständlich, dass die beiden gehörten Sachverständigen vonseiten der Medienvertreter Sorge vor einer Rechtsunsicherheit haben. Sie hielten in der Anhörung eine bundesgesetzliche Regelung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes für unverzichtbar und würden eine "vorsorgliche" Regelung begrüßen. Aber wir müssen in diesem Fall die Folgen bedenken und abwägen. Grundsätzlich muss die Frage geklärt werden, ob sich durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts eine Gesetzeslücke aufgetan hat, die unsere Pressefreiheit in Gefahr bringt. Das ist definitiv zu verneinen. Selbst unter der Voraussetzung, dass die Landespressegesetze auf Bundesbehörden nicht mehr angewendet werden könnten - ich betone den Konjunktiv "könnten" -, müsste das nicht die zwingende Notwendigkeit bedeuten, ein Bundespressegesetz zu erlassen, weil sich der Auskunftsanspruch der Medien entweder unmittelbar aus dem Grundrecht ergibt oder aus anderweitig bestehenden Gesetzen. Lassen Sie uns beide rechtlichen Varianten des Auskunftsanspruchs anschauen: Zum einen haben wir die Auskunftsansprüche der Medien, die sich aus dem Grundgesetz Art. 5 Abs. 1 Satz 2 ergeben. Daraus folgt eine objektiv-rechtliche Verpflichtung des Staates zur Auskunftspflicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen und Beschlüssen bislang die Frage offengelassen, ob sich aus der grundsätzlichen Garantie der Pressefreiheit gleichzeitig verfassungsunmittelbare Auskunftsansprüche herleiten lassen, oder ob sie nur einen diesbezüglichen Verfassungsauftrag enthält, entsprechende Ansprüche gesetzlich zu begründen. Das heißt, dass die objektiv-rechtliche Verpflichtung des Staates unabhängig von den subjektiven Berechtigungen Einzelner gesehen werden kann. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes ist der verfassungsunmittelbare Auskunftsanspruch der Medien gegenüber Bundesbehörden damit im Sinne eines "Minimalstandards" garantiert. Praktisch und vom Anspruchsinhalt her bedeutet das im Fall des Bundesverwaltungsgerichtes: Es gibt keinen Anspruch auf Informationsbeschaffung durch die Behörde, sondern nur einen Anspruch auf bereits vorhandene Informationen. Aber das ist auch bei den Landespressegesetzen der Fall, die grundrechtsgeprägt sind. Jedes Landespressegesetz besteht aus einem knapp formulierten Text, und das Maß der Auskunftsansprüche der Presse legitimiert sich durch dessen Interpretation. Wie auch der Sachverständige Professor Cornils kann man daher zuverlässig davon ausgehen, dass der verfassungsunmittelbare Anspruch in der Rechtspraxis nicht hinter dem Niveau der landespresserechtlichen Auskunftsansprüche zurückbleibt. Die Auskunftsansprüche der Presse gegenüber Bundesbehörden sind auch durch das Informationsfreiheitsgesetz rechtlich abgesichert. Es heißt darin in § 1 Abs. 1: "Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. Einer Behörde im Sinne dieser Vorschrift steht eine natürliche Person oder juristische Person des Privatrechts gleich, soweit eine Behörde sich dieser Person zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient." Zwar sind die informationsrechtliche Stellung der Presse und ihre besonderen Funktionsbedürfnisse in diesem Gesetz nicht gesondert festgehalten, doch gerade in seinem Allgemeinheitsanspruch "Jeder" bezieht es diese mit ein und kann, wenn es auf das praktische Gesamtergebnis bestehender Auskunftsmöglich-keiten ankommen soll, nicht von Bedeutung sein. Friedrich Schoch stellt in seinem 2009 erschienenen Kommentar zum Informationsfreiheitsgesetz fest, dass pauschal nicht festgestellt werden könne, ob das Informationsfreiheitsgesetz oder Pressegesetze günstigere Möglichkeiten für den Auskunftsanspruch schaffen würden. Nach Betrachtung beider rechtlicher Varianten, auf die sich Auskunftsansprüche der Presse stützen könnten, scheint klar zu sein, dass der Gesetzentwurf der SPD, über den wir heute abstimmen, verfassungsrechtlich nicht notwendig ist. Er fußt einzig und allein auf einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, dessen Entscheidung die Mehrzahl der Sachverständigen für nicht nachvollziehbar und angreifbar hält. Es ist daher davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht anders entscheiden wird. Wir von der Union sind der Auffassung, es ist sinnvoller, dieses Urteil abzuwarten, zumal keine Dringlichkeit für den Erlass eines Bundesgesetzes über Auskünfte an die Presse vorliegt, da es auch keine verfassungswidrigen Zustände gibt, die durch ein heute zu beschließendes Gesetz beendet werden müssten. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs eine Gesetzeslücke aufgezeigt hätte, die es vorsorglich zu schließen gelte, würde eine kurzfristig vom Bundestag verabschiedete Regelung erhebliche verfassungsrechtliche Risiken bergen und wäre mit einem schwebenden Verfahren beim Bundesverfassungsgericht behaftet. Und das aus einem zwingenden Grund, den Professor Cornils von der Johannes-Gutenberg-Universität sehr klar formuliert hat: Wenn wir davon ausgehen, dass die ausschließliche Kompetenz der Länder zur Normierung eines Presseauskunftsanspruches auch mit Verpflichtungswirkung gegen Bundesbehörden besteht, wäre ein Presseauskunftsgesetz des Bundes seinerseits kompetenzwidrig. Es müsste daher mit der Möglichkeit einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung eines solchen Bundespresseauskunftsgesetzes gerechnet wer-den, etwa im Zuge einer Urteilsverfassungsbeschwerde gegen künftige, einen Anspruch gegen Bundesbehörden nach Maßgabe des neuen Gesetzes versagende Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichtes. Rechtsicherheit würde also dadurch angesichts der noch nicht verfassungsgerichtlich beurteilten Kompetenzfrage nicht geschaffen. Der Gesetzentwurf der SPD kommt einfach zu früh und ist deshalb abzulehnen. Martin Dörmann (SPD): "Bedingt auskunftbereit", so muss man wohl das Verhalten der Bundesregierung und der schwarz-gelben Koalition bezeichnen. Wenn die Koalitionsfraktionen der Beschlussempfehlung des Innenausschusses folgen und unseren Gesetzentwurf für ein Presseauskunftsgesetz ablehnen, verweigern sie die Schaffung der dringend gebotenen Rechtssicherheit für Journalistinnen und Journalisten und der gebotenen Rahmenbedingungen, die der Wächterfunktion der Medien Rechnung tragen. Die großen Journalistenverbände haben nachdrücklich an alle Fraktionen hier im Deutschen Bundestag appelliert, dem Entwurf eines Presseauskunftsgesetzes in zweiter und dritter Lesung zuzustimmen. "Die Journalistinnen und Journalisten brauchen ein Auskunftsrecht auf der Bundesebene, das ihre Informationsansprüche klar regelt", fordert der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Es sei inhaltlich nicht nachvollziehbar, dass der Innenausschuss des Deutschen Bundestages dem Plenum die Ablehnung des Gesetzentwurfs empfohlen habe. Das Presseauskunftsrecht dürfe nicht dem aufziehenden Wahlkampf zum Opfer fallen. Ein vernünftiges und in der Sache notwendiges Gesetzesvorhaben müsse auch dann eine Chance haben, wenn es von der Opposition eingebracht werde. Dem muss man eigentlich nichts mehr hinzufügen. Mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013, 6 A 2/12, hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass die Pressegesetze der Länder auf den Bundesnachrichtendienst als Bundesbehörde nicht anwendbar sind. Mangels einer bundesgesetzlichen Regelung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs könne dieser aber unmittelbar auf das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz gestützt werden. Die Länder können danach, anders als dies seit Jahrzehnten Staatspraxis und herrschende Meinung in der Rechtswissenschaft war, durch ihre Pressegesetze Bundesbehörden nicht zu Auskünften gegenüber der Presse verpflichten, da den Ländern hierfür die Gesetzgebungskompetenz fehlt; diese obliegt als Annex zu den dem Bund als Kompetenz zugewiesenen Materien vielmehr dem Bund. Solange der Bund von dieser Kompetenz keinen Gebrauch macht, sind die Journalistinnen und Journalisten bei Auskunftsersuchen an Bundesbehörden lediglich auf den verfassungsrechtlich garantierten Minimalstandard unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz angewiesen. Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion muss der Bund daher nun unverzüglich einen Auskunftsanspruch für die Presse gegenüber Bundesbehörden einfachgesetzlich normieren. Das Festhalten am derzeitigen Rechtszustand nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts stellt eine gravierende Rechtslücke dar, die mit dem verfassungsrechtlichen Auftrag der Medien unvereinbar ist. Das heißt kein Gesetz und lediglich verfassungsunmittelbare und unbestimmte Minimalansprüche der Presse auf Auskünfte gegenüber Bundesbehörden. Hier zeigt sich auch das eigentliche Ziel der schwarz-gelben Bundesregierung: Es geht darum, die verfassungsrechtlich zugesicherten Auskunftsansprüche für die Medien so klein wie möglich zu halten. Denn während die Vertreter der Koalition hier erklären, dass es eines Presseauskunftsgesetzes nicht bedarf und dass dies verfassungsrechtlich problematisch sei, vertritt die Bundesregierung in aktuellen Gerichtsverfahren die Position, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes dazu zwinge, die auf Art. 5 gestützten Auskunftsansprüche auf einen Minimalstandard - eigentlich müsste man sagen: Minimalststandard - zu begrenzen und dass die in den Landespressegesetzen angeführten Versagungsgründe lediglich beispielhaft, keineswegs aber abschließend zu verstehen seien. Dieser Minimalststandard, wie ihn die Bundesregierung vertritt, würde weit hinter den geltenden Auskunftsansprüchen der Landespressegesetze zurückfallen. Der federführende Innenausschuss hat eine öffentliche Anhörung zu unserem Gesetzentwurf durchgeführt. Die Sachverständigen waren sich darin einig, dass durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ein problematischer Schwebezustand entstanden ist, weil die bisherige Praxis, die sich an den Landesgesetzen orientierte, verworfen wurde und für die Medien daher keine klare gesetzliche Regelung mehr greife. Unterschiedliche Akzentuierungen gab es bei den Experten hinsichtlich der Fragestellung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Hierzu gab es neben dem Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion einen Vorschlag von Verdi. In der Stellungnahme hat die Journalistenorganisation erklärt, dass sie den Gesetzentwurf der SPD begrüße. Sollte aber über diesen Entwurf keine Einigkeit herzustellen sein, könnte der Gesetzgeber "den Bundesbehörden auch generell aufgeben, alle landesrechtlichen Vorschriften zum Auskunftsanspruch der Medien einzuhalten." Dies wäre - als Kompromiss - ein gangbarer Weg gewesen, wenn die Koalition in irgendeiner Weise Interesse an einer gemeinsamen Lösung gezeigt hätte. Leider halten aber die Koalition und die Bundesregierung an ihrer Auffassung fest, dass es keinerlei gesetzlicher Regelung bedarf, da der Verweis auf Art. 5 Grundgesetz ausreiche. Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf den Änderungsantrag eingehen, den wir im Innenausschuss eingebracht haben. Dieser Änderungsantrag hat zahlreiche Vorschläge der Anhörung aufgegriffen und lehnt sich mit diesen an die neueren und modernen sowie presseauskunftsfreundlicheren Landespressegesetze an. Zugleich haben wir redaktionell klargestellt, dass diese Auskunftsansprüche für alle Medien, also Rundfunk, Presse und journalistisch-redaktionelle Onlinemedien, Anwendung finden. Im Ergebnis handelt es sich mit diesen Änderungen um ein modernes und zeitgemäßes Mediengesetz, welches der Wächterfunktion der Medien Rechnung trägt und welches Sie heute ablehnen. "Bedingt abwehrbereit", dieser "Spiegel"-Titel im Jahr 1962 hat dazu geführt, dass das Bundesverfassungsgericht weitreichende Entscheidungen zum Schutz der Pressefreiheit getroffen hat. Die derzeitige Rechtsunsicherheit ist aus unserer Sicht mit dem öffentlichen Auftrag der Presse und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nicht vereinbar, das den Staat schon mit der "Spiegel"-Entscheidung verpflichtet hat, Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden als prinzipielle Folgerungen aus Art. 5 Grundgesetz zu schaffen. Es ist daher zwingend geboten, schnell eine bundesgesetzliche Regelung zu schaffen, die den Journalistinnen und Journalisten die gleichen Auskunftsrechte gegenüber dem Bund einräumt wie gegenüber den Ländern aufgrund der Landespressegesetze. Gemeinsam mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werden wir nach der Bundestagswahl ein modernes Presseauskunftsgesetz des Bundes auf den Weg bringen. Jimmy Schulz (FDP): Die SPD war zur Abwechslung mal richtig schnell. Allerdings hat sie auch schnell gemerkt, dass schnell nicht immer auch gleich gut ist. Aber fangen wir von vorne an. Im Februar dieses Jahres hat das Bundesverwaltungsgericht ein Urteil erlassen, wonach sich Journalisten nicht auf Landespressegesetze berufen können, wenn sie Auskünfte von Bundesbehörden erhalten wollen. Stattdessen wurde ein Anspruch direkt aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich bejaht. Eine mögliche bundesgesetzliche Lösung wäre nur aufgrund einer Annexkompetenz möglich. Gerade mal eine Woche später hat die SPD einen Gesetzentwurf vorgelegt, um diese vermeintliche Lücke zu schließen. Die detaillierten Urteilsgründe waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlicht. Warum konnte die SPD diese nicht abwarten, um genau zu wissen, was das Bundesverwaltungsgericht bei dem Urteil für Gründe hatte? Die Lösung ist ziemlich einfach, denn dieser Gesetzentwurf ist wohl vor allem geschrieben worden, um der Presse kurz vor der heißen Wahlkampfphase noch einen Gefallen zu tun. Das ist jedoch gehörig nach hinten los gegangen, denn die SPD hielt es weder für nötig, die genaue Urteilsbegründung abzuwarten, noch die Grundlagen unserer Verfassung zu beachten. Die Devise hieß offenbar "Schnelligkeit statt Qualität" oder auch "Geschenke statt Verfassung". Die Anhörung im Innenausschuss hat sehr klar herausgearbeitet, was genau das Problem an diesem Gesetzentwurf ist. Ich möchte an dieser Stelle nur die drei gravierendsten Fakten nennen: Schon bei der reinen Textarbeit hat sich die SPD nicht sehr viel Mühe gegeben. Der Text des Gesetzentwurfs wurde offensichtlich einfach aus den Landespressegesetzen unreflektiert übernommen. Hierbei wurde nicht bedacht, dass dadurch natürlich auch Begriffe in den Gesetzentwurf gekommen sind, die aus dem Landesrecht sind, auf das ein mögliches Bundesrecht zur Definition ja schwerlich verweisen kann. Welche Definition für Behörden wollen wir denn hier ansetzen? Und was heißt das ominöse "zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben" in dem Entwurf? So undurchdacht macht man keine Gesetze. Vorausschauend wie die SPD nunmal ist, hat sie in ihrem Entwurf als Anspruchsberechtigte nur "Vertreterinnen und Vertreter der Presse und des Rundfunks" benannt. Mal wieder zeigt die SPD hier, dass sie bei der Erstellung des Gesetzentwurfs nicht von zwölf bis Mittag gedacht hat und in der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts noch nicht angekommen ist. Heutzutage gibt es nämlich auch Autoren, die nicht unter den klassischen Begriff "Vertreterinnen und Vertreter der Presse und des Rundfunks" fallen, aber trotzdem journalistisch tätig sind. Die Blogger stellen die wohl bekannteste Personengruppe dar, und ab wann ein Blogger auch ein Medienvertreter ist, wurde auch in der Anhörung lange diskutiert. Fakt ist, dass Blogger heutzutage einen nicht unwichtigen Teil der Medienlandschaft darstellen und nicht einfach außer Acht gelassen werden dürfen. Diese Personengruppe hatte die SPD komplett unter den Tisch fallen lassen. In einem Änderungsantrag wurde dann noch versucht, diesen Fehler wieder auszubügeln. Aber auch dieser und die weiteren rein kosmetischen Änderungsanträge können nicht über den dritten und schwerwiegendsten Fehler hinweg täuschen: Der Gesetzentwurf ist und bleibt ganz einfach verfassungswidrig. Im Urteil steht ganz klar, dass die Länder "entsprechend dem Grundsatz des Art. 70 Abs. 1 GG für gesetzliche Regelungen auf dem Gebiet des Pressewesens zuständig" sind. Dieser Satz alleine und durchschnittliche Kenntnisse im Verfassungsrecht - die ich wohl jedem der Bundestagsabgeordneten zutrauen darf - müssten ausreichen, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass ein irgendwie geartetes Bundespressegesetz nicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen kann. Denn der Bund hat für das Presserecht keine Gesetzgebungskompetenz, und ein allgemeines Pressegesetz mit einem Auskunftsanspruch, wie sie auf Länderebene existieren, wäre nicht verfassungsgemäß. Aber wie ich bereits in meiner ersten Rede zu dem Thema gesagt habe, scheint es der SPD bei diesem Entwurf nur darum gegangen zu sein, wie der Hase möglichst als erster am Ziel zu sein. Wie die Geschichte zum Schluss ausgegangen ist, wissen wir ja. Aber auch nach der Sachverständigenanhörung, die wir im Innenausschuss dazu gemacht haben, schien die SPD nicht sehen zu wollen, was offensichtlich war und dort auch laut und deutlich gesagt wurde. Alle bei der Anhörung anwesenden Juristen haben den Gesetzentwurf als verfassungswidrig erklärt oder zumindest stark in Zweifel gezogen, dass dieser Entwurf mit den Kompetenzregelungen im Grundgesetz im Einklang stehen könnte. Das wäre der richtige Zeitpunkt für die SPD gewesen, um den Antrag zurück zu ziehen! Es wäre möglich gewesen, mit Regelungen in den Spezialgesetzen - als Annexkompetenz - den Anspruch der Presse gesetzlich zu verankern. Dies wurde vom Bundesverwaltungsgericht in dem Urteil auch so genannt. Ich finde es sehr schade, dass die SPD nicht diese Möglichkeit in Betracht gezogen hat und stattdessen diesen unqualifizierten Schnellschuss gestartet hat. So ist zu viel Zeit verplempert worden, in der sich der Bundestag mit dieser verfassungswidrigen Vorlage beschäftigen musste. Hätte der Bundestag dieses Gesetz so beschlossen und wäre in Karlsruhe damit gescheitert, wären die Kolleginnen und Kollegen von der SPD die Ersten gewesen, die uns dann vorgeworfen hätten, dass in unserer Regierungszeit ein verfassungswidriges Gesetz verabschiedet wurde. An dieser Stelle geht nochmal eine klare Ansage an die SPD: Wir werden keine verfassungswidrigen Gesetze mittragen. Und Fraktionen, die sehenden Auges verfassungswidrige Gesetze durchwinken wollen, gehören nicht auf die Regierungsbank. Jan Korte (DIE LINKE): Unmittelbarer Anlass des Gesetzentwurfs, der uns heute vorliegt, war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Februar 2013. Bis dahin bot das Landesrecht Presse, Rundfunk, Film und Telemedien eine einigermaßen praktikable rechtliche Basis für die Durchsetzung ihrer Auskunftsansprüche. Mit dem juristischen Instrument der einstweiligen Anordnung konnten diese Ansprüche in der Regel auch zügig durchgesetzt werden. Das gilt nun nicht mehr, da das Bundesverwaltungsgericht beschlossen hat, dass Bundesbehörden gegenüber der Presse nicht nach den Landespressegesetzen zur Auskunft verpflichtet seien. Für eine solche Regelung fehle den Ländern die Gesetzgebungskompetenz; diese liege vielmehr beim Bund. Konkret ging es dem klagenden Journalisten um Auskünfte zu Personalien von BND-Mitarbeitern und deren NS-Vergangenheit. Denn anstatt endlich, 68 Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus, die Akten über die alten Nazis, die überall in der jungen Bundesrepublik wieder in Amt und Würden kamen und sich zuhauf gerade in den Sicherheitsbehörden tummelten, zu öffnen, rückt die Bundesregierung nach wie vor und allen Sonntagsreden zum Trotz, immer nur das an Information heraus, wozu Gerichte sie verdonnern oder wenn der öffentliche Druck zu groß wird. So auch ganz aktuell heute im Fall der Eichmann-Akten, in dem derselbe Journalist, gestützt auf das Bundesarchivgesetz, vor dem Bundesverwaltungsgericht Zugang zu allen Archivunterlagen, die dem Bundesnachrichtendienst über Adolf Eichmann vorliegen, einklagt. Dass er seit Jahren einen ausdauernden Kampf um Akteneinsicht gegen das Kanzleramt führen muss und sich die Regierung beharrlich weigert, ihre Akten vollständig und ungeschwärzt vorzulegen, ist an sich schon skandalös genug. Dass die Geheimhaltungs- und Schwärzungspraxis aber ganz offensichtlich auch noch willkürlich und stümperhaft vonstattengeht, macht das Ganze völlig unerträglich. Ich hoffe, dass die Öffentlichkeit sich dies nicht mehr länger gefallen lässt. Nach all dem skandalösen Vertuschen und Verzögern hilft nur noch ein völliger Neuanfang im Umgang mit den NS-Akten, und der kann meiner Meinung nach nur in einer uneingeschränkten Öffnung liegen. Es ist höchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich den Mut findet, Wege für einen deutschen "Freedom of Information Act" nach dem Vorbild der USA zu ebnen. Doch zurück zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Februar, bei der das Gericht wohl erstmals aus dem Grundrecht auf Pressefreiheit unmittelbar eine Art Minimalanspruch auf Auskunftsrechte für die Presse abgeleitet hat. Das Gericht betonte, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, "die Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine funktionsgemäße Betätigung ermöglicht". Bleibe der Gesetzgeber untätig, müsse man als Rechtsgrundlage für pressespezifische Auskunftspflichten "unmittelbar auf das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG" zurückgreifen. Das Urteil hat zur Folge, dass Journalistinnen und Journalisten vor ein massives Problem geraten können, weil ihnen die Arbeitsgrundlage gegenüber den Bundesbehörden entzogen und durch einen Minimalanspruch ersetzt wurde. Der unbedingt begrüßenswerte Grundgedanke des Gesetzentwurfs ist es nun, dass das verfassungsrechtlich garantierte Auskunftsrecht durch eine einfachgesetzliche Regelung gestützt bzw. ausgestaltet werden müsse, um Rechtssicherheit zu schaffen und nicht ständig um die Frage des Umfangs der Auskunftspflichten prozessieren zu müssen. Die Intention des Gesetzentwurfs wurde, mit Ausnahme der Union und mit Abstrichen auch der FDP von allen Fraktionen begrüßt. Auch auf der entsprechenden Anhörung sah dies die überwiegende Mehrheit der Sachverständigen so. Gleichwohl wurde auch weitgehende Kritik an der Umsetzung geäußert. Insbesondere das Auskunftsverweigerungsrecht nach Abs. 2 ist viel zu unbestimmt formuliert. Nr. 1 redet von "Vorschriften über die Geheimhaltung". Gerade im Hinblick auf die Bedeutung der Pressefreiheit müssten hier eine Konkretisierung und enge Begrenzung gefunden werden, die auf keinen Fall den Informationsansprüchen aus dem Informationsfreiheitsgesetz nachsteht. Eine "Vorschrift" in diesem Sinne kann alles Mögliche sein, zum Beispiel eine Dienstanweisung. "Vorschriften" einer solchen Qualität dürfen unserer Meinung nach auf keinen Fall eine Rechtfertigung für eine Auskunftsverweigerung abgeben. So wird die angestrebte Rechtssicherheit - im Entwurf heißt es, zu Recht und vollkommen klar, es sei "mit dem verfassungsrechtlich geschützten öffentlichen Auftrag der Presse nicht vereinbar, dass das Spektrum vermeintlicher Ausnahmen erst im Wege langwieriger Rechtsstreitigkeiten erkennbar" werde - geradewegs verfehlt. Hier rächt sich die Schnellschussmentalität, mit der der gut gemeinte Entwurf gestrickt worden ist; so lag die Urteilsbegründung noch bei der Anhörung am 13. Mai 2013 nicht allen Sachverständigen vor. Auch hat sich die SPD nicht an den weitestgehenden Regelungen einzelner Ländergesetze, wie zum Beispiel dem Hamburger Transparenzgesetz, orientiert, sondern fällt dahinter zurück. Es wäre aber sinnvoll, eine bundeseinheitliche Regelung nicht am kleinsten gemeinsamen Nenner auszurichten, sondern zum Beispiel die fortschrittlichen Hamburger Regelungen zu Subventions- und Zuwendungsverfahren aufzugreifen. Für einige andere Regelungen - so zum Beispiel die viel zu enge Definition der "Behörde" als Auskunftsstelle, für die Bestimmung des Kreises der Auskunftsberechtigten sowie den Punkt "Geheimhaltung", insbesondere bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen - gilt Ähnliches. Die Linke plädiert in diesem Zusammenhang für eine Regelung, wonach die Behörden und die der Aufsicht des Bundes unterliegenden sonstigen Organe und Einrichtungen verpflichtet werden, den "Medien" Auskünfte zu erteilen. Dabei sollte der Gesetzgeber klarstellen, dass unter "Medien" Presse, Rundfunk, Film sowie Telemedien mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten zu verstehen sind. Mit ihrem Änderungsantrag auf Ausschussdrucksache 17(4)764 versuchte die SPD nun, einiges davon zu korrigieren. Sie definiert die Medien, deren Auskunftsansprüche geregelt werden und fügt einen Abwägungsgrundsatz "überwiegend öffentliches vs. schutzwürdiges privates Interesse" ein. Das hätte schon eine Verbesserung des Entwurfs bedeuten können. Leider lässt sie die schon angesprochene vollkommen unbrauchbare Formulierung stehen, wonach Auskünfte verweigert werden, wenn ihnen "Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen". Diesen Punkt wollen die Grünen in einem eigenen Antrag ausbügeln, indem sie "gesetzliche Vorschriften über die Geheimhaltung" einfügen. Ich hoffe, wir sind uns hier weitgehend darin einig, dass das Offenlegen von Behördenhandeln Journalisten nur dann möglich ist, wenn die Bundesbehörden sie nicht mit einer Minimalauskunft abspeisen dürfen. Dass Fragen unbequem sind oder Anfragen einen Mehraufwand bedeuten, darf eben nicht dazu führen, dass Journalisten ein Aktenzugang vorenthalten wird. Pressefreiheit kann es nur geben, wenn Medien nicht auf das Wohlwollen oder den Fleiß der Behördenmitarbeiter und -mitarbeiterinnen angewiesen sind. Der Gesetzentwurf ist zwar gut gemeint, aber als Schnellschuss zu unausgereift, weil er seinen eigenen Ansprüchen, die vorliegenden Probleme zu lösen und Rechtssicherheit herzustellen, nicht gerecht wird. Wir werden uns deshalb enthalten. Tabea Rößner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir alle sind auf Informationen der Medien angewiesen: Ein umfassend recherchierter ZeitungsArt. oder Rundfunkbeitrag, der über die Hintergründe öffentlicher Belange informiert, ist elementar für die öffentliche Meinungsbildung - auch und gerade, wenn die Recherche unliebsame Fragen mit sich bringen mag. Die vielen Gerichtsverfahren, die Journalistinnen und Journalisten in der Vergangenheit führen mussten, um ihr Recht durchzusetzen, zeigen: Nur zu gerne wird hier gemauert. Journalisten dürfen daher nicht dem Wohl und Wehe einer Behörde oder eines Beamten ausgeliefert sein. Für sie ist es unerlässlich, auf Grundlage eines Gesetzes auf umfassende Auskunft pochen zu können. Oder anders gesagt: Journalisten müssen nerven dürfen. Nur so ist gesichert, dass Medien Bürgerinnen und Bürger informieren und aufklären und ihre verfassungsrechtlich zugewiesene Aufgabe wahrnehmen können. Die Pressegesetze der Länder haben also eine wichtige und praxisrelevante Funktion. Sie geben den Medien ein Auskunftsrecht an die Hand, welches nur in ganz besonderen Ausnahmefällen verweigert werden darf. Diese sichere gesetzliche Arbeitsgrundlage der Medien ist gefährdet, seitdem das Bundesverwaltungsgericht am 20. Februar 2013 ein Urteil gefällt hat, aus dem folgt, dass Journalisten gegenüber Bundesbehörden kein Auskunftsrecht haben. Die Pressegesetze der Länder, so das Gericht, gelten nicht gegenüber Bundesbehörden. Ein grundsätzlicher Anspruch aus Art. 5 des Grundgesetzes sei zwar gegeben, da das Thema für das Grundrecht der Pressefreiheit enorm relevant sei. Dieser Anspruch sei allerdings lediglich im kleinsten Umfang gewährt, da es der Ausgestaltungsprärogative des Gesetzgebers unterliege. Bereits das Gericht erkannte daher einen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Beratungen mit Sachverständigen im Innenausschuss des Bundestages ergaben überwiegend, dass Rechtssicherheit hergestellt und ein Auskunftsrecht geschaffen werden sollte. Der nach der Anhörung durch die SPD nachgebesserte Entwurf des Pressegesetzes löst die wichtigsten Aufgaben: Die Medien, auch Telemedien, soweit sie journalistisch-redaktionell arbeiten, erhalten ein Auskunftsrecht gegenüber Bundesbehörden, welches nur unter engen Voraussetzungen abgelehnt werden darf. Die Verweigerungsgründe sind an die jahrzehntelange medienrechtliche Praxis angepasst worden, sodass weitgehend Kontinuität und Rechtssicherheit bestehen. Von zwei Punkten, die für uns sehr wichtig und daher Teil unseres Änderungsantrags waren, konnten wir weder die SPD, geschweige denn die anderen Fraktionen überzeugen. Danach sollten alle Organe und Einrichtungen, die Aufgaben von Bundesbehörden wahrnehmen, also von diesen geleitet oder angewiesen werden, auskunftsverpflichtet sein. Der Staat darf sich nicht hinter Privatorganisationen verstecken dürfen. Des Weiteren wollten wir die Verweigerungsgründe möglichst eng fassen, um keinen Freifahrtschein für Versagungen zu verteilen. Daher sollte die Auskunftsverweigerung aus Geheimhaltungsgründen unseres Erachtens nur erfolgen dürfen, soweit die Gründe der Geheimhaltung gesetzlich festgeschrieben sind. Lediglich verwaltungsinterne Vorschriften oder einzelne Anweisungen an Beamte dürfen gerade nicht darunterfallen. Auch ohne diese Änderungen stellt der von der SPD geänderte Entwurf des Presseauskunftsgesetzes aber eine gesetzliche Grundlage dar, mit der Journalistinnen und Journalisten weiterhin Auskunft gegenüber Bundesbehörden verlangen können. Der Entwurf ist in enger Anlehnung an die Landespressegesetze und die dazu ergangene Rechtsprechung entwickelt worden, bezieht auch neue Medienformen mit ein und bietet damit ein zeitgerechtes und transparentes Auskunftsrecht. Es ist skandalös, dass die schwarz-gelbe Fraktion dies nun verhindern will. Es scheint, dass es den Koalitionsfraktionen gerade entgegenkommt, dass Medienanfragen an Bundesbehörden und Ministerien nun auf wackligen Beinen stehen - zu schön ist die Verlockung, heikle Anfragen mit vagen Argumenten abspeisen zu können. Die unsichere Rechtslage ist fatal. Bereits jetzt gibt es Irritationen seitens der Medienschaffenden: Was, wie, von wem, warum dürfen Anfragen an Bundesbehörden gestellt werden? Welche Rechtsaussichten gibt es im Falle einer Absage? Die sogenannte freiheitlich-demokratische Partei hat ihren Namen nicht verdient. Als selbsternannte Partei der Bürgerrechte sollte sie sich klar für die verfassungsrechtlich garantierte Aufgabe der Medien im Prozess der öffentlichen Meinungsbildung einsetzen. Einmal mehr zeigt sich, dass diese Politik keine Linie verfolgt und von machtpolitischen Erwägungen geleitet ist. Wir lehnen die Beschlussfassung des Innenausschusses daher ausdrücklich ab. Da der Gesetzentwurf der SPD in die richtige Richtung weist, unterstützen wir. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/13995, den Gesetzentwurf der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/12484 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung von Linken und Grünen abgelehnt. Die weitere Beratung entfällt. Tagesordnungspunkt 61: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Jutta Krellmann, Sabine Zimmermann, Diana Golze, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE 10 Euro Mindestlohn jetzt - zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Kerstin Andreae, Beate Müller-Gemmeke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mit einem einheitlichen, gesetzlichen Mindestlohn Lohndumping bekämpfen und fairen Wettbewerb schaffen - Drucksachen 17/13551, 17/13719, 17/14002 - Berichterstattung: Abgeordnete Jutta Krellmann Die Reden sind zu Protokoll gegeben. Gitta Connemann (CDU/CSU): "Wer bietet mehr?" Bislang kennen wir diesen Aufruf nur von Auktionen. Denn dort gewinnt das höchste Gebot. Jetzt hat dieser Überbietungswettbewerb aber leider auch Einzug in die Politik gehalten, jedenfalls bei einigen Fraktionen der Opposition. "Wer bietet mehr?" Dies ist inzwischen auch das Motto in der Debatte um einen gesetzlichen Mindestlohn. Da wird sich munter überboten. So war die Fraktion der Linken mit 7,50 Euro gestartet. Jetzt liegt Ihr Gebot, meine Damen und Herren von den Linken, bei 10 Euro. Auch die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat sich aus der Deckung gewagt, das Bieterschild gehoben und zieht mit 8,50 Euro ins Rennen. Die Luft nach oben ist offen. Damit zeigen Sie heute selbst das Hauptproblem eines gesetzlichen Mindestlohns. Es besteht die Gefahr eines politischen Überbietungswettbewerbs bei der Bestimmung des Mindestlohns in Wahlkampfzeiten. Die Entlohnung von Arbeit wird Spielball des politischen Wettbewerbes. Die Orientierung an Marktwirtschaft oder Produktivität bleibt außen vor. Im Mittelpunkt steht vielmehr der vermeintliche Kampf um Wählerstimmen. Vermeintlich. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen in diesem Land den wahren Hintergrund Ihres Überbietungswettbewerbs sehr wohl erkennen. Die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass die politische Festlegung eines einheitlichen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns fern jeder wirtschaftlichen Vernunft Arbeitsplätze gefährden würde. Dies ist übrigens auch das Ergebnis der neuesten Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft. Dafür wurden 20 000 Personen befragt. Die Stichprobe erlaubt die Hochrechnung der Löhne für knapp 33 Millionen Beschäftigte. Sie kommt zu dem Ergebnis: das falsche Instrument. Jetzt werden Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sagen: "Was ist auch anderes von einem wirtschaftsnahen Institut zu erwarten?" Dann zitiere ich eben für Sie aus einer Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, die zu demselben Ergebnis kommt. Dort heißt es: "Ein genereller Mindestlohn - ohne jegliche Differenzierung - erscheint nicht sinnvoll." So ist es. Niemand hat etwas davon, in Berlin einen Lohn festzuschreiben, der weder nach Branchen noch nach Regionen unterscheidet. Die Verhältnisse zwischen der Chemie- und Kfz-Branche unterscheiden sich ebenso wie die Verhältnisse in Frankfurt am Main und Frankfurt an der Oder. Die Brandenburger Betriebe stehen im Wettbewerb zu polnischen. Dort gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn. Aber dieser liegt bei 2,21 Euro pro Stunde. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro oder 10 Euro oder mehr auf deutscher Seite hätte nur ein Ergebnis: die Vernichtung von Arbeitsplätzen. Unterschiedliche Verhältnisse müssen unterschiedlich behandelt werden. Ein gesetzlicher Mindestlohn für ganz Deutschland könnte dies nicht. Meine Damen und Herren von der Opposition, ich höre schon Ihren Einwand. Es gibt auch andere europäische Länder, in denen höhere Mindestlöhne als in Polen gezahlt werden. Korrekt. Es gibt 20 Mindestlohnstaaten in der EU. Denn es gibt eben mehr Nachbarn, die einen Mindestlohn haben, aber einen niedrigen. In Tschechien liegt dieser bei 1,91 Euro, in Bulgarien bei 97 Cent und in Rumänien lediglich bei 95 Cent. In Ländern mit einem hohen Mindestlohn wie Frankreich mit 9,43 Euro zeigen sich Konsequenzen am Arbeitsmarkt. Die Jugendarbeitslosigkeit beläuft sich dort auf 25,7 Prozent. Empirische Studien belegen, dass das Salaire Minimum in Frankreich mitverantwortlich für den Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit war. Deshalb hat gestern auch der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, die französischen Parlamentarier ermahnt, den Arbeitsmarkt zu entkrusten; auch das gehöre zur Solidarität. Der oberste Notenbanker sagte: "Lassen Sie uns nicht vergessen, dass diejenigen die am meisten unter einem nicht reformierten Arbeitsmarkt leiden, die jungen Leute sind." Er forderte den Abbau von Barrieren für Betriebe und junge Leute sowie von wettbewerbsverzerrender Regulierung. Und dazu gehört auch ein zu hoher gesetzlicher Mindestlohn. Ein gesetzlicher Mindestlohn schadet nämlich vor allem den Schwächsten: Berufsanfängern und Geringqualifizierten. Sie werden nicht eingestellt, oder sie werden als Erste entlassen: die Menschen ohne Schulabschluss, ohne Ausbildung, ohne Perspektive. Wenn ihre Arbeit teurer wird, haben sie keine Chance am Arbeitsmarkt. Sie werden abgeschnitten, nicht nur von Geld, sondern auch von Anerkennung. Denn dafür steht Arbeit in unserer Gesellschaft. Arbeit gibt Würde. Wenn wir den Schwächeren wirklich helfen wollen, müssen wir ihnen eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bieten. Und dafür müssen wir Realitäten erkennen. So hart es auch klingt. Es ist eine bittere Wahrheit. Auch der Faktor Arbeit unterliegt volkswirtschaftlichen Gesetzen. Löhne orientieren sich an der Produktivität. Betriebe, die wegen zu hoher Löhne zu hohe Preise verlangen müssen, können auf Dauer am Markt nicht bestehen. Dies schadet übrigens auch Volkswirtschaften. Wir konnten dies am Beispiel von Portugal und Irland sehen, zwei Mindestlohnländern. Beide Länder mussten einen Antrag auf Notkredite stellen. Portugals Wachstum war nur noch auf Pump finanziert. Die Wirtschaft legte seit der Jahrtausendwende nur um 1,1 Prozent zu, die Löhne in derselben Zeit um 39 Prozent. Das kann nicht funktionieren. Ebenso ist es in Irland. Deshalb hat übrigens auch die irische Regierung eine Kürzung des Mindestlohns beschlossen. Begründet wurde dieser Schritt mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit des Landes zu verbessern. Diese Wettbewerbsfähigkeit haben wir. Es haben noch nie so viel Menschen Arbeit wie heute. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt in Deutschland auf einem Rekordtief. Hier haben junge Menschen die Chance auf Ausbildung und Arbeit. Sie haben eine Perspektive. Diese Tatsache wird in Ihren Anträgen, meine Damen und Herren von der Opposition, ignoriert. Sie zeichnen vielmehr ein Zerrbild von unserem Arbeitsmarkt, skizzieren ein Bild von der Tagelöhnergesellschaft Deutschland. Dieses Bild ist nur eines - falsch. Es hat mit der Realität nichts zu tun. Dies zeigen die Fakten. Es gab seit 2006 keine Verdrängung des Normalbeschäftigungsverhältnisses, sondern zusätzliche Beschäftigung und den Abbau der Arbeitslosigkeit. Von 2006 bis 2011 wurden 2 Millionen neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, davon 1,5 Millionen sogenannte Normalarbeitsplätze. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist seit 2005 von 2,4 Millionen auf 1,2 Millionen gesunken. Die Zahl der ausschließlich geringfügig beschäftigten Minijobber stagniert. Der Anteil der Zeitarbeitnehmer liegt noch immer bei nur 2 Prozent. Die Zahl der Aufstocker liegt zurzeit bei 1,2 Millionen Menschen. Davon sind aber nur 300 000 vollzeitbeschäftigt. Der Rest sind Minijobber und Teilzeitbeschäftigte. Es gibt also kein massenhaftes Phänomen des Aufstockens in Deutschland. Über die Hälfte der Neueinstellungen erfolgt unbefristet. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist in Deutschland zwischen 2006 und 2011 von 10 auf 11,2 Jahre angestiegen. Unser Arbeitsmarkt ist stabil. Neue Regulierungen würden diesen ebenso gefährden wie die Negierung der Realität. Dazu gehört übrigens auch die Erkenntnis, dass es ganze Branchen gibt, die mit ihren Fertigungen von einem Billiglohnland zum anderen ziehen. Wer diese Warnungen für übertrieben hält, richte seinen Blick auf den Alltag. Als Beispiele seien nur genannt die Hotelwäsche aus Berlin, die in Polen gewaschen wird, oder die Krabben aus der Nordsee, die in Marokko gepult werden. Die Gefahr, dass Arbeit verschwindet, dass diese in Länder mit geringeren Arbeitskosten auswandert, ist eben doch real. Dies gilt übrigens auch für die Zunahme von Schwarzarbeit. Wenn es hart auf hart kommt, können sich "Nachbarn" auch die Haare schneiden, färben oder die Wohnung tapezieren. Ein zu hoher flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn wäre ein Konjunkturprogramm für Baumärkte. Das Gegenteil von gut ist eben gut gemeint. Allerdings kommen mir manchmal Zweifel, ob einige Mitglieder der Opposition es überhaupt gut meinen. Wenn der gesetzliche Mindestlohn das Maß aller Dinge ist, müssten Sie diesen doch zuallererst selbst anwenden. Im Zweifel wollen Sie aber nicht von ihrer eigenen Medizin kosten. Ich nenne nur den Namen der Kollegin Bärbel Höhn. Diese suchte für den Bundestagswahlkampf in ihrem Wahlkreis in Oberhausen einen Praktikanten für drei Monate. Als Vergütung wurde geboten: 400 Euro - allerdings bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden. Das macht einen Stundenlohn von 4 Euro. Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, werden jetzt einwenden, dass es schon ein Fortschritt sei, Praktikanten überhaupt zu entlohnen. Ja, wenn es denn wirklich nur ein Praktikant wäre. Aber danach hört sich die Stellenbeschreibung nicht an. Der Praktikant soll verantwortungsvolle Arbeit leisten, den Facebook-Account und Videoblog betreuen, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützen und für andere Service-Dienstleistungen zur Verfügung stehen. Die Bereitschaft, auch in den Abendstunden und an Wochenenden tätig zu werden, wird ebenfalls vorausgesetzt. Dafür solle es dann 4 Euro Stundenlohn geben. Schließlich ist ja für die gute Sache kein Opfer zu groß. Konrad Adenauer hat einmal gesagt: "Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen. Worte sind billig, es müssen den Worten Taten folgen." Diesen Spruch sollten Sie sich zu Herzen nehmen. Wir in der Union sind für Mindestlöhne. Arbeit darf nicht arm machen. Alles andere wäre unsozial, unwürdig, unerträglich. Bei der Festsetzung von Mindestlöhnen setzen wir aber nicht auf den Staat, sondern auf die Tarifpartner. Nur Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände können sicherstellen, dass die Mindestlöhne den jeweiligen Verhältnissen angemessen sind. Wenn Tarifvertragsparteien zu dem Ergebnis kommen, dass nur ein bestimmter Lohn realisierbar ist, müssen wir das akzeptieren. Die soziale Verantwortung der Existenzsicherung trifft dann uns als Staat. Aus diesem Grund müssen wir übrigens auch das Arbeitseinkommen fördern. Dazu brauchen wir die Kombination aus eigenem Einkommen und ergänzender staatlicher Leistung. Nur so erhalten gering qualifizierte Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose die Chance auf den Einstieg in den Arbeitsmarkt. Nur das ist sozial. Nur das ist mit uns zu machen. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge ab. Ulrich Lange (CDU/CSU): Was wir in der Mindestlohndebatte bei der Opposition derzeit aufgrund des Wahlkampfes erleben, ist ein Bieterwettbewerb: Wer toppt das Angebot der anderen Parteien? Die Grünen fordern 8,50 Euro, die die Linken überbieten mit 10 Euro. Aber so kann man keine erfolgreiche Arbeitsmarktpolitik betreiben. Im Gegensatz dazu ist unsere Politik seriös und deshalb erfolgreich. Deutschland steht gut da. Die Zahl der Arbeitslosen ist auf den geringsten Stand seit der Wiedervereinigung gefallen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen konnte erstmals seit Jahrzehnten deutlich reduziert werden. Noch nie waren so viele Menschen erwerbstätig. Leider haben die Grünen, wie sie sehr deutlich darlegen, immer noch nicht den Zusammenhang zwischen der Festlegung eines flächendeckenden einheitlichen Mindestlohns und wachsender Arbeitslosigkeit verstanden. Weshalb, meinen Sie, ist die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit in Italien, in Spanien, in Portugal, in Griechenland, aber auch in Frankreich so hoch? Ursache ist die Abschottung des Arbeitsmarktes durch Festlegungen wie den Mindestlohn. Es ist kontraproduktiv für die kommende Generation, wenn man sich nur um die Bestandskräfte kümmert und allen flexiblen Änderungsvorschlägen verweigert. Dadurch droht in den Südländern eine Generation verloren zu gehen. Wir werden verhindern, dass es unserer Jugend mit Ihren Vorschlägen ähnlich ergeht. Wir wollen, dass Menschen für ihre Arbeit gerecht bezahlt werden und von ihrer Arbeit leben können. Deshalb wollen auch wir einen Mindestlohn einführen, der jedoch nicht zu einer Beeinträchtigung des Arbeitsmarktes führt. Wir müssen berücksichtigen, wie es mit der Produktivität aussieht, ab wann Arbeitsplätze verloren gehen und in welchen Branchen wir wo welche Situation haben. Ein zu hoch angesetzter Mindestlohn birgt die Gefahr, dass die Schwarzarbeit steigt, Arbeitsplätze ins Ausland verlagert werden, Scheinselbstständigkeit steigt, aber auch dass Betriebe schließen und in Insolvenz gehen müssen. Wir stehen dafür, dass Löhne auf der einen Seite für eine faire Entlohnung sorgen, auf der anderen Seite aber nicht so hoch angesetzt sind, dass sie Einstiegschancen für Jugendliche verhindern und damit zur Arbeitslosigkeit beitragen. Wir haben auch schon in dieser Legislaturperiode reagiert und in verschiedenen Branchen Mindestlöhne eingeführt. Dazu zählen die Sicherheits- und Wäschereidienstleistungen, bestimmte Aus- und Weiterbildungsbereiche, Zeitarbeit und die Pflegebranche (Altenpflege und ambulante Krankenpflege). Derzeit gibt es schon in insgesamt 15 Branchen tarifliche Mindestlöhne nach dem Arbeitnehmer-Entsende- oder nach dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz. Für fast 4 Millionen Menschen gelten in Deutschland tarifbezogene Lohnuntergrenzen. Ich möchte darauf hinweisen, dass in Deutschland die Tarifautonomie im Grundgesetz im Art. 9 Abs. 3 garantiert wird. Das bedeutet, dass die Regelungskompetenz für Löhne bei den Tarifparteien liegt. Die Väter unseres Grundgesetzes haben mit gutem Grund festgelegt, dass sich der Staat nicht in Tarifverhandlungen einmischen soll. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekennt sich ausdrücklich zur Tarifautonomie. Die Politik muss den Rahmen legen und bei speziellen Problemen eingreifen, insbesondere dann, wenn soziale Ungleichgewichte auftreten. Deshalb halten wir es für notwendig, einen allgemein verbindlichen Mindestlohn in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert. Die Festlegung von Einzelheiten und weiteren Differenzierungen obliegt einer unabhängigen Kommission. Wir werden es den Gewerkschaften und Arbeitgebern überlassen, einen marktwirtschaftlich organisierten Mindestlohn festzulegen. Die Gegenwart zeigt, dass unsere Rezepte für den Arbeitsmarkt erfolgreich waren. Deshalb werden wir diesen Weg auch gemeinsam weitergehen. Unnötige staatliche Eingriffe in die Lohnfindung gefährden die Tarifautonomie und konterkarieren unser bewährtes und verfassungsrechtlich gestütztes System der Lohnfindung. Eine politische Lohnfindung, wie von Grünen und den Linken in den vorliegenden Anträgen gefordert, schadet unserem Arbeitsmarkt. Deshalb lehnen wir sie ab. Anette Kramme (SPD): All das Wahlkampfgetöse der Union kann nicht darüber hinwegtäuschen: Mit Union und FDP ist kein Staat zu machen. Und mit ihnen ist vor allem auch kein echter Mindestlohn möglich. Alles, was beide Parteien fabrizieren, sind wirkungslose Scheinlösungen. Die gehen am Kern des Problems vorbei und dienen lediglich der Wählerberuhigung. Deutschland braucht endlich einen echten gesetzlichen Mindestlohn. Dieser Mindestlohn muss flächendeckend gleich sein und für alle gelten, unabhängig von Branche und Region: vom Floristen in Sachsen bis zum Schlachter in Schleswig-Holstein. Einen festen Grundwert braucht jede Arbeit. Genau dies will aber die Union verhindern. Damit versündigt sie sich an Millionen von Menschen in Deutschland, die mit miserablen Löhnen abgespeist werden. Mehr als jeder fünfte Beschäftigte in Deutschland erhielt im Jahr 2010 nur einen sogenannten Niedriglohn. Laut IAQ erhielten rund 6,8 Millionen Menschen für ihre Arbeit weniger als 8,50 Euro Stundenlohn. 2,5 Millionen Menschen erhielten weniger als 6 Euro pro Stunde, rund 1,4 Millionen sogar unter 5 Euro pro Stunde. Besonders betroffen davon sind in Deutschland die Frauen. Deren Anteil am Niedriglohnsegment war laut einer Studie von Prognos fast doppelt so hoch wie bei den Männern. Auch junge Menschen sind überproportional oft die Leidtragenden. 14 Prozent der unter 20-Jährigen arbeiten für weniger als 5 Euro pro Stunde, wobei Auszubildende noch nicht einmal berücksichtigt wurden. Ich bin zutiefst davon überzeugt: Löhne in dieser Kategorie zerstören auf Dauer das Vertrauen in die Gerechtigkeit einer Gesellschaft. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Menschen acht Stunden täglich arbeiten und trotzdem Sozialleistungen vom Staat brauchen. Damit werden die Betroffenen nicht nur in ihrer alltäglichen Lebensführung massiv eingeschränkt, damit werden auch die öffentlichen Kassen belastet. Letztlich subventionieren also die Steuerzahler die Dumpinglohnstrategien einiger Unternehmen. Außerdem führen solche Niedriglöhne häufig dazu, dass die Menschen auch im Alter nicht von ihren eigenen Renten leben können. Die Armut aus der Erwerbsphase wird also im Rentenalter fortgesetzt als Altersarmut - auch hier wieder auf Kosten der Allgemeinheit. Ein gesetzlicher Mindestlohn schützt dabei nicht nur den Einzelnen vor Ausbeutung. Nach dem Bericht der Prognos AG könnte sich auch ein fiskalischer Effekt von knapp 7,1 Milliarden Euro ergeben. Die Erwerbseinkommen der privaten Haushalte könnten um circa 14,5 Milliarden Euro steigen. Damit würde sich das Konsumverhalten zugunsten einer Wirtschaftsbelebung ändern und gäbe es Mehreinnahmen für den Staat bei reduzierten staatlichen Transfers. Das alte Argument der Gegner, dass Mindestlöhne Jobs kosten, kann durch die neuere empirische Forschung widerlegt werden. So hat das BMAS 2010 selbst eine Evaluation der acht Branchenmindestlöhne veröffentlicht, die zeigte, dass in keiner der acht Branchen statistisch signifikante negative Wirkungen auf die Beschäftigung festgestellt werden konnten. Schließlich und endlich gibt es einen gesetzlichen Mindestlohn bereits in 20 von 27 Staaten in der Europäischen Union. Eine Einführung in Deutschland ist also kein riskantes Experiment, sondern nur die Übernahme einer vielfach erprobten und erfolgreichen Gesetzgebung. All dies ist nahezu Konsens in der Bevölkerung. Eine überwältigende Mehrheit spricht sich für einen gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland aus. Im Juni 2013 waren es 86 Prozent der Wahlberechtigten. Auch bei den Oppositionsfraktionen ist dies eigentlich Konsens. Alle haben Konzepte zur Behebung dieses Problems vorgelegt. Nur die Koalition aus CDU/CSU und FDP ist der Bevölkerung über die gesamte Legislaturperiode hinweg ein Konzept schuldig geblieben. Sie verharrt wegen interner Streitigkeiten in völliger Untätigkeit, die nur durch Scheindebatten verschleiert wird. Unterschiede zwischen den Oppositionsfraktionen finden sich lediglich im Detail. Der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen ist nahezu deckungsgleich mit dem Vorhaben der SPD. Auch wir Sozialdemokraten wollen, dass eine Mindestlohnkommission nach britischem Vorbild eingesetzt wird. Diese soll paritätisch besetzt sein mit Vertretern der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der Wissenschaft und regelmäßig über die angemessene Erhöhung des Mindestlohnes beraten, wobei die unterste Schwelle fürs Erste bei 8,50 Euro pro Stunde liegen soll. Diese 8,50 Euro sind die Mindestvoraussetzung, um als Alleinstehender von der eigenen Arbeit leben zu können und nicht auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen zu sein. Dieser Position können wir vollumfänglich zustimmen. Die Fraktion Die Linke fordert einen Mindestlohn von 10 Euro die Stunde und ebenfalls eine nicht näher beschriebene Mindestlohnkommission. Bei diesem Antrag werden wir uns enthalten. Zwar stimmen wir grundsätzlich mit Ziel und Ausrichtung überein, ein Einstieg bei 10 Euro erscheint uns fürs Erste aber zu hoch. Wir sehen uns mit dieser Haltung an der Seite der Gewerkschaften, die ebenfalls 8,50 Euro Mindestlohn fordern. Die weiterführenden Verhandlungen wollen wir der einzusetzenden Mindestlohnkommission überlassen. Der Mindestlohn soll eine sinnvolle Haltelinie im Wirtschaftssystem, aber nicht von vornherein Spielball eines parteipolitischen Überbietungswettbewerbes sein. Dass sich perspektivisch eine Annäherung an 10 Euro pro Stunde ergeben wird, halte ich für wahrscheinlich. Um in Deutschland die Würde und Qualität der Arbeit zu sichern, brauchen wir einen festen Mindestlohn. Kein Arbeitgeber soll weniger pro Stunde zahlen dürfen - egal in welcher Region und in welcher Branche. Der Mindestlohn ist ordnungspolitisch unumgänglich. Er schafft faire Wettbewerbsbedingungen durch eine transparente, allgemeine unterste Grenze für den Stundenlohn. Er verhindert, dass Schmutzkonkurrenz auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird und am Ende jene Unternehmen dumm dastehen, die faire Arbeitsbedingungen anbieten. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nun haben wir also wieder zwei Anträge zum Mindestlohn hier in der Debatte, von den Grünen und den Linken. Ich möchte, bevor ich auf diese Anträge konkret eingehe, jedoch zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen machen: Deutschland geht es gut, auch im europäischen Vergleich. Es waren vier gute Jahre für unser Land. Die Vielfalt der Beschäftigungsformen ist in Deutschland zum Glück sehr groß. Das haben wir auch der rot-grünen Regierung mit ihren wegweisenden Reformen im Rahmen der Agenda 2010 zu verdanken. In den letzten zwei Jahren haben wir festgestellt, dass gerade diese Vielfalt in Deutschland zu einer hohen Beschäftigungsquote, niedrigen Arbeitslosenquoten und steigenden Durchschnittslöhnen geführt hat. In dieser Vielfalt ist jede legale Beschäftigungsform eine Bereicherung und ein Beitrag zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Die steigenden Erwerbstätigkeitszahlen führen dazu, dass es immer mehr Menschen in Deutschland besser geht. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ist auf über 29,21 Millionen Menschen geklettert, in ganz Deutschland sind Stand Mai 2013 41,83 Millionen Menschen erwerbstätig. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die wir durch einen flächendeckenden einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn, seien es 8,50 Euro, 10 Euro oder 12 Euro, nicht aufs Spiel setzen sollten. Ich bin immer wieder erstaunt, wie wenig die Opposition den Sozialpartnern in Deutschland zutraut. In Ihren Reihen sitzen so viele Mitglieder und ehemalige Funktionäre von Gewerkschaften, und dennoch zeigen Sie immer wieder, dass Sie die Arbeit der Gewerkschaften geringschätzen. Ob eine Branche sich auf Löhne einigt, die unter Ihrer magischen 8,50-Euro-Grenze liegen oder nicht, das ist deren Entscheidung. Sie aber wollen ein Primat der Politik, das sich über Vereinbarungen der Sozialpartner hinwegsetzt. Ich maße mir das nicht an. Ich halte die Zurückhaltung der Politik bei der Lohnfindung in unserem Land für eine große Errungenschaft und für unverzichtbar. In den letzten Jahren hat es einige Branchen gegeben, die, vor allem in der Krise, auf Lohnsteigerungen zugunsten von Arbeitsplatzsicherheit verzichtet haben. Solche Entscheidungen müssen möglich sein und vor Ort von den betroffenen Tarifpartnern selber getroffen und dann auch verteidigt werden. Das ist auch ein Beitrag zum sozialen Frieden. Ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn, das zeigen viele Studien, hat negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt: Ein Mindeststundenlohn von 8,50 Euro entspräche 53 Prozent des durchschnittlichen Bruttolohns von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland - im internationalen Vergleich ein hoher Wert! In Frankreich liegt dieser nur bei 48 Prozent, in Großbritannien, dessen Mindestlohn gerne als Beispiel für Arbeitsmarktverträglichkeit genannt wird, macht der gesetzliche Mindestlohn 38 Prozent des durchschnitt-lichen Entgelts aus. Ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro würde in Deutschland laut Ifo-Institut rund 1,2 Millionen Arbeitsplätze vernichten oder gefährden. Allein im Osten wären laut Berechnungen bis zu 450 000 Jobs betroffen. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat in einer aktuellen Studie gezeigt, dass ein allgemeiner Mindestlohn zu erheblichen Mehrbelastungen der öffentlichen Haushalte führen würde. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung beziffert die zusätzliche fiskalische Belastung eines erhöhten Verwaltungsaufwandes und die gestiegenen Kosten für die Arbeitsvermittlung auf circa 9 Milliarden Euro. Insbesondere die neuen Bundesländer wären davon betroffen. Sie sehen also, es gibt keinen guten Grund für einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn, aber es gibt viele gute Gründe dagegen. Deshalb treten wir als Liberale für branchenbezogene, regional differenzierte Mindestlöhne ein, für Mindestlöhne, die von Gewerkschaften und Arbeitgebern in Tarifverträgen ausgehandelt werden. Damit wollen wir auch die Rolle von Gewerkschaften und Arbeitgebern weiter stärken. Auf ein paar kleinere Punkte in den Anträgen möchte ich eingehen: Den Vorwurf der Grünen, die Koalition sei in Fragen von Lohnuntergrenzen "untätig" gewesen, kann ich nur nachdrücklich zurückweisen. Im Gegensatz zu den Behauptungen der Opposition haben sich christlich-liberale Regierungen in ihrer Regierungszeit schon immer mit diesen Fragen befasst. Insgesamt gelten Mindestlöhne derzeit für fast 4 Millionen - genau: 3 851 500 - Beschäftigte. Allein von dieser Bundesregierung wurden erstmals Mindestlöhne für knapp 3 Millionen - genau: 2 785 500 - Beschäftige eingeführt, nämlich in folgenden Branchen: Abfallwirtschaft, Aus- und Weiterbildung, Bergbauspezialarbeiten, Gebäudereinigung, Pflege, Sicherheitsdienst-leistungen, Wäschereidienstleistungen und Zeitarbeit. Schon 1996 haben wir für die weiteren existierenden Mindestlöhne im Baugewerbe, Dachdeckerhandwerk, Elektrohandwerk, Maler- und Lackiererhandwerk die gesetzlichen Voraussetzungen durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geschaffen. Erstmalige Mindestlohnverordnungen in diesen Branchen wurden dann wie folgt erlassen: Baugewerbe 1997, Elektrohandwerk 1997, Dachdeckerhandwerk 1997, Maler- und Lackierer 2003. Überspitzt formuliert könnte man also sagen: Außer für 113 800 Maler und Lackierer hat Rot-Grün in Sachen Mindestlohn gar nichts getan. Untätigkeit können Sie uns also in dieser Frage nicht vorwerfen. Unser Vertrauen in die Tarifautonomie ist gerechtfertigt. Die Tarifpartner im Friseurhandwerk haben sich erst kürzlich auf einen neuen Tarifvertrag geeinigt, mit dem die Weitergeltung von teilweise 15 Jahre alten Tarifnormen beseitigt wird. Ich bin froh, dass Gewerkschaft und Arbeitgeber beschlossen haben, im Friseurhandwerk eine neue Seite in ihrer Zusammenarbeit aufzuschlagen. Die Grünen behaupten: Ein direkter Zusammenhang zwischen Mindestlohn und hoher oder wachsender Arbeitslosigkeit besteht entgegen den Äußerungen der Bundeskanzlerin nicht. So haben Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland, in denen die Arbeitslosigkeit aktuell in der EU am höchsten ist, die geringsten Mindestlöhne im EU-Vergleich. - Das findet meinen deutlichen Widerspruch! Von 27 EU-Staaten haben zurzeit 20 Staaten einen Mindestlohn. In 8 Staaten gibt es einen höheren Mindestlohn als in Spanien, Griechenland und Portugal, in 9 Staaten ist der Mindestlohn niedriger. Diese Position als "die geringsten Löhne im EU-Vergleich" zu bezeichnen, ist einfach falsch. Und hierbei ist noch nicht mit einbezogen, dass der Mindestlohn in Griechenland im Januar 2012 um 22 Prozent gesenkt wurde. Dass Sie ein industriell vergleichbares Nachbarland wie Frankreich nicht aufführen, das nach Luxemburg den zweithöchsten Mindestlohn in ganz Europa und eine Arbeitslosenquote von 11 Prozent hat, ganz zu schweigen von der Jugendarbeitslosigkeit von 26,5 Prozent, Stand April 2013, zeigt schon, wie schwach Ihre Argumentation ist. Da in dem Antrag der Grünen noch eine effektive Kontrolle der bestehenden Lohnuntergrenzen gefordert wurde, möchte ich kurz darstellen, dass es eine solche Kontrolle durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, FKS, bereits gibt und dass diese auch sehr erfolgreich ist. Nach Branchen differenziert zeigt sich folgendes Bild: Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst: 1060 Kontrollen, 55 Verstöße, 5,18 Prozent; Aus- und Weiterbildungsleistungen nach SGB II und III: 58 Kontrollen, 0 Verstöße; Bauhauptgewerbe und Baunebengewerbe: 26 775 Kontrollen, 1 690 Verstöße, 6,31 Prozent; Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken: 4 Kontrollen, 0 Verstöße; Gebäudereinigung: 3 443 Kontrollen, 248 Verstöße, 7,20 Prozent; Pflegebranche: 844 Kontrollen, 50 Verstöße, 5,92 Prozent; Sicherheitsdienstleistungen: 1 924 Kontrollen, 124 Verstöße, 6,44 Prozent; Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft: 264 Kontrollen, 21 Verstöße, 7,95 Prozent. Man sieht also sehr deutlich, dass die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen überprüft wird und dass bis auf einen kleinen Anteil die allermeisten Unternehmen sich an die Regeln halten. Und zu dem albernen Argument, die Lohnzurückhaltung in Deutschland habe negative Auswirkungen auf den Rest Europas, will ich in Erinnerung rufen, dass Arbeitgeber in der Privatwirtschaft 2012 durchschnittlich 31 Euro für eine geleistete Arbeitsstunde aufwenden, so das Statistische Bundesamt im Jahr 2013. Damit gehört Deutschland nach wie vor zu den Industrieländern mit den höchsten Arbeitskosten, nämlich 32 Prozent mehr als im EU-Durchschnitt, in der Industrie sogar 47 Prozent mehr, so das Statistische Bundesamt im Jahr 2013. Deutschland geht es gut, auch im europäischen Vergleich. Es waren vier gute Jahre für unser Land. Natürlich geht es immer noch besser. Daran werden wir nach dem 22. September 2013 vier weitere Jahre gerne und engagiert arbeiten. Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vorletzte Woche hat der DGB die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema Mindestlohn veröffentlicht. Das Ergebnis ist äußerst erfreulich: Die Zustimmung zum gesetzlichen Mindestlohn ist in der Bevölkerung seit 2006 von 57 Prozent auf mittlerweile 86 Prozent gestiegen. Es ist überfällig zu handeln. Die derzeitige Regierung, die sich seit Jahren immer wieder gegen flächendeckende Mindestlöhne ausgesprochen hat, gerät immer stärker unter Druck. Wie lebt es sich, wenn man bewusst gegen eine gesellschaftliche Mehrheit regiert? Was ist das für ein Demokratieverständnis? Am Wochenende haben CDU und CSU ihr Wahlprogramm vorgestellt. Darin taucht plötzlich das Wort "Mindestlohn" auf, das die Regierung jahrelang gemieden hat wie der Teufel das Weihwasser. Aber das ist eine Mogelpackung und kein neuer Kurs. Denn die CDU/CSU meint keinen echten Mindestlohn im Sinn einer allgemeinen einheitlichen und verpflichtenden Untergrenze. Sie meint immer noch einen Pseudomindestlohn, der nach Branchen und Regionen differenziert und von Gewerkschaften ausgehandelt werden soll. Er soll nur in den Branchen in Kraft treten, wo es keine Tarifvereinbarungen gibt. Glaubt irgendjemand aus der CDU ernsthaft, das hätten Gewerkschaften nicht schon längst getan, wenn es möglich gewesen wäre? Diese Branchenregelungen sind vom ersten Tag kollektives Betteln und damit ein stumpfes Schwert im Kampf gegen Niedriglöhne. Das kann man ganz einfach ausrechnen: Nach dem Statistischen Bundesamt liegt die Schwelle für Niedriglöhne derzeit bei 10,36 Euro. Etliche Tariflöhne liegen deutlich darunter. In Hotels und Gaststätten in Mecklenburg-Vorpommern gibt es tarifliche Stundenlöhne von 6,73 Euro - nach dreijähriger Ausbildung. Ausgebildete Floristinnen in Brandenburg verdienen 5,26 Euro. Diese Beschäftigten brauchen den Mindestlohn dringend, trotz Tarifvertrag. Und ihnen wollen Sie das vorenthalten? Das sind nur zwei Beispielen von vielen. Und es geht noch schlimmer. Diese Woche wurde hier im Bundestag über die Arbeitsbedingungen in deutschen Schlachthöfen diskutiert. Hier arbeiten Arbeiter auf Werkvertragsbasis, teilweise für 170 Euro oder 180 Euro Monatslohn. Das ist Ausbeutung pur und diese schäbige Form der Ausbeutung ist in Deutschland tatsächlich legal, solange der Schlachthofbetreiber einen Werkvertrag mit einem rumänischen Unternehmen dazwischenschaltet. Wenn es in Deutschland einen allgemeinverbindlichen Mindestlohn gäbe, würden rumänische Arbeiter nicht mit Hungerlöhnen nach Hause gehen. Wir brauchen einen allgemeinen und flächendeckenden Mindestlohn, der dafür sorgt, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und auch im Alter nicht in bittere Armut geraten. Ein Mindestlohn unter 10 Euro greift zu kurz. Er löst die Probleme nicht, die durch Niedriglöhne entstehen. Erstens ist für viele Menschen bei einem Stundenlohn von 8,50 Euro das Einkommen unterhalb des Existenzminimums. Die Beschäftigten müssen dann weiterhin Aufstockerleistungen beantragen. Das ist eine entwürdigende und demütigende Prozedur für die Betroffenen, die trotz ihrer Arbeit zu Bittstellern werden. Ihr Lebensunterhalt wird mit Steuermitteln bezuschusst. Nicht der Unternehmer als eigentlicher Profiteur bezahlt, sondern die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Mit anderen Worten: Der Staat leistet bei den Niedriglöhnen eine verdeckte Lohnsubvention, die die gesamte Gesellschaft tragen muss. Der Gesamtumfang dieser Subventionen ist gigantisch: Alleine zwischen 2007 und 2011 waren es 53 Milliarden Euro. Das ist eine Form der Umverteilung, die die Linke grundsätzlich ablehnt. Zweitens führen Löhne unter 10 Euro zwangsläufig dazu, dass die Betroffenen spätestens mit der Rente verarmen. Und wieder müsste der Staat die Löcher stopfen, um den Rentnerinnen und Rentnern wenigstens das Leben am Existenzminimum zu ermöglichen. Das sieht selbst die Bundesregierung. Mein Kollege Klaus Ernst hat im Januar dieses Jahres die Bundesregierung gefragt, welcher Bruttostundenlohn notwendig wäre, um eine Rente in Höhe der Grundsicherung von 707 Euro zu erhalten. Er ist dabei von der optimistischen Voraussetzung ausgegangen, dass der oder die Betroffene 45 Jahre durchgängig in Vollzeit gearbeitet hat. Die Antwort der Bundesregierung war, man höre: "gut 10 Euro" Bruttostundenlohn. Wir sind der Auffassung, dass das im Moment eine absurde Flickschusterei ist: Zuerst lässt man zu, dass sich Unternehmen mit Niedriglöhnen bereichern, und hinterher müssen dann Steuermittel ausgegeben werden, um wenigstens die ärgsten Folgen des Lohndumpings etwas abzumildern. Dieser Unfug wird erst ein Ende haben, wenn ein allgemeiner flächendeckender Mindestlohn von mindestens 10 Euro eingeführt wird. Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Beim Thema Mindestlohn vollführt die Bundesregierung seit geraumer Zeit einen wahren Eiertanz. Man könnte denken, es handele sich beim Mindestlohn um eine neue, gefährliche Erfindung. Man könnte denken, dass erhebliche Risiken und Nebenwirkungen unbekannten Ausmaßes auf uns lauern. Tatsächlich haben bereits 20 der 27 EU-Länder einen gesetzlichen Mindestlohn, Luxemburg seit 1944, Frankreich seit 1950 und die Niederlande seit 1969. Großbritannien hat ihn 1999 eingeführt. Die Risiken und Nebenwirkungen befinden sich vielmehr dort, wo es keinen Mindestlohn gibt. Hier und heute bei uns in Deutschland. Belgien hat sich bei der EU-Kommission über Lohndumping in Deutschland beschwert. Denn durch deutsche Billiglöhne auf Schlachthöfen werden Arbeitsplätze in Nachbarländern vernichtet. Der EU-Sozialkommissar appelliert an Deutschland, durch angemessene Mindestlöhne die Verarmung von Arbeitnehmern zu verhindern. Denn Deutschland hat den siebtgrößten Niedriglohnsektor in der EU. Das hat eine Analyse der Hans-Böckler-Stiftung ergeben, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Das ist ein Armutszeugnis, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Mit ihrer Untätigkeit in Sachen Mindestlohn, gibt die Bundesregierung quasi ihr Okay für Niedriglöhne. Damit sagt sie 1,4 Millionen Beschäftigten in Deutschland, dass es okay ist, dass sie weniger als 5 Euro die Stunde brutto verdienen. Sie sagt den Hartz-IV-Aufstockern, dass es okay ist, wenn sie trotz Vollzeitbeschäftigung Sozialleistungen beantragen müssen. Ich sage Ihnen: Das ist alles andere als okay. Der Mindestlohn-Antrag des Bundesrates stand in dieser Woche zum vierten Mal auf der Tagesordnung des Ausschusses für Arbeit und Soziales. Und die Koalitionsfraktionen haben ihn zum vierten Mal abgesetzt. Dieses Verhalten kann nur einen Grund haben: Sie wollen sich der Debatte nicht stellen. Denn wenn sie es täten, dann würden CDU/CSU und FDP zugeben müssen, dass sie gar nicht vorhaben, einen Mindestlohn ohne Hintertür einzuführen. Dabei gibt es längst eine Mehrheit dafür, in der Bevölkerung und auch im Bundesrat. Zwar reden die Kollegen von CDU/CSU und FDP immer wieder von ihren Lohnuntergrenzen, mit denen sie angeblich gegen Niedriglöhne und Lohndumping vorgehen wollen. Aber sobald es ernst wird, tauchen die Damen und Herren der Koalitionsfraktionen ab. Dieses Verhalten haben sie mittlerweile perfektioniert wie ein Papageientaucher. Auf die vagen Ankündigungen nach Lohnuntergrenzen, Branchenmindestlöhnen und tariflichen Mindestlohnkonzepten, in denen von vornherein Ausnahmen eingebaut werden, kann man getrost verzichten. Damit können Sie auch niemandem mehr Sand in die Augen streuen. Ein Mindestlohn, der alle zuverlässig vor Lohndumping schützt und fairen Wettbewerb sicherstellt, sieht anders aus. Er ist flächendeckend, gesetzlich und sorgt dafür, dass Alleinstehende von der eigenen Arbeit leben können. Und das bedeutet 8,50 Euro als absolute Untergrenze. So steht es auch in unserem Antrag. Die Aussagen der Regierungsfraktionen sind dagegen nichts als heiße Luft. Einen eigenen Antrag gibt es von Ihnen nicht. Die Initiative vom Bundesrat wird verschleppt. In dieser Wahlperiode ändert sich auf jeden Fall nichts mehr, dafür haben die Regierungsfraktionen mit ihrer Verschleppungstaktik gesorgt. Mit uns Grünen wird das anders. Das hat nicht zuletzt unser grüner Mitgliederentscheid gezeigt, bei dem der Mindestlohn zu einem prioritären Politikprojekt erhoben wurde. Uns ist es ernst mit dem Mindestlohn für alle. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 17/14002. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13551. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünen auf Drucksache 17/13719. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsmehrheit gegen die Stimmen der Opposition angenommen. Tagesordnungspunkt 62: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Innenausschusses (4. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Umfassende Visaliberalisierungen für Menschen in Russland und Osteuropa - zu dem Antrag der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen), Memet Kilic, Viola von Cramon-Taubadel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Visapolitik liberalisieren - Drucksachen 17/9191, 17/9951, 17/13347 - Berichterstattung: Abgeordnete Reinhard Grindel Rüdiger Veit Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Ulla Jelpke Memet Kilic Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wir wissen seit der, von den Innenpolitikern der CDU/CSU immer abgelehnten, Visafreiheit für Serbien und Montenegro, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Art der Reisefreiheit und der Asylantragstellung in Deutschland gibt. Nur durch die drastische Verkürzung der Verfahren für die Asylbewerber vor allem aus Serbien konnte ihre Zahl ganz erheblich reduziert werden. Was die Antragsteller von Grünen und Linken wohl völlig übersehen, ist, dass schon heute die Asylbewerber aus Russland die mit Abstand größte Gruppe darstellen. Mit über 7 500 Antragstellern sind in diesem Jahr bereits mehr als doppelt so viele wie aus Syrien zu uns gekommen, und das ohne Visafreiheit. Daran lässt sich absehen, dass der Migrationsdruck aus Russland sehr groß ist. Dass sich dieser Migrationsdruck natürlich erst recht aus Ländern wie Moldawien oder Georgien ergeben würde, versteht sich von selbst. Es hat sich bereits eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet, die durch die Überstellung von Asylbewerbern nach dem Dublin-Verfahren, konsequentes Vorgehen gegen Schleuser und die Intensivierung des Informationsaustausches mit allen in- und ausländischen Behörden versucht, den Asylbewerberzustrom einzudämmen. Würden wir jetzt die Visafreiheit einführen, würde dieses zu einer völlig ungesteuerten Zuwanderung von Asylbewerbern aus den verschiedensten russischen Republiken führen, die uns vor sehr große Integrationsprobleme stellen würde. Und man muss sich ganz nüchtern vor Augen führen, dass wir es hier auch mit massiven Sicherheitsproblemen zu tun haben. Es gibt schon heute eine ganze Reihe von Gruppen, die Bezüge zu islamistischen und teilweise auch terroristischen Organisationen, vor allem aus dem Nordkaukasus, hat. Nach den derzeitigen Angaben haben unsere Sicherheitsbehörden zwar keine Erkenntnisse, dass von diesen Personen eine unmittelbare terroristische Bedrohung für unser Land ausgeht, Deutschland dient aber als Rückzugsraum für die finanzielle und logistische Unterstützung. Das betrifft Kriminelle und Terrorverdächtige aus Tschetschenien, Dagestan, Inguschetien, Nordossetien und viele andere Regionen mehr. Wenn wir die Visafreiheit mit Russland vereinbaren würden, dann würden auch diese Aktivitäten weiter zunehmen, woran wir kein Interesse haben können. Auch Gesichtspunkte der Spionageabwehr sprechen deutlich gegen eine weitere Visaliberalisierung. Diese Anträge kommen auch in einer Phase der deutsch-russischen Beziehungen, die eher von Spannungen als von einem vertrauensvollen partnerschaftlichen Dialog geprägt sind. Ich erinnere nur an die unglaubliche Verfolgung unserer politischen Stiftungen in Russland, an die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, wenn es um die Grundrechte auf Pressefreiheit oder Demonstrationsfreiheit geht, und ich erinnere an das Gezerre um die Beutekunst. In diese politische Landschaft passt ein Antrag auf Visumfreiheit überhaupt nicht, und es ist in außenpolitischer Hinsicht völlig unsensibel, dass Linke und Grüne diesen Antrag jetzt noch haben auf die Tagesordnung setzen lassen. Das Verhalten der Grünen verwundert auch deshalb, weil sie noch im April im Rahmen einer Aktuellen Stunde gefordert haben, keine Visa für Inhaber russischer Dienstausweise auszustellen, um so Druck auf die Regierung in Sachen Demokratie und Menschenrechte auszuüben. Sie haben also selbst den Zusammenhang zwischen Menschenrechtsverletzungen und Visapolitik hergestellt. Nun habe ich schon bei der Einbringung dieses Antrages darauf hingewiesen, dass es auch aus Gründen der Wirtschaftskontakte zu Russland oder der Ukraine keinen Grund für eine Einführung der Visumfreiheit gibt. Ich habe bei dieser Gelegenheit bereits deutlich gemacht, dass mit den Innenpolitikern der CDU/CSU eine Aufhebung nicht zu machen ist. Ich stelle fest: Dabei bleibt es, und die heutige Debatte zeigt auch, dass unsere gesamte Fraktion so denkt. Ich habe in der Debatte den Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, der sich bei diesem Thema bisher nicht gerade sehr sachkundig gezeigt hat, aufgefordert, auch nur einen einzigen Fall zu benennen, wo die Visafreiheit die einzige Möglichkeit wäre, Wirtschaftskontakte zu pflegen, und nicht das bereits bestehende Instrumentarium alle Bedürfnisse der deutschen Wirtschaft zufriedenstellend regeln kann. Es ist mir bis heute kein einziger Fall geschildert worden. Der Ost-Ausschuss hat sich bei mir auch nie gemeldet, um überhaupt über die Sache sich einmal fachlich auszutauschen. Insofern sage ich in aller Deutlichkeit: Wirtschaftsprobleme wegen der Visapflicht gibt es nicht, und der Ost-Ausschuss soll endlich aufhören, hier gezielt einen falschen Eindruck zu verbreiten. In Wahrheit gibt es eine Vielzahl von Instrumenten, die es schon heute sehr einfach machen, auf unbürokratische Weise mit der Visumpflicht umzugehen. Wir haben das Notenstellenverfahren, wir haben das Bona-fide-Verfahren, wir haben längst eine Regelung, wonach nach zwei Schengen-Visa, die ein Ausländer erhalten hat, auf eine erneute persönliche Vorsprache in der Visastelle der konsularischen Vertretung verzichtet werden kann. Es gibt die häufigere Erteilung eines Mehrjahresvisums. Wo also sind die Probleme? Deshalb wiederhole ich eine Vermutung, die ich bereits in der Einbringungsdebatte geäußert habe und der daraufhin der Ost-Ausschuss auch nicht widersprochen hat: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass eben doch aus wirtschaftlichen Gründen Personen nach Deutschland einreisen können sollen, bei denen man bei intensiverer Prüfung vielleicht zu dem Schluss käme, diese Personen eben nicht in unser Land zu lassen. Da kann ich nur sagen: Es ist gerade die Aufgabe von uns Innenpolitikern, nicht nur die Reisefreiheit, sondern auch die Sicherheit im Blick zu haben. Gleichzeitig fordere ich, dass Markt und Moral auch beim Thema Visumfreiheit nicht außer Betrachtung bleiben. Staatsangehörige aus Russland befinden sich seit vielen Jahren immer unter den Top-10-Ländern, wenn es um Personen geht, die von der Bundespolizei als Illegale aufgegriffen worden sind. In Deutschland wurden insgesamt 23 von russischen Tatverdächtigen dominierte Gruppen der organisierten Kriminalität festgestellt, die sich hauptsächlich in den Bereichen Rauschgifthandel, Wirtschaftskriminalität, Steuer- und Zolldelikte sowie Eigentumskriminalität betätigen. Nach Angaben unserer Sicherheitsbehörden gibt es nicht den geringsten Zweifel, dass durch die Visumfreiheit sich Strukturen der organisierten Kriminalität noch verdichten würden. Das ist mit der CDU/CSU nicht zu machen! Rüdiger Veit (SPD): Reisefreiheit ist ein hoher Wert jeder freien und demokratischen Gesellschaft und als solcher erstrebenswert und wichtig. Die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Die Linke fordern Reisefreiheit aber nicht etwa aus diesen Motiven, sondern vor allem, weil eine Initiative des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft dies fordert; ebenso allerdings auch Verbände, Vereine und Unternehmen. Selbstverständlich müssen Visabestimmungen so ausgestaltet sein, dass ein wirtschaftlicher und kultureller Austausch zwischen verschiedenen Ländern möglich ist und unterstützt wird und nicht so streng, dass ein solcher Austausch fast zum Erliegen kommt. Und ebenso selbstverständlich sollte es nicht zu willkürlichen Visaentscheidungen kommen. Wenn die Sachverständigen anlässlich der Anhörung des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages am 28. September 2011 zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die geltenden Visabestimmungen zu deutlich negativen Auswirkungen in "politischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und kultureller Hinsicht" führen und auch zahlreiche Einzelpersonen Beschwerden einlegen, weil sie sich von den Visabehörden schlecht behandelt fühlen, so müssen wir hier Abhilfe schaffen. Insbesondere Letzteres kann ich aus eigener Erfahrung mit der Bearbeitung von Einzelpetitionen bestätigen, in denen es um auch mir nicht nachvollziehbar erscheinende Ablehnungen, Infragestellungen des Reisezwecks und der Rückkehrbereitschaft geht. Verbesserungen im Verfahren und Visaerleichterungen kann ich mir durchaus vorstellen, und dies sollten wir ernsthaft prüfen. Warum dann aber nur in Bezug auf Russland und Osteuropa? Nicht außer Acht lassen kann man jedoch auch die sicherheitspolitischen Anliegen Deutschlands. Durch den Visauntersuchungsausschuss haben wir erfahren müssen, dass Visaerleichterungen vor allem auch Erleichterungen für organisierte Kriminalität, zum Beispiel Menschenhandel, sind. Ein Antrag, der Visafreiheit fordert, muss sich mit diesem Aspekt zumindest auseinandersetzen. Das geschieht jedoch nicht einmal in Ansätzen. Zumindest anmerken möchte ich zum Schluss, dass sich der Antrag der Kolleginnen und Kollegen der Linken in vielen Positionen auf die Argumentation des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, also eines Arbeitgeberverbandes, stützt. Das sind eigentlich in der Regel nicht die Kronzeugen, die die Linke üblicherweise zur Untermauerung ihrer Positionen heranzieht. Ich jedenfalls halte nichts davon, mich zum Vertreter eines einzigen Lobbyverbandes zu machen. Visaerleichterung allgemein zu prüfen, ist sicher notwendig; Visafreiheit für Russland und Osteuropa ohne Augenmaß nicht. Ich empfehle daher die Ablehnung des Antrags. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Nur wer der Welt gegenüber aufgeschlossen ist, kann den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht werden, um nicht vergessen oder ignoriert zu werden, während der Rest der Welt sich vernetzt. Visapolitik ist dabei ein wichtiges Werkzeug der Außenpolitik, um den Bürgern anderer Länder zu signalisieren, dass sie in Deutschland willkommen und erwünscht sind. Gerade in Zeiten der Globalisierung und des demografischen Wandels ist es auch für Deutschland von enormer Bedeutung, Fachkräfte für unser Land zu gewinnen, Investoren zu begrüßen und einen sowohl wirtschaftlichen als auch kulturellen Austausch zu betreiben. Nur so kann man dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt standhalten. Der FDP-Fraktion sind deshalb Visaerleichterungen für Menschen in Russland und Osteuropa besonders wichtig. Gerade in den letzten zwei Jahrzehnten sind die Beziehungen immens gestiegen. Deutschland und Osteuropa stehen eng zusammen. Die junge Generation in Russland, der Ukraine, Kasachstan und anderen Staaten ist neugierig und interessiert an unserem Land. Deutsch ist dort die beliebteste zweite Fremdsprache; viele möchten und kommen zu uns zum Studieren. Dieses große Potenzial müssen wir nutzen. Außerdem hilft dieser Dialog über Visaerleichterungen, die Brücken zu Russland beizubehalten. Die restriktive Handhabung unseres Visaregimes muss schon in Anbetracht der momentanen Stimmung zwischen unseren Ländern gelockert werden. Nur Dialog und Offenheit kann das Miteinander verstärken. Wir sind noch immer der stärkste Vertraute Russlands als Vermittler zwischen Russland und der Europäischen Union. Aus meiner Sicht sollten Visaerleichterungen aber auch für die Bürger der Ukraine gelten. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass Visaanträge einfacher eingereicht werden können, schneller bearbeitet werden und ein Visum schließlich unkomplizierter erteilt wird. Als weltoffenes Land ist es unsere Pflicht, unnötige Hindernisse zu beseitigen. Erste Erfolge haben wir in den letzten vier guten Jahren für Deutschland schon erreicht: Die persönliche Vorsprache von Reisenden, die innerhalb von zwei Jahren mindestens zweimal ein Schengen-Visum erhalten haben, ist nicht mehr nötig. Die Vorrangprüfung von Fachkräften aus dem Nicht-EU-Ausland entfällt seit der Umsetzung der sogenannten Bluecard-Richtlinie. Zudem wurde die Visawarndatei eingeführt. Diese ermöglicht, dass alle am Visumverfahren beteiligten Behörden Zugriff auf die gleichen Informationen haben und nicht mehr - wie bisher - bei Auffälligkeiten in ihren eigenen Datenbanken nach Erkenntnissen der anderen Stellen fragen mussten. Damit wurde ein ganzes Stück Bürokratie abgebaut und die Visavergabe insbesondere für Studenten erleichtert. Das Auswärtige Amt, aber auch viele andere Stellen bemühen sich aber auch weiterhin darum, das Visavergabeverfahren zu erleichtern. Insbesondere bestehen Bemühungen, osteuropäische Staaten zu Visadialogen mit der EU-Kommission zu bewegen. Speziell die Türkei soll zu einem solchen Dialog animiert werden. Langfristig setzen wir uns für eine völlige Visafreiheit mit Ländern wie Russland, der Türkei und der Ukraine ein. Es muss genau geprüft werden, bei welchen Ländern auch langfristig noch eine Visapflicht erforderlich ist und diese beibehalten werden muss. Insoweit zeigt sich eine deutliche Schwäche sowohl des Antrags von der Fraktion Die Linke als auch des Antrags von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Während die Linke Visaliberalisierung weltweit verlangt, fordern die Grünen dies direkt auch für Belarus, mithin für ein Land, in dem Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte noch immer vermisst werden. Dabei muss man sich doch aber die Frage stellen, ob die weißrussische Zivilgesellschaft tatsächlich von einer Visaliberalisierung profitieren würde. Oder würden nicht doch nur die Regimeanhänger profitieren? Nur wer aufgeschlossen ist und Visaerleichterungen befürwortet, kann am Weltmarkt überleben. Aber auch nur, wer aufgeschlossen ist und rechtsstaatliche Prinzipien einhält, darf von Visaerleichterungen profitieren. Wir werden dieses Thema in der nächsten Legislaturperiode weiter bearbeiten, und es wird weitere deutliche Fortschritte mit der schwarz-gelben Bundesregierung geben. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Ich bin sehr erfreut, dass wir das Thema Visafreiheit mit Russland und Osteuropa hier ganz zum Schluss dieser Legislaturperiode noch einmal besprechen. So ist es mir möglich, meine Bestürzung darüber zum Ausdruck zu bringen, wie wenig wir in dieser Frage, die uns Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses über die Fraktionsgrenzen hinweg so am Herzen liegt, bewegen konnten. Wir blicken auf vier Jahre zurück, in denen die Welt leider wieder nicht besser geworden ist: die sozialen Unruhen in den nordafrikanischen Ländern, deren Ursache vor allem in der Ungerechtigkeit zwischen den Menschen lag und liegt, die aus diesen Protesten hervorgegangenen Bürgerkriege in Libyen, Syrien und, nicht zuletzt als direkte Folge der Bewaffnung Libyens, der in Mali, von der Situation uns nun schon seit einer oder mehrerer Dekaden begleitenden Konflikte im Nahen Osten, in Afghanistan und im Irak mal ganz zu schweigen. Einzig rettender Anker in diesen schwierigen Situationen ist und bleibt die Möglichkeit, mit Menschen in diesen und allen anderen Staaten der Welt in Kontakt zu treten, die Konflikte zu besprechen und soziale Probleme in Angriff zu nehmen. Auch wir als Abgeordnete profitieren unendlich von der Möglichkeit solcher Kontakte und der Gespräche mit unseren Kolleginnen und Kollegen weltweit, ohne die die Ausübung unserer Tätigkeit beinah unmöglich wäre. Leider ist dies zwar für uns Abgeordnete noch möglich, für den allergrößten Teil der Menschen in Russland und Osteuropa jedoch ist es fast unmöglich, nach Europa zu reisen, um hier an dem so wichtigen Austausch teilzunehmen. Dabei sind mit den Protesten in den russischen Städten seit den Parlamentswahlen auch die seit langem existierenden Spannungen innerhalb Russlands deutlich geworden. Die Inhaftierungen politischer Aktivistinnen und Aktivisten sind die deutlichsten Zeichen der angespannten Situation. Zur Lösung dieser Probleme braucht es dringend einen zivilgesellschaftlichen Austausch zwischen Russland und Europa. Und was tun wir? Die Bundesregierung schweigt und nimmt eine zunehmende Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen in Kauf. Wir brauchen gute Beziehungen zu Russland, auch um Probleme wie Syrien nach zwei Jahren endlich in den Griff zu bekommen. Und wir wollen, dass unsere politischen Stiftungen in diesen Ländern ungehindert arbeiten können und das Vertrauen der jeweiligen Gesellschaften genießen. Aber warum schweigt die Bundesregierung? Weil ein paar Hardliner in der Unionsfraktion die von ihnen erfundenen Innengesetzgebungen nicht aufgeben wollen. Das ist keine problemlösungsorientierte Annäherungspolitik, Frau Merkel, sondern eine Probleme schaffende Abschottungspolitik. Und wofür? Des lieben Friedens willen in der Union. Es ist schon schlimm genug, dass das Bundesverfassungsgericht die Union vor sich hertreiben muss, siehe Homoehe. Aber hier wird um dieses lieben Friedens willen Millionen von Menschen, die unsere Nachbarn in Europa sind, verboten, sich frei in Europa zu bewegen. Die Zeiten nach dem Ende des Kalten Krieges, als es sich die westeuropäischen Staaten herausnehmen konnten, die Regeln für die Mobilität innerhalb Europas selber zu bestimmen, sind ein für alle Mal vorbei. Deutschland ist treibende Kraft dabei, dass ganz Europa gegen die Visaliberalisierungsabkommen verstößt. Und unsere Nachbarn reagieren und halten uns den Spiegel vor. Und plötzlich wundern sich die Deutschen, wenn sie bei der Beantragung eines Visums für Russland einen Einkommensnachweis vorlegen müssen. Der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft hat zudem deutlich gemacht, hierbei handelt es sich nicht nur um menschenunwürdiges Handeln, sondern auch um eine Schlechterstellung Deutschlands als Wirtschaftsstandort. Ist das wirklich in Ihrem Interesse? Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir appellieren: In welcher Konstellation auch immer dieses Land ab September regiert wird, fassen Sie sich alle ein Herz. Nehmen sie die Visaliberalisierung als wichtigen Teil der Außen- und Europapolitik in den Koalitionsvertrag auf. Und noch wichtiger: Handeln Sie endlich! Lassen Sie uns dieses unschöne letzte Kapitel des Kalten Krieges endlich abschließen. Die Linke jedenfalls wird sich weiter einsetzen und nicht locker lassen für eine Visafreiheit mit dieser Region und der ganzen Welt, weil wir glauben, dass dies für eine friedlichere Welt unabdingbar ist. Ulla Jelpke (DIE LINKE): In unserem Antrag fordern wir die Visafreiheit für Menschen aus der Russischen Föderation und den Ländern der Östlichen Partnerschaft und auf dem Weg dahin eine sofortige Liberalisierung der Visavergabe in den deutschen Auslandsvertretungen. Um dies gleich zu Beginn klarzustellen: Unsere Forderung nach Visaliberalisierungen und Visumfreiheit ist nicht auf bestimmte Länder beschränkt und gilt allgemein. Das visafreie Reisen zwischen der EU und der Russischen Föderation sowie den Staaten der Östlichen Partnerschaft ist seit Jahren erklärtes Ziel in der Zusammenarbeit beider Seiten. Die EU hat die Visumfreiheit bereits fest zugesagt. Vor diesem Hintergrund ist es schlicht inakzeptabel, dass die deutsche Politik dieses Ziel in vielfacher Hinsicht konterkariert. Sowohl Einzelpersonen, die ihre Verwandten in Deutschland besuchen wollen, als auch Vereine, Verbände und Unternehmen beklagen die äußerst restriktive Vergabepraxis an den deutschen Auslandsvertretungen. Gerade für Angehörige könnte eine wesentliche Erleichterung geschaffen werden, wenn ihnen deutlich häufiger als bislang Mehrjahresvisa ausgestellt würden. Leider gehen die Auslandsvertretungen mitunter den gegenteiligen Weg: Wer jahrelang problemlos Verwandte in Deutschland besuchen konnte, bekommt auf einmal wegen vermeintlich fehlender Rückkehrbereitschaft kein Visum mehr. Andere EU-Staaten machen deutlich häufiger von der Möglichkeit Gebrauch, Mehrjahresvisa zu vergeben. Beklagenswert sind auch die extrem langen Wartezeiten und das aufwendige Antragsverfahren für ein Visum. Das Visumverfahren wollen wir hinsichtlich der geforderten persönlichen Unterlagen erleichtern, auf die persönliche Vorsprache soll, so weit wie möglich, verzichtet werden, und bevorzugt sollen Mehrjahresvisa erteilt werden. Die Wartezeiten müssen durch eine bessere personelle Ausstattung der Auslandsvertretungen gesenkt, auf Einladungsschreiben soll weitgehend verzichtet und das Reisebüroverfahren ausgeweitet werden. Es ist schon erstaunlich, dass sich die Linke hiermit im Einklang mit Forderungen der deutschen Wirtschaft befindet, während in der Koalition vor allem die Innere-Sicherheits-Fanatiker die Politik bestimmen. Laut einem Bericht der EU-Kommission vom November 2012 könnten Visaerleichterungen bis zum Jahr 2015 EU-weit Mehreinnahmen von bis zu 60 Milliarden Euro und bis zu 500 000 Arbeitsplätze erbringen, allein in der Tourismusbranche. Doch weder ökonomische noch humanitäre Aspekte scheinen die Bundesregierung in dieser Frage zu interessieren. Ich will auf zwei Punkte noch einmal gesondert zu sprechen kommen, weil es hier nicht nur um eine beklagenswerte Abwehrhaltung der Politik, sondern um klare Rechtsbrüche in der deutschen Visapraxis geht: überlange Wartezeiten und der Einsatz privater Dienstleister. Die im EU-Visakodex vorgegebene maximale Zweiwochenwartefrist für einen Vorsprachetermin zur Antragstellung wird gerade in Bezug auf Russland schon seit Jahren deutlich und lang andauernd überschritten, obwohl dies nur in Ausnahmefällen zulässig wäre. Visaantragsteller in Moskau warteten im Mai diesen Jahres 11 Wochen auf eine Vorsprache in der Visastelle, in Jekaterinburg 8,5 Wochen. In beiden Auslandsvertretungen wurde die Antragsannahme auch an kostenpflichtige externe Dienstleister ausgelagert. Eigentlich ist die Auslagerung an externe Dienstleister im Visakodex nur als letztes Mittel vorgesehen, wenn anders eine fristgemäße Bearbeitung der Visaanträge nicht mehr möglich ist. Die Bundesregierung setzt diese externen Dienstleister aber systematisch ein, um die massiven Personalkürzungen an den deutschen Auslandsvertretungen auszugleichen. Bei den Visumantragstellern wird der Eindruck erweckt, sie könnten ihr Visum nur noch über die teuren externen Dienstleister beantragen, obwohl das ein Verstoß gegen den Visakodex wäre. Trotz eines Anstiegs der Zahl der Visaanträge um 18 Prozent wurden in den Jahren 2009 bis 2012 zum Beispiel 15 Prozent des Personals in der Visabearbeitung an den deutschen Auslandsvertretungen in Russland eingespart. Dies läuft ebenfalls ganz klar den Anforderungen des Visakodex entgegen, der von den EU-Staaten eine ausreichende personelle Ausstattung der Visastellen fordert. Die Bundesregierung muss diese systematischen Verstöße gegen den EU-Visakodex sofort einstellen. Meine Fraktion hat die EU-Kommission über die rechtswidrigen deutschen Praktiken im Visumverfahren unterrichtet, und ich hoffe, dass die Kommission wirksamen Druck ausüben und notfalls ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten wird. Die Fraktion Die Linke will es bei den angestrebten Visaerleichterungen wie gesagt nicht bei Russland belassen. Die Zahlen zur Erteilung und Ablehnung von Visa in den deutschen Auslandsvertretungen weltweit zeigen eine soziale Selektivität des Visumverfahrens. In den ärmeren Staaten wird bei bestimmten Personengruppen offenkundig regelmäßig davon ausgegangen, dass Antragstellerinnen und Antragsteller ohnehin nicht beabsichtigen, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Pauschal wird eine fehlende Rückkehrbereitschaft unterstellt, was die Betroffenen nur mit einem hohen regelmäßigen Einkommen und dem Besitz von Grundeigentum widerlegen können. Selbst umfangreiche familiäre Bindungen im Herkunftsstaat reichen oft nicht, um die Rückkehrbereitschaft belegen zu können. Regelmäßig begegnen mir in meinem Wahlkreis solche Fälle, wo Besuche bei Verwandten in Deutschland durch die schematisch unterstellte fehlende Rückkehrbereitschaft verhindert werden. Auch an dieser Stelle ist von der durch Bundeskanzlerin Merkel ausgerufenen Willkommenskultur in der Migrationspolitik nichts zu merken. Ich fordere von der Koalition: Stellen Sie endlich die Weichen für eine liberale und weltoffene Visumpolitik, und stimmen Sie unserem Antrag zu! Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Außenpolitiker von Union und SPD haben in großkoalitionärer Weise im Sommer 2011 eine "Interfraktionelle Arbeitsgruppe für eine parlamentarische Initiative zur Visa-Liberalisierung" gestartet. Ziel dieser - mit viel gegenseitigem Schulterklopfen angekündigten - Arbeitsgruppe war, "die Entwicklung einer gemeinsamen fraktionsübergreifenden Initiative aus dem Deutschen Bundestag, die zu Erleichterungen und zu einer Liberalisierung der bisherigen Visapraxis mit Russland führt". Nach zahlreichen Sitzungen sowie einer öffentlichen Anhörung im Auswärtigen Ausschuss ist das Projekt sang und klanglos in der Versenkung verschwunden. Die Innenpolitiker beider Fraktionen haben sich mit Hinweis auf in der Sache nicht begründbare Sicherheitsbedenken und unter Rückgriff auf xenophobe Ressentiments quergestellt. Die groß angekündigte "fraktionsübergreifende Initiative" hat es nicht gegeben. Wenn wir heute Bilanz ziehen, müssen wir leider feststellen, dass die Bundesregierung in der gesamten zurückliegenden Legislaturperiode nahezu nichts für die Reisefreiheit unserer Nachbarinnen und Nachbarn in Osteuropa unternommen hat. Im Gegenteil: Indem sie dem russischen Repressionsapparat exklusiv visafreies Reisen ermöglichte, während die russische Bevölkerung sich nach wie vor an den Konsulaten die Beine in den Bauch stehen muss, hat sie den Menschen vor Ort einen Bärendienst erwiesen. Unser Antrag, der Visaerleichterungen und visafreies Reisen nicht nur für Russland und nicht nur für eine ohnehin privilegierte Elite fordert, wurde mit den Stimmen von Union und SPD im Innenausschuss abgelehnt. Dabei schien eigentlich unter den Außenpolitikerinnen und Außenpolitikern der "AG Visaliberaliserung" ein Konsens zu herrschen, dass gerade in Zeiten von zunehmenden autoritären Entwicklungen in zahlreichen Nachbarländern der Europäischen Union die Visaliberalisierung notwendig ist wie nie zuvor. Mit einem einfachen Mittel, nämlich der Gewährung von Reisefreiheit, könnten wir auch die Demokratiebewegungen in Russland, Belarus, der Türkei, der Ukraine und in anderen Staaten stärken, indem wir ihnen ermöglichen, das Leben in pluralistischen und demokratischen Gesellschaften aus erster Hand zu erfahren. Stattdessen helfen wir Autokraten wie Alexander Lukaschenko dabei, ihre Bürgerinnen und Bürger einzusperren, indem wir enorm hohe Hürden für die Einreise in die Europäische Union bzw. den Schengen-Raum aufstellen. Nicht nur die hohen Kosten für ein deutsches Schengen-Visum schrecken viele Menschen von einer Beantragung ab; auch die erniedrigenden und langwierigen Beantragungsverfahren stellen oft ein schier unüberwindbares Hindernis dar und sind durch nichts zu rechtfertigen. Die gerade von deutschen Konsulaten im Grundsatz bezweifelte Rückkehrbereitschaft stellt alle Antragstellerinnen und Antragsteller unter Generalverdacht. In der Folge haben vor allem die noch wenig verwurzelten jungen Menschen kaum eine Chance auf eine Visumserteilung. Das ist tragisch, sind sie doch die kommenden Eliten ihrer Länder, für die eine Annäherung an die EU in unserem Interesse wäre. Dass diese Verfahren nicht nur den zivilgesellschaftlichen Austausch behindern, sondern auch der wirtschaftlichen Kooperation im Wege stehen, prangerte auch der Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft in einer Stellungnahme vom Juli 2011 an. Darin heißt es: "Visa sind ein Investitionshemmnis, Visa verursachen Wettbewerbsnachteile und Visa sind ein Kostenfaktor: Allein Deutsche und Russen kostet die gegenseitige Beantragung von Visa jährlich schätzungsweise 162 Millionen Euro. Rechnet man alle Posten zusammen - Bürokratiekosten in den Unternehmen, Verluste durch geplatzte Geschäfte, verhinderte Investitionen, Verwaltungskosten in den Konsulaten und an den Grenzen - so lässt sich feststellen, dass die bestehenden Regelungen die europäische Wirtschaft und die Steuerzahler jährlich mit hunderten von Millionen Euro belasten. Die Abschaffung der Visapflicht wäre ein europäisches Konjunkturprogramm zum Nulltarif, das Kosten vermeiden, Investitionsbremsen lösen und von Jahr zu Jahr mehr Rendite abwerfen würde." Für uns Grüne ist die Abschaffung der Visapflicht allerdings nicht nur "ein Konjunkturprogramm zum Nulltarif", sondern auch der Schlüssel zur Verbreitung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und offener Diskussionskultur. Deswegen fordere ich die Kolleginnen und Kollegen von Union und SPD auf, ihren großen Worten endlich Taten folgen zu lassen. Stimmen Sie unserem Antrag zu und setzen Sie sich ernsthaft für eine deutliche Lockerung der EU-Reiseregeln und ein klares Eintreten Deutschlands für Visaliberalisierungen auf EU-Ebene ein! Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Innenausschusses auf Drucksache 17/13347. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/9191. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünen auf Drucksache 17/9951. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen von Linken und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkte 64 a und 64 b: a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten - Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft ausbauen - Drucksachen 17/13090, 17/14102 - Berichterstattung: Abgeordnete Tankred Schipanski René Röspel Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dr. Petra Sitte Krista Sager b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Ekin Deligöz, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern - Drucksachen 17/11687, 17/14106 - Berichterstattung: Abgeordnete Tankred Schipanski René Röspel Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dr. Petra Sitte Krista Sager Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Florian Hahn (CDU/CSU): Im Dezember letzten Jahres haben wir bereits zu diesem Thema gesprochen. Damals lag uns nur der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Heute kommt ein weiterer Antrag hinzu. Die Linke will es sich nicht nehmen lassen und bringt ebenfalls dieses Thema auf die Agenda. In meiner ersten Rede zu dieser Thematik habe ich mich damals schon verwundert gezeigt, warum die Grünen einen Antrag schreiben, der mehr der Rhetorik der Linken gleicht als ihrer eigenen, wobei man da manchmal nicht mehr unterscheiden kann. Was ich damals gesagt habe, gilt auch heute noch, und das ganz besonders für den Antrag der Linkspartei: Sozialistische Planforschung gab es schon einmal in Deutschland. Die CDU/CSU-Fraktion bewahrt die Freiheit der Forschung. Im Gegensatz zu den beiden Oppositionsfraktionen befürworten wir die Freiheit der Wissenschaft und Forschung und wollen ihr kein ideologisierendes Diskussionsforum vorschalten. Es muss der Grundsatz gelten, dass wir der Forschung keine ideologischen Schranken vorsetzen wollen. In den Fällen, in denen eine Beratung und Abwägung zivilgesellschaftlicher Themen wichtig und richtig sind, haben wir bereits heute die nötigen Grundlagen geschaffen. Grundsätzlich stehen wir der Partizipation von Verbänden aus der Zivilgesellschaft positiv gegenüber. In bestimmten Bereichen unterstützen wir diese sogar ausdrücklich. Bei ethisch relevanten Fragen wie der Stammzellenforschung oder Gentechnik werden schon heute einschlägige gesellschaftliche Akteure, etwa über den Deutschen Ethikrat, DER, breit eingebunden. Hier findet ein sinnvoller Austausch zwischen Forschung und Zivilgesellschaft statt. Dieses erfolgreiche Konzept wollen wir auch beibehalten. Lassen Sie mich kurz den derzeitigen Weg des Agendasettings beispielhaft am Gesundheitsforschungsprogramm skizzieren, um Ihnen deutlich zu machen, welche dramatischen Folgen die Zustimmung zum Antrag der Grünen hätte. Im Jahre 2004 wurde bereits unter Rot-Grün der Gesundheitsforschungsrat eingerichtet, der einen Roadmap-Prozess initiierte. Hierbei wurde fachgeleitet evaluiert, welche Themen von Interesse sein könnten und welche Forschungsprojekte angestoßen werden sollten. Dieser Austausch fand zwischen Wissenschaftlern statt, die das nötige Fachwissen für das Thema aufbringen. Aus diesen Beratungen ging eine Publikation des Roadmap-Prozesses hervor, die an das BMBF weitergeleitet wurde. Dass Sie nun ihre eigens kreierten Strukturen aufheben wollen, spricht wieder einmal für Ihre Inkonsistenz. Neben dem Input durch den Rat wurden noch weitere Informationen, etwa von der Forschungsunion, bezogen. Als Ergebnis dieses Prozesses entstand das Gesundheitsforschungsprogramm, in dem sich nun Forschung und Wissenschaft frei entfalten können. Es ist ein Bottom-up-Prozess aus der Wissenschaft für die Wissenschaft. Die Grünen und auch die Linken planen nun ein ideologisiertes Diskussionsforum von NGOs, Forschern und Zivilpersonen, um innerhalb dieser Gremien zu entscheiden, welche Forschung betrieben werden soll und darf. Die Kompetenzen der Forschungselite würden dabei in einem Wirrwarr von Einzelinteressen und Gefälligkeiten untergehen. Es entstünde ein Kontrollgremium, das Agendasetting nach eigenem Ermessen vornimmt und Gefälligkeitsforschung betreibt. Von der Freiheit der Forschung kann dann keine Rede mehr sein. Wer die Freiheit in Wissenschaft und Forschung bewahren will, kann diese beiden Anträge nur ablehnen. René Röspel (SPD): Die vorliegenden Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen, welche wir bereits im Ausschuss für Bildung und Forschung debattiert haben, greifen die im letzten Jahr geäußerten Forderungen verschiedener zivilgesellschaftlicher Gruppen nach mehr Partizipation bei der Auswahl und Vergabe von Projektfördermitteln des Bundes im Bereich der Forschung auf. Ich möchte voranstellen, dass wir als SPD-Bundestagsfraktion eine solche Forderung der jeweiligen Gruppen für legitim halten und einer Öffnung der bisherigen Strukturen hin zu mehr Partizipation positiv und offen gegenüberstehen. Wie ich bereits in meiner Rede vom 13. Dezember 2012 dargelegt habe, entbindet die verfassungsrechtlich geschützte Freiheit der Forschung selbige nicht von gesellschaftlicher Verantwortung. Eine grundsätzliche Rückkopplung der Sphäre Wissenschaft und Forschung mit der Gesellschaft - in ihrer ganzen pluralen Bandbreite - halte ich daher für richtig und wichtig. Da ich meinen Standpunkt zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bereits ausgiebig in meiner Rede vom Dezember des letzten Jahres dargelegt habe, möchte ich mich am heutigen Tag im wesentlichen auf den Antrag der Linksfraktion mit der Drucksachennummer 17/13090 konzentrieren. Allerdings möchte ich an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und mich ausführlich bei der Hauptverfasserin des grünen Antrags, der Kollegin Krista Sager, bedanken, die zum Ende dieser Legislatur aus dem Deutschen Bundestag ausscheiden wird. Liebe Krista, ich habe die Zusammenarbeit im Ausschuss immer als sehr angenehm und konstruktiv erlebt, deine Beiträge immer als Bereicherung empfunden und auch von dir gelernt. Dafür herzlichen Dank und alle guten Wünsche von unserer Fraktion für dich. Hinsichtlich des Antrags der Fraktion Die Linke sei die Frage gestattet, ob es der Sache nicht dienlicher gewesen wäre, eine inhaltliche Trennung bzw. eine stärkere Fokussierung vorzunehmen. Zwar ist das Engagement der Linken für eine Stärkung von Open Access in der deutschen Wissenschaft durchaus redlich und lobenswert, doch halte ich die Forderung im vorliegenden Antrag für fehl am Platz. Der Open-Access-Ansatz ist letztlich eine Frage der Reformierung des Urheberrechts und hat wenig mit der Ausgestaltung von Möglichkeiten der institutionellen Partizipation zivilgesellschaftlicher Gruppen gemein. Dem Anliegen, die Möglichkeiten der zivilgesellschaftlichen Partizipation zu verbreitern, ist mit diesem Anliegen somit nur wenig geholfen. Weiterhin möchte ich darauf verweisen, dass der vorliegende Antrag einen wichtigen Schritt - hin zu mehr Partizipation - übergeht: Denn damit eine gleichberechtigte Partizipation von gemeinnützigen Gruppen der Zivilgesellschaft in Beratungs- und Steuerungsgremien zur Forschungs- und Innovationspolitik überhaupt möglich ist, bedarf es zunächst einer Anpassung der bestehenden Strukturen auf die Belange dieser Gruppen. An dieser Stelle sei lobend die Forderung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erwähnt, die eben jene besondere Herausforderung mit ihrer Forderung nach der konzeptionellen Entwicklung eines möglichen partizipativen Verfahrens für die genannten Gruppen berücksichtigt. Weiterhin halte ich die Forderung nach der Miteinbeziehung von gemeinnützigen Trägern in gemeinsame Verbundprojekte zwar für grundsätzlich lobenswert, doch möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass auch "Nichtregierungsorganisationen" wie der BDI e.V. diese Voraussetzung erfüllen. Mir ist unklar, ob ein solcher potenzieller Partner eines Verbundprojektes die Intention des Antrags widergibt. Ich halte es daher für schwierig bzw. fraglich, ob eine qualitative Diskriminierung von zivilgesellschaftlichen Gruppen überhaupt vorgenommen werden kann. Weiterhin möchte ich - bei aller Sympathie für das Anliegen einer breiteren gesellschaftlichen Beteiligung an der Schwerpunktsetzung von außeruniversitären Forschungseinrichtungen - darauf hinweisen, dass es vermessen wäre, anzunehmen, dass eine Rückkopplung mit gesellschaftlichen Akteuren Asymmetrie bei der Information über Forschungsergebnisse zwischen der Wissenschaft und den übrigen gesellschaftlichen Teilgruppen grundsätzlich aufheben kann. Eine Detailsteuerung - durch welchen politischen Akteur auch immer - bei der Vergabe von Forschungsmitteln kann ohnehin nicht im Interesse der Forschung oder der Gesellschaft sein. Die einseitige Festlegung der zukünftigen Forschungsleitagenda nur durch den Dialog zivilgesellschaftlicher Akteure allein ist wenig zielführend. Vielmehr halte ich es für notwendig, dass der gesellschaftliche Einfluss bei der Schwerpunktsetzung und Weichenstellung im Hinblick auf die inhaltliche Ausrichtung der Projektförderung zur Geltung kommt. In diesem Kontext schließe ich auch ausdrücklich eine stärkere Berücksichtigung des Parlaments mit ein. Klarstellen möchte ich an dieser Stelle jedoch Folgendes: Die methodische Herangehensweise an Forschungsfragen, also die Art und Weise, wie die Forschung zu ihren Erkenntnissen kommt, kann nach meinem Empfinden jedoch nicht zur Diskussion stehen. Hier ist Vielfalt vorhanden und erforderlich, und alles andere wäre dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn abträglich. Wir als SPD-Bundestagsfraktion halten folglich die Stoßrichtung und Intention des Antrags der Linken für grundsätzlich richtig, aber eine Umsetzung dieser Ideen wird nicht im Hauruckverfahren zu erreichen sein. Dies bedarf eines längerfristigen Prozesses, in dem zunächst die Partizipationskapazitäten der zivilgesellschaftlichen Gruppen gestärkt werden müssen. In einem nächsten Schritt muss dann ein verbindliches Verfahren zur gleichberechtigten gesellschaftlichen Partizipation gefunden werden. Dann erst wird es möglich sein, auch eine Teilhabe der Zivilgesellschaft sicherzustellen, die nicht nur die notwendige Akzeptanz in der Gesellschaft, sondern auch in der Forschungslandschaft selbst findet. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Die Anträge "Forschungs- und Innovationsförderung des Bundes nachhaltig gestalten - Transparenz und Partizipation der Zivilgesellschaft ausbauen" von der Fraktion Die Linke und "Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern" von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstellen, dass die Forschungs- und Innovationspolitik des Bundes zu einseitig ausgestaltet sei. Es fehle nach Ansicht der Opposition an Transparenz in der Forschungspolitik, wie Förderprogramme ausgestaltet werden und forschungsrelevante Entscheidungen getroffen werden. Es fehle nach Ansicht der Opposition an Partizipation bei der Erstellung von Forschungsprogrammen und der Auswahl von Forschungsschwerpunkten durch zivilgesellschaftliche Organisationen und Gruppen. Wir Liberale teilen diese Ansicht nicht. Für uns existiert eine große Transparenz und Partizipation in der Forschungspolitik, die keiner Korrektur oder eines Mehr bedarf. Forschungsschwerpunkte und Förderprogramme werden gemeinsam von Politik und Gesellschaft erarbeitet. Ohne die Gesellschaft und die Wissenschaft ist die Politik nicht imstande, Forschungsschwerpunkte zu identifizieren. Nur gemeinsam und im ständigen Austausch aller Akteure können forschungsrelevante Entscheidungen getroffen und Förderprogramme ausgestaltet werden. Ein solcher Dialog ist seit langem gängige Praxis. So werden Forschungsprogramme und Forschungsschwerpunkte im Vorfeld von einer Vielzahl unterschiedlicher Akteure beraten. Es finden Sondierungen und Beratungen statt, bevor die Politik bzw. das Parlament darüber befindet. Diese mehrstufigen Verfahren stellen bereits mehrfach sicher, dass die Gesellschaft und auch die von den Grünen geforderten und genannten zivilgesellschaftlichen Akteure einbezogen sind. Diese Verfahren zur Erarbeitung von Förderprogrammen und Forschungsschwerpunkten bilden eben nicht nur die von den Grünen verdächtigte Mainstreammeinung ab, sondern es kommen auch kritische Stimmen zu Wort. Was die Grünen tatsächlich mit ihrem Antrag bezwecken, ist schwer zu fassen. Sie bleiben hinter dem Allgemeinen zurück. Es wird verdächtigt und Misstrauen ausgesprochen, es wird behauptet, es gäbe Partizipationsdefizite und Transparenzmangel. Ähnlich liest sich der Antrag der Fraktion Die Linke. Nach deren Auffassung fehlt es, bedauerlicherweise ebenso unkonkret benannt, an Transparenz in der Forschungspolitik und Partizipation in der Ausgestaltung von Förderprogrammen. Aus Sicht der FDP besteht bereits eine gute Transparenz. Die Öffentlichkeit kann sich einen Überblick über die Finanzierungsquellen von Wissenschaft und Forschung verschaffen. Hierfür stehen beispielsweise digitale Plattformen wie die Förderdatenbank des Bundesministeriums für Bildung und Forschung oder das Informationssystem GENERIS der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfügung. Auch besteht nach dem Informationsfreiheitsgesetz, IFG, bereits der Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über die Projektförderungen. Auch bei der Partizipation haben wir mehr als ausreichende Strukturen und Beteiligungsmöglichkeiten für Bürger und gesellschaftliche Gruppen. Ich erinnere zudem an den in dieser Legislaturperiode initiierten Bürgerdialog. Wir werden zukünftig noch weitere Dialogplattformen einrichten und weiter den Dialog mit den Bürgern zu den Themen Energietechnologien für die Zukunft, Hightechmedizin oder zum demografischen Wandel erfolgreich führen. Zudem ist es Praxis, dass alle relevanten Gruppen im Zuge der Erarbeitung eines Forschungsprogramms einbezogen und angehört werden. Hier erinnere ich die Opposition beispielhaft an die Nationale Plattform Zukunftsstadt, wo neben der Wissenschaft, der Wirtschaft und den Kommunen auch die Bürger an der Entwicklung beteiligt werden, oder an das Forschungsforum Energiewende, wo neben Vertretern des Bundes, der Länder und der Wissenschaft auch gesellschaftliche Gruppen einbezogen wurden. Ein letzter Satz zu der im Antrag der Fraktion Die Linke angeführten Idee eines Steuerungsmodells für die außeruniversitären Forschungsorganisationen bei gleichzeitiger Beibehaltung der Autonomie: Dieser Ansatz klingt wie blanker Spott, wie eine vegetarische Fleischerei, und es bleibt zu hoffen, dass die Linke ihre Fantasien nicht umzusetzen in der Lage sein wird. Aus Sicht der FDP schließen sich Steuerungseingriffe und das aktuell geltende Wissenschaftsfreiheitsgesetz für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus. Wir Liberale sind uns bewusst, dass wir der Gesellschaft stärker als zuvor die Politik verständlich machen und verdeutlichen müssen, welche Prozesse und Entscheidungen im Hinblick auf Wissenschaft und Forschungspolitik getroffen werden. Wir müssen Wissenschaftspolitik erklären. Dem stellen wir Liberale uns und werden dies auch weiterhin tun. Dr. Petra Sitte (DIE LINKE): Was wollen wir, was will unsere Gesellschaft mit der öffentlichen Förderung von Forschung und Innovationen erreichen? Diese Grundfrage müssen wir zur Legitimation der enormen Ausgaben von 14,4 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung immer wieder beantworten. Noch in der ersten Hightech-Strategie der Bundesregierung wurde diese Frage 2006 klar beantwortet: Wir wollen die Weltmarktführerschaft deutscher Unternehmen auf möglichst vielen technologisch basierten Leitmärkten und ein möglichst starkes Wirtschaftswachstum. Nach mehreren Wirtschaftskrisen, dem verschärften Klimawandel, der Ressourcenknappheit und auch der Katastrophe von Fukushima hat sich die Wahrnehmung deutscher Exporterfolge doch ein wenig verändert. Die Bundesforschungsministerin spricht nicht mehr einfach von Wachstum als Ziel der Innovationsförderung. Heute wird "intelligentes, nachhaltiges Wachstum" angestrebt. Ministerin Wanka sagte dazu im Interview: "Wachstum ist ja kein Selbstzweck. Immer höher, immer schneller, immer weiter - einfach nur das Bruttosozialprodukt steigern - das reicht nicht." Und weiter: "Wachstum muss auch ökologische, kulturelle und soziale Aspekte umfassen. Es muss im Einklang stehen mit Umwelt und Gesellschaft. Wir brauchen eine gerechte Wirtschaftsordnung, die es allen Menschen ermöglicht, an Entwicklung und Wohlstand teilzuhaben, eine Wirtschaftsordnung, die nicht auf Kosten der künftigen Generationen geht." Dem können wir nur zustimmen. Die Frage lautet jedoch: Was folgt daraus für Forschungs- und Innovationspolitik? Wir sollten nicht nur auf der Kommunikations-, sondern auch auf der realen Handlungsebene umdenken und neue Wege gehen. Das fängt bei der Frage an, wie und mit wem die Politik neue Forschungsprogramme entwickelt. Reicht es wirklich noch, Vorstände der großen deutschen Konzerne und Expertinnen und Experten aus den Forschungsorganisationen zusammenzutrommeln? Kann eine solche Runde den ganzheitlichen Innovationsansatz, der auch der Ministerin am Herzen liegt, wirksam ermitteln? Oder stehen dort nicht doch die Interessen der Unternehmen den Zielen der Nachhaltigkeit gegenüber? Ein besonders prägnantes Beispiel war der Hype der vergangenen Jahre um die Elektroautos. Beraten von der "Nationalen Plattform Elektromobilität" sollen 1 Million Batteriefahrzeuge auf Deutschlands Straßen gebracht werden. Von 148 Mitgliedern in den Arbeitsgemeinschaften der Nationen Plattform Elektromobilität stammen 111 aus der Industrie und lediglich 3 aus den Bereichen Umwelt- und Verbraucherschutz oder Verkehrspolitik. Auf der Grundlage der Empfehlungen dieses Beratungsgremiums hat die Bundesregierung mehr als 2 Milliarden Euro Fördermittel zugesagt, ohne dass man die notwendigen umfassenden Lösungsansätze für gravierende Mobilitätsprobleme mithilfe dieses Produktes in den Blick genommen hätte. Weder für die Menschen in Großstädten noch für die Menschen in ländlichen Räumen haben diese Milliarden bisher etwas gebracht. Der Verkauf von Elektrofahrzeugen bewegt sich auch fünf Jahre nach Förderbeginn im Promillebereich. Die deutschen Hersteller haben trotz bisher ausgezahlter 125 Millionen Euro Fördergelder keine massentauglichen Produkte im Programm. Eine relevante Verbesserung des ÖPNV war in dem Programm angesichts der Dominanz der Automobilindustrie im Fördergeschehen ohnehin nicht vorgesehen. Dieses Beispiel belegt die Notwendigkeit, unser Fördersystem zu reformieren. Wir müssen nicht nur neue Produkte und Technologien, sondern die Erneuerung und die Transformation unserer Gesellschaft fördern. Eine nachhaltige Gesellschaft fußt auf dem Wissen aller und wird nicht allein nach den Interessen der Unternehmen konzipiert. Wir wollen dafür auch die Expertise von Umweltverbänden und NGOs, von Kommunen, von Gewerkschaften und Sozialverbänden nutzen. Die Linke hat daher vorgeschlagen, die Beratungsgremien zu öffnen und mehr Partizipation zivilgesellschaftlicher Organisationen in der Forschungspolitik zu ermöglichen. Ob Energiewende, demografischer Wandel, immer noch wachsende Klimagasemissionen, soziale Spaltung oder Digitalisierung, wir sind zur Bewältigung dieser Herausforderungen auf neues, sozial taugliches Wissen über notwendige Veränderungsprozesse angewiesen. Wir wollen die Transformationsforschung, die dieses Wissen von morgen erarbeitet, mit einem Förderprogramm von 120 Millionen Euro jährlich deutlich ausbauen. Zukünftig, das ist bereits absehbar, werden die Mittel für die Innovationsförderung zumindest nicht wie in den vergangenen Jahren kontinuierlich steigen. Gerade deshalb brauchen wir eine Wende in der Forschungsförderung. Deutschland könnte Vorreiter für eine sozial-ökologische Innovationspolitik werden, wenn wir mehr Transparenz und mehr Partizipation in diesem Bereich zulassen. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Im letzten Jahr haben wir einen grünen Antrag zum Thema "Partizipation an forschungsrelevanten Entscheidungen verbessern" in den Bundestag eingebracht. Die Reaktion der Regierungskoalition auf diesen Antrag kann man getrost als kurios bezeichnen: Der Berichterstatter der CDU sah in dem Wunsch nach mehr Mitsprachemöglichkeiten für Bürgerinnen und Bürger sowie für Vertreter der Zivilgesellschaft bei forschungspolitischen Agenda-Setting-Prozessen prompt einen Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft. Der Vertreter der Bundesregierung hingegen erklärte im Ausschuss, das BMBF würde das, was wir im grünen Antrag fordern, doch längst alles tun. Der Antrag der Linken zum selben Thema gab den Regierungsfraktionären nun Gelegenheit, zu erklären, dass man Partizipation im Forschungsbereich eigentlich doch ganz prima fände - ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer für die schwarz-gelbe Koalition, immerhin! Wenn von der Forschung zunehmend Antworten auf große gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Energiewende, demografische Veränderungen oder große Volkskrankheiten erwartet werden, wenn auch die sogenannte Hightech-Strategie der Bundesregierung sich stärker an gesellschaftlichen Bedarfen ausrichten soll und neben technologischen Innovationen auch soziale und kulturelle Innovationen in den Blick genommen werden, dann ist die stärkere Einbeziehung verschiedener gesellschaftlicher Akteure nicht nur folgerichtig, sondern geradezu zwingend. Auch die Wissenschaft kann durch Perspektivenvielfalt und die Einbeziehung nichtwissenschaftlichen Wissens profitieren und zusätzliche Erkenntnisse über die Erfolgsbedingungen des Transfers von der Wissenschaft in die Gesellschaft gewinnen. Wenn man sich den Bericht des BMBF zu verschiedenen Dialog- und Partizipationsprozessen im Wissenschaftsbereich oder im Kontext wissenschaftsnaher Fragestellungen anschaut, dann kann man feststellen: Ja, es gibt durchaus interessante Einzelvorhaben, wie zum Beispiel zu den Themen "Energiewende" oder "Leben im Alter", aber es ist auch noch eine Menge Luft nach oben. Vor allem bleibt weitestgehend unklar, was mit den Resultaten von Beteiligungsverfahren passiert und wie diese in zukünftige oder parallel laufende Planungsprozesse eingespeist werden bzw. bestehende Governance-Strukturen beeinflussen. Nach welchen Kriterien wird über Methoden der Partizipation entschieden? Wie sind die Spielregeln? Wie werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Beendigung der Dialogforen einbezogen? In Abgrenzung zum Antrag der Linken möchte ich klarstellen, dass Partizipation etwas anderes ist als die demokratische Legitimation durch Mehrheitsentscheidung und dass es auch nicht darum gehen kann, dass demnächst darüber abgestimmt wird, wer wo was forscht. Aber der erhebliche Einsatz öffentlicher Mittel spricht auch für eine breitere Einbeziehung von Öffentlichkeit und Gesellschaft dort, wo es darum geht, zu definieren, was Gesellschaft und Politik von der Wissenschaft erwarten. Es gibt in Bezug auf wissenschaftsbezogene Partizipationsverfahren durchaus eine ganze Reihe von Erfahrungsbereichen, von denen konzeptionell gelernt werden kann, wie zum Beispiel die Nano-Kommission, die Technikfolgenabschätzung oder die transdisziplinäre sozial-ökologische Forschung. Aber es fehlt an einem systematischen Überblick, an systematischer Evaluation und an Analyse. Wenn das BMBF im Herbst einen Beteiligungsprozess Green Economy starten will, stellen sich Fragen: Welche Rückwirkungen soll dies auf die Weiterentwicklung der sogenannten Hightech-Strategie haben? Welche Rückschlüsse ergeben sich daraus für die Governance-Strukturen der Forschungs- und Innovationsstrategie? Auch die Forschungsunion als Beratungsgremium der Bundesregierung hat sich in den letzten Jahren vom Konzept einer reinen Akzeptanzkommunikation gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gelöst. Aber ohne den geschätzten Herren und wenigen Damen der Forschungsunion zu nahe treten zu wollen: Die Zusammensetzung und die Strukturen der Forschungsunion wirken doch angesichts eines moderneren Partizipationskonzepts arg antiquiert! Wenn ein konstruktiver Dialog zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft erwünscht ist und dabei auch das gegenseitige Verständnis nicht nur für die Wünsche, sondern auch für die Eigengesetzlichkeiten der jeweils anderen Seite wachsen soll, dann sollte Politik nicht nur in Dialogforen, sondern auch in Capacity Building investieren, um Kommunikation auf Augenhöhe zu ermöglichen. Nur so kann das zweifellos bestehende Spannungsverhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft produktiv werden. Die Oppositionsfraktionen haben mit ihren verschiedenen Anträgen zu Partizipation, Transparenz und Kooperationen im Wissenschaftsbereich diese Themen neu in den Fokus der Wissenschaftspolitik gerückt. Ich kann nur hoffen, dass dies in der kommenden Legislatur vom zuständigen Ausschuss gemeinsam fortgeführt wird. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung. Zunächst zu Tagesordnungspunkt 64 a. Der Bildungsausschuss empfiehlt auf Drucksache 17/14102, den Antrag der Linken auf Drucksache 17/13090 abzulehnen. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung von SPD und Grünen angenommen. Tagesordnungspunkt 64 b. In seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/14106 empfiehlt der Bildungsausschuss, den Antrag der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/11687 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Grünen bei Enthaltung der Linken angenommen. Tagesordnungspunkte 65 a und 65 b: a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker Beck (Köln), Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, Kerstin Andreae, weiteren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrentengesetzes (FRG) - Drucksache 17/14107 - Überweisungsvorschlag: Ausschuss für Arbeit und Soziales b) Beratung des Berichts des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) gemäß § 62 Absatz 2 der Geschäftsordnung - zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Barbara Höll, Jan Korte, Agnes Alpers, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Lesben und Schwulen in beiden deutschen Staaten - zu dem Antrag der Abgeordneten Volker Beck (Köln), Birgitt Bender, Kai Gehring, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in Deutschland wegen homosexueller Handlungen Verurteilten - Drucksachen 17/10841, 17/4042, 17/14196 - Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Ansgar Heveling (CDU/CSU): Gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundestages kann eine Fraktion verlangen, dass zehn Wochen nach der Überweisung einer Vorlage der Ausschuss dem Bundestag einen Bericht über den Stand der Beratungen zu dieser Vorlage erstattet. Dies ist in Bezug auf die Anträge der Fraktion Die Linke mit dem Titel "Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Lesben und Schwulen in beiden deutschen Staaten" sowie zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel "Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in Deutschland wegen homosexueller Handlungen Verurteilten" geschehen, sodass uns nun dieser Bericht zur Beratung vorliegt. Da dieser Tagesordnungspunkt mit der Beratung des von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Fremdrentengesetzes, FRG, verbunden worden ist, sei der Hinweis erlaubt, dass ich mich mit meinen Ausführungen allein auf die Beratung des Berichts des Rechtsausschusses gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung beziehe. Zum vorliegenden Entwurf zum Fremdrentengesetz nimmt der Kollege Peter Weiß Stellung. Den Kern der Anträge bildet dabei die Frage, wie wir mit Strafurteilen umgehen, die nach 1945 auf der Grundlage des bis in die 90er-Jahre im Strafgesetzbuch enthaltenen § 175 StGB gefällt wurden. Die antragstellenden Fraktionen begehren hierbei die Aufhebung der entsprechenden Urteile durch einen Legislativakt des Gesetzgebers. Ohne Frage hat sich der gesellschaftliche Umgang mit Homosexualität im Lauf der Jahre und Jahrzehnte geändert, und bei uns ist es heute richtigerweise schlicht undenkbar, dass Menschen wegen ihrer Homosexualität strafrechtlich verfolgt werden könnten. Wir sehen die sexuelle Selbstbestimmung heute als einen Kernbereich der Menschenwürde an, sodass es nur konsequent gewesen ist, die Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts, die nach § 175 StGB unter Strafe gestanden hat, aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Dass sich daran berechtigterweise auch die Frage anschließt, wie mit Strafurteilen, die auf der Grundlage von § 175 StGB auch zu Zeiten der Geltung des Grundgesetzes ergangen sind, umzugehen ist, ist nicht von der Hand zu weisen. Hierzu ist nochmals festzuhalten: Nach den heutigen gesellschaftlichen Maßstäben wäre die Verhängung solcher Urteile schlichtweg undenkbar. Der Umgang mit Urteilen aus einer anderen Zeit ist indessen zweifelsohne eine juristische und rechtspolitische Herausforderung, die einer sorgfältigen Abwägung bedarf. Denn über die konkrete Betroffenheit hinaus gehend - und hier ist es selbstverständlich, dass wir heute, dies hat der Deutsche Bundestag durch einen Beschluss im Jahr 2000 auch bereits bekräftigt, der Auffassung sind, dass die Verfolgung einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Beziehungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention und nach heutigem Verständnis auch gegen das freiheitliche Menschenbild des Grundgesetzes verstößt - stellen sich grundlegende verfassungsrechtliche und rechtspolitische Fragen zum Umgang mit Strafurteilen, deren Grundlage Strafnormen darstellen, die zwischenzeitlich aufgehoben worden sind. Der Rechtsausschuss hat daher zu den Anträgen jüngst eine Sachverständigenanhörung durchgeführt, die ihrerseits kein einheitliches Bild ergeben hat. Grundsätzlich verhält es sich in unserer Rechtsordnung so, dass allein die rechtsprechende Gewalt selbst zur Durchbrechung der Rechtskraft von Strafurteilen befugt ist. Dies spiegelt sich in § 359 StPO entsprechend wider. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens mit dem Ziel der Aufhebung des Urteils ist danach grundsätzlich nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Hierzu gehören massive Fehler in dem dem rechtskräftigen Strafurteil zugrunde liegenden Strafverfahren. Ebenso ist eine Wiederaufnahme möglich, wenn das Urteil von vornherein nicht in dieser Weise hätte ergehen dürfen. Des Weiteren kommt als Wiederaufnahmegrund in Betracht, dass das Bundesverfassungsgericht das dem Urteil zugrunde liegende Gesetz für verfassungswidrig erklärt hat oder der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im konkreten Fall einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention festgestellt hat. Keiner dieser Aufnahmegründe lässt sich indessen pauschal und ohne Prüfung des Einzelfalls für die den Anträgen zugrunde liegenden Sachverhalte feststellen. So hat weder das Bundesverfassungsgericht in entsprechenden Verfahren in der Vergangenheit die Verfassungswidrigkeit des § 175 StGB festgestellt, noch hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einen Verstoß gegen Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention konstatiert. Es ist daher zu bedenken, dass die Aufhebung von Urteilen durch den Gesetzgeber grundsätzlich einen elementaren Eingriff in das verfassungsrechtlich hochrangig abgesicherte Gewaltenteilungsprinzip darstellt. Dieses ist das Kernelement des modernen Verfassungs- und Rechtsstaates. Konkret ist daher die schwierige Abwägung vorzunehmen, was schwerer wiegt: die Korrektur von heute als nicht mehr rechtmäßig anzusehenden Urteilen kraft Gesetzes vorzunehmen versus ein Infragestellen der Unabhängigkeit der Justiz durch legislative Eingriffe. Unserem Rechts- und Verfassungsverständnis nach sind die Hürden für eine gesetzliche Kassation von Urteilen dabei zu Recht ausgesprochen hoch und eng begrenzt. Die Aufhebung der NS-Unrechtsurteile etwa zeigt dies, weil ihre Grundlage eine offenkundige "Unrechtsordnung" gewesen ist. Die Sachverständigenanhörung hat kein einheitliches Bild ergeben und bislang nicht den Schlüssel zur Klärung der schwierigen Abwägungsfrage geboten, sodass bislang kein Abschluss der Meinungsbildung erfolgen konnte. Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Vor dem Hintergrund seiner historischen Verantwortung für die Verbrechen des Nationalsozialismus hat Bundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 1990 zugesagt, dass Juden und Menschen mit jüdischen Vorfahren aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion als Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einreisen können. Grundlage hierfür ist ein Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 9. Januar 1991. In Umsetzung eines Beschlusses der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren, IMK, haben Bund und Länder im Einvernehmen mit den jüdischen Verbänden das Aufnahmeverfahren neu geregelt. In den Jahren nach 1991 sind mehr als 200 000 jüdische Zuwanderer und ihre Familienangehörigen nach Deutschland gekommen. Durch diese Zuwanderungen wurden die Mitgliederzahlen der jüdischen Gemeinden in Deutschland gestärkt. Heute ist die jüdische Gemeinde die drittgrößte Europas und hat sich seit 1988 vervierfacht. Viele der ehemals Zugewanderten waren und sind bereits im Rentenalter. Soweit sie dabei ihren Lebensunterhalt nicht allein bestreiten können, erhalten sie Leistungen nach dem SGB XII durch die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf fordern Bündnis 90/Die Grünen, dass diese jüdischen Zuwanderer oder jüdische Kontingentflüchtlinge einen Rentenanspruch nach dem Fremdrentengesetz erhalten sollen und schlagen dazu entsprechende Änderungen im Fremdrentengesetz vor. Es ist verwunderlich, dass ein solcher Gesetzentwurf erst jetzt in der letzten regulären Sitzungswoche der 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages neu in das Parlament eingebracht wird; wohl wissend, dass ein solcher Entwurf generell nicht mehr in den Ausschüssen beraten und vom Parlament beschlossen werden kann. Das lässt doch sehr an der Ernsthaftigkeit dieser Initiative zweifeln, zumal das Thema ja kein neues ist. Nun zur Sache selbst, um die es geht. Grundsätzlich erwerben Personen, die nach Deutschland zuwandern, unabhängig vom Grund ihrer Zuwanderung in Deutschland einen Rentenanspruch, indem sie Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung leisten. Die Höhe einer Rente richtet sich dabei vor allem nach dem während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelt, nach dem sogenannten Äquivalenzprinzip. Es ist verständlich, dass nach Deutschland zugewanderte Personen auch aus den Arbeitsjahren in ihren Herkunftsgebieten eine Rente erhalten möchten. Einen solchen Rentenanspruch können sie jedoch grundsätzlich nur bei dem Rentenversicherungsträger geltend machen, zu dem auch die Beiträge entrichtet worden sind, das heißt in ihrem Herkunftsland. Eine Ausnahme vom Äquivalenzprinzip bildet das Fremdrentengesetz. Sofern bestimmte Voraussetzungen und Bedingungen erfüllt sind, kann man auch für im Ausland geleistete - "fremde" - Tätigkeiten in Deutschland eine Rente von der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Insbesondere anerkannte Vertriebene, Spätaussiedler und NS-Verfolgte mit Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis werden in der Sozialversicherung den Berechtigten in Deutschland quasi gleichgestellt und können anstelle der früher in ihrem Herkunftsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften bei den deutschen Versicherungsträgern Ansprüche geltend machen. Hintergrund dieser Regelungen war insbesondere der Gedanke der Eingliederung der Vertriebenen. Gehören Zuwanderer zu diesem Personenkreis, können sie eine Rente aus der deutschen Rentenversicherung erhalten, auch wenn sie keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung geleistet haben. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es sich bei ihnen um Spätaussiedler handelt. Weitere Personen, bei denen auch für im Ausland geleistete Tätigkeiten in Deutschland eine Rente gezahlt werden kann, sind gemäß § 17 a Fremdrentengesetz Personen, die bis zu dem Zeitpunkt, in dem der nationalsozialistische Einflussbereich sich auf ihr jeweiliges Heimatgebiet erstreckt hat, dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben, die das 16. Lebensjahr bereits vollendet hatten oder zum Zeitpunkt des Verlassens des Vertreibungsgebietes dem deutschen Sprach- und Kulturkreis angehört haben und die sich wegen ihrer Zugehörigkeit zum Judentum nicht zum deutschen Volkstum bekannt hatten, die Vertreibungsgebiete nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Bundesvertriebenengesetzes verlassen haben, die § 20 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung unterliegen. Ein Anspruch setzt hier aber neben der Verfolgteneigenschaft ebenfalls die Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis voraus. Eine Erweiterung der Berechtigten nach dem Fremdrentengesetz um die Angabe "jüdische Zuwanderer" würde den Personenkreis des Fremdrentengesetzes pauschal auf Personen ausweiten, die bisher vom Schutzzweck des Gesetzes so nicht erfasst sind, weil sie eben nicht als Deutsche wegen der Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges ihre soziale Sicherung im Herkunftsland verloren haben. Aus Gleichbehandlungsgründen könnte es aber nicht bei dieser Einzelausweitung bleiben, sondern müsste sich auch auf andere Gruppen erstrecken und für andere Asylberechtigte gelten. Zudem können jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, die Opfer von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen geworden sind, als NS-Verfolgte die heute noch zugänglichen Entschädigungsleistungen, insbesondere Beihilfen der Jewish Claims Conference, JCC, erhalten, die auch nicht auf die Leistung zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angerechnet werden. Hier ist zum Beispiel die monatliche Beihilfe nach dem Art.-2-Abkommen zu nennen, die vom 1. Juli 2013 an in Höhe von 310 Euro an Personen ausgezahlt wird, die mindestens drei Monate in einem Getto oder Lager festgehalten waren oder versteckt gelebt haben. Des Weiteren kann, unabhängig von einer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis, aus Beschäftigungszeiten in einem Getto eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden. Außerdem ist die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für alle Personen offen, die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten können, unabhängig von den Ursachen. Wer erst kurz vor dem Rentenalter oder im Rentenalter nach Deutschland zuzieht und zudem keine oder zu geringe Rente aus dem Herkunftsland erhält, ist hierdurch abgesichert und bekommt von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern finanzierte Mittel zur Verfügung gestellt, um am Leben in der Gesellschaft teilzuhaben. Es wäre zudem auch nicht sichergestellt, dass sich mit einer eigenständigen Rente nach dem Fremdrentengesetz für jüdische Zuwanderer auch unter Einbeziehung der Beschäftigungszeiten im Herkunftsgebiet eine Rente über dem Grundsicherungsniveau ergeben würde. Aufgrund der Leistungseinschränkungen im Fremdrentengesetz in den letzten Jahren würde weiterhin ein Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gestellt werden müssen. In dieser Rede habe ich nur zu Teil a dieses Tagesordnungspunktes, dem Entwurfs eines Gesetzes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Fremdrentengesetzes, Stellung genommen. Zu Teil b, dem Bericht des Rechtsausschusses zum Antrag der Fraktion Die Linke "Rehabilitierung und Entschädigung der verfolgten Lesben und Schwulen in beiden deutschen Staaten" und zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen "Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1945 in Deutschland wegen homosexueller Handlungen Verurteilten", nimmt mein Kollege Ansgar Heveling Stellung. Anton Schaaf (SPD): Im vorliegenden Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion wird eine bessere rentenrechtliche Behandlung für jüdische Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gefordert; denn oft sei diese Personengruppe im Ruhestand auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen. Die soziale Notlage wird darauf zurückgeführt, dass die zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland nicht in die Rentenberechnung mit eingehen. Um Abhilfe zu schaffen, wird die Einbeziehung der in der Sowjetunion geleisteten Arbeit in die gesetzliche Rentenversicherung über das Fremdrentengesetz, FRG, gefordert. Ungerechtfertigte Benachteiligungen ergeben sich, so der Gesetzentwurf, gegenüber Übersiedlern und Spätaussiedlern dadurch, dass zum einen die Rentenansprüche mit der Auswanderung erlöschen; zum anderen seien die jüdischen Zuwanderer von der Anerkennung ihrer Rentenansprüche über das FRG ausgeschlossen. Die erste Behauptung entspricht aber in ihrer Pauschalität nicht ganz der Wahrheit. Denn wer ausreist und bereits eine Rente aus der Russischen Föderation bzw. den Nachfolgestaaten der Sowjetunion bezieht, kann diese auch weiterhin erhalten. Zudem ist die Beantragung einer Rente außerhalb der Nachfolgestaaten der Sowjetunion möglich, wenn die entsprechende Staatsbürgerschaft beibehalten wird. Das BMAS gibt an, dass rund 79 000 in Deutschland lebende Berechtigte eine russische Rente erhalten. Allerdings liegen keine Angaben über den Anteil jüdischer Zuwanderer an diesen Berechtigten vor. Zum anderen wird im Antrag nicht hinreichend deutlich, was die Anerkennung von Zeiten nach dem FRG bewirken soll. Aber offenbar ist für eine große Anzahl der jüdischen Emigranten durch die fehlende Anerkennung der rentenrechtlichen Zeiten im Ausland eine soziale Schieflage entstanden. Grundsätzlich kann das FRG in gewissem Umfang solche Lücken schließen. Einer wie im vorliegenden Antrag geforderten gesetzlichen Änderung steht jedoch entgegen, dass das FRG von seiner Zielsetzung her grundsätzlich nur Vertriebenen, Spätaussiedlern und NS-Verfolgten mit Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis offen steht, und eben nicht für alle Zuwanderinnen und Zuwanderer gedacht ist. Bevor man eine Lösung für ein Problem entwickelt, sollte man sich darüber im Klaren sein, warum es überhaupt entstanden ist. In diesem Fall besteht das Problem doch darin, dass die Rentenanwartschaften aus den Nachfolgestaaten nicht portabel sind; dies liegt wiederum daran, dass es für eine Anerkennung der Beitragszeiten in der UdSSR bzw. der Zeiten in den Nachfolgestaaten an einem Sozialversicherungsabkommen fehlt. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion bestand und besteht kein bilaterales Sozialversicherungsabkommen. Die DDR hatte zwar ein solches abgeschlossen, dieses sicherte nach der Wiedervereinigung aber nur übergangsweise für rentennahe Jahrgänge die Rentenanwartschaften. Seit 1995 wird mit Russland und anderen Nachfolgestaaten wie der Ukraine über ein Sozialversicherungsabkommen verhandelt. Ein Abschluss ist aber aus heutiger Sicht noch nicht abzusehen. Inwiefern ein solches Abkommen im Einzelfall tatsächlich einen finanziellen Vorteil für die Versicherten bringen könnte, ist allerdings unklar, weil dies im Einzelfall von den in den jeweiligen Staaten erworbenen Rentenanwartschaften abhängig ist. Ebenso ist unklar, wie eine Rentenberechnung nach dem FRG wirken würde, weil die Leistungen in der Vergangenheit stark gekürzt worden sind und die Gesamtrente eine bestimmte Grenze an Entgeltpunkten nicht überschreiten darf - nach § 22 FRG liegt diese bei 25 Entgeltpunk- ten -; damit würde in vielen Fällen nur die Grundsicherung erreicht. Beide Lösungen könnten also nur deutlich Wirkung entfalten, wenn noch eine relativ lange und durchgängige Erwerbsbiografie in Deutschland zurückgelegt werden konnte. Dies ist aber oftmals nicht der Fall, weil die Zuwanderung erst im mittleren Alter erfolgte und aus unterschiedlichen Gründen - wie beispielsweise Sprachschwierigkeiten - eine Arbeitsaufnahme schwierig war. Unabhängig davon, ob die Rente des fremden Staates nach dem FRG oder nach einem Sozialversicherungsabkommen berechnet würde: Bei einem Vorliegen von Bedürftigkeit im Alter würde diese auf die Grundsicherung angerechnet und somit keine Verbesserung für die Versicherten bedeuten. Entlastet würde lediglich die aus Steuern finanzierte Grundsicherung. Dies ist allerdings kein Spezifikum bei der Alterssicherung von Zuwanderinnen und Zuwanderern, sondern eine Selbstverständlichkeit bei einer fürsorgeorientierten Leistung. Eine Änderung des Sozialrechts im Sinne des Antrags würde eine Besserstellung gegenüber anderen zugewanderten Personengruppen bedeuten. Dies aber erscheint nur vor dem besonderen historischen Hintergrund begründbar, vor dem die Zuwanderung nach Deutschland erfolgte. Es bedarf daher einer Entscheidung darüber, ob dieser Hintergrund eine besondere - auch finanzielle - Würdigung erfahren soll. Letztendlich handelt es sich um eine spezielle Personengruppe, die in vielen Fällen vom NS-Terror betroffen war und daher auch dafür Leistungen in Anspruch nehmen kann. Seit 1991 hatten jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion die Möglichkeit, als sogenannte Kontingentflüchtlinge nach Deutschland einzureisen. Grundlage hierfür war ein Beschluss der Innenministerkonferenz vom 9. Januar 1991. Ziel war es, das deutsch-jüdische Verhältnis zu verbessern und die jüdische Gemeinde in Deutschland wieder aufzubauen. Allerdings ist dieser Weg nicht ganz konsequent gegangen worden. Denn mit der Einladung an die postsowjetischen Juden zur Einwanderung ist beispielsweise nicht zugleich eine generelle Anerkennung als NS-Opfer erfolgt. Möglich ist die Beantragung einer Entschädigungsleistung für NS-Verfolgte in Form einer Einmalbeihilfe oder laufender monatlicher Zahlungen in Höhe von 300 Euro. Insofern erhält nur ein kleiner Teil der rund 200 000 Zuwanderer auch eine Opferrente. Darüber hinaus erhalten Zuwanderer unter bestimmten Umständen auch Renten aus Russland, die oftmals einen Entschädigungsanteil enthalten, zum Beispiel für die Opfer der Blockade von Leningrad; diese wird in vielen Fällen auf die Grundsicherung angerechnet, weil in den entsprechenden Bescheiden keine Unterscheidung zwischen Renten- und Entschädigungsanteil erfolgt. Dieses Problem wird gerade auch in einem Petitionsverfahren behandelt und erfordert daher unsere besondere Aufmerksamkeit. Die Bundesregierung hatte auf eine Initiative des Bundesrats aus Mecklenburg-Vorpommern zur Verbesserung der rentenrechtlichen Situation jüdischer Zuwanderer im Jahr 2011 Stellung genommen. Allerdings hat sie dort nicht erkennen lassen, dass sie die sozialen Verhältnisse der Zuwanderer genauer untersucht hat; denn die Stellungnahme beinhaltet keine neuen Erkenntnisse, sondern gibt nur bereits bekannte Sachverhalte wieder. Ich fürchte, wegen des Diskontinuitätsprinzips hat es im Augenblick leider auch wenig Sinn, die Bundesregierung dazu aufzufordern, dies im weiteren parlamentarischen Verfahren nachzuholen. Es wäre allerdings dringend notwendig, sich über die soziale Situation der Betroffenen ein klares Bild zu verschaffen, vor allem über die tatsächliche Gewährung von Renten aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Darüber hinaus sollte ehrlich darüber debattiert werden, welche Rolle und Stellung vor dem historischen Hintergrund ihrer Zuwanderung den jüdischen Zuwanderern eingeräumt werden soll. Abgesehen davon ist meines Erachtens die rentenrechtliche Seite nur mit einem schnellen Abschluss eines Sozialversicherungsabkommens zu lösen. Sonja Steffen (SPD): Die Rehabilitierung von Menschen, die nach 1945 wegen homosexueller Handlungen verurteilt wurden, steht in einer ganz bestimmten Reihe von Themen, die wir in dieser Legislaturperiode besonders intensiv diskutiert haben. Diese Themenreihe könnte den Titel "Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität" tragen. Hier geht es um Menschenrechte, um Akzeptanz und die freie Entfaltung der Persönlichkeit von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgendern. Dass heute nur der Bericht des Rechtsausschusses auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht und nicht die Anträge selbst, um die es dabei eigentlich geht, spricht Bände: darüber, dass die Koalition nicht gewillt ist, endlich Diskriminierungen wegen der sexuellen oder geschlechtlichen Identität wenigstens von staatlicher Seite aus zu beenden. Und darüber, dass die Unionsparteien diese Themen in unsäglich stoischer Art und Weise aussitzen, dass jeder Schritt, der hierzu gemacht wird, eben nicht aus dem Parlament kommt, sondern von Gerichten diktiert wird. Weil die Koalition Themen wie die Öffnung der Ehe oder die Rehabilitierung verurteilter Homosexueller stets nur vor sich herschiebt und sich nicht positionieren will, musste die heutige Debatte durch eine Vorschrift der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages erzwungen werden. In § 61 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundestages, GO-BT, ist festgeschrieben, dass die Ausschüsse zu baldiger Erledigung der überwiesenen Aufgaben verpflichtet sind. Dies ist bei dem heutigen Thema seit Jahren leider nicht der Fall. Deshalb reden wir jetzt über die Rehabilitierung Homosexueller, weil an dieser Stelle § 62 Abs. 2 GO-BT greift, wonach zehn Sitzungswochen nach Überweisung einer Vorlage eine Fraktion verlangen kann, dass der Ausschuss dem Bundestag Bericht über den Stand der Beratungen erstattet. So viel zu den Formalitäten und Hintergründen. Inhaltlich reden wir heute darüber, dass der Staat noch vor nicht allzu langer Zeit Männer ins Gefängnis steckte, nur weil sie anders liebten als die Mehrheit. Die strafrechtliche Verfolgung und gesellschaftliche Herabwürdigung schwuler Männer wurde in Deutschland lange tabuisiert. Gänzlich abgeschlossen ist dieses Kapitel unserer Geschichte noch nicht. Erst im Juni 1994 wurde der diffamierende § 175 nach 123 Jahren endgültig aus dem deutschen Strafgesetzbuch gestrichen, der die "widernatürliche Unzucht" unter Männern unter Strafe stellte. Von den Nationalsozialisten wurde das Strafmaß des Paragrafen einst massiv verschärft. Mehr als 50 000 Männer wurden auf Grundlage dieses Paragrafen von ihnen verurteilt, verschleppt und ermordet. Auch nach 1945 blieb der § 175 Strafgesetzbuch bestehen. Weitere 60 000 Männer wurden auch in der Nachkriegszeit zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt. Anders als die vor 1945 Verurteilten, deren Urteile mit dem NS-Aufhebungsgesetz im Jahr 2002 pauschal aufgehoben wurden, gelten diese heute noch als kriminell und zu Recht verurteilt. Dieser Fehler muss endlich durch die Rehabilitierung der Verurteilten behoben werden. 1981 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Bestrafung einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen zur Menschenrechtsverletzung erklärt, weil sie das in Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht auf Achtung des Privatlebens verletzte. Und genau das ist es, was wir zur Debatte um die Gleichstellung von Homosexuellen eigentlich nur sagen können: Hier geht es um das Privatleben, um die ganz persönliche Entscheidung jedes Einzelnen dafür, mit wem er sein Leben teilen möchte. Es ist anmaßend, dass sich Dritte einmischen. Und in Deutschland ist es leider immer noch die Bundesregierung, die hier Diskriminierungen und Verbote vorschreibt. Die Familiengründung etwa ist für homosexuelle Paare in Deutschland oft nicht möglich, ohne sich in die Illegalität zu begeben, weil es Verbote zur Fortpflanzungsmedizin und zur Adoption gibt, an denen CDU und CSU immer noch festhalten. Dass die Unionsparteien die Ewiggestrigen sind, wenn es um die Rechte von Menschen geht, die mit der vermeintlichen Norm Heterosexualität brechen, zeigt die Frage nach der Rehabilitierung Homosexueller besonders deutlich. Als der Deutsche Bundestag im Jahr 2002 die Urteile aufhob, die vor 1945 ergangen sind, stimmten CDU/CSU und FDP dagegen. Mit der damals beschlossenen Ergänzung zum Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege wurden Verurteilungen wegen homosexueller Handlungen und wegen Fahnenflucht in der Zeit des Nationalsozialismus für nichtig erklärt. Bis heute fehlt es, auch die Betroffenen, die nach 1945 auf Grundlage des § 175 StGB verurteilt wurden, von ihrem Strafmakel zu befreien und ebenfalls zu rehabilitieren. Die SPD-Bundestagsfraktion wird dieser längst überfälligen Maßnahme deshalb zustimmen. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Diese Debatte befasst sich mit zwei völlig unterschiedlichen Themenbereichen, die wenig miteinander zu tun haben. Vorgestern ist uns ein Antrag zur Änderung des Fremdrentengesetzes ins Haus geflattert, von dem die Antragsteller wissen, dass er in dieser Woche - und damit in dieser Wahlperiode - gar nicht mehr abschließend beraten werden kann. Ich möchte nicht darüber spekulieren, welche Motive eine Fraktion veranlassen können, das zu tun. Das Fremdrentengesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe Vertriebene und Spätaussiedler Rente für im Ausland geleistete Tätigkeiten erhalten. Es war immer nur als Übergangslösung gedacht. Außerdem ist evident, dass das Fremdrentengesetz immer nur eine Krücke sein kann, die leicht zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Wäre es anders, spräche das gegen das ausgefeilte SGB VI. Das Fremdrentengesetz jetzt für neue Gruppen zu öffnen, schafft neue Schwierigkeiten und Ungerechtigkeiten. Jedenfalls bin ich äußerst skeptisch, ob es klug ist, weitere Gruppen in diese Hilfskonstruktion aufzunehmen und das Ganze damit noch komplizierter zu machen. Ich verstehe und teile das Anliegen, es jüdischen Zuwanderern aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu erleichtern, eine Altersversorgung oberhalb der Grundsicherung zu sichern. Sehr viele der Zuwanderer sind hochqualifiziert. Für jüngere Betroffene ist es in der Regel kein Problem, eine ausreichende Altersversorgung in Deutschland zu erwerben. Schwieriger ist es für Ältere, denen zu wenig Zeit blieb, Anwartschaften in der Deutschen Rentenversicherung aufzubauen. Ob es sachgerecht ist, das auf dem vorgeschlagenen Weg zu tun, bezweifle ich allerdings. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Zuwanderung jüdischer Bürger aus der ehemaligen Sowjetunion vor acht bis zehn Jahren praktisch zum Stillstand gekommen ist. Nun zu den Anträgen auf Rehabilitierung und Entschädigung Homosexueller - das ist eine rechtspolitische Spezialität ganz anderer Art -: Der Bundestag hat im Jahr 2000 einstimmig sein Bedauern über das in beiden Teilen Deutschlands erfolgte Unrecht zum Ausdruck gebracht. Aus heutiger Sicht erschrecken wir vor der bis 1968 bzw. 1969 geltenden Rechtsauffassung. Die Frage einer Aufhebung von Gerichtsurteilen durch eine spätere politische Entscheidung ist jedoch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beantworten. Das darf nicht gegen humanistische Grundsätze ausgespielt werden. Sie hat auch nichts mit noch heute bestehenden Vorbehalten gegenüber der Homosexualität als solcher zu tun. Jeder weiß, dass derartige Vorbehalte in meiner Fraktion keinerlei Rolle spielen. Für die FDP stehen den Anträgen der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes normierte Gewaltenteilungsgrundsatz sowie die durch das Rechtsstaatsprinzip gewährleistete Rechtssicherheit der Aufhebung von Gerichtsurteilen entgegen. Wir sind der Meinung, dass nachkonstitutionelle rechtskräftige Gerichtsentscheidungen und damit auch Verurteilungen wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen - anders als die Urteile aus der NS-Zeit - aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht durch Gesetz aufgehoben werden können. Selbstverständlich sind Opfer staatlicher Diskriminierung zu rehabilitieren. Dazu hat der Bundestag mit der starken Geste der einstimmigen Resolution bereits in der 14. Wahlperiode einen großen Schritt getan. Eine weitergehende Aufarbeitung des Themas soll durch die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld erfolgen. Das unterstützen wir sehr. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Nach der Zerschlagung des deutschen Faschismus hofften schwule Männer, dass die Zeit der strafrechtlichen Verfolgung nun beendet sei. Sie und lesbische Frauen hegten die Hoffnung, an das rege kulturelle Leben der Weimarer Republik anknüpfen zu können. Doch in beiden deutschen Staaten wurde der § 175 in der strafverschärfenden Version der Nazis von 1935 übernommen. Versuchten Schwule unter diesen Bedingungen als Opfer des Naziregimes anerkannt zu werden, hatten sie wenig Erfolg. In der DDR hatten Schwule keine Chance, Mitglied in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes zu werden. In der Bundesrepublik waren sie bis 1957 von jeglichen Entschädigungen ausgeschlossen. Aber auch danach traute sich kaum jemand, einen Entschädigungsantrag zu stellen, da der § 175 StgB unverändert fortbestand. Trotz Beibehaltung des § 175 in der Fassung der Nazis kehrte die DDR mit einem Urteil des Kammergerichts 1951 zur Fassung des § 175 der Weimarer Republik zurück, und ab Ende der 1950er-Jahre wurde die generelle Verfolgung schwuler Männer beendet. Die DDR strich den § 175 1968 aus dem Strafgesetzbuch. Die Bundesrepublik ging einen anderen Weg. Hier galt der § 175 in der Fassung der Nazis unverändert bis 1969 fort. Die Liebe zwischen Männern wurde in beiden deutschen Staaten strafrechtlich verfolgt. Etwa 50 000 schwule Männer wurden in der Bundesrepublik bis 1969 verurteilt. Für die DDR liegen nur Schätzungen vor, man geht von etwa 3 000 Verurteilungen aus. Für beide deutsche Staaten gilt: Viele Existenzen wurden zerstört, da bereits die Einleitung der staatsanwaltlichen und polizeilichen Untersuchungen Arbeits- und Lebensmöglichkeiten behinderte. Auch Lesben wurden stark diskriminiert. Die Geschichte ihrer Verfolgung ist allerdings nur in Ansätzen belegt. Nach der Entschärfung des § 175 galt in beiden deutschen Staaten ein unterschiedliches Schutzalter. Die DDR schaffte den Nachfolger des § 175, den § 151, 1988 endgültig ab. Die Bundesrepublik sollte sich zu diesem Schritt erst 1994 entschließen und dies erst als Folge des Einigungsvertrages, denn auf dem Gebiet der DDR durfte der § 175 nicht angewendet werden. Die Fraktionen des Deutschen Bundestages entschuldigten sich 2001 für die Verfolgung schwuler Männer in der Nachkriegszeit. Die Linke vertritt ganz klar die Meinung, dass diese Entschuldigung des Deutschen Bundestages nur ein erster notwendiger Schritt sein kann, um begangenes Unrecht anzuerkennen und zu heilen. Dieser grundlegende Verstoß gegen die Menschrechte begründet und erfordert die rückwirkende Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen. Dies sind wir ihnen schuldig. Da eine individuelle Rehabilitierung und Entschädigung der Betroffenen unmöglich ist, weil die Verurteilungsakten nach bestehenden Datenschutzgesetzen weitestgehend vernichtet wurden, worauf der Historiker Dr. Günter Grau in der öffentliche Anhörung verwies, bleibt dem heutigen Gesetzgeber nur eine Konsequenz: die generelle Rehabilitierung und Entschädigung. Im Angesicht des fortdauerenden schlimmen Schandflecks für die Demokratie müssen wir ein Zeichen setzen, auch um den betagten Betroffenen in ihren letzten Lebensjahren Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Wir müssen die Betroffenen generell rehabilitieren und entschädigen. Die schlimme Menschenrechtsverletzung und die Dimension der Verfolgung gebietet es zudem, dass der deutsche Bundestag eine Kommission einsetzt, um die Verfolgung nichtheterosexueller Menschen in der Nachkriegszeit in beiden deutschen Staaten aufzuarbeiten. Gleichzeitig behandeln wir hier den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Änderung des Fremdrentengesetzes: Das Anliegen einer besseren sozialen Sicherstellung der jüdischen Zuwanderinnen und Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion im Alter ist zu unterstützen. Denn viele der Zugewanderten sind erst im mittleren oder höheren Lebensalter nach Deutschland gekommen und konnten somit hier nur noch geringe oder gar keine Rentenansprüche aufbauen. Ihnen bleibt im Alter häufig nur die Grundsicherung. Knackpunkt ist, dass ihre in der ursprünglichen Heimat erworbenen Ansprüche nicht wirksam werden. Der Grund: Bis heute ist es nicht gelungen, die erforderlichen Sozialversicherungsabkommen von Deutschland mit Russland und der Ukraine oder anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion zum Abschluss zu bringen. Da ein positiver Ausgang der Verhandlungen nicht abzusehen ist, könnte die Einbeziehung in das Fremdrentenrecht, wie es der Gesetzentwurf vorsieht, wenigstens für einen Teil der Zuwanderinnen und Zuwanderer eine Verbesserung bedeuten. Die jüdischen Zuwanderinnen und Zuwanderer würden damit Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern gleichgestellt. Doch allzu große Hoffnung dürfen mit den Leistungen des Fremdrentengesetzes nicht verbunden werden: Die Konditionen haben sich durch Änderungen des Gesetzes inzwischen so weit verschlechtert, dass damit ebenfalls nur Renten erreicht werden, die kaum oder auch gar nicht die Grundsicherung im Alter erreichen. Einwänden gegen die Einbeziehung in das Fremdrentengesetz, das für Zugehörige des "deutschen Sprach- und Kulturkreises" entstanden ist, könnte mit der "besonderen historischen Verantwortung Deutschlands" begegnet werden, dies ist einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes zu entnehmen. Über diese besondere historische Verantwortung, davon gehe ich aus, dürfte in diesem Hause Einmütigkeit bestehen. Der deutsche Gesetzgeber steht gegenüber jüdischen Zuwanderinnen und Zuwanderern in einer besonderen Verantwortung. Nach dem von Deutschland ausgehenden Zivilisationsbruch, der Vernichtung der Juden Europas, muss uns die soziale Sicherstellung jüdischer Zuwanderinnen und Zuwanderer von höchster Bedeutung sein. Die deutsche Geschichte verpflichtet uns zur Verantwortung in der Gegenwart. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir können hier heute leider nicht über die vorliegenden Anträge beraten, die zum Ziel haben, die Opfer des § 175 StGB - in der BRD und der DDR verfolgte Homosexuelle - zu rehabilitieren und zu entschädigen. Stattdessen müssen wir einen Bericht des Vorsitzenden des Rechtsausschusses zur Kenntnis nehmen, der zum wiederholten Mal "weiteren Debattenbedarf" anmeldet und damit eine Abstimmung in der Sache verhindert. Sie verhöhnen damit die Opfer des § 175. Nach Jahren der Diskussion melden Sie immer weiter "Debattenbedarf" an, um Oppositionsanträge zu verhindern. Eigene Initiativen gibt es nicht. Dabei läuft die Zeit davon: Es darf nicht wieder geschehen, dass eine Rehabilitation und Entschuldigung erst erfolgen, wenn die letzten betroffenen Menschen gestorben sind. "Erledigung durch Zeitablauf" - diese Strategie der Koalition ist zynisch gegenüber den Opfern. Denn Debatten hat es genügend gegeben: Vier Bundesländer haben einstimmige Erklärungen in ihren Landtagen verfasst, die eine Rehabilitation der Opfer fordern, darunter das schwarz-gelb regierte Hessen und das von einer Großen Koalition regierte Sachsen-Anhalt. Der Bundesrat hat mit übergroßer Mehrheit an die Bundesregierung appelliert, einen Gesetzentwurf vorzulegen. Und bei der von der Opposition beantragten Anhörung im Rechtsausschuss hat eine Mehrheit der anwesenden Fachexperten dem Anliegen zugestimmt. Rechtliche Bedenken wurden widerlegt und die moralische Verantwortung der Bundesrepublik betont. Ich sage auch deutlich in Richtung der FDP: Immer neue Ideen und Vorschläge der interessierten Öffentlichkeit zu präsentieren, genügt nicht! Handeln Sie endlich oder machen Sie den Weg frei für eine neue Mehrheit, die zum Handeln bereit ist! Die Männer, die ihrer Würde und Freiheit beraubt werden, können nicht länger warten. Wir beraten heute auch noch über einen Gesetzentwurf zum Fremdrentengesetz. Seit 1991 haben Menschen jüdischen Glaubens aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Möglichkeit, nach Deutschland überzusiedeln. Es handelt sich um Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, um dauerhaft in Deutschland zu leben. Jüdische Zuwanderer, Übersiedler und Spätaussiedler unterscheiden sich jedoch im Rentenrecht. Übersiedler und Spätaussiedler können Renten nach dem Fremdrentengesetz erhalten; das heißt, in die Berechnung ihrer Renten werden auch Versicherungszeiten einbezogen, die in ihrem Herkunftsland zurückgelegt worden sind. Jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, die nicht dem sogenannten deutschen Sprach- und Kulturkreis zugerechnet werden, sind von Ansprüchen nach dem Fremdrentengesetz ausgeschlossen. Sie sind ausgeschlossen, obwohl auch diese Zuwanderer und Zuwanderinnen in der Verantwortung vor der deutschen Geschichte aufgenommen worden sind und durch Auswanderung ihre Rentenansprüche aus dem Herkunftsland verloren haben. Viele Betroffene sind deshalb auf Grundsicherung angewiesen, weil sie nicht mehr genügend Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung aufbauen konnten und können. Deshalb sollen jüdische Zuwanderinnen und Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion rentenrechtlich Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern gleichgestellt werden. Berufsjahre, die sie in ihren Herkunftsländern absolviert haben, werden dann nach dem Fremdrentengesetz in die Berechnung der Rente einbezogen. Dafür bitten wir Sie um Ihre Zustimmung. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfes auf Drucksache 17/14107 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Tagesordnungspunkt 66: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (18. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Swen Schulz (Spandau), Dr. Ernst Dieter Rossmann, Dr. Hans-Peter Bartels, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Kooperation von Hochschulen und Unternehmen transparent gestalten - zu dem Antrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Freiheit von Forschung und Lehre schützen - Transparenz in Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Unternehmen bringen - zu dem Antrag der Abgeordneten Krista Sager, Ekin Deligöz, Katja Dörner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern - Drucksachen 17/9168, 17/9064, 17/11029, 17/14103 - Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Philipp Murmann René Röspel Dr. Martin Neumann (Lausitz) Nicole Gohlke Krista Sager Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Dr. Philipp Murmann (CDU/CSU): Heute haben die drei Oppositionsfraktionen drei verschiedene Anträge zur Freiheit von Forschung und Lehre vorgelegt. Schon das zeigt, dass man sich nicht einmal innerhalb der Opposition einig ist, wie dieses wichtige Thema richtig behandelt werden soll. Und aus meiner Sicht noch schlimmer: Mit ihren Anträgen sprechen Sie unseren Forschungseinrichtungen die wissenschaftliche Unabhängigkeit ab. Sie unterstellen indirekt Kungelei sowie beeinflusste Forschung und Forschungsergebnisse. Verlieren Sie dabei aber nicht die Tatsachen aus den Augen: Die deutsche Forschung hat in den vergangenen vier Jahren unter der erfolgreichen Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder den Anschluss an die Weltspitze geschafft. Dies haben wir nicht nur den Investitionen in Bildung und Forschung zu verdanken, sondern einem gesunden Maß aus Transparenz und Vertrauen in unsere Forscher und Unternehmen. Transparenz im Wissenschaftssystem ist ein sehr wichtiges Gut. Deshalb wird die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre auch durch das deutsche Grundgesetz geschützt. So steht in Art. 5 Absatz 3 geschrieben: "Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung." Es besteht folglich für jeden ein Grundrecht auf Freiheit der Forschung. Das Grundgesetz legt dem Staat Grenzen der Beeinflussung auf. Diese Grenzen setzen wir schon jetzt - mit Augenmaß. Bei der Forschungsförderung des Bundes werden alle wesentlichen Angaben zu Forschungsvorhaben, wie zum Beispiel das Thema, die Laufzeit, die Fördersumme, der Zuwendungsempfänger, der Ansprechpartner oder auch das Ressort, im Förderkatalog des Bundes im Internet veröffentlicht. Das ist Transparenz. Ebenso publiziert die Deutsche Forschungsgemeinschaft alle geförderten Projekte in GEPRIS. Auch hier sind Informationen zu Förderprojekten vorzufinden. Genauso bietet das Informationsfreiheitsgesetz allen Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit, sich Erkundigungen über Projektförderungen des Bundes einzuholen. Darauf haben sie sogar einen Rechtsanspruch. Auch veröffentlichen Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen zahlreiche Informationen zu ihren Drittmittelprojekten auf Internetseiten. Es existieren also ausreichende Instrumente, die Transparenz herstellen und es der Öffentlichkeit ermöglichen, sich einen Überblick über Finanzierungsquellen von Wissenschaft und Forschung zu verschaffen. Doch Transparenz hat auch gewisse Grenzen und diese Grenzen sind uns wichtig. Ich bin der Überzeugung, dass wir weiterhin auf ein gesundes Vertrauen zu Forschungseinrichtungen, Geldgebern, Vertragsinhalten und Kooperationsbeziehungen setzen sollten. Albert Schweitzer wusste schon: "Vertrauen ist für alle Unternehmungen das Betriebskapital, ohne welches kein nützliches Werk auskommen kann." Aber was bedeutet eigentlich Vertrauen? Vertrauen ist Glaube, Gewissheit, Sicherheit, aber auch Zuversicht. Es entsteht durch Verlässlichkeit, durch Berechenbarkeit, durch nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln. Wir haben dieses Vertrauen in die Wissenschaft und in die Unternehmen. Denn wir sichern die notwendigen Mittel für die Forschung. Wir schaffen gute Rahmenbedingungen für Innovationen, und wir sichern die Wissenschaftsfreiheit. Das von uns beschlossene Wissenschaftsfreiheitsgesetz ist hier ein Meilenstein. Es gibt außeruniversitären Wissenschaftseinrichtungen mehr Autonomie, es schafft Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bei Finanz- und Personalentscheidungen, es schafft Freiräume für Forschung, indem die Steuerungsfunktion von Staat und Verwaltungen zurückgefahren wird. Insgesamt schafft es transparente Strukturen durch das Sichtbarmachen der Eigenverantwortung der Akteure. Mit dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz zeigen wir, dass wir uns auf unsere Forscherinnen und Forscher verlassen; denn wir haben Respekt vor ihren außerordentlichen Leistungen. Dass sich die Forscher, Wissenschaftler, Hochschullehrer und Studenten auf uns verlassen können, beweist nicht nur jährlich das EFI-Gutachten, das unserer christlich-liberalen Koalition übrigens ein hervorragendes Ergebnis ausstellt, sondern auch die stetige Erhöhung des Bildungs- und Forschungsetats seit 2005: Wir haben die Investitionen in Bildung und Forschung seit 2005 um mehr als 60 Prozent erhöht. Wir wollen kein Klima des Misstrauens. Wir wollen eine Vertrauenskultur, in der Wissenschaft und Wirtschaft eng zusammenarbeiten können. Dieses Vertrauen gewinnen wir eben nicht durch eine staatlich verordnete und bürokratisierte Kooperation. Wir brauchen nicht mehr Vorschriften, sondern allein ein konsequentes und transparentes Verfolgen von Fehlverhalten. Und dies geschieht auch. Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sind wichtig. Genau deswegen müssen wir ihnen auch einen Freiraum zur wissenschaftlichen Entfaltung bieten. Dabei geht es überwiegend um Kooperationen mit Institutionen, mit Wirtschaftsunternehmen oder zum Beispiel auch mit der Landwirtschaft. Es geht darum, gemeinsam an anwendungsorientierten Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu arbeiten. Die aus dieser Zusammenarbeit entstehenden Ergebnisse kommen allen zugute. Wir können aus diesen Ergebnissen neue Produkte und Verfahren entwickeln. Unsere Wirtschaft profitiert von der Bündelung an technologischen Ressourcen und dem Know-how der Hochschulen. Umgekehrt profitieren auch die Hochschulen vom Wissen und den Erfahrungen aus der Wirtschaft. Durch Freiheit und Eigenverantwortung schaffen wir Transparenz. Wir brauchen daher also mehr Autonomie der Hochschulen und unserer Forschungseinrichtungen. Und liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, meinen Sie Ihre Forderung nach Schutz der Hochschulen vor Unternehmen wirklich ernst? Dieser Ansicht können wir uns in keiner Weise anschließen; denn Ihr Ansinnen fördert doch gerade erst ein generelles Misstrauen gegenüber allen Unternehmen. Hier geht es aber nicht um einen Kampf zwischen David und Goliath, bei dem der vermeintlich Schwächere der beiden durch einen Dritten geschützt werden muss. Das ist fernab der Realität; denn die Partner begegnen sich doch schon heute auf Augenhöhe. Haben Sie sich eigentlich schon einmal Gedanken darüber gemacht, welche tatsächlichen Konsequenzen eine überzogene Transparenz hätte? Ich bin der Überzeugung, dass ein vernünftiges und notwendiges Maß an Transparenz den Wettbewerb stärkt und aufrechterhält. Mit Ihren Vorschlägen laufen wir aber Gefahr, ebendiesen Wettbewerb zu verzerren. Transparenz braucht Augenmaß. Das, was Sie erreichen wollen, ist Kontrolle. Das kann und darf nicht das Ziel sein. Forschung, Innovationen und neue Technologien bilden die Grundlage für unseren Wohlstand in Deutschland. Gute Rahmenbedingungen und der erfolgreiche Technologietransfer aus Forschung und Wissenschaft in die Wirtschaft machen Deutschland zu einem international erfolgreichen Hightechstandort. Aber wir bekommen auf dem Weltmarkt immer stärkere Konkurrenz. Wir müssen deswegen wettbewerbsfähig bleiben. Innovationen beruhen auf neuen, kreativen Ideen die vor allem dadurch gesichert werden, dass wir Wirtschaft und Wissenschaft bei ihren Kooperationsvorhaben positiv unterstützen. Meine Damen und Herren der Opposition, Ihre Annahmen stellen Kooperationen von Wirtschaft und Wissenschaft unter einen Generalverdacht. Das schützt aber weder Forschung noch Lehre; es schadet vielmehr unserem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort. Mit Ihren Forderungen nach überzogenen Veröffentlichungspflichten verschrecken Sie nicht nur die Unternehmen, Sie gefährden auch unser Wissenschaftssystem. Ganz besonders in der Forschung muss für uns gelten: So viel Freiheit wie möglich, so wenig Bürokratie wie nötig. Wir, die Fraktion der CDU/CSU, wollen die Freiheit von Forschung und Lehre schützen. Wir stehen zur Forschungsfreiheit, zur Wissenschaftsfreiheit und zur Freiheit der Lehre. Daher kann man Ihre Anträge, liebe Mitglieder der Opposition, nur ablehnen. René Röspel (SPD): Jede Hochschule in Deutschland verfügt über eigene Grundmittel, die vom jeweiligen Bundesland zur Verfügung gestellt werden. In der Zeit zwischen 1998 und 2010 sind diese Mittel von 12,6 auf 15,5 Milliarden Euro gestiegen. Das ist viel Geld. Gleichzeitig sind aber auch die Ausgaben und Kosten der Hochschulen gewachsen. Neben den Grundmitteln verfügt jede Hochschule, wobei es hier zwischen einzelnen Fachrichtungen große Unterschiede gibt, auch noch über sogenannte Drittmittel. Dabei handelt es sich um Fördergelder, die, meist in einem wettbewerblichen Verfahren, von außen eingeworben werden. Mögliche Förderer sind zum Beispiel der Bund oder die Europäische Union, aber genauso auch Stiftungen oder Wirtschaftsunternehmen. Die eingeworbenen Drittmittel der Hochschulen sind im selben Zeitraum von 2,5 auf 5,3 Milliarden Euro gestiegen. Insgesamt ist die Drittmittelquote zwischen 1998 und 2010 von 16 auf 26 Prozent gestiegen. Grund dafür ist, dass die aktuelle Grundfinanzierung durch die Länder, welche ebenfalls an ihre finanziellen Grenzen stoßen, für viele Hochschulen nicht mehr ausreicht. Drittmittel bedeuten für die einzelnen Empfänger aufgrund des Bewerbungs-, Evaluierungs- und Abschlussprozesses einen organisatorischen und zeitintensiven Mehraufwand. Das geht oft zulasten der Zeit für Forschung oder auch Lehre. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, Drittmittel kritisch zu betrachten. Denn wie oben bereits beschrieben, gibt es sehr unterschiedliche Quellen für Drittmittel. Es macht aber einen Unterschied, ob zum Beispiel eine Studie über mögliche negative Auswirkungen einer genmanipulierten Pflanze durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung oder ein Unternehmen, welches selbst genmanipulierte Pflanzen vertreibt, finanziert wird. Die Ergebnisse, in welche Richtung sie in diesem Fall auch gehen sollten, hätten für den jeweiligen Auftragsgeber sehr unterschiedliche Auswirkungen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich denke, dass es sehr gute Gründe für die Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gibt. Meist sind die gemeinsam zu bearbeitenden Themen nicht kontrovers. In der Vergangenheit haben wir aber gesehen, dass, wenn es zu Diskussionen über einzelne Projekte der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft kommt, meist die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in die Schusslinie geraten. Ein Grund dafür war, dass über die Details ihrer Zusammenarbeit mit der Wirtschaft Stillschweigen vereinbart worden war. Dies ist aus unserer Sicht aber der falsche Weg. Beide Partner sollten vielmehr ein Interesse an möglichst breiter Transparenz haben, um so Unklarheiten auszuräumen. Das würde sie einerseits weniger angreifbar machen und gleichzeitig auch die Diskussion über mögliche problematische Kooperationen versachlichen. Mehr Transparenz ist deshalb für alle Kooperationen zwischen Hochschulen und der Wirtschaft der richtige Ansatz. Als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind wir uns über die Hochschul-, Länder- und Bundeskompetenzen sehr genau bewusst. Auch kennen wir das Grundgesetz gut genug, um zu wissen, dass dem Staat in diesem Bereich nur eine begrenzte Einflussnahme möglich ist. Aus diesem Grund haben wir unseren hier vorliegenden Antrag knapp gehalten und zuvorderst die Bundesregierung dazu aufgefordert, gemeinsam mit den Ländern und der Wissenschaft an möglichen Verbesserungen in diesem Bereich zu arbeiten. Gegen eine solche Diskussion sollte eigentlich keiner etwas haben. Aber CDU/CSU und FDP haben bereits angekündigt, unseren Antrag abzulehnen. Können Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP, mir vielleicht erklären, warum? Wahrscheinlich wissen Sie es selbst nicht. Da Grüne und Linke in ihren jeweiligen Anträgen die Kompetenzen des Bundes etwas überschätzen, im Grundsatz sich unsere Forderungen dort aber ebenfalls wiederfinden, haben wir entschieden, uns bei beiden Anträgen zu enthalten. Wie Sie sehen, haben alle Oppositionsfraktionen beim Thema Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen klare Forderungen. CDU/CSU und FDP hingegen stehen, mal wieder, blank da. Für eine Regierungsfraktion ist das eine wirkliche Blamage. Aber zum Glück sind bald Wahlen, und der Spuk hat dann endlich ein Ende. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Innovationen sind die Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit und Zukunftsgerechtigkeit in Deutschland. Sie sind Grundlage für gesellschaftlichen Fortschritt, nachhaltiges Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. An Vorschlägen, wie die Innovationsfähigkeit Deutschlands erhöht werden kann, mangelt es nicht: mehr Geld, mehr Spitzenforschung, die Stärkung des Wissenstransfers, mehr Offenheit für Neues. Aber auch Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft können ihren Beitrag leisten. Auch die Zusammenarbeit von Unternehmen und Hochschulen können die Leistungsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft steigern. Wir wollen diese Kooperationen, von denen beide Seiten profitieren können. Unternehmen erhalten hierdurch Zugang zu den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und können diese für neue innovative Produkte nutzen. Hochschulen erhalten die Möglichkeit, dass ihre Forschungsergebnisse Anwendung finden, und Mitarbeiter und Studierende werden von Unternehmen aufgenommen. Hieraus ergibt sich eine Win-win-Situation für beide Seiten. Insgesamt investierte die Wirtschaft im Jahr 2010 Drittmittel in Höhe von 1,2 Milliarden Euro in die Hochschulen. Doch wie in jeder guten Beziehung müssen die Spielregeln stimmen. In der vergangenen Zeit wurden immer wieder Verträge zwischen Unternehmen und Hochschulen bekannt, durch die der Eindruck entstand, dass sich ein Unternehmen in eine Hochschule einkaufen will, indem es sich vertraglich Mitsprache- und Entscheidungsrechte sichern will, so auch, wenn es sich um Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen handelt. Zudem berichteten einzelne Hochschulen davon, dass Unternehmen mit Verträgen an sie herangetreten sind, bei denen sie als Geldgeber die Forschungsthemen diktieren wollten und die Rechte an den Forschungsergebnissen für sich beanspruchten. Dies ist ein Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung, der so nicht hinnehmbar ist. Hochschulen zeigen inzwischen vereinzelt genug Selbstbewusstsein und lehnen solche indiskutablen Verträge ab; denn sie sind sich durchaus bewusst, dass nicht nur sie von dem Geld der Wirtschaft profitieren, sondern dass auch die Unternehmen einen starken Vorteil durch eine Zusammenarbeit erhalten. Die Wissenschaft sieht sich inzwischen als gleichwertiger Partner und nicht als Forschungslieferant der Wirtschaft. Nun könnte man meinen, dass sich alles von alleine zurechtruckelt. Doch hier geht es darum, die Freiheit der Wissenschaft zu schützen. Deshalb sollten Spielregeln geschaffen werden, an denen sich die beteiligten Partner orientieren können. Hierfür muss kein gesetzlich detailliertes Regelwerk geschaffen werden; denn auch hierdurch bestünde die Gefahr eines staatlichen Eingriffes in die Freiheit der Wissenschaft. Die SPD fordert darum eine von Bund und Ländern gemeinsam formulierte Offenlegungspflicht von Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen, die sich begrenzt auf die Partner, die Fördersumme und die Laufzeit. Dass dies rechtlich möglich ist, wurde auch vom Wissenschaftlichen Dienst bestätigt. Zudem schlagen wir vor, dass die Bundesregierung sich im Wissenschaftsrat dafür einsetzt, einen Kodex zu erarbeiten, mit dem die Bundesländer und Hochschulen Kriterien für die Ausgestaltung und Grenzen von Kooperationen mit Unternehmen erhalten. Dies gibt den Kooperationspartnern die Sicherheit, sich auf gleicher Augenhöhe zu bewegen. Außerdem ist von vornherein jeder Verdacht ausgeschlossen, dass die Freiheit von Forschung und Wissenschaft beeinträchtigt wird. Auf diese Informationen hat die Öffentlichkeit insofern einen Anspruch, als die Wissenschaft vornehmlich öffentlich finanziert wird. Die Koalition von CDU/CSU und FDP hat unsere Vorschläge wieder einmal mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt. Angeblich würden die vorgeschlagenen Regelungen zu einem Klima des Misstrauens führen. Das Gegenteil ist der Fall: Mit unseren Forderungen für eine verbesserte Transparenz in der Wissenschaft wäre eine verbesserte, vertrauensvollere Situation für alle - Kooperationspartner und Öffentlichkeit - entstanden. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Für uns Liberale ist die Freiheit von Wissenschaft und Forschung ein überaus hohes und kostbares Gut. Das dürfte in den letzten Jahren gerade im Regierungshandeln von Union und FDP deutlich geworden sein. Ebenso deutlich geworden ist, dass SPD, Grüne und Linke in ihren Anträgen zwar häufig die Wissenschaftsfreiheit als Worthülse vor sich hertragen, am Ende aber dann doch große Eingriffe fordern. In den vorliegenden Anträgen wird die Unabhängigkeit der Wissenschaft falsch verstanden. Da fordert man vom Bund zu schaffende Regeln für Kooperationen von Unternehmen und Hochschulen. In dieser Legislaturperiode haben wir unzählige Anträge der Opposition beraten dürfen, die vom Bund ein Handeln im Bereich der Hochschulen fordern. Wir wurden mit einem ganzen Strauß "altkluger" Forderungen beglückt, wo der Bund eingreifen müsse, Regeln schaffen müsse und was er nicht alles zu verbieten habe. Und gerade wenn es dann um die Finanzierung geht, wird zuerst der Bund in der Pflicht gesehen. Mit diesen "Wir-fordern-mehr"-Anträgen haben die Antragsteller uns vor allem viel kostbare Zeit geraubt. Zugegeben gab es auch einige kluge Forderungen seitens der Oppositionsfraktionen. Leider haben sie diese immer an die falsche Adresse gerichtet. Ich habe mir daher gern den Spaß daraus gemacht und diese Anträge an die FDP-Landtagsfraktionen weitergeleitet. Die roten und grünen Landesregierungen bekommen damit ganz gute Arbeitsanweisungen für ihre Regierungsarbeit. Und wir können SPD, Grüne und Linke an ihren Taten messen. Sie wissen, dass die Hochschulpolitik ihrer Parteifreunde in den Ländern mehr als beschämend ist. Nur, dies dem Bund, dies uns anzukreiden, ist schon absurd. Zu den Forderungen nach mehr Transparenz und nach der Offenlegung von Kooperationsbeziehungen von Hochschulen und Unternehmen sowie zum Problem der schwindenden Unabhängigkeit bei den Hochschulen aufgrund des steigenden Anteils der Drittmittel in der Gesamtfinanzierung darf ich gern Folgendes klarstellen: Die Freiheit der Wissenschaft bedeutet zuerst eine selbst auferlegte Verpflichtung eines jeden Wissenschaftlers. Es gehört zur Aufgabe des Wissenschaftlers, Verantwortung zu übernehmen und die Überparteilichkeit seiner Forschung zu sichern. Das unterstreicht auch die Resolution des Deutschen Hochschulverbandes "Zur Unparteilichkeit von Wissenschaft", auf die sich zum Teil die Antragsteller berufen. Jene Resolution jedoch fordert gerade nicht eine staatlich verordnete Transparenz und irgendwie geartete Regeln durch die Politik. Vielmehr verpflichtet die Initiative des Deutschen Hochschulverbandes jeden Forschenden und die Wissenschaft insgesamt, aus sich heraus die Drittmittelprojekte und ihre Auftraggeber offenzulegen. Wir Liberalen stehen deshalb auf der Seite der Wissenschaft. Für uns sind autonome Hochschulen kein pauschales Schlagwort, sondern in ihrer Selbstständigkeit und Eigenverantwortung ernst zu nehmende Institutionen. Wir wissen, dass die Politik nicht den Wissenschaftsorganisationen - ebenso wenig wie der Hochschulrektorenkonferenz, dem Wissenschaftsrat oder dem Deutschen Hochschulverband - vorschreiben kann, in welche Richtung selbstverpflichtende Standards formuliert werden sollen. Wir haben aber durch das Grundgesetz und auch mit unserem Wissenschaftsfreiheitsgesetz die Wissenschaftsinstitutionen zum Glück in die erforderliche Freiheit versetzt, die es ihnen ermöglicht, sich selbst zu etwas zu verpflichten oder eben auch nicht. Wir vertreten die Auffassung, dass die Politik ihre Anliegen als Anregung formulieren und in die Wissenschaft eingeben sollte. Dafür gibt es auch in jüngster Zeit positive Beispiele aus dem Kreis der Wissenschaftspolitiker aller Fraktionen im Deutschen Bundestag. Ich erinnere da an den gemeinsamen Brief, den wir über die Fraktionen hinweg formuliert haben, zur "Qualität wissenschaftlichen Arbeitens". Ob dies dann aufgegriffen wird, muss in letzter Entscheidung bei den Einrichtungen liegen. SPD, Grüne und die Linke könnten ihre Anträge natürlich auch als Anregung in die Wissenschaftseinrichtungen geben. Vermutlich haben sie jedoch einfach nur Angst davor, dort mit ihren markigen Worten abzublitzen. Und wenn man über Drittmittel im Zusammenhang mit Wissenschaftsfreiheit sprechen möchte, sollte man auch zuerst einmal die Meinung der Wissenschaft einholen. Sowohl Wissenschaftsrat als auch Hochschulrektorenkonferenz sehen in der Drittmittelfinanzierung keine Gefährdung der Wissenschaftsfreiheit. Im Gegenteil, beide führen aus, dass die Hochschulforschung durch die Möglichkeit, öffentliche und private Drittmittel einwerben zu können, vielmehr profitiert. Durch Drittmittel entstehen im Wissenschaftssystem Impulse für mehr Wettbewerb. Wissenschaftler können durch diese zusätzlichen Mittel ihre Forschungsaktivitäten sogar ausweiten: Effekte, die mehr Wissenschaftsfreiheit und nicht weniger schaffen. Die eigentlich wichtige Frage ist aber die nach der Verantwortung der Länder für eine umfassende und auskömmliche Grundfinanzierung von Hochschulen. Diese nämlich ist es, die erst eine echte Wissenschaftsfreiheit für die Universitäten und Fachhochschulen garantieren kann. Hierzu reichen jedoch nicht die leeren Worthülsen der Antragsteller; hierzu bedarf es konkreter zukunftsgerichteter Regierungspolitik in den Ländern. Dazu scheinen aber die Parteifreunde und Genossen der Antragsteller in den entsprechenden Landesregierungen weder fähig noch willens. Wir als christlich-liberale Koalition haben hingegen konkrete Schritte unternommen, um den Bund an der Finanzierung von Hochschulen zu beteiligen. Wir haben den Hochschulpakt sowie den Qualitätspakt für Forschung und Lehre mit zusätzlichen Mitteln aufgestockt. Und das Kabinett hat einen konkreten Vorschlag zur Änderung des Grundgesetzes in Art. 91 b vorgelegt, der es dem Bund ermöglichen würde - im Nachgang der Exzellenzinitiative -, zusätzliche Finanzmittel in den Hochschulsektor zu bringen. Während SPD, Linke und Grüne die Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen einmal mehr am Gängelband der Politik führen wollen, haben Union und FDP in den vergangenen vier Jahren bewiesen, dass sie die Bewahrer der Freiheit von Forschung und Lehre sind. Bildungs-, Wissenschafts- und Innovationspolitik sind die Grundpfeiler der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Während die Antragsteller hinterrücks die Wissenschaftsfreiheit massiv beschränken wollen, hat die christlich-liberale Koalition mit dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz die außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus der Zwangsjacke der Kameralistik der Bundesverwaltung gelöst. Es ist an der Zeit, dass auch die Länder ihren Wissenschaftseinrichtungen - den Universitäten und Fachhochschulen - endlich die erforderliche Freiheit einräumen, die sie für ihre Arbeit benötigen. Der damalige FDP-Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart hatte in Nordrhein-Westfalen Beeindruckendes in Sachen Hochschulfreiheit auf den Weg gebracht. SPD, Linke und Grüne jedoch beweisen dort, wo sie in Regierungsverantwortung sind, dass bei ihnen die Wissenschaft in schlechten Händen ist. Und sie legen allzu gern die Axt an die Freiheit von Wissenschaft und Forschung an. Das dokumentiert die Politik in den rot-grün regierten Ländern; das ist nachzulesen in den vorliegenden Anträgen, die ein beängstigender Ausdruck der ungeheuren Skepsis gegenüber unseren Wissenschaftlern ist. Ein solches Verständnis von Wissenschaftsfreiheit teilen wir nicht. Wir lehnen diese Forderungen daher vollends ab. Nicole Gohlke (DIE LINKE): Die Hochschulöffentlichkeit diskutiert nun schon seit einiger Zeit die Frage der fehlenden bzw. sinkenden Transparenz in Wissenschaft und Forschung, besonders wenn es zu Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen kommt. Alles andere als unbegründet, wenn man sich die Bilanz der vergangenen Jahre ansieht: Zuerst ging es um einen vor etwa zwei Jahren bekannt gewordenen Vertrag der Deutschen Bank mit Humboldt-Universität und Technischer Universität in Berlin. Dieser sah die Finanzierung eines Institutes mit zwei Stiftungsprofessuren durch die Deutsche Bank vor - im Gegenzug für weitgehende inhaltliche Zugeständnisse an den Konzern: Mitspracherecht bei der Besetzung von Professuren und bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen. Außerdem sicherten die Universitäten ihre Unterstützung bei der Personalrekrutierung zu. Und sollte sich der paritätisch besetzte Lenkungsausschuss hinsichtlich der Kooperationsvereinbarungen nicht einig werden, dann entschied in Pattsituationen auch noch die Bank. Ein ähnliches Bild an der Uni Bremen: Dort verlangte der Rüstungskonzern OHB als Gegenleistung für eine Stiftungsprofessur die Veränderung bzw. Abschaffung der in der Hochschulsatzung festgeschriebenen Zivilklausel. Wenig Konkretes lässt sich über die Kooperation des Chemie- und Pharma-Konzerns Bayer AG mit der Universität Köln sagen, obwohl diese schon seit 2008 existiert: Denn wie viel Geld an die Hochschule fließt und wie die Zusammenarbeit im Einzelnen geregelt wird, wird geheim gehalten. Versuche, über die Gremien der Hochschule eine Offenlegung des Vertragswerkes zu erreichen, scheiterten. Derzeit klagt eine Initiative auf Grundlage des nordrhein-westfälischen Informationsfreiheitsgesetzes auf Offenlegung. Und dies sind nur zufällig bekannt gewordene Fälle, die Dunkelziffer ist weitaus höher. Dem Problem inhärent ist, dass niemand, der hier sitzt, die Einflussnahme privater Geldgeber auf das Wissenschaftssystem wirklich quantifizieren oder qualifizieren kann, obwohl eigentlich für den öffentlichen Raum das Transparenzgebot gelten müsste. Wir reden bei den öffentlichen Hochschulen nämlich vom öffentlichen Raum, wo Infrastruktur, Personal etc. mit öffentlichen Geldern finanziert sind. Aber die Herstellung von Transparenz wird mehr und mehr unterlaufen, da in den Kooperationen vermehrt privatrechtliche und wettbewerbsrechtliche Vertragsbedingungen zur Anwendung kommen. Öffentliche Gelder - und die Unterrichtung der Öffentlichkeit - werden so immer mehr zum Spielball von unternehmerischen Einzelinteressen. Damen und Herren von der Koalition, Sie ahnen es, auch diese Entwicklung ist nicht vom Himmel gefallen, sondern ist durch politische Entscheidungen, durch Ihre Entscheidungen, zustande gekommen. Sie ist bedingt durch die veränderten Steuerungs- und Finanzierungsmechanismen, die in den letzten 10 bis 15 Jahren an den Hochschulen von den diversen Bundesregierungen vorangetrieben wurden. Ursachen sind einerseits das stark ansteigende Aufkommen privater Drittmittel und verstärkter Kooperationen statt öffentlicher Grundfinanzierung und andererseits die Integration privater Unternehmen und ihrer Verbände in die Aufsichtsgremien der Hochschulen und Forschungseinrichtungen. Und Sie nehmen die Gefahr der inhaltlichen Einflussnahme durch Einzelinteressen, die Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre wissentlich und üblerweise auch noch willentlich in Kauf. Denn das kann man ja in diversen Strategiepapieren der Bundesregierung nachlesen, dass dies Ihr Ziel ist: Statt die Freiheit von Wissenschaft und Forschung zu schützen, wird bei Ihnen Wissenschaft zu einer Ressource im Standortwettbewerb, Forschung und Entwicklung werden entsprechend maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der deutschen Großkonzerne. Die Bundesregierung hat offenbar vergessen, dass Hochschulen öffentlich finanzierte Einrichtungen sind und dass der Gesetzgeber in der Pflicht ist, dass Privatinteressen die öffentlichen Interessen nicht überlagern. Also kommen Sie wenigstens dieser Pflicht nach und machen Sie sämtliche Kooperationen öffentlich, schließlich sollte die Öffentlichkeit darüber informiert sein, was mit ihren Geldern passiert. Und kommen Sie jetzt nicht wieder mit dem Nullargument, die Hochschulen würden diesen Verträgen ja zustimmen, und man könne doch nicht in die Autonomie der Hochschulen eingreifen. Das ist ein Scheinargument - die Hochschulen sind doch kaum mehr in der Lage, so eine Entscheidung frei und unabhängig zu treffen, so unterfinanziert sie dank schwarz-gelber Politik sind. Erst durch die von Ihnen forcierte Abhängigkeit von Drittmitteln sind die Hochschulen doch so in die Enge getrieben worden, sich an jedem Finanzierungsstrohhalm festzuklammern. Also sichern Sie die auskömmliche Grundfinanzierung der Hochschulen, denn nur so kann die grundgesetzlich garantierte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre tatsächlich geschützt werden. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In unserem Antrag schlagen wir vor, Transparenz stärker, als dies bisher geschieht, als verbindliches Grundprinzip im Bereich der öffentlich finanzierten Wissenschaft zu verankern. Damit tragen wir verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungen und Bedürfnissen Rechnung. Der erfreuliche Bedeutungszuwachs, den Wissenschaft und Forschung erleben, korrespondiert mit einem gewachsenen Interesse von Gesellschaft und Öffentlichkeit an dem, was in der Wissenschaft geschieht. Dazu gehört auch die berechtigte Frage, was mit welchen Mitteln im Bereich der Forschung gefördert wird. Transparenz ist auch die Voraussetzung für mehr Partizipation von Bürgerinnen und Bürgern sowie Vertretern der Zivilgesellschaft bei forschungspolitischen Agendasetting-Prozessen. Damit haben wir uns in einem gesonderten Antrag befasst. Transparenz führt aber auch zu einer verbesserten Sichtbarkeit öffentlich finanzierter Forschungsvorhaben und ihrer Ergebnisse. Sie stärkt nicht nur die Legitimität der öffentlichen Forschungsfinanzierung, sondern dient vor allem auch dem internationalen Austausch und der Nachnutzung wissenschaftlicher Ergebnisse. Transparenz unterstützt den Wissens- und Technologietransfer in Wirtschaft und Gesellschaft, hilft, Innovationspotenziale zu heben und dient auch der Überprüfbarkeit und Qualitätssicherung. Die Unterstützung von Open Access und Open Data bei wissenschaftlichen Publikationen und der Aufbau von Infrastrukturen zur langfristigen Sicherung und Verfügbarmachung von Forschungsdaten können hier einen wichtigen Beitrag leisten. Durch frei zugängliche untereinander vernetzte Datenbanken sollen wesentliche Informationen über öffentlich finanzierte Forschungsprojekte in allgemein verständlicher Form veröffentlicht werden. Dazu gehören Informationen über die Inhalte der Vorhaben, Umfang und Dauer der Förderung, Empfänger und Kooperationspartner. Transparenz ist aber auch ein wichtiges Instrument, um die Unabhängigkeit der Wissenschaft gerade in Kooperationsbeziehungen zu schützen und mögliche Interessenkonflikte aufzudecken. Gegebenenfalls können falsche Verdächtigungen durch Offenlegung auch abgewehrt werden. Dies stellt den großen gesamtgesellschaftlichen Mehrwert von Kooperationen zwischen Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Unternehmen oder anderen Dritten nicht infrage. In dieser Einschätzung unterscheiden wir uns von der Fraktion der Linken. Im Regelfall sind Kooperationen durchaus produktiv und wünschenswert und befördern den Wissens- und Technologietransfer, verkürzen den Weg von der Erkenntnis zur Innovation. Aber um die Integrität der Wissenschaft abzusichern, unterstützen wir die Forderung der Informationsfreiheitsbeauftragten, verbindlich zu regeln, dass wesentliche Informationen zu vertraglichen Kooperationen zwischen öffentlich finanzierten Einrichtungen und Dritten grundsätzlich veröffentlicht werden sollen. Da bleibt uns der Antrag der SPD zu allgemein. Natürlich dürfen dabei gesetzlich geschützte Interessen, zum Beispiel von Unternehmen, nicht beeinträchtigt werden. Für die Ausgestaltung von Kooperationen zwischen Unternehmen und Hochschulen sowie Forschungseinrichtungen sollten Codes of Conduct entwickelt und umgesetzt werden. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat dies zum Beispiel bereits für die Einrichtung von Stiftungsprofessuren gemacht. Auch wissenschaftliche Autorinnen und Autoren sollten entsprechend dem Singapore Statement on Research Integrity bei ihren Publikationen Abhängigkeiten und mögliche Interessenskonflikte, die ihre Unabhängigkeit tangieren könnten, offenlegen. Für anzeige- und genehmigungspflichtige Nebentätigkeiten von Hochschulprofessoren und leitendem wissenschaftlichen Personal an Forschungseinrichtungen brauchen wir ebenfalls Veröffentlichungsverpflichtungen. Die Wissenschaftsorganisationen sollten angemessene Transparenzregelungen auch für die Nebentätigkeiten des übrigen hauptberuflichen wissenschaftlichen Personals erarbeiten. Transparenz als Grundprinzip im Wissenschaftsbereich ist keine Misstrauensbekundung, sondern liegt im ureigensten Interesse der Wissenschaft selber und sollte deshalb von der Politik stärker unterstützt werden. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses auf Drucksache 17/14103. Unter Buchstabe a empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/9168 mit dem Titel "Kooperation von Hochschulen und Unternehmen transparent gestalten". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Linken gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung der Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Linken-Fraktion auf Drucksache 17/9064 mit dem Titel "Freiheit von Forschung und Lehre schützen - Transparenz in Kooperationen von Hochschulen und Forschungseinrichtungen mit Unternehmen bringen". Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der Grünen gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der SPD angenommen. Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Grünen-Fraktion auf Drucksache 17/11029 mit dem Titel "Transparenz als verbindliches Grundprinzip in der öffentlich finanzierten Wissenschaft verankern". Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Grünen bei Enthaltung von SPD und Linken angenommen. Tagesordnungspunkt 67: Beratung des Antrags der Abgeordneten Herbert Behrens, Dr. Gregor Gysi, Dr. Dagmar Enkelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Umfassenden Lärmschutz am BER sicherstellen - Sanierung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg auf Kosten der Anwohner verhindern Drucksache 17/14118 - Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Jens Koeppen (CDU/CSU): Seit über einem Jahrzehnt sitzen Vertreter der Partei Die Linke - oder wie die Partei sich früher nannte: der PDS - in den Aufsichtsgremien der Flughafengesellschaft - erst für den Gesellschafter Berlin und jetzt für den Gesellschafter Land Brandenburg. Parteimitglieder können an herausgehobener Stelle mitreden, mitentscheiden und mitkontrollieren. Vertreter der Partei Die Linke können über Lärmschutz und Nachtflugverbot mitentscheiden. Und Sie entscheiden auch mit. Herr Christoffers, Wirtschaftsminister aus Brandenburg, Wirtschaftsminister für die Linken, erklärt im Dezember 2012, dass er ein komplettes Nachtflugverbot am neuen Hauptstadtflughafen Schönefeld ablehnt. Sie können diese Position auch öffentlich nachlesen. Unter anderem in seinem Namensbeitrag in den Potsdamer Neuste Nachrichten vom 21. Dezember 2012 hat er seine Position begründet - ich zitiere -: "Grundsatz aller Diskussionen muss aber bleiben, dass keine Zusagen gemacht werden, die aufgrund der rechtlichen und tatsächlichen Situation trotz aller Bemühungen später nicht eingehalten werden können." - Ihr Wirtschaftsminister von der PDS hat in diesem Punkt recht. Ministerpräsident Platzeck hat jetzt - zumindest öffentlich - seine Meinung zum Nachtflugverbot geändert und die brandenburgische Volksinitiative zu diesem Thema im Februar durch seine Koalition annehmen lassen. Was ist aber seit dieser Annahme durch die Brandenburgische Landesregierung gemacht worden? Nichts! Einfach Nichts! Nichts Nachvollziehbares! Es wird zwar immer nebulös von Gesprächen berichtet, mit wem die Gespräche geführt wurden, was genau gefordert wurde, auf was man sich verständigt hat und was man als Verhandlungsmasse eingebracht hat, bleibt aber im Dunkeln. Eine offizielle Befassung im Aufsichtsrat ist nicht vorgesehen. Das hat uns Staatssekretär Bretschneider von der SPD aus Brandenburg beim letzten Berichterstattergespräch sehr deutlich gesagt, und er hat auch gesagt: Das, was der brandenburgische Landtag, also die rot-rote Koalition, zum Nachtflugverbot und zur Annahme der Volksinitiative beschlossen hat, ist nicht haltbar und rechtlich so nicht umsetzbar. Die Linke verspricht allen alles, egal was es kostet. Ob es umgesetzt wird oder überhaupt umsetzbar ist, scheint außer ihrem brandenburgischen Wirtschaftsminister niemanden in dieser Partei zu interessieren. So kann man keine Region voranbringen, so wird man das Projekt Flughafen nicht zum Erfolg bringen, und so kann man auch nicht die Menschen, die am Rande des Flughafens wohnen, mit dem Projekt versöhnen. Die gleiche Doppelstrategie der Fraktion Die Linke ist bei der Umweltverträglichkeitsprüfung zu beobachten. Frau Tack von den Linken ist Umweltministerin in Brandenburg. Sie ist zuständig für die Frage, ob eine neue Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig ist oder nicht. Dazu haben wir uns in einer Umweltausschusssitzung des Bundestages ausgetauscht. Die Potsdamer Genossin scheint aber eine dezidiert andere Auffassung zur Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu vertreten als die Antragssteller. Sie von den Linken versuchen, Fragen an den Bund zu delegieren, für die Linke Minister und die rot-rote Regierungskoalition in Brandenburg zuständig sind. Der Flughafen ist eine riesige Chance für die Region. Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, Innovationen sind mit dem großen Infrastrukturprojekt verbunden, aber eben auch mit Lärm. Die uckermärkische Ruhe können wir weder den Berlinern noch den Randberlinern und schon gar nicht den Anwohnern am Flughafen und den Menschen, deren Häuser und Wohnungen in den kommenden Jahren durch recht tiefe Überflüge betroffen sein werden, versprechen. Das wäre Heuchelei. Wir sind aber bereit und wollen es auch, einen vernünftigen Lärmschutz zu finanzieren. Die negativen Auswirkungen des Flughafens, die im Übrigen jede Verkehrsinfrastruktur mit sich bringt, müssen möglichst gering gehalten werden. Wir sind uns auch alle einig, dass es keinen Billiglärmschutz geben darf, wie von der früheren Geschäftsführung angestrebt. Hier gab es Versäumnisse; hier muss nachfinanziert werden. Das stellt überhaupt niemand infrage - weder die linke Regierung in Brandenburg noch die Berliner Koalition noch wir. Wir wollen den Flughafen! Wir wollen einen erfolgreichen Flughafen! Der Antrag wurde von der Fraktion Die Linke aber nicht gestellt, um hier Lösungen für lärmbetroffene Anwohner zu suchen, sondern um Stimmung zu machen. Wir lehnen diese durchsichtige Initiative ab. Peter Wichtel (CDU/CSU): Der vorliegende Antrag spricht mit dem Lärmschutz am Flughafen Berlin Brandenburg, BER, ein überaus aktuelles luftverkehrspolitisches Thema an. Auch die CDU/CSU-Fraktion begrüßt eine offene und konstruktive Auseinandersetzung mit dieser Frage, die für Menschen weit über die Stadtgrenzen Berlins hinaus von Bedeutung ist. Daher ist es meiner Ansicht nach bedauerlich, dass das vorliegende Dokument keine verwertbaren Verbesserungsansätze aufweist. Anstatt konstruktive Vorschläge für eine gemeinsame Arbeit aller Beteiligten und insbesondere eine bessere Akzeptanz des Großprojektes aufzuzeigen, erreicht die Drucksache durch eine haltlose Diskreditierung der gegenwärtig agierenden Flughafengesellschaft und des Engagements der Bundesregierung das Gegenteil. Besonders unverständlich ist die Forderung nach einer Ausweitung des bereits bestehenden Nachtflugverbotes auf die sogenannten Tagesrandzeiten zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Hier gilt es zunächst, erneut zu verdeutlichen, dass die Regelung von Betriebszeiten an Flughäfen in der Zuständigkeit der Luftfahrtbehörden der Länder liegt. Betriebsgenehmigungen müssen und können nur Sache der Länder sein. Das ist bewährte Praxis und soll auch so bleiben. Der Ruf nach der Bundesregierung ist hier also nur sehr bedingt hilfreich. Insbesondere muss aber gesagt werden, dass die bestehende Nachtflugregelung am Flughafen Berlin Brandenburg durch den Planergänzungsbeschluss nicht nur bereits besteht; die Regelung ist im Oktober 2011 durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes sogar höchstrichterlich bestätigt worden. Mir ist nicht verständlich, wie das Infragestellen einer solch eindeutigen Entscheidung das Miteinander aller Beteiligten, das im vorliegenden Antrag übrigens mit Recht als überaus wichtig betont wird, weiter fördern soll. Wir müssen neben dem ebenso wichtigen wie berechtigten Anliegen des Ruhebedürfnisses der Bevölkerung auch die Interessen der anderen beteiligten Akteure berücksichtigen. Nur so kann sowohl den Lärmschutzanforderungen als gleichzeitig auch den wirtschaftlichen Belangen der gesamten Region Berlin-Brandenburg Rechnung getragen werden. Auch die prognostizierten rund 40 000 Arbeitsplätze am größten und wichtigsten Infrastrukturprojekt für die Entwicklung und Zukunft der Region sind hiervon übrigens ein wichtiger Bestandteil. Die Tatsache, dass diese für Berlin und Brandenburg so wichtigen Arbeitsplätze im vorliegenden Antrag nicht ein einziges Mal erwähnt werden, zeigt, dass die Forderungen einseitig und unverhältnismäßig sind. Auch im Hinblick auf das jüngste Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg, OVG, aus dem April 2013 bezüglich des Schallschutzprogramms gilt es abzuwägen. Auch hier muss zunächst verdeutlicht werden, dass der Wunsch der Anwohner nach einem berechtigten und bestmöglichen Schutz vor Belastungen verständlich ist. Dennoch ist es zumindest nachvollziehbar, dass die Geschäftsführung des Flughafens ihrer Pflicht als Unternehmensführung nachkommen und das Interesse des Unternehmens vertreten muss. Ein Vorgehen gegen das Urteil, welches meines Wissens auch seitens der Länder Berlin und Brandenburg nicht auf Ablehnung stößt, ist also aus Sicht der Flughafengesellschaft durchaus verständlich. Zudem führt das Urteil des OVG im Übrigen dazu, dass ein Großteil der betroffenen Häuser - wir sprechen hier von bis zu 90 Prozent - gar nicht geschützt werden kann. Hintergrund ist, dass die Kosten zu hoch liegen und somit die Entschädigungsregel aus dem Planfeststellungsbeschluss greift. Wenn aber durch eine finanzielle Aufwendung, die nicht zwingend für Schallschutzfenster, Lüfter und Dämmung ausgegeben werden muss, eben keine Schallschutzmaßnahmen verwirklicht werden, ist das Prinzip des Lärmschutzes konterkariert. Es gilt, vor diesem Hintergrund nun abzuwarten, wie die Beschwerde vor dem OVG ausgehen wird. Abschließend betrachtet bietet die vorliegende Drucksache zu unserem Bedauern im Hinblick auf die Fragen des Nachtflugverbotes und des Lärmschutzes keine verwertbaren Verbesserungsvorschläge. Gerade der in unserer Hinsicht so wichtige Konsens zwischen allen Beteiligten, zwischen Bürgern, Flughafengesellschaft, Verwaltung und Politik wird mit Vorschlägen wie zu einem noch weiter gefassten Nachtflugverbot nicht zu erreichen sein. Wir lehnen den Antrag daher ab. Kirsten Lühmann (SPD): Wir sind uns einig, dass Fluglärm krank macht. Wir müssen daher einen neuen Interessenausgleich schaffen, der einen besseren Schutz der Bevölkerung vor Lärm- und Gesundheitsschäden und einen nachhaltigen Klimaschutz vorsieht. Eine für den Wirtschaftsstandort Deutschland angemessene Wachstumsstrategie für den Luftverkehr kann es daher nur geben, wenn die Belastung für die Menschen im Umfeld von Flughäfen nicht steigt. Das gilt auch und im Besonderen für den künftigen Flughafen Berlin-Brandenburg. Dieser wird sich langfristig nur in einem friedlichen Miteinander mit seinem Umfeld erfolgreich entwickeln können. Daher müssen alle Verantwortlichen - die Flughafengesellschaft, die Länder Berlin und Brandenburg und der Bund - an einem Strang ziehen und dem Appell von Ministerpräsident Platzeck folgen, nämlich das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zum Schallschutz akzeptieren und keine Rechtsmittel dagegen einlegen. Die Menschen im Flughafenumfeld sollen endlich Klarheit haben, und daher sind alle Rechtsstreitigkeiten sofort zu beenden. Und die Anwohnenden brauchen Ruhe: Deswegen muss die Flughafengesellschaft beim Schallschutz an den betroffenen Häusern und Wohnungen endlich Dampf machen und diesen auch wirklich umsetzen. Neben den Problemen des neuen Berliner Flughafens bei den Flugrouten, dem Lärmschutz und der verzögerten Eröffnung zeigen Entwicklungen und Fälle in ganz Deutschland, dass der bisherige Interessenausgleich am Luftverkehrsstandort nicht mehr funktioniert. Weitere Beispiele dafür sind das Urteil zum Nachtflugverbot in Frankfurt und der negative Ausgang des Bürgerbegehrens über die dritte Start- und Landebahn in München. Hierdurch wird deutlich, dass wir im Luftverkehr eine neue Perspektive, ein neues Leitbild benötigen: nämlich eines, das wirtschaftliche Entwicklungsstrategie und angemessenen Schutz der Bevölkerung sowie der Natur und Umwelt vor den negativen Folgen des Flugverkehrs zusammendenkt. Die SPD hat hierzu ein Konzept erarbeitet. Mit diesem Maßnahmenplan wollen wir den Luftverkehr in Deutschland besser organisieren, und dazu gehört als ein ganz wesentlicher Bestandteil auch, den Schutz gegen Fluglärm zu verbessern. Wie in Berlin-Brandenburg ist es selbstverständlich, dass auch an den anderen Flughäfen in den Ballungszentren Frankfurt, München und Düsseldorf die richterlich bestätigten Betriebsbeschränkungen in der Nacht exakt eingehalten werden. Denn die Gerichte legen die Zeiten des Betriebs an den Flughäfen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten fest. Nur so ist ein sinnvoller Ausgleich zwischen den verschiedenen Interessen möglich, und nur so können die konkreten Belastungen der Menschen vor Ort am Flughafen berücksichtigt werden. Daher sind allgemeine Betriebsbeschränkungen und ein deutschlandweites Nachtflugverbot keine Lösung. Um die Nutzung der Tagesrandzeiten wird an den Flughäfen intensiv gerungen. Für die Flughäfen und Fluggesellschaften sind diese Zeiträume für einen sinnvollen Betrieb der Flughäfen besonders wichtig - insbesondere wenn es um die internationale Anbindung des Flugverkehrs geht, so schildern die Betroffenen immer wieder. Das wiederum stellen die Anwohnenden infrage. Für die SPD steht fest: Wir erwarten, dass die Luftverkehrswirtschaft an jedem einzelnen Standort die wirtschaftliche Notwendigkeit dieser Flüge lückenlos nachweisen kann und dies auch tut. Für die SPD-Bundestagsfraktion ist es auch wichtig, dass an den Flughäfen die Anzahl der Flugbewegungen das gesundheitlich verträgliche Maß nicht überschreitet. Entscheidend ist für uns, dass die Luftverkehrsbehörden und die Deutsche Flugsicherung besonders in der Nacht Fluglärm minimiert und am Tage die Grenze des zumutbaren Fluglärms nicht überschritten wird. Bei Neu- und Ausbaumaßnahmen an Flughäfen muss nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion zwingend eine Nutzen-Kosten-Analyse im Planfeststellungsverfahren erfolgen, um den wirtschaftlichen Nutzen der geplanten Maßnahme innerhalb eines bundesweiten Flughafennetzes den volkswirtschaftlichen Kosten, einschließlich der externen (Gesundheits-)Kosten, entgegenzustellen und abzuwägen. Wir werden darüber auf der Basis der Ergebnisse der NORAH-Studie in der nächsten Legislaturperiode, spätestens im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluation des Fluglärmgesetzes im Jahr 2017 entscheiden. Bis dahin muss es endlich zu einer schnellen vollständigen Umsetzung des Fluglärmgesetzes von 2007 kommen. Wir halten es für einen unhaltbaren Zustand, dass die letzte Verordnung erst jetzt in Kraft gesetzt wird. Für uns ist daher ein lärmabhängiges Gebührensystem für alle Starts und Landungen von zentraler Bedeutung. Wer mit lauten Flugzeugen in Deutschland startet oder landet, muss deutlich mehr zahlen als eine Fluggesellschaft, die leise Flugzeuge einsetzt. Daher wollen wir für alle Flughäfen eine Mindestspreizung der Entgelte zwischen der lautesten und leisesten Flugzeugkategorie einführen. Wir würden uns freuen, wenn Sie unser Konzept als Angebot verstehen, das wir im Sinne eines besseren Schutzes vor Fluglärm nach der Bundestagswahl engagiert mit Ihnen, den Bürgerinnen und Bürgern und der Luftverkehrsbranche zusammen umsetzen wollen. Aufgrund unseres eigenen umfassenden Paketes für den Luftverkehr der SPD-Bundestagsfraktion, das nicht auf pauschale Verbote sondern individuelle Abwägung setzt, enthalten wir uns beim vorgelegten Antrag der Linken. Petra Müller (Aachen) (FDP): Lärmschutz ist ein ernster und wichtiger Aspekt beim Bau eines jeden Flughafens und damit auch beim Bau des Flughafens Berlin Brandenburg. Nur mit einer verlässlichen und sinnvollen Lärmschutzplanung können die Bedürfnisse von Anwohnern und Flughafen vereinbart werden. Die FDP-Bundestagsfraktion erkennt die Bedeutung des Lärmschutzes für die betroffenen Bürger klar an. Wir mahnen aber auch die Beachtung des Unternehmensinteresses des FBB an. Hier gilt es, den Stimmrechtsanteil des Bundes von 26 Prozent zu beachten. Alle wesentlichen Entscheidungen müssen einvernehmlich durch die Gesellschafter des FBB getroffen werden. Die Eingriffsmöglichkeiten des Bundes entsprechen daher nicht dem Umfang Ihrer Forderung, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken. Was die Geschäftsführung des FBB angeht, muss diese zunächst das Urteil des OVG Berlin Brandenburg vom 25. April 2013 analysieren. Erst dann kann eine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen werden. Überstürzte Forderungen und überstürztes Handeln, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, wie Sie es fordern, sind völlig unangebracht. In Ihrem Antrag fordern Sie die Sicherstellung des Lärmschutzes am Flughafen BER, und gleichzeitig fordern Sie, dass eine Sanierung der Flughafengesellschaft auf Kosten der Anwohner verhindert wird. Ihre Logik erschließt sich hier nicht für mich. Denn folgt man dem Gerichtsurteil des OVG und den im Planfeststellungsbeschluss festgeschriebenen Werten, sind die Anforderungen an den Lärmschutz so hoch, dass ein überwiegender Teil der Häuser nicht geschützt werden kann, da aufgrund der Höhe die Entschädigungsregel aus dem Planfeststellungsbeschluss greift. Nicht zuletzt gilt es, hierbei zu beachten, dass die Regelung der festgeschriebenen Schallschutzwerte für den Tag im Planfeststellungsbeschluss des BER nicht nur wesentlich strenger sind als im danach novellierten Fluglärmschutzgesetz, sondern auch strenger als die Regelung für die Nacht im Planfeststellungsbeschluss des BER. Deshalb möchte ich meine Worte vom Anfang wiederholen. Nur mit einer verlässlichen und sinnvollen Lärmschutzplanung können die Bedürfnisse von Anwohnern und Flughafen vereinbart werden. Ihr Antrag trägt nicht dazu bei. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Beim Pleiten-, Pech- und Pannen-Airport BER erleben wir jetzt ein neues Kapitel. Schuld an dem Desaster sind nicht mehr Fehlplanungen, falsche politische Entscheidungen oder Aufsichtsräte, die lieber weg- als hinsahen. Nein, Schuld sollen jetzt die Bürgerinnen und Bürger sein, genau gesagt: die Demokratie. Mit erstaunlicher Unverfrorenheit erklärte Finanzminister Schäuble jüngst, die Bürgerinnen und Bürger hätten einfach zu viele Wünsche beim Lärm- und Gesundheitsschutz. Der Chef des Hauptstadtflughafens schrieb in dieser Woche im "Handelsblatt", bei Großprojekten dürften wir uns "kein X für ein U vormachen". Nein, auch wir meinen, wir sollten besser bei den Tatsachen bleiben. Wer hat denn versucht, wem beim BER ein X für ein U vorzumachen? Waren das die Bürgerinnen und Bürger selbst? Nein. Nehmen wir zum Beispiel den Skandal um das Baufeld Ost. Der Ankauf von Flächen für eine Flughafenerweiterung 1992 kostete die öffentliche Hand damals - umgerechnet - mindestens 200 Millionen Euro. Dann wurden sie für die Flughafenplanung gar nicht gebraucht. Haben sich die Bürgerinnen und Bürger etwa gewünscht, das Land Brandenburg soll wertlose Flächen kaufen? Oder nehmen wir das Raumordnungsverfahren zum heutigen BER-Standort. Bei diesem fiel Schönefeld glatt durch. Wie es dennoch zum politischen Entscheid für Schönefeld kam, konnten weder die Untersuchungsausschüsse des Landtags Brandenburg noch der laufende Berliner Untersuchungsausschuss aufklären. Klar ist nur: Die Bürgerinnen und Bürger waren daran nicht beteiligt. Trotz massiver Proteste entschied man über ihre Köpfe hinweg. Auch die Bundesregierung machte sich lange ein X für ein U vor. Im Januar 1994 veranschlagte sie in ihrer Antwort auf eine von mir initiierte Kleine Anfrage zum "Projekt Großflughafen Berlin-Brandenburg" 1994 - nachzulesen in der Drucksache 12/6547 - für 2010 ein Passagieraufkommen für den BER von 21 Millionen bis 25 Millionen. Weiter betonte die Bundesregierung damals, der Flughafen sei vor allem für den Raum Berlin-Brandenburg gedacht, und die "überregionale Drehkreuzfunktion" sei untergeordnet. Die "verkehrs- und kostengünstigste Anpassungsmöglichkeit", heißt es, sei der stufenweise Ausbau von Berlin-Schönefeld. Dieses Konzept wurde dann allerdings vom Bund in den Wind geschlagen. Bis heute träumt man von einem internationalen Drehkreuz für bis zu 40 Millionen Passagiere. Sind die Bürgerinnen und Bürger an diesem Wolkenkuckucksheim schuld? Nein. Oder nehmen wir das Desaster um die mehrmals verschobene Eröffnung. Unterlagen aus dem Verkehrsausschuss des Bundestages belegen: Schon vor Weihnachten 2011 ist klar gewesen, dass der notwendige vollautomatische Brandschutz nicht rechtzeitig zum ursprünglichen Eröffnungstermin 3. Juni 2012 fertig sein würde. Die Rote Ampel aber ging bei den Verantwortlichen erst Monate später an. Bis kurz vor Ultimo versuchten sie - wider besseres Wissen -, die Eröffnung auf Biegen und Brechen durchzuziehen. Die Brandschutztüren des neuen Großflughafens sollten von 700 "Brandportiers" per Hand gesteuert werden. Was wie ein Witz anmutet, wurde allen Ernstes in Erwägung gezogen. Haben die Bürgerinnen und Bürger mit ihren Wünschen die Brandschutzanlage außer Gefecht gesetzt? Nein. Man muss sich das nur einmal vorstellen: Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik klagten Bürgerinnen und Bürger sowie betroffene Gemeinden beim Lärmschutz nicht gegen, sondern auf Einhaltung eines Planfeststellungsbeschlusses. Und sie setzten sich am Ende vor Gericht durch. Alles klar, nimmt man dann als Bürgerin oder Bürger an. Aber weit gefehlt. Anstatt das Urteil des Oberverwaltungsgerichts auf Punkt und Komma umzusetzen, wird es vom Geschäftsführer des Flughafens infrage gestellt. Erneut sollen Wirtschaftlichkeit und Gewinne vor Lärm- und Gesundheitsschutz gehen. Das ist nicht zu akzeptieren. Wer aus dem Desaster nunmehr den Schluss zieht, es sei genug mit Lärmschutz und Bürgerbeteiligung, begeht den nächsten groben Fehler und sorgt für weitere Verzögerungen und Kosten. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Die berechtigten Forderungen der Bürgerinnen und Bürger sind endlich umzusetzen. Für die Linke führt kein Weg daran vorbei, den Grenzwert von 55 Dezibel am BER ohne Wenn und Aber anzuerkennen und umzusetzen. 55 Dezibel am Tage sind für uns übrigens auch der Grenzwert, der bundesweit an neuen Flughäfen gelten soll. Nachts sollen 45 Dezibel im Wesentlichen nicht überschritten werden. Für bestehende Flughäfen verlangen wir 60 Dezibel am Tage bzw. 45 Dezibel nachts. Selbstverständlich gilt es überall, den Schallschutz auf Heller und Pfennig auszufinanzieren. Den Bürgerwillen anzuerkennen bedeutet für uns auch, das erfolgreiche Brandenburger Volksbegehren für ein umfassendes Nachtflugverbot umzusetzen. Daran kommt auch der Anteilseigner Bund nicht vorbei. Dafür hat die Brandenburger Landesregierung mit ihrem entschlossenen Bekenntnis zu umfassenden Lärmschutz gesorgt. Es liegt jetzt am Bund, ob diese rot-rote Forderung in der Gesellschafterversammlung mehrheitsfähig wird und entsprechende Beschlüsse gefasst werden. Der Bund entscheidet nunmehr, ob von der Flughafengesellschaft weiter ein Konfrontationskurs gefahren oder endlich auf die Menschen in der Region zugegangen wird. Dabei sollten alle Verantwortlichen inzwischen eine einfache Lektion gelernt haben: Der Flughafen braucht nicht nur eine funktionsfähige Infrastruktur, sondern auch ein friedliches Miteinander im Umfeld. Wann wird dem Schallschutzprogramm endlich das gleiche Gewicht beigemessen wie der Inbetriebnahme des Flughafens? Wie vieler Klagen und Volksbegehren bedarf es noch, bis sich der Bund den Initiativen Brandenburgs anschließt und der anerkannte Lärmschutz endlich auf den Weg kommt? Der Bund ist jetzt am Zug. Das haben wir in unserem Antrag klar und deutlich aufgezeigt. Nur mit einer entschlossenen Mehrheit in der Gesellschafterversammlung können die Verhältnisse in der FBB endlich wieder geradegerückt werden. Man hatte in den letzten Monaten viel zu oft den Eindruck, dass hier der Schwanz mit dem Hund wedelt. Bestes Beispiel ist das Gerede Hartmut Mehdorns über eine dritte Start- und Landebahn. Das hat nicht nur die Bürgerinnen und Bürger verunsichert, sondern ist schon als Provokation gegenüber dem Aufsichtsrat aufzufassen. Es darf daran erinnert werden, dass Rot-Rot in Brandenburg den Bau einer weiteren Bahn kategorisch ausgeschlossen hat. Um es für alle Beteiligten noch einmal auf den Punkt zu bringen: Erst wenn der Flughafen wirklich ein guter Nachbar ist, kann er auch wirtschaftlich erfolgreich sein. In diesem Sinne muss jetzt alles getan werden, um den Menschen in der Region Berlin-Brandenburg ihren rechtmäßigen Schallschutz zukommen zu lassen und für eine ungestörte Nachtruhe zu sorgen. Stephan Kühn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das berechtigte Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner des Flughafens Berlin Brandenburg, BER, nach einem umfassenden Lärmschutz wird von den Verantwortlichen weiter nicht ernst genommen. Gestern hat Flughafenchef Mehdorn eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. April 2013 eingelegt. Damit will die Flughafengesellschaft des BER erreichen, dass eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht zugelassen wird, um weniger Schallschutz leisten zu müssen, als es im Planfeststellungsbeschluss vorgesehen ist. Die Erfolgsaussichten einer solchen Klage dürften äußerst gering sein, da der Planfeststellungsbeschluss durch das Bundesverwaltungsgericht 2006 selbst bestätigt worden war. Mehdorn schafft damit einmal mehr Verwirrung und Unsicherheit bei den Anwohnerinnen und Anwohnern. Statt zu prozessieren, sollte er endlich dafür sorgen, dass die Schallschutzvorgaben lückenlos umgesetzt werden, auch wenn es sehr viel teurer wird, als die Flughafengesellschaft des BER kalkuliert hat. Mehdorn darf klagen, weil der Aufsichtsrat mit Ministerpräsident Matthias Platzeck ihn gewähren lässt. Der brandenburgische Staatssekretär Bretschneider hat im Gespräch mit den Berichterstattern des Verkehrsausschusses des Bundestages am 13. Juni 2013 zwar erklärt, dass das Land Brandenburg gegen die Einleitung einer Nichtzulassungsbeschwerde ist. Gleichzeitig habe aber Einvernehmen im Aufsichtsrat des Flughafens BER darüber bestanden, dass diese Entscheidung durch die Geschäftsführung zu treffen sei. So versuchen sich die Gesellschafter Bund, Berlin und Brandenburg aus der Verantwortung für den Lärmschutz am Berlin-Brandenburger Flughafen zu mogeln. Das ist schäbig. Wo kommen wir hin, wenn eine Gesellschaft, die sich komplett im Besitz der öffentlichen Hand befindet, gegen die Umsetzung eines Planfeststellungsbeschlusses klagt? Und dies mit Billigung der Vertreter des Staates, die die Flughafengesellschaft kontrollieren sollen. Es sind daher auch erhebliche Zweifel angebracht, wie ernst es dem brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck und seiner rot-roten Koalition mit der Durchsetzung des Nachtflugverbots ist. Der heute zu beratenden Antrag der Linksfraktion macht dazu die richtigen Vorschläge, nämlich dass die Gesellschafterversammlung der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, FBB, einen Antrag zur Beschlussfassung vorlegen soll, der die Geschäftsführung darauf verpflichtet, eine Änderungsgenehmigung beim brandenburgischen Ministerium zu machen. Wir nehmen die Linke beim Wort und setzen darauf, dass ihre Minister Christoffers und Markov im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft des BER das jetzt auch so umsetzen werden. Um dies zu unterstützen, werden wir dem Antrag der Linken zustimmen. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 17/14118. Wer stimmt für diesen Antrag? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Antrag ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Linken und Grünen bei Enthaltung der SPD abgelehnt. Tagesordnungspunkt 68: Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss) - zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Dörmann, Lars Klingbeil, Wolfgang Tiefensee, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD Netzneutralität und Diskriminierungsfreiheit gesetzlich regeln, Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen sichern und schnelles Internet für alle verwirklichen - zu dem Antrag der Abgeordneten Halina Wawzyniak, Dr. Petra Sitte, Jan Korte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE Netzneutralität gesetzlich festschreiben - Drucksachen 17/13892, 17/13466, 17/14188 - Berichterstattung: Abgeordneter Dr. Tobias Lindner Wie ausgewiesen, sind die Reden zu Protokoll genommen. Andreas G. Lämmel (CDU/CSU): Zum Ende der Legislaturperiode erreichen uns noch zwei Anträge zu einem telekommunikationspolitischen Dauerthema: der Netzneutralität. Erstens legt die Fraktion der SPD alte Textabschnitte aus diversen Anträgen zu den Themen "Internet" und "Telekommunikation" der fast abgeschlossenen Legislaturperiode vor. Dieses Sammelsurium an Themen bietet mir die Gelegenheit, die Erfolge der christlich-liberalen Koalition der letzten vier Jahre erneut deutlich zu machen. Zweitens erfreut uns die Linke mit einem Antrag zur aktuellen Debatte um die neue Tarifstruktur der Deutschen Telekom. Eine große Rolle in beiden Anträgen spielt das Thema Netzneutralität. Auf über zwei Seiten versucht die SPD den Begriff zu definieren, die Linken versuchen es gar nicht erst. Diese Definition konnte auch die Enquete-Kommission "Internet und Digitale Gesellschaft" des Deutschen Bundetags in mehrjähriger und intensiver Diskussion nicht abschließend fassen. Es bleibt also die Frage: Was ist eigentlich Netzneutralität? Wie kann dieser Begriff juristisch sauber definiert werden? Es gibt viele Annäherungen an diesen Begriff, aber keine abschließende Definition. Auch die europäische Ebene versucht sich bereits an einer europäischen Definition des Begriffes. Konsens herrscht dabei wohl in der Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit bei Inhalten, Anbietern und Empfängern. Genau deshalb gibt es den § 41 a Telekommunikationsgesetz, TKG, zur Netzneutralität. Dieser ermächtigt in Satz 1 die Bundesregierung, in einer Rechtsverordnung nach Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates grundsätzliche Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern. Einen entsprechenden Verordnungsentwurf hat das Wirtschaftsministerium bereits vorgestellt und zur Anhörung freigegeben. In diesem Zusammenhang ist aber wichtig, festzustellen, dass kein akuter Handlungsbedarf des Gesetzgebers besteht. Denn die gesetzlichen Grundlagen im TKG haben wir bereits verabschiedet. Auch ist es schwierig, angesichts der technischen Dynamik des Internets eine angemessene Lösung für alle Details des Netzes zu finden. Für viel Aufregung hat in den letzten Wochen die Deutsche Telekom mit der Ankündigung gesorgt, künftig Volumentarife im Festnetzbereich einzuführen. Also falls, analog zum Mobilfunk, ein bestimmtes Datenvolumen im Abrechnungszeitraum erreicht wird, dann werden Up- und Download-Geschwindigkeit für den Abrechnungszeitraum begrenzt. Aber ist dies bereits ein Verstoß gegen die Netzneutralität im Sinne einer Diskriminierung? Ich denke, nicht. Fällt die Telekom hier eine kluge Entscheidung? Angesichts der Wettbewerbsdynamik der Branche ist das fragwürdig; aber es handelt sich sicher um eine durchdachte unternehmerische Entscheidung. Sollten nun viele Kunden der Telekom den Rücken kehren, sichert der Wettbewerb die Netzneutralität, auch dann, wenn diese gar nicht betroffen ist. Sind keine großen Kundenbewegungen zu verzeichnen, ist das Thema Volumengrenze doch - noch - nicht so wichtig. Sollte die Telekom ihre Marktmacht bei Vorleistungsprodukten gegenüber anderen Anbietern missbrauchen, dann haben die Bundesnetzagentur und das Bundeskartellamt die geeigneten Instrumente zur Sanktion. Problematisch könnte die Einbeziehung oder Herausnahme hauseigener Dienste bei der Volumenbegrenzung sein. Dienste wie T-Entertain sind sogenannte Managed Services; diese sollen nicht unter die Volumengrenze fallen. Allerdings zahlt der Kunde heute bereits eine Extragebühr für diese Angebote. Nutzt der Kunde das gleiche Angebot nicht als Managed Service der Deutschen Telekom, dann unterliegt es ebenfalls dem Best-Effort-Prinzip. Übrigens entspricht T-Entertain den Triple-Play-Angeboten der Kabelunternehmen; da habe ich noch keine Beschwerden über die Verletzung der Netzneutralität vernommen. Aber es besteht ein potenzielles Risiko, dass Managed Services das Best-Effort-Prinzip im Internet verdrängen. Hier werden Politik, Regulierer und die Netzgemeinde in Zukunft wachsam sein müssen. Der Antrag der SPD widmet sich ebenfalls dem Breitbandausbau; allerdings gibt es da nichts Neues. Es ist sehr überraschend, dass es der SPD gelingt, alle Fortschritte, die wir in dieser Legislaturperiode erzielt haben, zu ignorieren. Es überrascht gerade deshalb, weil einige Maßnahmen doch von uns gemeinsam in der Großen Koalition auf den Weg gebracht wurden. In der ersten Lesung des Antrages am 13. Juni 2013 bin ich ausführlich darauf eingegangen. Daher nun in aller Kürze: Wir haben Teile des Frequenzspektrums für breitbandige, mobile Internetnutzung zur Verfügung gestellt. Unter dem Stichwort "LTE" war Deutschland das erste Land in Europa, das diesen neuen Mobilfunkstandard eingeführt hat und zwar mit der Priorität in bisher unterversorgten Regionen. Das novellierte TKG setzt insbesondere Anreize für Investitionen. Genannt seien nur die umfangreichen Möglichkeiten zur Mitnutzung bestehender Infrastrukturen für den Breitbandausbau. Das senkt die Ausbaukosten. Es gelten nun längere Fristen für die Regulierungsperioden der Bundesnetzagentur; das schafft Investitions- und Planungssicherheit für die Branche. Wir haben beim Breitbandausbau eine große Dynamik im Land. Dies sollten wir nicht schlechtreden. Seit 2010 wurden 560 000 Haushalte zusätzlich mit der Grundversorgung von 1 Megabit pro Sekunde erreicht; nun sind 99,7 Prozent der Haushalte versorgt. 54,8 Prozent, also mehr als die Hälfte der deutschen Haushalte, haben Zugriff auf einen Hochgeschwindigkeitsanschluss, der mindestens 50 Megabit pro Sekunde bietet. Das sind 6 Millionen Haushalte zusätzlich in nur zwei Jahren. Mit der Einführung eines Universaldienstes wäre diese positive Entwicklung auf den Kopf gestellt worden und der Breitbandausbau völlig entschleunigt worden. Es besteht keine Notwendigkeit für eine Überarbeitung des TKG. Zumal sich auch der Rechtsrahmen auf europäischer Ebene bisher nicht verändert hat. Neelie Kroes, die zuständige EU-Kommissarin, ist in den letzten Wochen mit zahlreichen pointierten Bemerkungen in die Öffentlichkeit gegangen. Wir sind also gespannt darauf, was aus Brüssel zu erwarten ist. Ich freue mich bereits auf die Diskussionen mit Ihnen in der nächsten Legislaturperiode. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Mittlerweile zum dritten Mal müssen wir uns heute Morgen - dies ist mit der Nummer 68 der letzte Tagesordnungspunkt vom Donnerstag, der laut Tagesordnung um 9 Uhr am Freitagmorgen endet - mit den rot-roten Anträgen zur Netzneutralität herumschlagen. Es sind eben nicht immer aller guten Dinge drei. Aber offenbar haben Sie mit Ihrer Penetranz und öffentlichen Panikmache nicht nur bei der Netzgemeinde, sondern auch beim Bundeswirtschaftsminister einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen: Wie Sie wissen, hat das Bundeswirtschaftministerium mittlerweile doch einen Entwurf einer Verordnung zur Gewährleistung der Netzneutralität vorgelegt, was ehrlich gesagt auch für mich recht überraschend kam, zumal ich nach wie vor eigentlich der Überzeugung bin, dass Gefahr für die Freiheit des und im Internet derzeit nicht im Verzug ist. Jetzt wegen der reichlich diskutierten Telekom-Pläne in Aktionismus zu verfallen, halte ich für wenig zielführend. Hatte Bundesminister Rösler doch vor kurzem noch darauf verwiesen, erst einmal auf das Ergebnis der von der Bundesnetzagentur zu erstellenden Studie über "Dienstequalität von Breitbandzugängen" zu warten, bevor der Verordnungs- und Gesetzgeber eventuell aktiv wird. Die liegt nun zwar vor, kommt aber auch nicht zu dem Ergebnis, dass eine Verordnung zur Etablierung der Netzneutralität nun dringend notwendig wäre, auch vor dem Hintergrund, dass die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes erst vor kurzem angekündigt hat, im Herbst 2013 eine Initiative für eine europaweite Regelung hinsichtlich der Netzneutralität starten zu wollen. Ob Deutschland da mal wieder in vorauseilendem Gehorsam und in Unkenntnis des da aus Brüssel Kommenden einen nationalen Alleingang machen sollte, frage ich mich schon. Nun denn, sehen wir es mit dem Minister als "vor dem Hintergrund noch nicht absehbarer Marktentwicklungen" als "geboten, vorsorglich und zusätzlich zu den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen einen Rechtsrahmen bereitzustellen, der alle Internet Service Provider gleichermaßen erfasst, um sicherzustellen, dass der Grundsatz der Netzneutralität beachtet und damit das Internet in seiner jetzigen Art und Form erhalten bleibt", wie es im Entwurf so schön heißt. Wie ich Ihnen schon in meinen beiden vorangegangenen Reden zu Ihren Anträgen deutlich gemacht habe, wollen natürlich auch wir das Best-Effort-Prinzip im Internet erhalten, also dass die Daten schnellstmöglich und bestmöglich im Internet transportiert werden. So ist im Verordnungsentwurf "die grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel" als Grundsatz schon in § 1 verankert. Ebenso "ein diskriminierungsfreier, transparenter und offener Zugang zu Inhalten und Anwendungen für alle Endnutzer", aber natürlich auch für alle Diensteanbieter. Dass "eine Inhaltekontrolle durch Netzbetreiber grundsätzlich nicht erfolgen" darf, wie die SPD schreibt, ist mit Blick auf unser Grundgesetz sowieso klar und wieder einmal purer Populismus. Völliger Unsinn ist die Darstellung der vereinigten Genossen in ihren Anträgen, dass es ohne gesetzliche Regelung zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet käme, wobei sozial Schwächeren der Zugang in die Informations- und Wissensgesellschaft wegen der Profitgier großer Internetkonzerne von vorneherein versperrt wäre. Hier wird einmal mehr ins wahltaktische Horn des angeblichen sozialen Unfriedens gestoßen, den es in Deutschland gerade im Bereich der Telekommunikation so gut wie nicht gibt und auch nicht geben wird. Schließlich verpflichtet uns die EU-Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, jedem Nutzer den Zugang ins Internet zu ermöglichen, sich hier informieren zu können und dort auch seine Outputs und Meinungen verbreiten zu können. Die Informationsgesellschaft in Deutschland wird vor allem von Ihrem billigen Populismus torpediert, werte SPD- und Linkskollegen. § 2 des Verordnungsentwurfs regelt in Abs. 1, dass Betreiber "eigene Inhalte und Anwendungen nicht zu günstigeren Bedingungen oder zu einer besseren Qualität bevorzugt zugänglich machen" dürfen. Das zielt zunächst schon auf den Vorstoß der Deutschen Telekom, ihr eigenes Fernsehangebot "Entertain" und ihr "Videoload"-Portal bei der Anrechnung auf das monatlich zur Verfügung stehende Datenvolumen bei den eigenen Kunden nicht als schon verbrauchtes Datenvolumen anzurechnen. Diesen Vorteil haben andere Diensteanbieter nach den jetzigen Plänen der Telekom nicht. Die Frage, ob es sich bei "Entertain" um ein Fernsehangebot mit spezifischer Medienregulierung und separater Bezahlung handelt, wie die Telekom argumentiert, ist an anderer Stelle, nämlich durch die Bundesnetzagentur, zu klären. Entscheidend bei der Betrachtung von solchen Plattformen und Managed Services ist es meines Erachtens, dass das Best-Effort-Prinzip, also das "klassische" Internet nicht in irgendeiner Form eingeschränkt wird. Hier aber einen grundlegenden regulatorischen Pflock einzuschlagen, halte ich in der Sache durchaus für nachvollziehbar, zumal die Telekom mit Sicherheit nicht der einzige Netzbetreiber bleiben wird, der eigene Dienste anbietet und an den Kunden bringen möchte. Mit dieser Regelung würden also alle Netzbetreiber in die Pflicht genommen, auch die nicht marktstarken. Schließlich sollen ja auch kleine und mittlere Dienstleistungsanbieter, die über kein eigenes Netz verfügen wie Telekom und Co., freien Zugang zum Internet bzw. zum Endkunden haben. Dieses Verbot soll nach Abs. 2 des § 2 der Verordnung auch für Vereinbarungen von Netzbetreibern mit Drittanbietern gelten, die eigens dafür bezahlen, dass ihre Inhalte in irgendeiner Form bevorzugt durchgeleitet werden. Bei Verstößen gegen diese Bestimmungen greifen die Sanktionen nach den §§ 126 und 18 TKG, die bis hin zur Untersagung der Tätigkeit als Betreiber von Telekommunikationsnetzen oder als Anbieter von Telekommunikationsdiensten gehen können. Ausdrücklich zustimmen möchte ich der Aussage von Bundesminister Rösler, dass es auch weiterhin in der freien Entscheidung eines Unternehmens liegen muss, unterschiedliche Produkte zu unterschiedlichen Konditionen, sprich Preisen, anbieten zu können. Die Unternehmens- und Handlungsfreiheit gibt uns das Grundgesetz zu Recht auch vor. Deshalb ist es richtig, dass der Verordnungsentwurf den Netzbetreibern ausdrücklich zubilligt, den Kunden ihre Leistungen auch in gestaffelter Form zu verkaufen: "Eine inhaltsneutrale, an technischen Erfordernissen orientierte Transportklassifizierung (Qualitätsdienstklassen) ist keine willkürliche Verschlechterung von Diensten, solange dem Endnutzer Wahlmöglichkeiten erhalten bleiben. Eine Differenzierung von Entgelten nach Qualitätsdienstklassen ist keine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs", heißt es in § 2 Abs. 3. Wenn also die Telekom oder auch andere Anbieter - wie es etwa 1&1 oder Kabel Deutschland heute ja auch schon handhaben - eine monatliche Datenobergrenze einführen und eine echte Flatrate nur noch gegen Aufpreis bereitstellen, dann ist das eine freie Entscheidung dieser Unternehmen. Bedenken habe ich dabei schon etwas mit Blick auf die sich rasant entwickelnden Breitbandanwendungen wie Telemedizin, Videokonferenzen, Smart-Home-Anwendungen, das "Internet der Dinge", Industrie 4.0 oder intelligente Strom- und Verkehrsnetze. Bei einer monatlichen Datenobergrenze könnten schon viele Nutzer von vorneherein davon abgeschreckt werden, solche Daten aufzurufen und zu nutzen, womit die technische Entwicklung insgesamt gebremst werden könnte. Da müssen wir aufpassen. Vielmehr hoffe ich und rufe die Netzbetreiber dazu auf, die so generierten Mehreinnahmen in den Netzausbau zu investieren, der Grundvoraussetzung für alle Entwicklung im Netz ist und der Garant dafür, Netzneutralität auch aufrechterhalten zu können. Der Breitbandausbau bleibt Hauptaufgabe von Politik und Wirtschaft, wenn wir international weiter vorne mithalten wollen. Mit der TKG-Novelle im letzten Jahr haben wir dafür gute Grundlagen gelegt. Auf der anderen Seite bin ich frohen Mutes, dass es im Wettbewerb immer Unternehmen geben wird, die keine Datenbremse oder Tempodrosselung einführen und zu denen die Kunden dann wechseln können. Notwendig und im Verordnungsentwurf berücksichtigt ist eine saubere Transparenz für die Endkunden, wenn die Netzneutralität doch einmal aus berechtigten Gründen beschnitten werden muss, wenn das im allgemeinen Interesse liegt, zum Beispiel für die Aufrechterhaltung von Notrufdiensten. Sollte es eine solche Einschränkung geben, muss nach den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegten Plänen der Verbraucher nach § 43 a Abs. 2 Nr. 2 TKG informiert werden. Das wird Aufgabe der Bundesnetzagentur sein. Was wir mit der Verordnung auch aus der Welt schaffen könnten, ist die Debatte um einen Routerzwang. Schon heute dürfen Betreiber nach dem Gesetz über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen die Netzneutralität nicht dadurch verletzen, dass sie den Zugang zum World Wide Web nur über ein spezielles, von ihnen entwickeltes und zur Verfügung gestelltes Endgerät ermöglichen. Das kommt aber leider vor. In § 4 der geplanten Verordnung soll nun ausdrücklich geregelt werden, dass der Netzabschluss "grundsätzlich über ein vom Nutzer frei wählbares Endgerät technisch zugänglich sein" soll. Jeder Nutzer muss frei entscheiden können, welchen Router er benutzen will. Ein Routerzwang würde die Wahlfreiheit der Nutzer klar beschneiden. Im Übrigen halte ich den Weg der Verordnung nach § 41 a TKG - wenn man das schon rechtlich absichern will - für die konsequente, im Gesetz angelegte Variante. Natürlich hat die Verordnung dieselbe Rechtskraft, Legitimität und Qualität wie ein Gesetz, dessen möglicherweise schon bald wieder anstehende Novellierung sich auch wieder in die Länge ziehen würde. Schließlich sind Bundestag und Bundesrat mit Zustimmungsrecht beteiligt. Klagen Sie also nicht, dass da "nur" eine Verordnung vorgesehen ist. Die gilt für die Anbieter genauso wie ein Gesetz. Dass ich zum derzeitigen Zeitpunkt weder Verordnung noch Gesetz für dringend notwendig erachte, habe ich eingangs bereits deutlich gemacht. Was die SPD in ihrem Antrag zum Breitbandausbau auf das Tableau hebt, sind - wie ich schon in meiner letzten Rede dazu am 13. Juni 2013 herausgearbeitet habe - alte Zöpfe, die wir vor allem mit der Novelle des Telekommunikationsgesetzes im letzten Jahr schon weitgehend umgesetzt oder zumindest in die Wege geleitet haben. Ich möchte die einzelnen Maßnahmen jetzt nicht alle wiederholen. Am Ziel eines flächendeckenden, auch den ländlichen Raum vollumfänglich erfassenden Breitbandausbaus in Deutschland halten wir, denke ich, alle fest. CDU/CSU und FDP haben gehandelt. Das haben die Genossen offenbar noch nicht mitbekommen. Es tut sich viel in unserem Land. Gehen Sie raus in Ihre Wahlkreise, und zwar nicht nur in die Städte und Ballungszentren, und schauen Sie sich an, wie Unternehmen, Kommunen und private Interessensgemeinschaften sich zusammentun und schnelles Internet in ihre Gemeinde, in ihre Region holen! Das ist auch unserem Handeln im letzten Jahr zu verdanken. Ich möchte den vielen Unternehmern, den Bürgermeistern und Breitbandpaten, den Breitbandinitiativen und Privatpersonen, die die Chance jetzt nutzen wollen, die wir ihnen mit dem neuen Regulierungsrahmen im TKG gegeben haben, danken für ihren Mut und ihre Tatkraft, den Breitbandausbau jetzt anzupacken. Lassen Sie sich nicht von miesepeterigen Anträgen von Sozialdemokraten und Sozialisten verunsichern! Da, wo der Wettbewerb nicht den gewünschten Ausbau mit sich bringt, nämlich in den stark ländlich geprägten, dünn besiedelten und somit mittel- und langfristig wenig oder nicht lukrativen Gegenden Deutschlands, werden wir zu gegebener Zeit individuelle, besondere Maßnahmen überlegen müssen. Aber alles zu seiner Zeit. Martin Dörmann (SPD): Kluge Politik sollte vorhandene Defizite benennen und hierfür konkrete Lösungsvorschläge entwickeln. Genau hierum geht es der SPD-Bundestagsfraktion mit dem von uns vorgelegten Antrag zu den Themen Netzneutralität, Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen und Breitbandausbau. Diese Punkte sind für die Teilhabe aller Menschen an den Chancen des Internets von besonderer Bedeutung. Welche Probleme gibt es, und wie wollen wir sie lösen? Erstens: Netzneutralität. Es besteht verbal ein breiter politischer Konsens darin, dass wir Netzneutralität und die bewährte Best-Effort-Qualität des Internets bewahren und Diskriminierungen im Netz verhindern wollen. Gleichzeitig gibt es aber bereits große Unterschiede bei der Definition dieser Begriffe. Noch größer ist die Unsicherheit über die heutige Rechtslage, etwa darüber, welche Verpflichtungen Unternehmen haben und welche Befugnisse die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde hat, um die genannten Ziele wirksam umzusetzen. Dies wird insbesondere an der kontroversen Debatte um das neue Tarifmodell im Festnetzbereich der Deutschen Telekom deutlich. Um diese Unklarheiten zu beseitigen, fordert die SPD-Bundestagsfraktion bereits seit langem eine gesetzliche Absicherung von Netzneutralität, Diskriminierungsfreiheit und Best-Effort-Qualität. Hierzu haben wir in unserem Antrag weitreichende und konkrete Vorschläge unterbreitet. Sie reichen von einer gesetzlichen Definition von Netzneutralität über stärkere Kompetenzen der Bundesnetzagentur zu deren Durchsetzung bis hin zu deren Verpflichtung, einen jährlichen Bericht über Verstöße, die Qualität des Netzes und die Sicherung von Best Effort vorzulegen. Zweitens: Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen: Kürzlich hat eine von der Bundesnetzagentur in Auftrag gegebene Messstudie belegt, dass es eine erhebliche Diskrepanz zwischen den von den Internetprovidern vermarkteten Bandbreiten und den tatsächlich beim Endkunden ankommenden Bandbreiten gibt. Deshalb wollen wir die Unternehmen verpflichten, ihren Kunden eine Mindestbandbreite vertraglich zuzusichern. Umgekehrt sollen diese ein Sonderkündigungsrecht erhalten, wenn die Zusagen nicht eingehalten werden. Drittens: Breitbandausbau. Hier gibt es weiterhin erhebliche Defizite in Deutschland. Alle von der Bundesregierung vorgegebenen Zielsetzungen drohen zu scheitern. Hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Bandbreiten gibt es riesige Versorgungsunterschiede zwischen städtischen und eher ländlichen Regionen, die sich zu vertiefen drohen. Und immer noch sind zahlreiche "weiße Flecken" zu beklagen, in denen es nicht einmal eine angemessene Grundversorgung gibt. Hierzu hat die SPD-Bundestagsfraktion in den letzten Jahren umfassende Konzepte vorgelegt, die wir in unserem Antrag noch einmal zusammengefasst haben. In der Plenardebatte zur Einbringung des Antrags am 13. Juni habe ich unsere Vorschläge bereits im Einzelnen erläutert. Das will ich an dieser Stelle nicht wiederholen, um stattdessen auf einige aktuelle Entwicklungen der letzten 14 Tage einzugehen. Zum Thema Netzneutralität hat das Bundeswirtschaftsministerium zwischenzeitlich den Entwurf einer Rechtsverordnung nach § 41 a Abs. 1 Telekommunikationsgesetz vorgelegt. Dies geschah offensichtlich auch für die Koalitionsfraktionen gänzlich überraschend. Noch vor zwei Wochen hat der Unionskollege Dr. Nüßlein keinen hinreichenden Grund dafür gesehen, eine solche Rechtsverordnung "jetzt Knall auf Fall rechtswirksam werden zu lassen." Und in der Tat: In Fachkreisen wird der unausgegorene Verordnungsentwurf nur kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen. Typische Kommentare, die man in Gesprächen immer wieder hört, sind "blanker Aktionismus", "unter aller Kanone" und "völlig daneben". Es rächt sich nun, dass Minister Dr. Rösler die letzten Jahre völlig verschlafen hat. Unsere Diskussionen in der Enquete-Kommission sind leider weitgehend spurlos an ihm vorbeigegangen. Nicht ohne Grund haben fast 80 000 Menschen die aktuelle Onlinepetition von Johannes Scheller unterzeichnet, die eine gesetzliche Absicherung der Netzneutralität fordert und die in dieser Woche im Petitionsausschuss beraten wurde. Wie an anderer Stelle auch versucht Schwarz-Gelb nun aufgrund des öffentlichen Drucks kurz vor Toresschluss eine zweifelhafte Symbolverordnung auf den Weg zu bringen, nur um ein paar Wahlkampfpunkte einzusammeln. Man kann allerdings konstatieren: Der Versuch ist kläglich gescheitert. So hat beispielsweise eine Anhörung im Unterausschuss Neue Medien zum Thema Netzneutralität in dieser Woche deutlich gemacht, dass der Verordnungsentwurf mehr Fragen aufwirft, als Lösungen zu bieten. Niemandem ist etwa klar, ob der Verordnungsentwurf nun die Tarifpläne der Telekom konterkariert oder durchwinkt. Wann sollen Managed Services nun erlaubt, wann verboten sein? Welche Kriterien sollen hierfür gelten? Wie definiert man die geforderte Best-Effort-Qualität des Internets, in einer Gesamtbetrachtung der Qualität aller Netze oder vom Endverbraucher her gesehen? Die Liste der Fragen ließe sich beliebig verlängern. Doch nicht nur der widersprüchliche und unpräzise Inhalt der Rechtsverordnung ist zu kritisieren. Nein, das gesamte Verfahren ist höchst problematisch und entspricht nicht den parlamentarischen Anforderungen. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates. Die Bundesregierung hat in dieser Woche im federführenden Wirtschaftsausschuss mitgeteilt, dass am 14. August der Kabinettsbeschluss zur Rechtsverordnung gefasst werden soll. Die Vorlage soll dann Anfang September in der für die Haushaltsberatung geplanten Sondersitzung des Bundestages beschlossen sowie am 20. September durch den Bundesrat gepeitscht werden, also zwei Tage vor der Bundestagswahl, und das bei einer Thematik, die unbestreitbar hochkomplex und von erheblichen Auswirkungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für die Marktentwicklung sein wird. Nicht einmal eine ordentliche Anhörung war in den bisherigen Zeitplänen der Bundesregierung vorgesehen. Immerhin hat nun der Wirtschaftsausschuss auf Antrag der SPD-Fraktion vorsorglich beschlossen, Ende August noch eine Anhörung durchzuführen, sollte es bei den Zeitplänen der Bundesregierung bleiben. Ich möchte aber betonen, dass dies lediglich eine reine Notmaßnahme wäre, keinesfalls jedoch ein insgesamt angemessenes parlamentarisches Verfahren. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, von ihren völlig unzureichenden Plänen Abstand zu nehmen. Stattdessen sollte der neu gewählte Bundestag die Möglichkeit erhalten, unter einer rot-grünen Regierung sorgfältig zu beraten und eine angemessene gesetzliche Regelung auf den Weg zu bringen. Wegen der besonderen Tragweite einer möglichen Regelung bis hin zu denkbaren Eingriffen in Eigentumsrechte spricht nicht nur sachlich, sondern auch verfassungsrechtlich alles für ein Gesetz. So ist sehr zweifelhaft, ob § 41 a Telekommunikationsgesetz überhaupt eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die von der Bundesregierung geplante Verordnung darstellt. In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen aktuellen Bericht der Bundesnetzagentur vom 14. Juni 2013 zur Tarifänderung der Deutschen Telekom AG für Internetzugänge hinweisen. Dort ist dargelegt, dass es bislang keine gesetzliche Verpflichtung zur Netzneutralität gibt. Auch besteht, so die Bundesnetzagentur, bislang keine gesetzlich normierte symmetrische Pflicht zur Gleichbehandlung, da das Diskriminierungsverbot wettbewerbsrechtlich nur für marktmächtige Unternehmen gilt. Zudem stellt der Bericht fest, dass es bezüglich der Begrifflichkeit von Netzneutralität ganz unterschiedliche Ansätze gibt. Allein diese Punkte sollten deutlich machen, dass es einer gesetzlichen Regelung bedarf, um für alle Beteiligten Rechtssicherheit zu schaffen. Ich möchte schließlich noch auf das Thema Breitbandausbau zu sprechen kommen, das für uns ebenfalls von herausragender Bedeutung ist. Es geht uns darum, allen Menschen und Regionen durch eine gute Breitbandversorgung die Möglichkeit zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Teilhabe zu sichern. Keine einzige Entscheidung und Maßnahme dieser Bundesregierung hat einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die digitale Spaltung in Deutschland zu überwinden und die notwendigen zusätzlichen Investitionen von Unternehmen in den Breitbandausbau anzuregen. Dort, wo es Fortschritte gibt, sind diese nicht auf diese Bundesregierung zurückzuführen. So wurde der LTE-Ausbau nur durch diesbezügliche Frequenzbeschlüsse der Vorgängerregierung möglich. Und die Breitbandinvestitionen von Unternehmen in städtischen Gebieten resultieren aus dem Infrastrukturwettbewerb zwischen Kabelunternehmen und Festnetzbetreibern. Das drängendste Problem sind aber weiterhin bestehende Versorgungslücken in der Fläche hinsichtlich einer angemessenen Grundversorgung sowie große Wirtschaftlichkeitslücken bei Hochleistungsnetzen in weniger dicht besiedelten Regionen. Hier drohen mindestens ein Viertel aller deutschen Haushalte nachhaltig von hohen Bandbreiten abgeschnitten zu bleiben. So konstatierte "Spiegel Online" Ende letzter Woche in einem längeren Artikel unter der Überschrift "Zukunftsbremse langsames Internet: Die Schmalband-Republik", das Versprechen der Bundesregierung, 75 Prozent der Haushalte bis 2014 mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu versorgen, sei nicht zu halten. Die Behauptung der Merkel-Regierung, es gebe ausreichend Breitband, sei "Augenwischerei", bei den tatsächlich gemessenen Bandbreiten stehe Deutschland schlecht da und sei nur Mittelmaß. Der Artikel schließt mit der Feststellung: "Die entscheidende Frage, um die sich die Regierung bisher drückt: Ist Breitband-Internet ein öffentliches Gut, gehört es zur Daseinsvorsorge? Wenn das so ist, muss der Bund mehr tun." So weit das Zitat von "Spiegel Online". Wir meinen: Ja, schnelles Internet gehört für uns zur Daseinsvorsorge, weshalb wir die Grundversorgung durch eine gesetzliche Universaldienstverpflichtung absichern wollen. Darüber hinaus wollen wir den flächendeckenden Ausbau von Hochleistungsnetzen auch in der Fläche vorantreiben, und zwar durch wettbewerbliche Lösungen, die von staatlicher Seite durch die richtigen Rahmenbedingungen und intelligente Fördermaßnahmen unterstützt werden müssen. Das Mittelmaß der Merkel-Regierung darf jedenfalls kein Maßstab für die Breitbandversorgung sein. Nun verweisen die Rednerinnen und Redner der Koalitionsfraktionen immer wieder gerne auf aus ihrer Sicht positive Zahlen im Breitbandatlas, was etwa die Versorgung mit Bandbreiten von 1 Megabit pro Sekunde betrifft. Abgesehen davon, dass es heute eigentlich Konsens sein sollte, dass eine solche Geschwindigkeit heute nicht einmal mehr der unterste Standard sein sollte - selbst die Telekom will übrigens gedrosselten Kunden inzwischen mindestens 2 Megabit pro Sekunde anbieten -, der Breitbandatlas ist viel zu unpräzise, als dass er ernsthaft als Versorgungsnachweis taugt. Er beruht auf freiwilligen, nicht überprüften Unternehmensangaben und basiert dabei in erster Linie auf den berühmten "bis zu"-Angaben der Unternehmen. Die bereits zitierte Messstudie hat aber eindeutig belegt, dass solche vermarkteten Bandbreiten meistens nicht der Realität entsprechen. Vor diesem Hintergrund hat der Beirat der Bundesnetzagentur in seiner jüngsten Sitzung Anfang dieser Woche einvernehmlich folgenden Beschluss gefasst: "Der Beirat bittet die Bundesnetzagentur um Stellungnahme erstens zur Aussagekraft des Breitbandatlas vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Messstudie und zweitens zur Frage, wie nach einer umfassenden Evaluierung des Breitbandatlas eine präzisere Darstellung der tatsächlichen Versorgungslage erreicht werden kann." So weit das Zitat. Auch was die Datenlage angeht, gilt also für die Politik der Bundesregierung: Mehr Schein als Sein! Es wird Zeit für einen Wechsel, um die wirtschaftlichen Chancen des Internets zu nutzen und die Teilhabemöglichkeit aller Menschen und Regionen zu sichern. Claudia Bögel (FDP): Die Debatte um das Thema Netzneutralität wird nach wie vor sehr emotional geführt - und das, obwohl die Bundesregierung bzw. das Bundeswirtschaftsministerium in der vergangenen Woche reagiert und eine Verordnung zur Sicherung der Netzneutralität vorgelegt hat. Das ist Ihnen von der SPD und der Linken offenbar immer noch nicht genug. Das Thema Netzneutralität ist derzeit in aller Munde. Das zeigt, welchen Stellenwert das offene und diskriminierungsfreie Internet in unserer Gesellschaft genießt und welch hohes, schützenswertes Gut die Netzneutralität ist. Besonders hervorheben möchte ich in diesem Zusammenhang auch noch einmal das bürgerschaftliche Engagement von Johannes Scheller, der sich gemeinsam mit den rund 77 000 Unterzeichnern seiner Onlinepetition für die Netzneutralität starkmacht. Lassen Sie mich an dieser Stelle mit Blick auf die Anträge der SPD-Fraktion und der Fraktion Die Linke noch einmal klarstellen: Im Ziel sind wir uns ja prinzipiell einig, nur was den Weg dorthin betrifft, unterscheiden wir uns grundsätzlich. Ich glaube, wir stimmen alle darin überein, dass die Netzneutralität, die inhaltsblinde Gleichbehandlung aller Datenströme im Internet, Chancengleichheit sichert und eine unbedingte Voraussetzung für die stetige Weiterentwicklung und Innovation des Netzes ist. Das Internet ist ein unverzichtbarer Teil unserer Informationsgesellschaft, eine wichtige Voraussetzung der gesellschaftlichen Teilhabe und eines der wichtigsten Medien zur globalen Kommunikation und Vernetzung geworden. Von einem diskriminierungsfreien und offenen Internet profitieren sowohl die Gesellschaft als auch die Wirtschaft. Daher können und wollen auch wir Liberale Verstöße gegen die Netzneutralität nicht dulden. Genau das hat auch der Bundeswirtschaftsminister mehr als deutlich gemacht, als er umgehend nach Bekanntwerden der Drosselungs- und Privilegierungspläne der Deutschen Telekom AG in einem Brief an ihren Vorstandsvorsitzenden, René Obermann, die Beibehaltung der Netzneutralität und Sicherung des Best-Effort-Prinzips schriftlich angemahnt hat. Konsequenterweise hat die Bundesregierung dann auch aufgrund der Wichtigkeit des Themas und nach intensiver Diskussion aller relevanten Aspekte von den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch gemacht, um das Prinzip der Netzneutralität festzuschreiben. Die FDP-Bundestagsfraktion begrüßt es sehr, dass vor anderthalb Wochen vom Bundeswirtschaftsminister - quasi als Sofortmaßnahme - eine Rechtsverordnung auf den Weg gebracht wurde, die wir inhaltlich voll unterstützen. Die grundsätzliche Frage, ob wir darüber hinaus noch weitere gesetzliche Regelungen zur Sicherung der Netzneutralität brauchen, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt ganz klar mit Nein beantworten. Deswegen lehnen wir Ihre beiden Anträge heute auch ab. Lassen Sie mich kurz erläutern, warum: Erstens lehnen wir sie ab, weil wir im erst kürzlich novellierten Telekommunikationsgesetz ausreichende und praktikable Mittel zur Sicherung der Netzneutralität verankert haben. Zweitens lehnen wir sie ab, weil ein Gesetzgebungsverfahren wesentlich träger wäre und längere Zeit in Anspruch nehmen würde als der Weg über eine Rechtsverordnung. Durch § 41 a Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes, TKG, wird die Bundesregierung ermächtigt, in einer Rechtsverordnung gegenüber Telekommunikationsunternehmen die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen. So kann eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs im Netz verhindert werden. Wir haben die Netzneutralität im kürzlich novellierten TKG also bereits mehr oder weniger festgeschrieben, indem wir dort die diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen als die Prinzipien festgelegt haben, die gegebenenfalls durch eine Rechtsverordnung präzisiert werden können. Da sich insbesondere im Telekommunikationsmarkt die etwaigen Regulierungstatbestände schneller ändern, als wir mit einem Gesetzesvorhaben reagieren könnten, sind wir mit einer Verordnung an dieser Stelle viel flexibler. Der Kritik, dass die Verordnung in dieser Legislaturperiode ja womöglich nicht mehr zum Abschluss gebracht werden könnte, muss ich mit der Tatsache entgegentreten, dass ein Gesetzesvorhaben in den verbleibenden Monaten bis zur Bundestagswahl ja wohl erst recht nicht mehr abgeschlossen werden könnte. Mit der Verordnung schafft die Bundesregierung zusätzlich zu den existierenden Wettbewerbsbestimmungen des TKG oder des GWB nun einen Rechtsrahmen, der alle Diensteanbieter systematisch erfasst und sicherstellt, dass das Internet in seiner jetzigen Art und Form erhalten bleibt. In der Verordnung wird daher auch festgelegt, dass die Datenübermittlung nach dem Best-Effort-Prinzip bestehen bleiben muss und die eigenen Inhalte und Anwendungen bzw. die von Drittanbietern in der Datenübertragung nicht privilegiert werden dürfen. Inhaltsneutrale, an technischen Erfordernissen orientierte Datentransportklassen sowie beispielsweise die Einführung von Volumentarifen sollen auch weiterhin möglich sein. Andernfalls würden viele Dienste im Internet, wie beispielsweise Voice over IP, unter Umständen nicht mehr funktionieren. Dies muss unserer Meinung nach jedoch sehr transparent geschehen. Die Einführung von Volumentarifen ist zunächst einmal, ganz simpel, ein Geschäftsmodell, und in unserer sozialen Marktwirtschaft kann selbstverständlich jedes Unternehmen seine eigenen Geschäftsmodelle einführen, wenn es das möchte. Unserem Verständnis nach heißt Netzneutralität auch nicht, dass es zwangsläufig Flatrate-Tarife geben muss. Der Markt bzw. unsere mündigen Verbraucherinnen und Verbraucher werden entscheiden, wie sinnvoll das letztendlich ist. Die neuen Geschäftsmodelle betreffen zunächst einmal nicht die Netzneutralität und sind daher auch nicht regulierungswürdig. Kritisch mit Blick auf die Netzneutralität werden solche Geschäftsmodelle erst dann, wenn eigene Inhalte und Anwendungen oder diejenigen von vertraglich festgelegten Drittanbietern bei der Datenübermittlung bevorzugt werden. Genau an dieser Stelle greift der Verordnungsentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums. Mit der Verordnung wird sichergestellt, dass ein diskriminierungsfreier, offener Zugang zum Internet für alle Diensteanbieter gewährleistet werden muss. Gleiche Chance für alle! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ein neutrales Netz ein wichtiger Wirtschaftsstandortfaktor ist, wird durch diese Gewährleistung auch sichergestellt, dass kleinere Unternehmen oder junge Start-ups nicht benachteiligt werden, weil diese sich das privilegierte Netz womöglich nicht leisten können. Mir als mittelstandspolitischer Sprecherin meiner Fraktion ist es auch ganz persönlich besonders wichtig, dass die Gründungstätigkeit nicht eingeschränkt wird und junge, mittelständische IT-Unternehmen auch zukünftig erfolgreich arbeiten können. Die Verordnung ist nach jetzigem Stand der Diskussion und nach Abwägung aller marktlich-regulatorischen und politischen Aspekte des Themas das am besten geeignete Mittel, um die Netzneutralität in Deutschland zu sichern. Sollte sich nach Erlass der Verordnung und einer - sagen wir - Probezeit herausstellen, dass das Instrument nicht praktikabel ist, verschließen wir uns einer gesetzlichen Regelung gegenüber nicht grundsätzlich - ganz anders als Sie, die Sie sich gegenwärtig einzig und allein aus ideologischer Borniertheit gegen die Verordnung sträuben. Oder sind Sie gar der Meinung, eine Verordnung ist rechtlich weniger wert als ein Gesetz? Dazu kann ich mich nur der Meinung des Bundesjustizministeriums anschließend, das Anfang der Woche im Petitionsausschuss festgehalten hat, dass es nicht auf die Form, sondern vor allem auf die Inhalte der Verordnung ankommt. Wichtig ist bei einer Verordnung lediglich, dass das, was mit ihr erreicht werden soll, so präzise formuliert wird, dass es nicht mehr umgangen werden kann. Ich denke, das ist dem Bundeswirtschaftsministerium gut gelungen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir im TKG wirklich gute und zielführende Instrumente zur Sicherung der Netzneutralität in Deutschland verankert haben. Eine weitergehende Regulierung durch legislative Mittel ist für uns also lediglich Ultima Ratio. Deswegen begrüßt die FDP-Bundestagsfraktion den Vorstoß des Bundeswirtschaftsministeriums ausdrücklich, mittels der im TKG festgelegten Maßnahme der Verordnungsermächtigung die Netzneutralität in Deutschland zu sichern. Das freie und offene Internet, dessen Erfolg auf dem Prinzip der Netzneutralität beruht, muss erhalten bleiben. Die FDP-Bundestagsfraktion unterstützt daher den vorliegenden, den Realitäten Rechnung tragenden, sorgfältig abgewogenen Verordnungsentwurf, in dem die Grundsätze der Netzneutralität festgehalten werden und somit die Existenz des freien, diskriminierungsfreien Internets sichergestellt wird. Zu den Stichworten Transparenz, Sonderkündigungsrecht und Universaldienst habe ich mich in meiner letzten Rede bereits ausführlich geäußert. Meine Meinung dazu hat sich seitdem nicht geändert. Deswegen möchte ich es an dieser Stelle bei diesen Ausführungen belassen. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Fast über die ganze Legislaturperiode hinweg befassen wir uns mit dem Thema Netzneutralität. Die Enquete-Kommission bildete dazu eine ihrer ersten Projektgruppen. Inzwischen - darüber sind wir sehr froh - haben unsere frühzeitigen Mahnungen, konkrete Maßnahmen für die gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität zu ergreifen, dazu geführt, dass sich alle Fraktionen mit dem Thema befassen. Das wäre die sehr positive Lesart der Entwicklung. Die etwas differenziertere und weniger schöne Interpretation ist, dass wir uns nun endlich so intensiv mit der gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität befassen, weil die Telekom genau das gemacht hat, wovor meine Fraktion immer gewarnt hatte. Das Kind liegt also im Brunnen, kann aber noch gerettet werden. Wir wissen jetzt: Wird die Netzneutralität nicht verbindlich festgeschrieben, werden Unternehmen alle Möglichkeiten zur Steigerung ihres Profits nutzen und dafür gern ein Zweiklasseninternet in Kauf nehmen. Die Telekom macht hier nur den Anfang; es ist eine Frage der Zeit, bis andere sich ein Beispiel daran nehmen. Und es wird sie nicht kümmern, wenn dabei das freie und offene Internet auf der Strecke bleibt. Nun liegen ein Entwurf zur Netzneutralitätsverordnung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vor, ein Antrag der SPD und ein Antrag meiner Fraktion, die alle darauf zielen, einen "diskriminierungsfreien, transparenten und offenen Zugang zum Internet, seinen Inhalten und Anwendungen" gewährleisten zu wollen. Der Entwurf des Ministeriums sieht eine Verordnung vor, mit der die "grundsätzliche Gleichbehandlung aller Datenpakete unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Herkunft oder Ziel (Best-Effort-Prinzip)" sichergestellt werden soll. Soweit ist das gut und schön. In Abs. 2 des Ministeriumsentwurfs heißt es dann allerdings: "Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die den Zugang zu Endnutzern kontrollieren ..., sind verpflichtet, eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen gemäß den nachfolgenden Vorschriften zu gewährleisten. Die willkürliche Verschlechterung von Diensten oder die ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Telekommunikationsnetzen ist unzulässig." Die Formulierungen "willkürliche Verschlechterung von Diensten" und "ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs" implizieren bereits, dass eine Verschlechterung sowie eine Behinderung oder Verlangsamung dann nicht willkürlich und ungerechtfertigt sein können, wenn sie allen ähnlich oder gleich widerfahren. Heißt: Wenn ich alle gleich schlecht behandle, ist es gut. Klingt ein bisschen absurd. In der öffentlichen Anhörung des Petitionsausschusses an diesem Montag waren die anwesenden Ministerien nicht in der Lage, zu erklären, was mit "willkürlicher Verschlechterung" und "ungerechtfertigter Behinderung" gemeint ist. Es wurde lediglich erklärt, dass die Behörden dies auslegen und die Gerichte entscheiden sollen. Mit anderen Worten, es wird nichts gesetzlich geregelt, zumindest nichts klar. Sprache ist verräterisch, und hier verrät sie uns, dass gut gemeint nicht unbedingt gut gemacht bedeutet. Hier ist ein großes Schlupfloch gelassen, das Unternehmen wie der Telekom am Ende doch die Möglichkeit eröffnet, zu tun, was sie tun wollen und zu lassen, was wir uns eigentlich wünschen und erwarten. In § 2 "Inhaltsneutrale Datenübermittlung" heißt es in Abs. 1 der Verordnung: "Betreiber dürfen eigene Inhalte und Anwendungen nicht zu günstigeren Bedingungen oder zu einer besseren Qualität bevorzugt zugänglich machen." Übersetzt bedeutet dies: Werden Vorleistungsangebote - sprich: Priorisierungen oder Managed Services - auch Dritten diskriminierungsfrei - also zu keinen höheren Entgelten als sie ein Netzbetreiber sich selbst oder seinen Tochterfirmen einräumt - angeboten, kann der Betreiber eigene Inhalte und Anwendungen priorisieren. Das künftig zu tun hatte die Telekom bereits gegenüber der Bundesnetzagentur angekündigt. Abs. 3 schließlich erteilt der Priorisierung jeglicher Diensteklassen eine Art Generalabsolution; denn da heißt es: "Eine inhaltsneutrale, an technischen Erfordernissen orientierte Transportklassifizierung (Qualitätsdienstklassen) ist keine willkürliche Verschlechterung von Diensten, solange dem Endnutzer Wahlmöglichkeiten erhalten bleiben. Eine Differenzierung von Entgelten nach Qualitätsdienstklassen ist keine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs." Eine Verlangsamung von Diensten wie P2P ist nach dieser Vorschrift ebenso möglich, wie es möglich ist, einen spezifischen Dienst - zum Beispiel Spotify - in einen priorisierten Managed Service zu verwandeln, solange a) das unter § 2 Abs. 1 Festgestellte gilt und b) Wahlmöglichkeiten - sprich: andere Zugangsprovi- der - bestehen. Kurzerhand sind damit die bereits bestehenden Bedingungen des mobilen Internet auf das stationäre übertragen. Man könnte fast auf die Idee kommen, mit dieser Verordnung solle das Vorgehen der Telekom im Nachhinein legitimiert werden. Und es gibt tatsächlich böse Zungen, die das behaupten. Ich möchte in Bezug auf den Ministeriumsentwurf noch auf ein weiteres Problem aufmerksam machen. In § 4 "Reichweite der Netzneutralität" wird der sogenannte Routerzwang thematisiert. Nach Maßgabe des Gesetzes über Funkanlagen und Telekommunikationsendeinrichtungen dürfen Betreiber das Gebot der Netzneutralität nicht dadurch beeinträchtigen, dass sie den Netzzugang nur über ein von ihnen bestimmtes Endgerät ermöglichen. Der Netzanschluss muss grundsätzlich über ein vom Nutzer frei wählbares Endgerät technisch zugänglich sein. Noch vor zweieinhalb Wochen hatte das Bundeswirtschaftsministerium auf die Kleine Anfrage "Aussagen der Bundesnetzagentur zu sogenannten Zwangsroutern" meiner Fraktion geantwortet, dass Router auch Netzbestandteile sein können. Im Falle von Integrated Access Devices, IAD, also Anschlüssen an Next Generation Networks, bezeichneten diese den Netzabschlusspunkt. In diesem Punkt scheint ein Umdenken im Ministerium eingesetzt zu haben. Allerdings bleibt fraglich, welche Ausnahmen in diesem Zusammenhang das Wort "grundsätzlich" begründet. Insgesamt bildet der Verordnungsentwurf keinen großen Wurf; denn die Telekom wird mit solchen Vorschriften gut leben können. Jenseits all dieser inhaltlichen Unklarheiten, abgesehen von der Tatsache, dass das Ministerium nicht wirklich erklären kann, was mit den Begriffen "willkürlich", "ungerechtfertigt" und "grundsätzlich" gemeint und wie groß der Spielraum ist, den alle drei Begriffe lassen, stelle ich die Frage, warum wir ein Grundrecht nicht gesetzlich festschreiben und es stattdessen in eine Verordnung gießen wollen. Das Argument, eine Verordnung könne an dieser Stelle detaillierter sein, genügt mir nicht. Der Antrag der SPD überzeugt uns auch nur so halb. Leider vermengt die SPD zwei unterschiedliche Themen: die Gewährleitung der Netzneutralität und die Verankerung einer Breitbandversorgung für alle. Während sie für die Netzneutralität zu Recht eine gesetzliche Festschreibung fordert, weil der Markt hier versagt, will sie sich zu einer gesetzlichen Absicherung der Breitbandversorgung nur halbherzig bekennen. Eine gesetzliche Universaldienstverpflichtung soll laut Antrag "für den Fall, dass durch wettbewerbliche Lösungen eine Breitband-Grundversorgung nicht zeitnah erfolgt" sichergestellt werden. Dass der Markt und die wettbewerblichen Lösungen bei der Versorgung mit schnellen Internetanschlüssen versagen, ist aber seit Jahren zu beobachten. Wir brauchen die Universaldienstverpflichtung also jetzt, nicht erst irgendwann. Wir Linke wollen und bleiben dabei, dass das hohe Gut Netzneutralität auch gesetzlich festgeschrieben wird. Wir finden weiterhin, dass wir dafür den besten Antrag eingebracht haben. Umso verwunderlicher ist es, dass die SPD gegen unseren Antrag gestimmt hat und die Grünen sich enthalten. Allzu ernst scheint es beiden Fraktionen nicht damit zu sein, eine Regelung zu finden, die im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher ist und ein Zweiklasseninternet wirksam verhindert. Angekündigt wurde, dass die Verordnung am 14. August im Kabinett besprochen werden soll, da sie der Zustimmung sowohl des Bundestages als auch des Bundesrates bedarf. Bekanntlich findet am 22. September die Bundestagswahl statt; deshalb bleibt es allenfalls eine theoretische Möglichkeit, dass wir vorher noch eine Regelung in Gesetzes- oder Verordnungsform beschließen können. Noch ein Thema mehr, das auf die lange Bank geschoben, ausgesessen und somit dem künftigen Bundestag als Hypothek überlassen wurde. Sie könnten das heute noch verhindern: Wenn Sie dem Antrag der Linken zustimmen, könnte das Ministerium den Verordnungsentwurf noch in diese Richtung umarbeiten. Geben Sie sich doch einfach einen Ruck. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Lassen sich mich gleich zu Beginn sagen: Mit dem Breitbandausbau, garantierten Mindestbandbreiten und vor allem der Wahrung der Netzneutralität verhandeln wir hier nicht weniger als grundlegende Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe im digitalen Zeitalter. Wir diskutieren hier eben nicht über irgendein technisch-ökonomisches Spezifikum im Gewand einer kleinen juristischen Stellschraube. Der gleichberechtigte Zugang zum Netz aller Bürgerinnen und Bürger ist eine der wichtigsten Infrastrukturaufgaben in einer modernen Demokratie. In unserer digitalisierten Demokratie sind dies ganz entscheidende Fragen der staatlichen Daseinsvorsorge mit enormer Bedeutung für Zugangs- und Teilhabegerechtigkeit. Das haben Sie, meine Damen und Herren der Koalition, leider bis heute nicht verstanden, und deswegen begrüßen meine Fraktion und ich grundsätzlich die beiden hier heute nochmals vorliegenden Initiativen, die die Intention eint, Sie dazu zu bewegen, sich endlich im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher und der Menschen in diesem Land für eine tatsächliche Zugangs- und Teilhabegerechtigkeit im Digitalen einzusetzen. Lassen Sie mich zunächst auf die beiden heute abschließend vorliegenden Initiativen eingehen. Zu dem Antrag der SPD habe ich das Wesentliche bereits in der ersten Lesung gesagt. So begrüßenswert der Antrag seiner Intention und vor allem in seinem breiten Ansatz nach - die gesetzliche Wahrung der Netzneutralität, die Gewährleistung versprochener Mindestbandbreiten und den Breitbandausbau zusammenzudenken - auch ist, so ungewiss bleibt leider, ob er die zu Recht angesprochenen Probleme tatsächlich auch löst. Wir begrüßen den grundsätzlichen Ansatz zur verbindlichen Regelung der Netzneutralität im Telekommunikationsgesetz. Es bleibt aber eben nur ein appellativer Antrag, kein konkreter Gesetzentwurf, wie wir ihn bereits vor Jahren hier vorgelegt haben. Ein ganz ähnlicher Antrag liegt noch einmal von der Linken heute vor. Sicher kann es nicht schaden, die bereits 2010 von uns erhobene Forderung einer gesetzlichen Regelung angesichts der in Verordnungsform auch für den Letzten offenbar gewordenen Hilfs- und Ahnungslosigkeit der Bundesregierung noch einmal zu untermauern; hier schließen wir uns gerne, zum wiederholten Mal, an. Andererseits, das kann ich leider langsam nicht mehr verbergen, schrumpft angesichts der anhaltenden Verweigerungshaltung, der offenkundigen Überforderung der Bundesregierung und dem nahenden Ende der Legislatur langsam doch die Hoffnung, hier tatsächlich noch was von der Bundesregierung erwarten zu können, gegen null. Bei der Netzneutralität hat sich in den letzten Wochen auf bitterste Weise gezeigt, was Hoffnung in den Markt allein bewirkt. Das darf sich auf keinen Fall in dem wichtigen Feld des Breitbandausbaus wiederholen. Daher begrüßen wir die Forderung, die Breitbandgrundversorgung durch eine gesetzliche Universaldienstverpflichtung abzusichern. Allerdings relativieren Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ihre löbliche Intention, die Eingrenzung durch einen einzigen Satz: "Für den Fall, dass durch wettbewerbliche Lösungen eine Breitband-Grundversorgung nicht zeitnah erfolgt." Die aktuelle Debatte um die Netzneutralität und die seit Jahren vor sich hin lahmende Breitbandstrategie der Bundesregierung haben doch nun zur Genüge gezeigt, dass eine abwartende Laisser-faire-Haltung uns den Anschluss an das digitale Zeitalter verpassen lässt. Daher sagen wir als grüne Bundestagsfraktion ganz klar: Wir wollen den Zugang zu einem Breitbandanschluss für alle Menschen über einen dynamisch ausgestalteten Universaldienst sicherstellen, und zwar sofort, auch damit die von der Bundesregierung gerne ignorierten, aber weiterhin existierenden weißen Flecken endlich geschlossen werden. - Auch hierzu haben meine Fraktion und ich vor geraumer Zeit sehr konkrete Vorschläge unterbreitet. Völlig richtig ist es, den verbraucherpolitisch unhaltbaren Zustand der Kundenblendung um versprochene und nicht eingehaltene Bandbreiten und Ladegeschwindigkeiten anzugehen. Daher begrüßen wir den Willen, "zugesicherte Mindestqualitäten bei Breitbandverträgen zu sichern". Doch zurück zur Netzneutralität und der Haltung der Bundesregierung. Bei der Frage, ob es beispielsweise der Deutschen Telekom erlaubt sein sollte, ihre sogenannten "Managed Services" einzuführen, die eigenen Datenpakete und Dienste zu priorisieren und ein Internet zu verkaufen, worin strenggenommen gar kein Internet mehr ist, sondern nur einzelne Dienste, geht es nur vordergründig um technische Aspekte. Tatsächlich geht es um Fragen, der in einer digitalisierten Demokratie ganz enorme, auch verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt. Wir sprechen hier über ganz zentrale Fragen, zum Beispiel bezüglich der Gewährleistung der Meinungs- und Informationsfreiheit. Zahlreiche dieser Fragen, mit dem sich dieses Parlament seit nunmehr mehreren Jahren, auch auf Grundlage mehrerer hierzu vorgelegter Initiativen, wirklich intensiv beschäftigt, konnten auch in den letzten Wochen, in denen sich die Diskussionen angesichts der nun auf dem Tisch liegenden Pläne eines Unternehmens, dessen Hauptanteilseigner der Bund ist, nicht zur Zufriedenheit beantwortet werden - ganz im Gegenteil. Vielen von uns, so zumindest mein Eindruck, wurde noch einmal drastisch vor Augen geführt, welchem hohen ökonomischen Druck eine zentrale Infrastruktur unserer digitalen Demokratie ausgesetzt ist und wie bedroht der heute wichtigste Kommunikationsraum, den wir kennen, eigentlich ist. Für alle, die es vormals noch nicht wussten, ist heute doch klar: Das Prinzip der Netzneutralität und die gleichberechtigte Übertragung von Daten waren der Garant der bisherigen, demokratischen Entwicklung des Internets und sind auch elementar für dessen Zukunft - im Übrigen auch für dessen wirtschaftliche Zukunft. Die Netzneutralität ist die Grundlage für praktisch alles im Netz. Daher steht derzeit nicht weniger als die Frage zur Disposition, ob wir ein "Zweiklasseninternet" bekommen, in dem die Daten desjenigen bevorzugt werden, der mehr zahlen kann. Was erst einmal vielleicht marktwirtschaftlich harmlos klingt - wir alle kennen die, übrigens größtenteils stark hinkenden Vergleiche mit der analogen Welt, in der es ja, so wird uns dieser Tage gerne gebetsmühlenartig in Anhörungen und Hintergrundgesprächen erzählt, auch verschiedene "Portokosten" oder "Fahrscheine" gebe -, ist, auf das Digitale bezogen, leider alles anderes als trivial. Spätestens wenn wir über lange Zeit geächtete, heute jedoch schon weitverbreitete Praktiken wie die sogenannte "Deep Packet Inspection" sprechen, sollte auch dem Letzten klar sein, dass sich hier derartig plumpe Vergleiche verbieten und diejenigen, die nun versuchen, ihr Vorgehen gar mit dem Argument der Verbrauchergerechtigkeit zu legitimieren, gleichzeitig aber nicht darlegen können, wie eine Priorisierung bestimmter Daten nicht automatisch auch eine Diskriminierung anderer Daten mit sich bringen soll, in der Pflicht sind, endlich überfällige Antworten zu liefern. Alles, was wir bis heute, auch in den zwei hierzu in dieser Sitzungswoche durchgeführten Anhörungen gehört haben, führt dazu, dass meine Fraktion und ich uns in unserer seit Jahren hier immer wieder vorgebrachten Meinung, dass es dringend notwendig ist, die Netzneutralität endlich gesetzlich abzusichern, bestärkt sehen. Ich sage es an dieser Stelle ganz ehrlich: Weder die Antworten der Vertreter der zu unseren Anhörungen geladenen Unternehmen auf unsere in den Ausschüssen gestellten Fragen noch die der Bundesregierung waren für meine Fraktion und mich ansatzweise überzeugend. Während Unternehmen, die gerade öffentlich Überlegungen anstellen, den größten deutschen Kabelnetzbetreiber für einen zweistelligen Milliardenbetrag zu übernehmen, versuchten, zu suggerieren, dass sie ohne einen Verzicht auf die Netzneutralität in ihrer Existenz bedroht seien, blieben die Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums grundlegende Fragen zu der kürzlich vom BMWi vorgelegten Verordnung schuldig. Nach den beiden hierzu gerade durchgeführten Anhörungen haben sich doch zwei Dinge mehr als bestätigt: Erstens. Die Netzneutralität ist akut gefährdet, und die Unternehmen, die derartige Absichten in den letzten Jahren immer nur, wenn überhaupt, hinter vorgehaltener Hand äußerten, sehen angesichts einer offenkundig im Bereich des digitalen Verbraucherschutzes unfähigen Bundesregierung nun ihre Chance, ihre Pläne endlich in die Tat umzusetzen. Zweitens. Die Bundesregierung scheint nicht nur alles dafür zu tun, den bisher vermittelten Eindruck, mit den Herausforderungen des Digitalen komplett überfordert zu sein, unbedingt bestätigen zu wollen; darüber hinaus lässt sie in einer völlig falsch verstandenen Wirtschaftsnähe den Unternehmen, statt ihnen glasklare Grenzen aufzuzeigen, eine viel zu lange Leine. Ihre jetzt vorgelegte Verordnung ist nicht nur butterweich, sie enthält eben nicht nur einige "Schlupflöcher", sie wird letztendlich dazu führen, dass die jetzigen Pläne der Unternehmen legalisiert werden. Das wäre ebenso fatal für das Internet wie für die Nutzerinnen und Nutzer und unsere Demokratie. Meine Damen und Herren der Koalition, Sie sind mit den Herausforderungen des digitalen Wandels schlicht überfordert! Sie sind eine echte Gefahr für die zukünftige, demokratische Entwicklung des Internets. Sie scheuen notwendige gesetzgeberische Handlungen wie der Teufel das Weihwasser. Nicht einmal Hunderttausende Bürgerinnen und Bürger, die entsprechende Petitionen an uns gerichtet haben, können Sie zu einem Umdenken bewegen. Den drängenden Bitten dieser Bürgerinnen und Bürger, aber auch aller Oppositionsfraktionen dieses Hohen Hauses, die Netzneutralität endlich effektiv zu schützen, verweigern Sie sich weiterhin. Statt endlich eine gesetzliche Regelung vorzulegen, die ihren Namen auch verdient, führen Sie lieber rechtsdogmatische Glaubenskämpfe bezüglich der Wirkmächtigkeit einer Verordnung. In aller Deutlichkeit sage ich Ihnen: Wenn Sie sich schon weigern, eine tatsächliche gesetzliche Regelung vorzulegen, dann legen Sie wenigstens eine Verordnung vor, die in der Lage ist, die Netzneutralität effektiv zu schützen. Die von Ihnen vorgelegte Verordnung ist es ganz offensichtlich nicht. Um es noch mal klar zu sagen: Wir hätten uns diese unsäglichen Diskussionen sparen können, wenn Sie es nicht in den vergangenen Jahren immer wieder vorgezogen hätten, Ihre - auch netzpolitische - Kompasslosigkeit und geradezu zwanghaft abwartende Haltung unter Beweis zu stellen. Hätten Sie bloß ein von meiner Fraktion bereits im Jahr 2010 gefordertes Gesetz zur Wahrung der Netzneutralität vorgelegt. Das haben Sie aber nicht. Stattdessen legen Sie nun hektisch diese mehr als halb gare Verordnung vor. Ihre Verordnung strotzt nur so vor rechtlich unklaren und schwammigen Begriffen. Auch auf wiederholte Nachfrage konnten oder wollten die Vertreter der Bundesregierung nicht beantworten, was sich hinter Begriffen wie "willkürliche Verschlechterung von Diensten" oder "ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs" eigentlich verbirgt. Sie können es schlicht nicht. Sie konnten ja noch nicht einmal die Frage beantworten, ob Ihre Verordnung denn überhaupt auf die Pläne der Deutschen Telekom anwendbar ist. Da fragt man sich schon, warum sie diese Verordnung dann überhaupt jetzt vorgelegt haben? Auch auf die Frage, wie Sie es überhaupt schaffen wollen, diese halb gare Verordnung noch dem Bundeskabinett, dem Bundestag und den Bundesrat vor der Wahl vorzulegen, konnten die Vertreter der Bundesregierung nicht antworten. Ihre Antwort "Man muss nur stark genug wollen" ist doch an Peinlichkeit wirklich kaum zu überbieten. Ich sage es Ihnen jetzt mal in aller Deutlichkeit, meine Damen und Herren der Koalition: Sie wollen überhaupt nichts. Sie legen weder eine gesetzliche Regelung vor noch eine ordentliche Verordnung. Sie legen uns ein Werk vor, das das Stück Papier, auf dem es steht, nicht wert ist, und glauben dann allen Ernstes damit durchkommen zu können. Das ist lächerlich. Während die FDP sich erdreistet, sich in dem von ihr gerade vorgelegten Wahlprogramm auch noch für ihr heldenhaftes Vorgehen bei der Sicherung der Netzneutralität abzufeiern, scheint die Union wenigstens langsam ein Bewusstsein für das eigene Scheitern bei der netzpolitischen Schlüsselfrage einzugestehen. In Ihrem Wahlprogramm schreiben Sie, meine Damen und Herren der Union, dass Sie in der nächsten Legislatur prüfen wollen, ob es einer gesetzlichen Regelung zur Sicherung der Netzneutralität bedarf. Die Zeit des Prüfens, meine Damen und Herren der Koalition, ist ein für alle Mal vorbei. Ihre Zeit ist abgelaufen. Sie haben viel zu lange geprüft. Sie sind mit ihrem Laisser-faire-Ansatz, der es dem Markt überlassen wollte, die Netzneutralität zu sichern, krachend gescheitert und stehen nun vor einem Scherbenhaufen. Es gibt einfach Themen, meine Damen und Herren der Koalition, die verlangen es, sich gerade zu machen und eine gewisse Haltung zu zeigen. Sie haben hinlänglich dokumentiert, dass Sie nicht willens sind, sich im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher und unserer Demokratie einzusetzen. Damit haben Sie auch dokumentiert, dass Sie diese Haltung nicht haben. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie auf Drucksache 17/14188. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksache 17/13892. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen von SPD und Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion Die Linke auf Drucksache 17/13466. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Regierungsfraktionen und der SPD gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der Grünen angenommen. Die Tagesordnung, steht hier, ist erschöpft. Ich auch. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Das waren jetzt sage und schreibe 85 Minuten - eine Stunde und 25 Minuten -, die ich hintereinander gelesen habe. (Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause) Ich bitte, mir demnächst irgendeinen Geschäftsordnungsverdienstorden anzuhängen. Ich berufe feierlichst die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen (Zurufe: Heute!) - nein: auf heute -, Freitag, den 28. Juni 2013, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen eine ruhige Nacht. (Schluss: 0.52 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bahr (Münster), Daniel FDP 27.06.2013 Brandner, Klaus SPD 27.06.2013 Brüderle, Rainer FDP 27.06.2013 Dr. Dehm, Diether DIE LINKE 27.06.2013 Fell, Hans-Josef BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.06.2013 Fischer (Göttingen), Hartwig CDU/CSU 27.06.2013 Fritz, Erich G. CDU/CSU 27.06.2013* Gunkel, Wolfgang SPD 27.06.2013 Hiller-Ohm, Gabriele SPD 27.06.2013 Hintze, Peter CDU/CSU 27.06.2013 Lay, Caren DIE LINKE 27.06.2013 Möller, Kornelia DIE LINKE 27.06.2013 Roth (Augsburg), Claudia BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 27.06.2013 Schlecht, Michael DIE LINKE 27.06.2013 Schmidt (Eisleben), Silvia SPD 27.06.2013 Werner, Katrin DIE LINKE 27.06.2013 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 27.06.2013 Zimmermann, Sabine DIE LINKE 27.06.2013 * für die Teilnahme an den Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 32 GO der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel, Katja Dörner, Volker Beck (Köln), Dr. Anton Hofreiter, Katja Keul, Sven-Christian Kindler, Maria Klein-Schmink und Dr. Harald Terpe (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 611 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 79 ccc) 52 976 Bürgerinnen und Bürger unterzeichneten über den Jahreswechsel 2008/2009 innerhalb von sechs Wochen die Onlinepetition der Greifswalderin Susanne Wiest. Unter dem Titel "Reformvorschläge in der Sozialversicherung - Bedingungsloses Grundeinkommen" forderte die Petentin: "Der Deutsche Bundestag möge beschließen, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen." In der Gesellschaft gibt es bisher keine einheitliche Meinung dazu. Dabei ist uns wichtig, die Leitbilder von Gerechtigkeit und emanzipativer Sozialpolitik mit der Bedeutung öffentlicher Institutionen und Finanzierbarkeit zu verbinden. Angesichts sich zuspitzender Wachstumsproblematik und der umfassenden Umstrukturierung der Wirtschaft durch Rationalisierungsprozesse benötigen wir auf Dauer eine Transformation des Sozialstaates. Wir halten deshalb die Einrichtung einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag für sinnvoll, in der Idee und Modelle eines Grundeinkommens sowie grundlegende Reformperspektiven für den Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme diskutiert werden. In einer solchen Enquete wollen wir der Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen sowie damit verbundene Veränderungen in den sozialen Sicherungssystemen den nötigen Raum verschaffen. Unser Ziel ist es, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und das individuelle Grundrecht auf soziale Teilhabe zu verwirklichen. Diese Enquete kann die mit der Petition begonnene Debatte zum Grundeinkommen im Deutschen Bundestag fortsetzen. Den Abschluss der Petition im Sinne eines Endes der Debatte im Bundestag lehnen wir ab. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Agnes Brugger, Thilo Hoppe, Ute Koczy, Monika Lazar, Beate Müller--Gemmeke, Dr. Hermann E. Ott, Lisa Paus, Dr. Gerhard Schick, Dorothea Steiner, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn und Arfst Wagner (Schleswig) (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 611 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 79 ccc) 52 976 Bürgerinnen und Bürger unterzeichneten über den Jahreswechsel 2008/2009 innerhalb von sechs -Wochen die Onlinepetition der Greifswalderin Susanne Wiest. Unter dem Titel "Reformvorschläge in der Sozialversicherung - Bedingungsloses Grundeinkommen" forderte die Petentin: "Der Deutsche Bundestag möge beschließen, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen." In unserer Partei Bündnis 90/Die Grünen gibt es bisher keine einheitliche Meinung dazu. Wir wollen aber die Debatte um Grundsicherung und ein bedingungs-loses Grundeinkommen weiter in die Gesellschaft hi-neintragen. Dabei ist uns wichtig, die grünen Leitbilder von Gerechtigkeit und emanzipativer Sozialpolitik mit der Bedeutung öffentlicher Institutionen und Finanzierbarkeit zu verbinden. Angesichts sich zuspitzender Wachstumsproblematik und der umfassenden Umstrukturierung der Wirtschaft durch Rationalisierungsprozesse benötigen wir auf Dauer eine Transformation des Sozialstaates. Die Grünen halten deshalb die Einrichtung einer -Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag für sinnvoll, in der Idee und Modelle eines Grundeinkommens sowie grundlegende Reformperspektiven für den Sozialstaat und die sozialen Sicherungssysteme diskutiert werden. In einer solchen Enquete wollen wir der Diskussion über ein bedingungsloses Grundeinkommen sowie damit verbundene Veränderungen in den sozialen Sicherungssystemen den nötigen Raum verschaffen. Grünes Ziel ist es, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und das individuelle Grundrecht auf soziale Teilhabe zu verwirklichen. Diese Enquete kann aus unserer Sicht, die mit der -Petition begonnene Debatte zum Grundeinkommen im Deutschen Bundestag fortsetzen. Den Abschluss der -Petition im Sinne eines Endes der Debatte im Bundestag lehnen wir ab. Anlage 4 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Sammelübersicht 611 zu Petitionen (Tagesordnungspunkt 79 ccc) Katja Kipping (DIE LINKE): Ich lehne die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ab, das -Petitionsverfahren abzuschließen, weil damit dem grundsätzlichen Anliegen der Petentin und der gesellschaftlichen Bedeutung der Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen nicht Rechnung getragen wird. Obwohl ich dem von Susanne Wiest konkret vorgeschlagenen Grundeinkommensmodell nicht zustimme, halte ich es für notwendig, eine breite gesellschaftliche Debatte über das Grundeinkommen zu führen als auch eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages zum Thema Grundeinkommen einzurichten. Auch deshalb, weil dieses Thema innerhalb verschiedener Parteien - so auch in meiner - kontrovers diskutiert wird. Diese Kommission soll sowohl die verschiedenen in Deutschland bereits seit Jahren diskutierten Ansätze und Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens bezüglich ihrer Vor- und Nachteile debattieren als auch mögliche Handlungsvorschläge einer schrittweisen Einführung eines Grundeinkommens, zum Beispiel durch eine sanktionsfreie und individuelle Mindestsicherung, prüfen (vergleiche Übersicht über die Modelle in Ronald Blaschke: Aktuelle Ansätze und Modelle von Grund-sicherungen und Grundeinkommen in Deutschland; vergleichende Darstellung in: Ronald Blaschke/Adeline Otto/Norbert Schepers (Hrsg.): Grundeinkommen. Von der Idee zu einer europäischen politischen Bewegung, Hamburg 2012). Die Prüfung konkreter Ansätze und Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens wurde auch in mit großer Mehrheit angenommenen Entschließungen des Europäischen Parlaments gefordert. In der Entschließung, eingebracht mit einem Bericht von Gabi Zimmer, Die Linke, zur "Förderung der sozialen Integration und die Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinder-armut, in der EU", Beschluss vom 9. Februar 2008 (2008/2034(1 NI)), heißt es: Das Europäische Parlament ... fordert die Kommission auf, die armutsbekämpfende Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle zu prüfen. ln der Entschließung, eingebracht mit einem Bericht von llda Figueiredo, Kommunistische Partei Portugals, zur "Bedeutung des Mindesteinkommens für die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer integra-tiven Gesellschaft in Europa", Beschluss vom 20. Oktober 2010 (2010/2039 (INI)), heißt es: Das Europäische Parlament ... ist der Auffassung, dass die verschiedenen Erfahrungen mit Mindesteinkommen sowie mit dem bedingungslosen Grundeinkommen für alle, gepaart mit zusätzlichen Maßnahmen zur sozialen Einbeziehung und zum sozialen Schutz, zeigen, dass es sich um wirksame Formen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und zur Gewährleistung eines Lebens in Würde für alle handelt; fordert daher die Kommission auf, eine Initiative zur Unterstützung anderer Erfahrungen in den Mitgliedstaaten auf den Weg zu bringen, die bewährte Verfahren berücksichtigen und anregen und individuell verschiedene Modelle des angemessenen Armut verhindernden Mindest- bzw. Grundeinkommens als Maßnahme zur Armuts-prävention und zur Sicherung der sozialen Gerechtigkeit und Chancengleichheit für alle Bürger, deren Bedürftigkeit im jeweiligen regionalen Maßstab nachzuweisen ist, bejahen, ohne die Besonderheiten der einzelnen Mitgliedstaaten infrage zu stellen. Verweisen möchte ich dabei auch auf die derzeit laufende Europäische Bürgerinitiative Grundeinkommen, www.ebi-grundeinkommen.de, mit der die Europäische Kommission aufgefordert wird, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern im Hinblick auf die Erforschung des bedingungslosen Grundeinkommens, BGE, als Instrument zur Verbesserung ihrer jeweiligen Systeme der sozialen Sicherheit. Diese Bürgerinitiative wird von Grundeinkommensnetzwerken und -initiativen in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und in Deutschland von einem breiten Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen getragen; siehe dazu die Kampagnenwebsite www.ebi-grundeinkommen.de. Angesichts der fortschreitenden sozialen Spaltung in Deutschland und in Europa halte ich es für unerlässlich, alternative Ideen und praktische Ansätze für die Verbesserung der sozialen Situation der Menschen auch im Deutschen Bundestag ernsthaft zu debattieren. Alexander Süßmair (DIE LINKE): Ich lehne die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses ab, das Petitionsverfahren abzuschließen, weil damit dem grundsätzlichen Anliegen der Petentin und der gesellschaftlichen Bedeutung der Debatte über das bedingungslose Grundeinkommen nicht Rechnung getragen wird. Parallel zu der breiten gesellschaftlichen Debatte über das Grundeinkommen sollte vielmehr eine Enquete-Kommission beim Deutschen Bundestag zum Thema Grundeinkommen eingerichtet werden. Auch deshalb, weil dieses Thema innerhalb verschiedener Parteien und Fraktionen kontrovers diskutiert wird. Die Prüfung der Möglichkeiten, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, wurde auch mit großer Mehrheit vom Europäischen Parlament gefordert. In der Entschließung, eingebracht mit einem Bericht von Gabi Zimmer, Die Linke, zur "Förderung der sozialen Integration und die Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU", Beschluss vom 9. Februar 2008 (2008/2034(INI)), heißt es: Das Europäische Parlament ... fordert die Kommission auf, die armutsbekämpfende Wirkung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle zu prüfen. In der Entschließung, eingebracht mit einem Bericht von Ilda Figueiredo, Kommunistische Partei Portugals, zur "Bedeutung des Mindesteinkommens für die Bekämpfung der Armut und die Förderung einer integrativen Gesellschaft in Europa", Beschluss vom 20. Oktober 2010 (2010/2039(INI)), heißt es: Das Europäische Parlament ... ist der Auffassung, dass die verschiedenen Erfahrungen mit Mindest-einkommen sowie mit dem bedingungslosen Grundeinkommen für alle, gepaart mit zusätzlichen Maßnahmen zur sozialen Einbeziehung und zum sozialen Schutz, zeigen, dass es sich um wirksame Formen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung und zur Gewährleistung eines Lebens in Würde für alle handelt ... Hinzu kommt die derzeit laufende Europäische Bürgerinitiative Grundeinkommen. Hierin wird die Europäische Kommission aufgefordert, die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Erforschung des bedingungslosen Grundeinkommens, BGE, als Instrument zur Verbesserung ihrer jeweiligen Systeme der sozialen Sicherheit zu fördern. Das Petitionsverfahren in dieser Situation abzuschließen, wird der Brisanz und Bedeutung des Themas nicht gerecht. Es würde vielmehr der Kluft zwischen Zivilgesellschaft und dem Parlament Ausdruck verleihen. Die Debatte zum Thema Grundeinkommen muss in der Zivilgesellschaft, muss aber auch im Deutschen Bundestag geführt werden. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 52 976 Bürgerinnen und Bürger unterzeichneten über den Jahreswechsel 2008/2009 innerhalb von sechs Wochen die Onlinepetition der Greifswalderin Susanne Wiest. Unter dem Titel "Reformvorschläge in der Sozialversicherung - Bedingungsloses Grundeinkommen" forderte die Petentin: "Der Deutsche Bundestag möge beschließen, das bedingungslose Grundeinkommen einzuführen." In meiner Partei Bündnis 90/Die Grünen gibt es bisher keine einheitliche Meinung dazu. Wir wollen aber die Debatte um Grundsicherung und ein bedingungsloses Grundeinkommen weiter in die Gesellschaft hineintragen. Dabei ist uns wichtig, die grünen Leitbilder von Gerechtigkeit und emanzipativer Sozialpolitik mit der Bedeutung öffentlicher Institutionen und Finanzierbarkeit zu verbinden. Angesichts sich zuspitzender Wachstumsproblematik und der umfassenden Umstrukturierung der Wirtschaft durch Rationalisierungsprozesse benötigen wir auf Dauer eine Transformation des Sozialstaates. Grünes Ziel ist es, die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen und das individuelle Grundrecht auf soziale Teilhabe zu verwirklichen. Den Abschluss der Petition im Sinne eines Endes der Debatte im Bundestag lehne ich ab. Anlage 5 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU) zur Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze (Zusatztagesordnungspunkt 11) Als Berichterstatter des Bundestages zu den abschließenden Verhandlungen des Vermittlungsausschusses am 26. Juni 2013 mache ich darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung eine Protokollerklärung abgegeben hat. Diese gebe ich nachfolgend zur Kenntnis: Protokollerklärung der Bundesregierung zum Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze . Die Bundesregierung gibt aus Anlass der Beschlussfassung des Vermittlungsausschusses zum Vierten Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze folgende Zusagen: Durch eine Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung wird gewährleistet werden, dass auch folgende Verkehrsverstöße im neuen Fahreignungsregister gespeichert und mit Punkten bewertet werden: Unterschreitung der zulässigen Stützlast um mehr als 50 Prozent (Nr. 217 BKat) mit einem Punkt. Alle Fälle der in der Neunten Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften noch nicht vorgesehener Fälle des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) mit zwei Punkten. Das unzulässige Parken in einer gekennzeichneten Feuerwehrzufahrt mit Behinderung eines Rettungsfahrzeuges (Nr. 53.1 BKat) mit einem Punkt. Durch Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung wird der Bußgeld-regelsatz für das Nicht-Führen des Fahrtenbuches oder dessen Nicht-Aushändigen von zurzeit 50 Euro auf 100 Euro (Nr. 190 BKat) erhöht werden. Durch eine Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung soll eine Reduzierung der Kosten für das neu eingeführte Fahreignungsseminar erreicht werden, indem die Anzahl der Teilnehmer an der verkehrspädagogischen Teilmaßnahme mit höchstens sechs Personen festgelegt wird und für die verkehrspsychologische Teilmaßnahme nur zwei Module mit jeweils 75 Minuten Dauer vorgesehen werden. Durch eine Ergänzung der Fahrerlaubnis-Verordnung werden Anforderungen an die Qualitätssicherungs-systeme und Regeln für die Durchführung der Qualitätssicherung bestimmt werden. Die Bundesregierung wird zur Umsetzung der Zu-sagen 1 bis 3 eine Formulierungshilfe für entsprechende Maßgabebeschlüsse zur Neunten Verordnung zur -Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften (Bundesratsdrucksache 810/12) für die Sitzung des Verkehrsausschusses des Bundesrates zur Verfügung stellen. Zur Umsetzung der Zusage 4 wird die Bundesregierung dem Bundesrat eine entsprechende Verordnung spätestens bis zum Ablauf des Jahres 2013 zur Zustimmung zuleiten. Anlage 6 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): zur Abstimmung über den Antrag: Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung zum Beitrittsantrag der Republik Serbien zur Europäischen Union und zur Empfehlung von Europäischer Kommission und Hoher Vertreterin vom 22. April 2013 zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen (Zusatztagesordnungspunkt 4) Ich stimme der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien zu. Angesichts der von Serbien erstmals in dieser Tragweite signalisierten Bereitschaft zu einer Einigung mit dem Kosovo halte ich es für geboten, ein deutliches Signal an die serbische Bevölkerung zu senden, dass die EU an ihrem 2003 in Thessaloniki gegebenen Versprechen der EU-Perspektive festhält und das Land sich auf dem richtigen Weg befindet. Gleichwohl nehme ich zur Kenntnis, dass es berechtigte Bedenken gegenüber diesem Schritt gibt. Denn -Serbien hat die im Implementierungsplan zum Abkommen mit dem Kosovo vom 19. April 2013 vorgesehenen Schritte zum Abbau der Parallelstrukturen in Nord-kosovo noch nicht in dem vorgesehenen Maß umgesetzt. Viele der für die Frist bis Mitte Juni vorgesehenen Schritte sind begonnen, aber noch nicht abgeschlossen. Bislang kann noch nicht von einer unumkehrbaren Entwicklung zum Abbau der Parallelstrukturen gesprochen werden. Diese ist unabdingbar für die Funktionsfähigkeit des kosovarischen Gesamtstaates und bleibt Voraussetzung für die Eröffnung erster Kapitel in den EU--Beitrittsverhandlungen. Die Europäische Union ist aufgerufen, die weitere Implementierung des Abkommens aufmerksam zu verfolgen. Ich möchte jedoch die Gelegenheit nutzen, um auf einen Missstand hinzuweisen, der uns im Falle Serbiens, aber auch darüber hinaus europaweit Sorge bereitet: die systematische Diskriminierung der Roma. In Serbien leben Roma vielfach unter erschreckenden Bedingungen. Für sie sind Ausgrenzung, Armut und Perspektivlosigkeit alltägliche Erfahrungen. Antidiskriminierungs- und Integrationsmaßnahmen müssen daher einen Schwerpunkt in den Beitrittsverhandlungen darstellen. Die Diskriminierung der Roma ist jedoch kein serbisches Phänomen. Im Kosovo ist die Lage dieser -Menschen ebenfalls dramatisch. Insbesondere die Vertreibung der Roma im Zuge des Kosovo-Konfliktes stellt eine große Tragödie dar. Unseriös sind allerdings Versuche, die Lage der Roma zu instrumentalisieren, um den KFOR-Einsatz zu diffamieren, und dabei Zahlen anzuführen, die nicht belegbar sind. Weder ist die Zahl der vor dem Krieg tatsächlich im Kosovo lebenden Roma bekannt, noch ist die Größenordnung der Vertreibungen zweifelsfrei ermittelbar. Richtig ist, dass KFOR zu -Beginn des Einsatzes nicht in der Lage war, die Roma ausreichend vor Übergriffen zu schützen. Wahr ist aber auch, dass die KFOR-Truppen sich um einen besseren Schutz der Roma bemühten, sobald sie über deren alarmierende Lage informiert wurden. So hält es ein gemeinsamer Bericht des Europarates und der OSZE von 1999 fest. An Gewalt und Diskriminierung gegenüber den Roma damals wie heute ändert dies nichts. Nicht nur in der Westbalkanregion, sondern auch in der gesamten -Europäischen Union werden sie systematisch ausgegrenzt. Rassistische Übergriffe sind an der Tagesordnung. Armut, Arbeitslosigkeit und mangelnder Zugang zu Bildung bestimmen den Alltag der Menschen. Doch statt daran mitzuwirken, dass Hundertlausende im -Europa des 21. Jahrhunderts unter menschenwürdigen Bedingungen leben können, unterstellt Innenminister Friedrich den Roma pauschal Asylmissbrauch und droht damit, die Reisefreiheit der Menschen in Südosteuropa einzuschränken. Das ist nicht nur verantwortungslos, sondern schürt darüber hinaus den Rassismus gegenüber den Roma. Deshalb fordern wir nicht nur ein Ende der Abschiebungen von Roma in die Westbalkanregion, sondern auch ein endlich ernstzunehmendes Engagement Deutschlands für die europaweite Integration der Roma. Anlage 7 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Artikel 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/.../EU über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Anpassung des Aufsichtsrechts an die Verordnung (EU) Nr. .../2012 über die Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRD IV-Umsetzungsgesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 8) Ich erkläre im Namen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, dass unser Votum "Ablehnung" lautet. Anlage 8 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Dietmar Bartsch, Heidrun Bluhm, Steffen Bockhahn, Raju Sharma, Dr. Kirsten Tackmann und Halina Wawzyniak (alle DIE LINKE) zu den Abstimmungen über den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (Tagesordnungspunkt 20 a) Wir haben uns bei der Abstimmung zu den vorliegenden Änderungsanträgen enthalten. Erstens. Bündnis 90/Die Grünen schlagen eine Änderung des § 558 f BGB vor. Mit dem Änderungsantrag wollen die Antragsteller bei nicht ausreichender Versorgung mit Mietwohnungen die Landesregierungen ermächtigen, für die davon betroffenen Gebiete eine Rechtsverordnung zu erlassen, mit der bei Wiedervermietung die ortsübliche Vergleichsmiete nicht um mehr als 10 Prozent überschritten werden darf. Diese Regelung ist zwar besser als der bisherige Zustand, aber nicht ausreichend. Notwendig wäre zum einen eine Regelung ohne die Einschränkung "nicht ausreichende Versorgung mit Mietwohnungen". Notwendig wäre auch eine gesetzliche Regelung statt einer Möglichkeit, eine Verordnung zu erlassen. Schließlich wäre es notwendig, gesetzlich festzuschreiben, dass Mieterhöhungen allein wegen Neuvermietung unzulässig sind. Zweitens. Die Änderungsanträge der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen zur gesetzlichen Regelung der Strafbarkeit der Bestechlichkeit und Bestechung von Mitgliedern von Volksvertretungen - Abgeordnetenbestechung - sind nicht ausreichend, um ihnen zuzustimmen. Die Fraktion Die Linke hat bereits am 21. April 2010 einen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Abgeordnetenbestechung vorgelegt - Drucksache 17/1412. Die Koalitionsfraktionen haben eine abschließende Behandlung der von allen Oppositionsparteien vorgelegten Gesetzesentwürfe im Plenum durch ständige Vertagung der Beratung im Rechtsausschuss verhindert. Obwohl wir das Anliegen, die Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung gesetzlich zu regeln, teilen, ist eine Zustimmung zu den konkret vorliegenden Gesetzentwürfen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen nicht möglich. Nachträgliche "Dankeschön-Spenden" werden danach nicht unter Strafe gestellt. Außerdem sind abstrakte Rechtsbegriffe wie "parlamentarische Gepflogenheiten" bzw. "Verwerflichkeit" nicht geeignet, um die gewünschte Transparenz bei der Abgrenzung von erlaubtem und unerlaubtem Verhalten herzustellen. Danach wäre es auch zukünftig möglich, dass Lobbyverbände im Rahmen von Werbe-veranstaltungen Politiker und Politikerinnen in großem Umfang bewirten, obwohl auch hier die Gefahr und der Anschein der Käuflichkeit erzeugt wird. Besser wären klare gesetzliche Regeln, zum Beispiel durch die Einführung von Bagatellgrenzen. Drittens. Die Einbringung der vorliegenden drei Änderungsanträge stellt eine nahe an der Instrumentalisierung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages - hier § 82 - liegende Handlung dar. Änderungsanträge, das besagt schon der Begriff, müssen sich auf die Änderung eines vorliegenden Gesetzentwurfs beziehen. Der vorliegende Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken enthält keinen Sachzusammenhang mit den vorgelegten Änderungsanträgen. Das mit den Änderungsanträgen vorgeschlagene Verfahren nennt sich -Omnibus-Verfahren. Sosehr wir bei aller Kritik der konkreten Änderungsanträge - vergleiche Punkte eins und zwei - das grundlegende Anliegen der Änderungs-anträge teilen, halten wir das Verfahren für nicht seriös. Anlage 9 Erklärungen nach § 31 GO zu den Abstimmungen über den Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (Tagesordnungspunkt 20 a) Manuel Höferlin (FDP): Zunächst möchte ich auf die Art und Weise der Einbringung der Anträge hinweisen. Sie sind im Omnibus-Verfahren zur Abstimmung über das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken gestellt worden, stehen aber mit diesem in keinerlei Zusammenhang. Die Einbringung der Änderungsanträge ist offensichtlich dem Wahlkampf geschuldet. Weiter möchte ich auf die schwerwiegenden Mängel der Gesetzesentwürfe hinweisen. Die Änderungsanträge enthalten die von SPD und Grünen bereits in den Bundestag eingebrachten Gesetzesentwürfe, die auch Gegenstand der öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zur Abgeordnetenbestechung im Oktober vergangenen Jahres waren. Schon in der Anhörung wurde deutlich, dass die Mehrheit der Sachverständigen verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entwürfe hatte. Denn nach dem Grundgesetz ist es höchst problematisch, die Abgeordnetenbestechung wie die Strafbarkeit von Amtsträgern zu gestalten. Um die Probleme der Umsetzbarkeit wissen auch alle spätestens seit der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss. Nach überwiegender Auffassung der gehörten Sachverständigen verstoßen die Entwürfe entweder gegen Art. 38 GG, der die Freiheit des Mandats gewährleistet, und/oder gegen Art. 103 Abs. 2 GG, -wonach gesetzliche Bestimmungen klar und eindeutig verfasst sein müssen, damit der Bürger - und hier der Abgeordnete - weiß, was strafbar ist und was nicht. Selbst den - teilweise ratlosen - Befürwortern war eine Argumentation zur praktischen Umsetzung unmöglich. Nach der Verfassung müssen Beamte stets unparteiisch und frei von unsachlichen Einflüssen nach Maßgabe der Gesetze handeln und entscheiden. Abgeordnete hingegen haben keinen genau umgrenzten Pflichtenkreis wie Amtsträger. Sonst könnten sie ihr Mandat auch nicht frei ausüben. Deshalb muss zwischen beiden unterschieden werden. Die unbestimmten Rechtsbegriffe "parlamentarische Gepflogenheiten" - wie ihn der Entwurf der SPD -vorsieht - oder "Verwerflichkeit" eines rechtswidrigen Vorteils - wie ihn der Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen vorsieht - erfüllen nicht das Bestimmtheitsgebot der Verfassung. Ich sehe keine Möglichkeit, ein Gesetz zu verabschieden, das die UN-Konvention ratifiziert und gleichzeitig verfassungskonform ist. Es fällt der Opposition leicht, etwas zu fordern, das sie nicht selbst gestalten muss. Bisher konnte von niemandem eine praktikable Lösung vorgeschlagen werden. Anette Hübinger (CDU/CSU): Ich lehne den sachfremden Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken am 27. Juni 2013 ab. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass der Änderungsantrag eine Forderung aus dem Wahlprogramm 2014 von CDU/CSU aufgreift. In meinen Augen stellt der vorliegende Antrag ein reines Wahlkampfmanöver dar und verkürzt diese wichtige Problematik unsachgemäß. Ich befürworte die im CDU/CSU-Wahlprogramm enthaltene Forderung, wonach in angespannten Märkten die Mieterhöhungen in Zukunft auf 10 Prozent oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete beschränkt werden können. Damit muss allerdings auch der Bau ausreichend vieler Wohnungen in Gebieten mit Wohnungsknappheit verbunden werden, da ansonsten das Problem nicht umfassend genug gelöst werden kann. Hierauf gibt der vorliegende Änderungsantrag im Gegensatz zum Wahlprogramm 2014 von CDU und CSU keine Antworten und ist deshalb abzulehnen. Uwe Schummer (CDU/CSU): Erstens. Mit einem Verfahrenstrick zu einem anderen Tagesordnungspunkt Abstimmungen zur Abgeordnetenbestechung zu verstecken, ist weder transparent noch dem Thema angemessen. Zweitens. Ich persönlich stehe für mehr Transparenz. Seit 2002 veröffentliche ich meine Steuerbescheide auf der Internetseite www.uwe-schummer.de. Mein Ziel ist, in der nächsten Legislaturperiode das Thema in einem geordneten und transparenten Verfahren zu regeln. Anlage 10 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Frank Schäffler (FDP) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung: Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen -Integrierten Stabilisierungsmission in Mali -(MINUSMA) auf Grundlage der Resolution 2100 (2013) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. April 2013 (Tagesordnungspunkt 11) Nicht einmal vier Monate nach der Beschlussfassung des Bundestags über die Beteiligung an AFISMA wird die Mission aufgebohrt und um diverse Facetten erweitert. Sie heißt nun MINUSMA, und unter diesem Namen "setzt Deutschland im Sinne eines vernetzten Ansatzes sein umfassendes Engagement in Mali und der Sahel-region fort". lm Gegensatz zur bisherigen internationalen Unterstützungsmission AFISMA, deren Mandat -lediglich die Unterstützung der malischen Streitkräfte beim Aufbau von Kapazitäten sowie bei der Wiederherstellung der territorialen Integrität Malis vorsah, soll -MINUSMA einen "umfassenden Beitrag zur Stabilisierung Malis" leisten. Das Mandat soll bei der "Stabilisierung wichtiger Bevölkerungszentren" sowie bei der "Wiederherstellung der staatlichen Autoritäten im ganzen Land" Hilfe gewähren. Es gibt jetzt eine "Road Map". Ich habe schon EUTM Mali wie auch AFISMA nicht zugestimmt (Plenarprotokoll 17/225 vom 28. Februar 2013, Seite 28161), weil ich dem Erfolgsversprechen der Missionsbefürworter nicht glauben konnte. Ich hatte vor den unbeabsichtigten und absehbaren Folgen gewarnt, die die Verteidigung Deutschlands in Timbuktu nach sich ziehen könnte. Viel früher als am 28. Februar von mir erwartet - nicht erst in einem Jahr, sondern schon nach vier Monaten - kommt im größeren Stil, was wohl im kleinen bislang nicht funktioniert hat. Für dieses beabsichtigte "umfassende deutsche Engagement in Mali und der Sahelregion" sehe ich afghanische Verhältnisse auf uns zukommen. Ich wünsche den Betroffenen, das sind in zweiter Linie die in den Sahel verschickten Soldaten und ihr Tross ziviler Helfer aus allen Nationen und in erster Linie die Bevölkerung Malis, alles erdenklich Gute und hoffe, dass das internationale Engagement nicht zu noch mehr Leid führt, als die Menschen ohnehin schon ertragen müssen. Meine Gedanken und mein Mitgefühl sind bei allen, denen es in Mali schlecht geht. In Bezug auf den Ausgang der Mission schwant mir jedoch nichts Gutes. Wenn ich den Missionsnamen lese, dann erinnert mich dieser unweigerlich an SNAFU. Anlage 11 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuer-gesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Veronika Bellmann (CDU/CSU): Ich kann dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht zustimmen, weil ich schon die ihm zugrunde liegende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes als rechtlich nicht tragfähig erachte. Insofern schließe ich mich im Wesentlichen der abweichenden Meinung, im Folgenden auszugsweise zitiert, von Richter Landau und Richterin Kessal-Wulf hinsichtlich des Beschlusses des Zweiten Senats vom 7. Mai 2013 an: Naheliegende, Gestaltungsauftrag und -prärogative des Gesetzgebers schonende sowie die funktionale Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht respektierende Lösungsmöglichkeiten wurden durch den Senat nicht ausreichend berücksichtigt. Der Senat verkennt, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts am 1. Januar 2005 nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht als eine der Ehe vergleichbare Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch ausgestaltet war. Die Verfassung stellt Ehe und Familie durch die verbindliche Wertentscheidung in Art. 6 Abs. 1 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dieser besondere Schutz wird der Ehe zuteil, weil sie Vorstufe zur Familie sein kann, die wiederum Voraussetzung der Generationenfolge und damit der Zukunftsgerichtetheit von Gesellschaft und Staat ist. Das Schutz- und Fördergebot bildet einen sachlichen Differenzierungsgrund, der geeignet ist, die Besserstellung der Ehe gegenüber anderen, durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägten Lebensgemeinschaften zu rechtfertigen. Mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft schuf der Gesetzgeber im Jahr 2001 eine institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft, die sich in ihrer rechtlichen Verbindlichkeit der Ehe annäherte, ihr aber in ihren Rechtswirkungen nicht unmittelbar gleichkam. Die eingetragene Lebenspartnerschaft war nicht von Beginn an zivilrechtlich als eine der Ehe vergleichbare Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch ausgestaltet. In der ursprünglichen Gesetzesfassung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 16. Februar 2001 hat er noch bewusst davon abgesehen, vollständige Gleichheit herzustellen (vergleiche Bundestagsdrucksache 14/3751, Seite 1, 33 f.; 15/3445, Seite 1, 14 f.). Eine weitere Stufe der Angleichung erfolgte erst durch das Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004, das mit Wirkung zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Bis zu diesem Zeitpunkt bestanden gewollte, nicht bloß zufällige, strukturelle Unterschiede zur Ehe unter anderem im Güterrecht und beim Recht des Versorgungsausgleichs. Die Lebenspartner waren zwar bis dahin auch zu gegenseitiger Fürsorge und Unterstützung sowie zur Unterhaltsgewährung verpflichtet (vergleiche BVerfGE 105, 313 <355>), begründeten aber noch keine der Ehe schon vergleichbare Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch. Gemessen am Regelungsgegenstand und -ziel der §§ 26, 26 b und 32 a Abs. 5 EStG liegt aber gerade hierin ein hinreichend gewichtiger Sachgrund, der die Privilegierung der Ehe in den Veranlagungsjahren zwischen 2001 und 2004 zu rechtfertigen vermag, ohne dass es eines Rückgriffs auf Art. 6 Abs. 1 GG bedarf. Der Verweis des Senats auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Erbschaft- und Schenkungsteuer, zur Grunderwerbsteuer und zum besoldungsrechtlichen Familienzuschlag ist ungeeignet, das gegenteilige Ergebnis zu begründen. Keine der genannten Entscheidungen stellt auf den Bereich des Einkommensteuerrechts unbesehen übertragbare Grundsätze auf. Insofern ist die Nachzahlung aufgrund Rückwirkung sowohl im Beschluss des Bundesverfassungsgerichts als auch im Gesetzentwurf nicht zu rechtfertigen und legt dem Steuerzahler ungerechtfertigte Zahlungspflichten auf. Die vom Senat richterrechtlich vorgenommene Erstreckung des Splittingverfahrens auf eingetragene Lebenspartner für die Veranlagungsjahre vor 2005 läuft auf die Gewährung der einkommensteuerrechtlichen Vorteile einer Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch hinaus, ohne dass die hieraus spiegelbildlich erwachsenden Verpflichtungen zwischen den Lebenspartnern in auch nur annähernd vergleichbarem Umfang bestanden hätten. Diese Inkonsistenz wird in besonderem Maße darin deutlich, dass der Senat zur Begründung seiner Lösung anführt, der Gesetzgeber habe die Lebenspartnerschaft "von Anfang an" in einer der Ehe vergleichbaren Weise als umfassende institutionalisierte Verantwortungsgemeinschaft verbindlich gefasst und bestehende Unterschiede kontinuierlich abgebaut. Unbeschadet der dieser Begründung bereits innewohnenden Widersprüchlichkeit blendet diese Behauptung aus, dass der Gesetzgeber, der durch das Lebenspartnerschaftsgesetz verfassungsrechtliches Neuland betrat, bewusst von einer vollständigen Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe absah und gerade die ökonomische Selbstständigkeit beider Partner als gesetzliches Leitbild herausstellte. Ausweislich der Gesetz-gebungsmaterialien ging der Gesetzgeber ausdrücklich von einer "größeren wirtschaftlichen Unabhängigkeit beider Partner" aus und schuf insbesondere beim Vermögensrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaften - der sozialen Wirklichkeit des Jahres 2001 entsprechend - Unterschiede zum ehelichen Güterrecht (vergleiche Bundestagsdrucksache 14/3751, Seite 41 und 42; vergleiche auch V. Beck, NJW 2001, Seite 1894 <1898 ff>). Indem der Senat nunmehr eine der Ehe im Hinblick auf das Bestehen einer Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch vergleichbare rechtliche Ausgangssituation der eingetragenen Lebenspartnerschaft "von Anfang an" konstruiert, die die Legislative zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich nicht gewollt hatte, setzt er seine Einschätzung an die Stelle des hierzu allein berufenen Gesetzgebers. Gesellschaftlichen Wandel aufzunehmen, zu bewerten und gegebenenfalls rechtliche Formen hierfür bereitzustellen, kann nur Sache des Gesetzgebers, nicht aber des Verfassungsgerichts sein. Der Senat hätte sich zunächst damit auseinandersetzen müssen, ob vor dem Hintergrund des familienpolitischen Normzwecks des Splittingverfahrens die durch §§ 26, 26 b und 32 a Abs. 5 EStG vorgenommene typisierende Privilegierung der Ehe allein aufgrund ihres Charakters als Vorstufe zur Familie und ihrer Bedeutung für die Generationenfolge in Gesellschaft und Staat zulässig gewesen ist. Allein aus dem Umstand, dass auch bei Lebenspartnern Kinder aufwachsen, kann indes nicht zwingend geschlossen werden, dass schon in den Veranlagungsjahren 2001 und 2002 der Gesamtheit der eingetragenen Lebenspartnerschaften das Splittingverfahren im Wege der Typisierung zu eröffnen gewesen wäre. Hierzu hätte sich der Senat der Frage stellen müssen, ob der Anteil der Kinder erziehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften 2001 und 2002 schon so hoch war, dass diese Kon-stellation dem Regelfall entsprach und daher - wie bei der Ehe - die Einbeziehung aller Lebenspartnerschaften unabhängig vom Vorhandensein von Kindern geboten gewesen wäre. Die Annahme des Senats, steuerliche Vorteile der §§ 26, 26 b und 32 a Abs. 5 EStG kämen auch bei Lebenspartnerschaften typischerweise solchen mit Kindern zugute, ist - zumal für die infrage stehenden Veranlagungszeiträume - nicht belegt und gibt keine Antwort auf die für die Typisierung entscheidende Frage, wie hoch der Anteil der eingetragenen Lebenspartnerschaften gewesen ist, in denen Kinder erzogen wurden. Soweit der Senat zu dieser Frage auf das Bestehen von Härtefallgruppen verweist, gebietet allein deren Bestehen ebenfalls nicht die Erstreckung der Typisierung auf die gesamte Personengruppe. Der Begründungsansatz, die bestehende Rechtslage blende aus, dass in eingetragenen Lebenspartnerschaften Kinder aufwüchsen, und laufe hierdurch auf eine mittelbare Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung hinaus, ist zur Untermauerung der rückwirkend vorgenommenen Typisierung untauglich, da etwaig bestehenden Ungleichbehandlungen auch durch eine beschränkte Eröffnung des Splittingverfahrens für eingetragene Lebens-partnerschaften, in denen Kinder erzogen werden oder wurden, hätte wirksam Rechnung getragen werden können. Ein solcher Lösungsansatz ist durch den Senat, der ausschließlich auf die typisierende Einbeziehung der Lebenspartnerschaften abstellt, jedoch nicht vertieft worden. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebührt dem Gesetzgeber bei der Neuregelung eines komplexen Sachverhalts ein zeitlicher Anpassungsspielraum; er darf sich zunächst mit einer grob typisierenden Regelung begnügen, um diese nach hinreichender Sammlung von Erfahrungen allmählich durch eine differenziertere zu ersetzen (vergleiche BVerfGE 54, 11 <37>; 54, 173 <202> mit weiteren Nachweisen). Dieser Gedanke gilt erst recht bei umfassenden Reformen, die einen hohen Regelungsaufwand erfordern. Dem Gesetzgeber muss es grundsätzlich möglich sein, eine solche Reform in mehreren Stufen zu verwirklichen, um den Regelungsaufwand und die organisatorischen Folgen jeweils zu begrenzen und zunächst in einem Teilbereich Erfahrungen zu sammeln, die bei den weiteren Schritten berücksichtigt werden können (vergleiche BVerfGE 85, 80 <91 >; 89, 15 <27>; 89, 365 <379 f.>; 95, 267 <314 f.>). In einem solchen Fall geben die damit verbundenen Unzuträglichkeiten erst dann Anlass zur verfassungsrechtlichen Beanstandung, wenn der Gesetzgeber eine spätere Überprüfung und fortschreitende Differenzierung trotz ausreichenden Erfahrungsmaterials für eine sachgerechtere Lösung unterlässt (vergleiche BVerfGE 33, 171 <189 f>; 54, 173 <202>; 100, 59 <101>; 103, 242 <267>). Hiermit setzt sich der Senat nicht auseinander. Der mit der Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft verbundene Regelungsaufwand war für den Gesetzgeber erheblich. Das neu geschaffene Rechtsinstitut musste umfassend in die bestehenden zivil- und öffentlich-rechtlichen Strukturen eingepasst werden, wobei eine universale Gleichsetzung mit den für die Ehe geltenden Vorschriften vom Gesetzgeber nicht gewollt war und deren Zulässigkeit zudem verfassungsrechtlichen Zweifeln unterlag. Aus diesem Grund hat sich der Gesetzgeber bewusst dazu entschieden, nur eine schrittweise Annäherung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft durchzuführen. Es kann ihm deshalb nicht verwehrt sein, einzelne Angleichungen von einer späteren Evaluierung abhängig zu machen. Dem Gesetzgeber wäre angesichts des familienpolitischen Normzwecks des Splittingverfahrens zuzubilligen gewesen, zunächst die eingetragene Lebenspartnerschaft im Hinblick auf ihre Vorwirkung für die Familie und Generationenfolge zu evaluieren und hieraus gegebenenfalls steuerliche Konsequenzen zu ziehen. Diesen Einschätzungsspielraum übergeht der Senat durch seine auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Lebenspartnerschaftsgesetzes rückwirkende Unvereinbarkeitserklärung und verengt die gesetzgeberischen Gestaltungsmöglichkeiten zusätzlich. Im Zuge dessen setzt er sich zudem über die bisherige Rechtsprechung hinweg, wonach der Gesetzgeber einen mit dem Grundgesetz unvereinbaren Rechtszustand nicht rückwirkend beseitigen muss, wenn die Verfassungsrechtslage nicht hinreichend geklärt war (vergleiche BVerfGE 120, 125 <167 f>; 125, 175 <258>). Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist (Bundesverfassungsgericht vom 17. Juli 2002, BVerfGE 105, 313/345). Die Ehe als Verbindung von Mann und Frau hat auch das Alleinstellungsmerkmal, dass alleine aus dieser Verbindung Kinder hervorgehen können, die wiederum die Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft sichern. Daran hat bisher noch keine Ideologie, kein Parteiprogramm oder keine Gerichtsentscheidung etwas ändern können. Diese Alleinstellungsmerkmal verbietet sowohl die Öffnung der Ehe für andere Lebensformen, wie etwa der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft, als auch, entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013, die Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens aufzuheben. Darin liegt keinerlei Diskriminierung oder Unwerturteil gegenüber anderen Lebensformen, sondern eine schlichte Feststellung der Realität. Dieses Alleinstellungsmerkmal verkennt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2013, wenn es Unterschiede zwischen der Lebenssituation von Ehepartnern und Lebenspartnern, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, nicht zu erkennen vermag. Deshalb verstößt meines Erachtens die Gewährung gleicher Vergünstigungen, wie etwa der Einräumung des Ehegattensplitting, gegen den besonderen Schutz der Ehe. Auch die Argumentation, man nimmt der Ehe nichts, wenn man auch der Lebenspartnerschaft oder anderen Formen des Zusammenlebens dieselben Rechte einräumt, trägt nicht, da etwa auch im Prüfungswesen die Verleihung eines Spitzenprädikats an alle dieses Spitzenprädikat entwertet. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Grundrechtsauslegung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden, umgekehrt kann aber auch das Bundesverfassungsgericht nicht in die freie Gewissensentscheidung des Abgeordneten eingreifen. Michael Kauch (FDP): Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene -Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben -unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten verschärft, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Hier ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich. Dies erfordert hohe Sorgfalt und mehr Zeit, als sie jetzt zur Verfügung stand. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altervorsorge-Zertifizierungsgesetz, das Eigenheim-zulagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Dennoch habe ich mich entschlossen, diesen Änderungsanträgen trotz ihrer Unvollständigkeit zuzustimmen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleich-geschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Ich verstehe, dass die FDP-Fraktion nach dem Koalitionsvertrag, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden ist, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Ich habe mich aber entschlossen, den Änderungsanträgen dennoch zuzustimmen. Patrick Meinhardt (FDP): Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind einge-tragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der -Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten verschärft, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche -Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten -Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Dies ist in der Kürze der Zeit nicht mit der wirklich notwendigen Sorgfalt leistbar. Schade, dass die linken Oppositionsparteien jetzt mit heißer Nadel gestrickte Anträge einbringen, die einer genaueren Prüfung nicht standhalten. Die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altervorsorgezertifizierungsgesetz, das Eigenheimzulagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Daher ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich, das in dieser Wahl-periode nicht mehr leistbar war. Hier sollten wir uns gleich zu Beginn der neuen Wahlperiode daran machen, um ein solides, bestandskräftiges Gesetz auf den Weg zu bringen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Nach dem Koalitionsvertrag sind wir, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Gerade in der Frage des Adoptionsrechtes gibt es beim Koalitions-partner noch erkennbaren inhaltlichen Klärungsbedarf. Daher können wir den Änderungsanträgen der Opposition zum Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe, die wir beide inhaltlich unterstützen, heute nicht zustimmen. Wir werden als FDP weiterhin unseren Weg fortsetzen und Schritt für Schritt die Ungerechtigkeiten gegenüber eingetragenen Lebenspartnerschaften abbauen. -Dafür ist ein langer Atem notwendig. Den haben wir -Liberale. Burkhardt Müller-Sönksen (FDP): Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind ein-getragene Lebenspartner im Beamten-, Richterrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Ich persönlich habe mich mit Erfolg im Verteidigungsausschuss dafür eingesetzt, dass auch im Soldatenrecht eine echte Gleichstellung verankert wurde. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten verschärft, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Dies war in der Kürze der Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt möglich. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altervorsorge-Zertifizierungsgesetz, das Eigenheimzu-lagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Daher ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich, das in dieser Wahlperiode nicht mehr leistbar war. In der Zeit bis zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes wird den Betroffenen dadurch keinerlei steuerlicher Nachteil entstehen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Eine vollständige Gleichstellung braucht aus meiner Sicht eine fundierte gesetzliche Grundlage. Die vorgelegten Gesetzentwürfe der Opposition werden diesem Anspruch nicht gerecht. Auch wenn ich im Grundsatz die Anliegen der Opposition im Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe teile und mich seit vielen Jahren in meinem Wahlkreis Hamburg für die vollständige Gleichstellung tatkräftig engagiere, werde ich den handwerklich mangelhaften Gesetzentwürfen heute nicht zustimmen. Gleichzeitig sehe ich in der Frage des Adoptionsrechtes beim Koalitionspartner noch erkennbaren inhalt-lichen Klärungsbedarf. Um eine möglichst breite parlamentarische Mehrheit, die ich in dieser Grundsatzfrage begrüßen würde, zu ermöglichen, eröffne ich bewusst mit meinem Abstimmungsverhalten den Raum für eine Klärung innerhalb der CDU/CSU-Fraktion. Ich bin davon überzeugt, dass die CDU/CSU sich, nach tiefergehender Auseinandersetzung mit der Intention und der Tragweite des Karlsruher Urteils, den gelebten gesellschaftlichen Realitäten in unserem Land nicht länger verschließen kann. Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Das Bundesverfassungsgericht hat ein politisch höchst relevantes Urteil gefällt. Das haben wir hinzunehmen, aber nicht kritiklos. Art. 6 Abs. 1 GG stellt "Ehe und Familie" unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes und privilegiert diese Form des Zusammenlebens damit ausdrücklich. Was die Verfassungsväter und -mütter gemeint haben, ist einerseits historisch klar, andererseits erschließt es sich aus der Konjunktion "Ehe und Familie" zusätzlich. Ich werde dem Gesetzentwurf zustimmen, allerdings eben nicht kritiklos. Ferner weise ich vorausschauend und ausdrücklich im Zusammenhang mit dem Adoptionsrecht auf einen mir besonders wichtigen Punkt hin: Das Adoptionsverfahren hat sich vorrangig am Interesse des Kindes zu orientieren und nicht einseitig den Interessen adoptionswilliger Elternpaare, egal welchen Geschlechts, zu beugen. Unter diesen Aspekten ist die Adoption durch Vater und Mutter klar zu privilegieren. Katherina Reiche (CDU/CSU): Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Dort heißt es: "Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz, GG, garantiert den Eheleuten, eine Sphäre privater Lebensgestaltung, die staatlicher Einwirkung entzogen ist. Der Gesetzgeber muss daher Regelungen vermeiden, die geeignet sind, in die freie Entscheidung der Ehegatten über ihre Aufgabenverteilung in der Ehe einzugreifen." Ehe und Familie unterliegen einem besonderen grundgesetzlichen Schutz. Diesen Schutz muss der Gesetzgeber achten und wahren. Der besondere verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie bietet den Ehepartnern ebenso Wahlmöglichkeiten: Ein Ehepartner ist Alleinverdiener für beide oder beide Ehepartner verdienen den Lebensunterhalt gemeinsam. Ich sehe daher keine Möglichkeit, das Splittingverfahren bei der Zusammenveranlagung der Ehegatten grundlegend zu modifizieren. Der Gesetzgeber hat nicht das Rechte in die Lebensgestaltung einzugreifen. Das hat er den Ehepaaren zu überlassen. Und das ist auch gut so! Der Gesetzgeber hat die völlige Gleichsetzung von Ehe und gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft bisher nicht beschlossen - mit voller Absicht. Es gibt Regelungen zur Ehe - insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch -, und es gibt das Lebenspartnerschaftsgesetz. Die Rechte und Pflichten der eingetragenen Lebenspartnerschaft sind durchaus denen der Ehe nachgebildet worden. Aber bis heute ist eine Lebenspartnerschaft keine Ehe. Meiner Auffassung nach muss dies auch so bleiben. Es ist nicht verboten, gegen die ideologische und gesetzespraktische Nivellierung der Familie zu sein. Ging es bisher darum, der Mehrheit Toleranz für Minderheiten abzutrotzen. Nun lautet aber mehr und mehr die Parole: Wir wollen nicht bloß akzeptierte Minderheit sein. Wir sind die offeneren und moderneren Menschen. Hier ist ein Umschlagspunkt im Denken erreicht. Nun geht es nicht mehr darum, einer vermeintlich unterdrückten Minderheit zu ihrem Recht zu verhelfen, jetzt geht es darum, abweichende Standpunkte als antiemanzipatorisch, reaktionär oder homophob umzudeuten und zu diskreditieren. Einen gewissen Erfolg kann man nicht absprechen. Dennoch darf der Gesetzgeber mit gutem Grund zwei unterschiedliche Institute ungleich behandeln. Gewiss, es ist zu begrüßen und im besten Sinne konservativ, wenn zwei Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, und dies auch für Kinder. Aber es gibt nur eine Verbindung, die biologisch darauf angelegt ist, Kinder hervorzubringen - die von Mann und Frau. Jedes Kind hat Vater und Mutter. Und schließlich: Nur die Verbindung von Mann und Frau sichert den Fortbestand unseres Gemeinwesens. "Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern". Dieses grundgesetzlich in Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Recht der Meinungsfreiheit ist ein wichtiges Gut unserer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft. Dies beinhaltet auch gesellschaftspolitische Ansichten. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen stimme ich zu, da nach meiner Überzeugung höchstrichterliche Urteile vom Gesetzgeber umgesetzt werden müssen. Dennoch teile ich die Urteilsbegründung des zuständigen Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht vollends. Aus diesem Grund möchte ich von § 31 GO-BT Gebrauch machen und meine Position in der Sache näher erläutern: Unser Grundgesetz stellt Ehe und Familie durch Art. 6 Abs. 1 GG unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Ausdrücklich schließe ich mich der Sichtweise des Senats an, wonach dieser besondere Schutz der Ehe zuteil wird, weil sie Vorstufe zur Familie sein kann, die wiederum Voraussetzung der Generationenfolge und damit der Zukunftssicherheit von Gesellschaft und Staat ist. Richtigerweise erkennt der Senat auch, dass der Gesetzgeber, wegen des in Art. 6 Abs. 1 GG enthaltenen Schutz- und Förderauftrags, die Ehe gegenüber anderen Lebensformen begünstigen darf. Es ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Ehe nach wie vor in signifikantem Umfang Grundlage für ein "behütetes" Aufwachsen von Kindern ist (vergleiche BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 Rn. 66). Unter Anerkennung dieser Grundsätze steht dem Gesetzgeber zur Erfüllung des sich aus Art. 6 Abs. 1 GG ergebenden Schutz- und Förderauftrags ein Gestaltungsspielraum zu, den es zu nutzen gilt. Dies bedeutet meines Erachtens gerade auch, dass der Gesetzgeber bewusste Unterscheidungen zwischen einer Ehe und einer eingetragenen Lebenspartnerschaft machen darf. In diesem Sinne obliegt es dem Gesetzgeber mit seiner Gestaltungsprärogative, den Schutz- und Förderauftrag für Ehe und Familie aus Art. 6 Abs. 1 GG weiter auszugestalten. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 2013 mit 6:2 Stimmen ergangen ist. Auf das gemeinsame Sondervotum der Richterin Kessal-Wulf und des Richters Landau sei verwiesen. Dieses Sondervotum begrüße ich ausdrücklich. Marina Schuster (FDP): Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften -entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten gekürzt, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Hier ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich. Dies erfordert hohe Sorgfalt und mehr Zeit als sie jetzt zur Verfügung hat. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altersvorsorgezertifizierungsgesetz, das Eigenheimzulagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Dennoch habe ich mich entschlossen, diesen Änderungsanträgen trotz ihrer Unvollständigkeit zuzustimmen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Ich verstehe, dass die FDP-Fraktion nach dem Koalitionsvertrag, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden ist, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Ich habe mich aber entschlossen, den Änderungsanträgen dennoch zuzustimmen. Joachim Spatz (FDP): Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für diejenigen Staaten abgesenkt oder ausgesetzt, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen erforderlich. Dies war in der Kürze der Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt möglich. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz, das Eigenheimzulagegesetz und das Bundes-kindergeldgesetz. Somit ist auch der grüne Gesetzentwurf nicht vollständig. Ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz ist erforderlich, das in dieser Wahlperiode allerdings nicht mehr erarbeitet werden konnte. In der Zeit bis zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes wird den Betroffenen dadurch jedoch kein steuerlicher Nachteil entstehen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Nach dem Koalitionsvertrag sind wir, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Gerade in der Frage des Adop-tionsrechtes gibt es beim Koalitionspartner noch erkennbaren inhaltlichen Klärungsbedarf. Daher kann ich den Änderungsanträgen der Opposition zum Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe, die ich beide inhaltlich unterstütze, heute nicht zustimmen. Erika Steinbach (CDU/CSU): Niemand in Deutschland darf diskriminiert werden. Der Staat hat die Verpflichtung, dieses menschenrechtliche Gleichheitsgebot auch für Homosexuelle durchzusetzen und zu sichern. Dem steht nicht entgegen, dass der Staat finanzielle staatliche Förderung danach ausrichtet, ja ausrichten muss, was im Interesse der Gesamtgesellschaft und ihrer Zukunftsfähigkeit liegt. Die Ehe ist die Keimzelle jeder menschlichen Gemeinschaft, deren Bedeutung mit keiner anderen menschlichen Bindung verglichen werden kann. Solange die nächste Generation nicht aus der Retorte kommt, ist die Ehe einziger stabiler Garant für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft. Darauf ist der Staat existenziell angewiesen. Deshalb war und ist eine besondere Förderung der Ehe nach wie vor zwingend geboten - insbesondere heutzutage, wo längst erkennbar ist, dass die demografische Entwicklung in Deutschland dramatisch rückläufig ist. Die Verfasser des Grundgesetzes haben diese menschliche Gemeinschaft mit gutem Grund unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt. In seinem jüngsten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht den besonderen Schutz der Ehe in einem weiteren Schritt unterhöhlt. In ihrem Minderheitenvotum haben zwei Verfassungsrichter zum Beschluss des Zweiten Senates über das Ehegattensplitting für homosexuelle Partnerschaften zutreffend festgestellt: "Indem der Senat nunmehr eine der Ehe im Hinblick auf das Bestehen einer Gemeinschaft von Erwerb und Verbrauch vergleichbare rechtliche Ausgangssituation der eingetragenen Lebenspartnerschaft ,von Anfang an' konstruiert, die die Legislative zu diesem Zeitpunkt ausdrücklich nicht gewollt hatte, setzt er seine Einschätzung an die Stelle des hierzu allein -berufenen Gesetzgebers. Gesellschaftlichen Wandel aufzunehmen, zu bewerten und gegebenenfalls rechtliche Formen hierfür bereitzustellen, kann nur Sache des Gesetzgebers, nicht aber des Verfassungsgerichts sein." Sie fügten an anderer Stelle hinzu: Die "Aufgabenverteilung zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgericht respektierende Lösungsmöglichkeiten wurden durch den Senat nicht ausreichend berücksichtigt". Diese Beurteilung halte ich für richtig. Ich teile auch die Auffassung der beiden Verfassungsrichter, die in ihrem Minderheitenvotum einleitend feststellten: "Die Entscheidung des Senats können wir weder im Ergebnis noch in der Begründung mittragen." Das Urteil des Verfassungsgerichtes, aufgrund dessen heute das vorliegende Gesetz verabschiedet werden soll, lautet anders. Aus Gewissengründen kann ich der vorliegenden Gesetzesänderung nicht zustimmen. Manfred Todtenhausen (FDP): Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, beim BAföG und bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer mit Ehegatten gleichgestellt worden. Die FDP hat die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten verschärft, die Strafnormen verschärfen, erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht wurde zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien ein guter Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer hat die FDP bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Diese Position wurde in vollem Umfang vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Ich freue mich, dass die christlich-liberale Koalition diese Entscheidung heute zügig umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Dies war in der Kürze der Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt zu leisten. Das bestätigen auch die Änderungsanträge der Opposition, sie sind nicht vollständig: Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen wollen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altersvorsorge-Zertifizierungs-gesetz, das Eigenheimzulagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz anpassen. Auch dieser Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Daher ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich - das ist in dieser Wahlperiode jedoch nicht mehr umsetzbar. In der Zeit bis zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes wird den Betroffenen dadurch keinerlei steuerlicher Nachteil entstehen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe ein und für die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Wer gleiche Pflichten übernimmt, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Nach dem Koalitionsvertrag sind die Koalitionspartner daran gebunden, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen - wie in allen Koalitionen dieser Republik. Gerade in der Frage des Adoptionsrechts gibt es bei der Union noch erkennbaren inhaltlichen Klärungsbedarf. Daher kann ich den Änderungsanträgen der Opposition zum Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe heute nicht zustimmen - auch wenn ich grundsätzlich beide inhaltlich unterstütze. Anlage 12 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ernst Hinsken, Karl Holmeier und Franz Obermeier (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013" - Drucksache 17/13870 - stimmen wir aus folgendem Grund nicht zu. Für uns als bekennende katholische Christen ist die Ehe ein ganz besonderer Bund, den Mann und Frau bei der Gründung einer Familie eingehen. Dies wird ausdrücklich vom Grundgesetz geschützt. Deshalb lehnen wir eine Gleichstellung der Ehe mit der homosexuellen Partnerschaft im Einkommensteuerrecht und beim Ehegattensplitting ab. Anlage 13 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Pascal Kober und Gisela Piltz (beide FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des -Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung -Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für -Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten gekürzt, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Dies war in der Kürze der Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt zu leisten. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen -dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das -Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz, das Eigenheimzulagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Daher ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich, das in dieser Wahlperiode nicht mehr zu leisten war. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleich-geschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Nach dem Koalitionsvertrag sind wir, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Gerade in der Frage des Adoptionsrechtes gibt es beim Koalitionspartner noch erkennbaren inhaltlichen Klärungsbedarf. -Daher können wir den Änderungsanträgen der Opposition zum Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe, die wir beide inhaltlich unterstützen, heute nicht zustimmen. Anlage 14 Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines -Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Manfred Kolbe (CDU/CSU): Dem Gesetz kann ich nicht zustimmen, da Art. 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist (Bundesverfassungsgericht vom 17. Juli 2002, BVerfGE 105,313/345). Die Ehe als Verbindung von Mann und Frau hat das Alleinstellungsmerkmal, dass alleine aus der Verbindung von Mann und Frau Kinder hervorgehen können, die wiederum die Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft sichern. Daran hat bisher noch keine Ideologie, kein Parteiprogramm oder keine Gerichtsentscheidung etwas ändern können. Dieses Alleinstellungsmerkmal verbietet sowohl die Öffnung der Ehe für andere Lebensformen, wie etwa die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, als auch, entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013, die Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens aufzuheben. Darin liegt keinerlei Diskriminierung oder Unwerturteil gegenüber anderen Lebensformen, sondern eine schlichte Feststellung naturgegebener Unterschiede, wie etwa die Feststellung, dass ein Fisch schwimmt und ein Vogel fliegt, ohne dass sich Fisch oder Vogel dadurch diskriminiert fühlen. Dieses Alleinstellungsmerkmal verkennt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2013, wenn es Unterschiede zwischen der Lebenssituation von Ehepartnern und Lebenspartnern, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, nicht zu erkennen vermag. Deshalb verstößt meines Erachtens die Gewährung gleicher Vergünstigungen, wie etwa die Einräumung des Ehegattensplittings, gegen den besonderen Schutz der Ehe. Auch die Argumentation, man nimmt der Ehe nichts, wenn man auch der Lebenspartnerschaft oder anderen Formen des Zusammenlebens dieselben Rechte einräumt, trägt nicht, da etwa auch im Prüfungswesen die Verleihung eines Spitzenprädikats an alle dieses Spitzenprädikat entwertet. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Grundrechtsauslegung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden, umgekehrt kann aber auch das Bundesverfassungsgericht nicht in die freie Gewissensentscheidung des Abgeordneten eingreifen. Klaus-Peter Wilsch (CDU/CSU): Dem Gesetz kann ich nicht zustimmen, da Art. 6 des Grundgesetzes Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt. Dieser folgt damit einer naturrechtlichen Gegebenheit. Zum Gehalt der Ehe, wie er sich ungeachtet des gesellschaftlichen Wandels und der damit einhergehenden Änderungen ihrer rechtlichen Gestaltung bewahrt und durch das Grundgesetz seine Prägung bekommen hat, gehört, dass sie die Vereinigung eines Mannes und einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft ist (Bundesverfassungsgericht vom 17. Juli 2002, BVerfGE 105,313/345). Die Ehe als Verbindung von Mann und Frau hat auch das Alleinstellungsmerkmal, dass alleine aus dieser Verbindung Kinder hervorgehen können, die wiederum die Zukunftsfähigkeit jeder Gesellschaft sichern. Daran hat bisher noch keine Ideologie, kein Parteiprogramm oder keine Gerichtsentscheidung etwas ändern können. Dieses Alleinstellungsmerkmal verbietet sowohl die Öffnung der Ehe für andere Lebensformen, wie etwa die gleichgeschlechtliche Partnerschaft, als auch, entgegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013, die Privilegierung der Ehe gegenüber anderen Formen des Zusammenlebens aufzuheben. Darin liegt keinerlei Diskriminierung oder Unwerturteil gegenüber anderen Lebensformen, sondern eine schlichte Feststellung der Realität. Dieses Alleinstellungsmerkmal verkennt das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 7. Mai 2013, wenn es Unterschiede zwischen der Lebenssituation von Ehepartnern und Lebenspartnern, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, nicht zu erkennen vermag. Deshalb verstößt meines Erachtens die Gewährung gleicher Vergünstigungen, wie etwa die Einräumung des Ehegattensplittings, gegen den besonderen Schutz der Ehe. Auch die Argumentation, man nimmt der Ehe nichts, wenn man auch der Lebenspartnerschaft oder anderen Formen des Zusammenlebens dieselben Rechte einräumt, trägt nicht, da etwa auch im Prüfungswesen die Verleihung eines Spitzenprädikats an alle dieses Spitzenprädikat entwertet. Zwar ist der Gesetzgeber bei der Grundrechtsauslegung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gebunden, umgekehrt kann aber auch das Bundesverfassungsgericht nicht in die freie Gewissensentscheidung des Abgeordneten eingreifen. Anlage 15 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Volkmar Klein und Stefanie Vogelsang (beide CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Selbstverständlich akzeptieren wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht besitzt nach unserer Rechtsordnung die letztend-liche Deutungshoheit über Fragen des Grundgesetzes. Wir stimmen deshalb dem Gesetzentwurf zu, damit das Urteil umgesetzt werden kann. In der Sache können wir dem Bundesverfassungsgericht aber nicht folgen. Das Minderheitenvotum der beiden Verfassungsrichter hat alleine schon gezeigt, dass es verfassungsrechtlich offensichtlich nicht so klar ist, dass "die entsprechenden -Vorschriften des Einkommensteuergesetzes gegen den all-gemeinen Gleichheitssatz verstoßen". Nach einer Güterabwägung von Art. 3 Abs. 1 mit Art. 6 Abs.1 Grundgesetz kommen wir mit dem Sondervotum zu dem Schluss, dass keine Ungleichbehandlung von Gleichem vorliegt. Eine Lebenspartnerschaft ist keine Ehe im Sinne des Grundgesetzes. In Punkt 2 des Sondervotums haben der Richter Herbert Landau und die Richterin Sibylle Kessal-Wulf richtig darauf hingewiesen, dass mit dem Splittingverfahren auch familienpolitische Zwecke verfolgt werden. Auch aus diesem Grund sehen wir keine Gleichheit zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft. Die Ehe ist und bleibt für uns ein besonders schützenswertes Gut. Und: Worin soll ihr besonderer Schutz des Grundgesetzes noch bestehen, wenn ihre letzten Privilegien abgeschafft werden? Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht nicht beantwortet. Anlage 16 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Dr. Stefan Kaufmann, Dr. Jan-Marco Luczak und Elisabeth Winkelmeier-Becker (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Wir freuen uns, dass es heute gelingt, das Urteil des BVerfG zur steuerrechtlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften umzusetzen. Das war überfällig. Wir sind der Auffassung, weitere Schritte müssen folgen. Dafür werden wir uns in der kommenden Legislatur gemeinsam kraftvoll einsetzen, um die Diskriminierung von Schwulen und Lesben zu beenden. Anlage 17 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Christine Aschenberg-Dugnus, Reiner Deutschmann, Patrick Döring, Rainer Erdel, Manuel Höferlin, Petra Müller (Aachen) und Johannes Vogel (Lüdenscheid) (alle FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten verschärft, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Dies war in der Kürze der Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt leistbar. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetz, das Eigenheimzulagen-gesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Daher ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich, das in dieser Wahlperiode nicht mehr leistbar war. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Nach dem Koalitionsvertrag sind wir, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Gerade in der Frage des Adoptionsrechtes gibt es beim Koalitionspartner noch erkennbaren inhaltlichen Klärungsbedarf. Daher können wir den Änderungsanträgen der Opposition zum Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe, die wir beide inhaltlich unterstützen, heute nicht zustimmen. Anlage 18 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Sebastian Blumenthal, Claudia Bögel, Marco Buschmann, Sylvia Canel, Bijan Djir-Sarai, Jörg van Essen, Otto Fricke, Miriam Gruß, Sebastian Körber, Gabriele Molitor, Jan Mücke, Dirk Niebel, Jörg von Polheim, Judith Skudelny und Serkan Tören (alle FDP) zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Tagesordnungspunkt 13 a) Seit Beginn der Regierungsbeteiligung der FDP im Jahr 2009 sind eingetragene Lebenspartner im Beamten-, Richter- und Soldatenrecht, im Entwicklungshelfergesetz, bei der Erbschaft- und Grunderwerbsteuer und beim BAföG mit Ehegatten gleichgestellt worden. Wir haben als FDP die Errichtung der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld durchgesetzt, die durch Bildung und Forschung der Diskriminierung eingetragener Lebenspartnerschaften entgegentritt. Das Auswärtige Amt und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung haben unter liberalen Ministern neue Akzente in der Menschenrechtspolitik für Homosexuelle gesetzt: Erstmals wurde die Budgethilfe für Staaten verschärft, die Strafnormen verschärfen; erstmals wurden konkrete Projekte vor Ort für mehr gesellschaftliche Akzeptanz finanziert. Mit dem neuen Sorgerecht haben wir zudem auch für schwule Väter in sogenannten Regenbogenfamilien einen guten Rechtsrahmen geschaffen. Bei der Einkommensteuer haben wir bereits lange auf die Gleichstellung der Lebenspartner gedrängt. Unsere Position wurde vollumfänglich vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Wir freuen uns, dass die Koalition in Rekordgeschwindigkeit diese Entscheidung heute umsetzt. Die Gleichstellung im Einkommensteuergesetz macht weitere Anpassungen in damit verbundenen Gesetzen erforderlich. Dies war in der Kürze der Zeit nicht mit der notwendigen Sorgfalt möglich. Auch die Änderungsanträge der Opposition sind nicht vollständig. Die Linke will nur die Abgabenordnung anpassen, die Grünen dagegen auch das Wohnungsbauprämiengesetz, das Altervorsorge-Zertifizierungsgesetz, das Eigenheimzulagengesetz und das Bundeskindergeldgesetz. Auch der grüne Gesetzentwurf ist nicht vollständig. Daher ist ein umfassendes Rechtsbereinigungsgesetz erforderlich, das in dieser Wahlperiode nicht mehr leistbar war. In der Zeit bis zur Verabschiedung eines solchen Gesetzes wird den Betroffenen dadurch keinerlei steuerlicher Nachteil entstehen. Die FDP tritt darüber hinaus für die vollständige Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit der Ehe und die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare ein. Wer gleiche Pflichten hat, muss auch gleiche Rechte bekommen. Auch beim Adoptionsrecht ist eine vollständige Gleichstellung geboten. Nach dem Koalitionsvertrag sind wir, wie in allen Koalitionen dieser Republik, daran gebunden, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Gerade in der Frage des Adoptionsrechtes gibt es beim Koalitionspartner noch erkennbaren inhaltlichen Klärungsbedarf. Daher können wir den Änderungsanträgen der Opposition zum Adoptionsrecht und zur Öffnung der Ehe, die wir inhaltlich unterstützen, heute nicht zustimmen. Anlage 19 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Aktiengesetzes (Aktienrechtsnovelle 2012) - Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: - Exorbitante Managergehälter begrenzen - Keine Mitfinanzierung exorbitanter Gehälter durch die Allgemeinheit - Steuer-liche Abzugsfähigkeit eingrenzen - Entwurf eines Gesetzes über Kapitalgesellschaften mit kommunaler Beteiligung (Tagesordnungspunkte 7 a bis 7 c) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Die Schweiz hat sich in einer Volksabstimmung für eine strengere -Regelung der Gehälter von Managern ausgesprochen. Dieses Votum hat auch bei uns in Deutschland eine -Diskussion ausgelöst, die vor allem etwas mit dem Gerechtigkeitsempfinden der Menschen zu tun hat. Mit der Neufassung von § 120 Abs. 4 des Aktiengesetzes liegt ein Vorschlag der Koalitionsfraktionen zur Neuregelung der Vorstandsvergütung auf dem Tisch, der mehr Transparenz und mehr Eigentümerverantwortung vorsieht. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der Oppositionsfraktionen handelt es sich bei unserem Vorschlag um ein Konzept, das vorhandene Ansätze weiterentwickelt, ohne auf Bevormundung zu setzen. Die von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Regelung knüpft an das bisher im Aktiengesetz vorgesehene "Say on Pay" an. Sie verbessert die Möglichkeiten zur Kontrolle der Vorstandsvergütung und verbessert die Position der Eigentümer. Mit der neuen Regelung in § 120 Abs. 4 des Aktiengesetzes wird der Aufsichtsrat, soweit es sich um das Vorstandsvergütungssystem und die erreichbaren Höchstbezüge handelt, an die Billigung durch die Hauptversammlung, also die Aktionäre, gebunden. Die bisherige Regelung eines freiwilligen und unverbindlichen "Say on Pay" entwickeln wir im neu zu fassenden § 120 Abs. 4 des Aktiengesetzes zu einer zwingenden und bindenden Billigung durch die Hauptversammlung weiter. Die vorgeschlagene Neuregelung sieht zwei wesentliche Änderungen gegenüber der bisher geltenden Rechtslage vor: Zum einem wird der Aufsichtsrat gegenüber der Hauptversammlung zu einer jährlichen Vorlage des -Vergütungssystems einschließlich der erreichbaren Höchstbezüge verpflichtet, zum anderen ist das Votum der Hauptversammlung über das vorgelegte Vergütungssystem für den Aufsichtsrat bindend. Mit dieser Regelung ist gewährleistet, dass die Hauptversammlung in die Entscheidungen über die Vergütungsstrukturen stärker eingebunden wird. Durch die -Befassung der Hauptversammlung mit dem System der Vorstandsvergütung wird ein eigenes Entscheidungsrecht der Aktionäre geschaffen. Neu ist aber nicht nur, dass die Regelung zwingend ausgestaltet ist, sondern auch, dass der Aufsichtsrat der Hauptversammlung feste Höchstbeträge zu nennen hat. Es ist also nicht ausreichend, dass der Hauptversammlung nur ein abstraktes Vergütungssystem vorgelegt wird. Die Vorlage des Vergütungssystems muss sich auch darauf erstrecken, dass für die Eigentümer erkennbar ist, welche maximalen Beträge für die Vorstandsmitglieder bei dem vorgelegten Vergütungssystem erzielbar sind. Wird das vom Aufsichtsrat vorgelegte Vergütungssystem von der Hauptversammlung nicht gebilligt, hat dies auf die Wirksamkeit der bereits bestehenden Vorstandsverträge keinen Einfluss. Dies ist für die Unternehmen in der Praxis wichtig, weil es nicht akzeptabel wäre, wenn rechtsgültige Verträge mit Vorstandsmitgliedern unwirksam würden und es dadurch zu Rechtsunsicherheit für die Unternehmen käme. Gemäß § 120 Abs. 4 des Aktiengesetzes wird eine Anfechtungsklage gegen Billigungsbeschlüsse der Hauptversammlung ausgeschlossen, weil die Frage des Vergütungssystems und der Höhe der Vorstandsvergütung letztlich von den hierzu berufenen Gesellschaftsorganen und nicht von Gerichten, die unter Umständen massenhaft mit derartigen Klagen überzogen würden, entschieden werden sollen. Die von den Oppositionsfraktionen vorgeschlagenen weitreichenden Eingriffe in die Selbstbestimmung -börsennotierter Aktiengesellschaften lehnen wir ab. Die Abzugsfähigkeit von Vorstandsvergütungen als Betriebsausgaben einzuschränken, würde die Gesellschaftsorgane bevormunden und wäre überdies im Hinblick auf die allgemeinen Regelungen über die steuerliche Abzugsfähigkeit systemwidrig. Die Opposition schlägt vor, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorstands- und sonstigen Managergehältern oberhalb von 500 000 Euro pro Jahr einzuschränken. Dies würde eine systemwidrige Regelung darstellen. So würde etwa für diejenigen Unternehmen, die Spitzensportler, Popstars, Künstler usw. unter Vertrag haben, die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit nicht -gelten. Diese Unternehmen könnten auch weiterhin -Millionengehälter ihrer Angestellten oder Vertragspartner in vollem Umfang steuerlich absetzen. Eine solche Ungleichbehandlung wäre auch verfassungsrechtlich problematisch. Die von der Koalition vorgelegte Neuregelung, die nicht auf die Bevormundung börsennotierter Aktiengesellschaften und ihrer Organe durch den Staat, sondern auf die Verbesserung der innergesellschaftlichen -Entscheidungsabläufe setzt, wird erstmalig für Hauptversammlungen gelten, die nach dem 1. Januar 2014 einberufen werden. Hinsichtlich der weiteren Änderungen aktienrechtlicher Vorschriften möchte ich § 394 des Aktiengesetzes ansprechen. Hier regeln wir jetzt ausdrücklich, dass der auf Rechtsgeschäft beruhenden Berichtspflicht in -Textform nachgekommen werden muss. Auch hierdurch tragen wir der Rechtssicherheit Rechnung. Im Übrigen möchte ich auf den Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen auf Bundestagsdrucksache 17/14239 hinweisen. Darin senden wir an den Gesetzgeber der nächsten Wahlperiode unter anderem das Signal, dass hinsichtlich des aktienrechtsbezogenen Umwandlungsrechts Reformbedarf besteht. Auch für die nächste Legislaturperiode verbleiben im Bereich des Unternehmensrechts mithin Herausforderungen. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Wir setzen uns für den Mindestlohn ein, einen Lohn, mit dem es möglich sein soll, sein Leben zu gestalten. Einige hier im Haus, die FDP zum Beispiel, aber auch CDU und CSU, sind gegen den Mindestlohn. Gleichzeitig setzen wir uns für die Begrenzung der Managergehälter ein. FDP, CDU und CSU sind auch dagegen. Die absurden Ablehnungsgründe für beide Vorschläge kennen Sie. Wir haben schon so viel reguliert: Banken, Märkte, Produkte, sogar die Höhe und Qualität von Eigenkapital. Das Verhalten jener, die sich überproportional, unverhältnismäßig, manchmal unverschämt bedienen - in Selbstbedienung -, haben wir noch nicht wirksam geregelt, obwohl es gerade die Fehlanreize sind, die zu Fehlsteuerungen führen. Wenn ein Bonus besonders hoch ausfällt, wenn die Fehlleistung besonders gravierend ist, wird es Zeit, sich darum zu kümmern. Wenn Menschen, die exorbitante Risiken eingehen, damit sie exorbitante Boni erhalten, im Versagensfall darauf hoffen können, dass die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Wirkungen der Fehlleistung bezahlen, die Boni aber ganz privat eingestrichen werden, wird es Zeit, sich darum zu kümmern. Wenn das durchschnittliche Einkommen in Deutschland bei unter 30 000 Euro pro Jahr liegt, also sehr viele Menschen mit einem sehr viel geringeren Einkommen pro Jahr auskommen müssen, Spitzeneinkommen gleichzeitig bei über 40 000 Euro pro Tag liegen, wird es Zeit, sich darum zu kümmern. Deshalb wollen wir uns darum kümmern. Es ist möglich, dass solch hohe Einkommen von den Arbeitgebern als gerechtfertigt angesehen werden. Das ist ihr gutes Recht. Aber dann sollen sie die Gehälter auch vollständig bezahlen. Damit folgt die Überlegung, die Abzugsfähigkeit von Vorstandsvergütungen als Betriebsausgabe zu begrenzen; denn andernfalls - so ist es heute noch - müssen sich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht nur um die Folgen der Fehlentscheidungen und Fehlleistungen - zum Beispiel durch die Rettung der Banken - kümmern, sondern sie müssen auch noch Teile der Vergütungen, sei es nun das sogenannte Grundgehalt oder seien es die Boni für besondere Fehlleistungen bzw. Leistungen, bezahlen. Wir wollen die Anreize erhöhen, Vorstände bei der Leitung des Unternehmens explizit auf das Wohl des Unternehmens - insbesondere seiner Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Aktionärinnen und Aktionäre - und auf das Wohl der Allgemeinheit zu orientieren. Hinsichtlich der Fehlanreize durch steuerliche Förderung von überhöhten Vergütungen wollen wir § 76 Abs. 1 AktG derart ändern, dass die steuerliche Absetzbarkeit von Vorstands- und sonstigen Managergehältern einschließlich Boni und von Abfindungen als Betriebsausgaben auf 500 000 Euro und maximal 50 Prozent der Beträge, die 500 000 Euro übersteigen, begrenzt wird. Man könnte auch komplett auf den Betriebsausgabenabzug der Beträge, die 500 000 Euro übersteigen, verzichten. Sie merken, dass wir auf einen Kompromiss mit der Regierungskoalition zielen. Darüber hinaus wollen wir Vorstandsgehälter begrenzen. Der Aufsichtsrat soll eine Höchstgrenze für das Verhältnis zwischen der Gesamtvergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder und dem durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommen des jeweiligen Unternehmens -bestimmen. Damit wird eine im Unternehmen als fair empfundene Relation zwischen den Einkommen im Management und bei den Arbeitnehmern hergestellt. Es wird die Frage zu beantworten sein, ob es gerechtfertigt ist, dass ein Manager in einem Jahr mehr verdient, als die Arbeitnehmer in ihrem gesamten Leben nicht verdienen können. Wir wollen auch eine Verstetigung der Erfolgskon-trolle. Nicht der nächste 90-Tage-Bericht soll Maßstab für den Erfolg sein. Wir wollen eine vierjährige Bemessungsgrundlage für mindestens 30 Prozent der variablen Vergütungsbestandteile der Vorstandsbezüge. So wird der Erfolg, die Qualität des Managements, an längerfristigen sozialen, gesellschaftlichen, ökologischen und nachhaltig ökonomischen Kennziffern orientiert. Sicher kann, darf und muss es bezogen auf die Leistung, die Ausbildung, das Engagement und auch die Verantwortung, die jemand trägt - für sich, für seine Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und nicht zuletzt für die Gesellschaft und unsere Volkswirtschaft -, Unterschiede geben. Die Frage ist: Wie groß muss und darf der Unterschied sein? Mit unseren Vorschlägen schaffen wir ein Instrumentarium, um diese Frage angemessen und unternehmensdienlich zu beantworten und gleichzeitig Fehlanreize zu vermeiden oder zu vermindern. Wir wollen künftig vermeiden, was es fünf Jahre nach einer der schwersten Krisen noch immer gibt, dass nämlich Topmanager und Topführungskräfte nach wie vor mit einem ausgezeichneten Einkommen belohnt werden, die zum Teil mit unüberlegt spekulativen Investments ihre variablen Vergütungen nach oben getrieben und damit nicht unerheblich zu den Krisen in der Finanzindustrie beigetragen haben. Ich vermute, dass der Anteil der Friseurin daran, die für weniger als 4 Euro die Stunde zu arbeiten hat, eher gering gewesen sein wird, und wir müssen nur wenig Angst haben, dass es mit einem Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro oder sogar etwas darüber große Fehlanreize für die Friseurin geben wird. Noch ein Wort zum Vorschlag der Koalition: Die Koalitionsfraktionen setzen sich in den letzten Tagen ihrer Legislaturperiode - vermutlich auch mit einem Blick auf die deutlich näher rückenden Wahlen - dafür ein, dass bei Aktiengesellschaften der Einfluss der Hauptversammlung auf die Festlegung von Vorstandseinkünften gestärkt werden soll. Dann muss man sich doch fragen: Was soll das bewirken? Was soll das ändern? Wem wäre damit geholfen? Wir müssen uns nur einmal anschauen, wer in den Hauptversammlungen sitzt: institutionelle Anleger und Banken. Um mit Ulrich Thielemann, der kürzlich die Schweizer Pläne kommentiert hat, zu sprechen: Damit wird dem Fuchs der Hühnerstall anvertraut. Nach unseren Vorstellungen sollen die Aufsichtsräte für die Festsetzung der Gehälter zuständig sein und ihre Entscheidungen an den Interessen des Allgemeinwohls orientieren. Während Ihr Vorschlag die Mitbestimmung praktisch ausschaltet, wollen wir die Mitbestimmung im Aussichtsrat durch unsere Vorschläge stärken. Mit unseren Vorschlägen werden Maßstäbe geschaffen, an denen sich das Verhalten des Einzelnen messen lassen muss: an der Gemeinschaft, in der er lebt und wirkt, an den Zielen des Gesamtunternehmens, der Arbeitnehmer, der Kunden, der ökologischen Verantwortung. Das ist ein guter Schritt in Richtung soziale Marktwirtschaft, der dazu beiträgt, dass sich auch Topmanager hin und wieder überlegen und ernsthaft prüfen, ob sie verdient haben, was sie am Ende bekommen. Dies ist meine letzte Rede in dieser Legislaturperiode. Deshalb bedanke ich mich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit. Ich danke den Stenografinnen und Stenografen für ihre ungeheuer gute Arbeit und auch den vielen hilfreichen Händen, ohne die wir diesen Betrieb nicht aufrechterhalten könnten. Allen wünsche ich einen schönen Sommer und einen guten Wahlkampf mit dem richtigen Ergebnis am 22. September 2013. Burkhard Lischka (SPD): Jahr für Jahr ergießt sich ein millionenschwerer Geldregen über unsere sogenannten Topmanager. Verdiente der Vorstand eines deutschen DAX-Unternehmens in den 80er-Jahren im Schnitt eine halbe Million Euro, so bekommt er heute 5 Millionen, also das Zehnfache. Die Gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind demgegenüber nur um ein Sechstel gewachsen. Gleichzeitig arbeiten 6,8 Millionen Menschen für weniger als 8,50 Euro die Stunde, 1,4 Millionen sogar für weniger als 5 Euro. Wenn wir im Rahmen unserer heutigen Debatte auch über die Begrenzung von Managergehältern debattieren, dann geht es dabei nicht um Neid. Es geht um Anstand. Minilöhne und Maxivergütungen passen nicht zum -Modell der sozialen Marktwirtschaft. Das ist der Kern unserer heutigen Debatte: dass wieder Anstand, Fairness und Leistungsgerechtigkeit Leitschnur unserer Topetagen der Wirtschaft werden. Darum geht es. Es gehört ja zu den Kernsätzen von Schwarz-Gelb, dass sich "Leistung wieder lohnen muss". Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP, das sollte dann auch für alle gelten. Es ist eben nicht in -Ordnung, wenn einzelne Manager durch ihre Fehlentscheidungen Milliardenverluste produzieren und dann fürs Nichtstun mit einem goldenen Millionenhandschlag nach Hause geschickt werden. Es ist nicht in Ordnung, wenn Investmentmanager trotz Rekordverlusten ihrer Bank millionenschwere Boni einklagen, während andere jede Woche 40 Stunden hart arbeiten und sich anschließend beim Jobcenter in die Schlange stellen müssen, um sich ihre Miete bezahlen zu lassen. Die Kanzlerin hat ja durchaus recht, wenn sie meint, das alles "untergrabe das Vertrauen der Menschen in das soziale Gleichgewicht" unseres Landes. Aber wenn diese Gehaltsexzesse zum Himmel stinken, dann reicht es eben nicht aus, nur die Nase zu rümpfen, sondern dann muss man auch wirksam etwas gegen diesen Gestank tun. Wenn hier etwas aus den Fugen geraten ist, dann hat Politik nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, korrigierend einzugreifen. Denn es geht hier schlicht und einfach um das Selbstverständnis der sozialen Marktwirtschaft, dass es nicht sein kann, dass Millionen Menschen mit einem Hungerlohn nach Hause geschickt werden, während sich Einkommen und Vermögen in den Händen einiger weniger konzentriert. Das entspricht nicht unserer Idee einer sozialen Marktwirtschaft. Ein ernstes Thema. Aber was macht diese schwarz-gelbe Regierung? Sie kommt mit einer Wahlkampfente um die Ecke und verabreicht ein Placebo: Die Hauptversammlung soll künftig über die Vorstandsgehälter befinden. Der Haken dabei: In den Hauptversammlungen halten die Fonds und Konzerne die dicken Aktienpakete, nicht die Kleinaktionäre. Sie machen hier also den Bock zum Gärtner. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass ausgerechnet die Hedgefonds und Konzerne die Gehälter -ihrer Manager deckeln. Ein vollkommen absurder Gedanke. Was wir stattdessen brauchen, ist eine Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managergehältern, damit nicht Steuerzahler diese Exzesse noch mitfinanzieren müssen. Wir brauchen eine zwingende Herabsetzung von Bonizahlungen, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens verschlechtert, damit Manager auch wieder das Gefühl bekommen, dass ihre überdurchschnittlichen Gehälter auch etwas mit Verantwortung für das Unternehmen zu tun haben. Wir brauchen feste Relationen zwischen den Einkommen der Mitarbeiter eines Betriebes und den im Unternehmen gezahlten Managergehältern, die eine verbindliche Obergrenze für jede einzelne Vorstandsvergütung darstellen. Wir müssen weg von der kurzfristigen Gewinnmaximierung hin zum langfristigen Unternehmenserfolg. Anstand, -Fairness und Leistungsgerechtigkeit müssen wieder Leitschnur auch der Chefetagen unserer Wirtschaft werden. Aber dies umzusetzen, damit ist diese Bundesregierung offensichtlich überfordert. Oder schlimmer noch: Dazu ist sie nicht bereit. Marco Buschmann (FDP): Wir legen Ihnen als Rechtspolitiker der Koalition den Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Kontrolle der Vorstandsvergütung und zur Änderung weiterer aktienrechtlicher Vorschriften zur Schlussabstimmung vor. Er enthält ein Bündel von Maßnahmen, um das bewährte deutsche Aktienrecht auf die Höhe der Zeit zu heben. Was meine ich damit? Wir leben in einer Zeit der Verschuldung, und das ist eine Gefahr. Die Staaten haben zu hohe Schulden. Die Banken und auch andere Unternehmen haben zu hohe Schulden oder, im Umkehrschluss ausgedrückt, sie haben zu wenig Eigenkapital. Daher verbessern wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Möglichkeiten deutscher Aktiengesellschaften, ihre regulatorische Eigenkapitalbasis zu stärken. Namentlich geschieht dies bei den Finanzierungsinstrumenten der stimmrechtslosen Vorzugsaktien und den Wandelschuldverschreibungen. Hier haben wir am guten Gesetzentwurf der Bundesregierung noch kleinere Korrekturen vorgenommen, die im Rahmen der Sachverständigenanhörung dazu angeregt worden sind. Wir entwickeln das Aktienrecht weiterhin zum Schutz der Gesellschaft vor sogenannten räuberischen Aktionären fort. Damit sind Klagen von Aktionären gemeint, die erkennbar nicht dem Ziel dienen, sich gegen eine Rechtsverletzung zu wehren, um eigenen Schaden abzuwenden, sondern um der Gesellschaft mittels Klage eine Lästigkeitsprämie abzuhandeln, zum Schaden der Gesellschaft, der übrigen Aktionäre und bisweilen auch des Rechtsverkehrs. Hier hat der Gesetzgeber bereits im Rahmen der Gesetzespakete UMAG und ARUG gehandelt. Wir schließen nun noch eine Lücke im Bereich der sogenannten nachgeschobenen Nichtigkeitsklagen. Last, but not least greifen wir die Sorge der Bevölkerung auf, dass möglicherweise in den Vorstandsetagen deutscher Aktiengesellschaften eine Art Selbstbedienung bei der Vergütung stattfinden könnte. Unsere Lösung heißt hier Transparenz und Eigentümerverantwortung. Künftig muss der Aufsichtsrat sein Modell zur Vorstandsvergütung der Hauptversammlung, also den Eigentümern, zwingend vorlegen und ein bindendes Votum dazu einholen. Die Eigentümer wiederum haben das größte Interesse daran, dass Leistung des Vorstandes und seine Vergütung in einem angemessenen Verhältnis stehen; denn wenn auf schlechte Vorstandsleistung hohe Vergütung folgt, dann schadet das dem Vermögen der Eigentümer. Zugleich sichert dieses Modell das bewährte Dreieck der deutschen Aktiengesellschaft aus Hauptversammlung, Aufsichtsrat und Vorstand. Auch die Arbeitnehmerseite bleibt über ihre Mitwirkung im Aufsichtsrat fest in die Entwicklung des Vergütungsmodells eingebunden. Zugleich entsteht aber über die Behandlung des Vergütungsmodells auf der Hauptversammlung mehr Öffentlichkeit und durch das bindende Votum mehr Rechtfertigungsdruck. Alles in allem greift das vorliegende Gesetz also die Fragen der Zeit an das deutsche Aktienrecht auf und beantwortet diese überzeugend. Daher werbe ich um Zustimmung für dieses gute Gesetz. Richard Pitterle (DIE LINKE): Die Linke ist, wie Sie unserem am 16. Juni 2013 beschlossenen Bundestagswahlprogramm "100 Prozent sozial" entnommen -haben, für die Förderung von kleinen und mittleren -Unternehmen und für Bürokratieabbau. Sie setzt sich für den Schutz der Schwachen, der Unerfahrenen ein: Hierzu zählen beispielsweise Existenzgründer, Klein- und Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer. Wenn man ihnen mit der Erfüllung ihrer Buchführungspflichten, § 238 HGB, viel Zeit lässt - in diese Richtung geht Ihr Gesetzentwurf mit der geplanten -Senkung der Ordnungsgelder -, erweist man ihnen damit einen Bärendienst. Denn spätestens in der Insolvenz -drohen harte Konsequenzen: Verletzungen der Pflichten bei Buchführung oder Bilanzierung, hierzu zählen auch Fristversäumnisse, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 283 b Abs. 1 Ziffer 3 b StGB. Diese Gefahr besteht besonders bei Kapitalgesellschaften. Es ist so leicht geworden, als Existenzgründer oder Kleinunternehmerin und -unternehmer eine -Kapitalgesellschaft zu gründen, mit der die persönliche Haftung für die Schulden des Unternehmens verhindert werden kann. Doch gerade wegen der Haftungsbeschränkung muss man hier besonders auf die Einhaltung aller Pflichten achten, um nicht in die Gefahr zu geraten, doch unvermittelt privat für die Schulden des Unternehmens zu haften. Denn bei einer Kapitalgesellschaft ist wegen des festen Grundkapitals tendenziell viel früher Insolvenz anzumelden als bei einer Personengesellschaft. Mein zweiter Kritikpunkt, über den ich heute Abend sprechen will, ist Ihre Ungleichbehandlung von Klein- und mittelständischen Unternehmen auf der einen Seite und Großunternehmen auf der anderen Seite. Wenn Großunternehmen zwar rechtzeitig ihre Bilanzen veröffentlichen, diese aber falsch sind, hat das keine Sanktionen zur Folge. Wenn ein Unternehmen jedoch verspätet Bilanzzahlen veröffentlicht, die aber korrekt sind, wird es bestraft und muss zahlen. Diese unterschiedliche Behandlung passt für mich nicht zusammen. Denn falsche Zahlen halte ich für wesentlich schlimmer als verspätet eingereichte korrekte Bilanzzahlen. Mit dieser Einschätzung stehen wir nicht allein: Auch die Wertpapieraufsichtsbehörde in den USA, die SEC, teilt unsere Meinung und legt Unternehmen hohe Strafen auf, die ihre Bilanz nachträglich korrigieren müssen. Es geht hier übrigens nicht um Randfälle. Immerhin sind nach den langjährigen Erfahrungen der Deutschen -Prüfstelle für Rechnungslegung rund 25 Prozent der -Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland falsch. Die gravierende Ungleichbehandlung bei Fehlern von Klein- und mittelständischen -Unternehmen im Vergleich zu Fehlern von Großunternehmen zeigt einmal mehr, wer Interessenvertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen ist und wer für die Interessen der Großunternehmen eintritt. Wäre es nicht konsequenter, statt Ordnungsgelder für Unternehmen zu verlangen, die die Offenlegungsfrist überschritten haben, die säumigen Unternehmen in einem Register zu erfassen, das öffentlich zur Verfügung steht? Damit wird nicht nur Transparenz geschaffen, sondern auch eine wichtige Schutzfunktion für alle -erfüllt: Jeder Lieferant und jeder Kunde weiß, wie das Unternehmen mit seinen gesetzlichen Verpflichtungen umgeht und der betreffende Unternehmer weiß, dass alle wissen, dass er seiner Pflicht zur Rechnungslegung -immer noch nicht nachgekommen ist. Mit dieser Öffentlichkeit kann mehr Druck aufgebaut werden, rechtzeitig Bilanzen offenzulegen, als mit der nichtöffentlichen Verhängung von niedrigen Ordnungsgeldern. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die vorliegende Aktienrechtsnovelle verdient ihren Namen eigentlich nicht. Es ist ein unvollständiges Stückwerk, das wesentliche aktuelle Diskussionspunkte im Aktienrecht gar nicht oder nur unzureichend aufgreift. Wir Grünen sagen: So einem Stückwerk können wir nicht zustimmen. Kommen wir zu einer zentralen Debatte, die mit großer Heftigkeit geführt wird: der Frage der Gehälter und der Bonuszahlungen an Manager. Vielfach ist darauf hingewiesen worden, dass die auf kurzfristige Gewinne der Bankinstitute abzielenden Bonusvereinbarungen für Angestellte der Banken, aber auch für die Vorstände wie Brandbeschleuniger in einem viel zu unregulierten Finanzmarkt gewirkt haben. Das hat auch auf die klassischen Branchen abgefärbt. Die Ausrichtung von Entscheidungen am nächsten Quartalsergebnis und nicht am nachhaltigen - also langfristigen - Erfolg des Unternehmens waren die Folge. So werden häufig in Unternehmen oft kurzfristige Erfolge mit hohen Boni belohnt; Misserfolge hingegen können auf die Allgemeinheit verlagert werden. Zudem sind die Vergütungen der Vorstände in den vergangenen Jahren nicht nur absolut, sondern auch in Relation zu den Vergütungen der Beschäftigten erheblich gestiegen. Viele Unternehmen zahlen ihren Vorstandsmitgliedern das über 100-Fache des durchschnittlichen Facharbeiterlohnes. Es kann nicht nur um den sogenannten Marktwert gehen. Das Verhältnis zwischen Vergütung und persönlicher Leistung muss in einer vernünftigen Relation stehen. Die Selbstverpflichtungen und bestehenden Regelungen zur Angemessenheit von Vorstandsvergütungen haben bisher keine Verhaltensänderung ausgelöst. Im Gegenteil, die Vergütungen steigen weiter an. Die Koalition versucht im Rahmen der Aktienrechtsnovelle das Thema der exorbitanten Mangergehälter durch einen sehr schwachen Vorschlag abzuräumen. Das eigentliche Problem überhöhter Gehälter und Fantasieabfindungen wird so nicht geheilt. Die schwarz-gelbe Koalition schlägt vor, dass die Hauptversammlung über das Vergütungssystem für Vorstände entscheidet, welches vom Aufsichtsrat entwickelt wird. Zwar würde diese Regelung die grüne Forderung nach Stärkung der Eigentümerrechte durch Mitbestimmungsrechte im Rahmen der Hauptversammlung aufgreifen. Allerdings birgt der Vorschlag die Gefahr von unklaren Verantwortlichkeiten zwischen der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat und stellt das Prinzip der Haftung des Aufsichtsrats infrage. Um ein Signal gegen unverhältnismäßige Managergehälter zu setzen, schlagen wir daher vor, die steuerliche Abzugsfähigkeit von Vorstandsgehältern einzuschränken: bei Abfindungen eine Begrenzung auf 1 Million Euro pro Kopf, wobei wir darauf achten müssen, Gestaltungsmöglichkeiten wie zum Beispiel über Übergangsgelder oder Aktienoptionen zu verhindern. Bei Gehältern fordern wir eine Begrenzung der Abzugsfähigkeit von 500 000 Euro jährlich pro Kopf, welche für alle fixen und variablen Gehaltsbestandteile gilt. Um es klar zu sagen: Das ist kein Eingriff in die Vertragsfreiheit. Genauso wie der Fiskus eine Luxuskarosse oder eine Jacht nicht als ein steuerabzugsfähiges Verkehrsmittel anerkennt, sollen auch unverhältnismäßige Abfindungen und Gehälter nicht vom Steuerzahler durch ihre Abzugsfähigkeit unterstützt werden. Wir Grünen fordern zudem, dass nicht nur die Vorstandsgehälter transparent gemacht werden, sondern auch das Verhältnis der Vorstandsgehälter zum oberen Führungskreis und der gesamten Belegschaft. Zudem soll bei der Vergütung des Vorstands dieses Verhältnis zwingend berücksichtigt werden. Die Arbeitnehmer-Management-Einkommen-Relation ist bereits im Corporate Governance Kodex aufgenommen. Es zeigt sich aber immer wieder, dass diese freiwilligen Verpflichtungen wirkungslos bleiben. Deshalb müssen sie gesetzlich verpflichtend vorgeschrieben werden. Die Veröffentlichung des Vergütungsverhältnisses soll im Anhang des Jahresabschlusses der Gesellschaft erfolgen. Neben der Einschränkung der Abzugsfähigkeit und der Transparenz des Vergütungsverhältnisses zwischen Vorstand und Facharbeiter wollen wir flexible Gehaltsbestandteile begrenzen; das heißt, das Gesamtgehalt soll höchstens zu einem Viertel variabel, also an den Erfolg geknüpft sein. Zudem sollten die Erfolgsbeteiligungen langfristig orientiert sein. Die persönliche Haftung von Vorstandsmitgliedern wollen wir strikter regeln. Neben dem Bereich der Managergehälter ist uns Grünen bei der Aktienrechtsnovelle das Thema Berichtspflichten gegenüber Gebietskörperschaften und Öffentlichkeit von Aufsichtsratssitzungen sehr wichtig: Wir brauchen eine Demokratisierung öffentlicher Unternehmen. Insbesondere auf kommunaler Ebene kommen Aufsichtsratsmitglieder, die ihrer Fraktion im Gemeinderat berichten, in den Konflikt mit dem Strafrecht wegen potenziellen Geheimnisverrates bezüglich des kontrollierenden kommunalen Unternehmens. Außerdem werden immer mehr Aufgabenbereiche vor Ort in kommunale Unternehmen verlagert und der Kontrolle des Gemeinde- oder Stadtrates entzogen. Auch hier brauchen wir mehr Transparenz. Bei der Transparenz von Aufsichtsratssitzungen öffentlicher Unternehmen hat die Koalition Angst vor der eigenen Courage gehabt. Im Referentenentwurf fanden sich dazu noch gute Ansätze, die aber alle wieder einkassiert wurden. Im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, wo es um Trinkwasser, Energie und den Nahverkehr geht, hat jedoch Transparenz eine hohe Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger. Öffentlich erbrachte Leistungen müssen politisch steuerbar und kontrollierbar bleiben, auch wenn sie von kommunalen Unternehmen in privatrechtlicher Form erbracht werden. Deshalb fordern wir in unserem Änderungsantrag auch die teilweise Öffnung von Aufsichtsratssitzungen für die Öffentlichkeit und wollen die Kommunen ermächtigen, die Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder zu beschränken. In den Anhörungen wurde von Praktikern der Kommunalpolitik ganz klar herausgestellt, wie wichtig die Rechtssicherheit in diesem Fall ist. Wer als Aufsichtsratsmitglied dem Kommunalparlament berichten soll, darf nicht Gefahr laufen, mit einem Bein vor Gericht zu stehen. Hier wäre es notwendig gewesen, die Einschränkung der Verschwiegenheitspflicht und die Öffentlichkeit per Satzung zu ermöglichen. Nur so lässt sich kommunaler Klüngel wirksam bekämpfen, und nur so kann die örtliche Presse ihre Kontrollfunktion vor Ort ausüben. Die Aktienrechtsnovelle in dieser Form ist eine verpasste Gelegenheit für die ehrenamtlichen Ratsmitglieder aller Parteien. Ich könnte als ehemaliges Mitglied eines kommunalen Aufsichtsrates dieses Thema sehr konkret an einem Beispiel erläutern, kann dies aber aufgrund der mir auferlegten Vertraulichkeit nicht tun. Hier wäre wirklich dringender Handlungsbedarf gegeben. Es ist unverantwortlich, dass die Koalition hier die notwendige Demokratisierung nicht vorangetrieben hat, und das in Zeiten, in denen von Stuttgart 21 bis zum Netzausbau wichtige Projekte an fehlender Transparenz und darin begründeter fehlender Bürgerakzeptanz leiden. Es ist immer wieder erschreckend, wie die schwarz-gelbe Koalition ihre Verantwortung für eine notwendige Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlagen unseres Staatswesens vermissen lässt. Auch mit dieser Aktienrechtsnovelle wird die fehlende Werteorientierung der schwarz-gelben Koalition wieder offenkundig. Anlage 20 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - Kooperativen Bildungsföderalismus mit einem neuen Grundgesetzartikel stärken - Kooperationsverbot in der Bildung unverzüglich aufheben - Bildungsverantwortung gemeinsam wahrnehmen - Gemeinsam für gute Schulen und Hochschulen sorgen - Kooperationsverbot von Bund und Ländern in der Bildung abschaffen - Kooperation ermöglichen - Gemeinsam Verantwortung für die großen Herausforderungen in Bildung und Wissenschaft übernehmen - Gemeinsam für gute Bildung und Wissenschaft - Grundgesetz für beide Zukunftsfelder ändern (Tagesordnungspunkt 14) Monika Grütters (CDU/CSU): Ich bin froh, dass wir auch in der letzten Sitzungswoche der 17. Legislaturperiode die Möglichkeit haben, über Bildung und Forschung zu diskutieren. Mir hätte sonst auch echt etwas gefehlt, nicht nur wegen des freundlichen Kontaktes zu den Kollegen, sondern weil Wissenschaft und Bildung für die Zukunft unseres Landes schließlich von überragender Bedeutung sind. Es ist die christlich-liberale Bundesregierung, die die Förderung von Bildung und Forschung zum zentralen Ziel ihrer Politik gemacht hat. Wachstum, Bildung, Zusammenhalt haben CDU/CSU und FDP versprochen, und alle drei Versprechen haben wir gehalten. Was haben wir versprochen? Wir wollten in 4 Jahren 12 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung und Forschung ausgeben. Was haben wir getan? Wir haben noch einen draufgesetzt und tatsächlich 13,3 Milliarden Euro in Bildung und Forschung investiert. Seit Angela Merkel Deutschland regiert, ist der Etat des Bildungsministeriums in acht Jahren Amtszeit um mehr als 80 Prozent angewachsen. Das entspricht einer Steigerung von mehr als 10 Prozent im Jahr. Das ist verlässliche Politik, die klare Prioritäten setzt und die Bedürfnisse der Menschen in den Blick nimmt. Soziale Gerechtigkeit bedeutet eben nicht Umverteilung, wie die linke Seite dieses Hause fälschlicherweise immer annimmt. Soziale Gerechtigkeit bedeutet vor allem Chancengerechtigkeit. Deshalb geben wir allein in diesem Jahr 13,7 Milliarden Euro für Bildung und Forschung aus, um vielen jungen Menschen mehr Bildungs- und Teil-habechancen zu ermöglichen. Rot-Grün dagegen hatte für Bildung und Forschung in ihrem letzten Regierungsjahr 2005 gerade einmal 7,5 Milliarden Euro übrig. Während Rot-Grün in sieben Jahren dreimal im Bildungs- und Forschungsbereich gekürzt hat - 2000, 2003, 2004 -, haben wir den Etat achtmal in Folge spürbar erhöht. Das sind die Zahlen, das ist die Wahrheit, und das ist gut für die - jungen - Menschen. Wir haben es 500 000 jungen Menschen mehr als noch 2005 ermöglicht, ein Studium aufzunehmen. 150 000 Studierende mehr als früher profitieren heute von BAföG und Stipendien. Der Bund jedenfalls nimmt seine Verantwortung für die gesamtstaatliche Aufgabe Bildung vorbildlich wahr. Mit dem Hochschulpakt, dem Qualitätspakt für die Lehre, den BAföG-Novellen, der Einführung des Deutschlandstipendiums, dem Ausbau der Förderung durch die Begabtenförderungswerke und nicht zuletzt der Exzellenzinitiative haben wir Impulse gesetzt und ein Signal an die jungen Menschen in unserem Land gesandt: Bildung lohnt sich. Wir laden Euch ein, Eure Chancen zu nutzen. Ich verstehe, dass es nun schwierig für die Opposition ist, hier noch Kritik zu üben. Schließlich haben wir geschafft, woran Sie gescheitert sind: Sie wollten die Studienanfängerquote auf über 40 Prozent anheben, sind aber nie über 38 Prozent hinausgekommen. Jetzt liegt die Quote bei fast 55 Prozent. Weil da kaum noch etwas übrig bleibt, bemühen Sie in der vorletzten Plenarsitzung dieser Legislaturperiode unser großes Thema Föderalismus. Sie beklagen zu wenige gemeinsame, langfristige Kooperationen zwischen Bund und Ländern und eine fehlende Bundesunterstützung für Schulen. Dabei wissen Sie es besser: Die Bundesregierung hat sich in dieser Legislaturperiode mit einem Gesetzentwurf vom Mai 2012 dazu bekannt, dass sie sich im Bereich der Hochschulen eine neue Kooperationskultur zwischen Bund und Ländern wünscht, und gesagt, wie wir sie regeln würden. Alle Länder hätten unserem Vorschlag, Art. 91 b Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz durch die Einfügung der Worte, dass der Bund "Einrichtungen und Projekte an den Hochschulen fördern" kann, zustimmen können. Rot-Grün hat das im Bundesrat blockiert, angeblich, weil Sie die Geltung einer solchen Regelung auch auf den Schulbereich ausdehnen wollen. Dabei wissen Sie, Herr Gehring, Frau Sager, Herr Schulz und Herr Rossmann, selbst ganz genau, dass Finanzhilfen des Bundes für die Schulen nur dann - auf eine Weise - die Zustimmung aller erhalten würden - insbesondere auch der rot-grün regierten Länder -, wenn das Geld unkontrolliert direkt an die Finanzminister geht. Sie sagen das nie offen, sondern verstecken das gern hinter den "zusätzlichen Umsatzsteuerpunkten für die Bildung". Eine gesetzliche Zweckbindung dieser Mittel für Bildung ist unmöglich, und das wissen Sie. Ich frage mich daher, ob Sie tatsächlich über diesen Umweg die Schulen beglücken wollen. Zweifel scheinen sehr angebracht. Dass mit dem Geld Straßen in Berlin geflickt werden, lieber Herr Schulz, dass, verehrter Herr Gehring, in NRW vielleicht endlich einmal ein verfassungsgemäßer Haushalt aufgestellt wird, dass in Hamburg, liebe Frau Sager, die Elbphilharmonie mit Bundesgeldern querfinanziert wird oder dass Bayern und Baden-Württemberg damit ihre Pensionslasten finanzieren: Das jedenfalls sind nach unserer Auffassung keine sinnvollen Investitionen in Bildung und Forschung. Wir sind jederzeit bereit, mit den Bundesländern über neue Möglichkeiten der Kooperation in Bildungsfragen zu reden. Für die Wissenschaft gab es schon einmal einen Konsens zwischen Bund und Ländern. Den haben Sie leichtfertig und mutwillig verspielt, dem Wahlkampf geopfert. Eine neue Kooperationskultur, die einen Mehrwehrt für die Qualität der Bildungsangebote in unserem Land bringt, liegt auch uns am Herzen. Für den Umgang mit Mitteln aus dem Bildungsetat sollten wir uns bildungspolitische Ziele setzen und für eine neue Kooperationskultur sorgen, was ja in jeder Hinsicht eine ständige Herausforderung ist. Ewa Klamt (CDU/CSU): Meine letzte Rede im Deutschen Bundestag möchte ich mit einem Dank beginnen, einem Dank an die Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen für die gute Zusammenarbeit der letzten Jahre; denn wenn unsere Debatten auch meist strittig waren, so waren sie doch vom gemeinsamen Bestreben geprägt, die bestmöglichen Bedingungen für Kinder, Jugendliche und Studenten zu schaffen. In dieser Debatte darüber, wie eine Änderung des derzeitigen Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern aussehen soll, werden die unterschiedlichen Vorstellungen besonders deutlich. Von unserer Seite liegt den Ländern der Vorschlag einer Änderung von Art. 91 b Grundgesetz seit längerem vor. Unser Vorschlag findet einen breiten Konsens in Wissenschaft und Gesellschaft, jedoch nicht bei den rot-grün bzw. grün-rot regierten Ländern. Diese haben in den Verhandlungen sehr unverhohlen ein Ziel verfolgt: Der Bund soll ohne jede Zweckbindung mehr Geld an die Länder transferieren. Genau dies fordert die SPD nun mit ihrem vorgelegten Antrag, einen neuen Art. 104 c zu schaffen. Sie fordern, dass den Ländern dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für Bildung zugesichert werden und verbinden dies mit der Forderung, dass dies erfolgen soll, "ohne die Bildungshoheit der Länder einzuschränken". Es ist mir ein Rätsel, wie Sie diese Forderung mit Ihrem Selbstverständnis als Bundestagsabgeordnete in Einklang bringen können. Gerade Sie als Bundesbildungspolitiker können doch nicht ernsthaft daran interessiert sein, dass wir erhebliche Finanzmittel für Bildung an die Länder geben und keinerlei Kontrolle über deren Verwendung haben. Ihr Gestaltungsanspruch gerade als Bildungspolitiker sollte ein anderer sein. Die Erfahrung in anderen Bereichen hat uns doch leidvoll gezeigt: Nie ist bei einem reinen Transfer von Finanzmitteln vom Bund an die Länder gewährleistet, dass das Geld auch zweckgebunden eingesetzt wird. Nehmen wir zum Beispiel den Ausbau der Kindertagesstätten: Gern nahmen die Länder die 4 Milliarden Euro des Bundes in Anspruch. Als die Länder jedoch Rechenschaft ablegen sollten, dass das Geld tatsächlich in den Ausbau von Kitas gegangen ist, kam ein empörter Aufschrei. Nachweise über den Verbleib der Gelder des Bundes? Fehlanzeige! Nachweis über den versprochenen Einsatz der eigenen 4 Milliarden Euro für den Ausbau? Fehlanzeige! Ebenso häufig haben wir erlebt, dass die zusätzlichen Gelder des Bundes nicht für mehr Bildungsausgaben in den Ländern ausgegeben wurden, sondern statt dessen die eigenen Finanzen im Bildungsbereich gesenkt wurden. Wir Unionspolitiker wollen unserem Auftrag als Bildungspolitiker auf Bundesebene gerecht werden. Wir wollen Gestaltungsspielraum für bessere Bildung, und entsprechend fordern wir, dass Steuergelder genau für den Zweck eingesetzt werden, für den sie bestimmt sind. Das bedeutet, dass es zumindest einer Zielvereinbarung über die Verwendung der Mittel bedarf. Wir alle wollen Transparenz, Vergleichbarkeit der Abschlüsse und Bildungsmindeststandards. Eine stärkere Kooperationskultur ist wünschenswert und dringend geboten. In inhaltlicher Hinsicht bietet sich den Ländern zum Beispiel im Bereich der besseren Vergleichbarkeit von Bildungsstandards und Abschlüssen auch ohne Änderung des Grundgesetzes bereits heute die Möglichkeit, beispielsweise über die Kultusministerkonferenz zu einer Einigung zu kommen. Ich würde mir wünschen, dass diese Möglichkeit besser genutzt würde. Wir, die Abgeordneten der christlich-liberalen Koalition, treten für einen modernen Föderalismus ein, der eine Kooperationskultur ermöglicht. Doch diese Kooperation kann sich nicht auf bloße Finanzhilfen beschränken, diese Kooperation muss zu inhaltlichen Verbesserungen der deutschen Bildungspolitik führen. Unser Angebot, durch die Änderung des Art. 91 b Grundgesetz wenigstens eine Ausweitung der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Bundes im Hochschulbereich herbeizuführen, da sich bisher keine Einigung für eine verstärkte Kooperation im Schulbereich abzeichnet, haben Sie blockiert. Was die Länder wollen, ist lediglich, dass der Bund mehr Steuerpunkte, also Finanzmittel des Bundes abgibt und sich sonst heraushält. Sie von der Opposition haben unseren Vorschlag zur Änderung des Art. 91 b Grundgesetz abgelehnt und damit der dringend notwendigen Zusammenarbeit im Wissenschaftsbereich eine Absage erteilt. Es wäre für den Bildungsstandort Deutschland gut, wenn Sie und die rot-grün und grün-rot regierten Länder zu einer konstruktiven, inhaltsbezogenen Beratung zurückfänden. Oliver Kaczmarek (SPD): Es ist schon auffällig, dass in der Bildungspolitik die Menschen eindeutig von Bund und Ländern eine engere Kooperation erwarten und sich gleichzeitig so wenig bewegt. Kaum eine Umfrage, kaum eine Verbändemeinung, kaum eine Veranstaltung zur Bildungspolitik, wo nicht das grundgesetzliche Kooperationsverbot in der Bildungspolitik von den Menschen massiv infrage gestellt wird. Und gleichzeitig kaum eine Debatte im Deutschen Bundestag, wo immer wieder so deutlich wird, wie die schwarz-gelbe Regierung Politik gegen den gesunden Menschenverstand macht. Ich bin der festen Überzeugung: Die großen Herausforderungen im Bildungswesen werden Bund, Länder und Kommunen nur gemeinsam lösen können. Der Bund hat hier eine besondere Verantwortung, beim Aufbau bzw. beim Erhalt einer öffentlichen Bildungsinfrastruktur mitzuhelfen, sei es beim Ausbau ganztägiger Bildung und Betreuung im frühen Kindesalter, beim Ausbau des Ganztagsschulangebots, bei der Verwirklichung inklusiver Bildung, bei der Neuauflage des Hochschulpakts, beim Ausbau sozialer Infrastruktur rund um die Hochschulen oder bei der Bekämpfung des funktionalen Analphabetismus. Deshalb ist es umso weniger verständlich, dass die Bundesregierung weiterhin beharrlich bei einer Minigrundgesetzänderung bleibt, die es maximal ermöglicht, dass Hochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen von überregionaler Bedeutung kooperieren können. Darüber mag man diskutieren, aber das wird den Anforderungen an eine gemeinsam verantwortete Bildungsinfrastruktur nicht im Ansatz gerecht. Die schwarz-gelbe Koalition blockiert mit ihrem sturen Festhalten daran den Weg in einen Konsens der Verantwortungsgemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen für Bildung. Dazu gibt es Alternativen. Die SPD hat in dieser Wahlperiode immer deutlich gemacht, dass wir für eine Aufhebung des Kooperationsverbotes sind. Wir haben dazu konkrete Vorschläge gemacht, wie wir hier zu einem Konsens kommen können, um den umfassenden Anforderungen an gemeinsame Bildungspolitik gerecht zu werden, ohne dass einer der Partner übervorteilt wird oder grundsätzliche Zuständigkeiten vermengt oder infrage gestellt werden. Aber die schwarz-gelbe Koalition weigert sich weiterhin, darüber überhaupt Verhandlungen aufzunehmen, und blockiert damit den dringend benötigten Konsens. Nun höre ich schon, wie die Ministerin den Bundesrat ermahnt, er möge einen unter den Ländern konsensfähigen Vorschlag vorlegen. Das ist aber ein reines Ablenkungsmanöver, denn jeder weiß, dass der Vorschlag der Bundesregierung im Deutschen Bundestag keine verfassungsändernde Mehrheit finden wird. In so einer Situation müsste die Regierung eigentlich Gespräche darüber aufnehmen, wie man zu einem Ergebnis kommt, das im Bundestag den weitestgehenden Konsens darstellt und zwischen Bundesrat und Bundestag unstrittig ist. Stattdessen fahren Sie die Abstimmungen lieber vor die Wand. Diese Blockade ist unverantwortlich. Die SPD hat hier im Deutschen Bundestag einen Vorschlag zur Einführung eines Art. 104 c im Grundgesetz gemacht, der eine gemeinsame Finanzierung von Bildungsaufgaben durch Bund und Länder ermöglicht. Wir stellen uns vor, dass die Länder mit dem Bund in gemeinsam verantworteten Bildungsaufgaben, insbesondere im Ausbau der Bildungsinfrastruktur, Kooperationen vereinbaren und gemeinsam finanzieren. Uns geht es nicht um vermischte Zuständigkeiten oder das rein finanzielle Engagement des Bundes, uns geht es um gemeinsam wahrgenommene Verantwortung in der Gemeinschaft von Bund, Ländern und Kommunen. Dem Bundesrat liegen dazu mehrere Initiativen aus rot bzw. rot-grün regierten Bundesländern vor. Jüngst haben Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz einen gemeinsamen Entschließungsantrag für den Bundesrat dazu formuliert. Die beiden Länder zeigen damit, dass sie an einer konstruktiven Zusammenarbeit interessiert sind. Deshalb ist unsere Bitte an die Bundesregierung und an die derzeitige Bundesbildungsministerin: Machen Sie endlich ein glaubwürdiges Angebot für eine echte Kooperation von Bund und Ländern im Bildungswesen. Machen Sie den Fraktionen des Bundestages ein Verhandlungsangebot. Lassen Sie uns dann über den besten Weg streiten. Aber bitte geben Sie Ihre Blockadehaltung beim Kooperationsverbot endlich auf. Sie riskieren sonst leichtfertig Fortschritt und Leistungsfähigkeit des deutschen Bildungssystems. Swen Schulz (Spandau) (SPD): Nachdem die SPD einen Masterplan zu Ganztagsschulen in den Bundestag eingebracht hat, gab es vor wenigen Wochen diesen öffentlichen Kommentar: "Wir müssen daher das Grundgesetz ändern, damit ein bundesfinanzierter Masterplan möglich wird. Das heißt, die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Bundes auszuweiten, damit er sich finanziell in der Schulpolitik einbringen kann, aber auch inhaltliche Mitspracherechte im Schulbereich erhält." So schreibt die Bundesministerin in einer eigenen Pressemitteilung unter dem Titel "Wanka fordert Grundgesetzänderung". Wer jetzt erwartet, dass die Ministerin oder gar die Koalition aktiv wird und einen diskutablen Vorschlag zu einer Grundgesetzänderung macht, wird jedoch enttäuscht; denn sicherheitshalber erklärte die Ministerin in der Pressemitteilung gleich, dass sie die Länder auffordert, eine gemeinsame Position zu erarbeiten, mit der sie sich dann auseinandersetzen wolle. Es bleibt also alles beim Alten: Wanka gibt - wie auch beim BAföG oder bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses - wohlfeile Erklärungen ab und lehnt sich anschließend zurück, allerdings nicht, ohne sich in Interviews über die Schulpolitik der Länder und zentrale Abiturprüfungen auszulassen, wo sie ansonsten keine Gelegenheit versäumt, ihre Untätigkeit mit Verweis auf die Zuständigkeit der Länder zu rechtfertigen. Das sind Interviews als Politikersatz. Mit dem Finger wird auf die Länder gezeigt, statt selbst zu handeln. Aber warum sollte die Ministerin es anders halten als die Bundeskanzlerin? Erst über die Bildungsrepublik Deutschland schwadronieren, dann nichts für die Schulen machen, sich auch nicht für die Aufhebung des Kooperationsverbotes für die Bildung einsetzen und jüngst den Deutschen Schulpreis 2013 verleihen: Das ist großes Staatstheater, aber eben nur Theater. Im CDU-Wahlprogramm - eigentlich ja eine ganz spannende Wundertüte - kommt die Änderung des Grundgesetzes dann auch nur im Zusammenhang mit herausragender Forschung vor. Darum geht es bei der von der Koalition vorgeschlagenen Änderung des Art. 91 b Grundgesetz: Sie will ausschließlich den Einstieg des Bundes in die Finanzierung ausgewählter Forschungseinrichtungen von überregionaler Bedeutung ermöglichen. Um die Bildung in der Breite, um die Hochschulen - geschweige denn Schulen -, geht es der CDU ganz und gar nicht. Wir hingegen haben mit dem neuen Kooperationsartikel 104 c Grundgesetz die gesamte Bildung im Blick. Uns geht es nicht um die Förderung von Leuchttürmen, sondern um die dringend benötigte Unterstützung der Länder für ihre Hochschulen, Berufsschulen, Schulen und Kitas. Im Grundsatz sehen das, das sei hier betont, alle drei Oppositionsfraktionen so. Sie alle haben verschiedene Initiativen in den Bundestag eingebracht. Ich behaupte sogar, dass sich mindestens der Bildungsausschuss, wahrscheinlich sogar der Bundestag, ganz schnell auf eine Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung des Kooperationsverbotes für die Bildung verständigen könnte. Doch die Radikalföderalisten in wenigen unionsregierten Ländern haben das verhindert. Darum lehnt die -Koalition hier jede Initiative ab. Uns dann aber die -Blockade Ihres Schmalspurantrages vorzuwerfen, ist nachgerade grotesk. Aber es kommt die neue Legislaturperiode, es kommen auch Landtagswahlen, und es kommt die Zeit der Kooperation von Bund und Ländern. Wir schaffen es - nicht heute, aber morgen. Dr. Martin Neumann (Lausitz) (FDP): Mit den vorliegenden Schaufensteranträgen werfen die Oppositionsfraktionen Nebelkerzen. Die von den Koalitionsfraktionen getragene Bundesregierung hat mit dem Gesetz-entwurf zur Änderung von Art. 91 b Grundgesetz einen Vorschlag unterbreitet, der es durch eine Erweiterung der Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern ermöglichen würde, über befristete Projekte hinaus zu fördern. Bund und Länder würden in die Lage versetzt, im Wissenschaftsbereich zentrale Zukunftsprojekte gemeinsam auf den Weg zu bringen. Wir wollen eine breite und nachhaltige institutionelle Förderung von Hochschulen durch den Bund ermöglichen, um das Zusammenwirken von Hochschulen und außeruniversitärer Forschung durch den Abbau rechtlicher Schranken zu beflügeln. Die vorgeschlagene, konsensfähige Ausweitung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Finanzierung im Hochschulbereich wird von den Oppositionsfraktionen im Bundesrat aus parteitaktischem Kalkül blockiert. Dabei könnte ein besseres Zusammenwirken im Bereich der Hochschulen auch für andere Bereiche positive Wirkung entfalten. Diese Auffassung unterstützen beinahe einmütig alle Wissenschaftsorganisationen. Es ist mehr als erstaunlich, dass sich die Antragsteller hierüber in so arroganter Weise hinwegsetzen, und beweist einmal mehr die Inkompetenz von SPD, Linken und Grünen im Zukunftsfeld der Wissenschaftspolitik. Die Oppositionsfraktionen müssen den Hochschulen gegenüber erklären, warum sie ihnen eine institutionelle Förderung durch ihre Blockade im Bundesrat verweigern. Die FDP-Fraktion hat grundsätzlich Sympathie für eine Neuregelung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern, die über den Hochschulbereich hinausreicht. Gerade das Agieren der Sozialdemokraten, die sich heute als Stimme der Vernunft und Retter der Bildungspolitik in Deutschland gerieren wollen, ist mehr als heuchlerisch, war es doch die SPD, die erst das Kooperationsverbot im Jahr 2006 zu Zeiten der Großen Koalition im Grundgesetz verankert hat. Bereits damals hat sich die FDP-Fraktion dagegen ausgesprochen, und wir lassen uns heute nicht von denselben Sozialdemokraten belehren, wie unser Verfassungsgefüge im Bereich der Bildungs- und Wissenschaftsverantwortung in unserem Land zu organisieren sei. Die christlich-liberale Koalition hat in den letzten vier Jahren weit mehr für Bildung und Wissenschaft in Deutschland getan, als es die linken und grünen Illu-sionspolitiker jemals fertigkriegen würden. Mit Blick auf die für Grundgesetzänderungen erforderlichen Zweidrittelmehrheiten und den Umstand, dass vonseiten der Länder kein gemeinsamer Vorschlag unterbreitet wurde, halten wir die von uns vorgeschlagene Änderung von Art. 91 b Grundgesetz als ersten Schritt für eine bessere Zusammenarbeit von Bund und Ländern im Bildungsbereich für unbedingt geboten. Die Opposition sollte sich nicht weiter sperren. Sie sollte den Weg für die Änderung von Art. 91 b Grundgesetz freimachen, anstatt mit Schaufensteranträgen von ihrer Blockadepolitik im Bundesrat abzulenken. Universitäten und Fachhochschulen könnten bereits heute von einer stärkeren Unterstützung profitieren, wenn die Opposition nicht blockiert hätte. Das wissen die Wissenschaftler, die Lehrer, die Eltern, das wissen die Studierenden und Schüler, und das werden wir bei jeder Gelegenheit immer wieder ins Gedächtnis rufen. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Fast möchte man meinen, im Bundestag herrsche in dieser Woche Sommerschlussverkauf nach dem Motto "Alles muss raus". So scheint es auch bei dem leidigen Thema der Zuständigkeit für Bildungspolitik zu sein. Mehr als drei Jahre haben wir darauf gewartet, dass die Bundesregierung und die Koalition sich endlich zu einer größeren Verantwortung in Fragen der Bildungspolitik bekennen. Dann gebaren sie ein Mäuschen, und das wird nun nicht einmal das Hohe Haus passieren. Was ist passiert? Im Jahre 2006 haben der Bund und die Länder entschieden, dass Bildungspolitik fast vollständig in die gesetzgeberische Zuständigkeit der Länder übergeht. Dafür bekamen sie einen bescheidenen finanziellen Ausgleich. Das Grundgesetz wurde so geändert, und nun kann der Bund vor allem in Fragen der Hochschulpolitik und der Schulpolitik nicht mehr mitsprechen, auch kein Geld geben. Diese Grundgesetzentscheidung hat sich schon bald als falsch herausgestellt. Hatten die Länder vorher schon nicht genug Geld, Bildung vernünftig zu finanzieren, reicht es heute erst recht nicht mehr aus. Die Länder aber reformierten auf Teufel komm raus herum mit dem Effekt, dass die Vergleichbarkeit der Bildungswege und Abschlüsse immer schlechter wurde. Für die Bildungsergebnisse, die mindestens seit PISA 2000 unter heftiger Kritik stehen, gab es nur geringe Verbesserungen, und die hatten eher nicht mit der Länderzuständigkeit zu tun. Wen wundert es da, dass die Bevölkerung in ganz Deutschland immer lauter mehr oder inzwischen sogar die alleinige Bundeszuständigkeit in der Bildung -fordert? Die Fraktion Die Linke hat darum bereits im -Februar 2010 in einem Antrag die Aufhebung des Kooperationsverbotes in der Bildung gefordert. Heute nun steht er endlich wieder auf der Tagesordnung. Inzwischen sind weitere und weiter gehende Anträge der Opposition, auch von meiner Fraktion, gefolgt. Inzwischen gibt es auch im Bundesrat Gesetzentwürfe aus zwei Ländern, mit denen das Kooperationsverbot aufgehoben oder die Auswirkungen wenigstens mit mehr Geld abgemildert werden sollen. Doch die Bundesregierung, die Koalition und die Länder, in denen ihre Parteien regieren, bleiben stur. Im vergangenen Jahr nun kam es dennoch zu einem Gesetzentwurf, mit dem mehr Zusammenarbeit in Bereichen der Hochschulpolitik ermöglicht werden soll. Doch damit würde man nur die auslaufende Exzellenzinitiative der Bundesregierung auf dauerhafte Füße stellen. Für den gesamten Hochschulbetrieb und vor allem für die Schulpolitik hätte das keinerlei positive Auswirkungen. Darum haben sich die Oppositionsparteien geweigert, dieser Minilösung zuzustimmen. Ohne die Stimmen der Opposition, auch im Bundesrat, aber kommt keine Grundgesetzänderung zustande. Und darum wird es in dieser Wahlperiode keine Grundgesetzänderung mehr geben. Offensichtlich hat sich diesmal auch die SPD ihre Zustimmung nicht abkaufen lassen, wie das beim Bildungs- und Teilhabepaket noch der Fall war. Es ist ja auch Wahlkampf. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Änderung würde aber auch nichts an dem beklagenswerten Zustand bundesdeutscher Bildungspolitik ändern. Dabei nämlich geht es um die Finanzierung von Inklusion, Schulsozialarbeit, Ganztagsschulen, Lehrerausbildung, Fort- und Weiterbildung, um die Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, um die bessere Ausstattung mit Lehr- und Lernmitteln, um Schulsanierungen, um Schülerbeförderung, Schulmittagessen, um die Finanzierung von allgemeiner Weiterbildung, von Hochschulen und dem dazugehörigen Lehrpersonal und anderem. Darum bleiben wir dabei: Wir brauchen eine echte Gemeinschaftsaufgabe in der Bildung. Bund, Länder und Kommunen müssen diese Aufgabe gemeinsam schultern, soll Bildung in Deutschland besser werden. Doch mit einer trügerischen Hoffnung will ich noch aufräumen: Wenn in allen Ländern, einschließlich -Bayern, neben dem Gymnasium nur noch eine Schulform existiert, wenn im Abitur alle die gleichen Aufgaben lösen müssen, dann ist das Grundproblem, die starke Abhängigkeit des Bildungserfolges von der sozialen Herkunft immer noch nicht gelöst. Die Zuweisung zu unterschiedlichen Schulformen mit unterschiedlichen Bildungszielen beseitigt diese soziale Ungerechtigkeit eben nicht. Dafür brauchen wir ein anderes Lehren und Lernen in einer Gemeinschaftsschule für alle Kinder, die von den Lernenden und ihren unterschiedlichen Möglichkeiten und Bedürfnissen ausgeht und niemanden abstempelt, anstatt einseitig immer darauf zu schielen, wie Bildung am besten wirtschaftlich verwertbar ist. Nur wenn wir diesen Paradigmenwechsel bundesweit hinbekommen, haben Kinder und Jugendliche in allen Bundesländern die gleichen und dazu die besseren Chancen und werden sich Bildungsergebnisse nachhaltig verbessern. Das gilt für die Starken ebenso wie für die mit Benachteiligungen. Darum bleiben wir dabei: Die Gemeinschaftsaufgabe Bildung muss ins Grundgesetz, und überall brauchen wir gut ausgestattete Gemeinschaftsschulen, die allen Lernenden bessere Chancen bieten als heute. Das gegliederte Schulsystem aus dem 19. Jahrhundert muss überwunden werden. Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Menschen in Deutschland haben die Nase voll von fehlenden Kitaplätzen, maroden Schulen, überfüllten Universitäten. Sie sind genervt vom Zuständigkeitsgerangel in der Bildungspolitik - so sehr, dass sich in Meinungsumfragen mehr als Zweidrittel eine Bundesbildungskompetenz wünschen. So verständlich dieser Wunsch auf den ersten Blick auch ist: Gute Schulen können nicht von Berlin aus -verordnet, sondern nur vor Ort gemacht und gestaltet werden. Zur besseren Vergleichbarkeit von Schulabschlüssen und gegen Mobilitätshürden helfen vielmehr verlässliche Bildungsstandards, die seitens der Kultusministerkonferenz auf den Weg gebracht wurden. Was es zur Verbesserung der Situation in den Bildungseinrichtungen vor Ort aber dringend braucht, ist eine enge, verlässliche, dauerhafte Kooperation zwischen Bund und Ländern, um die großen bildungs- und wissenschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft anzugehen; denn Bildungspolitik ist auch Sozial-, Integrations- und Wirtschaftspolitik. Bildung ist kein Kostenfaktor, sondern Investitionstreiber und Zukunftsrendite. Deswegen muss der Bund mitgestalten dürfen. Genau das hat die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD mit der Föderalismusreform von 2006 unmöglich gemacht und blockiert: Durch das faktische Kooperationsverbot im Grundgesetz zwischen Bund und Ländern wurde die Bundesseite aus jeder politischen wie finanziellen Mitverantwortung für den Schulbereich herausgedrängt. Das verhindert nicht nur ein kluges gesamtstaatliches Handeln, das ist auch peinlich für ein Land der Dichter und Denker. Zu einer international vernetzten Volkswirtschaft und modernen Wissensgesellschaft wie der Bundesrepublik passt bei so zentralen Zukunfts- und Innovationsfeldern wie der Bildung und Wissenschaft keine Kleinstaaterei. Das Kooperationsverbot haben wir daher von Anfang an abgelehnt, und wir kämpfen seit 2006 dafür, es wieder aus unserer Verfassung zu kippen; denn die Befürchtungen, die wir damals hatten, sind eingetreten: Noch immer ist unser Bildungs- und Wissenschaftssystem bundesweit unterfinanziert, Qualität und Leitungsfähigkeit lassen zu wünschen übrig. Das sehen wir allein, wenn wir die mangelnde Durchlässigkeit, die hohe Zahl der Bildungsverlierer sowie die fehlende Chancen- und Bildungsgerechtigkeit betrachten. Das haben uns in dieser Woche auch die OECD--Studie "Bildung auf einen Blick", der "Chancenspiegel" der Bertelsmann-Stiftung und die 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks erneut ins bildungs- und wissenschaftspolitische Stammbuch geschrieben. Ein Hauptgrund dafür ist die unzureichende Ausfinanzierung des Bildungssystems; denn der Bund hat den Löwenanteil der Steuereinnahmen, die Länder die Zuständigkeit. Beide staatlichen Ebenen müssen sich an die Schuldenbremse halten. In ärmeren Ländern, die unter massivem Konsolidierungsdruck stehen oder die Bildungsausgaben kaum priorisieren können, droht sich die Schuldenbremse zur bedrohlichen Bildungsinvestitionsbremse auszuwirken. Daran hat auch der Mittelaufwuchs im Bundesbildungsministerium in dieser Wahlperiode strukturell nichts verändert. Beispielsweise wurde das zentrale Problem einer bundesweit erodierenden Grundfinanzierung der Hochschulen durch kurzzeitige Sonderprogramme wie Hochschulpakt, Exzellenzinitiative und Qualitätspakt Lehre keinesfalls gelöst, sondern durch gleichzeitig stark gestiegene Kofinanzierungspflichten beim Pakt für Forschung und Innovation zur Förderung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch verschärft. Kurzfristige Wissenschaftspakte bringen eben keine dauerhaften Lösungen. Hinzu kommt, dass das Kooperationsverbot im Bildungsbereich zu ineffizienten Krücken und bürokratischsten Umgehungen der Grundgesetzregeln geführt hat. Das kann jeder beispielhaft am größtenteils erfolglosen Bildungs- und Teilhabepaket erkennen. Die direkte Förderung guter Ganztagsschulen wäre stattdessen viel zielführender gewesen, um alle Kinder und Jugendlichen - und vor allem die bildungsbenachteiligten - gezielt zu fördern. Als grüne Bundestagsfraktion wollen wir daher eine Ermöglichungsverfassung für Bildungs- und Wissenschaftskooperation statt unzeitgemäßer Verfassungsbarrieren. Unser Leitbild ist ein kooperativer anstelle eines nur kompetitiven oder sogar konfrontativen Bildungsföderalismus. Gesamtstaatliches Handeln und Finanzieren muss - wieder - möglich sein. Wenn das Kooperationsverbot aufgehoben würde, dann wären feste Bund-Länder-Vereinbarungen zur -Lösung großer bildungs- und wissenschaftspolitischer Probleme machbar. Dann gäbe es kein Rummogeln um unsere Verfassung mehr, sondern transparente, klare -Kooperationsregeln. Dann ließe sich unter anderem - nach dem großen Erfolg des ersten - ein zweites Ganztagsschulprogramm verabreden, eine gemeinschaftliche Studienplatzfinanzierung auch nach dem Auslaufen des Hochschulpaktes 2020 und die Verwirklichung von Inklusion in unserem Bildungssystem. Genau deswegen haben wir Verfassungsänderungen für den Bildungs- und Wissenschaftsbereich vorgeschlagen, die am Art. 91 b Grundgesetz andocken und einen Art. 104 c einführen. Für eine Einigung auf eine Grundgesetzänderung hatten wir vor über zwei Jahren einen Reformkonvent vorgeschlagen, um eine tragfähige Änderung zu erarbeiten, die die notwendige Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erzielt. Sie von den Koalitionsfraktionen haben sich leider auf beide Vorschläge nicht eingelassen: weder auf eine weite Öffnung noch auf den notwendigen Verhandlungsprozess. Sie haben eine Grundgesetzänderung vorgeschlagen, die eine Lösung nur vorgaukelt. Nicht nur, dass der Bereich Bildung im Koalitionsentwurf außen vor bleibt, vielmehr geht er im Wissenschaftsbereich auch an der zentralen Herausforderung vorbei. Der Vorschlag war gänzlich ungeeignet, die erodierende Grundfinanzierung der Hochschulen zu stoppen oder diesen fatalen Trend umzukehren. Sie wollten neben den Vorhaben lediglich einzelne "Einrichtungen von überregionaler Bedeutung", also zum Beispiel exzellente Institute oder Exzellenzuniversitäten fördern können. Daher ist es nur folgerichtig, dass Sie Ihren Regierungsentwurf heute gar nicht mehr einbringen, sondern ihn der Diskontinuität unterliegen lassen und damit stillschweigend beerdigen. Ihnen ging es nur um Leuchttürme mit einer fragwürdigen internationalen Strahlkraft. Wir wollen das gesamte Bildungssystem zum Leuchten bringen. Daher muss das Kooperationsverbot kippen. Das Thema wird uns weiter begleiten, und wir hoffen, dass es in der nächsten Wahlperiode angepackt und gelöst werden kann. Anlage 21 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Anträgen: - System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig stärken: Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken - Transparenz und öffentliche Kontrolle im Prozess der Organspende herstellen - Organspende in Deutschland transparent organisieren (Tagesordnungspunkt 15) Rudolf Henke (CDU/CSU): In Deutschland warten derzeit rund 12 000 Patienten auf eine Transplantation. Etwa 1 000 Menschen davon sterben jedes Jahr, bevor sie ein lebensrettendes Organ erhalten. Im Jahr 2012 ist die Zahl der gespendeten Organe gegenüber 2011 bundesweit um 12,8 Prozent auf 3 511 gesunken. Sie hat damit den niedrigsten Stand seit zehn Jahren erreicht. Der "Tod auf der Warteliste" ist damit noch näher gerückt als zuvor. Dieser Trend, der sich im ersten Quartal 2013 fortgesetzt hat, ist auf die monatelangen Negativschlagzeilen über aufgedeckte Manipulationen bei der Organvergabe zurückzuführen. Wir alle wollen die Spendenbereitschaft sowohl bei der Lebendspende als auch bei der postmortalen Organspende wieder erhöhen. Wichtigstes Ziel muss es deshalb sein, das offenbar geschmolzene Vertrauen in und die Akzeptanz der Bevölkerung für das Transplantationswesen zurückzugewinnen. Dazu beraten wir heute abschließend einen interfraktionellen Antrag zur Stärkung der Organtransplantation sowie Anträge der Linksfraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Transparenz der Organspende. Bereits in der vergangenen Sitzungswoche haben wir mit den Regelungen des Beitragsschuldengesetzes Manipulationen an Patientendaten mit dem Ziel der Bevorzugung von Patienten unter Strafe gestellt. Die unrichtige Erhebung oder Dokumentation sowie die Übermittlung eines unrichtigen Gesundheitszustandes von Patienten an Eurotransplant ist damit in Zukunft ausdrücklich verboten. Daneben werden die Richtlinien zur Transplantationsmedizin der Bundesärztekammer zukünftig unter einen Genehmigungsvorbehalt des Bundesgesundheitsministeriums gestellt. Damit machen wir deutlich: Das System der Organspende und des Transplantationswesens hat sich im Grundsatz bewährt. Forderungen nach einer staatlichen Organisation der Organspende und -verteilung erteilen wir damit eine klare Absage. Der Staat kann die Organspende nicht besser und sicherer organisieren als die Selbstverwaltung. Es bleibt vor allem auch weiterhin sinnvoll, die Spende, die Verteilung von Organen und die Operation der Empfänger organisatorisch voneinander zu trennen. Getroffene Entscheidungen bei der Vermittlung von Organen nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht sollen in Zukunft auf eine verbesserte und fundiertere Daten-basis gestellt werden. In unserem fraktionsübergreifenden Antrag fordern wir deshalb eine einheitliche und umfassende Datenerhebung im gesamten Prozessablauf der Transplantationsmedizin. Mit diesen Erkenntnissen ebnen wir den Weg für den Aufbau eines Transplantationsregisters, das wesentlich dazu beitragen kann, "Transparenz, Verteilungsgerechtigkeit und Qualität in der Transplantationsmedizin zu befördern", wie es der 116. Deutsche Ärztetag im Mai dieses Jahres in einer Resolution gefordert hat. Mit der Einrichtung eines Transplantationsregisters kann zudem die Vergleichbarkeit zwischen den Transplantationszentren erhöht werden. Wir fordern den Gemeinsamen Bundesausschuss auf, die Verfahren der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung in der Transplantationsmedizin weiterzuentwickeln und auszubauen. Zugleich sind natürlich die Länder gefordert, ihren Überwachungspflichten gegenüber den Transplantationszentren nachzukommen, um Verstöße in Zukunft schneller aufdecken und ahnden zu können. Unsere gesetzgeberischen Maßnahmen können aber erst nach und nach wirken. Neben den Gesetzesänderungen brauchen wir vielfältige weitere Anstrengungen zur Aufklärung der Bevölkerung. Niemand denkt gerne -darüber nach, aber jeder von uns kann in eine Situation geraten, in der nur eine Organspende ein Weiterleben -ermöglicht. Selbstverwaltung und Politik haben nach Bekanntwerden der Verstöße rasch reagiert und schärfere Kon-trollen eingeführt, sodass heute in der deutschen Transplantationsmedizin mehr Transparenz und Sicherheit als je zuvor bestehen. Um das Vertrauen in das System der Organspende wiederherzustellen, müssen alle im Gesundheitswesen Beteiligten weiter an einem Strang ziehen, um Missstände abzustellen. Organspende ist ein Werk der Nächstenliebe, das über den Tod hinausgeht. Machen wir dieses Werk der Nächstenliebe stärker als alle regelwidrige Manipulation. Noch ein Gedanke zum Schluss: Wenn es stimmt, dass der vorhin erwähnte Rückgang der Spendebereitschaft auf die Erosion des Vertrauens in die Verteilung von Organen zurückzuführen ist und wenn dies eine Reaktion auf das Bekanntwerden von Manipulationen in einigen Fällen darstellt, dann sind mit den Patienten auf den Wartelisten die Falschen bestraft und müssen jetzt unnötig leiden. Denn die auf der Warteliste stehenden Patienten sind ja nicht der Manipulation schuldig. Wenn eines von acht Organen gar nicht mehr zur Verfügung steht, dann bedeutet das verlängertes Leiden und den vorzeitigen Tod für mindestens 125 Menschen mehr als in den Jahren zuvor. Diese Zahl ist höher als die Zahl derer, die aufgrund der aufgedeckten Manipulationen ein ihnen eigentlich zugedachtes Organ nicht erhalten haben. Der Rückgang der Organspendebereitschaft hat für die schwerkranken Patienten somit oft tödliche Folgen. Sie haften so mit ihrem Leben für das Fehlverhalten anderer, obwohl sie selbst nichts falsch gemacht haben. Ich schildere dies deshalb so klar, weil ich mit einem Appell an unsere Mitbürger schließen möchte: Lassen Sie sich vom Werk der Nächstenliebe in Gestalt der Bereitschaft zur Organspende nicht abhalten, auch nicht durch einige inzwischen abgestellte Manipulationen. Wir als Gesetzgeber sorgen dafür, dass die Urheber solcher Manipula-tionen in Zukunft sicher bestraft werden können. Bestraft werden dann diejenigen, die sich nicht an Recht und -Gesetz gehalten haben. Erklären Sie aber weiterhin Ihre Organspendebereitschaft, und sorgen Sie so dafür, dass nicht die schwerkranken Mitmenschen zum Opfer werden! Lassen wir nicht aus Zorn und Ärger und berechtigter Kritik im Ergebnis Unschuldige leiden! Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Vorab möchte ich der Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz ein großes Kompliment aussprechen. Mit großem persönlichen Engagement hat sie sich des Themas Organspende in den vergangenen Monaten sehr gründlich angenommen. Es fanden viele Gesprächsrunden statt. Die Berichterstatter im Gesundheitsausschuss haben sich im vergangenen Monat im Rahmen einer Delegationsreise über Struktur, Aufgaben und Arbeitsweise der Stiftung Eurotransplant im holländischen Leiden informiert. Viele Sachverständige waren eingeladen, und wir haben uns bewusst bei vielen Themen Zeit gelassen und stets versucht, alle Akteure in das Boot zu holen. Ich bin sehr froh, dass es uns gelungen ist, einen fraktionsübergreifenden Antrag zu formulieren. Vor noch nicht einmal einem Jahr haben wir das Transplantationsgesetz umfassend geändert. Die Novellierung setzte Vorgaben der Europäischen Union zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards in der Transplantationsmedizin um. Mit dem verabschiedeten Gesetz wurden die Kontrollinstrumentarien gestärkt und die Grundsätze für ein gerechtes und funktionierendes Transplantationssystem gelegt. Weiter wurde die unabhängige Prüfungs- und Überwachungskommission gesetzlich verankert, ihre Ermittlungsbefugnisse wurden gestärkt, und Vertreter staatlicher Stellen wurden in die Kommission berufen. Transplantationszentren und Entnahmekrankenhäuser sind gegenüber der Prüfungs- und Überwachungskommission zur Mitwirkung an Prüfungen verpflichtet. Umso größer war der Schock, als nur kurze Zeit nach der Verabschiedung dieses Änderungsgesetzes die Manipulationen von Patientendaten, die zu einer bevorzugten Organvergabe an diese Patienten führten, bekannt wurden. Ganz bewusst wurden eigene Patienten auf der Warteliste nach vorn gerückt, ganz bewusst wurde gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer verstoßen. In drei von vier Transplantationszentren zeigten sich Auffälligkeiten. Dieser Skandal hatte eine verheerende Auswirkung auf die Bereitschaft zur Organspende: Die Spenderzahlen gingen rapide zurück, die Organspendezahlen sind eingebrochen. Von den im Jahr 2012 realisierten Organspenden hatten nur noch 10 Prozent einen Organspendeausweis oder eine Patientenverfügung. Das heißt, in 90 Prozent aller Fälle mussten die Angehörigen die Entscheidung über die Organspende treffen, weil nichts Schriftliches vorlag. Mit unserem gemeinsamen Antrag sollen nun die Konsequenzen aus den Manipulationen an Patientendaten in deutschen Transplantationskliniken gezogen werden. Dabei war unser gemeinsames Motto: Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Schließlich müssen wir nicht nur die Interessen der 12 000 Menschen auf der Warteliste berücksichtigen, sondern auch die der potenziellen Spender und ihrer Angehörigen. Eine Vergabe der Spenderorgane muss nach objektiven, transparenten, verlässlichen, nachvollziehbaren und validen Kriterien erfolgen. Schließlich gibt es in Deutschland derzeit nur zehn Spender pro 1 Million Einwohner, während beispielsweise Kroatien 40 Spender pro 1 Million Einwohner aufweist. Dabei hat die große Mehrheit der Menschen in Deutschland mit rund 70 Prozent grundsätzlich eine positive Einstellung zur Organspende, aber mit nur 22 Prozent dokumentieren die wenigsten ihre Bereitschaft in einem Organspendeausweis. Gerade bei der Organspende liegen das Leben und der Tod so nahe beieinander wie in keinem anderen Bereich; denn der Tod des einen Menschen bedeutet die Hoffnung auf ein neues Leben für einen oder auch mehrere Patienten, die auf einer Warteliste stehen. Diese Verknüpfung löst bei den Menschen aber auch Ängste aus. Leider ist es so, dass viele Menschen zwar die Sicherheit haben wollen, dass, falls sie in einer Notsituation sind, genügend Spender-organe zur Verfügung stehen, aber leider füllen noch zu wenige selbst einen Organspendeausweis aus. Aus Studien wissen wir ebenfalls, dass die Menschen eher bereit sind, eine persönliche Entscheidung zu treffen, wenn sie über das Thema Organspende gut informiert sind. Dies ist jedoch unabdingbar mit Vertrauen geknüpft. Wichtig war es uns nun in den vergangen Monaten, behutsam genau dieses Vertrauen zu schaffen. Denn damit die Bürgerinnen und Bürger die Entscheidung, Organspender zu werden, treffen können, dürfen sie nicht an unserem Organspendesystem zweifeln. Diese Zweifel müssen wir gemeinsam ausräumen. Eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme ist zum Beispiel, dass zukünftig Transplantationsbeauftragte in Krankenhäusern installiert werden. Ich möchte aber anmahnen, dass das Vertrauen in die Krankenhäuser nur durch die Sanktionierung der Manipulationen wiederhergestellt werden kann. Nach wie vor haben die verdächtigten Ärzte bis heute keine Konsequenzen aus ihrem Fehlverhalten ziehen müssen. Wenn die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft vorliegen, müssen dringend die entsprechenden gesetzlichen Maßnahmen ergriffen werden, falls die Manipulationen wegen bestehender Gesetzeslücken straffrei bleiben sollten. Für die Politik bedeutet dies, die Konsequenzen aus diesen Vorgängen zu ziehen, indem der Gesetzgeber für klare gesetzliche Vorgaben sorgt. Alle im Bundestag vertretenen Faktionen haben dies von Anfang an begrüßt. Die Tatsache, dass jetzt ein Antrag vorliegt, der von allen Fraktionen im Ausschuss gemeinsam ausgearbeitet worden sei, ist richtig und wichtig, um Vertrauen zu stärken, damit die Bereitschaft der Bevölkerung zur Organspende wieder gestärkt wird. In dem nun vorliegenden gemeinsamen Antrag fordern wir die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Richtlinien der Bundesärztekammer zum Transplantationsgesetz unter einen Genehmigungsvorbehalt des Bundesgesundheitsministeriums stellt. -Damit soll eine staatliche Rechtsaufsicht über die Richtlinienerstellung sichergestellt werden. Gleichzeitig ist eine einheitliche und umfassende Datenerhebung im gesamten Prozessablauf der Transplantationsmedizin nötig, auch um die Entscheidungen bei der Vermittlung von Organen nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht auf eine verbesserte und fundiertere Datenbasis zu stellen. Alle bei den Manipulationen verantwortlichen Akteure müssen strafrechtlich belangt werden. Hier muss der Gesetzgeber handeln, und da sind wir uns auch alle einig. Deshalb fordern wir auch einen jährlichen Bericht in den nächsten drei Jahren über den Fortgang des eingeleiteten Reformprozesses, mögliche Missstände und sonstige aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin. Außerdem soll der mit den Ländern begonnene Diskussionsprozess zum Informationsaustausch über berufs- oder strafrechtliche Maßnahmen gegen Gesundheitsdienstleister zwischen den Behörden fortgesetzt werden. Es ist insofern ein positives Signal, dass sich der gesamte Bundestag einig ist, das System der Organtransplantation in Deutschland nachhaltig zu stärken. Es ist auch ein positives Signal, dass wir mit großer Mehrheit die Konsequenzen aus dem Organspendeskandal ziehen. Heute ist ein guter Tag für die Menschen in Deutschland, die vom Thema Organspende betroffen sind. Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Ich möchte das Thema Organspende mit einer guten Feststellung beginnen: Trotz der vielen unterschiedlichen Ansätze, die uns Parteien auszeichnen und die auch immer wieder zu kontroversen Diskussionen führen, haben wir 2012 mit der Novelle des Transplantationsgesetzes und mit der Einführung der Entscheidungslösung den Menschen bewiesen: Geht es um wichtige gesundheitliche Themen, dann gibt es in der Politik ein Miteinander! Uns allen gemeinsam ist es gelungen, die Organspende und ihre Bedeutung in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, verbunden mit der eindeutigen Botschaft: Die Menschen sind aufgefordert, sich zu entscheiden, ob sie bereit sind, nach ihrem Tod ein Organ zu spenden. Die bekannt gewordenen Manipulationsvorwürfe in vier Transplantationszentren haben uns in unseren Anstrengungen leider zurückgeworfen. Das Vertrauen in der Bevölkerung ist erschüttert. Die Zahl der Organspenden ist stark zurückgegangen. Diese dramatische Entwicklung, die durch die Manipulationen ausgelöst wurde, hat uns in unserem parteiübergreifenden Ziel, die Organspende in Deutschland gemeinsam voranzubringen, nicht auseinanderdividieren können. Wir haben die politischen Konsequenzen gemeinsam gezogen. Mit den Änderungen des Transplantationsgesetzes im Rahmen des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung haben wir fraktionsübergreifend wichtige Gesetzesverschärfungen vorgenommen. Ich möchte mich bei Ihnen an dieser Stelle für die wirklich konstruktive Zusammenarbeit sehr herzlich bedanken. Eine Bevorzugung von Patienten auf der Warteliste für ein Spenderorgan wird zukünftig nicht mehr möglich sein; denn mit aller Deutlichkeit verbieten wir jetzt die unrichtige Erhebung und die unrichtige Dokumentation sowie die Übermittlung eines verfälschten Gesundheitszustandes der Patienten an Eurotransplant, wenn sie mit der Absicht erfolgen, Patienten auf der Warteliste zu bevorzugen. Ein Verstoß gegen dieses Verbot wird je nach Schwere mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Außerdem haben wir die Richtlinien der Bundesärztekammer einer Begründungspflicht unterworfen und unter den Vorbehalt der Genehmigung durch das Bundesministerium für Gesundheit gestellt. Dadurch werden die Richtlinien, beispielsweise zur Aufnahme in die Warteliste, zur Organvermittlung oder zu Maßnahmen der Qualitätssicherung transparent und einer staatlichen Kontrolle unterworfen. Die Anhörung, die am Montag im Gesundheitsausschuss stattgefunden hat, hat uns gezeigt, dass dieser Weg der richtige ist, um Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung wiederherzustellen und nachhaltig zu stärken. Die dort angehörten Experten haben diesen Weg fast ausnahmslos bestätigt. Wir haben nach Bekanntwerden der Vorfälle schnell reagiert und bereits im vergangenen Jahr Sofortmaßnahmen ergriffen. In einem von Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr im August 2012 geführten Spitzengespräch wurden Verschärfungen der Richtlinie zur Wartelistenführung vereinbart. Bei der Aufnahme von Patientinnen und Patienten auf die Warteliste für eine Organtransplantation entscheidet nicht ein Arzt allein, sondern ausnahmslos eine aus mehreren Ärzten bestehende Transplantationskonferenz. Unverzüglich haben die für die Überprüfung der Transplantationszentren verantwortlichen Kommissionen die Prüfungen aufgenommen; die Erstprüfungen konnten im Mai 2013 abgeschlossen werden. Zukünftig werden die Prüfungen flächendeckend ausgedehnt und beschleunigt durchgeführt. Dazu sind die Verfahren festgelegt worden, um alle Transplantationszentren mindestens einmal in einem Zeitraum von 36 Monaten zu prüfen. Wir haben außerdem bestimmt, dass Bund und Länder künftig neben dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft, der Bundesärztekammer und der Deutschen Transplanta-tionsgesellschaft im Stiftungsrat der Koordinierungsstelle DSO mit Sitz- und Stimmrecht vertreten sind. Außerdem werden zwei Patientenvertreter diesem Aufsichtsgremium beratend angehören. Im Ergebnis werden im Stiftungsrat der DSO keine Entscheidungen gegen die Stimmen der staatlichen Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts getroffen werden können. Damit haben wir die öffentlich-rechtliche Kontrolle über die DSO erheblich gestärkt. Diese Neustrukturierungen müssen jetzt ihre Wirkungen entfalten. Die Anhörung hat gezeigt, dass verfassungsrechtliche Bedenken an dieser Stelle keinen Bestand haben. Ich bin überzeugt, dass wir mit diesen Maßnahmen eine effektive Kontrolle geschaffen haben. Die Diskussionen haben auch gezeigt, dass wir eine einheitliche Datenerhebung im gesamten Prozess der Organtransplantation brauchen, um die Ergebnisqualität in der Organtransplantation zu verbessern und letztlich die im Gesetz genannten besonderen Kriterien für die Vermittlung von Organen - Dringlichkeit und Erfolgsaussicht - noch besser ausbalancieren zu können. Das Fachgutachten zu einem Transplantationsregister, das wir bis Ende des Jahres erwarten, wird uns die notwendigen Ergebnisse hierzu liefern. Darüber hinaus werden wir durch das Transplantationsregister feststellen können, wie sich die Qualität eines Spenderorgans auf die Qualität des Überlebens eines Organempfängers auswirkt, und wir werden dadurch erfahren, welche Qualität die Zentren selbst aufzuweisen haben. Wir können auch jedem Patienten die Möglichkeit an die Hand geben, sich über die Ergebnisqualität in den Kliniken zu informieren. Auch dieses ist ein weiterer wesentlicher Schritt zu mehr Transparenz. Zusammenfassend können wir feststellen: Auf allen Ebenen wurde seit Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe gemeinschaftlich viel getan. Die Verantwortlichen haben gehandelt. Selbstverwaltung und Politik haben gezeigt, dass innerhalb des bestehenden Systems schnell und effektiv reagiert werden kann. Eine Neuordnung des Systems hätte hier nicht mehr leisten können. Wir haben den Menschen auch gezeigt, dass der Politik dieses Thema so wichtig ist, dass alle Parteien hier gemeinsam die Verantwortung mittragen und diese Verantwortung sehr ernst nehmen. Mit den jetzt erfolgten Verschärfungen des Gesetzes und dem gemeinsamen Antrag zur nachhaltigen Stärkung des Systems der Organtransplantation ist die eindeutige Botschaft verbunden: Wir wollen ein Organspendesystem für die Menschen in unserem Land, das sicher ist und dem sie vertrauen können. Kriminelle Energie hat in diesem System keinen Raum, und wir werden ihr auch künftig keinen Raum geben. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Es ist unangemessen, dass ein für die Menschen so wichtiges Thema wie die Organspende und Organtransplantation zu einem derart späten Termin im Plenum platziert wird. Mit dem Antrag, der von allen Fraktionen getragen wird, errichten wir schließlich einen Meilenstein in der Debatte um das deutsche Transplantationssystem. Der Weg zu diesem fraktionsübergreifenden Antrag war durchaus steinig. Nicht immer waren wir uns bei der Erarbeitung über die konkreten Forderungen einig und darüber, was wir als Politik regeln müssen und was wir der Selbstverwaltung überlassen sollten. Doch gerade die Sachen, in die man selbst Arbeit und Anstrengung investiert hat, weiß man auch am ehesten zu schätzen. Ich denke, ich spreche hier im Namen aller Beteiligten. Ich sehe es als überaus positives Signal, dass sich alle Parteien einig werden konnten und es nur in einem Punkt deutliche Differenzen gab. Die unterschiedlichen Ansichten darüber, wie das System der Organspende organisiert und koordiniert werden sollte, sind der Grund, dass wir heute Abend neben dem gemeinsamen Antrag auch über die Anträge der Fraktionen der Grünen und Linken sprechen. In den Anträgen wird die Umwandlung der Deutschen Stiftung Organtransplantation, der DSO, in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gefordert. Es ist in der Tat ungewöhnlich, dass bei uns in Deutschland eine private Stiftung für die Organisation der Prozesse rund um die Organspende zuständig ist. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Linken und Grünen, was versprechen Sie sich von einer solchen Rechtsformänderung? Kein Sachverständiger konnte bei der Anhörung erläutern, welche Vorteile eine solche Rechtsformänderung für die Patientinnen und Patienten hätte. Dass Sie zur Unterstützung Ihrer Forderung einen Sachverständigen aufgefahren haben, der sich in seinen Äußerungen und seiner Wortwahl deutlich vergriffen hat, hat Ihre Position ebenfalls nicht gestärkt. Die bekannt gewordenen Manipulationsvorwürfe betrafen den Bereich der Organvergabe, der von dem Bereich der Organspende getrennt ist. Trotzdem haben wir auch im Bereich der Organspende die staatliche Kontrolle gestärkt. Bund und Länder werden zukünftig mit Sitz- und Stimmrecht im Stiftungsrat der DSO vertreten sein und sind so unmittelbar in alle Geschehnisse einbezogen. Damit erhält die Stiftung eine stärkere öffentlich-rechtliche Ausrichtung. Tausende Organe werden jährlich verpflanzt, Tausende Leben gerettet. In einem so sensiblen Feld der Medizin reichte das Fehlverhalten einiger Weniger, um das Vertrauen in ein ganzes System zum Wanken zu bringen. Als Politikerinnen und Politiker tragen wir Verantwortung. Verantwortung im Zusammenhang mit Organspende und Transplantation bedeutet nicht nur Aufklärung und Kontrolle, Verantwortung bedeutet auch den Verzicht auf Skandalisierungen. Niemand sollte die Vorfälle instrumentalisieren, um eine persönlich grundsätzliche Ablehnung der Organspende zu transportieren. Jeder sollte in diesem sensiblen Politikfeld aber auch der Versuchung widerstehen, für die eine oder andere Schlagzeile und etwas öffentliche Aufmerksamkeit den Organspendeprozess in Verruf zu bringen. So haben zum Beispiel nicht belegte Behauptungen aus der Fraktion der Grünen, Privatpatienten würden bei der Organvergabe bevorzugt, dazu beigetragen, das Vertrauen der Menschen in eine gerechte Organvergabe ungerechtfertigterweise zu erschüttern. Belegt hingegen sind die Manipulationen und bewussten Verstöße gegen die Richtlinien der Bundesärztekammer in 4 von 24 Lebertransplantationszentren. Hier wurde mit dem Ziel manipuliert, eigene Patienten auf der Warteliste nach vorn zu rücken, zum Nachteil der nichttransplantierten Patienten, möglicherweise auch zum Nachteil des Transplantierten, wenn die Indikation nicht gegeben war. Es ist also unstrittig, dass unser selbstverwaltetes Gesundheitssystem nicht ohne öffentliche Kontrolle und Sanktionsmöglichkeiten bei Fehlverhalten auskommt. Ebenso ist eine aufmerksamere Aufsicht der Länderbehörden notwendig. Wir haben mehr staatliche Kontrolle durchgesetzt durch unsere Änderungen im Transplanta-tionsgesetz vom 21. Juli 2012 und denjenigen, die in der vorigen Sitzungswoche einstimmig verabschiedet wurden. Auch der Antrag, der heute auf der Tagesordnung steht, wird dazu beitragen, noch mehr Transparenz und Kontrolle im gesamten Organspendeprozess zu erzielen. Neben der Erhöhung der Transparenz und der Sicherstellung der Kontrolle und Sanktionen bei Manipulationen im Zusammenhang mit der Warteliste wollen wir durch den gemeinsamen Antrag auch die Verbesserung der Qualität der Transplantationen vorantreiben. Im internationalen Vergleich steht Deutschland bisher in Sachen Qualität bei der Organtransplantation nicht an der Spitze. Genaue Angaben, warum das so ist, können wir heute aufgrund einer ungenügenden Datenlage nicht machen. Ein Grund könnte beispielsweise darin liegen, dass zum Beispiel bei der Lebertransplantation in Deutschland nur nach der Dringlichkeit vorgegangen wird. Fragen der Erfolgsaussicht werden nicht berücksichtigt, im Gegensatz zu manchen anderen Ländern. Es liegt auf der Hand, dass ein Zentrum, dass viele Patienten mit terminalem Leberversagen nach langem Verlauf mit beginnendem Versagen auch anderer Organsysteme transplantiert, schlechtere Erfolgsergebnisse aufweist als ein Zentrum, das solche Patienten nicht transplantiert. Eine Rolle spielt auch, dass in Deutschland wegen der geringeren Zahl von Organspendern als beispielsweise in den Niederlanden oder in Spanien auch auf Organe von alten Menschen zurückgegriffen wird. Aber auch andere Ursachen der Qualitätsunterschiede kommen infrage. Zukünftig soll es eine einheitliche und umfassende Datenerhebung im gesamten Prozessablauf der Transplantationsmedizin geben. So können wir die Entscheidungen bei der Vermittlung von Organen nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht auf eine fundiertere Datenbasis stellen. Auch die Versorgungsqualität in den einzelnen Transplantationszentren kann transparent gemacht werden. Das ist die Voraussetzung dafür, festzulegen, in welchen Zentren zukünftig welche Organe transplantiert werden sollen. Die Spendebereitschaft erhöhen können alle gesetzgeberischen Regelungen nur mittelbar. Ich bin aber überzeugt, dass mit einem solchen Register das Vertrauen der Menschen in das System der Organspende gestärkt werden kann. Jeder kann nachvollziehen, wie Menschen mit einer Organspende geholfen werden kann und dass verantwortungsvoll mit den gespendeten Organen umgegangen wird. Auch wenn es inzwischen so aussieht, dass die Ärzte in den Transplantationszentren die Manipulationen an den Wartelisten nicht aus finanziellen Gründen vorgenommen haben, so bestehen noch immer schädliche Anreize. Ein solcher Anreiz ist zum Beispiel, in einem besonders guten Licht dazustehen, wenn viele Transplantationen im eigenen Zentrum durchgeführt werden. Wir von der SPD hätten uns gewünscht, dass Boni auf Fallzahlsteigerungen, sprich der Anreiz, um jeden Preis die Zahl der Operationen zu steigern, grundsätzlich verboten würden. Der Regierungskoalition ging das zu weit. Sie setzt lediglich auf Empfehlungen, auf solche Boni zu verzichten, und darauf, in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser darauf zu verweisen, falls die Klinik nach wie vor solche Sonderzahlungen mit ihren Chefärzten vereinbart. Das bietet keinen wirksamen Schutz für die Patientinnen und Patienten. Nur ein vollständiges Verbot derartiger Vereinbarungen kann als notwendiges Signal an die Menschen wirken. Nur so kann deutlich gemacht werden, dass alleine die Sorge um ihre Gesundheit und keine finanziellen Interessen das Handeln ihrer Ärztinnen und Ärzte lenkt. Ich persönlich glaube, es ist unvermeidbar, dass wir auch die Zahl der Transplantationszentren in Deutschland überdenken. 49 Transplantationszentren "konkurrieren" heute um Patienten und Organe - mit allen negativen Folgen, die eine solche Konkurrenz hat. Es ist unvermeidlich, dass wir nicht nur zur Stärkung der Qualität, auch zur Vermeidung von Kontrolldefiziten die Transplantationen stärker konzentrieren. Um jedoch in diesem Bereich Entscheidungen treffen zu können, brauchen wir mehr Informationen: Informationen darüber, wie die Qualität der Transplantationszentren ist. Und wir brauchen die Kooperation der Bundesländer. Schließlich sind sie es, die die Verantwortung über den Krankenhausbereich haben. Wer Organe spendet oder auf der Warteliste für ein oder mehrere Organe steht, muss sich darauf verlassen können, dass der gesamte Prozess sicher und in guter Qualität abläuft. Er muss auch sicher sein können, dass die Organspende und die Organvergabe streng nach den Richtlinien der Bundesärztekammer verlaufen und dass diese Richtlinien regelmäßig nach dem Stand der Wissenschaft aktualisiert werden. Die Abgeordneten des Bundestages haben die Aufgabe, die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Wir betrachten es auch als unsere Pflicht, uns regelmäßig von der Qualität der Transplantationsmedizin zu überzeugen. Ebenso werden wir uns über die Umsetzung eingeleiteter Vorgaben informieren. Ich bin sehr froh und halte es für ein wichtiges Signal an die Bevölkerung, dass das von allen Fraktionen so gesehen wird. Ich werde dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören. Es freut mich, dass meine letzte parlamentarische Wortmeldung gerade zu einem Thema ist, bei dem über alle Fraktionen die unbedingte Bereitschaft besteht, gemeinsam zu guten Lösungen für alle zu kommen. Das wird das Vertrauen der Menschen in die Sinnhaftigkeit und Sicherheit einer Organspende stärken und Menschen auf der Warteliste Hoffnung geben. Gabriele Molitor (FDP): Über das Lob eines Experten in der Anhörung von dieser Woche habe ich mich gefreut. Er lobte, dass sich die Berichterstatter aller Fraktionen nach Bekanntwerden der Manipulationsvorwürfe erneut ausgiebig mit dem Transplantationswesen in Deutschland beschäftigt haben. Er hat recht. Denn dies ist der Beweis dafür, dass es allen Beteiligten ernst ist, das Vertrauen in die Organtransplantation in Deutschland wieder zu steigern. In der Tat haben wir mit der Änderung des Transplantationsgesetzes im letzten Jahr und den jetzt abschließend zu beratenden Änderungen das Ziel verfolgt, das System gegen Manipulationen zu stärken. Aber auch mit den neuen Regelungen wird es keine absolute Sicherheit geben, genauso wenig, wie es in einem staatlichen System absolute Sicherheit gäbe. Die Systemfrage hier zu stellen und der Selbstverwaltung die Fähigkeit abzusprechen, Missstände aufzudecken und abzustellen, bezeugt die grenzenlose Staats-hörigkeit der beiden Antragsteller. Mehr staatlicher Einfluss und mehr staatliche Kontrollen bedeuten nicht automatisch mehr Transparenz und Sicherheit. Außerdem gibt es bereits mehr "staatliche Mitwirkung". Der Stiftungsrat der "Deutschen Stiftung Organtransplantation", DSO, wird durch Vertreter von Bund und Ländern verstärkt. Zukünftig können keine Entscheidungen gegen die Stimmen der staatlichen Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts getroffen werden. Die Stiftung als solche bleibt vorbehaltlich der noch erforderlichen Genehmigung der Satzung durch die Stiftungs-aufsicht privatrechtlich, aber die Stiftungsarbeit ist in -öffentlich-rechtliche Rahmenbedingungen eingebunden. In der Selbstverwaltung verfügen die Kontrolleure über einen hohen Sachverstand. Und diese Kontrollgremien haben eine sehr gute Arbeit geleistet. Um eine vergleichbare Kompetenz auf staatlicher Ebene zu erreichen, müssten wir unzählige Ärzte einstellen. Das kann nicht unser Kernanliegen sein. Wir brauchen Ärzte für die Behandlung von kranken Menschen und nicht in erster Linie als Kontrolleure ihrer Kollegen. Alle Fraktionen haben sich auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt und Kompromissbereitschaft bewiesen. Die von den Linken und Grünen vorgelegten eigenen Anträge scheren aus der gemeinsamen Linie aus. In einer Demokratie ist das ihr gutes Recht, trotzdem finde ich dieses Vorgehen bedauerlich. Auch die Aufforderung, sämtliche Richtlinien im Gesetz genau zu regeln, geht am Wesen medizinischer Entwicklung vorbei. Der Stand medizinischen Wissens ändert sich permanent. Das können wir nicht in Beton gießen; gesetzliche Regelungen müssten ständig überarbeitet werden, um der Wissenschaft nicht hinterherzuhinken. Hier habe ich Vertrauen, dass die Bundesärztekammer dem Wunsch des Gesetzgebers entspricht und sich nach dem Erkenntnisstand der Wissenschaft richtet. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass wir mit einer Stärkung der vorhandenen Strukturen im Transplantationswesen in Deutschland auf einem guten Kurs sind. Es wurden Sofortmaßnahmen erarbeitet und eingeleitet wie zum Beispiel die Intensivierung der Kontrollen und Stärkung der Kontrollgremien, die Erhöhung der Transparenz und Vermeidung von Fehlanreizen. Wir haben vor zwei Wochen einen Änderungsantrag für das Transplantationsgesetz beschlossen, der zum einen strafrecht-liche Sanktionen bei Manipulationen der Warteliste ermöglicht. Diese reichen von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren. Zudem muss die Bundesärztekammer ihre Richtlinien in Zukunft begründen und durch das Ministerium genehmigen lassen. Damit sorgen wir für größere Verbindlichkeit der Richtlinien. Die Kontrollen werden fortgesetzt, und wir werden uns auch in Zukunft regelmäßig über die Entwicklungen in der Transplantationsmedizin informieren lassen. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass sich das Vertrauen in das Transplantationswesen wiederherstellen wird. Dies wird allerdings Zeit brauchen. Vertrauen lässt sich leider nicht "auf Knopfdruck" erzwingen. Martina Bunge (DIE LINKE): Es ist ein gutes Zeichen, dass wir zum Abschluss der Legislatur einen gemeinsamen Standpunkt gefunden haben. Eine Legislatur geht zu Ende, in der wir nach umfangreichen Verhandlungen aller Fraktionen die Entscheidungslösung auf den Weg gebracht haben, damit mehr der Bürgerinnen und Bürger, die prinzipiell zur Organspende bereit sind, das auch dokumentieren, um damit denjenigen, die dringend auf ein Organ warten, um besser oder überhaupt weiterleben zu können, zu helfen. Die dann aufgedeckten Unregelmäßigkeiten und Vorfälle an einigen Transplanta-tionskliniken haben uns nicht nur geschockt, sondern überfraktionell stimuliert, zu diskutieren, wie es weitergehen soll. Gut, dass es uns gelingt, bei solch lebensentscheidenden Fragen über Parteigrenzen hinweg gemeinsam zu arbeiten, uns zuzuhören und auch die Gedanken wechselseitig aufzunehmen. Dafür möchte ich mich bei allen beteiligten Kolleginnen und Kollegen recht herzlich bedanken. Das sind gute Stunden und Zeichen parlamentarischer Demokratie. Ob dadurch das Vertrauen in das Organtransplanta-tionssystem, das bei vielen verloren ging, bereits wiederhergestellt werden kann, ist fraglich. Das wird weiter harte Arbeit, ständiges Achten auf Transparenz und Kontrolle notwendig machen. Alle Erfahrungen, auch anderer Länder zeigen: Solidarität im Gesundheitssystem ist das A und O für Vertrauen bei der Organtransplantation. Und da ist es bekanntlich in Deutschland durch die zunehmende Kommerzialisierung und Ökonomisierung des Gesundheitssystems nicht zum Besten bestellt. Wir haben auch noch nicht alle Fragen hinreichend geklärt, die im Raum stehen. Ich denke da nur an den Zielkonflikt, der bei der Auswahl des Organempfängers besteht; wir alle wissen, dass sich höchste Dringlichkeit und größte Erfolgschancen diametral entgegenstehen können. Nach wie vor wird diskutiert, ob die Fixierung auf den Hirntod die hinreichende Entscheidung für die Organentnahme ist. Unzufriedenheit gibt es nach wie vor an den privatrechtlich geprägten Strukturen, über die das Organtransplantationsgeschehen organisiert ist. Auch die Anhörung vom Montag hat noch einmal deutlich gemacht, dass es über die im gemeinsamen Antrag vorgesehenen Maßnahmen hinaus weiteren Handlungsbedarf gibt. Wir bleiben vor allem skeptisch, dass künftig allein das Abnicken der Bundesregierung die Legitimierung der von der Bundesärztekammer erstellten Richtlinien für die Wartelistenerstellung bringen kann. Quasi basale Grundrechte von Leben und Tod stellen hier einen besonders hohen Grundrechtebezug auf. Die Begründung, dass der medizinische Fortschritt eine enorme Dynamik in die Entscheidungskriterien bringe und erfordere, die Einzelheiten in die Hände der Ärzteschaft zu geben, greift meines Erachtens zu kurz. Es kann nicht sein, dass die Ärztekammer entscheidet, ob sie der Dringlichkeit oder der Erfolgsaussicht den Vorrang gibt, und damit entscheidet, ob derjenige das Organ erhält, der dies dringend benötigt - auch wenn die Erfolgsaussicht gering ist -, oder derjenige, der weniger dringend ein Organ braucht, aber bei dem die Erfolgsaussicht höher ist. Die Entscheidung, wer von beiden länger leben darf, kann nicht von der Ärztekammer vorbestimmt werden. Ich finde, um die Begriffe Dringlichkeit und Erfolgsaussicht zu verknüpfen, bedarf es einer zutiefst ethischen Diskussion, die in die Mitte der Gesellschaft gehört. Und dann kann sich das Parlament auch nicht entziehen. Abschließend wünschte ich mir, dass sich das Parlament künftig mit ähnlicher Gründlichkeit wie bei der Organtransplantation auch Zeit nimmt, über Wege und Möglichkeiten der Vermeidung von Organverlusten zu reden und entsprechende Maßnahmen auszulösen. Wir alle wissen, dass bei der Leber zu 50 Prozent die alkoholische Leberzirrhose in den Industrieländern die häufigste Ursache ist. Nach wie vor ist in unserem Lifestyle Alkohol fester, fast unerschütterlicher Bestandteil. Nicht unbekannt ist ebenfalls, dass Nieren zu großen Mengen dem Diabetes-Typ-2 zum Opfer fallen, der als häufig vermeidbar gilt, oder auch dem Bluthochdruck, der gut beeinflussbar, reduzierbar bzw. auch vermeidbar ist. Und die Lunge: Hier ist die Hauptursache chronisch obstruktiver Atemwegserkrankungen die individuelle Belastung durch das Rauchen zu sage und schreibe 90 Prozent. Doch wo stehen wir? Beklatscht werden Erfolge in nicht rauchenden Gymnasialklassen, aber das von der WHO initiierte vollständige Tabakwerbeverbot - Werbung, die alle erreicht und anspricht - wird nicht umgesetzt; nach wie vor machen uns Plakate und Kinospots weis, dass Rauchen einfach cool ist. Wir müssen, um unsägliches Leid zu verhindern, alle nur möglichen präventiven und kurativen Maßnahmen ergreifen, um den Verlust eigener Organe weitestgehend zu vermeiden. Dann haben auch die Menschen, wo genetisch oder anderweitig medizinisch bedingt, ein Organverlust unabwendbar ist, mehr und bessere Chancen. Auch und gerade für die Organtransplantation brauchen wir dringend eine moderne Gesundheitsförderung und Prävention, anders werden wir die Diskrepanz zwischen Bedarf an Organen und möglichen Spenden nicht beherrschen können. Ich bin froh, dass wir etwas in die richtige Richtung bewegt haben, aber dieser Weg ist noch nicht abgeschlossen. Wir werden als LINKE weiterhin schieben, um den Prozess der Organtransplantation vorbildlich zu organisieren. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): -Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir jetzt noch einmal die Möglichkeit haben, über das Thema Organspende zu debattieren. Mit den Verlautbarungen des Bundesministers für Gesundheit aus dem vergangenen Herbst wurde der Eindruck vermittelt, als seien mit der Reform des Transplantationsgesetzes vom Juni 2012 und mit dem Spitzengespräch vom 27. August infolge der Wartelistenmanipulationen eigentlich alle Probleme gelöst. Dass dies nicht der Fall war, haben wir in den letzten Monaten gesehen. Es ist auch der Hartnäckigkeit von uns Grünen zu verdanken, dass die Debatte über bessere Strukturen und Regelungen in der Organspende nicht beendet wurde. Es gab ja manchen, der das gerne gesehen hätte, sei es, um von eigenem Fehlverhalten abzulenken, sei es aus der fragwürdigen Überzeugung, zu viel Transparenz würde zu Vertrauensverlust führen. Hätten wir dem nachgegeben, wäre es eher bei marginalen Änderungen geblieben. Wir sind ganz im Gegenteil der Überzeugung, dass ein starkes Signal für Transparenz und unabhängige Kontrollen erst Vertrauen sichern bzw. wiederherstellen kann. Es gab und gibt bei manchen Beteiligten anscheinend fortdauernd eine große Furcht davor, die wirklichen -Ursachen der Organspendeskandale der letzten Monate zu betrachten, weil dies zwangsläufig dazu führt, die derzeitigen Strukturen im Transplantationssystem ganz grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen. Durch zwar lange, aber zuletzt ergebnisorientierte Beratungen zwischen den Berichterstattern der Fraktionen und dem BMG konnten wir in der letzten Woche einige wichtige Änderungen im Transplantationsgesetz beschließen. Die grüne Hartnäckigkeit hat sich gelohnt: Wir haben die Richtlinien der Bundesärztekammer unter einen Genehmigungsvorbehalt gestellt. Und wir haben einen neuen Straftatbestand für Wartelistenmanipulationen geschaffen. Zudem ist die Einführung eines Transplantationsregisters geplant, mit dem zukünftig die Qualität von Transplantationen dauerhaft überwacht werden soll. -Darüber hinaus wird die Bundesregierung verpflichtet, dem Deutschen Bundestag in den nächsten Jahren jährlich einen Bericht über aktuelle Entwicklungen in der Transplantationsmedizin vorzulegen. Damit soll der Gesetzgeber zukünftig in die Lage versetzt werden, Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenzuwirken. Schließlich haben wir eine Fachanhörung zu der Frage durchgeführt, wie eine geeignete öffentlich-rechtliche Legitimierung und Verantwortung sowohl der -Organisation der Organspende als auch der Kontrolle des Transplantationssystems, einschließlich des Vermittlungsverfahrens, organisiert werden muss. Von all diesen Änderungen war im letzten Herbst noch nicht die Rede - wenigstens nicht in der Koalition. Wenn Sie ehrlich sind: Wir haben Sie da auch ein bisschen zum Jagen tragen müssen. Uns verbindet die Hoffnung, das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende wiederherstellen zu können. Der vorliegende interfraktionelle Antrag ist als öffentlicher parlamentarischer Beitrag sicher ein wichtiges Signal. Gerade weil - wie wir am Montag in der Anhörung von der Vorsitzenden der Prüfungskommission gehört haben - nicht ausgeschlossen ist, dass bei den geplanten, nun anstehenden Prüfungen weitere Manipulationen ans Licht kommen, ist es wichtig, dass der Gesetzgeber unmissverständlich klarmacht, dass nunmehr Transparenz, unabhängige Kontrollen und Verteilungsgerechtigkeit auf der Grundlage rechtsstaatlicher Kriterien das deutsche Transplantationswesen bestimmen müssen. Erst dann besteht überhaupt die Chance, dass eine hoffentlich ergebnisoffene Aufklärung wie etwa die Informationen der Krankenkassen an dem unguten Gefühl, das viele Menschen derzeit beim Thema Organspende beschleicht, etwas werden ändern können. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass sie zur Organspende überredet werden sollen. Nur so lässt sich das Vertrauen der Bevölkerung in das System nachhaltig wieder herstellen. Wir unterstützen den interfraktionellen Antrag, weil er die schon genannten wichtigen Änderungen enthält. Die vielen Enthüllungen der letzten Monate haben aber auch gezeigt, dass es sich dabei eben nicht - wie oft behauptet - um bedauerliche Einzelfälle handelt. Wir sind daher weiterhin der Ansicht, dass es weitere grundlegendere Strukturveränderungen in der Transplantationsmedizin braucht. Viele Ärztinnen und Ärzte, die vor Ort in diesem Bereich tätig sind, teilen übrigens diese Ansicht. Die Feststellung, dass wir beispielsweise zu viele Transplantationszentren in Deutschland haben, die in ungutem Konkurrenzdruck zueinander stehen, gehört mittlerweile schon fast zum Allgemeingut - selbst bei den Vertretern der Selbstverwaltung. Und auch die Tatsache, dass die derzeitigen Kontrollgremien gar nicht über die Kapazitäten verfügen, eine dauerhafte Kontrolle aller Zentren sicherzustellen, ist eigentlich allen Beteiligten klar. Darüber hinaus müssen sämtliche Vermittlungs-entscheidungen - auch solche, die auf Ausnahmeregelungen basieren - transparent gemacht werden. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftige Bundesregierung hier vorausschauender agiert und zusammen mit dem Bundestag für ein vertrauenswürdiges System sorgt, damit sich die Probleme um die Organspende nicht zu einem "Schrecken ohne Ende" entwickeln. Anlage 22 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes - Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz - Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz (Tagesordnungspunkt 16) Norbert Geis (CDU/CSU): Die beiden Anträge berühren einen der wichtigsten Grundsätze unserer Verfassung: die Gewaltenteilung in Exekutive, Legislative und Judikative. Die Gewaltenteilung gehört zum klassischen Fundus aller europäischen Staaten. Sie ist Bestandteil dessen, was wir unter Rechtsstaat verstehen. Rechtsstaatlichkeit bedeutet Ausübung staatlicher Macht mit dem Ziel, den Bürgerinnen und Bürgern Freiheit, Gerechtigkeit, Sicherheit und vor allem die jeweils persönliche Würde zu gewähren. Die Gewaltenteilung ist Bestandteil dieses rechtsstaatlichen Prinzips. Der Kern dieser Idee liegt darin, dass der einzelne Mensch nicht der erdrückenden Macht des Staates ausgeliefert ist. Deshalb muss die öffentliche Gewalt nicht nur demokratisch organisiert, sondern auch mit Gegengewichten austariert sein. So wird am ehesten erreicht, dass der Einzelne seine Würde und seine Freiheit behält und nicht im Räderwerk der geballten staat-lichen Macht untergeht. Dieses Prinzip der Gewaltenteilung findet sich in der Proklamation der Menschen- und Bürgerrechte von 1789. Dieses Prinzip ist allerdings viel älter. Es findet sich bei Aristoteles, Locke, Montesquieu und bei Kant. Da es sich bei der Gewaltenteilung um ein elementares Prinzip unseres Rechtsstaates handelt, wird sie demgemäß auch von der Ewigkeitsklausel in Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz erfasst. Sie ist Bestandteil jener Ordnung, gegen deren Beseitigung alle Deutschen das Recht auf Widerstand haben, Art. 20 Abs. 4 GG. Zu diesem Organisationsschema der Staatsgewalt in Legislative, Exekutive und Judikative kommt der Föderalismus als ein weiteres Element der Gewaltenteilung. Natürlich üben auch Rundfunk und Presse, die sogenannte vierte Gewalt, eine die Staatsgewalt begrenzende Wirkung aus. Dies gilt auch für weitere rein gesellschaftliche Kräfte und insbesondere auch für den Einfluss der Wirtschaft. Diese haben jedoch nicht teil an der öffentlichen Gewalt. Sie haben dafür keinerlei Legitimation im rechtsstaatlichen Sinn. Sie haben zwar Macht, aber keine demokratisch legitimierte Macht. Eine weitere Überlegung scheint mir in diesem Zusammenhang notwendig. Die einzelnen Gewalten sind nicht scharf voneinander getrennt. Das Grundgesetz kennt nicht nur die klassische Gewaltenteilung, es kennt vielmehr auch die Verschränkung, das Ineinanderspiel der drei Gewalten. Die Beispiele dafür sind zahlreich. Das gilt zum Beispiel für den Vollzug der Gesetze durch die Bundesländer bis hinab zu den Gemeinden. Das gilt für die Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebung des Bundes. Das gilt aber auch im Bereich der Justiz. Die Rechtsprechung spielt im demokratischen Staatswesen keineswegs eine Nebenrolle, sondern hat eine zentrale Bedeutung. Sie schafft die Möglichkeit, Konflikte innerhalb der Gesellschaft mithilfe der Staatsgewalt zu lösen. Durch den gerechten Richterspruch wird der Einzelne vor der zweifellos demokratisch legitimierten Herrschaft der Exekutive geschützt. Schließlich hat sie die wichtige Aufgabe, durch das Strafrecht für Ordnung und gesellschaftlichen Frieden im Staat zu sorgen. Diese rechtsprechende Gewalt ist nach Art. 92 Abs. 1 GG den Richtern anvertraut. Die Richter haben das Rechtsprechungsmonopol zusammen mit den Gerichten. Die beiden anderen Gewalten haben diese rechtsprechende Gewalt nicht. Damit die Richter das Amt der Rechtsprechung ausüben können, sind sie keiner anderen Gewalt unterworfen; sie sind unabhängig. Allerdings sind die Richter dem Gesetz unterworfen, das sie auf den Einzelfall anzuwenden haben. Sie dürfen nicht selbst die Rechtsordnung schaffen. Dies ist Sache der Legislative. Schon gar nicht dürfen sie die Verfassung ändern. Das gilt natürlich insbesondere für das Verfassungsgericht. Aus der Unabhängigkeit der Rechtsprechung folgt, dass die Eigenständigkeit der dritten Gewalt im Verhältnis zu den anderen Gewalten ein besonderes Gewicht haben muss. Das Grundgesetz stellt deshalb auch an die Trennung der Justiz von der Verwaltung strenge Anforderungen. Allerdings fordert das Grundgesetz keine vollständige Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung, sondern lässt Überschneidungen zu. Dort allerdings, wo es um die Unabhängigkeit der Rechtsprechung selbst geht, ist eine scharfe Trennung vorgesehen und auch geboten. Der nicht unmittelbar der Rechtsprechung zugeordnete Bereich der Justiz ist organisatorisch und institutionell an die Exekutive angebunden. Sie gehört zur -Ressortzuständigkeit des entsprechenden Fachministers. Es gibt deshalb immer wieder die Diskussion, ob nicht die Justiz organisatorisch völlig aus der Ressortzugehörigkeit herauszunehmen ist, wie das auch in anderen europäischen Ländern der Fall ist. Dies ist jedoch keine verfassungsrechtliche Frage, sondern eine verfassungspolitische Frage. Der Zustand, wie wir ihn jetzt in Deutschland haben, widerspricht jedenfalls nicht der Verfassung. Ob bei der völligen Herauslösung der gesamten Justiz aus der Verwaltung die demokratische Legitimation nicht verloren geht, ist fragwürdig. Wohl aber könnte man eine solche vollständige Eigenständigkeit der Justiz so gestalten, dass sie verfassungsrechtlich tragbar wäre. Es ist jedoch die Frage, ob dies in der Sache eine größere Effizienz bringen würde. Wir haben europa- und weltweit eine sehr gut funktionierende Justiz. Die Behauptung, die Justizministerien könnten in irgendeiner Weise Einfluss nehmen auf die richterliche Unabhängigkeit, ist durch nichts bewiesen. Es gibt Beispiele genug, aus denen sich geradezu das Gegenteil folgern lässt. Es ist auch eine Illusion, zu glauben, dass Personalentscheidungen allein durch richterliche Gremien per se sachgerechter seien als durch ein Ministerium. In den Gerichten gibt es "Karriereseilschaften", durch welche die eigenen Leute vorangebracht und andere ausgeschlossen bleiben, auch wenn sie noch so qualifiziert sind. Auch sollte man die Justizminister nicht aus ihrer Verantwortung entlassen, dafür Sorge tragen zu müssen, dass alles getan werden muss, damit die Rechtsprechung funktionieren kann. Auch die Anbindung der Staatsanwaltschaften an das jeweilige Fachministerium hat sich bewährt. Die Staatsanwälte sind nicht politisch motivierten Weisungen unterworfen, sondern allein Weisungen aus rechtlicher Sicht. Außerdem unterliegen sie dem -Legalitätsprinzip. Kein Justizminister in Deutschland würde sich getrauen, einem Staatsanwalt eine nicht sachgerechte Weisung zu erteilen. Er hätte morgen sein Amt verloren. Die beiden vorgelegten Gesetzentwürfe sind aber durchaus diskussionswürdig. Sie geben zumindest Gelegenheit, über das Zusammenspiel der Gewalten und über unser gesamtes Verfassungsgefüge vertieft nachzudenken. Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU): Die vorliegenden Gesetzesentwürfe der Fraktion Die Linke zur organisatorischen Unabhängigkeit der Justiz von der Exekutive haben zwei Fragen aufgeworfen: Erstens. Gibt es tatsächlich praktische Probleme im System der Justiz, die eine solch tief greifende Reform des Justizapparats erforderlich machen? Zweitens. Sind die Vorschläge der Fraktion Die Linke geeignet, etwaige strukturelle Probleme zu lösen? Beide Fragen beantworte ich mit einem klaren Nein, und ich nutze gerne die Gelegenheit dieser Debatte, um nochmals ausdrücklich festzustellen: Die Justiz in Deutschland funktioniert sehr gut. Sie ist im internationalen Vergleich effizient, frei von Korruption und fachlich auf hohem Niveau. Deshalb genießt sie in der Bevölkerung zu Recht ein hohes Ansehen. In dieser Legislaturperiode haben wir sie noch besser gemacht: Wir haben den Schutz vor überlangen Gerichtsverfahren - auch solche gibt es ausnahmsweise - ausgebaut, sodass jeder Bürger nunmehr das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz in angemessener Zeit besser durchsetzen kann; ansonsten steht ihm eine Entschädigung zu. Auch sind wir mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten einen entscheidenden Schritt in Richtung sichere und anwenderfreundliche E-Justice gegangen. Unbestritten wäre eine Abhängigkeit oder gar inhaltliche Steuerung der richterlichen Tätigkeit durch die Exe-kutive, wie sie die Fraktion der Linken behauptet, mit Art. 97 Grundgesetz nicht vereinbar. Entschieden möchte ich an dieser Stelle aber dem Eindruck entgegentreten, dass die Entscheidungsbefugnisse der Exekutive in Bezug auf die Ausstattung der Justiz oder auf Personalentscheidungen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung infrage stellen. Da ich während meiner Zeit als Amtsrichterin selbst keine einzige Einflussnahme der Exekutive in Form von Steuerungen von Karrieren durch Entscheidungen über die Beurteilung, Beförderung und andere Personalmaßnahmen auf die Justiz erlebt habe, habe ich in der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss den Vertreter der Neuen Richtervereinigung nach konkreten Beispielen gefragt. Schließlich sind die Entwürfe der NRV und der Fraktion Die Linke inhaltsgleich. Konkrete Beispiele dafür, dass seitens der Exekutive auf die Richterschaft eingewirkt wird, und zwar mit welcher Erwartungshaltung, welcher Methodik, welcher Zielrichtung, konnten mir aber nicht genannt werden. Vielmehr werden Gefahren als Folge der Ausübung der Justizverwaltung durch die Exekutive lediglich theoretisch behauptet; über das Beurteilungs- und Beförderungswesen könne Einfluss genommen werden, was informelle Abhängigkeitsstrukturen begünstige. Betrachten wir ganz objektiv den Global Competitiveness Report 2012-2013 des Weltwirtschaftsforums, so muss man feststellen, dass die deutsche Judikative im Bereich der Unabhängigkeit weltweit auf dem siebten Platz und damit deutlich vor den klassischen Vertretern einer selbstverwalteten Justiz liegt. Die von den Linken vorgeschlagenen Organisationsstrukturen bieten also -gerade keine Gewähr, zu mehr tatsächlicher Unabhängigkeit der Rechtsprechung zu kommen. Klassische Vertreter einer selbstverwalteten Justiz wie Frankreich, Spanien und Italien liegen auf den Plätzen 39, 60 und 68 dieses Reports - deutlich hinter Deutschland. Selbst wenn man ein Abhängigkeitssystem annehmen würde, so verweist Herr Professor Wittreck von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster zu Recht darauf, dass die Entwürfe der Fraktion Die Linke das Problem nicht lösen, sondern nur ein Abhängigkeitssystem durch ein anderes ersetzen, das Problem also nur verlagern würden. Während sich ein Richter bislang, hypothetisch betrachtet, an den Erwartungen des Ministerialdirektors im Justizministerium orientieren könnte, würde er im Rahmen der Selbstverwaltung über die Erwartungen eines Mitglieds des Justizrates oder Wahlausschusses nachsinnen. Die behaupteten Gefahren für die Unabhängigkeit der einzelnen Richter bzw. die Politisierung derselben würden also nicht beseitigt, sondern nur vom Ressortminister auf den Justizrat verlagert. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass ein Ressortminister dem Parlament und in periodischem Abstand dem Wähler gegenüber für seine Justizpolitik verantwortlich ist; für den Justizrat gilt dies nicht. Nichts spricht dafür, dass wechselnde Präsidentschaften und rotierende Justizräte dazu beitragen würden, eine effektivere Justizverwaltung zu gewährleisten. Auch jetzt ist die Justiz bereits maßgeblich an organisatorischen Abläufen beteiligt. So verwalten im Präsidium die Richterinnen und Richter ihr Gericht selbst, soweit es um die Zuweisung der richterlichen Aufgaben und die Zusammensetzung der Spruchkörper geht. Richterdienstgerichte sorgen dafür, dass gravierendere Disziplinarmaßnahmen in Bezug auf richterliche Unabhängigkeit ausgesprochen werden. Das Ministerium gibt die ihm vom Parlament bewilligten Haushaltsmittel im Rahmen der dezentralen Budgetierung zum größten Teil an die Gerichte und Staatsanwaltschaften zur eigenverantwortlichen Verwaltung weiter. Zu erkennen ist also, dass die Justizverwaltung ein vitales Interesse an der rechtzeitigen und umfassenden Einbindung der Gerichte und Staatsanwaltschaften hat, um deren justizpraktisches Know-how zu nutzen. Entscheidend ist: Jede Ausübung von Staatsgewalt erfordert ihre demokratische Legitimation; sie muss auf das Volk als Legitimationssubjekt rückführbar sein. Gerade daran mangelt es dem Vorschlag der Fraktion Die Linke, in dem sich der Justizrat eben nicht auf eine ununterbrochene demokratische Legitimationskette stützen kann. Weder wäre der Justizrat durch das Volk legitimiert noch ist in dem Gesetzentwurf eine staatliche Rechtsaufsicht über diese vorgesehen. Es würde nach dieser Vorstellung eine von jeder demokratischen Kontrolle freie Richterschaft Entscheidungsträger hervorbringen, die sich unter Berufung auf richterliche Status-privilegien jeder parlamentarischen Kontrolle entziehen könnten. Nicht zuletzt deshalb gehe ich auch weiterhin fest davon aus, dass die Bundesländer eine etwaige Grundgesetzänderung nicht mittragen würden. Die Union kann den vorliegenden Entwürfen deshalb nicht zustimmen. Dr. Edgar Franke (SPD): In den Gesetzentwürfen der Fraktion der Linken im Deutschen Bundestag zur Herstellung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz wird gefordert, dass Deutschland den Anschluss an den europäischen Standard der Rechtsstaatlichkeit -finden und die Justiz in Bund und Ländern institutionell unabhängig ausgestaltet werden soll. Dies haben wir in erster Lesung diskutiert. Des Weiteren hatten wir die öffentliche Anhörung zu den Gesetzentwürfen. Hier wurde unsere Sicht weitgehend bestätigt: Eine von parlamentarischem Einfluss freie Justizverwaltung widerspricht dem Kerngehalt des Demokratieprinzips des Grundgesetzes und kann auch durch Verfassungsänderung nicht vorgesehen werden. Das Gewaltenteilungsprinzip und andere verfassungsrechtliche Prinzipien und Regelungen gebieten nicht die Einführung der Selbstverwaltung der Justiz. Die Einführung einer Selbstverwaltung ist weder notwendig noch wünschenswert und zweckmäßig. Sie ist demokratietheoretisch höchst problematisch. Sie stärkt nicht die parlamentarische Demokratie des Grundgesetzes, sondern "ständestaatliche Tendenzen", wie es Professor Hans-Jürgen Papier im Rahmen der Anhörung formulierte. Es muss vielmehr festgestellt werden, dass die richterliche Unabhängigkeit, die verfassungsgarantierte richterliche Unabhängigkeit, nicht von einer Selbstverwaltung der Justiz berührt wird oder abhängig ist. Eine sich selbst verwaltende Justiz läuft Gefahr, den eigenen finanziellen Interessen hinterherzulaufen. Hinzu kommt: Eine Selbstverantwortung würde den Staat nicht von seiner Pflicht entbinden, die Justiz so zu organisieren und auszustatten, dass diese ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung entsprechen kann. Das Grundgesetz konstituiert ein System der Gewaltenverschränkung, nicht der Gewaltentrennung. Sie, werte Kollegen von der Fraktion Die Linke, konnten nicht belegen, dass eine Strukturreform verfassungspolitisch notwendig oder gar verfassungsrechtlich zulässig ist. Das bestehende Justizsystem weist keine gravierenden Mängel auf. Es gibt keine Probleme mit der Unabhängigkeit der Richter. Im Gegenteil: Der Schaden wäre eindeutig höher als der Nutzen. Das sind zumindest meine Erkenntnisse aus der Expertenanhörung. Daher lehnen wir Ihre Gesetzentwürfe ab, wie es der Rechtsausschuss auch mehrheitlich empfohlen hat. Marco Buschmann (FDP): Die Diskussionen über eine weitere Stärkung der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz sind grundsätzlich gut und wichtig. Jedoch zeigt der Blick über die Grenzen, dass die deutsche Justiz heute bereits auf hohem Niveau, effektiv, kostengünstig und auch unabhängig arbeitet. Das belegen beispielsweise internationale Vergleichsstudien. Die deutsche Justiz belegte etwa im Global Competitiveness Report 2011-2012 weltweit den siebten Platz. Länder dagegen, in denen es justizielle Selbstverwaltungsstrukturen gibt, wie sie der Entwurf vorschlägt, wie etwa Frankreich, Italien und Spanien, liegen stattdessen weit hinter Deutschland mit aktuellen Rängen von 37, 60 und 65. Deutschland kann also stolz sein auf sein Justizsystem. Unsere Richterinnen und Richter, unsere Staatsanwältinnen und Staatsanwälte leisten hervorragende Arbeit - und zwar im Rahmen unseres Justizsystems, wie es derzeit ist. Die Fakten sprechen also dagegen, hier Hand anzulegen und fundamentale Veränderungen - zumal am Grundgesetz - vorzunehmen. In der öffentlichen Anhörung zu den Gesetzentwürfen wurde darüber hinaus von den Sachverständigen auch noch auf Gefahren hingewiesen, die mit dem Entwurf verbunden sind und die ich Ihnen hier nicht vorenthalten möchte: Eine Selbstverwaltung der Justiz, wie sie in den Gesetzentwürfen gefordert wird, ist eine vom parlamentarischen Einfluss freie Justiz und widerspricht damit nach Ansicht mehrerer Sachverständiger dem Kerngehalt des Demokratieprinzips; denn es entsteht eine Legitima-tionslücke zwischen der ersten und der dritten Gewalt. Den Selbstverwaltungsorganen der Justiz wäre nicht nur ein nennenswerter Anteil des jeweiligen Staatshaushaltes zur Verwendung und Verteilung zugewiesen, darüber hinaus hätten sie auch die Personalverantwortung über Tausende Mitarbeiter. Diese wichtigen Aufgaben dürfen einer demokratischen Kontrolle in Form einer parlamentarischen Verantwortlichkeit der Regierung nicht entzogen werden. Eine Selbstverwaltung der Justiz würde also Entscheidungsträger hervorbringen, die sich unter Berufung auf richterliche Statusprivilegien jeder parlamentarischen Kontrolle entziehen könnten. Diese durch die Selbstverwaltung der Justiz drohende Legitimations-lücke wird in der heutigen Justizverwaltung über die zweite Gewalt geschlossen. Ich möchte noch auf einen weiteren problematischen Punkt der Gesetzentwürfe eingehen, die Abschaffung des Proberichterstatus. Die Justizverwaltungen sind immer wieder auf Personallenkungsmaßnahmen angewiesen. An Gerichten können beispielsweise durch Personalfluktuation, Elternzeit, längerfristige Erkrankungen von Richterinnen und Richtern oder auch durch Abordnungen zu Behörden Lücken entstehen, die gefüllt werden müssen. Dazu ist es notwendig, von einem Gericht zum anderen Personal umzulenken, um zwischen den Gerichten Kapazitäten auszugleichen. Da ein auf Lebenszeit ernannter Richter nur mit seiner schriftlichen Einwilligung in ein anderes Amt versetzt werden kann, kann eine erfolgreiche Personallenkung nur mit Richtern auf Probe abgewickelt werden; denn Richter auf Probe müssen in den Grenzen des § 13 DRiG einen Dienstleistungsauftrag auch bei einem anderen Gericht oder einer Staatsanwaltschaft hinnehmen. Personallenkungsmaßnahmen werden aber auch in Zukunft unverzichtbar sein, unabhängig davon, wie eine Justizverwaltung organisiert ist. Es gibt noch einen weiteren Grund, der gegen die Abschaffung der Richterprobezeit spricht: Man kann sich weder aufgrund von Zeugnissen noch aufgrund eines Vorstellungstermins ein vollständiges Bild davon machen, wie jemand im Spruchkörper gegenüber den Beteiligten auftritt. Das zeigt erst die Praxis. Bei einer Lebenszeitanstellung sind nämlich Korrekturen nur noch in ganz extremen Ausnahmefällen möglich. Das sind nur zwei der Bedenken, die uns die Sachverständigen vorgetragen haben, die aber alleine schon ausreichen, um zu einem klaren Ergebnis zu gelangen: Wir lehnen die vorgelegten Gesetzentwürfe ab! Jens Petermann (DIE LINKE): Die in der bundesdeutschen Justiz tätigen Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte leisten in der Regel eine hervorragende und hochqualifizierte Arbeit. Darüber sind wir uns hier alle einig. Die Frage ist allerdings, unter welchen Bedingungen die Juristen arbeiten müssen. Damit meine ich zum einen die personelle, technische und bauliche Ausstattung der Arbeitsplätze. Damit meine ich zugleich aber auch informelle Abhängigkeitsstrukturen, die die Rechtsprechung mittelbar und unmittelbar beeinflussen können. In der ersten Lesung unserer beiden Gesetzentwürfe im Januar dieses Jahres war der Tenor fraktionsübergreifend eindeutig: Es ist im Jahre 2013 an der Zeit, über Verbesserungen unseres Justizsystems, welches schließlich noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, nachzudenken. Aufgrund dieses veralteten Justizsystems würde Deutschland nicht einmal mehr die Kriterien für eine Aufnahme in die Europäische Union erfüllen. In der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss haben wir unsere beiden Gesetzentwürfe ausführlich mit namhaften Juristen diskutiert. Unter ihnen war auch der von der SPD oft zitierte ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Papier. Er sieht in einer selbstverwalteten Justiz keinen Mehrwert und meint, die -Diskussion ginge an den wirklichen Problemen der -deutschen Rechtsgewähr vorbei. Indes, das Bundesverfassungsgericht ist das einzige Gericht, das sich in Deutschland heute schon selbst verwaltet. Vor diesem Hintergrund sollte sich der ehemalige Präsident des mächtigsten deutschen Gerichts, vor dessen Entscheidungen die Regierung und der Bundestag zittern, im Klaren darüber sein, in welchem Maße die Selbstverwaltung dieses Gerichts auch dessen Unabhängigkeit sichert. Ich bin davon überzeugt, dass es schädlich wäre, wenn das Finanzministerium die Mittel und das Justizministerium das Personal für dieses Gericht stellen würde. Hierzu könnten Sie mal was sagen. Wer Gesetze schafft, darf nicht mit ihrer Durchsetzung betraut sein. Wer Gesetze ausführt, ist ein schlechter Schiedsrichter, wenn es um die richtige Anwendung geht. Deshalb unterscheidet das Grundgesetz Legislative, Exekutive und Judikative und sichert Letzterer formal die Unabhängigkeit zu. Doch leider ist unsere Justiz nicht so unabhängig, wie viele immer glauben. Dafür gibt es genügend Beispiele. Die Politik hat die Personalpolitik in der Justiz fest im Griff. Das geben die Entscheidungsträger in der Justiz natürlich nicht zu. Durch das Leugnen dieses Einflusses funktioniert dieses System seit Jahrzehnten fast reibungslos. Und es sind nicht nur die hohen Justizämter, die nach Parteiproporz vergeben werden. Schon bei den Einstellungen und Beförderungen kann die Parteizugehörigkeit des Kandidaten unter Umständen eine entscheidende Rolle spielen. Nach meinem Verständnis ist damit bereits frühzeitig eine Beeinträchtigung der Unabhängigkeit möglich und findet auch statt. Nach unserem Modell bekommen Richter eine einheitliche Besoldungsgruppe und für Beförderungsämter, welche durch Wahlen zeitlich begrenzt vergeben werden, eine zeitlich begrenzte Zulage. Damit ist dieses unsägliche Streben nach den Beförderungen und das damit verbundene Anbiedern bei den Vorgesetzen vom Tisch. Mit dem Haushaltsplan machen die Ministerien verbindliche Vorgaben hinsichtlich der Anzahl der durch den einzelnen Richter zu erledigenden Verfahren. Und wenn ein Richter oder eine Richterin mehr Zeit für ein Verfahren benötigt, muss diese bei einem anderen wieder eingespart werden, oder es entsteht ein wachsender Berg an Altverfahren. Beim Oberlandesgericht Karlsruhe zum Beispiel hat sich ein Richter mehr Zeit zur Gründlichkeit genehmigt und darum die ministeriellen Maßstäbe der Verfahrenszahlen nicht erfüllt. Das hat nun dienstrechtliche Konsequenzen für ihn. Die Präsidentin des OLG hat zwei Verfahren gegen diesen ihren Richter eingeleitet. Da wird die richterliche Unabhängigkeit zu einem zahnlosen Papiertiger. Unsere Justiz braucht mehr Personal, eine bessere Ausstattung und die Abschaffung der Ungerechtigkeiten des Besoldungsföderalismus. Was, wie viel und wo gebraucht wird, kann die Justiz besser beurteilen als ein Beamter in warmen und trockenen Ministerialstuben. Die Linksfraktion hat sich mit den beiden Gesetzentwürfen der Probleme angenommen und Lösungen aufgezeigt, sehr gute Lösungen für die Richterschaft und die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Deshalb bitte ich Sie, unseren Gesetzentwürfen zuzustimmen. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man kann und muss einen kritischen Blick auf die Lage der Justiz in Deutschland richten. Sie ist strukturell überlastet durch personelle und sächliche Ausdünnung bei gleichzeitiger Übertragung immer weiterer Aufgaben der Rechtsprechung in immer weiteren Lebensbereichen mithilfe immer komplizierter werdender Rechtsnormen. Die Europäisierung und Internationalisierung der Rechtsnormen kommen erschwerend hinzu. Hier sind die Länder in der Pflicht. Bei allem Verständnis für die Notwendigkeit der Konsolidierung der Haushalte: An der Justiz zu sparen, bringt so gut wie nichts und schadet gewaltig. Der Bund, also wir, der Gesetzgeber, kann und muss das seine dazu tun. Klare Normbefehle, Rückbau des Paragrafendschungels, Konzentration der Ressourcen der Dritten Gewalt auf ihre Kernaufgaben: Schon das würde die Justiz gewaltig entlasten. Im Rechtsstaat muss gerade die Justiz frei und unabhängig sein. Nur so kann sie ihre Aufgabe erfüllen, ohne Ansehen der Person Recht zu sprechen, Gerechtigkeit gegenüber jedermann und -frau zu üben und der Legislative wie der Exekutive die Stirn zu bieten. Auch hier liegt vieles im Argen. Diejenigen, die keine Beeinflussung der Richterinnen und Richter erkennen können, die die Macht der Exekutive über die Judikative schlicht leugnen, kommen mir vor wie die berühmten drei Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Dabei ist doch eigentlich nicht zu überhören: Wenn vom Bayerischen Richterverein bis zur Neuen Richtervereinigung sämtliche Richterorganisationen seit Jahren eine grundsätzliche Reform der Justiz in Deutschland zu mehr Autonomie und Selbstverwaltung einfordern, gehört schon ein gehöriges Maß an Ignoranz dazu, jeglichen Bedarf an strukturellen Veränderungen in der deutschen Justiz zu leugnen. Wir Grünen nehmen die Stimmen aus der Richterschaft wie auch aus der Staatsanwaltschaft ernst und werden den Diskussionsprozess, der längst schon die Politik in den Ländern erreicht hat, auch auf Bundesebene weiterführen und in der nächsten Legislaturperiode selbst konkrete Vorschläge machen. Das tun wir gerne und mit vollem Einsatz für eine demokratische und rechtsstaatliche Justiz auch in Regierungsverantwortung; denn CDU/CSU und FDP scheinen hier weiterhin die schon erwähnten drei Affen spielen zu wollen. Heute diskutieren wir zum wiederholten Male zwei Gesetzesvorschläge der Linken, die, wie sie auch freimütig eingesteht, die Vorschläge der Neuen Richtervereinigung abgeschrieben hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, man kann auch die besten Ideen ins Abseits stellen, wenn man sie mit Argumenten zu untermauern versucht, die offensichtlich nicht tragen und viele vor den Kopf stoßen, die es zu gewinnen gilt. So schreiben Sie doch wirklich in Ihrer Begründung, Deutschland müsse den Anschluss an den europäischen Standard der Rechtsstaatlichkeit finden und sich an der großen Mehrheit der anderen europäischen Demokratien orientieren. Mir fällt es schwer, mehr als zwei oder drei Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu nennen, deren Justiz ich gerne als Beispiel und Vorbild nennen würde. Kollege Petermann meint, er könne in diesem Parlament Zustimmung zu umfangreichen Verfassungsänderungen erhalten, wenn er die These aufstellt, Deutschland würde - ich füge hinzu: anders als Ungarn, Bulgarien, Rumänien oder Kroatien - wegen des institutionellen Zustands unserer Justiz die Aufnahme in die Europäische Union zu versagen sein. Schön klotzig klang auch der Vorwurf, wer sich der Diskussion über Justizreformen nicht stelle, verharre in der letzten Trutzburg des spätfeudalen Deutschen Kaiserreichs. Ich kann nur sagen: Laut gebrüllt Löwe, aber in der Sache bringt eine solche Debatte nichts. Ich will lieber vier Grundfragen vorstellen, die den uns notwendig erscheinenden Reformbedarf skizzieren: Da ist zuerst die Frage nach der Einstellung der Richterinnen und Richter und je nach der Beantwortung der nächsten Fragen auch deren Beförderung und Berufung in herausgehobene Positionen. Wir halten es für richtig, diese Aufgaben in den Ländern wie im Bund in die Hände der Legislative und der Richterinnen und Richter selbst zu legen. Ministerinnen oder Minister können daran beteiligt bleiben, jedoch ohne Veto oder sonstiges alleiniges letztes Wort. Die so zu gründenden Richterwahlausschüsse müssen mit doppelter Mehrheit der legis-lativen Mitglieder entscheiden, weil nur so die demokratische Legitimation und Kontrolle gesichert werden. Dann ist als Zweites die Frage der Laufbahnen zu beantworten. Wollen wir weiterhin Richterinnen und Richter, die zu Vorsitzenden, Direktoren oder Präsidenten auf Lebenszeit aufsteigen können und dafür auch eine erhöhte Besoldung bekommen, oder wollen wir Richterinnen und Richter ohne Furcht und ohne Hoffnung - im Grundsatz als Gleiche unter Gleichen, mit Funktionsstellen auf Zeit und mit direkter demokratischer Legitimation? Wir Grünen präferieren das Modell eines einheitlichen Richterbildes, möchten aber in einen noch intensiveren Diskussionsprozess mit den Betroffenen einsteigen; denn ohne Akzeptanz in der Justiz ist eine solche wirklich epochale Veränderung nicht zu realisieren. Der Idee im Vorschlag der Linken, dabei auch auf Richter auf Probe zu verzichten, kann ich allerdings nichts Gutes abgewinnen. Vor einer Lebenszeitbestellung praktisch ohne jegliches Arbeitsplatzrisiko muss es eine Phase der Erprobung geben, in der sich die bei der Einstellung prognostizierte Eignung und Befähigung erweisen müssen. Drittens ist die Frage der Selbstverwaltung der inneren Angelegenheiten der Justiz, ihrer Arbeitsabläufe und die Verteilung der personalen wie sächlichen Ressourcen bis zur eigenständigen Anmeldung des Justizhaushalts gegenüber dem entscheidenden Parlament zu beantworten. Vieles spricht dafür, der Justiz ein größtmögliches Maß an Autonomie zu gewähren. Dies geht jedoch nur bei gleichzeitiger effektiver und durchgreifender demokratischer Kontrolle; denn auch die Justiz muss sich, wenn sie die ihr zugewiesenen Mittel autonom verwalten will, gegenüber dem Haushaltsgesetzgeber verantworten. Schließlich stellt sich viertens die Frage nach der Einordnung der Staatsanwaltschaft in den Ländern wie im Bund. Ist sie genuiner Teil der Dritten Gewalt, Teil der Rechtsprechung und deshalb den Richterinnen und Richtern insbesondere in völliger Unabhängigkeit gleichzustellen, oder ist sie in einer Zwitterstellung Teil der Justiz wie Teil der Exekutiven, was ein Mindestmaß an Führung und Kontrolle durch die jeweilige Regierung erfordert, wobei sich die Regierung dafür wiederum dem Parlament gegenüber zu verantworten hat? Hier haben wir den größten und klarsten Widerspruch zu den Vorschlägen der Linken wie auch den Vorstellungen der Richter- und Staatsanwaltsvertretungen anzumelden. Die Staatsanwaltschaft beherrscht das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und leitet und beaufsichtigt dabei die ihr unterstellte Polizei. Sie handelt dabei klassisch gewaltausübend und greift tief in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger ein. Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen, Festnahmen, Telefonabhörungen, der Einsatz von verdeckten Ermittlern und vieles andere mehr sind keine Akte der Rechtsprechung im engeren Sinne, sondern der Einsatz legitimierten staatlichen Zwangs. Die Bindung der Staatsanwaltschaft an das Gesetz ändert daran nichts. Sie schützt die Bürgerinnen und Bürger - was aber für sich schon viel ist - vor Willkür bei den gegen sie gerichteten Ermittlungstätigkeiten. Gerade aber bei den Ermittlungen unterliegt die Staatsanwaltschaft den Begrenzungen durch die Richtervorbehalte und damit der Kontrolle durch die Dritte Gewalt. Im rechtsstaatlichen Strafrecht geht es gerade darum, exekutiven Maßnahmen die Unabhängigkeit rich-terlicher Überprüfung entgegenzusetzen, um so staatliche Zugriffe zu kontrollieren und damit gleichsam zu begrenzen. Damit ist die Staatsanwaltschaft, wie auch als Gegenpol die Verteidigung, Teilorgan der Rechtspflege und gleichzeitig, entgegen der Verteidigung als einseitiger Parteivertretung, der Vollstrecker des Strafanspruchs des Staates und zieht und gebraucht das schärfste Schwert, das dem Staat legitim zur Verfügung steht: die Anwendung unmittelbaren Zwangs in vielfältigen Formen. Diese Doppelgesichtigkeit zwingt auch zu einer eigenständigen Bewertung der Rolle und des Standorts der Staatsanwaltschaft. Sie kann und soll im demokratischen Rechtsstaat mehr als bisher autonom und demokratisch strukturiert sein. Sie muss vor allen unlauteren und politischen Einflüssen geschützt werden - dies schon deswegen, weil es ihre Aufgabe ist, ohne Ansehen der Person auch in Fällen von Regierungskriminalität zu ermitteln. Deshalb sind wir für die Abschaffung jeglichen externen einzelfallbezogenen Weisungsrechts. Die Staatsanwälte sollten jedoch auch in Zukunft einem internen, transparenten und kontrollierbaren und einem allgemeinen Weisungsrecht unterstehen, welches die Spitzen der Exekutive der Öffentlichkeit und den jeweiligen Parlamenten gegenüber zu verantworten haben. Aus diesen wohlüberlegten Gründen lehnen wir deshalb die völlige Einbindung der Staatsanwaltschaft in die Dritte Gewalt und ihre völlige Gleichstellung mit den Richterinnen und Richtern ab. Auf dieser Grundlage werden wir in der nächsten Legislaturperiode die Diskussion um eine Reform der Justiz in Deutschland vorantreiben, die einen Vergleich mit Dritten Gewalten in Europa einerseits nicht zu scheuen braucht, deren Reformbedarf andererseits aber gar nicht wegzudiskutieren ist. Anlage 23 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Entwürfe: Gesetz zu dem Vertrag vom 2. April 2013 über den Waffenhandel (Tagesordnungspunkt 17) Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Am 3. Juni 2013 hat Außenminister Westerwelle den Vertrag über die Regulierung von Waffenhandel in New York unterzeichnet. Damit setzt sich Deutschland gemeinsam mit über 60 anderen Staaten für die Implementierung verbindlicher Regeln im Bereich der Rüstungsexporte ein und übernimmt, was die rasche Ratifizierung betrifft, eine Vorreiterrolle. Der Vertrag ist ein Meilenstein unserer globalen Anstrengungen um Rüstungskontrolle und Sicherheit. Eine erfolgreiche Implementierung ethischer Mindeststandards im Rüstungsexportsektor stellt für das Völkerrecht ein Novum dar. In Deutschland haben wir bereits einen restriktiven juristischen und politischen Rahmen für Rüstungsexporte mit GG Art. 26, dem Kriegswaffenkontrollgesetz und den Politischen Richtlinien. Global gesehen hat aber das Fehlen umfassender internationaler Kontrollinstrumente insbesondere in innerstaatlichen kriegerischen Auseinandersetzungen zu einer ungezügelten Proliferation leichter Waffen geführt, die zu einer Eskalation der Konflikte beigetragen hat. Mit diesem Vertrag wird eine Leerstelle in unserem völkerrechtlichen Vertragswerk gefüllt, getragen von einer breiten Zustimmung und Unterstützung der UN--Generalversammlung, wo 155 der 193 repräsentierten Staaten dem Abkommensentwurf ihre Zustimmung erteilten. Einige dieser Staaten standen in ihrer Vergangenheit selbst im Zentrum blutiger Konflikte, die durch -unregulierte Waffenexporte verschärft wurden. Es ist zu hoffen, dass diese Länder in Zukunft eine bessere Chance haben werden, für ihre Bürger Frieden und Stabilität zu garantieren. Ich möchte kurz auf die wichtigsten Eckpfeiler des Abkommens zu sprechen kommen. Der Vertrag gilt in den nächsten sechs Jahren und kann in der Folge nur durch eine Dreiviertelmehrheit auf der Konferenz der Vertragsstaaten verändert werden. Lassen Sie mich kurz den Geltungsbereich des Vertrages skizzieren. Neben den bereits erwähnten Kleinwaffen werden auch Großwaffensysteme, Munition und einzelne Bauteile erfasst. In der Praxis bedeutet dies, dass der Export von Panzern, bewaffneten Fahrzeugen, schweren Artilleriesystemen, Kampfflugzeugen und -hubschraubern, Kriegsschiffen, Raketen und Raketenwerfern sowie kleinen und leichten Waffen fortan strenger kontrolliert und reguliert wird. Sobald nun einem Staat klare Indizien vorliegen, dass die Empfängernation plant, importierte Rüstungsgüter völkerrechtswidrig einzusetzen, so muss die Genehmigung zur Ausfuhr zurückgezogen oder darf erst gar nicht erteilt werden. Der Begriff der Völkerrechtswidrigkeit bedeutet in diesem Kontext, dass ein hohes Risiko besteht, dass Verbrechen im Sinne des humanitären Völkerrechtes - etwa Genozide oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit - in naher Zukunft verübt werden. Auch wenn die Verabschiedung des Abkommens ein Erfolg ist, so besteht weiterhin Handlungsbedarf. Unser Außenminister hat betont, dass der Vertrag "noch nicht das ist, was wir uns als endgültiges Ergebnis vorstellen. Deswegen ist dieses der erste Schritt für weitere Initiativen". Hier kann ich nur zustimmen. Wir haben uns zwar während der Debatten über die Vertragskonzeption vehement für die Schaffung stärkerer Sanktionsinstrumente im Falle der Nichtbeachtung eingesetzt, doch leider herrscht in dieser Frage innerhalb der internationalen Gemeinschaft noch kein Konsens vor. Dies gilt ebenfalls für den Auslegungsspielraum der exportierenden Staaten, wann eine Kriegswaffe potenziell für die Verletzung von Menschenrechten missbraucht werden könnte, der weiterhin relativ groß ist. Auch bei der Umleitungs-gefahr durch Re-Exporte und bei der Endverbleibs-kontrolle bestehen noch Schwachstellen, die in Folgekonferenzen angegangen werden müssen. Unsere klare Haltung gegen die Waffenlieferungen nach Syrien zeigt, dass Deutschland für die Risiken der Umleitung sensibilisiert ist und hier hohe Maßstäbe anlegt. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass der Abschluss des Abkommens ein stabiles Fundament für weitere Vorstöße bietet. Wir dürfen nicht vergessen, dass das Völkerrecht einem ständigen Wandel unterworfen ist und gerade in den letzten Jahren - insbesondere unter Einfluss des Konzepts der Responsibility to Protect - die Idee einer staatlichen Schutzpflicht immer stärker an Legitimation gewonnen hat. Abschließend möchte ich noch herausstellen, dass die schnelle Ratifikation durch den Deutschen Bundestag zeigt, wie beispielhaft die Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Legislative in diesem wichtigen Themenfeld wirkt. Wir signalisieren durch dieses entschlossene Handeln der internationalen Gemeinschaft einmal mehr, dass wir das Abkommen tatkräftig unterstützen und Rüstungskontrolle auch künftig als sicherheitspolitisches Thema ganz vorne auf der Tagesordnung sehen. Anlage 24 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Situation von Opfern von Menschenhandel in Deutschland (Tagesordnungspunkt 19 a und b) Ute Granold (CDU/CSU): Wir beraten heute abschließend über den von Union und FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Überwachung von Prostitutionsstätten. Damit schlägt die Koalition im Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution ein neues Kapitel auf. Um Prostituierte besser zu schützen, legen wir mit dem Gesetzentwurf den Grundstein für eine wirksame behördliche Kontrolle von Bordellen. Außerdem werden die Strafvorschriften zum Menschenhandel erweitert und verschärft. Mit der Legalisierung der Prostitution durch das unter Rot-Grün 2002 in Kraft getretene Prostitutionsgesetz wurde nicht erreicht, was man sich erhofft hatte. Die Zustände im Gewerbe und auf dem Strich haben sich nicht verbessert, sondern sogar deutlich verschlechtert. Nach einer aktuellen EU-Studie hat der Menschenhandel seitdem deutlich zugenommen. Die Liberalisierung hat zu einem erheblichen Anstieg der Nachfrage geführt. Der Markt in Deutschland ist mittlerweile 60-mal größer als in Schweden, wo Prostitution verboten ist. Gleichzeitig hat Deutschland 62-mal so viele Menschenhandelsopfer wie Schweden, obwohl die Bevölkerung rund 10-mal so groß ist. Da es sich bei Menschenhandel um ein Kontrolldelikt handelt, das heißt Razzien erforderlich sind, um Frauen aus den Fängen ihrer Zuhälter zu befreien, muss die Polizei bei knappen Ressourcen entsprechende Schwerpunkte setzen. Die Szene, berichten Insider, sei inzwischen noch krimineller geworden. Das hat auch die Anhörung im Rechtsausschuss am 24. Juni bestätigt. So schätzt die International Labour Organization, ILO, die Gewinne aus dem Menschenhandel auf 31 Milliarden Dollar pro Jahr, Tendenz steigend. Der Menschenhandel liegt damit vor dem Drogen- und Waffenhandel. Das Prostitutionsgesetz in Deutschland ist mit dafür verantwortlich, dass das Risiko für die Menschenhändler im Vergleich zu anderen kriminellen Märkten sehr überschaubar ist. Die Legalisierung der Prostitution war somit ungewollt ein Wachstumsprogramm für den Menschenhandel. Deutschland ist zu einem Eldorado für Menschenhändler geworden. Vor diesem Hintergrund wollen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels jetzt erst einmal umsetzen. Da die Umsetzungsfrist bereits am 6. April 2013 abgelaufen ist, beschränkt sich der Entwurf bewusst auf die Änderungen im Strafrecht, die dazu zwingend erforderlich sind. Ich habe bereits in der ersten -Lesung betont, dass ich mir als Rechts- und auch Menschenrechtspolitikerin, die sich bereits seit vielen Jahren gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel engagiert, weitergehende Maßnahmen erhofft hätte. Wenn wir diese, wie sie auch in Fachkreisen von Opferschutzorganisationen und Strafverfolgungsorganen bereits seit langem diskutiert werden, aufgenommen hätten, wäre ein Inkrafttreten des Gesetzes in dieser Wahlperiode aber nicht mehr machbar gewesen. Zugegebenermaßen ist die Zeitnot leider zum großen Teil selbst verschuldet, da sich die beteiligten Ressorts lange Zeit nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. Hier müssen sich die Liberalen zu Recht Kritik gefallen lassen. Gleichwohl ist der heute abschließend beratene Gesetzentwurf ein erster Schritt in die richtige Richtung, da die vorgesehenen Änderungen im Strafrecht und in der Gewerbeordnung mögliche Optionen zur Beantwortung der zentralen Fragen aufzeigen. Zunächst zu den Änderungen im Strafrecht: Hier soll der Tatbestand des § 233 StGB auf die Fälle des Menschenhandels zum Zweck der Ausnutzung strafbarer Handlungen und der Bettelei erweitert werden. Außerdem soll der Menschenhandel zum Zweck der Organentnahme, der derzeit lediglich als Beihilfe zu Straftaten nach dem Transplantationsgesetz strafbar ist, ausdrücklich in § 233 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB unter Strafe gestellt werden. Ferner drohen dem Täter zukünftig höhere Strafen, wenn das Opfer noch nicht volljährig ist oder leichtfertig in Lebensgefahr gebracht wird. Die Erfahrungen der Praxis haben gezeigt, dass die derzeitigen Tatbestände zum Menschenhandel im Strafgesetzbuch in der nächsten Wahlperiode insgesamt auf den Prüfstand zu stellen sind. So ist insbesondere eine Neustrukturierung mit Blick auf die objektiven Tatbestandsmerkmale erforderlich. Da Menschenhandelsopfer häufig massiv durch Drohungen - etwa gegen ihre Familien in den jeweiligen Heimatländern - unter Druck gesetzt werden, sind sie selten zur Aussage bereit. Vor diesem Hintergrund führt auch die hier umzusetzende EU-Richtlinie zu Recht aus - ich zitiere: "Damit die Ermittlungen und die Strafverfolgung bei Menschenhandelsdelikten erfolgreich durchgeführt werden können, sollte deren Einleitung grundsätzlich nicht von der Anzeige oder Anklage durch das Opfer abhängig gemacht werden." Dies haben wir jetzt in unserem Regierungsprogramm aufgegriffen: Die Union will die Straftatbestände so verändern, dass Menschenhändler bei ausreichender Beweislage auch ohne die Aussage ihrer häufig stark traumatisierten Opfer verurteilt werden können. Ferner ist eine stärkere Differenzierung der Menschenhandelstatbestände nach dem jeweiligen Zweck - also Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung bzw. zur Ausbeutung der Arbeitskraft - zu prüfen. So könnte eine Regelung bezüglich des Menschenhandels zur Ausbeutung der Arbeitskraft grundsätzlich auch über eine Einbindung im Bereich des § 291 StGB erfolgen. Zusätzlich muss endlich die Freierstrafbarkeit eingeführt werden. Wir Rechtspolitiker der Union fordern bereits seit 2004, dass diejenigen Freier strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden, die wissentlich die sexuellen Dienstleistungen einer Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Es hat mich doch sehr überrascht, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen genau dies nun ebenfalls nach jahrelangem Widerstand in einem aktuellen Änderungsantrag fordert. Ein fertiger Gesetzentwurf der Union liegt bereits seit Jahren in der Schublade. Im Kontext einer Neukonzeptionierung der Menschenhandelstatbestände kann er also ohne Weiteres aufgenommen werden. Neben der Umsetzung der Vorgaben der EU-Richt-linie gegen Menschenhandel im Strafrecht sorgen wir mit einer Änderung im Gewerberecht dafür, dass Bordelle künftig behördlich überwacht werden; denn nur da, wo kontrolliert wird, sind Prostituierte vor sexueller Ausbeutung geschützt und können Täter dingfest gemacht werden. Damit beseitigen wir eines der schweren Versäumnisse des rot-grünen Prostitutionsgesetzes von 2002. Prostitution wurde damals legalisiert, die Prostituierten aber in einem oft kriminellen Umfeld vom Staat allein gelassen. Demnächst müssen es sich Bordellbetreiber gefallen lassen, dass sie und ihr Haus kontrolliert werden. Durch eine Aufnahme der Prostitutionsstätten in den Katalog der überwachungsbedürftigen Gewerbe nach § 38 Absatz 1 der Gewerbeordnung sollen die Rahmenbedingungen der in der Prostitution tätigen Personen verbessert werden. Damit ist eine automatische Über-prüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden -unverzüglich nach der Gewerbean- oder -ummeldung verbunden. Den zuständigen Behörden stehen zur Überwachung des Betriebs darüber hinaus unter anderem die Auskunfts- und Nachschaurechte des § 29 GewO zur Verfügung. Die Grünen haben in einem ihrer Änderungsanträge die Einführung einer Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten in § 30 der Gewerbeordnung angeregt. Eine solche Erlaubnispflicht ist zwar grundsätzlich geboten, aber nicht in der hier vorgeschlagenen Weise. So wollen die Grünen eine Erlaubnis auch vom Vorliegen "positiver" Voraussetzungen abhängig machen. Danach soll der Betreiber zum Beispiel einen "Geschäftsplan" vorlegen, der sicherstellt, dass ein angemessenes Pflichtenverhältnis zu den Prostituierten besteht und deren Ausbeutung ausgeschlossen ist. Der Betreiber soll außerdem sämtliche Rechtsverhältnisse zu den in seinem Etablissement tätigen Prostituierten dokumentieren. Diese Vorgaben würden nicht nur einen erheblichen bürokratischen Aufwand für die Kontrolleure der Gewerbeaufsicht verursachen, sie zeugen auch von einer erstaunlichen Gutgläubigkeit in Bezug auf das Rotlichtmilieu. Zweifellos wird jeder Bordellbetreiber den staatlichen Kontrolleuren Pläne und Verträge vorlegen, an denen niemand etwas auszusetzen hätte. Die Zwangsprostituierten aber werden selten den Mut haben, den Inhalt solcher Dokumente infrage zu stellen. Außerdem wird die von der Union geforderte generelle Anzeigepflicht für Prostituierte, auch soweit sie selbstständig arbeiten, ausgeschlossen. Der Antrag kann daher keine Zustimmung finden. Die Anhörung hat gezeigt, dass eine Regelung der Rahmenbedingungen der Prostitution über die Gewerbeordnung nicht ganz unproblematisch ist. So lassen zum Beispiel die relativ weit gefassten Begrifflichkeiten den Bundesländern und den jeweiligen Behörden vor Ort -einen großen Spielraum bei der Anwendung und Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. Dies kann Chancen eröffnen, macht aber eine bundesweit einheitliche Lösung nicht leicht. Rechtssicherheit für alle Beteiligten ist so nur schwer zu erreichen. Vor diesem Hintergrund muss vor allem der Begriff der Prostitutionsstätten klar definiert und auf die sehr vielfältigen Ausprägungen des Gewerbes angepasst werden. So muss die Wohnungsprostitution zwingend mit erfasst werden, da Zwangsprostitution vor allem in diesem Bereich ein großes Problem darstellt. Außerdem sind zur Kontrolle der gesetzlichen Regelungen der Gewerbeordnung zunächst einmal die jeweiligen Gewerbeämter zuständig. Die Kontrolleure der Gewerbeämter können in diesem Milieu leicht an ihre Grenzen stoßen. Unabhängig davon können die Kontrollen aber auch Anhaltspunkte für Razzien liefern. Als Alternative zu einer Regelung über die Gewerbeordnung sollte in der nächsten Wahlperiode auch die Option geprüft werden, rechtliche Rahmenbedingungen in Form eines Prostitutionsregulierungsgesetzes zu erarbeiten. Darin könnten dann alle notwendigen Regelungen zusammengeführt werden. Wir müssen den Blick darüber hinaus auch auf das Aufenthaltsrecht für die Opfer von Menschenhandel richten. So kommen zum Beispiel 90 Prozent der Prostituierten aus dem Ausland, aktuell überwiegend aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn, aber auch aus Nigeria und anderen Ländern. Deshalb sollten Opfer von Menschenhandel in Deutschland ein Bleiberecht erhalten. Dies würde sicherlich auch die Aussagebereitschaft in einem Strafprozess gegen die Menschenhändler erhöhen. Das Bleiberecht sollte im Kontext eines zukünftigen -Gesamtkonzeptes zur Bekämpfung von Menschenhandel - und hier insbesondere der Zwangsprostitution - geregelt werden. In diesem Zusammenhang sollte zur Vorbereitung der gesetzlichen Neuregelungen eine umfassende Dunkelfeldstudie durchgeführt werden. Derzeit gibt es nur verlässliche Daten über das BKA-Lagebild zum Menschenhandel, das aber nur das sogenannte Hellfeld erfasst, die tatsächliche Situation allerdings nicht annähernd abbildet. Ein Sachverständiger hat es während der Anhörung im Rechtsausschuss auf den Punkt gebracht: Viele der Frauen, die in der Prostitution arbeiten, tun dies wegen der Armut in ihren Heimatländern. Diese Frauen in der Armutsprostitution benötigen den Schutz des Staates, um nicht gänzlich den Zuhältern und Menschenhändlern ausgeliefert zu sein. Wir dürfen die Gesetze nicht ausschließlich auf den sehr kleinen Teil der Frauen zuschneiden, die tatsächlich freiwillig in der Prostitution arbeiten. Für die Union ist es daher ein Gebot, zügig weitere Maßnahmen folgen zu lassen, um den Kampf gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution gewinnen und den Opfern wirksam helfen zu können. Mit dem Gesetzentwurf ist jetzt aber ein erster wichtiger Schritt getan. Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU): Wenn wir an dieser Stelle über Menschenhandel und Zwangsprostitution reden, dann reden wir zugleich auch über sexuelle Ausbeutung von Frauen, sexuellen Missbrauch von Minderjährigen, körperliche und psychische Gewalt, -illegale Schleusungen, Verstöße gegen das Betäubungsmittel- und das Waffengesetz. Zusammengefasst, wir -reden über weltweite und grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Circa 2,5 Millionen Menschen sind jährlich von Menschenhandel betroffen, werden wie Ware gehandelt und ausgebeutet. Menschenhandel in all seinen Erscheinungsformen verletzt gravierend die Menschenrechte von Frauen, Männern, Mädchen und Jungen. Folgt man dem Lagebild Menschenhandel des Bundeskriminalamtes, so werden insbesondere junge Frauen unter 21 Jahren in Deutschland ausgebeutet. Sie arbeiten unter besonders gesundheitsgefährdenden, entwürdigenden und unsicheren Bedingungen. Mangelnde Sprachkenntnisse und keine sozialen Kontakte außerhalb des Milieus erschweren es, diesen Mechanismen zu entkommen. Uns muss auch bewusst sein, dass es sich hierbei nicht um Einzelfälle handelt, sondern um Strukturen, die sich nach dem Inkrafttreten des rot-grünen Prostitutionsgesetzes am 1. Januar 2002 exponenziell vermehrt haben. Als Stichwort seien insoweit nur "Flatratebordelle" genannt. Diese Strukturen müssen dringend aufgebrochen und einer konsequenten Regulierung unterworfen werden. Wir haben daher bereits vor einiger Zeit in der Fraktion CDU/CSU begonnen, entsprechende Fachgespräche mit Experten zu führen. Ein erstes Ergebnis dieser Fachgespräche ist der vorliegende Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der zum einen die Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer aus dem Jahr 2011 umsetzt und zum anderen zur Verbesserung der Rah-menbedingungen für in der Prostitution tätige Personen Prostitutionsstätten in den Katalog der überwachungsbedürftigen Gewerbe nach § 38 der Gewerbeordnung aufnimmt. Durch die Aufnahme in die Gewerbeordnung wird eine automatische Überprüfung der Zuverlässigkeit des Bordellbetreibers unverzüglich nach Erstattung der Gewerbeanmeldung oder Gewerbeummeldung möglich. Den zuständigen Behörden steht zur Überwachung und Kontrolle des Betriebs zudem ein umfangreiches Instrumentarium an Auskunfts- und Nachschaurechten zur Verfügung. Darüber hinaus können gegenüber dem Bordellbetreiber Auflagen zum Schutz der Allgemeinheit, der Kunden, der Prostituierten oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen erteilt werden. Mir ist durchaus bewusst, dass die Forderungen von Hilfsorganisationen, aber auch von staatlichen Stellen, die mit Menschenhandel und Zwangsprostitution tagtäglich in Berührung kommen, noch viel weitgehender und umfassender sind. Ich darf Ihnen gerade deshalb ver-sichern, dass auch die Forderungen in meiner Fraktion deutlich weitreichender als der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf sind. Allerdings bedarf es in dieser Hinsicht bei unserem Koalitionspartner an der einen oder anderen Stelle noch weiterer Überzeugungsarbeit, die wir aber natürlich gerne im Rahmen der Fortsetzung der christlich-liberalen Regierungskoalition leisten wollen. Auch wenn der heute ebenfalls zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf dem ersten Blick weitreichendere Optionen anbietet, so trügt der Schein: Er ist nur ein weiteres Placebo. Letztlich möchten Sie nur zahlreiche Maßnahmen, die bereits jetzt von den Behörden in der Praxis umgesetzt werden, auf Gesetzesebene regeln. Dies gilt beispielsweise für die Mehrheit der vorgeschlagenen Änderungen im Aufenthaltsgesetz, für das Asylbewerberleistungsgesetz oder das Sozialgesetzbuch II. Auch stellt bereits jetzt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung etwaigen Betroffenen ein Merkblatt zur Verfügung, in dem unter anderem über Hilfeeinrichtungen und entsprechende Ansprechpartner informiert wird. Alles, was Sie vorschlagen, ist somit, wenn überhaupt, nur Stückwerk und keine umfassende Lösung der von mir eingangs geschilderten Situation. Zudem schießen Sie an einigen Stellen auch noch deutlich über das Ziel hinaus, wie beispielsweise mit der Forderung nach einer gesetzlichen Hinweispflicht zur Darstellung der Rechtslage nach dem Aufenthaltsgesetz oder gar dem Arbeits- und Sozialrecht durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Dies ist schlicht abwegig. Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen ist mehr als nur eine Änderung des Strafgesetzbuchs und der Gewerbeordnung. Er ist der Einstieg zu einer umfassenden Neuregelung und Wiederherstellung der Menschenwürde für viele betroffene Prostituierte in Deutschland. Er ist das Versprechen, dass in der kommenden Legislaturperiode weitere Maßnahmen der christlich-liberalen Regierungskoalition folgen werden, die die Fehler der Vergangenheit beseitigen und einen besseren Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Ausbeutung verankern werden. Selbst wenn einem der Gesetzentwurf, wie von einigen meiner Vorredner ausgeführt, nicht weit genug geht, kann man ihm aus meiner Sicht dennoch zustimmen; denn es ist klar, dass er nur der erste Schritt zu einer längerfristigen und umfassenden Korrektur ist. Dr. Eva Högl (SPD): Menschenhandel ist ein schweres Verbrechen, eine moderne Form der Sklaverei. Ausbeutung der Arbeitskraft, sexuelle Ausbeutung, Bedrohung: Menschenhandel ist nichts anderes als moderne Sklaverei und für die Täter und Täterinnen immer ein äußerst lukratives Geschäft. Der erste Bericht der Europäischen Kommission über Menschenhandel in Europa ist alarmierend: Die Zahl der Opfer in der Europäischen Union ist zwischen den Jahren 2008 und 2010 um 18 Prozent auf über 20 000 gestiegen. Die Dunkelziffer liegt deutlich darüber. Gleichzeitig sank die Zahl der Verurteilungen im selben Zeitraum um 13 Prozent. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Es gibt dringenden Handlungsbedarf in Deutschland und Europa. Opfer von Menschenhandel sind besonders hilfsbedürftig und benötigen besonderen Schutz. Die Täterinnen und Täter hingegen müssen wirksam bestraft werden. Der Opferschutz und die Strafverfolgung der Menschenhändlerinnen und Menschenhändler sind bislang völlig unzureichend. Mit der Richtlinie 2011/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI des Rates liegt eine sehr gute rechtliche Grundlage für die Umsetzung in nationales Recht vor. Der von CDU/CSU und FDP vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Menschenhandels und Überwachung von Prostitutionsstätten - Drucksache 17/13706 - vom 4. Juni 2013 wird den Bestimmungen dieser europäischen Verpflichtung in keiner Weise gerecht. Schon das Übereinkommen des Europarates vom 16. Mai 2005 zur Bekämpfung des Menschenhandels wie auch die Richtlinie formulieren umfassende und wirksame Regelungsvorgaben. Bestimmungen zum Aufenthaltsrecht, zur Beratung und Unterstützung von Opfern oder Regelungen zur Befreiung von Begleitstrafbarkeiten von Betroffenen müssen zwingend in deutsches Recht umgesetzt werden. Eine nachhaltige Bekämpfung des Menschenhandels ist nur möglich, indem die Opfer gestärkt werden. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehen eng an der Seite der Betroffenen. Zudem fehlt es an einer aufenthaltsrechtlichen Perspektive für Opfer von Menschenhandel aus Nicht-EU-Ländern. Wenn Betroffene aus Furcht nicht aussagen wollen, werden diese nach aktueller Rechtslage abgeschoben. Die Abschiebung in ihr Herkunftsland führt häufig zu einer Rückkehr in Verhältnisse, die dazu führen, erneut in die Opferrolle zu fallen. Das Aufenthaltsrecht muss so geändert werden, dass wir den Opfern Bleibemöglichkeiten bieten. Der Aufenthaltstitel darf nicht von der Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden abhängen. Die USA haben mit dem sogenannten T-Visum eine gute Regelung für Opfer ins Leben gerufen. Diese können und sollten wir auf Deutschland übertragen. Oft werden Betroffene wegen Vergehen angeklagt oder bestraft, zu denen sie genötigt wurden, beispielsweise die Verwendung falscher Ausweispapiere oder Verstöße gegen geltendes Aufenthaltsrecht. Die Richtlinie verlangt, dass in solchen Fällen von der strafrecht-lichen Verfolgung und Bestrafung abzusehen ist. Dies ist entscheidend dafür, dass sich Betroffene offenbaren und damit auch dazu beitragen können, Menschenhandel effektiv strafrechtlich zu verfolgen. Auch dazu steht kein einziges Wort im Gesetzentwurf. Eine erfolgreiche Strafverfolgung ist ohne umfassenden Opferschutz nicht möglich. Alle Expertinnen und Experten, ob Polizei, Landeskriminalämter, Bundeskriminalamt, Staatsanwaltschaften, Gerichte oder Opferberatungsstellen, waren sich einig: Wir brauchen dringend eine effektive Bestrafung der Täterinnen und Täter. Notwendig ist eine Reform des Straftatbestandes, und selbst die Fraktionen von CDU/CSU und FDP erkennen in ihrer Begründung an, wie wichtig eine strafrechtliche Änderung der §§ 232, 233 und 233 a Strafgesetzbuch aufgrund der geringen Zahl von Verurteilungen ist. Doch anstatt diesen zentralen Punkt endlich zu regeln, wird auf die fehlende Zeit hingewiesen. Das Verschieben und Aussitzen bedeutet ein Wegducken vor der Regelung existenzieller Probleme bei der Strafverfolgung von Verbrecherinnen und Verbrechern. Damit werden viele weitere Opfer von Menschenhandel billigend in Kauf genommen. Nicht nur das: Die Erweiterung der Strafvorschrift des § 233 Strafgesetzbuch auf die Fälle des Menschenhandels zum Zweck der Ausnutzung strafbarer Handlungen und der Bettelei sowie zum Zwecke des Organhandels schaden sogar und behindern die Ermittlungen, wie das Bundeskriminalamt in der Anhörung ausführte. Künftig wird es also mehr Straftaten geben. Das Opfer muss sich jedoch subjektiv weiterhin als Betroffene oder Betroffener zu erkennen geben. Das führt zu mehr Straftaten, aber zu keiner besseren Verfolgung. Ganz im Gegenteil! Der Regelungsvorschlag der Gewerbeordnung ist ein richtiger Schritt, doch er greift viel zu kurz. Hier fehlt eine klare Definition von Prostitutionsstätten. Mit keinem Wort wird erwähnt, was genau darunter zu verstehen ist. Wichtig wäre es darüber hinaus, eine Erlaubnispflicht für Prostitutionsstätten einführen. Wer betreibt sie? Wo sind sie gelegen? Welche Auflagen zur Ausübung der Prostitution sind zu erfüllen? All dies sind Fragen, die der Gesetzentwurf nicht berücksichtigt. Gleichzeitig fokussiert der Entwurf lediglich auf Zwangsprostitution und sexuelle Ausbeutung, ohne zu erwähnen, dass ebenso wirtschaftliche Ausbeutung und Zwangsarbeit darunter fallen. Und: Nicht jede Prostitution ist Zwangsprostitution. Die öffentliche Anhörung am 24. Juni 2013 hat es gezeigt: Alle Expertinnen und Experten waren sich einig: Die schwarz-gelben Vorschläge bleiben weit hinter der verpflichtenden Umsetzungsnotwendigkeit zurück. Was wir brauchen, ist ein wirksames und ganzheitliches Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels, eine adäquate und vollständige Umsetzung der wichtigen Bestimmungen der Richtlinie. Die Opfer werden im Stich gelassen. Eine effektive strafrechtliche Verfolgung ist mit diesem Gesetzentwurf nicht möglich. Einem weiteren Anstieg der Opferzahlen und einem weiteren Rückgang von Verurteilten steht so nichts mehr im Wege. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Betroffenen. Dieser Gesetzentwurf wurde trotz besseren Wissens bewusst kurz gehalten, um noch vor der Sommerpause etwas vorzulegen. Er hilft bei der effektiven Bekämpfung von Menschenhandel nicht weiter. Ich hoffe, die CDU/CSU und die FDP kommen zur Vernunft. Werfen Sie diesen Vorschlag ins Altpapier, und lassen Sie uns nach dem 22. September 2013 einen gemeinsamen, fraktionsübergreifenden Versuch starten! Hartfrid Wolff (Rems-Murr) (FDP): Für die FDP steht der effektive Schutz von Opfern von Menschenhandel an oberster Stelle. Das kennzeichnet auch unseren Gesetzentwurf, mit dem wir die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer umsetzen. Durch die Erweiterung der Strafvorschrift des § 233 des Strafgesetzbuchs, StGB, auf Fälle des Menschenhandels zur Ausnutzung strafbarer Handlungen, der Bettelei sowie zum Zwecke der Organentnahme, der derzeit lediglich als Beihilfe zu Straftaten nach dem Transplantationsgesetz strafbar ist, werden diese Fälle ausdrücklich unter Strafe gestellt. Dies schafft Klarheit und trägt auch der Bedeutung dieser Kriminalitätsphänomene Rechnung. Viele zur besseren Bekämpfung des Menschenhandels gemachten Vorschläge hätten eine intensive Prüfung und Erörterung erfordert, die wegen der Fristgebundenheit der RL-Umsetzung in dieser Wahlperiode kaum -realisierbar erschienen. So halte ich es im Einvernehmen mit Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger für sinnvoll, sich in der nächsten Legislaturperiode nochmals an die Systematisierung und Überprüfung der Straftatbestände zur Bekämpfung des Menschenhandels zu machen. Die von polizeilicher und staatsanwaltschaftlicher Seite geforderte grundlegende Überarbeitung der Straftatbestände der §§ 232, 233 und 233 a StGB erscheint durch die relativ geringe Anzahl von Verurteilungen wegen dieser Vorschriften, die nicht dem tatsächlichen Ausmaß dieser Kriminalitätsform entspricht, durchaus als diskussionswürdig. Das wird in der nächsten Wahlperiode eingehend zu prüfen sein, und gegebenenfalls werden entsprechende gesetzgeberische Vorschläge zu machen sein. Jedenfalls bleibt es ein schwerwiegendes Problem, dass oft Täter ihre Opfer unter Ausnutzung von Zwangslagen, auslandsspezifischer Hilflosigkeit, Gewalt oder Drohungen zur Ausbeutung und zur Prostitution bringen. Die kausale Verbindung zwischen Zwangslage und Ausbeutung muss durch die Handlungen des Täters hergestellt werden, um nach derzeitiger Rechtslage verfolgt werden zu können. Polizeien und Staatsanwaltschaften weisen darauf hin, dass der Nachweis dieser Umstände oft schwierig bis unmöglich ist. Diese und mögliche weitere Vorschläge, vor allem auch außerhalb des Strafrechts, zur besseren Eindämmung des Menschenhandels sind genau zu prüfen. Die Stärkung der Position der Opfer steht für uns Liberale immer im Vordergrund. Die Anhörung des Rechtsausschusses hat gezeigt, dass viele noch nicht zufrieden sind, dass noch mehr getan werden muss. Dies sehe ich exakt genauso. Aber die meisten Sachverständigen haben ganz deutlich hervorgehoben, dass der vorgelegte Gesetzentwurf ein wichtiger, erster Schritt ist. Immerhin ist es uns jetzt gelungen, noch einen Punkt außerhalb des Strafrechts anzugehen. Und das ist durchaus beachtlich. Wir regeln den Betrieb von Prostitutionsstätten zukünftig entsprechend den für andere überwachungsbedürftige Gewerbe in der Gewerbeordnung. Kaum jemandem im Lande ist verständlich zu machen, daß sich Betreiber von Spielhallen, Schankwirtschaften oder Amüsierlokalen einer Betriebsüberwachung oder gar Zuverlässigkeitsüberprüfung unterziehen müssen, Betreiber von Bordellen aber nicht. Seit die Sittenwidrigkeit der Prostitution aufgehoben wurde, war es möglich, Prostitutionsstätten bis hin zum Flatrategroßbordell ohne gewerberechtliche Überprüfungsmöglichkeit einzurichten. Bei aller Freude an der Abschaffung von falschen Tabus, eine solche Privilegierung eines bestimmten Gewerbes gegenüber anderen - aus dem Jahre 2001 von der rot-grünen Bundesregierung damals - ist kaum nachvollziehbar. Eine gewisse Betriebsblindheit muss man der damaligen rot-grünen Koalition schon attestieren. Das grundsätzlich richtige Ziel, nämlich die Stärkung der Rechte von Frauen und die Herausnahme dieses Gewerbebereichs aus der Illegalität, wurde zwar erreicht, die dazugehörende gewerberechtliche Rahmenregelung unterblieb jedoch leider. Dies kann man auch nicht dem damals konservativ geprägten Bundesrat in die Schuhe schieben. Rot-Grün hat nicht einmal den Versuch der Rahmengesetzgebung damals übernommen, und berauscht vom damaligen Gesetz: Man wollte wohl auch nicht. Dies hat zur Folge, dass wir in Deutschland der Ausbeutung von Frauen nicht wirkungsvoll genug entgegentreten können. Bislang gab es kein gewerberechtliches Instrument, beispielsweise einem verurteilten Menschenhändler die erneute Eröffnung eines Bordells zu untersagen. Mit unserem Gesetzentwurf wird eine automatische Überprüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden unverzüglich nach der Gewerbeanmeldung oder Gewerbeummeldung eingerichtet. Den zuständigen Behörden stehen zur Überwachung des Betriebs zudem die Auskunfts-, Kontroll- und Nachschaurechte des § 29 GewO zur Verfügung. Darüber hinaus kann der Gewerbebetrieb von Auflagen zum Schutz der Allgemeinheit, der Kunden, der Prostituierten oder der Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke vor Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen abhängig gemacht werden. Dies ist ein deutlicher Fortschritt und eine notwendige Ergänzung zum Schutz der in diesen Betrieben tätigen Frauen. Diejenigen, die jetzt sagen, das reiche nicht, sollten sich aber immer überlegen: Bisher gab es eben keine Kontrollregelungen, keine Auflagenmöglichkeiten und keine Anforderungen an den Betrieb gerade zum Schutz von Opfern, zum Schutz von Frauen. Wir wollen auch mehr, aber diesen ersten Schritt sollte jeder, der das Problem der Ausbeutung von Frauen, das Problem des Menschenhandels angehen will, mitgehen und zustimmen. Aber zu den weiteren Maßnahmen, die den Opferschutz beim Menschenhandel betreffen, gehört auch die dringend nötige Überprüfung ausländerrechtlicher Regelungen. Dies ist und bleibt ein Anliegen der FDP. Zum Schutz verschleppter Frauen haben wir in dieser Wahlperiode einiges geleistet: Zwangsheirat wird jetzt explizit als Straftat benannt. Wir haben den ausländischen Opfern von Zwangsverheiratungen zudem ein -eigenständiges Wiederkehr- bzw. Rückkehrrecht eingeräumt. Die frühere Regelung, wonach der Aufenthalts-titel für verschleppte junge Frauen nach sechs Monaten automatisch erlischt und der für Opfer von Zwangsheiraten nunmehr beseitigt wurde, ermöglichte es leider bis vor einem Jahr, diese Zwangslage noch stärker auszunutzen und Frauen jede Fluchtperspektive zu nehmen. Eine vergleichbare Regelung im Aufenthaltsrecht strebt die FDP auch für die Opfer von Zwangsprostitution an, verbunden mit der Stabilisierung vor Ort in Deutschland. Die Opfer müssen eine Chance erhalten, sich aus der Zwangslage zu befreien, zu der leider oft auch Herkunftsland und -familien beigetragen haben. Gerade zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist häufig die Aussage eines Opfers vor der Polizei oder im Gerichtsverfahren bedeutsam. Diese Aussage erhalten wir aber nur, wenn die Opfer, also vielfach Frauen, sich sicher vor Verfolgung hier oder im Heimatland fühlen können. Insofern haben wir Verständnis für die Anträge der Grünen. Da aber ausländerrechtliche Regelungen ebenso wie die eingangs genannten strafrechtlichen Lösungen erhebliche Folgeprobleme aufwerfen können, müssen sie sorgfältig erwogen und geprüft werden. Das werden wir in der nächsten Wahlperiode leisten. Die vergangenen vier Jahre mit einer Regierungsbeteiligung der FDP waren vier gute Jahre für Deutschland. Gerade im Bereich der Innen- und Rechtspolitik haben wir einige Erfolge erzielt, die dieser Koalition anfangs kaum einer zugetraut hätte. Das sollten und werden wir fortsetzen. Ulla Jelpke (DIE LINKE): Zur Abstimmung liegt hier ein Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vor, zur Umsetzung von EU-Richtlinien, zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels sowie zum Schutz der Opfer. Leider beschränkt sich der Gesetzentwurf alleine auf die strafrechtlichen Aspekte, die zur Bekämpfung von Menschenhandel am wenigsten geeignet sind. In der Begründung heißt es, die Zeit habe in dieser Legislatur nicht mehr ausgereicht, Punkte zum Aufenthaltsrecht, der Betreuung, Unterstützung und medizinischen Behandlung der Opfer einzuarbeiten. Sie hatten dafür seit Beschluss der EU-Richtlinie mehr als zwei Jahre Zeit. Verbergen Sie Ihre Unwilligkeit doch nicht hinter angeblichem Termindruck. In der Anhörung am Montag waren sich alle Sachverständigen - von der Sexarbeiterin bis zum Vertreter der Polizei - im Übrigen in ihrer vernichtenden Beurteilung dieses Gesetzentwurfes und der darin vorgenommenen Vermischung von Menschenhandel und Prostitution einig. Das sollte Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, doch zu denken geben. Nach Auffassung der Linken muss das Augenmerk bei der Bekämpfung von Menschenhandel auf Prävention und Opferschutz gelegt werden. Denn solange die Betroffenen keinen sicheren und eigenständigen Aufenthaltstitel erhalten, sind die Täter durch die Angst der Opfer geschützt. Die Linke fordert für die Opfer von Menschenhandel einen von der Aussagebereitschaft in Strafverfahren unabhängigen Aufenthaltstitel. Diese Menschen müssen kostenlose Rechtshilfe, Unterkünfte sowie medizinische und psychologische Betreuung erhalten und Zugang zu sozialen Leistungen, Bildungsangeboten und zum Arbeitsmarkt haben. Leider setzt auch der Änderungsantrag der Grünen immer noch die Aussagebereitschaft des Opfers als Bedingung für eine Aufenthaltserlaubnis voraus. Das wird der Lebenswelt der Betroffenen und den Erfordernissen des Menschenrechtsschutzes nicht gerecht. Denn hier wird die Angst der Opfer ignoriert, dass ihnen oder ihren Familienangehörigen in ihrer Heimat Schaden zugefügt wird; die Angst, in einem Strafverfahren erneut zum Opfer zu werden; ihre Traumatisierung oder Abhängigkeit von den Tätern. Weil dieser grüne Änderungsantrag zu kurz greift, können wir hier nicht zustimmen. Der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen vermischt die Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution mit dem legalen Bereich der Prostitution. Das ist eine Beleidigung und Diskriminierung für die vielen eigenständig und selbstbestimmt in diesem Gewerbe tätigen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Gefordert wird im Regierungsantrag die Aufnahme der Prostitutionsstätten in den Katalog überwachungsbedürftiger Gewerbe. Dies suggeriert einen bisher rechtsfreien Raum. Doch in Wirklichkeit unterliegt kaum ein anderer Wirtschaftszweig schon heute einer so engmaschigen Kontrolle und einem so ausgeprägten strafrechtlichen Sonderschutz. Ich zitiere die Sexarbeiterinnenvereinigung Doña Carmen: "Bei so viel ‚Schutz' ist eines sicher: Die Rechte von Prostituierten kommen unter die Räder, man will sie zu Tode schützen." Dieser Gesetzentwurf vereinigt mit seinen Gummiformulierungen über den Schutz vor Belästigungen -ordnungsstaatliche Überwachungssüchte mit rückwärtsgewandter Prüderie. Unter dem Vorwand, gegen Menschenhandel vorzugehen, wird hier einer erneuten Kriminalisierung der Prostitution Vorschub geleistet. Ein solches moralisches Rollback ist mit der Linken nicht zu machen. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir beraten heute einen Gesetzentwurf der Koalition, mit dem sie die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels versucht. Leider muss man feststellen: Der Vorschlag der Koalition ist kein Beitrag im Kampf gegen Menschenhandel. Mit der bloßen Ausweitung des Strafrechtes auf die Bereiche Bettelei und organisierte Kriminalität wird keinem Opfer von Menschenhandel geholfen. Nicht verkehrt, aber wirkungslos. Das ist ein Placebo, weiße Salbe: Es sieht gut aus, beruhigt die Gemüter und bewirkt nichts. Mit einer Ausnahme: Niemand kann absehen, was die Regelung zu § 233 StGB tatsächlich bewirkt. Was bedeutet es denn, wenn - wie es in Ihrem Gesetzentwurf steht - man "eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, ... zur Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen ... " bringt? Ist das ein Anstiftungsvorsatz in Bezug auf diese mit Strafe bedrohten Handlungen? Meinen Sie damit Straftaten? Müssen diese dann auch rechtswidrig und schuldhaft sein und, wenn ja, was ist mit dem Nötigungsnotstand? Wie sich diese Norm zum Allgemeinen Teil des Strafrechts verhält, ist mir nicht klar. Und die Koalition scheint sich auch keine ausreichenden Gedanken darüber gemacht zu haben. Aber kurz vor Ende der Wahlperiode musste ja alles mit heißer Nadel gestrickt werden, obwohl Sie zuvor jahrelang Zeit gehabt hätten. So macht man keine Gesetzgebung, erst recht nicht im Strafrecht. Nicht einmal die von Volker Kauder noch vor wenigen Tagen angekündigte Reform des Aufenthaltsrechts wird angegangen. Wir fordern in einem Änderungs-antrag, Opfern von Menschenhandel ein eigenständiges Bleiberecht zuzugestehen. Das hilft den Frauen und erhöht die Aussagebereitschaft gegen mögliche Menschenhändler. Zudem ist völlig unverständlich, warum die Koalition nicht wenigstens auch die wissentliche und vorsätzliche Ausbeutung von Zwangsprostituierten durch Freier bestraft. Schon seit Jahren fordern Opfergruppen, dass die Ausbeutung durch Freier, die wissentlich mit Zwangsprostituierten verkehren, strafbar werden soll. Diese Lücke im Strafgesetzbuch schließen wir mit unserem zweiten Änderungsantrag. Es ist richtig: Wer Menschen zum Zweck der sexuellen Ausbeutung schmuggelt, wird bestraft, wer sie hier vor Ort wirtschaftlich ausbeutet, ebenso. Es ist nur folgerichtig, auch diejenigen zu bestrafen, die diese Zwangslage wissentlich zur Ausnutzung für sexuelle Bedürfnisse ausnutzen. Auch das ist ein sinnvoller Beitrag im Kampf gegen Menschenhandel. Um es aber auch ganz klar zu sagen: Als Grüne lehnen wir jeden Versuch ab, die Prostitution wieder zu kriminalisieren. Weder das sogenannte "schwedische Modell" mit einer allgemeinen Freierbestrafung noch ein Rückfall in die Illegalität, wie vor dem Prostitutionsgesetz, nützt den Frauen und Männern, die in der Prostitution arbeiten. Solche Maßnahmen führen nur zu einer Abdrängung ins Dunkle und ins kriminelle Milieu. Dort hat das Prostitutionsgesetz angesetzt, und die Auslösung aus der organisierten Kriminalität ist ein gutes Stück gelungen. Das belegen auch die Analysen des BKAs aus seinem alljährlichen "Lagebericht Menschenhandel". Die Koalition vermengt deswegen unzulässig die Bereiche Menschenhandel und Prostitution. Als Grüne wollten wir immer eine positiv rechtliche Ausgestaltung des Prostitutionsgewerbes. Allerdings war das mit der SPD vor elf Jahren noch nicht zu machen. Heute ist es deutlicher Konsens, dass es ein Fehler war, die konkrete Ausgestaltung den Bundesländern und den Kommunen zu überlassen. Dies führte zu einem Flickenteppich an Regelungen, die vor allem zu Rechtsunsicherheit auf allen Seiten führt. Wir brauchen eine umfassende Regulierung von Prostitutionsstätten. Der Vorschlag der Koalition, Prostitutionsstätten lediglich als überwachungsbedürftiges Gewerbe zu deklarieren, greift dabei allerdings viel zu kurz. Er birgt die Gefahr, dass sich die Nachbarschaftsregelungen negativ auf die Wohnungsprostitution gerade auch selbstständiger und eigenorganisierter Prostituierter auswirken. Der Koalitionsantrag schafft einen Willkürparagrafen mit unklaren Rechtsbegriffen. Er unterlässt eine klare Definition des Begriffes "Prostitutionsstätten" ebenso wie eine Klärung, welche Auflagen eigentlich möglich und nötig sind, um eine positive Gestaltung der Prostitution zu ermöglichen und Ausbeutung zu verhindern. Letztlich konstatieren Sie nur, was längst Realität ist in Deutschland, nämlich dass die Polizei und Ordnungsbehörden in Prostitutionsstätten zu Untersuchungen gelangen können. Das ist angesichts von Hunderten Razzien jedes Jahr keine wirkliche Neuerung. Dabei bleibt völlig offen, wonach die Behörden eigentlich suchen sollen, nach welchen Kriterien sie Einrichtungen schließen können. Ihr Gesetzentwurf ist lediglich eine Festschreibung des Status quo, ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Gerichte und Verwaltungsbehörden. Ein Beitrag zur Bekämpfung von Ausbeutung oder zur Stärkung der Prostituierten gegenüber Vermietern und Betreibern ist der Gesetzentwurf auf jeden Fall nicht. Wir fordern dagegen eine weitergehende Regulierung von Bordellen als genehmigungspflichtiges Gewerbe. Nur eine umfassende Regulierung führt die Prostitution aus dem Dunkelfeld und schafft Rechtssicherheit für Prostituierte und Betreiber. Unser Änderungsantrag definiert konkrete Auflagen, die es den Behörden erlauben, zum Schutz von Prostituierten Kontrollen durchzuführen und im Zweifel ausbeuterische Praktiken zu untersagen. Durch eine Dokumentationspflicht werden ausbeuterische Praktiken sichtbar und können dann auch geahndet werden. Bereits im Genehmigungsverfahren werden die Zuverlässigkeit der Betreiber und ihres Personals überprüft, der Geschäftsplan geprüft und die Rechtsverhältnisse zwischen Betreiber und Prostituierten dokumentiert. Klare Regeln schaffen Rechtssicherheit auf allen Seiten. Die Koalition hat nun angesichts auch der vernichtenden Kritik bei der Anhörung im Rechtsausschuss am vergangenen Montag angekündigt, in der nächsten Legislatur einen umfassenden Entwurf vorzulegen. Unklar bleibt, warum dann besser gelingen soll, was in den vergangenen sieben Jahren nicht gelungen ist. Wir werden uns einer solchen Diskussion konstruktiv stellen. Bis dahin gilt aber: Dieser Gesetzentwurf, der heute vorliegt, ist kein Beitrag zur Rechtssicherheit. Er verschlimmbessert die bestehenden Defizite. Dem können wir Grüne nicht zustimmen. Anlage 25 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Antwort auf die Große Anfrage: Ergebnisse und Folgen der Beschlüsse des NATO-Gipfels von Chicago für Abrüstung, Raketenabwehr und europäische Sicherheit (Tagesordnungspunkt 21) Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU): Bereits in der Vorbemerkung ihrer Anfrage an die Bundesregierung gibt die SPD eine abschließende Bewertung zu den Ergebnissen des NATO-Gipfels ab: Der NATO-Gipfel von Chicago war für sie aus sicherheits- und friedenspolitischer Sicht eine Enttäuschung. Dem schließe ich mich nicht an. Vielleicht waren aber auch nur meine Erwartungen an den Gipfel schlicht niedriger. Ich habe auf kleine, aber konkrete Schritte bei den aktuellen Baustellen gehofft: Wie geht es weiter in Afghanistan bis und nach 2014? Wie setzen wir die Idee von Smart Defence um? Welche Fortschritte verzeichnen wir beim Aufbau des Raketenabwehrsystems? Darüber hinaus habe ich vor allem ein starkes Bekenntnis zur transatlantischen Allianz vonseiten Amerikas erwartet. In den ersten Punkten wurden meine Erwartungen weitgehend erfüllt, im letzten Punkt - dem Bekenntnis zu einer auch in Zukunft starken transatlantischen Allianz - wurde auch ich zugegebenermaßen ein wenig enttäuscht. Neben den bereits erwähnten Themen lag ein Schwerpunkt des NATO-Gipfels auf Fragen der Abrüstung und der Rüstungskontrolle. Im Rahmen des Gipfels bekannten sich die Mitgliedstaaten erneut zu ihrem Ziel, eine nuklearwaffenfreie Welt zu schaffen. Auch hier zeigte sich im Laufe des letzten Jahres wiederum, dass die Erwartung von kleinen Schritten sich als richtig erweisen sollte. Außenminister Guido Westerwelle hat es hier im Plenum vor einigen Wochen überaus treffend beschrieben: "Wir alle wissen aus den Erfahrungen der Geschichte, dass Abrüstungspolitik einen langen Atem braucht." Zu diesem langen Atem gehört aber auch, dass wir kleine Fortschritte und Erfolge wertschätzen und eben nicht aus den Augen verlieren, dass beispielsweise der Weg hin zu einer nuklearwaffenfreien Welt ein sehr langer und mühsamer ist. Als Präsident Barack Obama in seiner Rede in der vergangenen Woche vor dem Brandenburger Tor angekündigt hat, das Atomwaffenarsenal der USA um ein Drittel reduzieren zu wollen, habe ich dies als weiteren wichtigen Schritt auf diesem Weg empfunden. Wie schwierig jedoch die Umsetzung der Ankündigung sein wird, zeigte sich an der umgehenden Reaktion aus Moskau. Wir müssen uns nun fragen: Welche Rolle kann Deutschland hier in den nächsten Jahren spielen? Welchen Beitrag können wir leisten? Die Bundesregierung hat sich in der Vergangenheit immer wieder als Mittler zwischen den USA und Russland eingesetzt und mit vertrauensbildenden Maßnahmen versucht, die Zusammenarbeit der beiden Nationen zu fördern. Diese Bemühungen müssen wir auch in Zukunft fortsetzen. Die christlich-liberale Koalition steht, wie auch die Bundesregierung, zu ihrem Versprechen, eine aktive Abrüstungspolitik zu betreiben. Die Bundesregierung hat sich vehement für die Einrichtung des Abrüstungs- und Rüstungskontrollausschusses der NATO eingesetzt. Und auch hier sind Fortschritte zu erkennen. Der Ausschuss hat sich am 12. Februar dieses Jahres konstituiert und seine Arbeit aufgenommen. Im Mittelpunkt stehen dabei transparenz- und vertrauensbildende Maßnahmen mit Russland bei nichtstrategischen Nuklearwaffen. Zu Beginn meiner Rede bin ich bereits kurz auf die Raketenabwehr eingegangen. Während des Gipfels in Chicago haben die NATO-Partner offiziell deren Anfangsbefähigung in Europa erklärt. In der hier zu debattierenden Großen Anfrage beschäftigt sich ein Abschnitt mit den möglichen Bedrohungen, vor denen wir uns mit diesem Raketenabwehrsystem schützen wollen, bzw. mit der Wahrscheinlichkeit, dass diese Bedrohungen auch in Zukunft Realität werden. Man könnte bei den Fragen den Eindruck erhalten, dass die Opposition an der Legitimität der Raketenabwehr zweifelt. Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort klargestellt, dass sich die gemeinsame Raketenabwehr gegen mögliche Bedrohungs-potenziale richtet und nicht gegen spezifische Länder. Wir benötigen ein NATO-Raketenabwehrsystem, welches uns flächendeckend und nicht nur punktuell vor dem Angriff ballistischer Raketen schützen kann. Hierzu sind die derzeit vorhandenen Raketenabwehrsysteme aber nicht in der Lage. Die Kooperation mit Russland im Rahmen der Raketenabwehr ist ein sehr schwieriges und überaus sensibles Thema. Unser Wunsch ist es, die Raketenabwehr gemeinsam mit Russland voranzubringen. Die Bundesregierung versucht auch hier, mit vertrauensbildenden Maßnahmen eine Basis für Dialog und Kooperation zu schaffen. Dazu gehörte die Ausrichtung einer gemeinsamen computergestützten Raketenabwehrübung im letzten Jahr. Von dem Nutzen dieser Übung konnte ich mich damals persönlich vor Ort überzeugen. Meine Rede begonnen habe ich mit den Erwartungen, die an den NATO-Gipfel gestellt wurden. Meines Erachtens wurde am letzten NATO-Gipfel vor allem eines deutlich: Die sicherheitspolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts können wir nur gemeinsam bewältigen. Gemeinsames Handeln - insbesondere vor dem Hintergrund unterschiedlicher nationaler Interessen - kann jedoch nach meiner Überzeugung nur in kleinen Schritten funktionieren. Diesen kleinen Schritten stehen aber häufig Maximalforderungen entgegen, die eine Zusammenarbeit von Beginn an verkomplizieren. Ich sage nicht, dass wir uns auf kleinen Erfolgen ausruhen sollten, aber wenn wir uns auf sie berufen, dann trägt dies zu einem Arbeitsklima bei, das Kooperation fördert und nicht behindert. Roderich Kiesewetter (CDU/CSU): Der freundschaftliche Besuch des US-Präsidenten Barack Obama in Berlin und sein Versprechen, einen wesentlichen Beitrag für die globale Abrüstung von Nuklearwaffen zu leisten, hat uns einmal mehr verdeutlicht, dass die transatlantische Allianz ihre Wichtigkeit für Deutschland behalten wird und dass sie die von der SPD entgegengebrachte Skepsis nicht verdient hat. Statt in kleinteiligen Fragenkatalogen die Leistungsfähigkeit der NATO anzuzweifeln, sollten wir uns Gedanken machen, wie wir das Bündnis zukunftsfest gestalten können. Seit dem 11. September 2001 befindet sich die NATO in einer fortgesetzten Strategiedebatte und in einer dauerhaften Anpassung. Sie konzentriert sich nach dem Gipfel von Lissabon und der Verabschiedung des Neuen Strategischen Konzepts 2010 auf drei Kernaufgaben: kollektive Verteidigung, Krisenbewältigung und kooperative Sicherheit. Auf ihrem Gipfeltreffen im letzten Jahr in Chicago haben die Staaten der NATO dieses Konzept weiterentwickelt. Es ist das Verdienst unserer Bundesregierung, dass die Abrüstungspolitik dabei eine hohe Priorität -bekommen hat. In Chicago wurde auf gemeinsame Initiative von Deutschland, der Niederlande, Norwegen und Polen ein Angebot an Russland zu reziproken Transparenzmaßnahmen bei nicht strategischen Nuklearwaffen beschlossen. Auch der neue Abrüstungs- und Rüstungskontrollausschuss ist eine wichtige Errungenschaft. Mit dem Bekenntnis zum Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt, das im Abschlussdokument des Überprüfungs-prozesses des NATO-Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs festgehalten wurde, konnte die Bundesregierung einen weiteren Meilenstein erreichen. Ebenso wie die Worte von US-Präsident Obama so müssen auch diese Gipfel-Ergebnisse erst mit Leben gefüllt werden. Dennoch, die Grundlagen sind gelegt, die entsprechenden Bündnisgremien haben ihre Arbeit aufgenommen, und Deutschland wird weiter eine aktive Rolle bei der praktischen Umsetzung übernehmen. Auch wenn bei den Verhandlungen viel Geduld verlangt wird, ist der Grundsatz, dass Entscheidungen zum Nukleardispositiv im Bündnis einmütig entschieden werden, weiter richtig. Lassen Sie mich zu den vielen Anmerkungen in der Großen Anfrage über das sogenannte Lebensdauerverlängerungsprogramm der US-Nuklearwaffen des Typs B61 und zu den Tornados der Bundeswehr und ihrer potenziellen Trägerfunktion einen wichtigen Punkt klarstellen, der auch in der Beantwortung durch die Bundesregierung aufgeführt ist: Abrüstung und Abschreckung stehen nicht im Widerspruch, sie sind zwei unverzichtbare Teile einer Gesamtstrategie. Dies zeigen nicht zuletzt die aktuellen Berechnungen des Stockholm International Peace Reseach Institues, -SIPRI, für das Jahr 2012. Während Russland und die USA ihre Atomwaffenbestände verringert haben, stockten die Atommächte China, Indien und Pakistan ihre Arsenale nach Angaben von SIPRI im gleichen Zeitraum weiter auf. Russland modernisiert seine noch 8 500 Atomsprengköpfe mit erheblichen Finanzmitteln. Die Modernisierung der in der Anzahl erheblich geringeren nicht strategischen nuklearen Verteidigungskapazitäten der NATO, durch die keineswegs neue Einsatzzwecke oder Einsatzfähigkeiten geschaffen werden, gewährleistet angesichts dieser Entwicklungen fortwährend eine glaubhafte Aufrechterhaltung des Schutzes; vor allem unsere NATO-Partner Estland, Lettland, Litauen und Polen bestehen darauf. In dem Zusammenhang komme ich auf ein weiteres sicherheitspolitisches Thema des Chicagoer Gipfel-treffens zu sprechen: die Pläne, gemeinsam mit unseren Verbündeten unsere Fähigkeiten zur Raketenabwehr auszubauen. Bis 2020 soll ein Raketenschirm entwickelt werden, mit dessen Hilfe das Territorium der NATO-Mitgliedstaaten vor Angriffen durch unbemannte Flugkörper geschützt wird. Im Vorfeld des Projektes wird immer wieder kritisiert, dass ein antirussischer Impetus die Motivation hinter dem Raketenschirm darstelle. Auch die Opposition fragt nach hypothetischen Szenarien und möchte konkrete Länder genannt wissen. Es ist festzuhalten, dass die Raketenabwehr sich gegen mögliche -Bedrohungspotenziale richtet, nicht gegen spezifische Länder. Zum Verhältnis mit Russland möchte ich unseren Außenminister Guido Westerwelle unterstützend zitieren, der betont, dass Sicherheit in Europa nur zusammen mit Russland garantiert werden könne und dass "die Tür für Russland offen bleibt". Wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Bundesregierung eine Intensivierung unserer Partnerschaft mit Russland anstrebt und eine enge Kooperation auf ökonomischer und kultureller Ebene zwischen Berlin und Moskau besteht. Die russisch-deutschen Beziehungen nur auf aktuelle außenpolitische Differenzen zu reduzieren, verschleiert den Blick auf die Komplexität unserer strategischen Partnerschaft. Es ist deshalb gut, mit klarer Stimme die -Missstände in Russland anzumahnen, schönreden hilft dieser strategischen Partnerschaft nicht, sondern gefährdet sie eher. Die Fragen rund um die Partnerschaft mit Russland führen mich zu meinem letzten Punkt, den Sie mit Ihrer kleinteiligen Großen Anfrage leider verfehlen. Wir müssen uns grundsätzliche Gedanken machen über die strategische Zukunft der NATO, vor allem als Europäer. Was ist heute das Besondere am Atlantischen Bündnis? Was macht es so einzigartig? Ich möchte in der Kürze dieser Rede nur vier essenzielle Argumente anreißen: Erstens eine leistungsfähige NATO-Kommandostruktur, die trotz oder gerade wegen ihrer Verschlankung von 13 000 auf 9 000 Mitarbeiter einzigartig bleibt, zweitens ihre Fähigkeit zur Interoperabilität unter den Mitgliedstaaten, aber auch mit Partnern - hier müssen wir investieren, um zukunftsfähig zu bleiben -, drittens weitere besondere Fähigkeiten der NATO, beispielsweise bei der Aufklärung, Luftverteidigung und zunehmend auch im Bereich Cybersicherheit, viertens Art. 5 als Kernfunktion des Bündnisses sowie die Nuklearschutzgarantie durch die USA. Trotz der weitgehend positiven Bilanz des Chicagoer Gipfels ist es wichtig, zu hinterfragen, wo wir noch -Verbesserungspotenzial haben. Die Gates-Rede in Brüssel von 2011 hat Defizite im Bereich der Lastenteilung -verdeutlicht. Hier bedarf es tiefergehender Analysen und offener Debatten, auch zur Lastenverteilung bei gemeinsamen Auslandseinsätzen. Die Positionierung der NATO bezüglich der Herausforderungen im Nahen und Mittleren Osten muss ebenfalls strategisch diskutiert werden. Als politisches Bündnis, das gemeinsame Werte vertritt, können gegebenenfalls nicht nur ideelle Unterstützungsleistungen der NATO für Israel gefordert sein. Bezüglich der wachsenden Cyberbedrohungen müssen wir uns die Frage stellen, ob die NATO bereit ist, eine eigene Infrastruktur aufzubauen, um ihre Mitgliedstaaten besser gegen diese Gefahren zu schützen. Und schließlich ist die NATO immer noch in erster Linie, was ihre Außengrenzen angeht, ein maritimes Bündnis; möglicherweise sind hier ebenfalls Fähigkeiten zu optimieren. Auf Fragen nach Rollenverteilungen und Erweiterungsfragen, die sicher auch diskutiert werden müssen, möchte ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen. Abschließend rufe ich am Ende meiner Rede noch einmal dazu auf, weiter eine vertiefte, sicherheitspolitische Integration innerhalb der Europäischen Union anzustreben. Das erwarten auch die Amerikaner von uns - im Sinne einer effektiveren transatlantischen Arbeitsteilung. Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik stellt einen wichtigen Meilenstein dar. Aber künftig müssen wir verstärkt in sicherheitspolitischen Fragen mit einer Stimme sprechen, damit wir auch in der -Zukunft den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen sind. Diese Woche fand das erste Deutsche Forum Sicherheitspolitik an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik statt, ein guter Schritt zur breiteren sicherheitspolitischen Debatte in Deutschland, zu der auch unsere heutige Debatte wesentlich beiträgt. Uta Zapf (SPD): Dass wir weit nach Mitternacht hätten reden sollen, ist zwar dem Thema nicht angemessen, aber wohl der Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage. Diese Antwort gibt über die wesentlichen Fragen keine Auskunft. Sie übertüncht das Versagen der Bundesregierung mit weißer Salbe; sie gibt beharrlich und wiederholt falsche Auskünfte, oder sie verschanzt sich hinter Geheimhaltung. Diese Koalition ist mit großem Getöse als Abrüstungsmacht aufgebrochen. Ziel: nuklearwaffenfreie Welt, -Nuklearwaffen raus aus Büchel - Abmarsch in die USA. Die Beratungen der NATO zum neuen strategischen Konzept und zur Verteidigungs- und Abschreckungsstrategie hätten die Möglichkeit geboten, größere Schritte zur Reduzierung von Nuklearwaffen zu erwirken, als im Ergebnis des Gipfels festgeschrieben wurde. Nach Chicago definiert sich die NATO als nukleare Organisation. Die Rolle der Nuklearwaffen ist nicht reduziert. Der bisherige Mix aus konventionellen Waffen und Nuklearwaffen des Abschreckungsdispositivs wird bestätigt, "solange es Nuklearwaffen gibt", und die Bundesregierung hat dem zugestimmt. Das Versagen der Bundesregierung wird hinter Formeln wie "Unter den Bündnispartnern besteht Einvernehmen darüber, dass Entscheidungen über das Nukleardispositiv im Bündnis gemeinsam und folglich im Konsens zu treffen sind" deutlich. Dieser Satz taucht in der Antwort zu unserer Anfrage dreimal auf und zeigt die ganze Hilflosigkeit der Regierung. Hat diese Regierung wirklich so wenig Einfluss und Gewicht? Wenig Positives ist erreicht: Auf der Habenseite steht die Etablierung des Abrüstungsausschusses, der wohl auch allmählich seine Arbeit aufgenommen hat - nach einem Jahr! - und sich, so hört man, mit Angeboten zu Transparenzmaßnahmen an Russland beschäftigt. Ergebnisse liegen noch nicht vor. Russland wird sich nur zu gegenseitigen Transparenzmaßnahmen bei den taktischen Nuklearwaffen bewegen lassen, wenn der Konflikt um die Raketenabwehr gelöst ist - etwas, was mir noch in weiter Ferne erscheint. Durch diese Transparenzmaßnahmen will die NATO bei den taktischen Nuklearwaffen mit Russland Fortschritte erreichen. Aber der Dialog hat noch nicht begonnen. Auch das erneuerte Angebot von Präsident Obama zu weiteren Reduzierungen von Nuklearwaffen wird Russland nicht akzeptieren, solange es seine Sicherheitsbedürfnisse nicht berücksichtigt sieht. Warum sollten tak-tische US-Nuklearwaffen bei uns und in Europa bleiben, bis abgerüstet wird? Wäre es für Abrüstung nicht viel förderlicher, wenn die Waffen in den USA stationiert wären? In der Tat scheint die Chance für einen Rückzug der taktischen Nuklearwaffen verstrichen zu sein. In der neuen Nuclear Employment Strategy der USA vom 12. Juni 2013 wird - wohl auch als Konsequenz aus den Beschlüssen von Chicago - die Stationierung dieser Waffen in Europa festgeschrieben. Also ist die Modernisierung der B61 Bestandteil der US-Strategie zum Schutz der Verbündeten - "extended deterrence". Mit ihrer Unterschrift unter das neue strategische Konzept und durch die Akzeptanz der Abschreckungs- und Verteidigungsdoktrin akzeptiert die Bundesregierung die Modernisierung der in Europa und Deutschland stationierten US-Nuklearwaffen. Es ist damit festgeschrieben, dass die Verbündeten, auf deren Territorium die US-Nuklearwaffen stationiert sind, die Verantwortung für die volle Funktionsfähigkeit der Trägersysteme tragen. Die geplante Modernisierung wird eine höchst kostspielige Modernisierung des Trägersystems Tornado erfordern. Wieso die Bundesregierung die Modernisierung der B61 trotzdem steif und fest nach wie vor zur nationalen Entscheidung der USA deklariert, ist mir schleierhaft. Dem widerspricht auch die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage: Frage 4 b): "Würde ein Abzug der taktischen Atomwaffen aus Europa, beispielsweise eine Verlagerung der Waffen in die USA, nach Auffassung der Bundesregierung, den Fortbestand der Politik der nuklearen Teilhabe in der NATO grundsätzlich infrage stellen?" Antwort: "Bei einem vollständigen Abzug der nichtstrategischen Nuklearwaffen aus Europa würden sich die Voraussetzungen für die nukleare Teilhabe wesentlich ändern. Die politischen Diskussionen im -Bündnis im Rahmen der Erarbeitung des strategischen Konzepts der NATO sowie der Untersuchung des Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs der Allianz haben gezeigt, dass die auf dem Territorium europäischer Bündnispartner stationierten amerikanischen nichtstrategischen Nuklearwaffen weiterhin als Fundament und Ausdruck der engen und tragfähigen transatlantischen Bindung zwischen den europäischen und nordamerikanischen Mitgliedern der Allianz durch Teilung nuklearer Risiken und Wahrnehmung gemeinsamer Verantwortung verstanden werden. Zugleich soll die Beteiligung der Staaten ohne Nuklearstreitkräfte am nuklearen Potential des Bündnisses die Solidarität im Bündnis, die gemeinsame Verpflichtung und die ausgedehnte Lasten- und Risikoteilung demonstrieren. Unter den Bündnispartnern besteht Einvernehmen darüber, dass Entscheidungen über das Nukleardispositiv im Bündnis gemeinsam und folglich im Konsens zu treffen sind." Wenn die Stationierung dieser Waffen in Europa Bündnispolitik ist, ist die Modernisierung dieser Waffen keine reine nationale Entscheidung. Beharrlich besteht die Bundesregierung darauf, die Modernisierung der B61 sei reine Lebensdauerverlängerung, diene der Sicherheit, bewirke keine Qualitätsverbesserung. Dies ist einfach falsch. Zielgenauigkeit, Durchschlagskraft und Reichweite werden verändert und damit auch die militärischen Einsatzoptionen. Ich empfehle der Bundesregierung die Lektüre wissenschaftlicher Studien zum Beispiel von Hans Kristensen und Otfried Nassauer zum Thema. Bei dieser Modernisierung geht es ja nicht nur darum, die Bomben sicherer zu machen. Auch ihre strategischen Qualitäten würden verändert: Reichweite, Präzision, Zielgenauigkeit und Durchschlagskraft. Eine neue Qualität und neue Fähigkeiten werden damit erreicht. Es ist eine neue Bombe, eine strategische Nuklearwaffe. Dies widerspricht der Absicht, die Bedeutung von Nuklearwaffen zu verringern und Abrüstung zu fördern. Nicht nur der Koalitionsvertrag stellt dies fest. Auch die USA haben diese Absicht erklärt, und alle Mitglied-staaten des Nichtverbreitungsvertrages haben 2010 im Aktionsplan beschlossen, in ihren Strategien und Doktrinen die Rolle der Nuklearwaffen zu verringern und alles zu tun, um Abrüstung zu fördern. Ein solche neue Waffe gibt Russland keinen Anreiz, über taktische Nuklearwaffen und deren Abrüstung zu verhandeln. Wie soll das Angebot von mehr Transparenz angesichts von Modernisierungsplänen Vertrauen bilden? Vielmehr steht zu befürchten, dass Russland seine eigenen Nuklearwaffen modernisiert - wie angekündigt. Wenn sich die NATO in ihrer Argumentation, die US-Waffen in Europa zu behalten, auf die weit höhere Anzahl taktischer Nuklearwaffen der russischen Föderation beruft, vergisst sie, dass Russland die hohe konventionelle Überlegenheit der NATO durch Nuklearwaffen kompensieren will. Eine Folge der Verpflichtungen aus Chicago ist, dass die Bundesregierung unterschrieben hat, die für die modernisierten B61 vorgesehenen Trägersysteme in bester Betriebsform zu halten. Das heißt: viel Geld in den Tornado und seine Lebensdauerverlängerung stecken. Die Frage nach einem neuen Trägersystem "stellt sich derzeit nicht". Aber sonst: Nur Ausweichmanöver, Nebelkerzen. Zitat Frage 20: "Müssen an den vorhandenen Tornado-Kampfflugzeugen der Luftwaffe technische Änderungen vorgenommen werden, um mit diesen Luftfahrzeugen künftig auch die Bomben vom Typ B61-12 einsetzen zu können? Wenn ja, welche Änderungen sind dies, und mit welchen Kosten wäre für diese Änderungen zu rechnen?" Antwort: "Aufgrund der frühen Programm- und Planungsphase des Lebensdauerverlängerungsprogramms der US-Nuklearwaffen des Typs B61 können über den Umfang der gegebenenfalls notwendigen Maßnahmen zur Anpassung der von der Bundeswehr zur Verfügung gestellten Trägersysteme zurzeit keine abschließenden Aussagen getroffen werden. Im Vordergrund steht insgesamt die Anpassung der lebensdauerverlängerten B61-12 an das Trägersystem. Gemäß eigener Aussagen wird die US-Administration sicherstellen, dass lebensdauerverlängerte B61-12 mit den verschiedenen Trägermitteln der NATO-Mitgliedstaaten, die zur nuklearen Teilhabe beitragen, kompatibel sind." Und aus der Antwort auf Frage 17: "Es sind derzeit keine Maßnahmen geplant, um das Waffensystem Tornado über das Jahr 2030 einsatzfähig zu halten." In derselben Antwort weist die Bundesregierung aus, dass für den IDS-Tornado für Lebensdauerverlängerungsmaßnahmen und Sicherheit über das Jahr 2017 hinaus 224 Millionen Euro geplant sind, während sie gleichzeitig die Frage nach der Kostenabschätzung des Forschungsdirektors des NATO Defense College, der 250 Millionen Euro ansetzt, mit einem einsilbigen "Nein" abtut. Mein Fazit: Die Arbeit hätte sich die SPD-Fraktion sparen können, die wir aufgewendet haben, um den Fragenkatalog zu erstellen. Die Bundesregierung hat sechs Monate gebraucht, um uns nichtssagende oder falsche Antworten zu geben. - Schade. Dr. Rainer Stinner (FDP): Die SPD fährt mit ihrer großen Anfrage schweres Geschütz auf und verurteilt die deutsche Politik auf dem NATO-Gipfel und wohl auch insgesamt in Bausch und Bogen. Das könnte man als -übliches Oppositionsgebaren abtun. Deutschland trägt etwa 5 Prozent der finanziellen Verteidigungslasten der NATO, und Sie beschweren sich, dass Deutschland sich auf einem NATO-Gipfel nicht zu 100 Prozent durchsetzt. Immer wieder müssen wir erleben, dass die SPD eine völlig inkohärente und widersprüchliche Politik betreibt. Wir hatten erst kürzlich das schlagende Beispiel dazu: Ihr Kanzlerkandidat stellt in seiner außenpolitischen Rede, die als große Rede angekündigt worden war, die Frage, warum es nicht mehr gemeinsame militärische Fähigkeiten gebe, etwa eine gemeinsame europäische Marine, was ja durchaus eine berechtigte Frage ist. Aber wenn es dann ganz konkret um gemeinsame Marine-Aktivitäten mit unseren europäischen Partnern geht, kommt von Ihnen postwendend ein Widerspruch: Mit geradezu haarsträubenden Begründungen hat die SPD hier im Bundestag die Verlängerung des Atalanta-Mandats abgelehnt. So ist mit Ihnen außenpolitisch kein Blumentopf zu gewinnen. Nein, so lassen sich in einem Bündnis keine Fortschritte erzielen, und deshalb ist es gut, dass die Bundesregierung hier in Europa und in der NATO anders vorgeht. Natürlich würden auch wir einen schnelleren Abzug von taktischen Nuklearwaffen wünschen. Aber ebenso natürlich war doch immer klar, dass dies nur im Konsens geschehen kann. Und wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass andere Länder in ihrem Sicherheitsbedürfnis eine andere Einschätzung zu diesem Thema haben als wir. Für viele Länder geht es hier nicht um eine -Detailfrage, sondern um tief sitzende Ängste und Befürchtungen, die wir ernst nehmen müssen. Deshalb ist die Strategie der Bundesregierung richtig: in einem umfassenden Prozess das Thema Abrüstung überhaupt wieder zu einem prioritären Thema in der NATO zu machen und auszuloten, wie die Sicherheitsbedürfnisse einzelner Länder auf einem anderen - besseren - Weg befriedigt werden können. Nur so können wir zu einer Lösung kommen, die nicht in einer Hauruck-Einzelaktion stecken bleibt, sondern in einen Prozess mündet, in dem dann auch umfassende Fortschritte möglich sind. Die Rede von Präsident Obama hier am Brandenburger Tor mit der Ankündigung einer umfassenden und konkreten Abrüstungsinitiative bestärkt mich und uns in dieser Strategie. Die falschen Vorhaltungen, durch das Lebensdauerverlängerungsprogramm würden neue -nukleare Fähigkeiten entstehen, werden von der Bundesregierung zu Recht und korrekt zurückgewiesen. Ähnliches gilt für die Kritik der SPD an der Kooperation der NATO mit Russland in Fragen der Raketenabwehr. Ich bin der Meinung, heute würden Sie den Text nicht mehr so schreiben. Ja, wir wollen in diesem Bereich eine Zusammenarbeit mit Russland, und die NATO hat dazu konkrete Vorschläge vorgelegt. Zu Kooperation und Vertrauen gehören aber zwei. Und da muss man einfach feststellen, dass auch so manche russische Positionierung beim besten Willen nicht mehr als konstruktiv bezeichnet werden konnte. Dagegen blieben konkrete Antworten auf die konkreten Vorschläge der NATO bisher eben aus. Wir werden aber im NATO-Russland-Rat weiter in einem kooperativen Sinn verhandeln, und ich denke, auch die gemeinsame computergestützte Raketenabwehrübung, die die Bundesregierung ausgerichtet hat, war ein äußerst konstruktiver Beitrag. Wir sind uns völlig bewusst, dass es europäische Sicherheit nur mit und nicht gegen Russland geben kann. Aber auch hier müssen wir die Bündnispartner mit anderen historischen Erfahrungen mitnehmen. Daran arbeiten wir stetig und nachhaltig. Schnellschüsse helfen da niemandem, und restlos überfrachtete Erwartungen, die notwendig Enttäuschungen produzieren, ebenfalls nicht. Insgesamt bedanke ich mich bei der SPD dafür, dass sie mit dieser Großen Anfrage der Bundesregierung Gelegenheit gegeben hat, ihre richtige Strategie und ihre konkreten Erfolge auf dem Gipfel umfassend und präzise darzustellen, bleibe aber bei der Bewertung, dass die SPD sich selber mit dieser kleinteiligen und innenpolitisch orientierten Art der Fragestellung keinen Gefallen tut. Sie machen damit nur erneut deutlich, dass Sie nicht in der Lage sind, große Linien in konkrete Politik umzusetzen. Das macht die Bundesregierung anders, und das begrüßen und unterstützen wir. Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE): In der NATO herrscht weiter Stillstand. Der Chicago-Gipfel im letzten Jahr war kein Aufbruch, sondern "business as usual" plus Wahlkampfhilfe für Obama. In keiner der zentralen Fragen hat sich der Dinosaurier NATO bewegt: Militärische Interventionen à la Afghanistan will sie weiter vorbereiten und führen. Statt "Atomwaffen, nein danke!" heißt es weiter "Atomwaffen, ja bitte!". Nicht ein Gedanke wurde auf die Beendigung der nuklearen Teilhabe, also der Stationierung von US-Atomwaffen in Deutschland und anderen europäischen Staaten, verwendet. Stattdessen wurde noch einmal draufgesattelt, und es wurden die Weichen für den Aufbau eines umfassenden Raketenabwehrsystems in Europa gestellt. Das Ganze, obwohl die gesamte technische Realisierbarkeit und Funktionsfähigkeit völlig unklar ist und weder aktuelle noch in absehbarer Zukunft sicherheitspolitische Bedrohungen existieren, die die Existenz eines Raketenabwehrsystems erfordern. Damit nimmt die NATO eine Eskalation des Streits mit Russland ebenso in Kauf wie unkalkulierbare finanzielle Risiken und die Gefahr eines neuen Wettrüstens. Heute, mehr als ein Jahr später, ist das ganze Ausmaß der Misere zu besichtigen: Die Beendigung der nuklearen Teilhabe ist bei FDP und CDU/CSU vom Tisch. Die Bundesregierung argumentiert, dass man nur gemeinsam mit den anderen europäischen NATO-Staaten eine solche Entscheidung treffen wird - also in den nächsten zehn Jahren eben wohl nicht. Während die Bundesregierung sich wegduckt, sind die USA dabei, die unter anderem auch in Deutschland gelagerten taktischen Atomwaffen vom Typ B 61 zu modernisieren. Die Regierung spricht von einem Lebensdauerverlängerungsprogramm, aber es besteht kein Zweifel, dass es nicht nur um den Austausch von Komponenten geht, sondern um die Verbesserung der Funktions- und Einsatzfähigkeit. Beim Gipfel in Chicago 2012 und insgesamt in den letzten beiden Jahren hat die Bundesregierung keinen Zweifel daran gelassen, dass sie diesen falschen NATO-Kurs nicht nur mitträgt, sondern auch weiter aktiv unterstützen will: die fortdauernde Lagerung von Atomwaffen in Deutschland, die Aufstellung einer Ballistic Missile Defense Operation Cell in Ramstein. Demgegenüber konnte die Bundesregierung lediglich verklausulierte Bekenntnisse zu Abrüstung und Rüstungskontrolle sowie dem Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt im Kommuniqué zum Abschluss des Chicago-Gipfels als friedenspolitisch sinnvolle Ergebnisse präsentieren. So schwammig sich das liest, so wenig ist bislang auch daraus geworden. Auch bei konventioneller Rüstungskontrolle hat sich die Bundesregierung nicht sonderlich hervorgetan. Den KSE-Prozess kann man endgültig als gescheitert betrachten. Die Bundesregierung war nicht bereit, eigenständig auf Russland zuzugehen, sondern hat sich hinter der Bewegungsunwilligkeit der NATO versteckt. Auch den neuen Herausforderungen durch unbemannte Systeme, zum Beispiel als Träger von Massenvernichtungswaffen, als Spionageinstrumente oder für völkerrechtswidrige gezielte Tötungen, wird nur halbherzig Aufmerksamkeit geschenkt. Lieber beteiligt sich die Bundesregierung an der Beschaffung von NATO-Drohnen. Der Aufrüstungskurs in der NATO bleibt ungebrochen, unabhängig davon, ob es überhaupt kurz- oder mittelfristig eine ernst zu nehmende militärische Bedrohung gibt. Auch die Wirtschaftskrise scheint nur geringe Spuren hinterlassen zu haben. Der deutsche Verteidigungsetat ist nahezu ungekürzt durch die Krise gekommen. Und jüngst auf dem Treffen der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel Anfang Juni 2013 hat NATO-Generalsekretär Rasmussen genau diese Devise vorgegeben: Die NATO-Staaten sollen den Trend umkehren, sich geschlossen gegen weitere Kürzungen stellen und die Aufstockung der Militärausgaben in Angriff nehmen, sobald sich die Wirtschaft wieder erholt. Der Bundesregierung fehlt es an außen- und sicherheitspolitischen Konzepten, die nicht auf militärische Instrumente gestützt sind. Das wird bei der NATO-Politik deutlich erkennbar. Aber auch in der EU konzentriert man sich auf den Ausbau der militärischen Instrumente der GSVP, um kleinere Interventionseinsätze eigenständig führen und die NATO entlasten zu können und um vielleicht durch das sogenannte Pooling & Sharing einige der üppigen Verteidigungskosten reduzieren zu können. Mit einer solchen Politik - und in den Antworten auf die Große Anfrage lässt die Bundesregierung keinen Zweifel daran, dass sie diese Politik fortführen will - erreicht man nicht Frieden, Sicherheit und Stabilität, sondern das Gegenteil. Smart Defense, das neue Wunderwort der NATO für effiziente Rüstungs- und Militärpolitik, ist eben nicht kluge Verteidigungspolitik. Eine solche Verteidigungspolitik - und das hat die Linke schon mehrfach im Bundestag ausgeführt und begründet - basiert auf einer realistischen sicherheitspolitischen Bedrohungsanalyse und ruht auf den Pfeilern einer Fokussierung auf Landesverteidigung, der Abrüstung bei der Bundeswehr und der Beendigung der nuklearen Teilhabe. Mit der NATO, wie sie sich derzeit präsentiert, ist das nicht zu machen. Agnes Brugger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): "Wir werden uns im Bündnis sowie gegenüber den amerikanischen Verbündeten dafür einsetzen, dass die in Deutschland verbliebenen Atomwaffen abgezogen werden." So steht es schwarz auf weiß im Koalitionsvertrag von 2009. Geblieben ist davon nach dem NATO-Gipfel in Chicago 2012 nur heiße Luft. Die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der SPD zu den Beschlüssen und Folgen des Gipfels macht klar: Diese vier Jahre waren vier verlorene Jahre für die deutsche Abrüstungspolitik. Schwarz-Gelb hat die hehren Ziele des Koalitionsvertrages und des Parlamentsbeschlusses von 2010 zur Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt dem internen Streit zwischen Westerwelle und de Maizière geopfert. Bei der Genehmigung skandalöser Rüstungsexporte und bei der Finanzierung von teuren und nutzlosen Rüstungsprojekten herrscht in diesem Kabinett zwar Einigkeit, geht es aber um Friedens- und Abrüstungspolitik, zankt sich Merkels Chaostruppe bis zur außenpolitischen Handlungsunfähigkeit. Was dabei herauskommt, zeigt der Chicago-Gipfel in aller Deutlichkeit: Den schönen Worten von Schwarz-Gelb folgte nicht etwa der Abzug der Atomwaffen aus Deutschland, sondern der Aufbau eines Raketenabwehrsystems, dessen Funktionstüchtigkeit fraglich ist. Doch mit eklatanten Mängeln bei Rüstungsgütern haben Sie ja Erfahrung, nicht erst seit dem Euro-Hawk. Das Raketenabwehrsystem schafft nicht mehr Sicherheit, sondern führt zu mehr Aufrüstung und damit zu mehr Unsicherheit. Dabei sind die Kosten für dieses System heute noch immer nicht absehbar. Klar ist aber schon jetzt, dass der friedenspolitische Preis, den wir hierfür bezahlen, hoch ist. Die NATO hat auf ihrem Gipfel 2012 in Chicago dabei versagt, Antworten auf die dringenden sicherheits- und friedenspolitischen Fragen unserer Zeit zu geben. Sie hat dabei eine wichtige Chance verpasst, die günstigen Rahmenbedingungen zur Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt zu nutzen und ihren Beitrag für mehr Abrüstung und Rüstungskontrolle zu leisten. Die NATO versteht sich immer noch als Nuklearmacht und denkt nicht daran, die Rolle ihrer Nuklearwaffen substanziell zu reduzieren. Im Gegenteil, mit deutscher Zustimmung hat das Bündnis beschlossen, die noch in Europa stationierten US-Atomwaffen vorerst beizubehalten, obwohl diese nicht mal mehr einen sicherheitspolitischen Nutzen haben. Noch schlimmer: Die USA wollen genau diese Waffen modernisieren. Damit würde die nukleare Teilhabe auf unabsehbare Zeit zementiert. Das abrüstungspolitische Scheitern der NATO ist zugleich eine abrüstungspolitische Bankrotterklärung für Schwarz-Gelb. Angesichts der gewaltigen sicherheits- und außenpolitischen Herausforderungen kann sich Deutschland solch eine Kakofonie der ministeriellen Eitelkeiten einfach nicht leisten. Sie geht auf Kosten einer glaubwürdigen und wirkungsvollen Friedenspolitik. Wer hierfür in der internationalen Gemeinschaft Geschlossenheit sucht, muss auch selbst überzeugend und geschlossen auftreten. Eine Abrüstungs- und Friedenspolitik, die erfolgreich sein will, muss Chancen nutzen und entschlossen handeln. Obamas Rede vor zwei Wochen unweit von hier, am Brandenburger Tor, ist eine solche Gelegenheit. Wir begrüßen ausdrücklich die Ankündigung des US-Präsidenten, das amerikanische Atomwaffenarsenal um ein Drittel kürzen zu wollen. Der damit verbundene Aufruf zur nuklearen Abrüstung ging von Berlin aus. Daraus sollte auch eine Berliner Initiative werden. Herr Außenminister Westerwelle, wir fordern Sie dazu auf, das erneute Bekenntnis von Barak Obama zu einer atomwaffenfreien Welt aufzugreifen. Sie müssen die US-Regierung beim Wort nehmen und klarstellen, dass dieses Ziel nicht mit der Modernisierung der in Deutschland verbliebenen US-Atomwaffen vereinbar ist, sondern nur mit deren endgültigem Abzug. Ausdrücklich hat der Präsident der Vereinigten Staaten auch auf diese Atombomben verwiesen. Diese Relikte des Kalten Krieges müssen endlich verschrottet werden. Herr Außenminister, das wäre ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt und würde Deutschland neue abrüstungspolitische Glaubwürdigkeit verleihen. Es sind nur noch drei Monate bis zu Ihrer Abwahl - machen Sie sich schnell noch auf den Weg. Damit wäre auch Ihrer abrüstungspolitischen Bilanz geholfen. Anlage 26 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... Strafrechtsänderungsgesetz - ... StrÄndG) - Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien (... StrÄndG) - Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Wirksame Bekämpfung der Genitalverstümmelung - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs - Strafbarkeit der Genitalverstümmelung (Tagesordnungspunkt 22) Ute Granold (CDU/CSU): Die gestrigen Beratungen im Rechtsausschuss haben noch einmal die große Einigkeit und Entschlossenheit aller Bundestagsfraktionen demonstriert, nun gemeinsam gegen die barbarische Praxis der Verstümmelung der weiblichen Genitalien vorzugehen. So freut es mich sehr, dass auch die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen den Gesetzentwurf der Koalition mittragen wollen und die Grünen ihren eigenen Gesetzentwurf für erledigt erklärt haben. Somit können wir heute ein wichtiges Vorhaben abschließen, mit dem wir uns insbesondere als Rechtspolitiker bereits seit vielen Jahren befasst haben. Vor diesem Hintergrund beraten wir also abschließend über Gesetzentwürfe der Koalition, des Bundes-rates und der SPD-Fraktion, die mit unterschiedlichen Lösungsvorschlägen den Opferschutz verbessern und das Problembewusstsein in der Öffentlichkeit steigern wollen. Um die Genitalverstümmelung bekämpfen und potenzielle Opfer wirksam schützen zu können, gilt es vor allem, den Einfluss der archaischen Tradition zu bekämpfen, mit der diese Praxis in vielen Ländern Afrikas, aber auch einigen Staaten Asiens und Lateinamerikas begründet wird. Laut UN-Kinderhilfswerk UNICEF werden weltweit jeden Tag mehr als 8 000 Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt. Effektiver Opferschutz muss also zum einen in den -jeweiligen Heimatländern ansetzen, in denen Genital-verstümmelung verbreitet ist. Dabei müssen wir ökonomische, psychologische und soziologische Effekte bedenken. So gilt es, den Menschen durch Aufklärungs- und Bildungsarbeit zu vermitteln, welche schwerwiegenden Verletzungen durch diese "Tradition" hervorgerufen werden und dass es zum Beispiel im Islam keine religiöse Begründung dafür gibt. Während einer Delegationsreise des Menschenrechtsausschusses zur Sitzung des UN-Menschenrechtsrates nach Genf Ende Mai 2013 sind wir unter anderem zu einem Gespräch zum Thema weibliche Genitalverstümmelung mit Leyla Alyanak aus dem Genfer Büro des Bevölkerungsfond der VN, UNFPA, und Holger Postulart, dem Direktor der Global Alliance against FGM, zusammengetroffen. Beide haben dabei ausdrücklich die Bedeutung dieser Bildungs- und Aufklärungsarbeit betont und Beispielprojekte ihrer Organisationen vorgestellt. Gleichzeitig haben beide aber auch auf die Notwendigkeit der Schaffung eines eigenen Straftatbestandes hingewiesen und die entsprechenden Pläne in Deutschland begrüßt. Denn neben der Aufklärungs- und Bildungsarbeit müssen auch die Rechtssysteme in den betreffenden Herkunftsländern weiterentwickelt und eine strafrecht-liche Ahndung der Genitalverstümmelung durchgesetzt werden. Hier ist es wichtig, dass auch wir in Europa die verschiedenen internationalen Initiativen gegen Genitalverstümmelung - etwa die UN-Resolution "Intensifying global efforts for the elimination of female genital mutilations" vom 20. Dezember 2012 - aufgreifen und durch die Schaffung eines entsprechenden Straftatbestandes im jeweiligen nationalen Strafrecht ein Zeichen setzen. Denn dem globalen Problem der Genitalverstümmelung kann man sich nach den Erfahrungen unserer Gesprächspartner in Genf nur stellen, indem man die Betroffenen in ihren Heimatländern und Migrationszielländen mit gleichlautenden Botschaften anspricht. Einwanderer aus den jeweiligen Regionen haben die Praxis der Genitalverstümmlung nach Europa gebracht. Ich habe die Zahlen bereits in der vergangenen Debatte genannt: Die Nichtregierungsorganisation Terre des Femmes geht beispielsweise für 2012 von knapp 24 000 betroffenen Frauen, die älter als zwanzig Jahre sind, und etwa 6 000 von Genitalverstümmelung bedrohten Frauen und Mädchen in Deutschland aus. Auch dies unterstreicht nachdrücklich, dass wir in Deutschland dringend handeln und mit der Schaffung eines eigenen Straftatbestandes dieser Herausforderung entgegentreten müssen. Zwar kann schon heute die Verstümmelung der äußeren weiblichen Genitalien nach den §§ 223 und 224 StGB mit Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren bestraft werden. Dennoch ist nach unserer Auffassung die Regelung in einem eigenen Straftatbestand, die die Tat als Verbrechen einstuft, notwendig. Die ursprünglich vorgelegten Gesetzentwürfe haben dafür unterschiedliche systematische Einordnungen in das StGB vorgesehen: in § 224 Abs. 3 StGB, in § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB oder in § 226 a StGB. Gegen eine Einbeziehung in § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB spricht, dass es bei der Genitalverstümmelung auf den erstrebten Erfolg - also hier den Eingriff in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht des Opfers - und weniger auf die gefährliche Begehungsweise ankommt, die den Grund für die Qualifikation als gefährliche Körperverletzung bildet. Auch § 226 StGB ist systematisch nicht geeignet, da im Fall der Genitalverstümmelung § 226 Abs. 2 StGB zur Regel würde, was der Deliktstruktur der § 226 StGB widerspricht. In der Grundstruktur des § 226 ist der Erfolg lediglich eine mögliche, schwere Folge der Tat. Die Genitalverstümmelung ist aber gerade darauf angelegt, den "Erfolg" herbeizuführen. Wir haben uns deshalb für die Einfügung eines eigenen Straftatbestandes als § 226 a StGB entschieden, weil dies am besten der strafrechtlichen Systematik der Körperverletzungsdelikte entspricht. Eine Sachverständigenanhörung des Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 24. April 2013 hat gezeigt, dass die in den ursprünglich vorliegenden Gesetzentwürfen entwickelten Ansätze in der vorliegenden Form teilweise nicht optimal dazu geeignet sind, die von allen Fraktionen grundsätzlich begrüßte Zielsetzung eines besseren Opferschutzes durch eine Schließung von rechtlichen Schutzlücken und der Verbesserung der -Effektivität der Strafverfolgung in diesem Bereich zufriedenstellend zu erreichen. Deshalb hat die Koalition einen eigenen Gesetzentwurf eingebracht, der die Ergebnisse dieser Beratungen aufgegriffen und nach unserer Auffassung in einer Form zusammengefasst hat, die sowohl den Opferschutz als auch gewollte Signalwirkung angemessen berücksichtigt. In diesem Zusammenhang will ich noch einmal auf zwei Aspekte eingehen, die in den bisherigen Beratungen und in der Anhörung eine besondere Rolle gespielt haben: die Frage nach dem angemessenen Strafmaß und einer Meldepflicht für Ärzte. Natürlich wäre allein mit Blick auf das furchtbare Verbrechen selbst ein möglichst hohes Strafmaß wünschenswert. Doch ergeben sich hieraus auch direkte -Folgen für andere Rechtsgebiete, die mit Blick auf die Interessen des Opfers ebenfalls berücksichtigt werden müssen. So würde die im Bundesratsentwurf vorgesehene Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren nur sehr selten eine Strafaussetzung zur Bewährung ermöglichen, weil § 56 StGB diese nur bei einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zulässt und zudem § 56 Abs. 2 StGB eine Strafaussetzung zur Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von über einem und bis zu zwei Jahren an besondere Umstände knüpft. Eine Bewährungsstrafe sollte nach unserer Auffassung aber als Option möglich bleiben, damit eine Anzeige durch die Opfer wahrscheinlicher wird. Da in der Regel die Eltern die Verstümmelung nicht selbst vornehmen, muss ein Weg offen bleiben, über den man auf die bzw. den Täter zugreifen kann, ohne die Eltern zwingend abschieben zu müssen. Die von den Grünen ursprünglich in ihrem zurückgezogenen Gesetzentwurf vorgeschlagene Einfügung der Genitalverstümmelung in den Katalog des § 226 Abs. 1 StGB hätte zur Folge gehabt, dass bei wissentlicher oder beabsichtigter Genitalverstümmelung nach § 226 Abs. 2 StGB Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren angedroht ist. Da die Voraussetzungen des § 226 Abs. 2 StGB ausnahmslos vorliegen werden, wird die Genitalverstümmelung nach diesem Gesetzentwurf immer mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft werden. Nach § 226 Abs. 2 StGB wirkt die "niedrige Gesinnung" strafverschärfend, die sich darin zeigt, dass das Opfer besonders schwer und in der Regel irreversibel getroffen werden soll. Diese niedrige Gesinnung kann man in den Fällen, in denen die Eltern den Geboten ihrer Tradition folgen und ihren Töchtern subjektiv nicht böswillig schaden wollen, kaum feststellen. Zudem müssen auch hier die aufenthaltsrechtlichen Folgen eines Strafverfahrens bedacht werden, da ein Ausländer - darum wird es sich in der Mehrzahl der Fälle handeln - bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren nach § 53 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes zwingend ausgewiesen werden muss. Eine Strafaussetzung zur Bewährung ist ebenfalls ausgeschlossen. Bereits 2007 in der Bundestagsanhörung zur Genitalverstümmelung war dieses Spannungsfeld zwischen einer angemessenen Bestrafung der Täter und den sich daraus ergebenden aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen für die betroffenen Familien thematisiert worden. So ist es fraglich, ob es im Sinne der Opfer wäre, die Familien durch die Folgen eines Strafprozesses - das heißt die Ausweisung der Eltern - grundsätzlich auseinanderzureißen. Hier gilt es, einen Kompromiss zu finden, der die strafrechtlichen Regelungen auch auf das abgestufte System der Rechtsfolgen nach §§ 53 bis 56 Aufenthaltsgesetz angemessen abstimmt. Ziel muss es sein, die abschreckende Wirkung des Strafrechts durch eine Strafverschärfung zu erhöhen, ohne dabei die Auswirkungen auf das direkte Umfeld der Opfer aus den Augen zu verlieren. Wir wollen, dass es für die Gerichte möglich ist, jeden Einzelfall individuell zu prüfen und ein angemessenes Urteil zu fällen. Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf im Vergleich zur geltenden Rechtslage - Strafbarkeit im Regelfall nach den §§ 223, 224 StGB: sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe - eine Erhöhung des Strafrahmens auf ein bis fünfzehn Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen. In der Anhörung ist ein weiterer Aspekt kontrovers diskutiert worden, der sich so in keinem der beratenen Gesetzentwürfe wiederfindet. Um Genitalverstümmelung wirksamer bekämpfen zu können, wurde die Einführung eines Melderechts bzw. einer Meldepflicht für Ärzte erörtert. So wurde unter anderem vermutet, dass die Meldepflicht in Frankreich dafür mitverantwortlich ist, dass Frankreich der einzige europäische Staat ist, in dem es bislang zu nennenswerter Strafverfolgung in diesem Bereich gekommen ist. Auch wenn wir für diese Auffassung nach der ersten Lesung teilweise kritisiert wurden, spricht weiterhin gegen eine Meldepflicht, dass es dann für Ärzte schwerer würde, die Opfer zu versorgen. Denn die Eltern würden aus Angst vor einer Meldung ihre Kinder nach einer Genitalverstümmelung nicht mehr zum Arzt bringen und dort versorgen lassen. Uns ist es wichtig, dass die Opfer von Genitalverstümmelung wenigstens dann medizinisch versorgt werden. Im übrigen ist ein ärztliches Melderecht im Kinderschutzgesetz von 2012 und auch im Strafrecht - über den rechtfertigenden Notstand - verankert. Auf weitere wesentliche Punkte, wie zum Beispiel die Themen Auslandsstrafbarkeit vor dem Hintergrund der sogenannten Ferienbeschneidungen und die Anpassung der Verjährungsregelung des § 78 b StGB, bin ich bereits im Rahmen der ersten Lesung eingegangen. Wichtig ist, dass die Verjährung der Tat bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs des Opfers ruht. So ist sichergestellt, dass eine im Kleinkindalter vorgenommene Genitalverstümmelung auch noch im Erwachsenenalter durch das Opfer zur Anzeige gebracht werden kann. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, insbesondere mit einem eigenen Straftatbestand, senden wir ein starkes Signal aus, dass wir die Genitalverstümmelung in keiner Weise dulden. Wir bedanken uns abschließend ausdrücklich dafür, dass neben der Regierungskoalition auch SPD und Grüne das Gesetz mittragen. Sonja Steffen (SPD): Bei der weiblichen Genital-verstümmelung werden die äußeren weiblichen Geschlechtsorgane teilweise oder ganz entfernt. Auf dem afrikanischen Kontinent ist diese Praktik am weitesten verbreitet. Doch es gibt sie auch in Deutschland. Menschen, die in andere Länder immigrieren, verlegen ihren Wohnsitz in ein anderes kulturelles Umfeld. Die eigenen, sozusagen mitgebrachten Einstellungen, bleiben gleichwohl oft dieselben, auch in der neuen -Heimat. Heute reden wir über Vorstellungen vom Geschlechterverhältnis und die körperliche und seelische Schwächung von Frauen, deren Genitalien verstümmelt werden. In Somalia ist es zum Beispiel Tradition, dass Töchter im Alter von fünf Jahren genitalverstümmelt werden. Über ihre eigene Verstümmelung in Somalia berichtet die Autorin Waris Dirie in ihrem viel beachteten Buch Wüstenblume. Viele Menschen haben den erschreckenden Bericht von Waris Dirie gelesen oder als Verfilmung im Kino gesehen. Frau Dirie ist heute eine engagierte Menschenrechtsaktivistin im Kampf gegen Genitalverstümmelung. Wir lesen ihr Buch Wüstenblume, wir sehen den Film, sind zutiefst erschrocken, ja verstört, und dennoch versucht, zu denken, das wäre alles weit weg. Doch das ist es nicht! Nehmen wir zum Beispiel ein Ehepaar aus Somalia, das vor einigen Jahren nach Berlin gezogen ist und hier eine Tochter bekommt. Diese Tochter ist eine von derzeit 4 000 bis 5 000 Mädchen in Deutschland, die potenziell von der Durchführung einer Genitalverstümmelung bedroht sind. 4 000 bis 5 000 Mädchen, die dem Risiko ausgesetzt sind, heimlich hierzulande oder im Ausland unter furchtbaren Bedingungen an ihren Genitalien verstümmelt zu werden. Die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes geht in ihrer Statistik vom Jahr 2012 davon aus, dass insgesamt 30 000 in Deutschland lebende Frauen und Mädchen betroffen sind. Es ist viel darüber diskutiert worden, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um diese Frauen zu schützen und das Praktizieren von Genitalverstümmelung weltweit einzudämmen. Neben Aufklärungskampagnen, Beratungsstellen und entwicklungspolitischen Projekten ging es dabei auch immer um die Frage der Verschärfung des deutschen Strafrechts. Nach geltendem Recht stellt die Genitalverstümmelung aufgrund des Gebrauchs eines gefährlichen Werkzeugs eine gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB dar und gilt wegen des Strafrahmens von sechs Monaten bis zu zehn Jahren nur als Vergehen. Erst wenn der Eingriff zum Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit führt, liegt auch eine schwere Körperverletzung gemäß § 226 Abs. 1 StGB und damit ein Verbrechen vor. Die SPD-Fraktion stimmt heute dem Gesetzentwurf der Koalition zu, der die Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien neu regelt und in einem eigenen Straftatbestand zum Verbrechen hochstuft. Wir freuen uns, dass Sie sich dabei an dem schon von uns vorgeschlagenem Strafmaß orientiert haben. Bisher ist deutsches Strafrecht jedoch nur anwendbar, wenn die Tat im Herkunftsland mit Strafe bedroht ist. Doch leider gibt es immer noch einige, insbesondere afrikanische Länder, in denen Genitalverstümmelung praktiziert wird und nicht unter Strafe steht. Diese Lücke haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf leider nicht geschlossen, was bedauerlich ist. Die Aufnahme in den in § 5 StGB geregelten Katalog der Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter im heute zu verabschiedenden Gesetz wäre wirklich konsequent gewesen. Genitalverstümmelungen sind Menschenrechtsverletzungen, die wir mit allen Mitteln gemeinsam bekämpfen müssen. Ein Kampf, der jedoch erst dann wirklich erfolgreich war, wenn Frauen auf der ganzen Welt davor sicher sind. Waris Dirie beendet ihre Biografie mit genau diesem Gedanken: Keine Frau soll diese Qualen mehr erleiden müssen! Marco Buschmann (FDP): Wir verabschieden heute eine Änderung des Strafgesetzbuches, die dem Schutz von Mädchen und jungen Frauen dient. Die Änderung soll der sogenannten Genitalverstümmelung besser vorbeugen. Im Rechtsausschuss zeichnete sich ab, dass wir dies hier heute mit einer sehr breiten Mehrheit tun werden. Denn SPD und Grüne haben dort Zustimmung zu diesem Vorhaben signalisiert. Darüber freue ich mich sehr, und dies spricht ja auch dafür, dass hier ein sehr vernünftiger Vorschlag vorliegt. Dies freut mich aber gerade auch für die Frauen und Mädchen, die wir schützen wollen. Denn wir signalisieren ihnen mit breiter Mehrheit über die Grenzen von Koalitions- und -Oppositionsfraktionen hinweg, dass wir an ihrer Seite stehen. Natürlich bietet auch das geltende Strafrecht den Opfern und den gefährdeten Mädchen und Frauen schon heute Schutz. Es macht unmissverständlich klar, dass es sich bei der Verstümmelung weiblicher Genitalien um schweres Unrecht handelt, das mit hohen Strafen geahndet werden kann. Trotzdem handelt es sich bei dem neuen § 226 a StGB, den wir einführen, um alles andere als bloße symbolische Gesetzgebung: Das Unrecht, das sich in der -Genitalverstümmelung manifestiert, wird bisher vom Gesetz nämlich nicht vollständig erfasst. Die Genitalverstümmelung ist heute Körperverletzung bzw. schwere Körperverletzung. Der Normbruch führt also allein zu dem Unwerturteil, dass die körperliche Unversehrtheit eines anderen Menschen geschädigt wurde. Die Absicht des Täters aber, nicht nur die körperliche Unversehrtheit, sondern auch die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers unwiderruflich einzuschränken, bildet sich in einem reinen Körperverletzungsdelikt eben nicht ab. Der Gesetzentwurf schafft daher mit § 226 a Strafgesetzbuch einen eigenen Straftatbestand für die Verstümmelung der äußeren weiblichen Genitalien, der eben genau dies berücksichtigt, und das Strafmaß zwischen einem und 15 Jahren, in minder schweren Fällen zwischen sechs Monaten und fünf Jahren bestimmt. Der spezielle Tatbestand wie auch die höhere Strafandrohung machen deutlich, dass es sich hier um eine besondere Form des Unrechts handelt, das gleich zwei Rechtsgüter in erheblicher Weise schädigt. Die Mindeststrafe von einem Jahr erhebt die Tat dementsprechend auch in den Rang eines Verbrechens statt eines bloßen Vergehens. Von einer höheren Mindeststrafe als einem Jahr, die man vor diesem Hintergrund durchaus hätte erwägen können, haben wir jedoch bewusst abgesehen. Denn meist bestehen zwischen Opfern und Tätern enge familiäre Beziehungen. In Deutschland könnte eine Mindesttrafe von zwei oder mehr Jahren zu aufenthaltsrechtlichen Folgen führen, die auch die effiziente Strafverfolgung beeinträchtigen. Nämlich dann, wenn etwa eine Verurteilung der Täter zwingend zu Ausweisung und Abschiebung führt, hemmt das die Opfer, Anzeige zu erstatten oder durch ihre Zeugenaussage eine Verurteilung herbeizuführen. Ich bedanke mich daher bei allen Kolleginnen und Kollegen des Rechtsausschusses, mit denen wir so engagiert und koalitionsübergreifend an der Sache gearbeitet haben. Vielleicht gibt sich ja auch noch die Linke einen Ruck und stimmt zu. Halina Wawzyniak (DIE LINKE): Wir reden über die Strafbarkeit der Verstümmelung weiblicher Genitalien. Dazu liegen drei verschiede Vorschläge vor; der Rechtsausschuss hat am 24. April 2013 eine Sachverständigenanhörung zu diesen Initiativen durchgeführt. Wir alle sind uns einig, dass die Verstümmelung weiblicher Genitalien eine schwerwiegende Grundrechtsverletzung ist. Der Bundesrat schlägt einen neuen Straftatbestand, § 226 a StGB, und ein Mindeststrafmaß von zwei Jahren vor. Die SPD will einen neuen Abs. 3 im § 224 StGB einführen, mit einem Mindeststrafmaß von einem Jahr. Die Grünen wiederum schlagen vor, im § 226 Abs. 1 StGB eine neue Nr. 3 einzuführen. Alle drei Initiativen wollen darüber hinaus den § 5 StGB, Auslandstaten gegen inländische Rechtsgüter, erweitern. Alle drei Initiativen sind getragen von dem Gedanken, eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen. Ich sage bewusst "gesetzliche Klarstellung", weil aus meiner Sicht - soweit ich das sehe, auch unumstritten - die Verstümmelung der weiblichen Genitalien bereits jetzt mindestens als Körperverletzung, eigentlich sogar als gefährliche Körperverletzung strafbar ist. Gegen eine gesetzliche Klarstellung hätten wir als Linke überhaupt nichts einzuwenden, wenn in deren Folge auch der § 5 StGB geändert werden muss, um eine wirksame Verfolgung zu ermöglichen, und - ich komme darauf zurück - ein Vollzugsdefizit zu beheben. Wir haben aber ein Problem mit einer Strafmaßverschärfung. Wir sind nicht überzeugt, dass eine Erhöhung des Mindeststrafmaßes einen Beitrag zur Verhinderung der Verstümmelung weiblicher Genitalien leistet. Glauben Sie denn wirklich, dass ein Täter/eine Täterin sich abhalten lässt, weil das Mindestmaß der Strafe erhöht wird? Wir wissen doch alle, dass es diesbezüglich genügend kriminologische Untersuchungen gibt, die eine solche Abschreckungswirkung infrage stellen. Eine weitere Schwierigkeit, die mit der Erhöhung des Strafrahmens verbunden ist, macht die SPD in ihrem Gesetzentwurf deutlich, wenn sie auf den § 53 Aufenthaltsgesetz verweist. § 53 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz sieht eine zwingende Ausweisung vor, soweit eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren erfolgt ist. Genau dieser Aspekt war ein wesentlicher Bestandteil der Anhörung. Für die betroffenen Mädchen und Frauen würde neben Verletzung ihrer Grundrechte auch noch hinzukommen, dass ein Elternteil oder gar beide gegebenenfalls ausgewiesen werden. Die Antwort könnte nun sein, § 53 Aufenthaltsgesetz zu ändern oder gar abzuschaffen, aber das scheint keine der Initiatorinnen und kein Initiator der vorliegenden Drucksachen in Erwägung zu ziehen. Wenn dies aber nicht gewollt ist, dann müssen wir uns dem Problem stellen, dass wir möglicherweise mit Strafrahmenserweiterungen ein gesellschaftliches Problem nicht lösen können, was logischerweise zu der Frage führt, ob das Strafrecht nicht auch irgendwann an seine Grenzen zur Lösung gesellschaftlicher Probleme stößt. Das Problem, dass die weibliche Genitalverstümmelung eine Grundrechtsverletzung und einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die körperliche Integrität darstellt, muss gesellschaftlich angegangen werden. Aufklärung und Prävention heißen hier die Stichworte; Aufklärung darüber, dass eine solche Genitalverstümmelung eben nicht zu akzeptieren ist; Prävention dahin gehend, dass es genügend Anlaufstellen und Hilfsangebote für potenziell betroffene Personen ebenso gibt wie die Ermutigung, sich zum Beispiel mit Anzeigen gegen eine solche Körperverletzung zu wehren. In der Anhörung im Rechtsausschuss wurde deutlich, dass derzeit kein einziges Ermittlungsverfahren, zumindest kein bekanntes, wegen dieses Körperverletzungsdeliktes geführt wird. Bei einer solchen Sachlage hilft aber eine Strafrahmenverschärfung nicht. Wenn es keine Ermittlungsverfahren gibt, weil keine Anzeigen erstattet werden, dann kann auch keine höhere Strafe ausgesprochen werden. Meine Fraktion plädiert deshalb dafür, das Thema mit der gebührenden Aufmerksamkeit in der gesellschaftlichen Debatte zu halten. Meine Fraktion plädiert dafür, Hilfsangebote und Prävention zu stärken. Eine Strafrahmenerhöhung mit all den Folgeproblemen können wir nicht mittragen. Dies scheint uns eher symbolische denn rationale Kriminalpolitik zu sein. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute kommt eine jahrelange Debatte über einen sehr schwerwiegenden Menschenrechtsverstoß zu einem guten Ende. Zumindest können wir eine wichtige Etappe abschließen. Die brutale Entstellung bis Entfernung der weiblichen Genitalien bei kleinen Mädchen, aber auch weiblichen Jugendlichen wird von heute an in Deutschland als eine schwere Straftat und damit als ein sozial-ethisch nicht zu akzeptierendes und strafwürdiges Verhalten benannt. Die weibliche Genitalverstümmelung ist eine weltweit verbreitete, von Traditionen und einem sexual- und freiheitsfeindlichen Frauenbild geprägte Qual, die Kindern mit Gewalt angetan wird und die bleibende physische und psychische Schäden verursacht. Sie ist an keine Religion gebunden und steht in den meisten Staaten, in denen sie sehr zahlreich anzutreffen ist, unter Strafe. Auch Europa und auch Deutschland kennen die Verstümmelung der weiblichen Genitalien bei Kindern und jugendlichen Frauen. Ärztinnen und Ärzte berichten von entsprechenden Befunden, und die Organisation Terre des Femmes geht für das Jahr 2012 von circa 24 000 betroffenen Frauen und circa 6 000 gefährdeten Frauen und Mädchen in Deutschland aus. Die Verstümmelungen werden in Deutschland zum Teil heimlich vollzogen, es gibt aber auch Berichte über Fahrten in die jeweiligen Herkunftsländer, wo die Verstümmelung oft in unhygienischen Verhältnissen und ohne jegliche Schmerzunterdrückung durchgeführt wird. Seit vielen Jahren wird international über eine Ächtung der weiblichen Genitalverstümmelung als eine ernste Menschenrechtsverletzung diskutiert. Im Jahre 2012 hat die UNO-Vollversammlung eine entsprechende Resolution angenommen. Die strafrechtliche Durchsetzung staatlicher Verbote solcher Praktiken der Frauenunterdrückung und Frauenmissachtung ist nur ein Mittel der Wahl. Selbstverständlich sind Aufklärung und Prävention sowie Sensibilisierungskampagnen mindestens so wichtig wie strafrechtliche Verbote. Insoweit gehen wir heute nur einen Schritt, weitere im nationalen, europäischen und internationalen Rahmen müssen folgen. Und auch dieser Schritt hat lange - wir Grünen finden: viel zu lange - gedauert. Seit Jahren haben wir in vielen parlamentarischen Anfragen, Anträgen und Gesetzentwürfen die Mehrheit in diesem Hohen Hause zum Handeln aufgefordert. Nichts ist geschehen, wenigstens nichts Essenzielles. In der letzten Legislaturperiode ist ein Gruppenantrag auf den letzten Metern an der Koalition von CDU/CSU und FDP gescheitert. Unser letzter Gesetzentwurf in dieser Legislaturperiode stammt vom Februar 2011. Sie haben wieder über zwei weitere Jahre blockiert. Endlich, vor noch nicht einmal drei Wochen, haben auch Sie nachgezogen und einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir Grünen hätten weiterhin die Einordnung der weiblichen Genitalverstümmelung in die schwere Körperverletzungsvorschrift des § 226 StGB bevorzugt, und auch die mögliche Lücke bei im Ausland verübten Verstümmelungen hätten wir gerne geschlossen. Aber Ihr Entwurf enthält die wesentlichen Elemente: eine in sich stimmige Norm, die Begrenzung der Strafbarkeit auf die Verstümmelung weiblicher Genitalien, ein ausreichendes Strafmaß und auch eine Regelung der Nebenklageberechtigung und der Bestellung eines anwaltlichen Beistands für die Opfer. Wir werden deshalb die Chance, die sich jetzt in der letzten Sitzungswoche bietet, aufgreifen, unsere eigenen Vorstellungen zurückstellen und um der Opfer und der Sache Willen dem Gesetzentwurf der Koalition zustimmen. Lassen Sie mich zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung machen: Wir wissen, dass diejenigen, die in der Debatte um die Straffreiheit der Vorhautbeschneidung bei männlichen Kindern für eine kompromisslose Strafbarkeit eintraten, dies auch mit dem falschen Argument der Gleichheit oder der Vergleichbarkeit der Vorhautbeschneidung bei Jungen und der weiblichen Genitalverstümmelung taten. Die Ungleichheit dieser beiden Handlungen ist aber evident. Die Vorhautbeschneidung ist ein marginaler Eingriff mit einer sehr geringen Komplikationsrate. Er ist weder auf das sexuelle Empfinden noch auf eine gesellschaftliche Unterdrückung der Jungen gerichtet, und schließlich ist der Eingriff bei Jungen seit Jahrtausenden auf der ganzen Welt kulturell und religiös integriert und in keinem Staat der Welt unter Strafe gestellt. Die weibliche Genitalverstümmelung hingegen ist international geächtet, auf die Unterdrückung der Sexualität und Freiheit von Frauen ausgerichtet und praktisch immer mit entstellenden und schmerzhaften Verwundungen verbunden. Gerade genitale Sexualkontakte und die Schwangerschaft und Geburt werden so für die betroffenen Frauen zu einer gewollt erniedrigenden Qual. Der deutsche Gesetzgeber, wir Abgeordnete, haben deshalb das Richtige getan, als wir die Vorhautbeschneidung von Jungen unter strengen Bedingungen für straffrei erklärten, und wir tun heute ebenfalls das Richtige, indem wir die weibliche Genitalverstümmelung als eine ernste Menschenrechtsverletzung unter Strafe stellen. Anlage 27 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwürfe: Gesetz zur Förderung der Prävention - Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: - Kinder- und Jugendgesundheit: Ungleichheiten beseitigen - Versorgungslücken schließen - Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen unter Strafe stellen - Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidungen sichern - Korruptives Verhalten effektiv bekämpfen - Korruption im Gesundheitswesen strafbar machen - Potenziale der Prävention erkennen und nutzen - Prävention und Gesundheitsförderung über die gesamte Lebensspanne stärken - Prävention weiter denken - Gesundheitsförderung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe stärken - Gesetzliche Grundlage für Prävention und Gesundheitsförderung schaffen - Gesamtkonzept für nationale Strategie vorlegen (Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 d) Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Mit dem Präven-tions-gesetz hat die Regierungskoalition ein Gesetz vorgelegt, das für die Gesundheitspolitik wichtiger kaum sein könnte. Die geschätzte Kollegin Stefanie Vogelsang hat sich als engagierte Berichterstatterin hier bereits geäußert. Nicht minder bedeutsam ist hier heute das Thema Verhinderung von Korruption im Gesundheitswesen. Ich darf mich darauf beschränken, die vorgelegten Regelungen zur Verhinderung von Korruption zu erläutern. Seitdem das Thema Korruption im Gesundheitswesen mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom Juni 2012 auch medial Thema wurde, ist leider teilweise ein Skandalklima entstanden, das besonders für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sehr schädlich war. Bundesweite Hochrechnungen gehen davon aus, dass bis zu 2 Prozent - teilweise gibt es auch höhere Schätzungen - der Kosten im Gesundheitswesen aufgrund von Fehlern, Betrug oder Korruption entstehen. Allerdings ist nicht jeder Fehler bei einer Abrechnung automatisch vorsätzlicher Betrug. Gerade bei sehr komplizierten Abrechnungscodes im Krankenhaus, wo jede Diagnose und Krankheitsverlauf einen vierstelligen Code aus Zahlen und Buchstaben bekommt, passieren Fehler; ich unterstelle keinem Arzt, der nach der Nachtschicht noch Berichte schreibt und Fehler macht, dass er korrupt ist. Deshalb müssen wir sehr genau hinschauen. Aufgrund der Berichterstattung und den Darstellungen der Opposition konnte der Eindruck entstehen, dass es einen rechtsfreien Raum gegeben habe, in dem Korruption und Fehlverhalten größeren Umfangs im Gesundheitswesen ungeahndet stattfinden konnte. Dies entspricht nicht den Tatsachen. Mehrmals habe ich vor diesem Hohen Hause bereits auf die insoweit bestehenden umfassenden Möglichkeiten zur Korruptionsbekämpfung - im Berufsrecht der Ärzte, im Sozialrecht, im Heilmittelwerbegesetz als auch im Wettbewerbsrecht - hingewiesen. Die Ärztekammern, denen die Ausübung der Berufsaufsicht obliegt, beklagen aber, dass mitunter viel Zeit vergeht, bis Sachverhalte hinreichend vorliegen oder die Staatsanwaltschaft ermittelt, um berufsrechtlich vorzugehen. Hier muss nachgebessert werden. Diesen Anspruch haben die Ärzte selbst - aber natürlich auch Patienten und Beitragszahler in der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom Juni 2012, in dem klargestellt wurde, dass niedergelassene Ärzte keine Beauftragten oder Amtsträger der Krankenkassen sind, zum Anlass genommen, die bestehenden berufs- und sozialrechtlichen Regelungen zu überprüfen. Die überwiegende Zahl der Ärzte und Zahnärzte in Deutschland verhält sich korrekt. Viele Ärzte begleiten ihre Patienten schon lange, und die Patienten danken es ihnen mit Vertrauen und Anerkennung für die teilweise anstrengende und engagierte Arbeit. Das Ergebnis der gründlichen Überprüfung der Gesetzeslage nach dem BGH-Urteil ist, dass es umfängliche Regelungen gibt, jedoch teilweise ein Vollzugsdefizit besteht und verwaltungstechnische Hürden existieren. Durch eine neue gesetzliche Regelung soll hier nun die vom BGH aufgezeigte, Regelungslücke geschlossen werden. Ermittlungsverfahren werden erleichtert und beschleunigt. Drei Dinge waren uns bei dem Gesetzentwurf besonders wichtig: Erstens sollten auf keinen Fall Ärzte und Angestellte im Gesundheitswesen unter Generalverdacht gestellt werden, denn dies wäre absolut ungerechtfertigt. Zweitens müssen aber Maßnahmen ergriffen werden, die das angegriffene Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient wieder verbessern und für die Fälle, wo es nötig ist, ein schnelleres und besseres Ermitteln der befugten Behörden ermöglichen. Drittens sollen sinnvolle und gewollte Zusammenarbeit und Kooperationsformen weiterhin unterstützt werden. Der Antrag der Regierungskoalition unterscheidet sich von den Vorschlägen der Opposition vor allem darin, wo die neuen gesetzlichen Regelungen im Gesetz verankert werden sollen und welche Signalwirkung davon ausgeht. Der Vorschlag der Regierungskoalition sieht vor, das Sozialgesetzbuch V zu erweitern und zu präzisieren. Wir erweitern § 70 und schaffen einen neuen § 307 c im SGB V. Hierbei war uns besonders wichtig, herauszuarbeiten, dass der Schutzzweck der Norm der unabhängigen ärztlichen Entscheidung gilt. Die meisten Ärzte handeln natürlich so, aber der Patient muss sich darauf verlassen können, dass die Entscheidung seines Arztes am Patientenwohl orientiert und sachgerecht ist. Der Arzt soll das Medikament verschreiben oder eine OP empfehlen, weil sie medizinisch notwendig sind, und nicht, weil er möglicherweise von einem Dritten hinterher Boni und oder andere Vergünstigungen bekommt. Es sollen trotzdem weiterhin gewünschte Koopera-tionsformen existieren können, ohne unter den Verdacht der Korruption zu fallen. Weder die Arbeit von Hilfsmittelversorgern im Außendienst, die die Patienten zu Hause mit Material wie Pflastern, Kathedern, Verbänden beliefern und gleichzeitig deren Benutzung erklären, noch die durch Erfahrungswerte geprägte Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Dentallabor beim Anfertigen von Brücken und Implantaten sollen unter Korruptionsverdacht fallen. Strafrechtlich kann dies nur im Nebenstrafrecht so ausdifferenziert umgesetzt werden. Die Oppositionsanträge werden diesen differenzierten Vorgaben nicht gerecht. Denn unabhängig von juristischen Feinheiten haben die Vorschläge eine klare negative Botschaft an alle Beteiligten im Gesundheitswesen. Die Anträge fordern eine Änderung im Strafgesetzbuch und die Schaffung eines neuen Paragrafen für Bestechung im Gesundheitswesen. Dies, obwohl § 299 StGB die Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr bereits sanktioniert. Ärzte unterliegen dieser Regelung genau wie Architekten, Anwälte oder sonstige Freiberufler. Im Strafrecht, neben dieser für alle geltenden Regelung, die -Beschäftigten im Gesundheitswesen besonders herauszustellen und damit eine Kriminalisierung dieser Berufsgruppe bewusst hinzunehmen, haben diese nicht verdient, dies besonders nicht vor dem Hintergrund der täglich geleisteten guten Arbeit der Beschäftigten im Gesundheitswesen. Der Gesetzentwurf der Regierungskoalition geht hier einen anderen, einen richtigen Weg. Deshalb schlägt die Regierungskoalition eine Konkretisierung im Nebenstrafrecht, also im Sozialgesetzbuch V, mit den bereits angesprochenen Ausdifferenzierungen vor. Hier kann Fehlverhalten trotzdem angemessen geahndet werden. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Gerichte sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren verhängen können. Wichtig ist hier auch, dass nicht nur derjenige bestraft wird, der bestechlich war, sondern auch der Bestechende. Die Opposition hat dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und FDP vorgeworfen, dass er eine Ungleichbehandlung von gesetzlich und privat Versicherten bedeute. Diese Argumentation verkürzt diese Problematik in unzulässiger Weise. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung haben wir ein dichteres Regelungsgeflecht, welches aufgrund des Sachleistungsprinzips in seiner Struktur sehr spezifisch ist. Wie auch die öffentliche Anhörung im Deutschen Bundestag gezeigt hat, ist diese spezifische Struktur sehr ausdifferenziert ausgestaltet und daher anfällig für Fehlanreize und Nichtentdeckung durch den Patienten. Dies rechtfertigt die Anknüpfung allein an das Sozialgesetzbuch. Das Gesetzgebungsvorhaben der Koalition stellt sicher, dass anders als ein Straftatbestand im StGB keine unnötigen verfassungsrechtlichen Risiken heraufbeschworen werden. Ich darf zusammenfassen: Unser Gesetzentwurf stellt weder Ärzte noch andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen unter Generalverdacht oder kriminalisiert diese. Unser Gesetzentwurf bietet wirkungsvolle Möglichkeiten, Korruption besser zu verfolgen und zu ahnden. Unser Gesetzentwurf stellt nachdrücklich heraus, dass die unabhängige ärztliche Entscheidung oberste Priorität hat. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Mehrzahl der Beschäftigten im Gesundheitswesen und der Ärzte sich korrekt verhält, wird das begründete Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestärkt. Unser Gesetzentwurf ist der notwendige Warnschuss an alle, die meinen, sich auf Kosten anderer im Gesundheitswesen bereichern zu können. Unser Gesetzentwurf erkennt die Notwendigkeit, die Kooperationsformen und Arten der Zusammenarbeit zu schützen, die positiv sind. Unser Gesetzentwurf ist im Detail ausdifferenziert und wird den komplexen Anforderungen der gelebten Gesundheitsversorgung gerecht. Ich darf Sie daher bitten, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Seit vielen Jahren arbeiteten unterschiedliche parlamentarische Mehrheiten und verschiedene Regierungskoalitionen an einem Gesetz zur Förderung der Prävention im Gesundheitswesen. Zukünftiger Schwerpunkt in der gesundheitlichen Versorgung der Menschen in Deutschland soll neben der Behandlung von Krankheiten auch die Vorbeugung vor Krankheiten als gesetzliche Pflichtaufgabe der Krankenkassen sein. Es hat lange gedauert. Ein SPD-Entwurf ist gescheitert. Wir haben uns erneut aufgemacht. Gründlichkeit ging auch hier vor Schnelligkeit. Den Entwurf der Regierung haben wir parlamentarisch noch um einige Aspekte verbessert. Heute liegt vor uns ein Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Prävention mit einem Gesamtvolumen von 500 Millionen Euro - also eine halbe Milliarde Euro. Zukünftig sollen die Krankenkassen 7 Euro pro Versicherten ausgeben für betriebliche Prävention, für die Förderung in den Lebenswelten, also im Verein, in der Schule, in der Kita und, und, und. 140 Millionen Euro sollen zukünftig zur Verfügung stehen, um regional unterschiedlich in den Lebenswelten der Länder mit deren Beteiligung abgestimmte spezielle Projekte für unterschiedliche - vor allem auch sonst schwerer zu erreichende - Personengruppen eingesetzt werden. Sicher, man kann immer mehr machen. Sicher, man wird auch an diesem Entwurf immer noch etwas verbessern können. Aber die Ankündigung der Oppositionsparteien, dass der Bundesrat dem niemals zustimmen werde, kam lange, bevor der Entwurf überhaupt bekannt war. Allein aus parteipolitischer Sicht wollen Sie von der Opposition verhindern, dass wir endlich eine gesetzliche Grundlage zur Finanzierung dieser wichtigen Aufgabe haben, wollen Sie den Gesundheitsdezernenten in unseren Städten die Chance nehmen, kleinteilig in ihren städtischen Bereichen Gesundheitsförderung anbieten zu können, die von den Krankenkassen bezahlt werden. Das ist unredlich. Das empfinde ich als Skandal. Erstmals liegt ein Gesetzentwurf vor, der konkrete, nationale Gesundheitsziele nennt, der eine kontinuierliche Zielerreichungsmessung festlegt, der eine nationale Gesundheitskonferenz initiiert und, und, und. Auch dies wollen Sie ablehnen. Auch hier wollen Sie Ihre Länder in die falsch verstandene parteipolitische Pflicht nehmen, Nein zu sagen. Das werden Sie den Menschen nicht erklären können. Dieses Taktieren wird Sie nicht einen einzigen Prozentpunkt näher an einen Wahlerfolg bringen. Im Gegenteil: Wir werden die Sommerpause nutzen, an jedem nur möglichen Ort in unseren Wahlkreisen darauf hinzuweisen. Ich bitte im Interesse der Gesundheit unserer Gesellschaft, noch einmal darüber nachzudenken und sich richtig und zukunftsweisend zu entscheiden. Angelika Graf (Rosenheim) (SPD): Die Anhörung zum schwarz-gelben sogenannten Präventionsgesetz hat die Befürchtungen und Einschätzungen der Opposition in Gänze bestätigt: Wie so oft bei Schwarz-Gelb gibt es nur ein leere Flasche mit einem irreführenden Etikett darauf. Auch die letzten Änderungsanträge ändern daran nichts. Der Gesetzentwurf ist Murks, wie Ihre Regierungsbilanz. Oder soll ich sagen Kürzungsbilanz zum Thema Prävention seit ihrem Amtsantritt? Der Gesetzentwurf versagt auf den beiden Hauptfeldern der Prävention in Deutschland. Die Hauptfragen in der Prävention sind zum einen, wie wir Menschen erreichen, die bislang kaum von Prävention und Gesundheitsförderung profitieren konnten, und zum anderen besteht die Problematik, dass eine Projektitis und ein aktionistisches Nebeneinander von Programmen bestehen. Beide Probleme werden von dem "Präventionsgesetz" der Bundesregierung nicht gelöst, schlimmer noch: Sie werden gar nicht erst angegangen. Es würden, käme dieser Gesetzentwurf durch, neue Probleme entstehen. Die Anhörung hat bestätigt, dass weiterhin der Großteil der Mittel für die Prävention in wenig effektive individuelle Präventionsmaßnahmen gesteckt würde. Sie machen weiterhin zu wenig in der Primärprävention. Das ist ein Grundfehler im schwarz-gelben Entwurf. Vor allem die Förderung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung durch die Gesetzliche Krankenversicherung, GKV, ist problematisch. Die GKV müsste Beitragsmittel an die BZgA als nachgeordnete Behörde des Bundesgesundheitsministeriums abführen. Das ist ein aberwitziger Vorschlag des FDP-geführten Ministeriums, der vermutlich eher als indirekte Parteifreundschaftshilfe für die ebenfalls FDP-geführte Bundeszentrale zu werten ist; denn die BZgA ist im Bereich der Lebenswelten nicht der beste Kooperationspartner. Auch das hat die Anhörung zum Gesetzentwurf sehr deutlich gemacht. Dass sich die Private Krankenversicherung, PKV, nicht an der Förderung beteiligen muss, ist die typische Klientelpolitik dieser Bundesregierung und völlig inakzeptabel aus Sicht der SPD. Die öffentliche Anhörung am 15. Mai 2013 zu diesem Gesetzentwurf war sowieso ein interessantes Schauspiel: Die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP mussten einen großen Teil ihrer umfangreichen Fragezeit verstreichen lassen, weil kaum einer von den geladenen Sachverständigen für den schwarz-gelben Gesetzentwurf ein gutes Wort übrig hatte. Weder die Gesetzliche Krankenversicherung noch Wohlfahrtsverbände wie die Caritas und erst recht nicht die Wissenschaft konnten an dem Gesetzentwurf etwas Gutes finden. Vernichtender kann eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf kaum sein. Nicht einmal die sonst wohlgesonnenen Arbeitgeberverbände standen auf der Seite der Bundesregierung. Auch die letzten Änderungsanträge zum Präventionsgesetz machen es nicht besser. Die Kassen nochmal einen Zwangs-Euro mehr an die BZgA für Lebenswelten bereitstellen zu lassen, bleibt sachlich doppelt falsch. Die BZgA bleibt der falsche Akteur bei den Lebenswelten, und die Beitragsmittel für eine nachgeordnete Behörde zwangsweise abzuführen, bleibt auch vor dem Hintergrund der dadurch für den Beitragszahler eventuell induzierten einkommensunabhängigen Zusatzbeiträge eine Unverschämtheit. Die Schieflage zur Privaten Krankenversicherung, die nichts zahlen muss, würde noch stärker. Daran wird deutlich, dass der Gesetzentwurf nicht mit Sorgfalt geschrieben wurde, sondern lediglich ein Schaufenstergesetzentwurf ist, der die Haushaltskürzungen im Bereich Prävention von Schwarz-Gelb kaschieren und im Wahlkampf als Gegenargument für Kritik herhalten soll. Die tatsächlichen Entscheidungen von Schwarz-Gelb im Bereich der Prävention sind am Haushalt zu erkennen: Seit dem Amtsantritt von Merkel, Rösler und Bahr im Jahr 2009 sind die Mittel im Bereich Prävention insgesamt um 10 Prozent gekürzt worden. Dieses Verhalten erklärt, warum es in 2013 nur zu diesem durchsichtigen Wahlkampfmittel "Präventionsgesetz" reicht, mit dem Sie lediglich versuchen, entweder die Opposition im Bundesrat zu erpressen oder uns vorzuwerfen, wir hätten etwas verhindert. Wirkliche Präventionsmaßnahmen sind in Ihrer Regierungszeit nämlich nicht zu finden, im Gegenteil: Die Mittel zur HIV-/Aids-Bekämpfung in Zusammenarbeit mit Osteuropa wurden in 2011 komplett gestrichen. Wir haben dazu bis heute keine Ersatzleistungen in irgendeiner Richtung von Ihnen gehört. Sogar die Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zur Bekämpfung von Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten sind von Ihnen um 25 Prozent gekürzt worden. Die zusätzlichen Mittel zur Aufklärung für Organspendemaßnahmen sind nur durch einen interfraktionellen Beschluss zustande gekommen, und auch sie haben CDU/CSU und FDP mit Kürzungen im Bereich der Prävention finanziert: In 2013 wurden die Haushaltsmittel für Aufklärungsmaßnahmen zu sexuell übertragbaren Krankheiten noch einmal um 10 Prozent und für die Bekämpfung von Drogen- und Suchtmittelmissbrauch um 4 Prozent gekürzt. Der Korruptionsteil im Präventionsgesetz ist als Omnibus nur angehängt. Sie verknüpfen zwei Themen miteinander, die nichts miteinander zu tun haben. Die Gründe sind Untätigkeit und der Wunsch nach Erpressungsmöglichkeiten in Richtung des Bundesrates, weil die schwarz-gelbe Bundesregierung in den Ländern zu Recht die Mehrheiten verloren hat. Ich vermute, er ist auch nur deshalb angehängt worden, weil Regierung und Koalition gar nicht wollten, dass Korruptionsregeln wirklich Gesetz werden. Im Übrigen ist auch dieser Gesetzentwurf der Bundesregierung handwerklich schlecht gemacht: Wir denken, er ist wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Grundgesetz verfassungswidrig. In der Konsequenz Ihrer gewünschten Korruptionsregeln würde in Zukunft in Fällen nachgewiesener Bestechung ein Krankenhausarzt nach dem Strafgesetzbuch verfolgt und bestraft werden, ein freiberuflicher Vertragsarzt würde nach dem Sozialgesetzbuch und ein -Privatarzt gar nicht strafrechtlich belangt. Diese willkürliche Ungleichbehandlung führt dazu, dass Privatpatienten, wie zum Beispiel Beamte, zum Freiwild bei -Bestechung und Bestechlichkeit werden. Die Bundesregierung weiß das und macht es trotzdem. Hier sehen wir eine Ähnlichkeit zum Präventionsgesetz: Sie wollen ein weiteres Feigenblatt für den Wahlkampf und betreiben Etikettenschwindel. Die Korruptionsbekämpfung muss im Strafgesetzbuch geregelt werden. Sie darf nicht im Sozialgesetzbuch "versteckt" werden. Die Anhörung hat daran keinen Zweifel gelassen. Nahezu alle Sachverständigen haben unsere Kritik geteilt. Die SPD begrüßt es, dass endlich auch die anderen Oppositionsfraktionen nach Jahren des Zögerns der SPD bei der Korruptionsbekämpfung folgen. Wir brauchen eine Regelung im Strafgesetzbuch, die nicht nur den Wettbewerb, sondern auch die Patienten schützt. Spätestens die Anhörung müsste Ihnen deutlich gezeigt haben, dass der Bundesrat richtig handeln würde, wenn er diese Gesetzentwürfe hoffentlich zurückweist. Dass Sie es niemals ernst gemeint haben, zeigt der Zeitablauf. Sie haben dafür gesorgt, dass Ihr Gesetzentwurf erst jetzt, in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause, verabschiedet und damit wohl der Diskontinuität anheimfallen wird. Sie haben niemals Maßnahmen in diesem Bereich gewollt. Das "Präventionsgesetz" ist vor dem Hintergrund Ihrer Kürzungsorgie in diesem Bereich zudem zynisch. Es ist einfach nur noch verantwortungslos, wie Sie mit Schaufenstergesetzen Ihre verantwortungslose Politik zu kaschieren versuchen. Es wird Zeit, dass die Wählerinnen und Wähler dieses Kasperletheater und das Simulieren von Politik am 22. September 2013 beenden. Martina Bunge (DIE LINKE): Heute stehen zwei wichtige Punkte auf der Tagesordnung - zum einen ein Gesetzentwurf zur Prävention und zum anderen Vorlagen zur Eindämmung der Korruption im Gesundheitssystem. Beides sind wichtige Themen. Die Bedeutung, die die Bundesregierung diesen Themen zumisst, lässt sich aber schon daran ablesen, zu welcher Zeit diese -Debatte angesetzt wurde. Das Interesse der Bundesregierung an einer wirklich guten Gesundheitsförderung und Prävention und an der Verringerung der Korruption im Gesundheitswesen ist gleich null. Den Gesetzentwurf zur Prävention haben Sie so ausgestaltet, dass jeder auch nur mäßig an Gesundheitsförderung Interessierte diesen Entwurf ablehnen muss und somit von vornherein klar war, dass dieser Entwurf den Bundesrat nicht passieren wird. Und obwohl sogar schon entsprechende Bekundungen aus dem Bundesrat zu hören waren, hängen Sie genau hier Ihre zwar halbherzigen, aber wenigstens etwas in die richtige Richtung gehenden Änderungsanträge an, die die Korruption von Ärztinnen und Ärzten und anderen Gesundheitsberufen eindämmen sollen. Spätestens hier wird doch deutlich, dass Ihnen nicht daran gelegen ist, Ihre Vorlagen je das Licht eines Gesetzes erblicken zu lassen. Das nenne ich Proformapolitik oder Wahlkampfshow. Um die Sache kann es Ihnen nicht gehen; dann hätten Sie es anders gemacht. Ihre Vorlage zur Prävention führt nicht zu einer -Verbesserung. Das haben Ihnen erneut die Fachleute in der Anhörung bestätigt. Es war auch spannend, in den Anhörungen zu beobachten, wie Sie es tunlichst ver-meiden, hoch anerkannte Gesundheitswissenschaftler, -Koryphäen zu Gesundheitsförderung und Prävention, zu befragen, weil die Ihnen nur den Kopf waschen würden. Sie sind eine Bundesregierung, die Angst vor der -Expertise der Wissenschaft hat. Stattdessen fragen Sie diejenigen, die zwar wenig von Gesundheitsförderung verstehen, für die Sie aber den Gesetzentwurf geschrieben haben: Ärztevertreter, Kurbäder etc. Das ist schon peinlich. Ein Gesetz zur Gesundheitsförderung und Prävention muss drei zentrale Anforderungen erfüllen: Es muss deutlich machen, dass es wirklich um einen Paradigmenwechsel geht: weg von der medizinischen Sicht auf Gesundheit, auf Krankheitsbehandlung hin zu einem Blick, der die Gesunderhaltung der Menschen als der Krankheitsbehandlung mindestens gleichwertige, gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnimmt. Dies muss durch Strukturen, aber auch durch die gesamtgesellschaftliche und angemessene Finanzierung zum Ausdruck kommen. Ein solches Gesetz muss als eine zentrale Aufgabe die Verringerung sozial bedingter gesundheitlicher Ungleichheit bewirken. Unsere Gesellschaft ist sozial ungerecht und wird immer ungerechter. In der Gesundheit kommt diese Ungerechtigkeit auf eine Weise zum -Tragen, die jedem, der nur ein wenig ethisches Bewusstsein hat, unerträglich sein muss. Wie können wir zuschauen, dass Kinder, nur weil sie in eine sozial benachteiligte Familie hineingeboren werden, bis zu zehn Jahre früher sterben müssen, als solche, die in gehobene Verhältnisse hineingeboren werden? Und ein solches Gesetz muss sicherstellen, dass unser Wissen, wie wir unsere Gesundheit erhalten, in gleichem Maße wächst wie unser Wissen zur Behandlung von Krankheiten. Wir brauchen eine umfassende und systematische Forschungsstrategie zur Verbesserung des Wohlbefindens und der Gesundheit sowie der Verringerung der sozial bedingten gesundheitlichen Ungleichheit. Keiner dieser drei Anforderungen kommt der Regierungsentwurf nur im Geringsten nahe. Wenn Sie lesen wollen, wie es besser geht, lesen Sie unseren Antrag! Nun noch ein paar Worte zur Korruption: Ihr Entwurf zur Korruption ist halbherzig, weil Sie drei Bremsen eingebaut haben. Zum einen darf die Staatsanwaltschaft nur auf Antrag tätig werden; es muss nachgewiesen werden, dass der Arzt aufgrund von Zuwendungen tatsächlich seine Behandlung ändert, und es werden nur diejenigen erreicht, die über die gesetzliche Krankenversicherung abrechnen. Alle anderen bleiben außen vor. Das ist uns viel zu wenig und Ihnen offensichtlich schon zu viel. Aber ich sage Ihnen: Wer nicht sämtliche Anreize im Gesundheitssystem ausschaltet, die dazu führen, dass Patientinnen und Patienten nicht allein im Sinne ihrer bestmöglichen Gesundheit behandelt werden, der nimmt Leid und frühzeitigen Tod der Menschen in diesem Lande in Kauf. Das Gleiche gilt für diejenigen, die nicht endlich bereit sind, Gesundheitsförderung und Prä-vention den Stellenwert zukommen zu lassen, den wir brauchen, um effektiv die Gesundheit der Menschen zu erhalten und die sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit zu verringern. Die Linke wird das nicht mittragen, sondern für die Gesundheit der Menschen streiten. Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Koalitionsfraktionen erst in den allerletzten Sitzungswochen einen Entwurf für ein Präventionsgesetz vorgelegt und auch noch die ungeliebten Regelungen zur Strafbarkeit von Korruption im Gesundheitswesen an diesen angehängt haben. Die Opposition hat zu beiden Themen in dieser Legislatur bereits frühzeitig Initiativen eingebracht, die von der Koalition schlicht ausgesessen wurden. Deutlicher lässt sich das Desinteresse an der Verwirklichung der eigenen Gesetzesvorlagen kaum zeigen. Weder wurden die Länder noch Expertinnen und Experten bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs einbezogen. Anders lässt sich die absolute Fehlkonstruktion kaum erklären. Wer diesen Gesetzentwurf liest, muss den Eindruck gewinnen, er sei von jemandem verfasst worden, der keinen Einblick in die Strukturen der Gesundheits-politik in Deutschland hat und kaum etwas von Ge-sundheitsförderung und Primärprävention versteht. Die Konzentration auf die Eigenverantwortung und Eigenkompetenz jeder und jedes Einzelnen lässt die Förderung gesunder Lebensverhältnisse vollkommen aus dem Blick geraten. Maßnahmen zur Verzahnung von Gesundheitsförderung und Arbeitsförderung - Fehlanzeige. Strategien zur Reduktion von psychischen Belastungen - Fehlanzeige. Alle, die sich und ihre Gesundheit nicht im Höchstmaß optimieren können, fallen bei diesem Gesetzentwurf aus dem Rahmen. Dies bedeutet einen Rückschritt für die gesundheitliche Chancengleichheit. Mit mehr Früherkennung, Bonusprogrammen und ärztlichen Präventionsempfehlungen werden sozial Benachteiligte nicht erreicht. Die Zwangsbeauftragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Bereich der lebensweltlichen Prävention ist der falsche Weg. Dass ein selbstverwalteter Sozialversicherungsträger einer nachgeordneten Bundesbehörde die Beitragsmittel der gesetzlich Versicherten zur Verfügung stellen soll, damit diese sich fernab der Lebenswelten der Menschen vor Ort um die lebensweltliche Prävention kümmert, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Vorhandene Strukturen und gelungene Modelle ignoriert dieser Gesetzentwurf: die Koordinierungsstellen für gesundheitliche Chancengleichheit, die Landesvereinigungen für Gesundheitsförderung, den Öffentlichen Gesundheitsdienst und das Gesunde-Städte-Netzwerk. Stattdessen schafft er nur Doppelstrukturen und unnötige Bürokratisierung. Und was nützt ein Bericht alle vier Jahre, wenn schon bei der Festlegung von Handlungsfeldern und Kriterien für Leistungen wie Bedarf, Zielgruppen, Zugangswegen und Qualität der Angebote unabhängiger Sachverstand nicht mehr vorgesehen ist? Die jetzt kurzfristig vorgelegten Änderungsanträge bringen keine entscheidenden Verbesserungen. Der zentrale Webfehler - die Konzentration nur auf Änderungen im SGB V - bleibt und kann die entscheidende Wende für Gesundheitsförderung und Prävention nicht bringen. Auch die angehängten Regelungen zur Strafbarkeit von Korruption im Gesundheitswesen bleiben unzulänglich. Es reicht nicht, wenn nur die Korruption in Bezug auf Leistungen nach dem SGB V unter Strafe gestellt wird. Auch Patienten, die privat versichert sind oder IGeL-Leistungen in Anspruch nehmen, müssen sicher sein können, dass die Behandler ausschließlich das gesundheitliche Wohl des Patienten im Auge haben und nicht den persönlichen Gewinn. Unser Fazit: Dieser Gesetzentwurf gehört in den Papierkorb, die nächste Bundesregierung muss ein echtes Gesetz für Prävention und Gesundheitsförderung vorlegen. Daniel Bahr, Bundesminister für Gesundheit: Unverändert gilt: Die Gesundheit ist der Spitzenreiter auf der individuellen Wunschliste der Menschen. Verändert hat sich aber die Bedeutung der Gesundheit unter gesamtgesellschaftlichen Gesichtspunkten; denn auch hier liegt sie inzwischen in ihrem Stellenwert ganz vorne. Mehr ältere und weniger junge Menschen, ein Wandel des Krankheitsspektrums, aber auch eine veränderte Arbeitswelt machen die Gesundheit künftig zu einem bedeutenden Rohstoff für unser Land. Im Widerspruch dazu steht die Tatsache, dass die Gesundheitsförderung in Deutschland bei weitem noch nicht den Stellenwert hat, den sie haben müsste. Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf erarbeitet, der die richtige Prioritätensetzung verfolgt. Dazu gehört: Erstens. Wir bauen die Präventionsleistungen insgesamt deutlich aus und legen dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Leistungen zur Prävention in den Lebenswelten der Menschen. Wir wollen die Menschen dort erreichen, wo sie leben, wo sie lernen und wo sie arbeiten. Zweitens. Was im Kindes- und Jugendalter nicht gelernt wird, rächt sich später. Deshalb werden wir dafür sorgen, dass die Präventionsleistungen für Kinder und Jugendliche ausgebaut werden. Kurse, die die Krankenkassen vor allem aus Marketinggründen anbieten, bringen niemanden weiter. Deshalb werden wir drittens die Wirksamkeit und Qualität von Prävention verbessern. Uns geht es um Präventionsleistungen, die die Menschen in die Lage versetzen, ihre Gesundheit zu verbessern. Deshalb werden wir die Angebote an gesetzlich festgelegten Zielen ausrichten und die Qualität der Leistungen überprüfen. Uns bleiben für diese Legislaturperiode nun zwei Möglichkeiten: Zum einen haben wir die Chance, Gesundheitsförderung und Prävention ein großes Stück voranzubringen; denn es gibt hier - darin sind sich fast alle Akteure einig - viel zu tun. Zum anderen können wir aber auch überflüssige Diskussionen führen, wie dies in den letzten Wochen immer wieder versucht wurde, beispielsweise durch Behauptungen, mit den für die Prävention vorgesehenen Finanzmitteln könne nichts erreicht werden, das sei alles viel zu wenig. Die Forderung von Herrn Lauterbach, die wir hier vor einigen Wochen zu hören bekamen, "man müsse Geld in die Hand nehmen", ist angesichts dessen, was die rot-grüne Regierung seinerzeit zur Stärkung der Prävention für ausreichend hielt, bemerkenswert. Wenn man den von der rot-grünen Regierungskoalition im Jahr 2005 vorgelegten Gesetzentwurf zur Stärkung der gesundheitlichen Prävention neben den heute hier zur Beschlussfassung anstehenden Gesetzentwurf legt, müssen Sie sich von der Opposition folgende Frage gefallen lassen: Was war denn Ihr damaliger Gesetzentwurf, wenn es so ist, wie sich Herr Lauterbach hier vor einigen Wochen äußerte, dass wir mit dem Gesetzentwurf nämlich "de facto nichts beschließen"? Ich kann Ihrer Erinnerung auf die Sprünge helfen. Die Antwort muss nämlich lauten: weniger als nichts. Hinter unserem Gesetzentwurf steht ein Finanzvolumen für Prävention von fast einer halben Milliarde Euro. Der Löwenanteil der Mittel wird für regionale Gesundheitsarbeit mit den Menschen eingesetzt, die sie benötigen, um ihre Gesundheitschancen zu verbessern. Künftig werden die Krankenkassen mit mindestens 280 Millionen Euro strukturfördernde Maßnahmen in und für gesundheitsförderliche Lebenswelten unterstützen - sei es in Betrieben, in Kitas und Schulen oder in sozialen Brennpunkten. Dies werden sie im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen in den Ländern, mit den Verantwortlichen vor Ort und den Menschen in den Lebenswelten umsetzen. Auch wenn es die Opposition nicht wahrhaben will: Mit diesem Mittelansatz liegen wir deutlich über dem Finanzvolumen des Gesetzentwurfs der rot-grünen Regierung aus dem Jahr 2005. Dieser Gesetzentwurf, den Sie so gerne und häufig als echtes Präventionsgesetz postulieren, hatte für die Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung gerade einmal 250 Millionen jährlich vorgesehen, und davon sollten noch 50 Millionen Euro für die Schaffung unnötiger bürokratischer Strukturen aufgewendet werden - Stiftung Prävention. Für die gesetzliche Krankenversicherung sollte die Neuregelung sogar aufkommensneutral sein. Für die betriebliche Gesundheitsförderung und für individuelle Präventionsmaßnahmen sah Ihr Gesetzentwurf insgesamt nur 100 Millionen Euro vor. Unser Gesetzentwurf sieht allein für die betriebliche Gesundheitsförderung ein Ausgabevolumen von mindestens rund 140 Millionen Euro vor, und zwar zusätzlich zu den Mitteln für Individualmaßnahmen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Die Vorwürfe der Opposition, unser Gesetzentwurf sei "nicht weitreichend genug" oder verfolge gar "veraltete Ansätze", weil wir vermeintlich zu wenig Geld für Settingleistungen vorsähen, entbehren nicht nur jeglicher Grundlage, sie lassen vielmehr auch Ihren eigenen Gesetzentwurf im Nach-hinein mehr als fragwürdig erscheinen; denn dieser hatte neben deutlich geringeren Ausgaben für Präventionsleistungen sogar eine Kürzung der Leistungen anderer Sozial-versicherungsträger einkalkuliert. So wollten Sie bei der Rentenversicherung entstehende Mehraufwendungen für Prävention durch Einsparungen bei der medizinischen Rehabilitation ausgleichen. Der-artige Umschichtungen zulasten ebenso wichtiger medizinischer Rehaleistungen sieht unser Gesetzentwurf nicht vor. Eine weitere Behauptung stellt die angeblich fehlende Einbeziehung insbesondere der Präventionsakteure in den Ländern und Kommunen in den Mittelpunkt. An der Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller Akteure besteht überhaupt kein Zweifel. Aber - und das betone ich nochmals ganz deutlich - jegliche Lösungswege, um in der Gesundheitsförderung und der Prävention die Kooperation der Akteure und die Koordination der Leistungen zu verbessern, müssen verfassungsrechtlich sauber sein. Auch ein Präventionsgesetz des Bundes muss sich im Rahmen des bundesstaatlichen Kompetenzgefüges bewegen. Die Länder müssen in der Gesundheitsförderung ihre Aufgaben wahrnehmen und der Bund seine. Dessen ungeachtet muss Gesundheitsförderung am Ort des Geschehens stattfinden. Deshalb verpflichten wir die Krankenkassen dazu, insbesondere in den Lebenswelten der Menschen mit den vor Ort zuständigen Stellen zu kooperieren und die Versicherten zu beteiligen. Mit unserem Gesetzentwurf leisten wir einen wesentlichen Beitrag, um der sozialbedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen entgegenzutreten. In Zeiten, in denen die Krankenkassen immer weniger für Präventionsmaßnahmen ausgeben, sorgen wir dafür, dass die Krankenkassen künftig Prävention in einem bislang nie da gewesenen Umfang betreiben müssen, und zwar gerade in den Lebenswelten. Und wir setzen die richtigen Schwerpunkte, da wir einen echten Beitrag zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit leisten wollen. Künftig werden zwei Drittel der Präventionsmittel und damit soviel wie noch nie für die Förderung gesundheitsförderlicher Strukturen in den Kommunen, Ländern und Betrieben ausgegeben. Wer sich jetzt diesem Gesetzentwurf verschließt, verweigert deshalb gerade den sozial benachteiligten Menschen gleiche Chancen auf ein möglichst gesundes und möglichst langes Leben. Im Zusammenhang mit dem Präventionsförderungsgesetz setzen wir auch auf die Kompetenz der Ärztinnen und Ärzte. Schon angesichts der Tatsache, dass 90 Prozent der Erwachsenen einmal im Jahr ihren Arzt aufsuchen, haben die Ärzte die besten Möglichkeiten, um auf gesundheitsrelevante Lebensweisen Einfluss zu nehmen. Die Menschen vertrauen ihrem Arzt oder ihrer Ärztin und nehmen ihre Ratschläge ernst. Dieses Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gilt es zu erhalten. Deshalb werden wir korruptives Verhalten einiger Mediziner nicht dulden und wirksam bekämpfen. Dazu haben wir einen Änderungsantrag in das Gesetzgebungsverfahren zum Präventionsförderungsgesetz eingebracht, der das Verbot der Bestechlichkeit und Bestechung von Leistungserbringern enthält, das sich auf alle Leistungsbereiche in der GKV und alle Berufsgruppen erstreckt, die an der Versorgung der Versicherten beteiligt sind. Außerdem wird ein an den Bestechungsdelikten des StGB angelehnter Straftatbestand im SGB V aufgenommen, der an dieses Verbot anknüpft. Danach werden insbesondere Verstöße gegen das sozialversicherungsrechtliche Verbot der Verordnung oder Zuweisung gegen Entgelt unter Strafe gestellt, sofern es sich dabei nicht nur um lediglich geringwertige Zuwendungen handelt. Die Regelung schützt die Versicherten, weil sie wirklich sicher sein können, dass beispielsweise der Arzt ihnen ein Medikament allein aus medizinisch-therapeutischen Gründen verordnet und nicht, weil sich vielversprechende Vergünstigungen eines Pharmaunternehmens dahinter verbergen. Sie schützt aber auch die Krankenkassen vor korrup-tionsbedingten Mehrkosten und sichert so die Wirtschaftlichkeit der Versorgung, und sie schützt die verschiedenen Leistungsanbieter vor korruptionsbedingter Benachteiligung und sichert so die Lauterkeit und Fairness des Wettbewerbs im Gesundheitsmarkt. Korruption im Gesundheitswesen schadet allen. Einzelne bestechliche Leistungserbringer können das Ansehen der großen Mehrheit der verantwortungsvoll und redlich arbeitenden Ärzte, Apotheker und der anderen Angehörigen der Heilberufe empfindlich schädigen. Mit diesem Änderungsantrag wollen wir das Vertrauen der Patientinnen und Patienten in die Unabhängigkeit der behandelnden Ärztinnen und Ärzte und der anderen Heilberufe erhalten und stärken. Anlage 28 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundes-republik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Förderung der Steuerehrlichkeit bei internationalen Sachverhalten und hinsichtlich der als Gesetz über die Steuerehrlichkeit bezüglich Auslandskonten bekannten US-amerikanischen Informations- und Meldebestimmungen - Beschlussempfehlung und Bericht zu den Anträgen: - Aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne bekämpfen - Globale Steuergestaltung verhindern - Regulierungsschlupflöcher stopfen - Steuerzahlungen multinationaler Unternehmen transparent machen - Country-by-Country-Reporting in Deutschland einführen und in Europa vorantreiben - Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten (Tagesordnungspunkt 26 a bis c) Manfred Kolbe (CDU/CSU): Ende Mai 2013 hat die Bundesregierung ein bilaterales Abkommen zum automatischen Informationsaustausch mit den USA geschlossen. Dieses wollen wir mit dem heutigen Gesetz in deutsches Recht gießen. Demnach verpflichten sich die Steuerverwaltungen beider Länder, bei ihren Finanzinstituten für die Besteue-rung relevante Daten zu erheben und auszutauschen. Ausgangspunkt ist ein Steuergesetz der USA aus dem Jahr 2010, FATCA. Es bestimmt, dass ausländische -Finanzinstitute die amerikanischen Steuerbehörden über Konten von US-Bürgern informieren müssen. Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, müssen sie eine Quellensteuer von 30 Prozent auf Erträge abführen, die das -Finanzinstitut aus US-Quellen bezieht. Das jetzt unterzeichnete Abkommen beruht auf einem Musterabkommen, das verschiedene europäische Staaten zusammen mit den USA erarbeitet haben. Der heute vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiger Baustein in der Strategie der Bundesregierung zur Bekämpfung der internationalen und nationalen Steuerhinterziehung. Das Abkommen mit den USA soll nach unserem Willen auch Grundlage und Muster für einen (erweiterten) automatischen Informationsaustausch innerhalb der Europäischen Union sein. Wir gehen damit den bereits seit 2009 beschrittenen Weg der bilateralen Kooperation weiter. Denn Steuerbetrüger können wir nur in gemeinsamer Arbeit bekämpfen. Dies führt zum Erfolg, und diesen sehen wir auch an über 42 unter der christlich-liberalen Koalition abgeschlossenen bilateralen Abkommen für den Informationsaustausch in Steuersachen. Des Weiteren wird durch die zügige gesetzgeberische Umsetzung der deutschen Kreditwirtschaft rechtzeitig Planungssicherheit gegeben, damit entsprechende Meldepflichten ordnungsgemäß eingehalten werden können. Die Opposition von SPD und Grünen möchte uns mit ihren Schaufensteranträgen wieder einmal zeigen, wie man angeblich richtig Steuerhinterziehung bekämpft. Aber sie ist der Zeit damit wieder einmal hinterher: Zu dem Thema "Gewinnverschiebungen großer internationaler Konzerne" hat der Bundestag bereits am 21. März 2013 (Bundestagsdrucksache 17/12827) einen Antrag beschlossen. Die Initiative hierzu ging von den Koalitionsfraktionen aus. Insbesondere wird darauf verwiesen, dass noch im Juni 2013 ein Bericht der OECD mit konkreten Handlungsempfehlungen zu erwarten ist. Die Umsetzung der Handlungsempfehlungen wird die Bundesregierung zusammen mit dem britischen und dem französischen Amtskollegen mit allem Nachdruck vorantreiben. Wir sind also bereits weiter als Ihre bloße Forderung. Dass Sie auch früher wenig Interesse an einer effektiven Bekämpfung der Steuerhinterziehung hatten, zeigen die Zahlen: Unter SPD-Finanzminister Steinbrück wurden in vier Jahren ganze sechs Informa-tionsaustauschabkommen abgeschlossen. CDU/CSU und FDP haben in dreieinhalb Jahren bereits 42 unterzeichnet. Das FATCA-Abkommen passt sich, wie bereits erwähnt, lückenlos und konsequent in die erfolgreiche Strategie unserer Koalition zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung ein. Was hat Rot-Grün zwischen 1998 und 2005 gemacht? Nichts! Das Einzige, was in Erinnerung geblieben ist, ist -Eichels Steueramnestie. Die Bemessungsgrundlage bei der Einkommensteuer wurde auf 60 Prozent abgesenkt, bei der Erbschaftsteuer teilweise auf 20 Prozent. Eichels Steueramnestie, das war das Wesentliche in sieben Jahren Rot-Grün. Dann kam die Große Koalition, und der Kampf gegen die Steuerhinterziehung begann, wenn auch zunächst unter SPD-Minister Steinbrück zaghafter als heute. Wir haben den Tatbestand der bandenmäßigen Umsatzsteuerhinterziehung eingeführt. Wir haben die Möglichkeit der Telekommunikationsüberwachung auch bei schwerer Steuerhinterziehung eingeführt. Wir haben die Verlängerung der Verjährungsfrist für schwere Steuerhinterziehung verabschiedet - gemeinsam. Herr Steinbrück war eher für die Abteilung Klamauk zuständig: Kavallerie, dann die armen Indianer und Ouagadougou. Ich weiß nicht, was die Republik Burkina Faso oder die Ureinwohner Nordamerikas mit Steuerhinterziehung zu tun haben sollen. Das war eher die Abteilung Klamauk, während die Sacharbeit von anderen geleistet wurde. 2009 kam dann die christlich-liberale Koalition. Wir haben ohne irgendwelchen Druck von außen den Tatbestand der strafbefreienden Selbstanzeige verschärft. Wir haben das aus eigener Initiative gemacht. Wir haben die Teilselbstanzeige abgeschafft. Wir haben den Zeitpunkt der Entdeckung vorverlegt. Wir haben einen Zuschlag auf Hinterziehungszinsen eingeführt. Die internationalen Anstrengungen habe ich bereits erwähnt. Das heute vorliegende Abkommen mit den USA, FATCA, ist ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Es fügt sich nahtlos in die bisherigen internationalen Abkommen und Anstrengungen ein. Keine Bundesregierung hat auf diesem Gebiet bisher so viel geleistet. Wir wollen diesen Weg auch nach der Bundestagswahl weitergehen! Lassen Sie mich zum Schluss mit einem Zitat des deutschen Nationalökonomen Hans Karl Schneider schließen: "Wer mehr als die Hälfte seines Einkommens an das Finanzamt abführen muss, ist mehr darauf bedacht, Steuern zu sparen, als darauf, Geld zu verdienen." Dieser Gedanke weist uns auch daraufhin, dass die Steuerhinterziehung auch durch die Einführung eines einfachen und gerechten Steuersystems mit niedrigen Steuersätzen bekämpft werden kann. Das ist das Ziel dieser Koalition und meiner Partei CDU. Einkommensteuersätze bis zu 75 Prozent, wie das die französischen Genossen praktizieren, sind der falsche Weg. Damit wird die Steuerhinterziehung eher befördert. Wir gehen deshalb unseren Mittelweg weiter. Das bedeutet eine ener-gische Bekämpfung der Steuerhinterziehung sowie ein einfaches und gerechtes Steuersystem mit niedrigen Steuersätzen. Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Unser Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat es in der Debatte am 7. Juni bereits deutlich gesagt: Ohne Steuerbetrug und ohne die Möglichkeiten legaler, aber nicht legitimer Steuervermeidung bzw. Steuergestaltung wären weit mehr öffentliche, auch private, Investitionen möglich. Die Steuern könnten niedriger sein, und die Neuverschuldung könnte schneller abgebaut werden. Wenn wir uns darin einig wären, wie wir diesem Missbrauch - zum eigenen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit - Herr werden wollen, brauchten wir darüber keine langen Debatten zu führen. Dass es Schwachstellen gibt, darin besteht kein Zweifel; sie zu vermeiden, ist die Herausforderung. So wurden im Laufe dieser Legislaturperiode viele Entwürfe, Anträge, Aspekte, Lösungswege, Scheinlösungswege, Irrwege und Strategien diskutiert, und es wurden vereinzelt durchaus tragfähige Lösungen gefunden. Schaut man sich jedoch die Vorschläge und Initiativen der SPD-Bundestagsfraktion an, ist zu sehen, dass wir erheblich weiter nach vorne gegangen sind. Unsere Ideen und Strategien zur Verhinderung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung, ganz besonders dort, wo sie am schwersten zu regulieren ist, nämlich bei den grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, waren mutiger und konsequenter. Ich erinnere an unsere Debatte zum Selbstbehalt, zum Trennbankensystem, zur Finanztransaktionsteuer, ich erinnere an das misslungene Steuerabkommen mit der Schweiz, aber auch an unanständig hohe Vergütungen von Fehlleistungen bestimmter Manager. Immer - ich wüsste keine Ausnahme - hat Schwarz-Gelb Monate, oft Jahre, gebraucht, sich unseren Vorschlägen - und dann oft noch halbherzig - anzuschließen. Weil die Vorstellungen der Koalition und erst recht die gesetzgeberische Umsetzung den gesellschaftlichen Entwicklungen, auch der Entwicklung der Gauner und Betrüger, immer ein wenig hinterherhinken, konnten in der Zwischenzeit häufig zahlreiche Konzerne, Unternehmen und Firmen, aber auch Einzelpersonen - darunter auch eine ganze Reihe von Steuerkriminellen - die vorhandenen Schlupflöcher und Regulierungsfehlstellen für sich erfolgreich nutzen - gegen den Fiskus, gegen die Gesellschaft, gegen das Allgemeinwohl. Damit werfe ich nicht zwingend Unfähigkeit vor; mir geht es vielmehr um die unterschiedliche Wahrnehmung, um unterschiedliche Urteile. Wer zum Beispiel dem Fiskus 1 Milliarde Euro in schwerer Zeit hoher Staatsverschuldung entzieht und diese Milliarde einer kleinen Gruppe Hotelbesitzer gibt, statt dieses Geld wenigsten den Kommunen zu geben, die damit ein Vielfaches dieser Summe in öffentliche Investitionen lenken, zeigt damit, welches Denken dieser Politik zugrunde liegt. Damit wird auch deutlich, warum das Interesse von Schwarz-Gelb so gering ist, sich wirksam und für die Gauner schmerzhaft für die staatlichen, die allgemeinen Interessen zu verwenden. Dabei gilt es für uns, immer wieder zu betonen, dass jeder Steuerbetrug immer auch das Vertrauen in den Rechtsstaat untergräbt und ein solidarisches Zusammenleben gefährdet. Wenn es um Steuergerechtigkeit und das Gegenteil - die Aktivitäten im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung und Steuervermeidung - geht, dann müssen wir nur einen Blick in die Tageszeitung werfen, um zu sehen, wie aktuell das noch ist und wie zwingend regelungsbedürftig. Zum einen kann man in der Zeitung -lesen, dass die französische Bankenaufsicht ACP eine Strafzahlung von 10 Millionen Euro gegen die französische Filiale der Schweizer Großbank UBS verhängt hat, weil sie bei der Kontrolle von möglichem grenzüberschreitendem Steuerbetrug zu "lax" gewesen sei. Dies betrifft uns erst einmal nicht, sondern das französische Rechts- und Finanzsystem, aber es ist ein Zeichen für die Erforderlichkeit einer wirksamen und zuverlässigen Kontrolldichte. Zum anderen können wir dann auch lesen, dass die Bundeskanzlerin auf dem G-8-Gipfel im irischen Enniskillen zu mehr Zurückhaltung mahne, auch um die deutschen Firmen im internationalen Wettbewerb und auf ausländischen Märkten nicht durch eine strengere Regulierung zu benachteiligen. Dies sei ihr deutlich geworden, nachdem sie sich von Experten und Unternehmen habe beraten lassen. Es werden andere Unternehmen gewesen sein als diejenigen, deren Daten durch die Organisation von Journalisten ICIJ online gestellt wurden. Debattieren wir über Steuergerechtigkeit und oft intransparente internationale Finanzströme, ist in dem Zusammenhang auch die hier diskutierte FATCA-Initiative der USA wichtig. Auf der Grundlage von den USA eingeführter Vorschriften des Foreign Account Tax Compliance Acts sollen und wollen sich Deutschland und die USA in einem Abkommen verpflichten, für Zwecke der Besteuerung von Unternehmen in Deutschland und in den USA Steuerpflichtigen Daten von Finanzinstituten zu erheben und auszutauschen. Gemeinsames Ziel dabei ist, die umfassende Besteuerung von Steuerpflichtigen sicherzustellen, indem ausländische Finanzintermediäre, wie unter anderem Banken, auf Mitwirkungspflichten verpflichtet werden, auch bezogen auf solche Aktivitäten in Tochter- und Muttergesellschaften außerhalb der USA. Auf bestimmte Erträge, insbesondere Kapital-erträge, soll eine Quellensteuer in Höhe von 30 Prozent erhoben werden, wenn das Finanzinstitut die Informationen über die Konten von in den USA Steuerpflichtigen nicht zur Verfügung stellt. Damit soll ausgeschlossen werden, dass durch die Zwischenschaltung ausländischer Finanzinstitute und Finanzdienstleister Steuern hinterzogen werden können, indem durch die Verwendung ausländischer Konten und Depots Einkommen versteckt und verheimlicht werden. Im Gegensatz zu dem bedenklichen Abkommen mit der Schweiz ist dies ein guter Gedanke und ein vielversprechender Ansatz. Positiv daran ist, dass dadurch die Diskussion über die Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung aufrechterhalten wird. Diese öffentliche Debatte brauchen wir, um durch die Schaffung von Transparenz Steuervermeidung und Steuerhinterziehung zu verhindern, wenigstens aber zu erschweren; denn nach wie vor sind die größten Probleme grenzüberschreitende Anonymität und der Mangel an Informationen. Gott sei Dank sind wir nach jahrelanger Überzeugungsarbeit heute alle so weit, die Einführung eines automatischen Informationsaustausches zu wollen. Dem entspricht auch der gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen von Bündnis 90/Die Grünen ein-gebrachte Antrag zum Country-by-Country-Reporting, wonach Unternehmen zur Bekämpfung der aggressiven Steuerplanung zu einer länderbezogenen Berichterstattung über ihre Gewinne, Verluste und ihre Steuerzahlungen verpflichtet werden sollen. Auf nationaler Ebene soll eine länderbezogene Berichterstattung für deutsche große Kapitalgesellschaften vorgeschrieben werden, und wir wollen uns auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die EU zeitnah das Country-by-Country-Reporting einführt. Wir sind froh, dass solche Gedanken inzwischen von der OECD und sogar der Kommission unterstützt und vorangetrieben werden. So gesehen gerät Schwarz-Gelb trotz aller Zögerlichkeit der Kanzlerin in Europa in die Zange, zwischen die Opposition im Deutschen Bundestag und die Aktivitäten in der EU. Wir warten darauf, dass sich die Kanzlerin an die Spitze der Bewegung setzt und alles schon seit Jahren gewollt haben will, ähnlich wie bei der Atomkraft, der Wehrpflicht oder der Finanztransaktionsteuer. Noch besser wäre es, wenn wir auch in Deutschland, in Europa und global das Problem konsequent angehen würden. Die Bundesregierung, das ist zum Ende der Legislaturperiode festzustellen, hat in den vier Jahren ihrer Regierungszeit zögerlich gearbeitet. Deshalb kommt jetzt am Ende der Legislaturperiode plötzlich ein Vorschlag nach dem anderen, was alles zu tun sei - in der nächsten Legislaturperiode. Und jeder fragt sich, warum das in den vergangenen vier schwarz-gelben Jahren nicht schon erledigt wurde. Na, jeder fragt sich das nicht. Wir wissen ja, warum. Der neoliberale Virus ist noch virulent. Es zeigt sich jetzt, auch bei dem täglichen Blick in die Zeitung, dass die bisherigen Bemühungen nicht wirklich wirksam waren, auch wenn wir Finanzpolitiker im Finanz-ausschuss in der jüngsten Zeit mit mehr als 90 Regulierungsvorschlägen befasst waren. Wichtig ist uns dabei jedoch nicht die Anzahl, nicht die Quantität, sondern immer noch die Wirksamkeit, die Qualität unserer Arbeit. Und da gibt es hinsichtlich legaler und illegaler Steuervermeidung und Steuerhinterziehung noch viel zu tun. Wie man wirksam und effizient gegen eine aggressive Steuerplanung und Steuervermeidung internationaler Konzerne vorgehen kann und auch sollte, lässt sich aus unseren Forderungen an die Bundesregierung ableiten, mit denen wir sie unter anderem auffordern, die Initiativen der G 20 und der OECD, ich denke speziell an die Initiative BEPS, gegen Steueroasen und die Steuervermeidung internationaler Konzerne zu unterstützen, sich aktiv gegen schädlichen Steuerwettbewerb in der Europäischen Union zu engagieren und sich für die konsequente Umsetzung des Aktionsplans der Europäischen Kommission zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung einzusetzen. Was wir jetzt brauchen, ist ein umfassender, internationaler und strategischer Ansatz zur Bekämpfung von Steuerkriminalität, um die Interessen der zahlreichen ehrlichen Steuerzahler zu wahren. Dabei ist das Vorgehen der USA konsequenter. Will man eine vollständige Transparenz herstellen, dann liegt die Verpflichtung zu einer Offenlegung der entsprechenden Daten und eine "Strafzahlung" im Falle der Weigerung sicherlich nahe. Wir stehen für eine Zusammenarbeit der Staaten bei der Besteuerung grenzüberschreitender Sachverhalte und sind der Ansicht, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, ausländischen Staaten die hierfür notwendigen Daten vorzuenthalten. Dies betrifft nicht nur die Erhöhung des OECD-Standards für den steuerlichen Auskunftsaustausch, auch unter Einbeziehung von Sanktionen gegen weniger kooperative Staaten. Wir stimmen dem Antrag deshalb zu, allerdings verbunden mit einer deutlichen Skepsis an der Wirksamkeit der in Art. 6 des Abkommens niedergelegten gegenseitigen Verpflichtung zur weiteren Verbesserung und Wirksamkeit des Informationsaustausches und der Transparenz. Besonders bedeutsam, aber auch wertvoll, ist dabei das Wort "gegenseitig". Diese Gegenseitigkeit ist in diesem Abkommen im Zusammenhang mit den rechtlichen Gegebenheiten noch nicht so verankert, wie es bei einem Abkommen auf Augenhöhe der Fall sein sollte. Wozu ein Mangel an Parität führen kann, haben uns die Verhandlungen zum deutsch-schweizerischen Steuerabkommen gezeigt, in denen die Schweizer Regierung bemüht war, das dortige Bankgeheimnis möglichst weitgehend zu schützen, und in denen wir auf Strafverfolgung und Steueransprüche verzichtet hätten. So stellen wir uns das nicht vor. Betrachtet man dann aber das Abkommen und seine einzelnen Bestimmungen, dann sehen wir ganz deutlich ein Ungleichgewicht. Es gibt unzweifelhaft große Unterschiede zwischen dem, was wir an Informationen zu -liefern verpflichtet wären, und dem, was die USA im Gegenzug an Informationen zu liefern bereit und imstande wäre. Dafür kann man einen Blick in den Art. 2 des Abkommens werfen und die Informationspflichten von Deutschland an die USA aufführen und umgekehrt von den USA an Deutschland. Was wir an die amerikanischen Finanzbehörden weitergeben würden, wären beispielsweise die Kapitalerträge, die Veräußerungserträge und die Kontostände. Was wir bekommen würden, wären die Zins- und die Dividendenerträge. Das ist von dem Ziel eines gleichwertigen Informationsniveaus noch sehr weit entfernt. Da der Grund im amerikanischen Rechtssystem liegt, weil die Behörden nur die Daten liefern können, die ihnen nach ihrem Recht zu erheben und weiterzugeben erlaubt sind, fragen wir uns natürlich, wie sich ein gleichwertiger Informationsaustausch herstellen ließe, wenn die Grenzen auch dadurch entstehen, dass Informationen nach dem gegenwärtigen amerikanischen Recht nicht den Meldepflichten unterliegen. Wir wurden durch das Bundesministerium der Finanzen darauf hingewiesen, dass man sich in den Verhandlungen darauf geeinigt habe, dass ein gleichwertiges Informationsniveau hergestellt werden soll. Entsteht aber das Ungleichgewicht dadurch, dass ein symmetrischer Informationsaustausch aufgrund der nationalen Gesetzeslage in den USA momentan nicht möglich ist, dann fragen wir uns - angesichts des amerikanischen Rechtssetzungsverfahrens, aber auch der Mehrheitsverhältnisse im Kongress - nach der Wahrscheinlichkeit einer Änderung und einem möglichen Zeithorizont. Bis dahin wird ein entsprechendes Maß an Daten weitergegeben, ohne dafür das Äquivalent zu erhalten, in der Hoffnung, dass sich dies eines Tages ändert. Darüber hinaus müssen wir uns, dies mit Blick auf den Art. 4 Absatz 1 des Abkommens die Frage stellen, welche Wirkungen es haben kann, wenn die Beurteilung eines Verhaltens dem Rechtssystem eines anderen Staates gewissermaßen überlassen wird. Danach wird jedes meldende deutsche Finanzinstitut so behandelt, als würde es den § 1471 des Steuergesetzbuches der Vereinigten Staaten einhalten. Damit geben wir in gewisser Weise einem anderen Rechtssystem das Regime über das Handeln in unserem Rechtssystem. Hier erkennen wir wieder ein Defizit der deutschen Regierung, das uns mit Blick auf die Mitgliedsländer der EU leider bekannt vorkommt. Es fehlt an interkultureller Kompetenz, an der Verständigung auf ein gemeinsames Maßsystem, wenigstens hinsichtlich der technischen Parameter. Die Abstimmung über technische Prozesse erlaubt gleichwohl kulturelle Vielfalt. Das setzt aber eine qualifizierte Außenpolitik voraus. Wir werden dem Entwurf zustimmen, jedoch verbunden mit dem Hinweis, dass der darin enthaltenen Asymmetrie baldmöglichst abgeholfen werden muss und sie kein Dauerzustand werden soll - gerade im Interesse der deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Dann erst handelt es sich um eine Regelung auf Augenhöhe zwischen gleichberechtigten Vertragspartnern. Wenn auch Sie sich dazu durchringen könnten, unseren Anträgen und dem gemeinsam mit den Grünen eingebrachten CbC-Reporting-Antrag zuzustimmen, könnten wir eine neue Stufe der internationalen Steuerpolitik erreichen. Ich bin gespannt, ob Sie das parteipolitische Kalkül dem Wohl unserer Gesellschaft unterordnen. Holger Krestel (FDP): Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika tut sich nicht nur ein hervorragendes Werkzeug zur Bekämpfung und Aufdeckung von Steuerhinterziehung auf. Der Foreign Account Tax Com-pliance Act, FATCA, ermöglicht durch seinen automatischen Datenaustausch mit den US-amerikanischen Steuerbehörden auch, Steuervermeidungsstrategien und Gewinnverlagerung von international tätigen Unternehmen aufzudecken. Großunternehmen und Mittelständler bilden mit ihren Standorten und den damit verbundenen Abführungen an die öffentliche Hand das Rückgrat in der Finanzierung der deutschen Kommunen. Wenn aber Konzerne wie Apple, Google und Ikea von unserer Infrastruktur und stabilen Wirtschaftslage profitieren und auf dem deutschen Markt erfolgreich sind, dann müssen sie hier auch wie jeder andere Akteur ihren Anteil dazu leisten, damit Deutschland auch weiterhin so ein attraktiver Wirtschaftsstandort sein kann. Es darf nicht sein, dass sämtliche Gewinne als Lizenzgebühren veranschlagt und zu einer Holdinggesellschaft auf den Bermudainseln verlagert werden und sie sich so aus der Verantwortung ziehen, während der Rest zahlt. Dafür kämpft die christlich-liberale Koalition erfolgreich seit ihrem Antritt, und der vorliegende Entwurf ist dabei ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Die rot-grüne Initiative zur Einführung des Country-by-Country-Reporting ist hierbei jedoch wenig hilfreich. Sie greifen mit Ihrem Antrag die Grundsätze des Steuergeheimnisses an, ohne dass das einen praktischen Nutzen hätte. Die zuständigen Finanzämter müssen selbstverständlich bereits mit sämtlichen relevanten Zahlen versorgt werden. Was dabei dann übrig bleibt, ist das, was Sie wirklich damit bezwecken: einen öffentlichen Steuerpranger. Ich muss Sie aber enttäuschen: Das Mittelalter ist in Deutschland schon lange vorbei. Wir können im Kampf gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung nur erfolgreich sein, wenn wir international an einem Strang ziehen. Diesen Weg hat die christlich-liberale Koalition erfolgreicher als jede Regierung vor ihr beschritten und zahlreiche internationale Vorstöße initiiert und Abkommen besiegelt. Es sind große diplomatische Erfolge, dass Länder wie Luxemburg und Österreich ihre Bankgeheimnisse bereits aufgegeben haben - und das ganz ohne Kavallerie! Das mit der Schweiz ausgehandelte Doppelbesteuerungsabkommen hätte ebenso eine Erfolgsgeschichte werden können, bis es von der Opposition unter fadenscheinigen Argumenten blockiert wurde. Erstmals in der Geschichte wären damit sämtliche in die Eidgenossenschaft verbrachte deutsche Vermögen auch unter deutsches Steuerrecht gefallen. Das hätte eine sofortige rückwirkende Zahlung von rund 10 Milliarden Euro an den deutschen Fiskus zur Folge gehabt. Das hätten 125 Euro pro Bürger sein können - egal ob Steuerzahler oder nicht. Das soll Herr Steinbrück mal dem Durchschnittswähler erklären; denn nachverhandeln wird die Schweiz nicht. Letzte Woche hat der Schweizer Nationalrat das Abkommen mit den USA, welches die Opposition stets als Vorbild angeführt hat, nämlich abgelehnt. Neben internationaler Kooperation bleibt das beste Mittel gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung aber immer noch ein einfaches und faires Steuersystem, das den Bürgern und Unternehmen genug Raum zum Wirtschaften lässt und nicht erdrückt, bevor sie produktiv werden können. Die Wahlprogramme der drei Oppositionsparteien kann man daher getrost als Aufforderung an alle Leistungsträger zum Verlassen Deutschlands ansehen. Das geht so lange, bis Sie merken, dass keiner mehr da ist, um die Party zu bezahlen. Da wir hier in Berlin sind, kann man Ihre Ziele auch als die "Wowereitisierung des bundesdeutschen Finanzwesens" bezeichnen. Zum Glück wird es aber nicht so weit kommen; denn die Koalition wird ihre erfolgreiche Steuerpolitik auch in der nächsten Legislaturperiode so fortsetzen. Dr. Barbara Höll (DIE LINKE): Das heutige Thema ist die Bekämpfung von Steuerflucht sowie aggressiver Steuergestaltung. Hierzu liegen uns zahlreiche Initiativen vor. Zum einen der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abkommen vom 31. Mai 2013 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, kurz FATCA, zum anderen Anträge der SPD und Grünen sowie ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Verbesserung der Bekämpfung von Steuerstraftaten. Im Mittelpunkt der Debatte steht der Gesetzentwurf der Bundesregierung - das Abkommen zwischen den USA und Deutschland. Ausgangspunkt des Abkommens ist das im März 2010 erlassene FATCA-Gesetz. Mit FATCA wollen die USA zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung Finanzinstitute in die Pflicht nehmen. Institute, die nicht bereit sind, ausländische Konten von US-Steuerpflichtigen zu identifizieren und Kontodaten zu übermitteln, müssten den FATCA-Quellensteuerabzug in Höhe von 30 Prozent auf Erträge und bestimmte Zahlungen aus den USA hinnehmen. FATCA sieht eigentlich eine direkte Verpflichtung der Finanzinstitute auf Informationsweitergabe vor. Für die Fraktion Die Linke ist FATCA die Initiative, die die meiste Wirkung bei der Bekämpfung der internationalen Steuerhinterziehung und Verschleierung verspricht. Wir haben uns daher in unserem Antrag "Steueroasen trockenlegen - offshore und hierzulande" vom 17. April 2013 (Drucksache 17/13129) auch positiv darauf bezogen. Allerdings beruhte diese Einschätzung vor allem auf der eigentlich in FATCA vorgesehenen Neuerung, wonach steuerrelevante Informationen künftig direkt bei denen eingeholt werden sollen, die über diese definitiv verfügen. Das sind Banken, sonstige Finanzinstitute und Finanzdienstleister. Sofern diese nicht mitmachen, droht ihnen eine Quellensteuer in Höhe von 30 Prozent auf aus den USA abfließende Zahlungen. Durch die mit jetzigen Abkommen vorgenommene zwischenstaatliche Umsetzung legt die Bundesregierung quasi ihre schützende Hand über die deutschen Finanzinstitute, um diese vor der drastischen Quellensteuer zu schützen. Bezeichnenderweise sehen die dem AIFM-Steueranpassungsgesetz angefügten FATCA-Begleitregelungen vor, dass vorsätzliche oder leichtfer-tige Verstöße gegen die Informationspflichten lediglich als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld bis zu 5 000 Euro behandelt werden. Die zwischenstaatliche Umsetzung von FATCA stellt damit eine Verwässerung des ursprünglichen Ansatzes der USA dar. Mit dem vorliegenden Abkommen hat die Bundesregierung eine Chance vertan, die Beschaffung von steuerrelevanten Informationen auf eine effektivere Grundlage zu stellen. Die USA verfolgen hier den klaren Anspruch einer sanktionsbewehrten Informationspflicht von Finanzinstituten mit dem Ziel einer lückenlosen Aufdeckung von Transaktionen ihrer Steuerpflichtigen. Dies erfolgt insbesondere im Hinblick auf grenzüberschreitende Verschleierungsaktivitäten, zum Beispiel durch Verschachtelungen und Zwischenschaltungen. Die Bundesregierung bleibt dagegen ihrem Ansatz verhaftet, die Reste des deutschen Bankgeheimnisses zu wahren. Kapitalerträge sollen nach wie vor anonymisiert über die Abgeltungsteuer mit den Banken als Steuervollzieher erfasst werden. Dabei leisten Banken aktiv Unterstützung zu Steuerhinterziehung und -vermeidung, wie es zum Beispiel die aktuellen Aufdeckungen zu Ex-/Cum-Trades, Dividendenstripping, zeigen. Das Abkommen stellt insgesamt eine Verbesserung dar, angesichts der erwähnten Mängel allerdings eine unzureichende. Wir enthalten uns daher. Kurz zu den anderen Vorschlägen von SPD, Grünen und Bundesrat: Dem gemeinsamen Antrag von Grünen und SPD zur Einführung von Country-by-Country-Reporting in Deutschland stimmen wir zu. Die Einführung der länderbezogenen Berichterstattung für große Kapitalgesellschaften ist zu begrüßen; denn mehr Transparenz, die Offenlegung von Steuerzahlungen, Gewinnen, Umsätzen, Beschäftigten und Kapitalbeständen ist ein Baustein für die Steuervermeidung. Bei den beiden anderen Anträgen der SPD, Drucksachen 17/12819 sowie 17/13716, werden wir uns enthalten. Die Anträge enthalten wenig Konkretes und nichts Neues. Bei den wenigen konkreten Forderungen, wie zum Beispiel die Fristenangleichung für die Festsetzung hinterzogener Steuern auf zehn Jahre, stimmen wir zu; dies fordern wir selbst in unserem viel weitergehenden Antrag "Steueroasen trockenlegen - offshore und hierzulande" (Drucksache 17/13129). Kritisch sehen wir die Ausführungen der SPD zum internationalen Steuerwettbewerb; die SPD weist lediglich auf den sogenannten schädlichen Steuerwettbewerb hin. Unserer Meinung ist Steuerwettbewerb jedoch generell schädlich; denn er unterhöhlt die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates. Ebenso werden wir uns bei dem Gesetzentwurf des Bundesrates (Drucksache 17/13664), enthalten. Dem Anliegen ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, die konkret vorgeschlagenen Maßnahmen erachten wir jedoch als zu pauschal. Und eine verschärfte Kriminalisierung von Bagatelldelikten ist ebenfalls nicht in unserem Sinne. Wir befürworten daher die Ausweitung der konkretisierten Regelbeispiele für besonders schwere Steuerhinterziehung in § 370 Abs. 3 Abgabenordnung. Auf diese Weise würde für mehr Steuerhinterziehungsfälle die verlängerte Verjährungsfrist von zehn Jahren gelten. Insgesamt zeigt sich: Die Bundesregierung tut viel zu wenig bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und aggressiver Steuergestaltung. Dr. Thomas Gambke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit dem Abkommen zwischen den USA und Deutschland zur Umsetzung des Foreign Account Tax Compliance Act, kurz FATCA genannt, wird ein Meilenstein gesetzt auf dem Weg zu mehr Transparenz und Offenheit im Finanzwesen. Wir Grünen begrüßen das ausdrücklich und werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Mit diesem Gesetzentwurf werden Finanzdaten, die bisher nicht sichtbar waren, automatisch von den Banken an die Finanzbehörden weitergeleitet. Das ist ein entscheidender Schritt, um Steuerflucht effektiv zu bekämpfen. Wir Grünen haben uns stets auch im Zusammenhang mit Doppelbesteuerungsabkommen und Informationsaustauschabkommen sowie im Prozess um die erweiterte EU-Zinsrichtlinie für den automatischen Informationsaustausch eingesetzt. Machen wir uns nichts vor: Dieser Gesetzentwurf ist nicht vom Himmel gefallen, er ist auch mehr der US-amerikanischen Initiative geschuldet als dem Drängen der Bundesregierung. Wir nehmen erfreut die Wandlung des Herrn Finanzministers Schäuble vom Saulus zum Paulus zur Kenntnis. Hat die Bundesregierung bis zum Dezember mit dem Schweizer Steuerabkommen versucht, eine intransparente Abgeltungslösung durchzu-setzen - diese hätte möglicherweise auf Jahre einen -Fortschritt beim automatischen Informationsaustausch gebremst -, so ist mit dem FATCA-Abkommen das Eis gebrochen. Auch Luxemburg und Österreich haben nun angekündigt, sich nicht länger einem automatischen Informationsaustausch zu widersetzen. Damit kann die EU-Zinsrichtlinie endlich erweitert und umgesetzt werden. Kommen wir zurück zu FATCA: Der Datenaustausch zwischen den USA und Deutschland wird ziemlich asymmetrisch gestaltet; das heißt, wir liefern den USA sehr viel mehr Daten als sie uns. Dies liegt daran, dass den USA viele Daten nicht vorliegen. Die USA haben sich in dem Abkommen mit Deutschland verpflichtet, ihre nationalen Gesetze entsprechend zu verbessern. Eine konkrete Gesetzgebung ist teilweise bereits in den Kongress eingespeist. Wir erkennen aber auch, dass die Republikaner im Senat eine Verabschiedung dieser Gesetze verhindern können. Hier gibt es einige Senatoren, die die Wettbewerbsfähigkeit der USA als Steueroase nicht aufgeben wollen. Es ist nun einmal so: Der Staat Delaware ist die älteste Steueroase in der globalen Welt. Daher könnte der Handlungsspielraum des US-Finanzministeriums zur Kooperation mit anderen Ländern für einen gemeinsamen Kampf gegen Steuerflucht eingeschränkt sein. Viele Informationen über die US-Steueroase Delaware werden wir auch über das FATCA-Abkommen aktuell nicht erhalten. Einige Banken in Florida und Texas profitieren zudem von Investitionen von lateinamerikanischen Staatsbürgern. Die USA ist das wichtigste und größte Offshorecenter für Bürger aus Lateinamerika. Wie die innerstaatliche Auseinandersetzung in den USA bei dem Thema ausgeht, ist aktuell noch offen. Um so wichtiger ist eine europäische Einigkeit bei der Frage des automatischen Informationsaustausches. Wenn die Europäer ihre gesamte Wirtschaftsmacht bündeln und mit einer Sprache sprechen, können sie Druck auf die USA ausüben, weitere Schritte für Transparenz zu unternehmen. Wichtig im weiteren Prozess wird sein, dass die In-formationspflichten nach FATCA und die Informa-tionspflichten nach der erweiterten EU-Zinsrichtlinie so harmonisiert werden, dass den Instituten die Informa-tionsweitergabe mit dem gleichen systemischen Ansatz ermöglicht wird. Das vorliegende Abkommen zeigt auch, wie wichtig die Forderung der Grünen nach Abschaffung der deutschen Abgeltungsteuer ist, um auch jenseits des FATCA-Austausches mit den USA wichtige Daten an alle anderen Ländern liefern zu können. Aktuell sammeln deutsche Finanzämter nicht die Informationen von Banken, Stiftungen oder Trusts, die ein effektiver automatischer Informationsaustausch verlangen würde. Ich will es an dieser Stelle nochmals deutlich machen: Der Gang in die Abgeltungsteuer war ein Gang in die Intransparenz. Auch beim Schweizer Steuerabkommen plante die Bundesregierung, durch eine anonyme Abgeltungsteuer auf Informationen über individuelle Steuerpflichtige zu verzichten. Die Finanzämter sind so auf die Steuerehrlichkeit des Einzelnen angewiesen - und die ist ja auch bei Personen hoher Reputation nicht immer anzutreffen, wie prominente Beispiele gezeigt haben. Ich bin froh, dass das Schweizer Steuerabkommen von Rot-Grün gestoppt werden konnte und sich damit nicht die anonyme Abgeltungsteuer, sondern der automatische Informationsaustausch als internationaler Standard durchsetzen wird. Der automatische Informationsaustausch und damit FATCA beziehen sich auf die Bankdaten des individuell Steuerpflichtigen. Wichtig ist es aber auch, bei global agierenden Unternehmen zu mehr Steuergerechtigkeit zu kommen. Hier geht es nicht um Steuerhinterziehung, sondern um - im Prinzip legale - aggressive Steuergestaltung. Dieser kommt man aber nur auf die Spur, wenn Unternehmen zu mehr Transparenz bezüglich ihrer Steuergestaltung gezwungen werden. Mit dem gemeinsamen Antrag mit der SPD haben wir noch einmal eine zentrale Maßnahme für mehr Transparenz - die länderbezogenen Offenlegungspflichten von Unternehmen, das sogenannte Country-by-Country-Reporting - hervorgehoben. Diese Transparenz ist der erste Schritt, um Steuergestaltung von multinationalen Unternehmen wirkungsvoll zu verhindern. Dabei ist entscheidend, dass die Offenlegung nicht nur vor der Finanzverwaltung erfolgt, sondern vor der Öffentlichkeit. Wir wollen Unternehmen verpflichten, ihre Umsätze, Gewinne und Steuerzahlungen sowie weitere wichtige Kennzahlen nach Ländern aufgeschlüsselt offenzulegen. Dies sorgt für Transparenz darüber, welche Unternehmen sich durch Gewinnverlagerungen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen gegenüber kleinen und mitt-leren Unternehmen, die standortgebunden sind und Gewinne nicht verschieben können. So würde transparent werden, wenn die Umsätze in Europa erwirtschaftet werden, die Gewinne aber in Steueroasen anfallen und auch dort gebunkert werden. Parallel zum politischen Einsatz für eine verbindliche EU-Regelung wollen wir diese Offenlegungspflichten auch in einem ersten Schritt national umsetzen. Ein letztes Wort noch zum Gesetzentwurf des Bundesrates: Wir unterstützen das Ziel einer vollständigen Parallelität zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung und der steuerstrafrechtlichen Verfolgungsverjährung. Aktuell besteht in nicht besonders schweren Fällen eine Diskrepanz zwischen der Steuerfestsetzungsverjährung von zehn und der Strafverfolgungsverjährung von fünf Jahren. Durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung würde die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung in allen Fällen zehn Jahre betragen. Lassen Sie es mich zum Abschluss nochmals betonen: Mit dem FATCA-Abkommen wird ein entscheidender Schritt zu mehr Offenheit und Steuerehrlichkeit gemacht. Aber es müssen weitere Schritte folgen. Und da blockiert diese Bundesregierung. Ob länderbezogene Offenlegungspflichten oder Verhinderung von Steuergestaltung bei der Ausnutzung der Schlupflöcher der vorhandenen Doppelbesteuerungsabkommen: Diese Bundesregierung offenbart immer wieder ein viel zu offenes Ohr für die Vorstellungen der internationalen Konzerne, anstatt Rücksicht zu nehmen auf diejenigen, die den wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland ausmachen: den Mittelstand. Das wollen wir Grünen ändern. Dr. Nils Schmid, Minister (Baden-Württemberg): Schätzungen zufolge entgehen dem Staat jährlich 50 bis 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung. Dieser Betrug am Gemeinwesen ist zugleich ein Schlag ins Gesicht für alle ehrlichen Steuerzahler in diesem Land. Deshalb muss eines unmissverständlich gelten: Diejenigen, die das Gemeinwesen stützen und finanzieren, verdienen Schutz: Der ehrliche Steuerzahler darf nicht der Dumme sein. Dafür muss Steuerhinterziehung wirksam bekämpft und konsequent sanktioniert werden. Das erfordert auch eine Angleichung der Fristen, innerhalb derer die strafrechtliche Verfolgung von Steuerhinterziehung und die Festsetzung der verkürzten Steuern möglich sind. Bislang können nur die besonders schweren Fälle einer Steuerhinterziehung über einen Zeitraum von zehn Jahren strafrechtlich geahndet werden. Ansonsten tritt die Strafverfolgungsverjährung derzeit bereits fünf Jahre nach der Tat ein. Anders die steuerrechtlichen Vorschriften. Mit Strafe rechnen muss ein Steuerhinterzieher in der Regel zwar nur fünf Jahre lang, die hinterzogenen Steuern muss er aber in jedem Fall für die letzten zehn Jahre nachzahlen. Dieses Auseinanderfallen der steuerlichen und der strafrechtlichen Verjährung ist unverständlich, unbefriedigend und ungerecht, und zwar gleich aus mehreren Gründen: Zum einen weisen gerade die Hinterziehungsfälle mit Auslandsbezug einen erheblichen Unwertgehalt auf. Wer Kapitalerträge hinterzieht, sollte deshalb auch zehn Jahre strafrechtlich dafür belangt werden können. Zum anderen widerspricht das Auseinanderfallen der Verjährungsfristen diametral dem Ziel des Schwarzgeldbekämpfungsgesetzes aus dem Jahr 2011: Straffrei soll der ausgehen, der "reinen Tisch macht". Das Auseinanderfallen führt aber dazu, dass auch der Hinterzieher durch eine Selbstanzeige straffrei ausgeht, der die Vergangenheit nicht vollständig bereinigt. Denn eine Selbstanzeige muss sich nur auf die strafrechtlich unverjährten Zeiträume erstrecken, um wirksam zu sein, also bei einfacher Steuerhinterziehung derzeit auf fünf Jahre. Die Festsetzung der hinterzogenen Steuern für frühere Jahre wird so aber stark erschwert. Denn die Besteuerungsgrundlagen für diese Jahre müssen vom Steuerpflichtigen nicht mitgeteilt und deshalb vom Finanzamt geschätzt werden. All dies zeigt: Eine Verlängerung der Frist für die strafrechtliche Verfolgung von allen Fällen einer Steuerhinterziehung auf zehn Jahre ist unbedingt erforderlich. Dagegen werden allerlei Bedenken vorgebracht. Doch es bedarf an dieser Stelle der grundsätzlichen Entscheidung: Wollen wir den ehrlichen Steuerzahler wirksam vor dem Steuerbetrug schützen, und wie effektiv soll dieser Schutz sein? Und die Antwort kann nur lauten: Ja, mit allen Mitteln, die uns der Rechtsstaat in die Hand gibt. Denn unser Gemeinwesen funktioniert nur, wenn sich alle Steuerpflichtigen an seiner Finanzierung beteiligen. Eine Ausweitung der Strafverfolgung ist deshalb eine entscheidende Frage der Gerechtigkeit. Anlage 29 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Entwürfe: Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (Tagesordnungspunkt 28) Dr. Stephan Harbarth (CDU/CSU): Wir verabschieden heute den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuchs. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir das Ordnungsgeldverfahren bei Verstößen gegen die handelsregisterrechtlichen Offenlegungspflichten kleiner und kleinster Kapitalgesellschaften an die Realitäten dieser Unternehmenswelt anpassen. Wir wollen mit diesem Gesetz entbürokratisieren und die Verfahrensabläufe bei der Offenlegung von Rechnungslegungsunterlagen erleichtern. Nach fünf Jahren Geltung des EHUG hat der Deutsche Bundestag in seiner Entschließung vom 29. November 2012 (Drucksache 17/11702) festgestellt, dass etwaiger Änderungsbedarf an dem seit 2006 geltenden Ordnungsgeldverfahren zu prüfen war. Der jetzige Gesetzentwurf ist das Ergebnis der Entschließung des Bundestages. Damit soll dem rechtspolitischen Änderungsbedarf Rechnung getragen werden. Im Wesentlichen greift der Entwurf drei Anliegen auf: Erstens sollen die Mindestordnungsgelder für Kleinstkapitalgesellschaften und kleine Kapitalgesellschaften deutlich gesenkt werden, wenn diese Unternehmen am Verfahren der Offenlegung ihrer Rechnungsunterlagen mitwirken. Die Senkung der Mindestordnungsgelder für Unternehmen, die am Verfahren der Offenlegung in Form der elektronischen Hinterlegung ihrer Bilanz beim Bundesanzeiger mitwirken, soll für den Rechtsverkehr Transparenz schaffen und gleichzeitig für die Unternehmen einen Offenlegungsanreiz darstellen. Nach derzeit geltendem Recht beträgt das Mindestordnungsgeld unabhängig von der Unternehmensgröße stets 2 500 Euro. Nach dem Koalitionsentwurf soll das Mindestordnungsgeld für Kleinstkapitalgesellschaften auf 500 Euro gesenkt werden. Zweitens werden Fragen zum Verschulden und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geregelt. Damit können unbillige Härten durch knappe Fristen aufgefangen werden. Das Instrument der Wiedereinsetzung würde dem Bundesamt die Möglichkeit geben, den Besonderheiten des Einzelfalles besser als bisher gerecht zu werden. So kann künftig ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, wenn das Unternehmen tatsächlich ein Verschulden trifft. Um unbillige Härten zu vermeiden, kann zum Beispiel der Alleingeschäftsführer, der an der Offenlegung durch eine längere Erkrankung gehindert war, innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall dieses Hindernisses Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Drittens soll ein gerichtliches Verfahren geschaffen werden, um eine einheitliche Rechtsprechung in Ordnungsgeldverfahren zu erreichen. Zwar sieht das Gesetz schon jetzt vor, dass nur das für den Sitz des Bundesamtes für Justiz zuständige Landgericht Bonn über Beschwerden gegen Ordnungsgeldentscheidungen des Bundesamtes zu entscheiden hat. Die große Zahl der Verfahren und die Befassung mehrerer Kammern des Landgerichts haben in den vergangenen Jahren jedoch in wichtigen Einzelfragen zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung geführt. Ziel ist es, ein Verfahren zu schaffen, durch das beispielsweise bei einer Divergenz zwischen einzelnen Kammern im Interesse der Rechtssicherheit eine einheitliche Rechtsprechung erreicht wird. Mit dem Koalitionsentwurf haben wir einen ausge-wogenen Kompromiss zwischen den widerstreitenden Interessen der Erleichterung für Unternehmen im Ordnungsgeldverfahren sowie der bewährten Publizitätserfordernisse gefunden. Mit diesem Gesetzentwurf werden wir unbillige Härten im Ordnungsgeldverfahren des elektronischen Handels- und Unternehmensregisters künftig vermeiden und kleine Kapitalgesellschaften sowie Kleinstkapitalgesellschaften insgesamt stärken. Es freut mich sehr, dass die Änderungen zur Vereinfachung im Bereich der kleinen Unternehmen führen werden. Ich bin davon überzeugt, dass dies ein richtiger und wichtiger Schritt ist. Ingo Egloff (SPD): Alle Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften ohne haftende natürliche Person wie die GmbH und Co. KG müssen ihren kaufmännischen Jahresabschluss im elektronischen Bundesanzeiger offenlegen oder mindestens dort hinterlegen. 90 Prozent der Unternehmen kommen diesen Pflichten reibungslos nach. In den letzten Jahren gab es öfter Verdruss, wenn kleine Unternehmen gegen diese Pflicht verstoßen haben. Das Bundesamt für Justiz musste dann nach § 335 HGB ein Ordnungsgeldverfahren durchführen. Das Ordnungsgeld beträgt mindestens 2 500 Euro und höchstens 25 000 Euro. Bereits bei den Beratungen zum MicroBilG hatte der Bundesrat geringere Bußgeldhöhen bei sogenannten -ruhenden Gesellschaften gefordert. Die Grünen haben in einem Antrag mehr Ermessen des Bundesamtes der -Justiz und generell geringere Bußgeldhöhen - 250 statt 2 500 Euro - gefordert. Schließlich wurde das -MicroBilG aber ohne derartige Änderungen verabschiedet. Die Koalitionsfraktionen haben jedoch die Regierung in einem Entschließungsantrag aufgefordert, einen Gesetzentwurf mit Erleichterungen hinsichtlich Ordnungsgeldhöhe und Verfahren sowie mit Regelungen, die eine einheitliche Rechtsprechung ermöglichen, bis März 2013 vorzulegen. Der Gesetzentwurf setzt diesen Antrag nur halbherzig um. Vor allem soll es bei dem Mindestbußgeld in Höhe von 2 500 Euro bleiben. Es soll auch weiterhin möglich sein, dass nachträglich - also nach Erfüllung der gesetzlichen Pflicht - angedrohte Ordnungsgelder auch festgesetzt werden. Dies hat in der Vergangenheit verständlicherweise zu Akzeptanzproblemen geführt. In der Anhörung haben mehrere Sachverständige, unter anderem die Vertreterin von Bundessteuerberaterkammer, DGRV, DIHK und ZDH wie auch der Vertreter der Wirtschaftsprüferkammer und der IHK Stuttgart, für ein niedrigeres Mindestordnungsgeld plädiert. Es wurde in der Anhörung festgestellt, dass das Bundesamt für Justiz ein bisher durch Verweisung im Gesetz vorgesehenes Ermessen zur Herabsetzung der Ordnungsgelder nicht erkannt hatte. Insgesamt ist das Verfahren überzogen und soll es bleiben. Wir hatten mit unserem Änderungsantrag im Rechtsausschuss vorgeschlagen, das Mindestordnungsgeld von 2 500 Euro auf 500 Euro herabzusetzen, dem Einspruch eine aufschiebende Wirkung zu verleihen und in der Folge eine ausdrückliche Ermessensregel vorzusehen. Dazu verlangen wir, keine Ordnungsgelder mehr festzusetzen, wenn die Offenlegung erfolgt ist, und bessere Möglichkeiten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu schaffen. Die nachträgliche Herabsetzung des Ordnungsgeldes stellt eine unnötige Verkomplizierung des Verfahrens dar, die bisher nur deshalb geboten war, weil die Ordnungsgelder unangemessen hoch angedroht wurden. Sie könnte entfallen, wenn unseren Forderungen gefolgt würde. Wir fordern außerdem, die Rechtsbeschwerde ohne Zulassung möglich zu machen. Wir haben feststellen müssen, dass beim Bundesamt für Justiz eine "Flucht aus dem Ermessen" stattgefunden hat. Wir fordern das Bundesministerium für Justiz deshalb auf, dafür zu sorgen, dass das Bundesamt für Justiz bei der Vollstreckung von Altfällen das in der Bundeshaushaltsordnung eingeräumte Ermessen auch tatsächlich ausübt. Sollte das Personal nicht ausreichen, wie der Vertreter des Bundesamtes für Justiz in der Anhörung ausführte, um hier Ermessensentscheidungen zu treffen, ist die Bundesregierung gefordert. Jedenfalls kann das Bundesamt die vom Gesetzgeber in § 379 FamFG vorgesehene Ermessensregel nicht eigenmächtig außer Kraft setzen. Marco Buschmann (FDP): Wir legen Ihnen heute in zweiter und dritter Lesung den Gesetzentwurf der -Koalitionsfraktionen zur Reform des Ordnungsgeldverfahrens des elektronischen Handels- und Unternehmensregisters vor. Seit dem Jahr 2007 kommt dem Bundesamt für Justiz die Aufgabe zu, Unternehmen zu ihrer Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses mittels Ordnungsgeldverfahren anzuhalten. Die Sanktionierung der Offenlegungspflicht über das Ordnungsgeldverfahren hat sich im Grundsatz bewährt. Die Offenlegungsquote liegt bei über 90 Prozent. Zu Problemen kommt es aber immer wieder bei kleinen und Kleinstkapitalgesellschaften, weil hier vielleicht nur der Geschäftsführer alleine tätig ist, weil er erkrankt oder das Verfahren schlicht ohne böse Absicht übersieht. Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf passen wir nun das Ordnungsgeldverfahren bei Verstößen gegen die handelsregisterrechtlichen Offenlegungspflichten im Interesse dieser kleinen und kleinsten Kapitalgesellschaften an. Damit wollen wir der Lebenswirklichkeit des Mittelstandes in unserem Land entgegenkommen, ohne aber die Offenlegungsquote zu gefährden. Dies ist also ein weiterer Schritt der Rechtspolitik - wie zuletzt beim MicroBilG - zur Entlastung unseres Mittelstandes von Bürokratie. Dieses Ziel erreichen wir im Kern mit drei Maßnahmen des vorliegenden Gesetzentwurfes: Wir senken im Ergebnis die Ordnungsgelder ab. Für kleine Kapitalgesellschaften kann künftig ein Betrag von 1 000 Euro und für Kleinstkapitalgesellschaften sogar nur von 500 Euro statt bislang 2 500 Euro festgesetzt werden. Voraussetzung ist allerdings ein Mindestmaß an Mitwirkung im Verfahren. Diese ermäßigten Ordnungsgelder sind hoch genug, um gerade bei kleineren Gesellschaften genügend Motivation zur Pflichterfüllung zu entfalten. Wir führen zudem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ein. Das ist insbesondere in Fällen äußerst praxisrelevant, in denen der Alleingeschäftsführer für längere Zeit erkrankt oder einen schweren Unfall hatte. Um unbillige Härten zu vermeiden, kann er künftig innerhalb von zwei Wochen nach seiner Genesung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, um einer Sanktionierung zu entgehen. Einen entscheidenden Beitrag zu mehr Rechtssicherheit leistet der Gesetzentwurf mit der Einführung eines neuen Verfahrens zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung im Ordnungsgeldverfahren. Künftig soll gegen die Entscheidungen des einzig zuständigen Landgerichts Bonn das Rechtsmittel der zulassungsbedürftigen Rechtsbeschwerde zum OLG Köln gegeben sein. So können zwischen verschiedenen Kammern divergierende Rechtsprechungen eingefangen und grundsätzliche Fragen des Ordnungsgeldverfahrens geklärt werden. Mit diesem Gesetzentwurf werden wir künftig unbillige Härten im Ordnungsgeldverfahren des elektronischen Handels- und Unternehmensregisters vermeiden und den Mittelstand durch den Abbau von Bürokratie und mehr Rechtssicherheit insgesamt stärken. Daher werbe ich um Ihre Zustimmung. Richard Pitterle (DIE LINKE): Die Linke ist, wie Sie unserem am 16. Juni 2013 beschlossenen Bundestagswahlprogramm "100 Prozent sozial" entnommen -haben, für die Förderung von kleinen und mittleren -Unternehmen und für Bürokratieabbau. Sie setzt sich für den Schutz der Schwachen, der Unerfahrenen ein: Hierzu zählen beispielsweise Existenzgründer, Klein- und Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer. Wenn man ihnen mit der Erfüllung ihrer Buchführungspflichten, § 238 HGB, viel Zeit lässt - in diese Richtung geht Ihr Gesetzentwurf mit der geplanten -Senkung der Ordnungsgelder -, erweist man ihnen damit einen Bärendienst. Denn spätestens in der Insolvenz -drohen harte Konsequenzen: Verletzungen der Pflichten bei Buchführung oder Bilanzierung, hierzu zählen auch Fristversäumnisse, werden mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, § 283 b Abs. 1 Ziffer 3 b StGB. Diese Gefahr besteht besonders bei Kapitalgesellschaften. Es ist so leicht geworden, als Existenzgründer oder Kleinunternehmerin und -unternehmer eine Kapitalgesellschaft zu gründen, mit der die persönliche -Haftung für die Schulden des Unternehmens verhindert werden kann. Doch gerade wegen der Haftungsbeschränkung muss man hier besonders auf die Einhaltung aller Pflichten achten, um nicht in die Gefahr zu geraten, doch unvermittelt privat für die Schulden des Unternehmens zu haften. Denn bei einer Kapitalgesellschaft ist wegen des festen Grundkapitals tendenziell viel früher Insolvenz anzumelden als bei einer Personengesellschaft. Mein zweiter Kritikpunkt, über den ich heute Abend sprechen will, ist Ihre Ungleichbehandlung von Klein- und mittelständischen Unternehmen auf der einen Seite und Großunternehmen auf der anderen Seite. Wenn Großunternehmen zwar rechtzeitig ihre Bilanzen veröffentlichen, diese aber falsch sind, hat das keine Sanktionen zur Folge. Wenn ein Unternehmen jedoch verspätet Bilanzzahlen veröffentlicht, die aber korrekt sind, wird es bestraft und muss zahlen. Diese unterschiedliche Behandlung passt für mich nicht zusammen. Denn falsche Zahlen halte ich für wesentlich schlimmer als verspätet eingereichte korrekte Bilanzzahlen. Mit dieser Einschätzung stehen wir nicht allein: Auch die Wertpapieraufsichtsbehörde in den USA, die SEC, teilt unsere Meinung und legt Unternehmen hohe Strafen auf, die ihre Bilanz nachträglich korrigieren müssen. Es geht hier übrigens nicht um Randfälle. Immerhin sind nach den langjährigen Erfahrungen der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung rund 25 Prozent der Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland falsch. Die gravierende Ungleichbehandlung bei Fehlern von Klein- und mittelständischen Unternehmen im Vergleich zu Fehlern von Großunternehmen zeigt einmal mehr, wer Interessenvertreter der kleinen und mittelständischen Unternehmen ist und wer für die Interessen der Großunternehmen eintritt. Wäre es nicht konsequenter, statt Ordnungsgelder für Unternehmen zu verlangen, die die Offenlegungsfrist überschritten haben, die säumigen Unternehmen in einem Register zu erfassen, das öffentlich zur Verfügung steht? Damit wird nicht nur Transparenz geschaffen, sondern auch eine wichtige Schutzfunktion für alle -erfüllt: Jeder Lieferant und jeder Kunde weiß, wie das Unternehmen mit seinen gesetzlichen Verpflichtungen umgeht und der betreffende Unternehmer weiß, dass alle wissen, dass er seiner Pflicht zur Rechnungslegung -immer noch nicht nachgekommen ist. Mit dieser Öffentlichkeit kann mehr Druck aufgebaut werden, rechtzeitig Bilanzen offenzulegen, als mit der nichtöffentlichen -Verhängung von niedrigen Ordnungsgeldern. Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In den Ordnungsverfahren der Jahre 2009 und 2010 wurden laut Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage von uns Grünen 97 Prozent der Ordnungsgeldverfahren gegen kleine und Kleinstunternehmen eingeleitet. Was bedeutet das? Gerade für kleine Unternehmen ist der buchhalterische Aufwand und die Erstellung des Jahresabschlusses schwerer zu erfüllen als für mittlere und große Unternehmen. Wir sprechen hier zum Beispiel von typischen -kleinen Handwerksbetrieben mit nur wenigen oder gar keinen Angestellten. Wenn sie es nicht rechtzeitig, das heißt, spätestens ein Jahr nach Abschluss des Geschäftsjahres, schaffen, ihre Rechnungsunterlagen einzureichen, dann kommt es dicke: Mindestens 2 500 Euro Ordnungsgeld sind die Konsequenz. 2 500 Euro sind für kleine Unternehmen wirklich happig. Das kann je nach Fall und Situation bis hin zur Existenzbedrohung gehen. Danach gefragt, was mittelständischen Unternehmen am ehesten helfen würde, haben 41 Prozent den Abbau von Bürokratie - Angabe des Bankenverbandes aus dem Jahr 2012 - genannt. Bürokratieabbau muss genau da vorangetrieben werden, wo es für die Praxis wirklich wichtig und entscheidend ist. Dass endlich bei den Ordnungsgeldern angesetzt wird, war schon lange überfällig. Das konnten nun auch die Kolleginnen und Kollegen von CDU/CSU und FDP nicht länger ignorieren. Jetzt, kurz vor knapp, soll der Gesetzentwurf zur Änderung des Handelsgesetzbuches kleine und Kleinstunternehmen entlasten. Die Inspiration durch unseren damaligen Antrag ist überdeutlich. Das freut uns natürlich. In unserem Antrag vom Herbst vergangenen Jahres haben wir vorgeschlagen, ein deutlich geringeres Ordnungsgeld einzuführen. Dabei haben wir als Mindesthöhe für Kleinstunternehmen 250 Euro und für Kleinunternehmen 500 Euro vorgeschlagen. Das ist aus unserer Sicht ausreichend abschreckend und kann ja immer noch progressiv gestaltet werden. Darüber hinaus haben wir im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass das Bundesamt für Justiz in Härtefällen auch nach Ermessen ganz von der Zahlung des Ordnungsgeldes absehen können muss. Gerade in kleinen Unternehmen kann es beispielsweise vorkommen, dass nur eine Person für die Rechnungslegung und Buchhaltung verantwortlich ist und eine Vertretung nicht besteht. Im Krankheitsfall des Geschäftsführers bzw. der Geschäftsführerin kann sich die Einreichung der Bilanz drastisch verzögern. Für solche und ähnliche Fälle muss das Bundesamt für Justiz mehr Flexibilität beweisen und die Besonderheiten von Klein- und Kleinstkapitalgesellschaften entsprechend berücksichtigen. CDU/CSU und FDP gehen nun davon aus, dass 1 000 Euro für Kleinstunternehmen als Ordnungsgeld durchaus verträglich seien. Natürlich ist es besser, als alle pauschal mit 2 500 Euro oder mehr zu bestrafen; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Aber wir glauben, dass auch eine geringere Summe bei progressiver Gestaltung ausreichen würde, um Unternehmen zur Ordnung zu rufen. Und der Teufel steckt im Detail: Die geringeren Ordnungsgelder im Entwurf von Schwarz-Gelb sollen nur dann greifen, sofern Unternehmen ihre "Pflicht, wenn auch verspätet" erfüllt haben. Die Herabsetzung auf 1 000 Euro soll es also nur geben, wenn die Beteiligten nach Ablauf der Sechswochenfrist der Offenlegungspflicht nachkommen. Das nützt ihnen aber nur, wenn es nicht vorher eine Entscheidung des Bundesamtes für Justiz gegeben hat. Ein Zeitpunkt dafür steht überhaupt nicht fest. Wenn also direkt nach Ablauf der sechs Wochen das Ordnungsgeld verhängt werden würde, gäbe es keine Chance mehr auf das geringere Ordnungsgeld. Das ist doch bürokratischer Nonsens wie er im zynischsten Gerhard-Polt-Sketch -vorkommen könnte. De facto wäre das in so einem Fall sogar eine Schlechterstellung gegenüber der jetzigen -Situation. Ernsthaft: Was haben Sie sich dabei gedacht? Momentan kann das Ordnungsgeld auf 250 Euro herab-gesenkt werden, wenn die Frist geringfügig - und das heißt nach Rechtsprechung, zwei Wochen - überschritten wurde. Die Mindesthöhe der grundsätzlich angesetzten Ordnungsgelder soll nach dem Entwurf der Bundesregierung demnach für alle Kapitalgesellschaften, gleich welcher Größe, bestehen bleiben - nämlich bei 2 500 Euro. Diese Gleichbehandlung aller Unternehmensgrößen ist pauschal und ungerecht. Zudem erscheint fraglich, inwiefern sich der Verwaltungsaufwand durch diese Vorgehensweise erhöhen würde; denn so wird zunächst die Summe von 2 500 Euro angedroht, nur um dann bei verspäteter Zahlung zu prüfen, ob nicht doch eine Senkung greifen könnte und, wenn ja, welche der drei Stufen zutreffen würde. Im Gesetzentwurf wird für Härtefälle weiterhin vorgeschlagen, dass Wiedereinsetzungsverfahren greifen sollen. Zunächst muss vonseiten der Unternehmerinnen und Unternehmer glaubhaft geschildert werden, dass ein wirklich unverschuldetes Hindernis der rechtzeitigen -Offenlegung entgegenstand. Wenn das Bundesamt für Justiz der Erklärung Glauben schenkt, gibt es eine zusätzliche sechswöchige Nachfrist, die mit dem Wegfall des Hindernisses startet. In so einem Fall soll das Ordnungsgeld entfallen. Allerdings halte ich die angedachte Frist, in der ein solcher Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden kann, für alles andere als praktikabel. Betroffene müssen spätestens zwei Wochen nach Ende des Hindernisgrundes einen solchen Antrag stellen. Nach einer langen, schweren Krankheit sofort an die unverzügliche Antragsstellung zu denken, ist zu rational, zu lebensfern gedacht. Stellen Sie sich doch nur im Ansatz vor, was sich unter solchen Umständen an Unterlagen und Arbeit aufstaut! Hier hätten wir uns mehr Rücksicht und Bürgernähe erwartet. Eine längere Frist hätte es wirklich auch getan. Übrigens ist in dem Entwurf auch überhaupt keine Rücksicht auf Fälle genommen worden, in denen das Einreichen der Unterlagen faktisch unmöglich geworden ist. Es wurde zum Beispiel von Fällen berichtet, in denen durch Brände sämtliche Unterlagen zerstört wurden, sodass der Jahresabschluss nicht erstellt werden kann - auch in der Zukunft nicht. Oder ganz aktuell hat ja auch das Hochwasser verheerende Schäden angerichtet. Solche Fälle beachten Sie von der CDU/CSU und FDP nicht ansatzweise, obwohl Sie von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam gemacht wurden - zuletzt in der -öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses. Die Konsequenz ist: Betroffene, die vermutlich ohnehin schon Sorgen genug haben, werden mit Ordnungsgeldbescheiden ohne Ende "beglückt". Im Fazit stehen wir also einem Gesetzentwurf gegenüber, der alles andere als abgerundet ist. Ja, er lässt sogar in manchen Teilen eine Schlechterstellung befürchten. Ich hätte mir gewünscht, dass wenn Sie von CDU/CSU und FDP sich schon von unserem Antrag inspirieren -lassen, es auch bis zum Ende durchziehen und richtig -abschreiben. Aber nein, stattdessen sind wir jetzt mit diesem unausgegorenen Entwurf konfrontiert, demgegenüber es nicht nur von uns, sondern auch von Verbänden und Menschen aus der Praxis Kritik hagelt, und zwar zu Recht: Gerade die Feinheiten erscheinen uns weit weg von der Lebensrealität der Menschen. Deshalb können wir hier nicht zustimmen. Anlage 30 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts zu den Unterrichtungen: Fortschrittsbericht 2012 zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie (Tagesordnungspunkt 32 und Zusatztagesordnungspunkt 14) Andreas Jung (Konstanz) (CDU/CSU): Diese Debatte zum Ende der Legislaturperiode gibt uns Anlass, Bilanz und Ausblick der Arbeit des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung zu diskutieren. Die Arbeit unseres mit 22 Abgeordneten besetzen Gremiums ist gekennzeichnet vom Bemühen um einen überfraktionellen Konsens. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle ist es uns auch in dieser Wahlperiode gelungen, dieses Konsensprinzip zu verwirklichen. Damit nimmt der PBNE eine Sonderstellung im Parlament ein. Grund für dieses konsensuale Denken ist zum einen ein gemeinsames Verständnis des Gebots der Nachhaltigkeit und zum anderen die Einsicht, dass breit getragene -Beschlüsse unseren Initiativen ein stärkeres Gewicht verleihen. Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung besteht jetzt in der dritten Legislaturperiode. Der Beirat hat sich damit seinen festen Platz im Parlament erarbeitet. Nach unserer gemeinsamen Auffassung ist es geboten, den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung in der kommenden Legislaturperiode zu verstetigen und ihn in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages fest zu verankern. Denn Nachhaltigkeit ist kein Modebegriff, sondern ein dauerhaftes Gebot. Und deshalb wird es auch dauerhaft ein Gremium im Deutschen Bundestag brauchen, das sich dem Gebot nachhaltiger Entwicklung als Querschnittsaufgabe annimmt. Nach unserem Verständnis ist Nachhaltigkeit mit -seiner ökologischen, seiner ökonomischen und seiner -sozialen Dimension die Wurzel, aus der alle Politikbereiche erwachsen, die gemeinsame Klammer, das Dach - wie auch immer man es ausdrücken möchte. Diesem Verständnis folgt auch die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung. Aus ihr heraus werden die jeweiligen Fachpolitiken entwickelt. Der PBNE ist mit der parlamentarischen Begleitung dieser Nachhaltigkeitsstrategie durch den Einsetzungsbeschluss des Deutschen Bundestags beauftragt. In den vergangenen Jahren haben wir diese Aufgabe mit Nachdruck und großem Engagement versehen. Dies kommt zum Ausdruck durch detaillierte Stellungnahmen zu den regelmäßigen Fortschrittsberichten. Wir empfehlen dem Bundestag, in der kommenden Wahlperiode den PBNE federführend mit der Begleitung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie zu beauftragen. Dasselbe gilt für die europäische Nachhaltigkeitsstrategie. Auch diese Federführung folgt dem Verständnis von Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe. Nachhaltigkeit ist keine Unterabteilung der Ökologie. Deshalb sollte auch der Nachhaltigkeitsbeirat im Hinblick auf seine parlamentarischen Rechte nicht auf den Umweltausschuss als "Patenausschuss" verwiesen sein. Der PBNE pflegt eine intensive Zusammenarbeit mit dem vom Bundesminister im Bundeskanzleramt koordinierten Staatssekretärsausschuss sowie mit dem Rat für Nachhaltige Entwicklung als unabhängigem Beratergremium der Bundesregierung. Diese Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen Jahren als erfolgreich erwiesen. Defizite sehen wir noch in der Verzahnung der Implementierung der Grundsätze nachhaltiger Entwicklung mit den Ländern einerseits und der Europäischen Union andererseits. Nur ein intensives Zusammenwirken aller Ebenen kann dem Gebot nachhaltiger Entwicklung letztlich umfassend zum Durchbruch verhelfen. Seit dieser Legislaturperiode führt der PBNE eine formale Nachhaltigkeitsprüfung durch. Das bedeutet, dass jeder Gesetzentwurf und jede Verordnung auf seine langfristige Wirkung für kommende Generationen anhand konkreter Richtlinien überprüft wird. Zum Abschluss der Legislaturperiode ziehen wir ein positives Resümee: Mussten wir am Anfang in etlichen Fällen die Verantwortlichen "ermahnen", die ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen auf kommende Generationen zu benennen, ist dies heute kaum noch nötig. Wir haben aber auch bemerkt, dass die formale Gesetzesfolgenabschätzung an seine Grenzen stößt und erweitert werden muss. Denn eine formale Prüfung erlaubt das korrekte Einhalten des Verfahrens. Um aber die Gesetzesfolgen in vollem Umfang abschätzen zu können, ist eine qualitative Prüfung notwendig. Neben dieser parlamentarischen Arbeit ist es dem PBNE ein Anliegen, mit Anhörungen und Stellungnahmen zu wichtigen Teilbereichen nachhaltiger Entwicklung die politische Debatte zu befruchten, Einfluss auf mittel- und langfristige Politikentwürfe zu nehmen und die Bundesregierung in dieser Hinsicht anzuspornen. Beispielhaft seien die Initiativen zu nachhaltiger Mobilität und zur Flächeninanspruchnahme genannt. Nachhaltige Entwicklung braucht schließlich ein breites Fundament und muss deshalb fest gesellschaftlich verankert sein. Der PBNE sieht es deshalb auch als seine Aufgabe an - im Rahmen seiner Möglichkeiten und neben der Arbeit des RNE, dem dies originär zukommt -, die gesellschaftliche Debatte über nachhaltige Entwicklung zu befördern. Hierzu haben wir zum Beispiel dem Bundestagspräsidenten vorgeschlagen, einen Filmpreis für den besten Film zu Nachhaltigkeit auszuloben. Diese Anregung hat der Präsident aufgegriffen, und es konnte unter zahlreichen Bewerbungen ein Film ausgewählt und unter anderem auch im Deutschen Bundestag gezeigt werden. All diese Aktivitäten gilt es in der kommenden Legislaturperiode fortzuführen. Nachhaltigkeit ist eine Daueraufgabe und die Implementierung langfristigen Denkens in den parlamentarischen Alltag eine immerwährende Notwendigkeit, die der PBNE sozusagen als "Wachhund" kontrolliert. Den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen im PBNE danke ich für die menschlich angenehme und inhaltlich konstruktive Arbeit. Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): Der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat in den zurückliegenden vier Jahren kontinuierlich und mit wichtigen Maßnahmen zur konkreten Ausgestaltung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung weiter beigetragen, und zwar auf allen Ebenen -seines Auftrags: neue Zieldefinitionen und treffsichere Indikatoren, Positionspapiere und Gutachten, Stabilisierung und weitere Vernetzung der mit Nachhaltigkeit -befassten politischen Akteure, vor allem auf Parla-ments-ebene. Das Projekt Nachhaltigkeit ist nicht nur in den Händen dieser Regierung, sondern auch des Parlaments gut aufgehoben. Dessen konkrete Ausgestaltung kommt weiterhin zielstrebig und parlamentarisch im Konsens gut voran. Es ist also Zeit, hier zum Ende der Legislaturperiode noch einmal die Schwerpunkte des Forschungsberichts 2012, aber auch den Arbeitsbericht des Beirats zu resümieren. Der Fortschrittsbericht ist inzwischen zum Rückgrat der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie geworden, die die Bundesregierung seit 2002 verfolgt. Er steht für die Gestaltungsdynamik und Kontinuität, die diese Strategie inzwischen gewonnen hat. Mit dem Forschungsbericht 2012 wurde nun schon zum dritten Mal eine umfassende Bestandsaufnahme zur Nachhaltigkeit in Deutschland erarbeitet und dem Parlament zur Diskussion vorgestellt. Wie ist es also bestellt um die Nachhaltigkeit in Deutschland heute? Die Wahrung der Nachhaltigkeit ist eines der politischen Leitprinzipien der Bundesregierung. Worauf zielt Nachhaltigkeit? Seit Carl von Carlowitz, einem der Väter des Nachhaltigkeitsdenkens, gilt: Jede Generation muss ihre Aufgaben lösen und darf sie nicht nachkommenden Generationen aufbürden. Es ist unsere Aufgabe, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Umweltschutz und soziale Verantwortung so zusammenzuführen, dass unsere Entscheidungen unter allen drei Gesichtspunkten dauerhaft tragfähig sind. Der Fortschrittsbericht setzt im Rahmen dieses umfassenden Auftrags eigene, zeitadäquate Schwerpunkte: nachhaltiges Wirtschaften, Klima und Energie und -Wasserpolitik. Aus dem immer noch aktuellen Anlass der Finanz- und Staatsschuldenkrise heraus und ganz im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung hat sich der Bericht zudem dezidiert mit der fiskalischen Nachhaltigkeit beschäftigt. Im Ergebnis führte dies zu dem zentralen Ziel der Bundesregierung, die öffentlichen Haushalte entschieden zu konsolidieren und die Verschuldung des Staates Schritt für Schritt zurückzuführen. In ihrem Fortschrittsbericht zeigt die Bundesregierung aber darüber hinaus auf, wie das Leitbild der -Nachhaltigkeit in ihrer gesamten Politik konkret gestärkt werden soll - vom Flächenverbrauch über Fragen der Gesundheits- und Pflegepolitik bis hin zur Bildung. Ein wichtiger weiterer Teil dieses Berichts behandelt die Maßnahmen, mit denen im Zeitraum seit 2008 Nachhaltigkeit als Leitprinzip der Regierungspolitik auch organisatorisch Schritt für Schritt gestärkt worden ist. Grundlegend ist das Managementkonzept der Nachhaltigkeit, das auf drei Säulen aufbaut: Managementregeln, Indikatoren und Ziele, Monitoring. Allen, die sich -politisch mit Nachhaltigkeit befassen, steht so ein Kompendium von Zielen, Regeln und Instrumenten zur Verfügung, mit dessen Hilfe der Stand und die Maßnahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf breit gefächerter Grundlage diskutiert und bewertet werden können, ohne in die Gefahr des Ausuferns zu geraten. Der Bericht hat seine Schwerpunkte aus guten Gründen bei den drei Themen "Nachhaltiges Wirtschaften", "Klima und Energie" und "Nachhaltige Wasserpolitik" gesetzt. Er vernachlässigt zugleich aber keineswegs die laufende Berichterstattung zu weiteren wichtigen Politikfeldern der Nachhaltigkeit, zum Beispiel zur nachhaltigen Mobilität. Der Blick bleibt weiterhin offen für eventuelle Verlagerungen in den bisherigen Problemschwerpunkten und das Auftauchen neuer Problemlagen mit Schwerpunktqualität. Die Quintessenz aus diesem Verfahren lautet: den bisher eingeschlagenen Weg des Nachhaltigkeitsmanagements weitergehen, aber dort, wo neuer Handlungsbedarf entsteht, dieses Management in seinen Grundlagen erweitern und stärken bzw. bereits bestehende Handlungsmöglichkeiten optimieren. Bei der Betrachtung der Indikatoren zeigt sich dagegen aufs Ganze gesehen ein eher gemischtes, teils helles, teils dunkles Bild: Während einige Indikatoren nach derzeitigem Stand ihre Zielstellung sicher erreichen werden oder bereits erreicht haben, zeigen andere an, dass hier noch erhebliche Anstrengungen aufzubringen sind, wenn das gesteckte Ziel erreicht oder zumindest eine Trendwende zum Besseren bewirkt werden soll. Dominant positive Entwicklungen gab es vor allem im Klimaschutz, bei den erneuerbaren Energien, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, der Studienanfängerquote und der Erwerbstätigenquote Älterer. In anderen Prüfbereichen werden die gesteckten Ziele dagegen wohl verfehlt; zum Teil geht die Entwicklung sogar in die falsche Richtung. Dies gilt etwa für die Neuinanspruchnahme von Flächen, die Entwicklung der Gütertransportintensität oder den Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern. Bei der Ressourcen- und Energieproduktivität sowie bei der Mobilität, die in hohem Maße auf Rohstoffe und Energie angewiesen ist, sind ganz offensichtlich noch enorme Anstrengungen vonnöten, wenn wir die uns gesetzten Ziele noch erreichen wollen. Die entsprechenden Indikatoren - Rohstoffeffizienz, Artenvielfalt und umweltschonende Mobilität - sind im Berichtszeitraum nicht besser geworden, sondern haben sich zu einem bedeutenden Teil sogar verschlechtert. In Fällen wie diesen darf es kein einfaches "Weiter so!" geben. Auch in den Vorstandsetagen der Wirtschaft muss sich schneller als bisher geschehen die Überzeugung durchsetzen, dass nachhaltiges Wirtschaften nicht nur für ein gutes Gewissen, sondern auch und vor allem für steigende Erträge sorgt. Nachhaltigkeit und Gewinnsteigerung sind keine Gegensätze. Nachhaltigkeit bedeutet Chancen - auch in ökonomischer Sicht. Risiken für unsere Zielstellungen und die darauf bezogenen Indikatoren ergeben sich zusätzlich daraus, dass diese unter den Druck der vertikalen Integration der Nachhaltigkeitsstrategie geraten können. Aus unserer Sicht dürfen solche Integrationsmaßnahmen aber keinesfalls dazu führen, bislang ehrgeizigere Ziele durch schwächere zu ersetzen. Schließlich und nicht zuletzt verweist der Bericht darauf, dass es noch eine Reihe von Indikatoren gibt, deren Zielschärfe durch Konkretisierung weiter verbessert werden sollte. Gleichwohl: Der Forschungsbericht zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie belegt aufs Ganze gesehen eindrucksvoll, dass das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschland deutlich Fuß gefasst hat und Schritt für Schritt an Boden gewinnt. Die Bundesregierung hat Nachhaltigkeit als politisches Leitsystem damit schon jetzt zum Erfolg gebracht. Der Forschungsbericht erzählt eine Erfolgsgeschichte. Das ist aber kein Grund, deshalb die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil: Je umfassender die nationale Nachhaltigkeitsstrategie weiter umgesetzt wird, desto mehr wird sie zum Motor unseres gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Fortschritts werden. Was lässt sich aus diesem Bericht für die Zukunft ableiten? Zunächst und vor allem müssen die Indikatoren, die wir derzeit anwenden, weiterentwickelt und in eine langfristigere Perspektive gerückt werden. Dass die Bundesregierung vereinzelt bereits Perspektiven bis 2050 in die Zielstellungen der Nachhaltungsstrategie aufgenommen hat, ist so gut wie richtig. Wie jedoch generell in unserer von ständigem Wandel geprägten Zeit, so gilt auch hier, dass solche weit ausgreifenden Zielwerte zum einen realistisch genug sein müssen, damit sie mit den uns zur Verfügung stehenden Instrumenten zumindest annähernd auch erreicht werden können, und zum anderen sollten sie aber auch vorgreifend und hinreichend ambitioniert genug sein, damit sie zur Entwicklung neuer Instrumente anspornen. Die Nachhaltigkeitspolitik geht aber keineswegs darin auf, Indikatoren festzulegen und deren Erreichen zu überprüfen. Letztlich geht es hier ganz praktisch darum, durch ein neues, nachhaltiges Alltagsverhalten aller die Einhaltung der Nachhaltigkeitsziele und ihrer Indikatoren zu ermöglichen und zu diesem Zweck Kenntnisse darüber zu gewinnen, wie das eigene Handeln diese Zielerreichung fördert bzw. gefährdet. Dies lässt sich am ehesten mit dem Blick von außen bewerkstelligen. Erst durch das Heraustreten aus den einzelnen Fachressorts gewinnen wir die notwendige Distanz zum betriebsblind machenden Detailreichtum des Tagesgeschäftes und die Fähigkeit, die Auswirkungen unseres Handelns auf alle drei Säulen der Nachhaltigkeit - Ökonomie, Ökologie und Soziales - als ganzheitlichen Vorgang wahrzunehmen und zu erkennen. Das, was für uns alle gilt, gilt erst recht für die Politik. Deshalb ist es mir auch ganz persönlich sehr wichtig, dass die Nachhaltigkeitspolitik des Parlaments in der bisherigen, erprobten Form auch in der kommenden -Legislaturperiode - am besten nahtlos - fortgeführt wird. Ich sehe ansonsten die Gefahr, dass die notwendige Weiterentwicklung der Indikatoren, die die Nachhaltigkeitsstrategie von uns fordert, künftig allein von der Bundesregierung vorgenommen wird. Das Parlament, also die Abgeordneten, deren Hauptaufgabe es neben der Gesetzgebung ist, das Regierungshandeln zu kontrollieren und zum Besseren zu raten, könnte mit seinen Ausschüssen diese klassische -Querschnittsaufgabe nicht bewältigen; denn wenn die Kontrolle der einzelnen Indikatoren dem jeweils einschlägigen Fachausschuss allein übertragen würde, ginge die Gesamtsicht verloren, die zwingend erforderlich ist, wenn das komplexe Politikthema Nachhaltigkeit nicht in der Mühle kurzfristiger, tagesaktueller Partikularinteressen zermahlen werden soll. Ulrike Gottschalck (SPD): In den vergangenen -Jahren haben wir uns im Parlamentarischen Beirat für Nachhaltige Entwicklung bemüht, im Sinne zukünftiger Generationen Gesetze und ihre Folgen abzuschätzen, Themen der Nachhaltigkeit zu diskutieren und manche Praxis kritisch zu hinterfragen. Wir sind uns fraktionsübergreifend einig: Ein Zurücklehnen darf es nicht geben, das sind wir den nachfolgenden Generationen und auch uns selber schuldig. Wir brauchen ambitionierte Ziele in der Nachhaltigkeitspolitik und begrüßen daher die Weiterentwicklung unserer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie. Wir begrüßen auch die Fortentwicklung des Indikatorensystems, mit dem wir in unserem Land versuchen, nachhaltige Entwicklung in vielen Bereichen zu messen. Wir wissen um die Megathemen, die uns in Zukunft beschäftigen werden, beispielsweise den Klimawandel und die demografische Entwicklung. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen im Beirat für Nachhaltige Entwicklung: es gehört auch zur Wahrheit, dass es in dieser Legislaturperiode, die sich nun dem Ende zuneigt, Punkte gab und gibt, bei denen wir uns trotz großen -Bemühens und Konsensverfahren nicht einig waren und sind. Dazu gehörten die Arbeitsweise des Beirates und seine zukünftige Entwicklung. Wir von der SPD sind überzeugt, dass es ein "Weiter so" mit uns nicht geben kann. Das Thema nachhaltige Entwicklung muss aufgewertet werden und sich präsenter im Bundestag wiederfinden. Dies sieht im Übrigen auch Marlehn Thieme, die Vorsitzende des Rates für nachhaltige Entwicklung, so, die einen eigenen Bundestagsausschuss fordert. Genau dies möchten wir auch. Unsere Vorstellungen gehen in Richtung eines Bürger-dialogausschusses, um verstärkt für Nachhaltigkeit zu -sensibilisieren und die Bürgerinnen und Bürger zum Mitmachen zu animieren. Kritisch sehen wir auch die rein formelle Prüfung von Gesetzen, denn bei Gesetzen zählen die Inhalte, und daher ist in der nächsten Legis-latur eine inhaltliche Prüfung von Gesetzen dringend erforderlich. Im Hinblick auf die bisherige Konsensarbeit im Beirat haben wir nach langen Verhandlungen nun einer gemeinsamen Ausschussentschließung zugestimmt, weil unser Wunsch, den Dialog mit der Zivilgesellschaft zu intensivieren, aufgenommen wurde. Auch für die Einbeziehung der Ergebnisse der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" haben wir mit Erfolg gestritten. Wir hätten uns allerdings ein wenig mehr Mut von Union und FDP gewünscht, damit sich das Parlament in der 18. Wahlperiode verstärkt mit der nachhaltigen Entwicklung unseres Landes beschäftigen kann. Für meine Fraktion darf ich ankündigen, dass wir genau dies tun werden und Ihnen zu Beginn der nächsten Legislaturperiode unser Konzept zur Stärkung der nachhaltigen Entwicklung vorlegen werden. Wir begrüßen, dass es auch in der neuen Legislatur ein Nachhaltigkeitsgremium geben wird, verhehlen aber auch nicht unsere Skepsis. Es wird noch viel Arbeit notwendig sein, damit wir von einer rein formellen, oft ergebnislosen Gesetzesfolgenabschätzung hin zum Prüfen von Inhalten kommen. Es geht darum, die Diskussionen über Nachhaltigkeit in der Gesellschaft aufzugreifen und den Beirat von einem "zahnlosen Papiertiger" in die Rolle eines aktiven Gestalters dieser Diskussion weiterzuentwickeln. Dafür müssen wir auch die Arbeitsweise des Beirats überdenken. Expertinnen und Experten einzuladen ist eine feine Sache, aber die Ergebnisse unserer Gespräche sollten auch für andere sichtbar werden. Deshalb plädiert die SPD an dieser Stelle dafür, eine deutlich aktivere -Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben und den Beirat fortzuentwickeln. Wir dürfen uns vor dieser Diskussion nicht wegducken und sollten sie schnellstmöglich zu Beginn der 18. Wahlperiode aufnehmen - im Sinne der Nachhaltigkeit. Michael Kauch (FDP): Wir debattieren neben dem Fortschrittsbericht zur nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auch den Arbeitsbericht des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Dies ist ein guter Anlass, um Bilanz über unsere Arbeit in dieser Wahlperiode zu ziehen. Ziel der Arbeit des Parlamentarischen Beirats ist die Arbeit an einer nachhaltigen und somit generationengerechten Entwicklung - in ihrer ökologischen, sozialen und ökonomischen Dimension. Es ist in dieser Wahl-periode gelungen, die Verengung der Nachhaltigkeitsdebatte auf Klimaschutz zu beenden. Das ist wichtig; denn während wir beim Klimaschutz und bei den erneuerbaren Energien laut Fortschrittsbericht auf dem richtigen Weg sind, gibt es andere Indikatoren nachhaltiger Entwicklung, bei denen es schlechter aussieht. Bei Artenschutz und der Reduzierung des Flächenverbrauchs etwa liegen wir weiterhin hinter unseren Zielen zurück. Im Beirat waren auch in dieser Wahlperiode wieder Kolleginnen und Kollegen aus den unterschiedlichsten Fachausschüssen vertreten. Dies ist gut; denn Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsaufgabe, die nahezu alle -Politikfelder betrifft. Die bunte Zusammensetzung befruchtet die Debatten innerhalb des Beirats, weil die Themen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln -betrachtet werden. Viel wichtiger aber ist, dass der Gedanke der Nachhaltigkeit zurück in die Fachgremien getragen wird. Dieser Impuls an die Fachausschüsse wurde in dieser Wahlperiode dadurch verstärkt, dass der Beirat erstmals Bewertungen zu den Nachhaltigkeitsprüfungen in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung abgegeben hat und diese den federführenden Fachausschüssen und Ministerien zugeleitet hat. Inwieweit diese in den federführenden Ausschüssen behandelt werden, liegt allerdings in deren Ermessen. Hier wäre eine Verankerung des Verfahrens in der Geschäftsordnung des Bundestages wünschenswert, um zumindest eine Kenntnisnahme durch die Fachausschüsse sicherzustellen. Neben der Bewertung der Nachhaltigkeitsprüfung hat der Beirat in bewährter Form die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung begleitet und sich am Konsultationsverfahren zum Fortschrittsbericht 2012 beteiligt -sowie Stellungnahmen zu diesem Bericht und zum Indikatorenbericht 2010 abgegeben. Ein Beleg für die gute Zusammenarbeit zwischen Regierung und Parlament ist die Tatsache, dass dem Beirat auch im Fortschrittsbericht 2012 wieder die Möglichkeit eingeräumt wurde, einen eigenen Beitrag zu verfassen. Vor allem aber wurden Forderungen des Beirats aufgenommen, unter anderem dass nicht mehr nur die Zahl der Wohnungseinbrüche als Indikator für die Bekämpfung von Kriminalität gilt. Der Beirat hat sich in mehreren Anhörungen mit nachhaltigkeitsrelevanten Themen befasst und Stellungnahmen und Positionspapiere verabschiedet. Ein Novum in dieser Wahlperiode war, dass sich der Beirat vor Sitzungen des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung mit dem jeweiligen Thema befasst und ein Positionspapier als Input übermittelt hat. In der 18. Wahlperiode sollte der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung möglichst schnell zusammen mit den Fachausschüssen eingesetzt werden, um eine Kontinuität seiner Arbeit zu gewährleisten. Dann wird zu diskutieren sein, wie die Bewertung der Nachhaltigkeitsprüfung fortentwickelt werden kann. Bislang werden nur formale Kriterien geprüft. Eine inhaltliche Prüfung der Gesetzentwürfe wäre sicher wünschenswert, allerdings stellt sich die Frage, ob diese mit dem im Beirat gepflegten Konsensprinzip in Einklang zu bringen ist. Zentral ist es aber zumindest, Transparenz über Gesetzesfolgen zu schaffen. Daher ist es bedauerlich, dass es nicht gelungen ist, Generationenbilanzen in der Gesetzesfolgenabschätzung von Regierung und Parlament zu verankern. Die entsprechende Bestimmung des Koalitionsvertrages ist wegen des Widerstandes aus Teilen der Unionsfraktion nicht umgesetzt worden. Das ist umso unverständlicher, als diese Bundesregierung ja die Nachhaltigkeit in den Sozialversicherungen massiv verbessert hat. Wir haben aus Defiziten Überschüsse gemacht, Reserven der Rentenversicherung erhöht, neue Leistungen etwa für die Pflege von Dementen eingeführt und dabei auch noch die Beiträge gesenkt. Das waren vier gute Jahre für demografiefeste und generationengerechte Sozialversicherungen. Und es waren auch vier gute Jahre für die finanzielle Nachhaltigkeit: Nie zuvor seit der Wiedervereinigung hat eine Bundesregierung am Ende ihrer Wahlperiode weniger Geld ausgegeben als an ihrem Anfang. Wir haben die Schuldenbremse vorzeitig umgesetzt und legen für 2014 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt vor. Diese gute Entwicklung im Staatshaushalt und den Sozialversicherungen muss verstetigt werden. Der Mangel fehlender Generationenbilanzen muss in der nächsten Wahlperiode beseitigt werden. Wir brauchen Transparenz über die Leistungen, die wir für kommende Generationen erbringen, und die Lasten, die wir ihnen aufbürden. Auch brauchen wir ein Rechenwerk für das Parlament, mit dem wir Finanz- und Sozialgesetze auf ihre intergenerativen Wirkungen untersuchen können, bevor sie beschlossen werden. Abschließend bedanke ich mich als "letzter Überlebender" aus der Gründungszeit des Beirats vor mehr als neun Jahren für die ganz besonders kollegiale Zusammenarbeit im Parlamentarischen Beirat. Er ist ein Beispiel für Sachorientierung, Konsens- und Kompromisssuche in unserem Parlament, dafür dass man nicht nur Schaufensterdebatten führen, sondern auch zuhören kann - über die Grenzen der Fraktionen hinweg. Dies ist eine Arbeitsweise, die mehr Aufmerksamkeit im Parlament und in der Öffentlichkeit verdient. Ralph Lenkert (DIE LINKE): Frau Bundeskanzlerin Merkel hat letzte Woche mal wieder eine salbungsvolle Rede über Nachhaltigkeit gehalten. Eine schöne Story hat sie dem handverlesenen Publikum des 11. Weltbankforums dabei aufgetischt: dass Nachhaltigkeit so etwas wie eine deutsche Erfindung ist, und dass der Nachhaltigkeitsgedanke ein Kind deutscher Tugendhaftigkeit ist. Bei Frau Merkels Realpolitik von Nachhaltigkeit zu sprechen, ist für mich übertrieben und arrogant. Nachhaltigkeit ist uraltes Menschheitswissen; da reicht ein Blick in die Geschichtsbücher. Das Problem vom Raubbau an der Natur ist keinesfalls zuerst vom Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz erkannt worden, auch wenn die Mahnungen des Sachsen für eine schonende Forstwirtschaft Anerkennung verdienen. Seit es Menschen, Jagd und Ackerbau gibt, ist man sich der Gefahr vom Überverbrauch bewusst. Das ist vom Amazonas über Afrika bis Neuseeland vielfach belegt. Ressourcen sind begrenzt. Der Natur kann nur so viel entnommen werden, wie nachwächst. Die Tabuzonen Neuseelands waren zu 100 Prozent vor Menschen geschützte Totalreservate. Diese weise Einsicht in die Vernunft jetzt als Made in Germany auszugeben, ist das Merkelsche Plagiat. Die Linke steht für eine vernünftige Politik echter Nachhaltigkeit. Wie wir das hinbekommen wollen, kann auf der Webseite vom Plan-B-Projekt der Fraktion nachgelesen werden. Plan B ist die Alternative zur Alternativlosigkeit des Finanzkapitalismus. Gerade Deutschland mit seiner zweifelhaften exportorientierten Wirtschaftspolitik, mit Lohndumping und Sozialabbau sollte nicht als Vorbild für Europa und die Weltgemeinschaft dienen. Stellen wir uns vor, jedes Land würde wie Deutschland mehr exportieren, als es verbraucht. Wer soll den Exportüberschuss dann kaufen - die Marsianer? Überproduktion ist auch kein Zeichen von nachhaltiger Ressourcenschonung; es ist Verschwendung. Vorbild bei Nachhaltigkeit wäre Deutschland bei einer ausgeglichenen Leistungsbilanz zum Ausland. Dahin kommen wir mit einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn und besseren Tarifabschlüssen für Beschäftigte. Ein weiterer Schritt zur Nachhaltigkeit wäre die Entlastung des Produktionsfaktors menschliche Arbeit und die Belastung der Faktoren Rohstoff-, Flächen- und Energieverbrauch - alles enthalten im Plan B der Linksfraktion. Im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung bekommen wir alle Gesetzesvorhaben auf den Schreibtisch. Geprüft wird, ob auf die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie eingegangen wird. Leider prüfen wir nur, ob eine Bewertung der Nachhaltigkeit erfolgte, aber nicht, ob das Gesetz wirklich nachhaltig ist. Das wurde von uns und auch von den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen vielfach kritisiert. Es ist haarsträubend, was da alles als nachhaltig eingestuft wird. In meiner Rede zum Fortschrittsbericht letztes Jahr wies ich darauf hin. Selbst das Gesetz zum ESFS-Rettungspaket wurde 2012 mit dem Gütestempel der Nachhaltigkeit bedacht. Die Rettung von Banken und Spekulanten auf Kosten der Gemeinschaft war im Verständnis von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP nachhaltige Politik. Die Linke sagt: Das ist einfach nachhaltige, verantwortungslose Umverteilung zum Wohle der Milliardäre. Die Bundeskanzlerin forderte in ihrer jüngsten Rede über Nachhaltigkeit auch globale Verantwortung ein: Die Herausforderung der Globalisierung muss nachhaltig gestaltet werden. Armut, Hunger und Kriege an jedem Ort der Welt gehen jeden etwas anD Dem stimme ich zu. Dass aber Deutschland Platz 3 bei Rüstungsexporten einnimmt und mit dem staatlich geförderten Export von Schusswaffen nach Mexiko, U-Boot-Trägersystemen für Atomsprengköpfe an Israel und Panzern nach Saudi-Arabien Regionalkonflikte weiter anheizt und noch daran verdient, das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. Es tröstet sicher jedes Opfer, wenn die eingesetzten Waffen ökologisch korrekt produziert wurden, oder? Die Linke sagt: Da ist Nachhaltigkeit ein zynischer Etikettenschwindel für die Kriegstreiber ohne Gewissen. Wie die schwarz-gelbe Bundesregierung es in der Realität mit Nachhaltigkeit hält, hat in dieser Legislaturperiode besonders aufschlussreich Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler bewiesen. Im Konsens, also mit den Stimmen seiner Parteikollegen, hatte der Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung in einer Stellungnahme bei Hermes-Exportbürgschaften ein Ende der Förderung von energetischer Nutzung der Atomkraft im Ausland gefordert. Das wäre globale Verantwortung beim Wort genommen. Sind nur deutsche Atomkraftwerke für Einwohnerinnen und Einwohner der Bundesrepublik eine Gefahr - oder auch die geplanten neuen Atommeiler in Tschechien und Polen? Sollten nicht auch die Menschen in Brasilien vor Reaktorunglücken sicher sein? Rösler ist nicht nur erklärter Gegner der Energiewende, sondern auch Freund der Atomlobby und erklärte kurz, der Bund werde weiter beantragte Hermesbürgschaften für Atomkraftwerksbauten im Ausland genehmigen, egal ob die Hermesbürgschaften in Polen, Tschechien oder Brasilien wirken. Für die Linke hat das mit Glaubwürdigkeit und Nachhaltigkeit wenig zu tun. Es ist die fehlende Glaubwürdigkeit, die Nachhaltigkeit als ernstzunehmendes Leitbild der Politik zunehmend infrage stellt. In der kommenden Legislaturperiode wird sich die Linke darum für eine starke Prüfung der Nachhaltigkeit einsetzen. Nach dem Stichprobenverfahren könnten Gesetze im Büro für Technikfolgen--Abschätzung beim Deutschen Bundestag auf Nach-haltigkeit gecheckt werden. Für die Linke ist eines klar: Der Etikettenschwindel kann so nicht weitergehen. Die Linke fordert echte Nachhaltigkeit in der Politik. Lassen Sie uns gemeinsam an einem Plan B für die Gesellschaft arbeiten. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn man die Menschen fragt, ob ihnen das Thema Nachhaltigkeit wichtig ist, dann sagen die meisten Ja, häufig unabhängig davon, wen sie wählen. Gerade die junge Generation weiß, dass man nicht weiterkommt, wenn man wirtschaftet und lebt, wie die Nachkriegs-generation dies getan hat, aber auch heute immer noch tut. Wenn man hier in die Runde schaut, darf man durchaus darauf schließen, dass viele nicht wissen, dass es im Deutschen Bundestag ein Gremium gibt, das sich mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzt - seit 2004 -, nämlich den Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung, der heute hier redet. Es geht um Umwelt und Landwirtschaft, um Wirtschaft und Mobilität, um Sozial- und Gesundheitspolitik, um Bildung und Sicherheit, aber auch um eine solide Haushaltspolitik und eine faire internationale Zusammenarbeit. Als Verkehrspolitikerin könnte ich mich von diesem Nachhaltigkeitsbeirat durchaus eingeengt fühlen; denn wenn dieser Beirat sagen würde, Mobilität müsse ganzheitlich gedacht werden, Bahn, Auto und Fahrrad müssten miteinander verknüpft werden, oder wenn der Beirat sagen würde, wir brauchten neue Ansätze, um den immens steigenden Güterverkehr auf der Straße zu begrenzen und ihn umweltfreundlicher zu machen, dann wäre ich eingeengt. Ich müsste mich fragen: Brauche ich hier eine neue Straße, oder kann man die Güter nicht besser auf die umweltfreundlichere Schiene verlagern? Dieser Parlamentarische Beirat für nachhaltige Entwicklung hat genau das getan. In einem Positionspapier an die Bundesregierung fordert er, Mobilität ganzheitlich zu denken. Mit seinen Stellungnahmen zur Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung fordert er, die Nachhaltigkeitsziele stärker in Angriff zu nehmen. Gerade im Bereich Güterverkehr stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen. Diese Positionspapiere und Stellungnahmen hat der Parlamentarische Beirat überwiegend im Konsens aller fünf im Bundestag vertretenen Fraktionen erarbeitet. Übrigens: Das Konsensprinzip ist auch etwas, was von den Menschen geschätzt wird. Meine Besuchergruppen staunen stets, wenn ich ihnen erzähle, dass es so etwas hier im Deutschen Bundestag auch gibt, nicht nur die politischen Schaukämpfe zwischen Regierung und Opposition; denn was würde es der Nachhaltigkeit nützen, wenn auch hier - wie in den einzelnen Fachbereichen - in jeder Wahlperiode die Richtung immer wieder geändert würde. Wenn wir Generationengerechtigkeit wollen, gibt es nur einen Weg: Nachhaltigkeit, also ein generationengerechtes Verhalten in Ökologie, Ökonomie und im Sozialen. Viele, leider auch einige hier im Hause, scheinen davon noch nie etwas gehört zu haben. Dabei gibt es die Nachhaltigkeitsstrategie seit 2002. Kritisch begleitet wird sie seit 2004 von uns hier, dem Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung. Trotzdem hat die Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" hier im Deutschen Bundestag einen Bericht vorgelegt - ganz so, als gäbe es noch keine Nachhaltigkeitsindikatoren, die eingebettet sind in eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie. Es ist richtig, dass das Wachstum Grenzen braucht - in ökologischer wie sozialer Hinsicht. Aber die vorhandene Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes und deren parlamentarische Begleitung wurden dabei von der Enquete-Kommission vollständig verdrängt. So schlägt der Bericht der Enquete-Kommission ein Sammelsurium von 20 Indikatoren vor, die das Wachstum in einen nachhaltigen Kontext stellen sollen. Dabei ist die Nachhaltigkeitsstrategie gut etabliert - richtigerweise fachübergreifend und zentral gesteuert vom Staatssekretärsausschuss im Bundeskanzleramt, anerkannt von allen Fraktionen, unterlegt mit einem Managementsystem und einem Monitoringsystem, und schließlich sehr engagiert unterstützt vom Rat für nachhaltige Entwicklung. Ich glaube, es leuchtet ein, dass wir nicht alle zehn Jahre Indikatoren erfinden müssen, sondern dass wir unsere Energie darauf richten müssen, die vereinbarten Ziele auch wirklich umzusetzen mit den entsprechenden politischen Maßnahmen, woran es derzeit durchaus etwas hapert. Ich plädiere dafür, die Zusammenarbeit der Fraktionen im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung fortzusetzen und ihn gleich zu Beginn der kommenden Wahlperiode genauso wie die Fachausschüsse wieder einzusetzen. Die erste große Aufgabe muss aber sein, uns zu überlegen, wie wir den Nachhaltigkeitsgedanken in Politik und Wirtschaft stärker verankern können, statt das Rad alle vier Jahre mit einer neuen Enquete-Kommission wieder neu erfinden zu wollen. Anlage 31 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags zu dem Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Die angestrebte Umsetzung har-monisierter Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor in den Mitgliedstaaten - die Eignung der IPSAS für die Mitgliedstaaten; (KOM (2013) 114 endg.; Ratsdok. Nr. 7677/13) - hier: Stellungnahme des Deutschen Bundestages nach Artikel 23 Absatz 3 des Grund-gesetzes i. V. m. § 9 des Gesetzes über die -Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (Tagesordnungspunkt 37) Norbert Barthle (CDU/CSU): Mit dem vorliegenden Beschluss geben wir eine Stellungnahme des Deutschen Bundestags nach Art. 23 Grundgesetz in Verbindung mit § 9 EUZBBG ab. Dies zeigt, dass die Beteiligung des Bundestags an der Europapolitik der Bundesregierung neben dem großen Thema der Euro-Stabilisierung auch in weniger wahrgenommenen Themen angekommen ist. Worum geht es? Die Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten - Teil des sogenannten Sixpack - gibt der Kommission den Aufrag, zu prüfen, ob die internationalen Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor IPSAS eine geeignete Bilanzierungs- und Buchführungsgrundlage für die Mitgliedstaaten der EU sein können. Mit dem Bericht vom 20. März 2013 kommt die Kommission diesem Auftrag nach. Ergebnis ihrer Analysen ist, dass die IPSAS zwar nicht direkt für diesen Zweck herangezogen werden können, die EU aber von ihnen ausgehend eigenständige Buchführungsgrundsätze entwickeln könne. Das klingt zwar zunächst nach einem eher technischen als politisch relevanten Thema, ist es aber nicht. Vielmehr kündigt die Kommission in dem relativ schmalen Bericht nicht weniger als eine kleine Revolution im öffentlichen Rechnungswesen der Mitgliedstaaten der EU an. Da sollten alle hellhörig werden. Offen spricht die Kommission aus, dass sie in allen staatlichen Ebenen der Mitgliedstaaten eine kaufmännische doppelte Buchführung einzuführen gedenke. Ziel ist insbesondere, einen vollständigen Überblick über alle staatlichen Verbindlichkeiten sowie über das Vermögen des Staates zu erhalten. Im Kern ist der Vorstoß zwar nachzuvollziehen. Schon heute führen sehr unterschiedliche Rechnungslegungsstandards sowohl in den Mitgliedstaaten der EU als auch innerstaatlich dazu, dass Zahlen der Haushaltswirtschaft nicht immer exakt vergleichbar sind. Wenn eine der Lehren aus der Euro-Krise die bessere Überwachung der nationalen Haushalte ist, ist der Schritt der Kommission nur konsequent. Dennoch sollten wir nicht zu euphorisch sein. Allein die Erfahrung in den deutschen Ländern und Kommunen, die bereits eine doppische Buchführung eingeführt haben, zeigt, dass eine gute und richtige Idee in der Praxis nicht immer zu besseren Ergebnissen führt. Beruht doch ein doppisches System notwendigerweise auf einer Menge nicht immer objektiver Annahmen und Bewertungen. Wenn ich also den Ansatz der Kommission im Kern als richtig bezeichne, möchte ich uns aber auch gleichzeitig zu einer gewissen kritischen Vorsicht mahnen. Kosten und Nutzen müssen gerade bei diesem Projekt sorgfältig abgewogen werden. Gerade in Deutschland wären die Kosten einer Einführung eines doppischen Systems der Buchführung relativ hoch. Denn im Ergebnis würde die Einführung von EPSAS auch eine Vereinheitlichung des Rechnungswesens in Deutschland bedeuten. Zudem gilt es die komplizierte Umsetzung im deutschen Föderalismus zu beachten. Der Deutsche Bundestag wird daher den Prozess der Erarbeitung eines europäischen Standards EPSAS, der noch ganz am Anfang steht, eng begleiten. Für uns ist von besonderer Bedeutung, dass eine mögliche Harmonisierung den verfassungsrechtlichen Prinzipien der Budgethoheit des Deutschen Bundestages Rechnung trägt. Zudem ist es uns wichtig, dass die Bundesregierung, die die Verhandlungen führt, sicherstellt, dass die etwaige Einführung dieser Standards die Aufstellung, den Inhalt und die Ausführung der Haushaltspläne der Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten nicht berührt. Auf keinen Fall darf es zu einer Schwächung der Kon-troll-möglichkeiten des Deutschen Bundestags im Haushaltsvollzug kommen. Ziel soll sein, durch eine aktive Mitgestaltung der -EPSAS darauf hinzuwirken, dass bewährte deutsche Rechnungslegungsgrundsätze ausreichend Beachtung finden und die Einführung der bzw. Umstellung auf die neuen Standards mit möglichst geringem Aufwand erfolgen könnte. Vor dem Hintergrund dieser Eckpfeiler bin ich zuversichtlich, dass die europäische Diskussion über einheitliche Buchungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor am Ende auch zu einem nützlichen Ergebnis führen kann. Der Deutsche Bundestag wird diesen Prozess jedenfalls konstruktiv kritisch begleiten. Carsten Schneider (Erfurt) (SPD): Am 8. November 2011 verabschiedete der Rat der Europäischen Union im Rahmen des Gesetzgebungspakts, das als "Sechserpack" bekannt wurde, auch eine Richtlinie, die die -Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten näher definiert. Sie schreibt vor, dass die Mitgliedstaaten vergleichbare, vollständige und zuverlässigere Haushaltsdaten an die EU-Ebene übermitteln müssen. Einerseits wird durch diese Richtlinie die Vergleichbarkeit der Haushalte und der Rechnungslegung der Staaten verbessert. Die Refinanzierungsschwierigkeiten einiger Euro-Staaten als Konsequenz der Finanzmarktkrise haben gezeigt, dass hier Handlungsbedarf besteht. Andererseits sind wir in der EU und im Euro-Raum von einheitlichen, harmonisierten Rechnungsführungsgrundsätzen für den öffentlichen Sektor noch weit entfernt. Es gibt mit den International Public Sector Accounting Standards, IPSAS, schon einen allgemeinen Vorschlag. Aufgabe der Kommission war es, uns zu berichten, ob diese Standards eine taugliche Grundlage für europäische Grundsätze sein könnten. Die Kommission kommt zu der grundsätzlich richtigen Auffassung, dass noch Handlungsbedarf besteht. Sie stellt aber zutreffend fest, dass wir nichts damit gewinnen, internationale Standards einfach so in Europa zu übernehmen. Die staatlichen Strukturen in den Mitgliedstaaten sind sehr unterschiedlich. In Deutschland genießen die Gemeinden den besonderen Schutz des Grundgesetzes, und ihre Rechnungslegung unterscheidet sich von der der Länder und der des Bundes. Einige Kommunen und Länder sind zur kaufmännisch orientierten -Bilanzierung übergegangen, weil es für sie zweckmäßiger und passender ist. Für den Bund kann sie nicht -einfach übernommen werden, das wäre nicht dienlich. Im Rahmen der Bemühungen um ein modernisiertes Rechnungswesen des Bundes haben wir lange diskutiert, dass wir es schaffen müssen, den aktuellen Zeitwert von Investitionen zielführender abzubilden. Das Fachwort hierfür ist erweiterte Kameralistik. Doch ansonsten -haben sich unsere Rechnungsführungsgrundsätze für Bund, Länder und Kommunen bislang bewährt. Vieles von dem, was die Kommission vorschlägt, zum Beispiel eine Periodenabrechnung, haben wir schon, sie entspricht unserer mittelfristigen Finanzplanung, die die Bundesregierung dem Bundestag jährlich vorlegen muss. Darauf können wir in Europa aufbauen, und ich begrüße, dass die Kommission einen gründlichen Prozess vorschlägt. Gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten sollen europäische Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor entwickelt werden, und "Mitgliedstaaten" muss hier heißen: auch mit den Gebietskörperschaften und Parlamenten; denn wir müssen stets daran erinnern: Das Haushaltsrecht ist und bleibt das Königsrecht des Parlaments. Das umfasst auch die Rechnungslegung. Für den Bundestag ist deshalb von besonderer Bedeutung, dass jede weitere Harmonisierung unseren verfassungsrechtlichen Prinzipien und der Budgethoheit des Bundestages Rechnung trägt. Auch Kosten-Nutzen-Aspekte müssen wir beachten. Und damit das sichergestellt ist, werden wir uns als Parlament mit dieser -Stellungnahme frühzeitig in den Prozess auf europäischer Ebene einschalten. Es liegt an uns, sicherzustellen, dass die Erarbeitung neuer Standards die Aufstellung, den Inhalt und die Ausführung der Haushaltspläne von Bund, Ländern und Gemeinden nicht berührt. Wir -wollen nicht, dass die Kontrollmöglichkeiten des Bundestages im Haushaltsvollzug geschwächt werden. Wir wollen, dass in dem weiteren Prozess die Belange und die Erfahrungen der Länder und Kommunen mit einbezogen werden, und ich darf hinzufügen, auch die des Bundesrechnungshofes. In seiner grundgesetzlich geschützten Unabhängigkeit ist der Bundesrechnungshof Mahner und Berater zugleich. Das soll er bleiben. Deswegen fordern wir, dass der Bundestag im gesamten Verhandlungsprozess fortlaufend, umfassend und frühestmöglich zu beteiligen ist, und wir wollen einen regelmäßigen Bericht im Haushaltsausschuss. Gleiches gilt für die anderen Mitgliedstaaten. Einheitliche öffentliche Rechnungsführungsgrundsätze werden nur dann hilfreich sein, wenn sie von den Haushaltsgesetzgebern akzeptiert und angewandt werden können. Klarheit und Transparenz ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit für europäische Vorlagen. Deshalb müssen wir frühzeitig mitmischen. Otto Fricke (FDP): Der sehr klug handelnde Unterausschuss des Haushaltsausschusses zu Fragen der Europäischen Union hat einen Bericht der EU-Kommission zur Frage der Errichtung einheitlicher Rechnungslegung für öffentliche Haushalte dem Haushaltsausschuss als Ganzes zur Debatte vorgelegt. Aufgrund der nicht zu unterschätzenden Bedeutung von Rechnungslegungsvorschriften für die Haushaltspolitik insgesamt, aber auch für die Stellung des Parlaments im Haushaltsgefüge, haben die Koalitionsfraktionen ausnahmsweise beschlossen, von dem Recht des Haushaltsausschusses Gebrauch zu machen, in dieser Sache eine Stellungnahme des Deutschen Bundestages herbeizuführen. Worum geht es im Konkreten? Die Kommission ist in ihrem Bericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die -sogenannten International Public Sector Accounting Standards, kurz IPSAS, in ihrer jetzigen Form als Rechnungsführungsstandards für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zwar nicht eins zu eins geeignet sind, jedoch als Ausgangspunkt für noch zu entwickelnde Europäische Rechnungsführungsstandards, European Public Sector Acounting Standards, EPSAS, dienen sollen. Aus dem Bericht ist erkennbar, dass die Kommission einheitliche, für alle staatlichen Ebenen aller Mitgliedstaaten verbindliche Standards, die auf dem Prinzip der kaufmännischen doppelten Buchführung beruhen, anstrebt. Die Kommission könnte sich bei der Erreichung dieses Ziels einer Rahmenverordnung als möglichem rechtlichem Instrument bedienen. Bis es hierzu kommt, wird es sicherlich noch einer Vorbereitungsphase mit weiteren Konsultationen zur Gewinnung weiterer Ansichten und zur Entwicklung eines Fahrplans bedürfen. Um bereits in dieser frühen Phase eine klare Positionierung des Deutschen Bundestages in dieser überaus bedeutsamen Frage auch und insbesondere gegenüber der europäischen Ebene herauszustellen, haben die Koalitionsfraktionen eine Stellungnahme erarbeitet. In dieser Stellungnahme geht es uns insbesondere darum, dass die hergebrachten und letztlich verfassungsrechtlich gebotenen Parlamentsrechte des Deutschen Bundestages, also nicht nur des Haushaltsausschusses, bei der Begleitung des Haushaltsaufstellungsverfahrens, der Beratung des Haushaltes sowie seiner Verabschiedung, aber auch der intensiven Kontrollmöglichkeit im Haushaltsvollzug, bewahrt bleiben. Hierbei geht es darum, dass mittels der kameralen Buchführung die größtmögliche Transparenz für die Ausübung des "Königsrechts" des Parlaments erhalten bliebe. Im Gegensatz dazu halten wir die sogenannte kaufmännische Buchführung für intransparent und trügerisch, dies deshalb, weil über die Einbeziehung sämtlicher Vermögenswerte des Bundes in eine bilanzielle Buchführung schnell der Eindruck entstehen kann, dass man mit der vorhandenen Staatsverschuldung eigentlich kein Problem habe und darüber hinaus die Zusammenfassung verschiedener Haushaltstitel zu sogenannten Produkthaushalten die parlamentarische Budgethoheit in entscheidender Weise zu beschränken vermag. Zudem ist die parlamentarische Steuerung des Haushalts durch das Parlament erheblich beschränkt. Die Erfahrungen auf kommunaler Ebene mit den dortigen neuen Rechnungslegungsvorschriften, NKH, zeigen deutlich, wie gefährlich und schlecht die Regelungen der Doppik, so gut diese in der Wirtschaft ist, sich bei der Frage der Parlamentsbeteiligung darstellen. Mit unserer Stellungnahme geben wir der Bundesregierung bei den anstehenden Verhandlungen in Brüssel das klare Mandat, die von uns aufgezeigten Grundsätze von Transparenz und Nachvollziehbarkeit, wie sie das kamerale System bietet, nicht preiszugeben. Es würde uns zudem freuen, wenn der Bundesrechnungshof dieses Verfahren aufmerksam begleitetet. Für viele mag dieses Thema trocken und langweilig erscheinen; in der Konsequenz, die es für die Ausübung des freien Mandates als Abgeordneter hat, ist dieses Thema jedoch in höchstem Maße spannend und bedeutsam. Steffen Bockhahn (DIE LINKE): Grundsätzlich ist die Idee, einheitliche Buchführungs- und Bilanzierungsstandards innerhalb der Europäischen Union zu schaffen, zu begrüßen. Wer sich einmal für einen gemeinsamen Binnenmarkt entschieden hat, benötigt auch einheitliche Rechnungsführungsstandards. 27 Rezepte, mit dem EU-Beitritt Kroatiens am Montag dann 28, für ein und dieselbe Suppe bieten in der Küche zwar eine gute Abwechslung, sind im Haushaltswesen jedoch kontraproduktiv. Hier ist es notwendig, eine Vergleichbarkeit der EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. Nur so können Haushaltsdaten und ihre Finanzstabilität zuverlässig geprüft und die Einhaltung der Maastricht-Kriterien kontrolliert werden. Für die Bundesrepublik Deutschland als ein föderal organisiertes Land würde die Einführung einheitlicher Rechnungsführungsstandards jedoch auch einen erheblichen Kostenaufwand bedeuten. Die Europäische Kommission schätzt diesen auf bis zu 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Laut Kommission müssten also bis zu 2,5 Milliarden Euro für eine Umstellung der Rechnungsführung innerhalb von zehn Jahren eingeplant werden. Das Bundesfinanzministerium dagegen kann die finanziellen Auswirkungen für Deutschland derzeit noch gar nicht präzise abschätzen. Für alle staatlichen Ebenen, also inklusive Länder und Kommunen, geht das BMF lediglich von einem einstelligen Milliardenbetrag aus. Eine Verdreifachung der Kosten ist im schlimmsten Fall also nicht auszuschließen. Für die kleinsten Verwaltungsebenen, die Kommunen, ist dies, angesichts notorisch klammer Kassen, jedoch eine desaströse Aussicht. Zwar hat ein Teil der Kommunen schon jetzt auf ein doppisches Rechnungswesen umgestellt, um einheitliche Begrifflichkeiten zu schaffen wird eine nochmalige Anpassung der Standards jedoch unumgänglich. Schon jetzt müssen Schulen schließen, kulturelle Angebote können nicht mehr gefördert, und dringend notwendige Infrastrukturmaßnahmen müssen aufgeschoben werden, weil die Kommunen keinen finanziellen Spielraum mehr haben. Es geht also nicht, dass auf höchster Ebene eine mit massiven und nicht absehbaren Kosten verbundene Umstellung der Rechnungsführung beschlossen wird, die die Kommunen dann allein schultern müssen. Bevor einheitliche EPSAS erarbeitet werden, muss innerhalb Deutschlands erst einmal geklärt werden, wie dieses Reformvorhaben finanziert und mit dem Austeritätsprinzip vereinbart werden kann, ohne dass dafür bestehende Ausgaben im Bereich der allgemeinen Daseinsvorsorge und der notwendigen öffentlichen Verwaltung weiter gekürzt werden müssen. Darüber hinaus muss darauf geachtet werden, dass neben dem doppischen Rechnungswesen auch eine entsprechende doppische Haushaltsplanung eingeführt wird. Wird dies, wie im Bericht der Europäischen Kommission, nicht beachtet, besteht die Gefahr, dass zwar doppisch gebucht, de facto jedoch eine kamerale, also am Geldverbrauchskonzept orientierte Haushaltsplanung beibehalten wird. Die wichtigste Steuerungsebene Haushaltsplanung würde damit weiterhin in alten Denkstrukturen verhaftet bleiben. Die Einführung von EPSAS setzt somit einen umfassenden Reformprozess innerhalb aller europäischen Mitgliedstaaten voraus. Wenn die Bundesregierung möchte, dass nicht nur doppisch gebucht, sondern auch doppisch geplant wird, muss sie sich aktiv in den Prozess der Erarbeitung der Standards einbringen. Letztlich ist das auch ein Weg, um zu gewährleisten, dass trotz neuer Regelungen die Budgethoheit der Parlamente und Gemeindevertretungen in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten wird. Zum Schluss möchte ich aber noch darauf hinweisen, dass auch die Buchung in einem doppischen Verfahren Haushaltsnotlagen nicht lösen kann. Im Gegenteil führt sie gelegentlich sogar zu einer Verschärfung. Ich bin Vorsitzender des Finanzausschusses der Rostocker Bürgerschaft und erlebe dort immer wieder, welche Herausforderungen es mit sich bringt, doppisch zu buchen. Allein bei uns müssen jedes Jahr 32 Millionen Euro Abschreibungen erwirtschaftet werden, Geld, das eigentlich nicht da ist, nur auf dem Papier bewegt wird und letztlich zu einem Minus im Haushalt führt. Da sollten sich die europäischen Rechnungsprüfer noch einmal verständigen, wie so etwas verhindert werden kann. Priska Hinz (Herborn) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In der Staatschuldenkrise hat sich deutlich gezeigt, dass es bei der Berechnung der Haushaltslage -einzelner Staaten massive Probleme gab. Die meisten EU-Mitgliedstaaten wenden unterschiedliche Berechnungssysteme an, die häufig sehr komplex und teilweise anfällig für Fehler oder Manipulationen sind. Das darf nicht so bleiben! Es ist dringend erforderlich, dass die europäischen Regierungen ihre Finanzstabilität in Zukunft zweifelsfrei nachweisen können und in der Berichterstattung über die öffentlichen Finanzen deutlich mehr Stringenz und Transparenz erreichen. In allen Ländern der Europäischen Union sollte künftig die sogenannte Periodenrechnung angewendet werden. Das heißt, dass Haushalts-daten wie die Neuverschuldung oder der Schuldenstand gezielt für einen genau definierten Zeitabschnitt erhoben werden. Das verbessert die Vergleichbarkeit der Daten und verhindert bereits einige Statistiktricks. Auch die Qualität der Daten muss verbessert werden. Eine -Harmonisierung der Rechnungsführungssysteme aller staatlichen Ebenen in der EU kann dazu entscheidend beitragen. Neben interner Kontrolle ist auch externe Prüfung notwendig, um die Einhaltung von Qualitäts-normen sicherzustellen. Eine Harmonisierung der Rechnungslegungsstandards innerhalb der EU bietet also erhebliche Vorteile. Derzeit bilden die International Public Sector Accounting Standards, kurz IPSAS, die einzige international anerkannte Zusammenstellung von Rechnungsführungsgrundsätzen für den öffentlichen Sektor. Die IPSAS sollten deshalb auch die Grundlage für die Entwicklung gemeinsamer europäischer Standards, der sogenannten EPSAS, sein. Darin sind sich die meisten Expertinnen und Experten einig. Trotz der Vorteile sollten allerdings auch die Kosten der Einführung solcher Standards beachtet werden. Einige Länder haben bereits Erfahrung mit der Einführung einer Periodenrechnung und stellen entsprechende Informationen bereit. Die auf der Grundlage dieser Informationen geschätzten Kosten einer Umstellung sind erheblich. Die Kosten aufgrund von Periodenrechnung und Reformen der Haushaltsplanung in den vergangenen zehn Jahren wurden zum Beispiel in Frankreich auf 1,5 Milliarden Euro beziffert. Darüber hinaus legen die Erfahrungen nahe, dass es für die Mitgliedstaaten sinnvoll sein könnte, bei der Einführung der neuen Rechnungsführungsgrundsätze auch ihre Systeme der öffentlichen Finanzverwaltung zu modernisieren. Die Einführung von gemeinsamen europäischen Standards zur Rechnungslegung ist wünschenswert, der Aufwand ist aber nicht zu unterschätzen. Seitens des Finanzministeriums sollte deshalb zunächst dargestellt werden, auf welchen staatlichen Ebenen welche Änderungen welche Kosten verursachen würden. Daneben muss die Frage geklärt werden, ob die vielen bereits vorhandenen, zum Teil makroökonomischen Instrumente wie der gesamte Stabilitäts- und Wachstumspakt mit seinen Ergänzungen und Verschärfungen nicht erst einmal vollumfänglich in Kraft treten und erprobt werden sollten, bevor so ein bürokratischer Kraftakt zur Modernisierung und Harmonisierung der zugrunde liegenden Daten vollzogen wird. Hier sind noch einige Fragen zu klären, aber das Ziel ist richtig. Ich begrüße deshalb sehr, dass wir im -Haushaltsausschuss zusammen mit der Koalition und den Sozialdemokraten einen gemeinsamen Antrag erreicht haben, um die Grundlage für die ersten Schritte dieses komplexen Projekts auf den Weg zu bringen. Hartmut Koschyk, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Die Beschlussempfehlung, die heute im Plenum des Deutschen Bundestages beraten wird, geht zurück auf einen Bericht der EU-Kommission vom 6. März 2013. Mit dem vorliegenden Bericht kommt die Europäische Kommission einem Auftrag aus der Richtlinie 2011/85/EU des Rates vom 8. November 2011 über die Anforderungen an die haushaltspolitischen Rahmen der Mitgliedstaaten nach, in der sie beauftragt wird, zu prüfen, ob die internationalen Rechnungsführungsgrundsätze für den öffentlichen Sektor, IPSAS, eine geeignete Bilanzierungs- und Buchführungsgrundlage für die Mitgliedstaaten der EU sein können Die Kommission kommt in dem Bericht zum Ergebnis, dass die IPSAS zwar nicht direkt für diese Zweck herangezogen werden können, die EU aber von ihnen aus-gehend eigenständige Buchführungsgrundsätze -entwickeln könne. Der Bericht macht deutlich, dass die EU-Kommission die Schaffung einheitlicher Buchführungs- und Bilanzierungsstandards auf der Grundlage der kaufmännischen doppelten Buchführung, sogenannte EPSAS, anstrebt, die für alle staatlichen Ebenen in allen Mitgliedstaaten der EU gelten sollen Die Initiative der Kommission ist vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise zu sehen. Das Statistische Amt der Kommission möchte die Qualität der Meldungen der Mitgliedstaaten zum Schuldenstand und zum jährlichen Defizit dadurch verbessern, dass die zugrunde liegenden Daten ausnahmslos aus kaufmännischen Buchhaltungen erzeugt werden, für die europaweit einheitliche Buchführungsregeln gelten. Von einer Verbesserung der Datenqualität verspricht sich die Kommission auch eine bessere haushaltspolitische Überwachung der Mitgliedstaaten. Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die von Deutschland gelieferten Zahlen zu Schuldenstand und Defizit bisher keinen Anlass zu grundlegender Kritik gegeben haben. Gleichwohl hat die Bundesregierung durchaus Verständnis für das von der Kommission verfolgte Ziel der Verbesserung der Datenqualität. Der Deutsche Bundestag möchte den weiteren von der Kommission im Bericht vorskizzierten Prozess zur Erarbeitung der EPSAS eng begleiten. Für den Deutschen Bundestag ist von besonderer Bedeutung, dass jedwede Harmonisierung den verfassungsrechtlichen Prinzipien der Budgethoheit des Deutschen Bundestages Rechnung trägt. Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, sicherzustellen, dass die etwaige Einführung dieser Standards die Aufstellung, den Inhalt und die Ausführung der Haushaltspläne der Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten nicht berührt und dass es zu keiner Schwächung der Kontrollmöglichkeiten des Deutschen Bundestags im Haushaltsvollzug kommt. Die Kommission selbst hat zwar dargelegt, dass die Haushaltsbuchführung von der Harmonisierung nicht betroffen sein soll. Es erscheint aber auch aus Sicht der Bundesregierung wichtig, gegenüber der Kommission vorsorglich darauf hinzuweisen, dass durch die etwaige Einführung der EPSAS der Inhalt der Haushaltspläne und das Haushaltsverfahren nicht beeinflusst werden darf. Bei der konkreten Ausgestaltung eines europaweit einheitlichen Rechnungswesens sind nach der Beschlussempfehlung auch Kosten-Nutzen-Aspekte zu beachten. Dieser Aspekt ist insofern sehr bedeutsam, als es nach den Kostenschätzungen der Kommission für Deutschland zu Gesamtkosten von circa 500 Millionen Euro bis 2,5 Milliarden Euro kommen kann, wenn alle Gebietskörperschaften die EPSAS auf der Basis einer flächendeckenden kaufmännischen Buchführung einführen. Wie viel es tatsächlich insgesamt kosten würde, kann derzeit niemand verlässlich schätzen. Deutschland wäre in besonderem Maße von der Pflicht betroffen, auf die kaufmännische Buchführung umzustellen, weil der Bund und die Bundesländer, die bisher an der kameralen Buchführung festgehalten haben, einen durchaus beträchtlichen Umstellungsaufwand im Bereich der IT und bei der Schulung des Personals haben werden. Bei den vielen Gemeinden dagegen, welche die kaufmännische Buchführung bereits eingeführt haben, würden sich die Kosten infolge der Umstellung von den bisher praktizierten HGB-nahen Buchführungsregeln auf die EPSAS wohl eher in einem überschaubaren Rahmen halten. Die Bundesregierung wird daher entsprechend der Beschlussempfehlung durch aktive Mitgestaltung der EPSAS darauf hinwirken, dass die Einführung der bzw. Umstellung auf die neuen Standards mit möglichst geringem Aufwand erfolgen könnte. Um dies sicherzustellen, ist der Bundesrechnungshof bei dem gesamten Verfahren zu beteiligen. Da einige Bundesländer und viele Kommunen bereits auf ein kaufmännisches Rechnungswesen umgestellt haben, sollte die Bundesregierung bei der Mitgestaltung der EPSAS die Belange und Erfahrungen der Länder und Kommunen mit einbeziehen. Bewährte deutsche Rechnungslegungsgrundsätze, die in den Kommunen teilweise schon viele Jahre erprobt sind, wie zum Beispiel das Vorsichtsprinzip, sollten ausreichend Beachtung finden. Im Ergebnis würde die Einführung von EPSAS auch eine Vereinheitlichung des Rechnungswesens in Deutschland bedeuten. Wichtig ist uns auch, dass der Deutsche Bundestag während des gesamten Verhandlungsprozesses fortlaufend, umfassend und frühestmöglich beteiligt wird. Vor einer Zustimmung der Bundesregierung zu einem Rechtsakt der Kommission im Zusammenhang mit der Einführung einheitlicher europäischer Rechnungsführungsgrundsätze ist der Deutsche Bundestag rechtzeitig zu konsultieren. Dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist zum 1. Februar 2014 ein erster Bericht über den Stand der Aktivitäten der Kommission zur Einführung einheitlicher Rechnungsführungsstandards in den Mitgliedstaaten der EU vorzulegen. Lassen Sie mich zum Abschluss betonen, dass nach dem Verständnis der Bundesregierung mit dieser Beschlussempfehlung noch keine Vorentscheidung für eine Einführung einheitlicher Rechnungsführungsstandards auf der Grundlage einer flächendeckenden kaufmännischen Buchführung getroffen wird. Die Bundesregierung wird das weitere Vorgehen der Kommission kritisch begleiten und zu gegebener Zeit entscheiden, ob sie einem Rechtsakt der Kommission, der auf eine verbindliche Einführung einheitlicher Rechnungsführungsstandards in allen Mitgliedsstaaten der EU abzielt, unter Berücksichtigung aller relevanten Aspekte zustimmen kann oder nicht. Anlage 32 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Entwurf eines Gesetzes zur Einrichtung eines Registers über unzuverlässige Unternehmen (Korruptionsregister-Gesetz) (Zusatztagesordnungspunkt 13) Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU): Worüber wir hier heute debattieren, dürfte uns doch allen sehr bekannt vorkommen. Wir erinnern uns nur zu gut, dass Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, in der 16. Wahlperiode schon einmal einen Gesetzentwurf zur Einrichtung eines Korruptionsregisters vorgelegt hatten. Diesen Entwurf hatten wir aus guten Gründen abgelehnt. Es zeichnet Sie ja grundsätzlich aus, dass Sie nicht so schnell aufgeben und hartnäckig bleiben, wenn Sie ein Ziel vor Augen haben. Aber Sie sollten auch bedenken, dass Hartnäckigkeit oft schnell in Verbissenheit umschlägt, und das lässt einen nicht unbedingt sympathischer, geschweige denn kompetenter wirken. Auch bei Ihrem Gesetz zur Einrichtung eines Korruptionsregisters sollten Sie einsehen, dass es keinen Sinn macht. Hierfür nenne ich Ihnen auch gerne die Gründe: Erstens. Der Entwurf kommt zur falschen Zeit. Die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters kann nicht isoliert von der Umsetzung der in den nächsten Monaten zu erwartenden neuen EU-Vorgaben zum Vergaberecht erfolgen. Die neuen EU-Richtlinien werden einen Katalog zwingender und fakultativer Gründe für den Ausschluss von Bietern enthalten. Zudem werden sie auch die Voraussetzungen und Modalitäten der möglichen Selbstreinigung von Bietern nach Korruptionstaten regeln. Die Einführung eines Korruptionsregisters sollte deshalb erst in der nächsten Legislaturperiode zusammen mit der Umsetzung der neuen EU-Vorgaben angegangen werden. Zweitens. Auch wenn die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters zwar an sich erwägenswert erscheint, ist Ihr Entwurf dafür nicht die geeignete Grundlage. Die Einführung eines Korruptionsregisters setzt die Klärung wichtiger Fragen voraus, die in Ihrem Gesetzesvorschlag nicht ausreichend berücksichtigt oder nicht zufriedenstellend gelöst wurden. Bei der öffentlichen Anhörung am 25. Februar 2013 wurden teilweise deutliche Bedenken gegen einzelne Punkte des vorgelegten Gesetzentwurfs geäußert. Eine Eintragung in ein solches Register stellt für das betroffene Unternehmen einen Grundrechtseingriff dar. Außerdem kann eine Eintragung eine Prangerwirkung für das betroffene Unternehmen oder einzelne Personen haben. Mögliche gravierende Folgen reichen bis hin zur Existenzgefährdung für ein Unternehmen und mithin der Arbeitsplätze. Vor diesem Hintergrund muss die Ausgestaltung eines bundesweiten Korruptionsregisters im Einzelnen sorgfältig geprüft werden. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass es einen Anspruch auf Löschung einer unrichtigen Eintragung gibt. Ferner muss die Regelung des Rechtsschutzes genau geprüft werden. Bei der Anhörung wurde zu Recht kritisiert, dass im Gesetzentwurf die Auflistung der Delikte, derentwegen eine Eintragung erfolgen soll, nicht abschließend sei. Das erfülle nicht die Anforderungen an die Normenklarheit und -bestimmtheit, die bei einem Grundrechtseingriff zu stellen sind. Im Übrigen ist der Name Korruptionsregister irreführend, wenn auch Delikte einzutragen seien, die nichts mit Korruption zu tun haben. Auch der Punkt, ab wann keine vernünftigen Zweifel an der Täterschaft bestehen und deshalb eine Eintragung erfolgen muss, sollte klarer als in dem vorgelegten Gesetzentwurf geregelt werden. Es können durchaus noch vernünftige Zweifel an der Schuld bestehen, wenn ein Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt wird oder eine zivilrechtliche Verurteilung zu Schadensersatz vorliegt. Daher sollte dann möglicherweise noch keine Eintragung erfolgen. Die Regelung, wonach eine Eintragung erst sechs Monate nachdem ein Unternehmen Selbstreinigungsmaßnahmen durchgeführt hat, gelöscht werden kann, ist nicht überzeugend. Wenn das Unternehmen seine Zuverlässigkeit durch Selbstreinigungsmaßnahmen wiederhergestellt hat, muss die Eintragung sofort gelöscht werden. Das Verhältnis eines Korruptionsregisters zu den bereits bestehenden Registern - dem Bundeszentralregister und dem Gewerbezentralregister - muss geklärt werden, um eine optimale Verzahnung zu erreichen. Vor der Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters wird auch eingehend zu prüfen sein, welche Verwaltungsbehörde in welchem Geschäftsbereich mit der Einrichtung und Führung des Registers beauftragt werden soll. Der Gesetzentwurf sieht das BAFA als Registerbehörde vor. Für diese zusätzliche Aufgabe stehen dem BAFA aber wohl keine hinreichenden Personal- und Sachmittel zur Verfügung. Außerdem müsste geprüft werden, ob nicht eine andere Behörde besser dafür geeignet wäre. Ein solches Register sollte so effizient wie möglich ausgestaltet werden, um die bürokratischen Belastungen für die Vergabestellen, die Strafverfolgungsbehörden, aber auch die Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Dafür muss unter anderem geklärt werden, ab welchem Auftragswert eine Abfragepflicht der Vergabestelle besteht und ob sie nur im Hinblick auf den erfolgreichen Bieter oder im Hinblick auf alle Bieter eine Eintragung abfragen muss. Sie sehen, dass es sich um einen Gesetzentwurf handelt, der viele inhaltliche Fragen aufwirft, teilweise unpräzise ist und der zur falschen Zeit kommt. Deshalb muss ich Ihnen leider sagen, meine Kolleginnen und Kollegen, dass Sie aus Ihren Fehlern der 16. Wahlperiode offenbar nicht viel gelernt haben und es auch jetzt wieder gute Gründe für uns gibt, warum wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen müssen. Es wäre einer guten Politik für unser Land dienlich, wenn Sie sich an den Realitäten orientieren und ausgereifte Vorschläge vorlegen würden. Nicht nur dieser Fall zeigt, dass Sie damit Probleme haben. Deshalb ist es auch gut, dass nicht Sie, sondern die christlich-liberale Koalition die Regierung stellen. Ingo Egloff (SPD): Nach geltendem Vergaberecht sollen öffentliche Aufträge nur an gesetzestreue und zuverlässige Firmen vergeben werden. So bestimmt es § 97 Abs. 4 GWB und die in seinem Gefolge erlassenen untergesetzlichen Regeln von VOL, VOB, VOF und SektVO. Diese Regelung hat der Gesetzgeber aus gutem Grund getroffen; denn gerade wenn öffentliche Aufträge vergeben werden, die mit Steuergeld finanziert werden, hat die Bevölkerung ein Recht darauf, dass diese Gelder nur an gesetzestreue Auftragnehmer gezahlt werden, und die unterlegenen Mitbewerber haben ein Anrecht darauf, dass sich niemand aufgrund eines Gesetzesverstoßes einen Vorteil bei der Erlangung eines öffentlichen Auftrages verschafft. Dies hat wettbewerbsrechtliche Gründe, aber auch solche der Staatsräson, muss doch der Staat als Auftraggeber darauf achten, dass sich die Firmen, die er beauftragt, an Gesetze halten, und zwar nicht nur an die -Regeln des Wettbewerbsrechtes, sondern auch an solche des Sozialversicherungsrechts; denn die Einhaltung dieser Bestimmungen ist konstitutiv für unseren sozialen Rechtsstaat. Deshalb begrüßt die SPD den Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen über die Einrichtung eines -Korruptionsregisters ausdrücklich und unterstützt ihn. Es ist auch richtig, dass über den Tatbestand der Kor-ruption hinaus weitere Straftaten und Verstöße gegen -unterschiedlichste Gesetze aufgegriffen werden. Ein Staat, der von seinen Unternehmen verlangt, dass sie sich auch im internationalen Wettbewerb an Compliance- und Governance-Regeln halten, muss ein In-strument schaffen, das es gewährleistet, dass sich nur gesetzestreue Unternehmen an öffentlichen Aufträgen beteiligen dürfen. Die bundesweite Regelung sorgt dafür, dass hier der Vorwurf nicht greift, der verschiedentlich gegen von Bundesländern eingeführte Regelungen erhoben wird: Unternehmen können dann nämlich nicht durch Wechsel des Bundeslandes dieser Meldung ausweichen, sondern hier wird bundesweit erfasst, wer gegen solche Regeln verstoßen hat. Insbesondere begrüße ich die klare Regel in § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfes, unter welchen Umständen Unternehmen beziehungsweise Unternehmer dem Register gemeldet werden dürfen. Dies verhindert Missbrauch und schafft auch Vertrauen in das Register. Nun soll niemand meinen, dass das Register Ausdruck eines allgemeinen Misstrauens gegen Unternehmer und Unternehmen ist. Das Gegenteil ist der Fall, und die große Zahl von Unternehmen, die sich korrekt verhalten, muss folglich auch keine Angst vor einer solchen Regelung haben. Deshalb begrüßen wir, dass sich der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Deutsche Gewerkschaftsbund grundsätzlich für ein solches Register aussprechen. Wir sollten im Interesse und zum Schutz der sich überwiegend gesetzestreu verhaltenden Unternehmen diese Regelung beschließen, damit den schwarzen Schafen von vornherein deutlich wird: Öffentliche Aufträge werden sie nicht bekommen, wenn ihr Verhalten gegen Gesetze verstößt. Kein Verständnis haben wir dafür, dass die Koalition im Wirtschaftsausschuss durch ständige Vertagung - mit der Argumentation, irgendwann würde es eine europäische Lösung geben - eine Beschlussfassung und Positionierung verhindern wollte. Dies erinnert fatal an ihre Mauertaktik beim Thema Abgeordnetenbestechung. Aber lassen Sie sich sagen: Die Zeit arbeitet hier gegen Sie. Die allgemeine Akzeptanz von Organisationen wie Transparency International in Verbindung mit dem Paradigmenwechsel, der bei den Unternehmen selbst stattgefunden hat, wird dafür sorgen, dass diese Regelung kommt. Die Entwicklung wird Sie einfach überrollen, und dann müssen Sie sehen, dass Sie überhaupt noch hinterherkommen. Auf der Höhe der Zeit sind Sie mit Ihrer Auffassung jedenfalls nicht. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu, weil er gut und notwendig ist. Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Der vorliegende Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie nimmt gemäß § 62 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drucksache 17/11415, Stellung. Wichtige Fragen zur Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters sind nicht ausreichend berücksichtigt oder nicht zufriedenstellend gelöst worden. Der Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen greift hier zu kurz. Auch bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am 25. Februar 2013 haben wir schon deutliche Bedenken gegen einzelne Punkte des vorgelegten Gesetzentwurfs geäußert. In den nächsten Monaten erwarten wir die neuen EU-Vorgaben zum Vergaberecht. Gegenwärtig wird in Brüssel das Legislativpaket der Europäischen Kommission zur Modernisierung des Vergaberechts beraten, welches auch Regelungen über den Ausschluss von wegen -Korruption verurteilten Unternehmen sowie zur Selbstreinigung enthält. Die Forderung nach der Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters darf nicht isoliert von der sich schon abzeichnenden EU-Richtlinien-umsetzung erfolgen. Die neuen EU-Richtlinien werden einen Katalog zwingender und fakultativer Gründe für den Ausschluss von Bietern enthalten. Zudem werden sie auch die Voraussetzungen und Modalitäten der möglichen Selbstreinigung von Bietern nach Korruptionstaten regeln. Denn eine solche Eintragung in ein bundesweites Korruptionsregister stellt für das betroffene Unternehmen einen weitgehenden Eingriff dar. Es können gravierende Folgen für die Existenz von Unternehmen entstehen, und dies muss gut überlegt sein. Daher müssen wir die Ausgestaltung dieses Registers im Einzelnen sorgfältig prüfen und auch klären, wann ein Anspruch auf Löschung besteht. Auch der Vorschlag, sechs Monate nach der Selbstreinigung eines Unternehmens eine Lösung in diesem Register zu vollziehen, ist nicht zu Ende gedacht. Die Eintragung des Unternehmens in dem Register sollte direkt nach den Maßnahmen der Selbstreinigung und die damit verbundene Herstellung der Zuverlässigkeit sofort gelöscht werden. Zu den weiteren Schwachpunkten des Antrages von Bündnis 90/Die Grünen gehört die Klarstellung, ab wann ein vernünftiger Zweifel an der Täterschaft besteht und daraus resultierend keine Eintragung in dieses Register geschehen soll. Es können durchaus noch vernünftige Zweifel an der Schuld bestehen, wenn ein Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt wird oder eine zivilrechtliche Verurteilung zu Schadensersatz vorliegt. Der Gesetzentwurf sieht das BAFA als Registerbehörde vor. Für diese zusätzliche Aufgabe stehen dem BAFA aber keine hinreichenden Personal- und Sachmittel zur Verfügung. Außerdem müsste geprüft werden, ob nicht eine andere Behörde besser dafür geeignet wäre. Um die bürokratischen Belastungen für die Vergabestellen, die Strafverfolgungsbehörden, aber auch die Unternehmen so gering wie möglich zu halten, muss vor allem geklärt werden, ab welchem Auftragswert eine Abfragepflicht der Vergabestelle besteht und ob sie nur im Hinblick auf den erfolgreichen Bieter oder im Hinblick auf alle Bieter eine Eintragung abfragen muss. Die Initiative der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist nicht zu Ende gedacht. Deshalb stimmen wir dem Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu und lehnen den Grünen-Antrag ab. Werner Dreibus (DIE LINKE): 400 Milliarden Euro geben die Vergabestellen des Bundes, der Länder und der Kommunen jedes Jahr für die öffentliche Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen aus. Die öffentliche Auftragsvergabe entspricht damit immerhin 17 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Angesichts dieser großen wirtschaftlichen Bedeutung ist es schon erstaunlich, wie lax mit den Steuermilliarden umgegangen wird. Öffentliche Auftraggeber haben keine Möglichkeit, die Zuverlässigkeit und Gesetzestreue der Unternehmen, die für die oft millionenschweren Aufträge bieten, anhand bundesweiter, fundierter Informationen zu überprüfen. Dank Union, FDP und SPD, die die Einführung eines zentralen Korruptionsregisters in den letzten Jahren erfolgreich verhinderten, existieren heute nur in einigen Bundesländern Korruptionsregister. Mit diesen werden zwar gute Erfahrungen gemacht, sie erfassen aber nur Daten innerhalb ihrer Landesgrenzen. Das ist ein unhaltbarer Zustand! Insofern ist es wirklich skandalös, wie Union und FDP die Beratung des Gesetzentwurfs mit fadenscheinigen Begründungen verschleppt und eine Abstimmung über die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters verhindert haben. Meine Damen und Herren von Union und FDP, Sie machen sich durch diese Arbeitsverweigerung zu Handlangern von Unternehmen, die sich mittels Korruption und der Umgehung von Arbeits- und Sozialstandards auf Kosten der Steuerzahler einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollen. Wie wichtig die Schaffung einer zentralen Informa-tionsgrundlage zur Überprüfung von Unternehmen in Deutschland ist, zeigt eine Auswahl von namhaften deutschen Unternehmen, die es mit Korruption und Bestechung in die Presse geschafft haben: Siemens, MAN, Ferrostahl, Daimler, Infineon, ThyssenKrupp oder Rheinmetall. Auch die riesigen Schadenssummen durch Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen und Korruption im Besonderen, die das Bundeskriminalamt in seinem Bundeslagebild veröffentlicht, verdeutlichen den dringenden Handlungsbedarf. Demnach entstand 2010 durch Wirtschaftskriminalität ein gesamtwirtschaftlicher Schaden von 4,65 Milliarden Euro. Aus Korruption resultierte 2011 ein Schaden von circa 276 Millionen Euro. In beiden Bereichen müssen wir von einer großen Dunkelziffer ausgehen. Die Linke unterstützt deshalb die Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters, auch wenn natürlich weitere Maßnahmen notwendig sind, damit Korruption verhindert wird und Unternehmen Tarifverträge, -Arbeits- und Sozialstandards und andere Rechtsvorschriften tatsächlich einhalten. Die Sachverständige des DGB, Frau Dr. Gazaleh Nassibi, hat in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf zu Recht darauf hingewiesen, dass es ebenso dringend wirksamer Kontrollen zur Erfassung der Verstöße bedarf. Die Linke fordert wie der DGB bereits seit Jahren, dass die dafür zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit personell massiv aufgestockt wird, um mit mehr Kontrollen gegen die kriminellen Lohndumpingstrategien der Unternehmen vorgehen zu können. Andere wichtige Punkte sind zum Beispiel Vergabegesetze, die die Unternehmen zur Tariftreue verpflichten und die europarechtliche Absicherung von Tariftreueerklärungen. Dennoch hätten wir heute mit der Einführung eines bundesweiten Korruptionsregisters einen Beitrag dafür leisten können und leisten müssen, dass bei öffentlichen Aufträgen künftig geltende Standards besser eingehalten, Steuergelder effektiver verwendet werden und die Bürgerinnen und Bürger eine qualitativ hochwertigere Infrastruktur und Verwaltung erhalten. Das haben Union und FDP leider wieder verhindert. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Leider darf sich das Plenum des Bundestages heute nicht mit dem Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion befassen. Stattdessen müssen wir uns mit dem Bericht des Ausschusses auseinandersetzen, warum die Union und die FDP die Schaffung eines wichtigen Instruments im Kampf gegen Korruption, illegale Leiharbeit und andere Wirtschaftskriminalität verweigern. Die Koalition scheut sich ganz offensichtlich, hier im Plenum inhaltlich offen gegen unseren Vorschlag zu stimmen. Innen- sowie Finanzministerinnen und -minister von Bund und Ländern fordern in ihren Konferenzen unisono seit vielen Jahren ein zentrales Register, ebenso der Bundesrat 2008 und Verbände wie Transparency International sowieso. Ich selbst und die Grünen-Fraktion setzen uns schon seit fast 20 Jahren für ein solches Zentralregister ein. Die bisher von uns 1995, 1998, 2002 und 2009 eingebrachten Anträge und Gesetzentwürfe wurden abgelehnt. Inzwischen ist die SPD einsichtig und unterstützt unseren Vorschlag. Angesichts dieser langen Bemühungen auf allen Ebenen von Bund und Ländern um ein zentrales Register sind die anhaltenden schwarz-gelben Störmanöver deutlich sichtbar. Das Unternehmensklientel der Regierungskoalitionen wird nun Beifall klatschen, dass dieser Kelch nochmal an ihr vorüber ging. Die werden nun womöglich sogar die Dankeschönspenden für Schwarz-Gelb -üppiger fließen lassen. Wegen Fehlens eines zentralen Korruptionsregisters werden Vergabestellen von Bund, Ländern und Kommunen etwa großen Unternehmen wie Siemens(-Nokia), Hochtief oder ThyssenKrupp weiter öffentliche Aufträge erteilen, obwohl die Unternehmen regional oder im Ausland wiederkehrend korruptiv, kriminell oder gewerblich unzuverlässig auffielen. Unser Gesetzentwurf war seit dem 22. November 2012 dem Wirtschaftsausschuss des Bundestages federführend zur Beratung überwiesen. Nach der Geschäftsordnung war dieser Ausschuss zur "baldigen Erledigung" dieser Beratung verpflichtet. Der Ausschuss führte eine Sachverständigenanhörung im Februar durch. Die eingeladenen Experten bestätigen einhellig, wie nötig das von uns vorgeschlagene Register ist. Einige wenige Detailbedenken einzelner Experten dort hätten keine Veränderung unseres Entwurfs erfordert. Doch danach gefielen sich die Regierungsfraktionen im Ausschuss in Arbeitsverweigerung und setzten die dortige Beratung unseres Entwurfs fünf Sitzungswochen nacheinander wieder von der Tagesordnung ab: jeweils mit ihrer Mehrheit gegen unseren Widerstand und ohne inhaltliche Begründung. Schwarz-Gelb nötigte uns sogar, unseren Entwurf dem Nationalen Normenkontrollrat zur Prüfung vorzulegen, obwohl der eigentlich Gesetzesinitiatoren nur auf deren eigenen Wunsch hin beraten soll. Derweil lehnte die Koalition in zwei mitberatenden Ausschüssen unseren Gesetzentwurf bereits im April ruck-zuck inhaltlich ab. Warum scheuten sich Union und FDP, sich gegen schärfere Korruptionsbekämpfung auch im Wirtschaftsausschuss und offen im Plenum festzulegen? Die Gründe dafür, die nun im heute beratenen -Ausschussbericht erstmals nachgeschoben werden, überzeugen in ihrer Dürftigkeit nicht. Unser Gesetzentwurf für ein bundeseinheitliches -Register über unzuverlässige Unternehmen soll eine gravierende Regelungslücke im deutschen Föderalismus schließen. Denn bei der Ahndung von Wirtschaftskriminalität und Sanktionen gegen bestimmte Kriminelle sowie bei Vergabe öffentlicher Aufträge weiß heute die linke Hand nicht, was die rechte tut: Flensburg weiß nichts von korruptiven Vorgängen und Unternehmen in Friedrichshafen, Dresden nichts über Düsseldorf. Öffentliche Aufträge dürfen nur an "zuverlässige" Unternehmen vergeben werden; das sieht schon heute das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen vor. Doch in der Praxis sind den Vergabestellen der Länder und Kommunen für öffentliche Aufträge die anderswo vorhandenen Erkenntnisse über solche Unzuverlässigkeit von Bietern um solche Aufträge oft nicht zugänglich. Es existieren zwar Register mit Notierungen in zahlreichen Bundesländern schon seit 1997, etwa in Hessen. Doch ohne eine bundeszentrale Erfassung dieser verstreuten Informationen erfahren die Register sowie die öffentlichen Auftraggeber in Bund, Ländern und Kommunen vielfach nichts von auffällig gewordenen Unternehmen bzw. Personen in jeweils anderen Bundesländern. Transparency International und ähnliche Organisationen fordern daher seit Jahren ein bundeszentrales Register: als ein zentrales Instrument, damit solche -Unternehmen nicht quasi zur Belohnung noch Steuergelder erhalten in Gestalt öffentlicher Aufträge. Soweit unser Gesetzentwurf nun im Untätigkeitsbericht als "nicht beratungsreif" erklärt wird, ist das schon formell eine Anmaßung. Die angeblichen Hindernisse sind während der letzten 20 Jahre in der Fachwelt und in der langen Gesetzgebungsgeschichte um das Register bereits derart intensiv diskutiert und reflektiert worden, dass man hier nur von durchsichtigen Vorwänden der Koalition sprechen kann. Auch die Brüsseler Beratungen über das Legislativpaket der Europäischen Kommission zur Modernisierung des Vergaberechts müssen nicht abgewartet werden. Nach den nun auslaufenden Verhandlungen darüber ist völlig ungewiss, ob, wann und gegebenenfalls mit welchem Inhalt ein Kompromisstext dazu wie erforderlich vom Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat verabschiedet werden könnte. Jedenfalls sehen auch die bisher vorgelegten Entwürfe - etwa in Art. 55 - Ausschlüsse korruptiv auffälliger Unternehmen vor. Und falls dies in Brüssel wirklich einmal verabschiedet wird, bliebe danach jedenfalls bei der Umsetzung in Deutschland ausreichend gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum zur Frage, wie Informationen über die "schwarzen Schafe" ermittelt und registriert werden sollen. Daher sperren die Brüsseler Diskussionen um die Vergaberechtsmodernisierung also die Befassung mit dem grünen Gesetzentwurf Korruptionsregister in Wirklichkeit nicht, wie die Koalition glauben machen will. Die Grünen wollen mit dem vorgelegten Gesetzentwurf nicht die Wirtschaft knebeln, sondern vielmehr gleiche Wettbewerbsbedingungen unter den Bietern um öffentliche Aufträge sicherstellen. Fairer Wettbewerb, darum geht es. Und darum, Korruption wirksamer zu bekämpfen, um Staat und Steuerzahler vor Schaden zu schützen. Anlage 33 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Stärkung des Ausbaus von grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen (Zusatztagesordnungspunkt 15) Karl Holmeier (CDU/CSU): In der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realität sind die Grenzen nach Osteuropa schon lange offen. Deutschland liegt mittlerweile in der Mitte Europas. Ich selbst kann das aus meiner praktischen Erfahrung nur bestätigen. Mein ostbayerischer Wahlkreis liegt direkt an der Grenze zur Tschechischen Republik, und die Entwicklung der vergangenen Jahre zeigt, dass wir zwischenzeitlich kein klassisches Grenzgebiet mehr, sondern mit den tschechischen Nachbarn sehr eng verbunden sind. Wir entwickeln uns immer mehr zu einem einheitlichen Wirtschafts-, Lebens- und Kulturraum. Leider hinkt die Verkehrsinfrastruktur dieser Entwicklung vielerorts noch hinterher, vor allem auf der Schiene und im ländlichen Raum. Auch dies bestätigen mir meine persönlichen Erfahrungen aus meinem Wahlkreis. Seit Jahren kämpfen wir in der Region um eine attraktive Bahnverbindung von München nach Prag. Bislang dauert jedoch eine Zugfahrt in der einzig verfügbaren Nahverkehrsanbindung unverändert sechs Stunden. Mit dem Auto schafft man die Strecke in drei Stunden. Welches Verkehrsmittel die Menschen wählen, können Sie sich selbst denken. Die EU-Kommission hat sich dieses Problems angenommen und im Oktober 2011 einen Vorschlag mit neuen Leitlinien für die transeuropäischen Verkehrsnetze, den sogenannten TEN-V-Leitlinien, vorgelegt. Herzstück dieser Leitlinien ist ein transeuropäisches Kernnetz, das zentrale und strategisch wichtige Knotenpunkte wie große Städte, Flughäfen oder Häfen miteinander verbindet. Damit verfolgt die EU-Kommission einen komplett neuen Ansatz als dies bisher in Europa und auch in Deutschland immer der Fall war. In der Vergangenheit lag der Schwerpunkt immer auf dem Ausbau von Verbindungen mit einer hohen Verkehrsbelastung und einer besonders hohen Wirtschaftlichkeit. Das ist jetzt anders. Mit dem neuen Kernnetz entsteht ein echtes transeuro-päi-sches Verkehrsnetz, das diesen Namen auch verdient. Die Verhandlungen über die neuen Leitlinien konnten zwischenzeitlich beendet werden und ich freue mich, dass viele wichtige grenzüberschreitende Schienenverkehrsachsen durch Deutschland und vor allem in Richtung unserer osteuropäischen Nachbarländer Polen und Tschechien Bestandteil dieses neuen europäischen Kernnetzes geworden sind. Die Verbindung von München nach Prag ist hier übrigens dabei. Das freut mich aus regionaler Sicht natürlich besonders, auch weil ich mich persönlich sehr für dieses Projekt eingesetzt und hierzu viele Gespräche in Brüssel geführt habe. Mit der Festlegung der Strecken und Korridore des Kernnetzes ist ein bedeutender Schritt dahin gelungen, dass Deutschland auch bei der Schienenverkehrsinfrastruktur seiner Rolle als Mittelpunkt Europas gerecht werden kann. Die christlich-liberale Koalition hat nun nach Abschluss der Verhandlungen den nächsten Schritt in Angriff genommen. Bekanntlich laufen derzeit die Vorbereitungen für die Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes 2015. Mit dem vorliegenden Koalitionsantrag stellen wir in der christlich-liberalen Koalition nun sicher, dass in diesem Rahmen auch die Maßgaben der TEN-Leitlinien entsprechend priorisiert werden. Die in das EU-Kernnetz aufgenommenen Projekte sollen nach den TEN-Leitlinien bis 2030 fertiggestellt sein. Dieser Vorgabe müssen und wollen wir bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes in Deutschland Rechnung tragen. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die im Kernnetz genannten grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen auch tatsächlich im Bundesverkehrswegeplan widergespiegelt werden. Das ist zugleich eine große Chance für den ländlichen Raum. Denn aufgrund des Ansatzes, mit dem Kernnetz die Zentren miteinander zu verbinden, werden gleichzeitig die dazwischen liegenden ländlichen und strukturschwachen Regionen erschlossen. Das neue transeuropäische Netz ist also ein Gewinn für alle Regionen in Europa. Und mit dem vorliegenden Antrag tragen wir in der christlich-liberalen Koalition dazu bei, dass dieses Netz auch für Deutschland ein Gewinn wird. Ich kann Sie daher nur alle ermuntern, diesem Antrag zuzustimmen. Die Menschen in Ihren Wahlkreisen werden es Ihnen danken. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Verkehrsinfrastruktur ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung von Wirtschaftregionen. Die Qualität der infrastrukturellen Einrichtungen und die bestehenden Verbindungsangebote für den Gütertransport und die Geschäftsreisenden sind für die Standortentscheidungen von Unternehmen mitentscheidend - bisher ein Standortvorteil Deutschlands. Die verkehrliche Anbindung großer deutscher Wirtschaftszentren an andere europäische Zentren hat mit der Öffnung Osteuropas an Bedeutung gewonnen, der verkehrliche Mittelpunkt der europäischen Logistikwirtschaft hat sich in den Osten Deutschlands verschoben. Hierdurch ergeben sich neue Chancen für die Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaftsräume, gerade in den bisherigen geografischen Randlagen Deutschlands. Die wirtschaftliche Entwicklung strukturschwacher Randgebiete kann nur durch eine gute Erreichbarkeit von Zentren und die Anbindung an das überregionale Verkehrsnetz erfolgen. Gute grenzüberschreitende Verkehrsverbindungen für den Güter- und Personenverkehr sind ein entscheidender Faktor, um die regionalen Potenziale besser zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit im wachsenden europäischen Binnenmarkt zu stärken. Deutschland hat sich in mehreren zwischenstaatlichen Erklärungen zu internationalen Schienenkorridoren und bilateralen Infrastrukturprojekten verpflichtet. Auch im Hinblick auf die EU-Osterweiterung wurden bereits im Bundesverkehrswegeplan 2003 für das transeuropäische Verkehrsnetz in Ost-West-Ausrichtung wichtige Projekte benannt, die den Erfordernissen der wachsenden grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehre zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarländern nachkommen sollten. Des Weiteren hat die Europäische Kommission ihren Verordnungsvorschlag zu den TEN-Leitlinien im Oktober 2011 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Verkehrsnetzes, TEN-V, für Straßen, Schienenwege, Wasserstraßen und Flughäfen definiert. Ziel ist es, die noch wichtigen fehlenden europäischen Verbindungen zwischen den europäischen Verkehrsknoten und Zentren herzustellen sowie die wichtigsten Häfen und Flughäfen an das Schienennetz besser anzubinden. Zudem sollen mit dem Kernnetz zahlreiche große grenzüberschreitende Vorhaben bis 2030 verwirklicht werden. Um das transeuropäische Verkehrsnetz, insbesondere das Kernnetz, realisieren zu können, hat die Kommission zehn länderübergreifende Entwicklungskorridore benannt; davon führen sechs durch Deutschland. Für mich besonders wichtig sind die zwei Verbindungen; die durch Ostdeutschland zu den Nachbarstaaten Polen und Tschechien führen: Warschau-Berlin-Amsterdam/Rotterdam-Midlands (Ost-West), Hamburg/Rostock-Berlin-Dresden-Prag-Bratislava-Budapest-Piraeus (Nord-Süd). Die Nord-Süd-Relation ist mit dem Baltisch-Adria-tischen Korridor und dem Straßburg-Donau-Korridor verknüpft, was den für Deutschland wichtigen Vier-Meeres-Korridor - Nord-/Ostsee, Adria, Schwarzes Meer - für den Schienenfernverkehr abbildet. Dafür ist der Ausbau des Abschnitts Berlin-Dresden-Prag für den Hochgeschwindigkeitspersonenverkehr, 200 Stunden-kilometer, und als leistungsfähige Güterverkehrsverbindung auszubauen. Dazu gehört mittelfristig auch die Entlastung der Elbtalstrecke durch eine Neubaustrecke für den grenzüberschreitenden Güter- und Personenfernverkehr. In den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2003, BVWP, wurden wichtige grenzüberschreitende Schienenprojekte zur Anbindung an die östlichen Nachbarländer aufgenommen. Die Projekte sind jedoch nicht oder nur teilweise fertiggestellt. Insgesamt ist festzustellen, dass sich leider seit der deutschen Einheit an den Schienenverbindungen West-Ost, die die Grenze zu unseren östlichen Nachbarländern überschreiten, zu wenig getan hat. Das Netz weist erhebliche Lücken auf. So sind unter anderem die ostdeutschen Städte vergleichsweise unterdurchschnittlich bis schlecht über das Bundesschienennetz zu erreichen. Fehlende Elektrifizierungen schmälern das Nah- und Fernverkehrsangebot. Die Fernverkehrsangebote für den Schienenpersonenfernverkehr im Hochgeschwindigkeits-netz sind nicht attraktiv. So sind die Taktung und die Reisezeiten zu lang, die verkehrenden Züge nicht auf dem heutigen Qualitätsniveau, zum Beispiel Berlin-Dresden-Prag, wichtige Strecken werden nur über Nahverkehrsangebote bedient, zum Beispiel Dresden-Görlitz-Breslau. Wir wollen, dass mit der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2015 eine Priorisierung des Ausbaus von grenzüberschreitenden Verkehrsachsen für die Anbindung der deutschen Wirtschaftsräume an die Nachbarländer ermöglicht wird. Für Deutschlands Grenzregionen, zum Beispiel die an Polen und Tschechien angrenzenden, ist es wichtig, mit der Verbesserung der Bundesschienenwege in den transeuropäischen Verkehrskorridoren die Chancen zu wahren, sich wirtschaftlich weiterzuentwickeln und im Netz der internationalen Warenströme eine zentrale Rolle einnehmen zu können. So können gerade in Ostdeutschland zahlreiche Schienenstrecken mit einer Elektrifizierung, die leider noch aussteht, für die Verbesserung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs mit annehmbaren Reisezeiten -führen. Hierfür ist die Strecke von meiner Heimatstadt Dresden über Görlitz und weiter nach Tschechien ein gutes Beispiel. Für die Forcierung dieser Ausbaumaßnahmen bitte ich Sie alle, sich im Rahmen der Gestaltung der transeuropäischen Verkehrsnetze und bei der Aufstellung des neuen Bundesverkehrswegeplans mit Entschiedenheit einsetzen. Martin Burkert (SPD): Es ist ein schöner Antrag, den Union und FDP hier vorgelegt haben, ein schöner, aber scheinheiliger Antrag; denn die Regierungskoalition will mit ihrem von Torschlusspanik geprägten Aktivismus einen angeblichen Beweis dafür erbringen, wie wichtig grenzüberschreitende Schienenverkehrsachsen für sie seien. Vier Jahre trödeln kann man damit nicht wettmachen. Deshalb können wir uns bei der Abstimmung über diesen Antrag fremdschämend nur enthalten. Ich bin ja erstaunt, dass anscheinend immerhin zumindest noch ein, zwei Mitarbeiter damit beauftragt wurden, diesen Antrag zu formulieren. Man kann bei dieser Regierung ja schon froh sein, wenn ein Thema im Laufe der Legislaturperiode nicht total im Nirwana landet. Im Nirwana enden die nationalen Schienenwege in Europa zum Glück nicht, doch wir sind leider immer noch meilenweit entfernt davon, dass man ohne Hindernisse europäische Grenzen mit dem Zug passieren kann. Vier ernüchternde Fakten: Es bestehen enorme technische Barrieren wie fehlende Elektrifizierungen, verschiedene Spurweiten und Stromsysteme oder Signaltechniken. Die europäischen Eisenbahnen arbeiten beispielsweise mit sieben unterschiedlichen Spurweiten sowie 18 unterschiedlichen Leit- und Sicherungssystemen. Nur 20 der europäischen Großflughäfen und 35 der wichtigsten Häfen sind direkt an das europäische Schienennetz angeschlossen. Es bestehen ungleiche Wettbewerbsbedingungen beziehungsweise unterschiedliche Rahmenbedingungen für die einzelnen Verkehrsträger. Beispielsweise unterliegen grenzüberschreitende Züge im Gegensatz zum Luftverkehr in einigen Mitgliedstaaten der Mehrwertsteuer und/oder der Mineralölverbrauchsteuer. Es mangelt auch erheblich an Verbindungen; denn sie weisen - das ergaben aktuelle Marktauswertungen - keine ausreichend starken Verkehrsströme für rentable neue Dienste auf. Insbesondere Marktnischen wie Nachtzugverbindungen bieten dafür wenig Möglichkeiten. Sie werden von schnelleren Tagzugverbindungen oder durch andere Verkehrsträger wie dem Flugzeug verdrängt - ganz abgesehen von den Schwierigkeiten, neue grenzüberschreitende Dienste so in den inländischen Fahrplan zu integrieren, dass geeignete Anschlussmöglichkeiten entstehen. Deshalb müssen wir weiter an einem transeuropäischen Verkehrsnetz arbeiten, um aus dem Flickenteppich aus Schienenwegen, aber auch Straßen, Schifffahrtskanälen und Flughäfen ein einheitliches europäisches Verkehrsnetz zu schaffen. 15 000 Kilometer Eisenbahnstrecken sollen europaweit zusammengeführt und für den Hochgeschwindigkeitsverkehr ausgelegt werden. Das ist gut. Hochgeschwindigkeitsverbindungen zwischen großen Städten weisen die größten Verkehrsströme und damit auch großes Potenzial auf. Das wird den Reisenden und der Wirtschaft in ganz Europa zugutekommen. Weder der Individual- noch der Handelsverkehr endet an den nationalen Grenzen. Dass alle Europäerinnen und Europäer spätestens im Jahr 2050 nur 30 Minuten von einem Zubringernetz nach Rom, Amsterdam oder sonst wo in Europa entfernt sein sollen, ist und bleibt das europäische Ziel. Michael Groß (SPD): "Die schwarz-gelbe Bundes-regierung kann natürlich weiterhin jede Ortsumgehungen in Bayern bauen. Oder sie entschließt sich endlich, in ein Infrastrukturnetz für Gesamtdeutschland unter Berücksichtigung europäischer und internationaler Korridore zu investieren. Investitionen, die sich im Übrigen auszahlen, besonders in einem Exportland wie Deutschland." Dies ist ein Auszug aus meiner Rede aus dem Jahr 2011 zum europäischen Verkehrsnetz, dem TEN, und dem EU-Weißbuch für Verkehr. Nach weiteren zwei Jahren schwarz-gelber Bundesregierung fordert nun die schwarz-gelbe Koalition die eigene Bundesregierung auf, diese grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen zu stärken. Da bleibt lediglich die Frage: Warum haben Sie das in dieser - Ihrer - Regierungszeit nicht getan? Ein einheitlicher europäischer Verkehrssektor ist für die Wirtschaft und die Wettbewerbsfähigkeit der EU von enormer Bedeutung. Deutschland ist ein Transitland, und funktionstüchtige Verkehrsverbindungen sind für uns als Exportnation und den Wirtschaftsstandort Deutschland von hoher Bedeutung. Die zehn länderübergreifenden Korridore des Kernnetzes und insbesondere, dass sechs dieser Korridore durch Deutschland führen, ist eine Erkenntnis, die mit diesem Antrag endlich auch die Koalitionsfraktionen erreicht hat. Ich bin sehr froh darüber, denn die SPD-Bundestagsfraktion hat dies bereits mit stichhaltigen Konzepten auf der Grundlage vielfältiger Fachgespräche untermauert. Mit klaren Priorisierungen, Engpass- und Staustellenbeseitigung hätte man bereits in den vergangenen vier Jahren die wichtigsten Verkehrsachsen durch Deutschland ausbauen und stabilisieren können. Unsere europäischen Nachbarn weisen nicht umsonst auf die mangelnden bis fehlenden Anbindungen der Hafenhinterlandverkehre, wie die Betuwe-Linie, und die vereinbarten Zulauf-strecken, beispielsweise für den Brenner-Basistunnel hin. Deutschland hinkt hinterher. Zusagen an die europäischen Nachbarländer werden verschleppt. Die bereits jetzt starke Belastung der Bundesfernverkehrsstraßen durch den Güterverkehr - auch Transitverkehr - wirft inzwischen neue Probleme auf. Marode Brücken, Verschleiß der Infrastruktur viel früher als prognostiziert, erfordern jetzt klar Mehrinvestitionen in den Erhalt -unserer Verkehrsinfrastruktur. Mangelnde Prioritäten-setzung im Verkehrsnetz, fehlende verkehrsträgerübergreifende Konzepte für die Bewältigung und umweltfreundliche Ausgestaltung der Verkehre der Zukunft, dies ist ein schlechtes Zeugnis für den Verkehrsminister. Bis zum Schluss haben die schwarz-gelbe Regierung und der Verkehrsminister nicht dazugelernt. Für den neuen, kommenden Bundesverkehrswegeplan werden zuerst die Projektanmeldungen aus den Ländern eingefordert und wird erst nachträglich ein Konzept erarbeitet. Die Folge: Für den Bundesverkehrswegeplan ab 2016 sind bereits jetzt mehr Projektanmeldungen erfolgt als jemals zuvor. Die Länder stecken in der Klemme, können nicht zielgerichtet entscheiden, da es keine Konzeptvorgabe gibt. Die Finanzierung wird jedoch zumindest durch Schwarz-Gelb nicht wirklich verbessert. Bereinigt um die Baupreisentwicklung ist der Haushalt 2013 real der niedrigste seit vielen Jahren. Sie leben von der Substanz. Somit ist mit Ihnen ein Verkehrschaos bereits jetzt Realität, und das zulasten der Industrie, des Mittelstandes, der Arbeitsplätze und derjenigen, die mobil sein müssen. Sabine Leidig (DIE LINKE): In Sachen Ausbau des Schienenverkehrs hat diese Regierung vier Jahre lang durch absolute Untätigkeit geglänzt, und nun kommen Sie in der allerletzten Sitzungswoche mit einem Schaufensterantrag ums Eck, der noch nicht mal mehr im Ausschuss beraten werden kann. Das ist schade; denn das Thema ist zu wichtig, um es hier auf den letzten Metern nebenbei zu behandeln. Ihr Antrag wird wirkungslos bleiben. Das liegt nicht nur am Ende der Legislaturperiode, sondern schlicht und ergreifend daran, dass die Koalition in diesem Antrag nichts fordert, was die Regierung tatsächlich zum sinnvollen Handeln nötigen würde. In den vier Forderungen des Antrages benutzen Sie vielsagende Formulierungen wie "soll ... gewahrt werden", "sollten nach Möglichkeit ... beschleunigt werden" und es sei "darauf hinzuwirken". Immerhin wird zu guter Letzt ein Bericht gefordert, der den Stand der internationalen Projekte bis Ende 2013 darstellen soll. Dieser Bericht könnte das einzige konkrete Ergebnis dieses Antrages sein. Wir sind gespannt. So ein Sachstandsbericht wäre durchaus sinnvoll und eine gute Grundlage für die Diskussion über den Fortgang dieser Projekte und den Bedarfsplan Schiene, dessen Behandlung die Koalition gestern im Ausschuss im Übrigen abgesetzt hat - so viel zur Ernsthaftigkeit Ihres Anliegens. Damit ist eigentlich auch schon genug gesagt. Ich möchte aber noch drei Anmerkungen machen: Erstens. Nicht alles, was an grenzüberschreitender Schieneninfrastruktur geplant ist, ist auch sinnvoll. Gerade die europäischen TEN-Projekte sind vor allem am Wirtschaftsinteresse ausgerichtet und nicht an Zielen der nachhaltigen Entwicklung. Ihre eigenen Formulierungen zeigen ganz unterschiedliche Ausrichtungen: Die "Umsetzung der im BVWP 2003 als internationale Projekte benannten Vorhaben zur Verbesserung von grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehren zu forcieren" oder "gute Erreichbarkeit strukturschwächerer Regionen in Deutschland" sind etwas ganz anderes als "durch Einbindung der deutschen Wirtschaftsräume in ein leistungsfähiges transeuropäisches Verkehrsnetz die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken". Für uns steht die Mobilität der Menschen vor allem in den Regionen im Vordergrund, und wir wollen den Transportwahnsinn verringern und nötige Gütertransporte auf Schiff und Schiene verlagern. Das muss auch im Nahraum geschehen. Zweitens. Das Thema Rheintalbahn ist und bleibt ein Trauerspiel. Die Baufortschritte sind schneckenförmig, die berechtigten Forderungen der lärmgeplagten Anwohner hätten längst umgesetzt werden müssen, und die Bahn ist weit davon entfernt, das Projekt wie vereinbart zu realisieren, was alle wissen. Dazu schreiben Sie nichts. Drittens. Nur ein Beispiel für Ihre Unaufrichtigkeit: Bei den Zugverbindungen zwischen Deutschland und Polen liegt in der Tat vieles im Argen. Dazu gab es kürzlich einen ziemlich guten und konkreten Antrag der Grünen auf Drucksache 17/9947. Den hätten Sie doch unterstützen können. Wir haben das jedenfalls getan. Natürlich haben wir nichts gegen einen verstärkten Ausbau grenzüberschreitender Schienenverkehrsachsen. Deswegen werden wir den Antrag auch nicht ablehnen. Wir können ihm aber auch nicht zustimmen, sondern werden uns deswegen enthalten. Die Linke will deutlich mehr Mittel für den Ausbau der Schiene als echte Alternative zum motorisierten Verkehr auf der Straße und als die wirklich sinnvolle Weiterentwicklung der Elektromobilität - in der Fläche und europaweit. Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist erstaunlich, mit welchen Anträgen die Koalition in letzter Minute noch um die Ecke kommt. Ohne Debatte in den Ausschüssen und mit sofortiger Abstimmung soll der Bundestag über die wichtigsten europäischen Schienenprojekte abstimmen. Das ist leider keine seriöse parlamentarische Arbeit. Wir werden die gesamte nächste Wahlperiode Zeit haben, um uns intensiv mit der Zukunft unserer Verkehrsinfrastruktur zu befassen. Der alte Bundesverkehrswegeplan läuft aus. In der nächsten Wahlperiode werden die Weichen für die nächsten 15 Jahre gestellt. Das müssen wir vernünftig und im breiten Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern machen und nicht jetzt im Hauruckverfahren kurz vor Toresschluss. Erst gestern hat die Deutsche Bahn dem Verkehrsausschuss die Auskunft über ihre Anmeldungen für einen nächsten Bundesverkehrswegeplan verweigert. Die Projekte sollen erst Ende September benannt werden. Gleichzeitig ist das Verkehrsministerium noch mit der grundsätzlichen Methodik zur Projektbewertung beschäftigt. Aus all diesen Gründen bleibt der Sinn dieses Antrages unklar. Es ist dazu fragwürdig, wie dieser Antrag zur bisherigen Position der Noch-Koalition zu den Transeuropäischen Netzen, TEN, passen soll. Im Januar 2012 haben wir hier über TEN diskutiert. Von dieser Debatte ist vor allem eines hängen geblieben: Ihre große Skepsis gegenüber der EU. Gegen alle Fraktionen haben wir Grünen damals als einzige die EU-Vorschläge unterstützt. Sie wollen die europäischen Mittel, aber die EU soll sich bitte schön ansonsten aus allem heraushalten. So wird es leider nicht funktionieren. Denn wenn diese europaweit bedeutenden Verkehrswege durchgängig geplant und realisiert werden sollen, müssen die Kompetenzen dafür auch auf europäischer Ebene gebündelt werden. Wenn sich jeder Mitgliedstaat weitreichende Einflüsse bewahren will, ist das Ergebnis absehbar: Dann werden die Projekte mit sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten realisiert und wird die Fertigstellung verzögert. Dazu besteht die Gefahr, dass Regionalinteressen einen übermäßigen Einfluss bekommen und jeder versucht, seinen eigenen Anschluss zu bekommen. Solche Gedanken finden sich auch in dem Antrag. Mit den Transeuropäischen Netzen sollen auch strukturschwache Randgebiete entwickelt werden. Das ist grundsätzlich richtig; nur sollte man hierunter nicht verstehen, dass die Randgebiete, durch welche die Strecken führen, auch überall einen eigenen Anschluss bekommen. Diese Klarstellung vermeiden Sie jedoch und suggerieren, dass jeder seinen Anschluss ans überregionale Netz bekommt. Hierfür brauchen wir vor allem einen klugen Taktverkehr, bei dem kleine und mittlere Zentren mit kurzen Umsteigezeiten optimal an das überregionale Verkehrsnetz angebunden sind. Wir freuen uns, dass der Antrag einheitliche technische Spezifikationen und einheitliche europäische Regeln im Schienenverkehrsmarkt fordert. Auch hier passt die Forderung jedoch nicht so recht zur sonstigen EU-skeptischen Politik der Koalition. Solche europaweit einheitlichen Regeln sind dringend erforderlich. Aber dann brauchen wir auch eine starke europäische Institution, die Standards setzt und kontrolliert. Hier weichen Sie aber immer dann zurück, wenn es konkret wird, wie zum Beispiel bei der Frage nach mehr klaren Kompetenzen für die Europäische Eisenbahnagentur, ERA, bei der Zulassung von Fahrzeugen. Insgesamt verfolgt der Antrag einen Ansatz, den wir im Grunde teilen. Aber er passt nicht so recht zur übrigen Politik der Koalition und bleibt bei wichtigen Fragen uneindeutig. Jan Mücke, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Deutschland liegt im Herzen Europas. Daher sind die grenzüberschreitenden Verkehrsachsen gerade hier außerordentlich wichtig. Um die Wirtschaftsregionen erfolgreich weiterzuentwickeln, mussten wir das marode Netz im Osten sanieren und sind damit auch schon sehr weit gekommen. Gerade beim Straßennetz ist dies schon jetzt sehr gut gelungen. Um die Wirtschaftsräume Osteuropas besser zu erschließen, müssen wir aber nicht nur die Straßenverbindungen weiter ausbauen, auch die Schienenverkehrsachsen müssen gestärkt werden. Hier gibt es gerade im Osten und im grenzüberschreitenden Schienenverkehr noch Nachholbedarf. Bei Standortentscheidungen von Unternehmen spielen sowohl die Qualität der infrastrukturellen Einrichtungen als auch die bestehenden Verbindungsangebote eine wichtige Rolle. Deutschland hat durch seine zentrale Lage und die gute infrastrukturelle Anbindung bereits Vorteile und sollte diese auch nutzen und weiter ausbauen, gerade im Zuge der EU-Osterweiterung. Insbesondere strukturschwache geografische Regionen Deutschlands profitieren durch die Anbindung an Wirtschaftszentren und ein überregionales Verkehrsnetz. Darunter fallen viele Randgebiete Deutschlands. Eine entscheidende Rolle spielen dabei grenzüberschreitende Verkehrsanbindungen für den Güter- und Personenverkehr. Regionale Potenziale können dadurch besser genutzt, und die Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Binnenmarkt kann gestärkt werden. Uns Liberalen ist die große Bedeutung der Weiterentwicklung von grenzüberschreitenden Schienenachsen ein wichtiges Anliegen. Als einzige namentliche Schienenverbindung haben wir auf Drängen der Liberalen bereits im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP für diese Legislaturperiode die Schienenverbindung von der Ostsee über Berlin nach Südeuropa aufgenommen. Daran sehen Sie, wie wichtig uns der Ausbau dieser Verbindung ist. Deutschland traf bereits verschiedene Absprachen zum Ausbau internationaler Schienenkorridore und bilateraler Infrastrukturprojekte, auch zum Ausbau grenzüberschreitender Schienenverkehrsachsen. Diese werden im Rahmen des einheitlichen europäischen Verkehrsnetzes TEN-V von 2011 sowie des Bundesverkehrswegeplans von 2003 benannt. Hier muss noch mehr getan werden. Die Umsetzung dieser Projekte muss weiter vorangetrieben werden. Daher fordern wir, dass der Ausbau von grenzüberschreitenden Schienenverkehrsachsen im Rahmen des trans-europäischen Verkehrsnetzes bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans 2013 klar favorisiert wird. Die deutschen Wirtschaftsräume sollen in ein leistungsfähiges transeuropäisches Verkehrsnetz eingebaut werden. Das stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands nachhaltig. Die Umsetzung der im Bundesverkehrswegeplan 2003 benannten internationalen Projekte im Bereich Güter- und Personenverkehr soll beschleunigt werden. Hier beziehen wir uns insbesondere auf bereits angelaufene Projekte. Im Rahmen der Liberalisierung des europäischen Schienenverkehrsmarktes ist es notwendig, zeitnah eine einheitliche technische Spezifikation und europäische Regeln festzulegen und umzusetzen. Das bezieht sich natürlich auch auf bilaterale Abkommen. Dafür wollen wir bis Ende 2013 einen Bericht zu den einzelnen grenzüberschreitenden Schienenverbindungen vorlegen. Dieser sollte nach Möglichkeit die weitere Umsetzung, einschließlich eines planerischen und baurechtlichen Zeitplans enthalten. Zudem müsste er eine Aufstellung der dabei anfallenden Kosten auflisten. Um den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig zu stärken und weiterzuentwickeln, ist ein gut ausgebautes Schienennetz unabdingbar. Dazu gehört sowohl die Einbindung entlegener strukturschwacher Regionen, als auch die effiziente Vernetzung an Grenzgebieten. Somit stellen wir die Weichen für eine bessere überregionale Zusammenarbeit und stärken gleichzeitig den Wettbewerbsstandort Deutschland. Anlage 34 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Die Elbregion mit -einem zukunftsweisenden Gesamtkonzept -ökologisch und ökonomisch weiterentwickeln -(Zusatztagesordnungspunkt 16) Jürgen Klimke (CDU/CSU): Ich freue mich, dass wir heute kurz vor Beginn der sitzungsfreien Zeit Gelegenheit finden, im Deutschen Bundestag über das Thema Elbe zu sprechen. Die Elbe ist nicht nur einer von Deutschlands längsten und wichtigsten Flüssen, sie ist auch einer der schönsten. Naturnah und unverbaut fließt sie, aus Tschechien kommend, vom spektakulären Elbsandsteingebirge vorbei am reizvollen Dresdener Elbtal, an den Meißener Weinbergen, am Weltkulturerbe Wörlitzer Gartenreich durch die intakte Natur der früheren innerdeutschen Grenze bis in meine Heimatstadt Hamburg, wo der wichtigste deutsche Hafen liegt. Von Hamburg aus sind es aber immer noch mehr als 100 Kilometer, bis die Elbe in die Nordsee fließt. Die Schönheit bringt es mit sich, dass die Elbe auch bei Touristen beliebt ist, ganz besonders bei Fahrradtouristen. Der Elbe-Radweg ist seit vielen Jahren Deutschlands beliebtester Fernradweg. Wer ihn einmal befahren hat, weiß, dass die Elbe mit ihren weiten Landschaften etwas Besonderes in Deutschland ist, etwas Bewahrenswertes, und um das Bewahren dieser Schöpfung, in diesem Zusammenhang darf man das ja einmal sagen, geht es auch in unserem Antrag. Ich leite seit mittlerweile sieben Jahren die Arbeitsgemeinschaft Elbe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, einen Zusammenschluss der CDU-Abgeordneten der Elbregion, der aber oft Themen auch interfraktionell angeht. Unser Ziel ist es, das Zusammenwachsen der Elbregion zu fördern und verschiedene Fragen in Bezug auf Umwelt, Wirtschaft, Verkehr, Tourismus der Elbregion im Bundestag oder vor Ort zu diskutieren, aber auch, bundespolitische Anliegen zur Elbe umzusetzen. Sich mit der Elbe politisch zu beschäftigen bedeutet auch, sich mit berechtigten kontroversen Meinungen auseinanderzusetzen. Da stehen Umweltschützer, Kirchenvertreter und weite Teile der Öffentlichkeit und wollen den Fluss in seiner Einzigartigkeit bewahren. Teilweise wird dabei das Ideal eines Flusses gesehen, in das der Mensch nicht mehr eingreift. Auf der anderen Seite stehen Hafenbetreiber, Unternehmer und Binnenschiffer und wünschen sich mehr Schiffsverkehr auf der Elbe. Sie fordern Unterhaltungsmaßnahmen oder sogar Ausbaumaßnahmen, sonst drohen Verkehrsverlagerungen auf den Lkw, der Wegzug von Industrie, der Verlust von Arbeitsplätzen. Kernpunkt der Debatte sind dabei die sogenannten Reststrecken. Das sind jene Bereiche der Elbe in der Region Dömitz/Hitzacker sowie bei Coswig, die vor dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr mit Buhnen auf das gleiche Niveau der restlichen Elbe gebracht worden sind. In der Folge ist der Fluss hier breiter, fließt langsamer, es kommt zu Ablagerungen. Besonders massiv ist das Problem an der Reststrecke Hitzacker. Durch die Situation an den Reststrecken ist die effiziente Befahrbarkeit der Elbe für Binnenschiffe nicht ausreichend planbar. In der Folge gehen Verkehre eher auf die Schiene und die Straße. Um dieser mangelnden Verlässlichkeit abzuhelfen, wird an den Reststrecken gebaggert, was rechtlich eine Unterhaltung ist, der Gewässerökologie aber massiv schadet. Die Verlängerung der Buhnen auf das Niveau des übrigen Flusslaufs wäre rechtlich ein Ausbau und muss entsprechend mit Planfeststellungsbeschluss durch-geführt werden. Dagegen gibt es jedoch erheblichen Widerstand. Jeder, der sich in den vergangenen Jahren näher mit der Elbe beschäftigt hat, kennt die schwierige Gemengelage und die manchmal fast ideologisch geführten Diskussionen. Die Politik ist dabei gelegentlich mehr der Stimme der Öffentlichkeit als einer rationalen Abwägung von Alternativen gefolgt. Nur so ist es zu erklären, dass die rot-grüne Bundesregierung nach dem vorletzten großen Elbe-Hochwasser im Jahr 2002 sogar die Unterhaltungsmaßnahmen an der Elbe gestoppt hat, obwohl eine Sanierung der Reststrecken keine Auswirkungen auf das Hochwasser gehabt hätte. Erst in der Zeit der Großen Koalition wurden diese Unterhaltungsmaßnahmen wieder aufgenommen. Unter der jetzigen Union-FDP-Regierung wurden diese Maßnahmen forciert. Parallel haben Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium mit der Erarbeitung eines Gesamtkonzeptes Elbe begonnen, dessen Eckpunkte in diesem Jahr auf einer großen Konferenz in Magdeburg vorgestellt wurden. Im Vorfeld fanden Gespräche mit Umweltverbänden und Kirchen, mit Wirtschaftsverbänden und vor allem mit den Bundesländern statt. Diese Eckpunkte bedürfen noch der Ausgestaltung und der Unterlegung durch Projekte. Leider gibt es darin zum Thema "Baumaßnahmen an der Elbe" eine abweichende Meinung: Während alle Länder die Auffassung der Bundesregierung teilen, dass ein Ausbau allein zur verkehrlichen Verbesserung an der Elbe nicht stattfinden soll, lehnt die rot-grüne niedersächsische Landesregierung jegliche Ausbaumaßnahmen an der Elbe ab und behindert damit jeglichen ökologisch vernünftigen Ausbau. Bei der Erstellung des Elbe-Gesamtkonzeptes hat sich gezeigt, dass es an der Elbe, wie erwartet, unterschied-liche Interessen gibt, dass aber auch die Möglichkeit besteht, einen Konsens zu erzielen. Die unterschiedlichen Interessen betreffen zum Beispiel das aktuelle Thema Hochwasserschutz. Wir alle haben sehen müssen, dass das vermeintliche Jahrhunderthochwasser an der Elbe nach zehn Jahren teilweise noch übertroffen wurde. Jetzt geht es darum, dass den Menschen geholfen wird. Dazu hat die Bundesregierung alles Menschenmögliche in die Wege geleitet. Danach muss es darum gehen, den Hochwasserschutz noch weiter zu optimieren. Hochwasserschutz ist allerdings Ländersache, der Bund kann hier nur eine Koordinierungsfunktion wahrnehmen. Vor diesem Hintergrund fordern wir in unserem Antrag von der Bundesregierung, dass sie sich bei der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts Elbe für länderübergreifend einheit-liche Maßstäbe im Bereich Hochwasserschutz einsetzt. Konsens besteht mittlerweile auch mit den allermeisten Vertretern der Umweltverbände und der Kirchen, dass wir die Elbe nicht sich selbst überlassen dürfen, ja, dass sogar Ausbaumaßnahmen nötig sind. Grund dafür ist die Erkenntnis, dass wir für die ökologische Zukunft der Elbe dringend ein Sohlestabilisierungskonzept benötigen. Die Elbe hat sich inzwischen so weit in ihr Bett eingetieft, dass ein kritisches Absinken des Grundwasserspiegels droht. Damit drohen Altarme und Auwälder trockenzufallen. Gefährdet ist auch das UNESCO-Welterbe Wörlitzer Gartenreich. Diesen Aspekt haben wir in unseren Antrag aufgenommen, indem wir die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens für das geplante Pilotprojekt des Elbeabschnitts bei Klöden von der Bundesregierung fordern. Gleichzeitig fordern wir auch weitere Ausbaumaßnahmen, soweit diese erforderlich sind und sie einen ökologischen Mehrwert bringen; auch hier soll ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Diese Forderung bezieht sich vor allem auf die Reststrecken Dömitz/Hitzacker und Coswig. Wir ermöglichen der Bundesregierung mit unserem Antrag, diese Flaschenhälse endlich anzugehen und nachhaltig zu sanieren. Vernünftige Argumente gegen die Sanierung der Reststrecken sind mir in den letzten sieben Jahren meines Vorsitzes der Arbeitsgemeinschaft Elbe noch nicht untergekommen. Lassen Sie mich am Schluss meiner Rede auf die eventuellen Bedenken eingehen: Der Begriff Ausbau trifft das Problem eigentlich gar nicht. Es geht vielmehr darum, an den Reststrecken die Buhnen und Deckwerke in gleichem Abstand, gleicher Länge und Bauart zu errichten, wie es am übrigen Flusslauf bereits geschehen ist. Deshalb wäre Sanierung der bessere Begriff. Wie soll es unökologisch sein, die Sanierung, die an 95 Prozent des Flusslaufs bereits durchgeführt wurde, auch an den letzten 5 Prozent durchzuführen? Ohne einen Planfeststellungsbeschluss darf unterhalten werden. Das bedeutet im Klartext, dass massiv gebaggert wird. Baggern schadet der Flussökologie. Mit einer Sanierung der Reststrecken werden 90 Prozent der Baggerarbeiten zukünftig überflüssig; das nützt der Umwelt und führt dazu, dass sich eine Sanierung auch ökonomisch nach kurzer Zeit rentiert. Nur die Reststreckensanierung bietet die Planungssicherheit, die die Binnenschifffahrt benötigt, um effizient auf der Elbe zu fahren, um Ladung aus Asien über Hamburg in größerem Umfang auf der Elbe weiterzutransportieren. Davon profitiert der Hamburger Hafen, davon profitieren die Häfen an der Elbe, aber eben auch die Wirtschaft, die sich verstärkt in Hafennähe ansiedelt. Der größte Profiteur sind aber die Menschen, die an den bereits jetzt vielbefahrenen Lkw-Strecken im Hamburger Hinterland wohnen und die von einer Verkehrsverlagerung auf das Binnenschiff am spürbarsten profitieren. Um auf den Anfang meiner Rede zurückzukommen: Die Elbe ist etwas Besonderes. Sie wird auch in Zukunft frei fließen und weitgehend unverbaut. Sie wird die Menschen in ihren Bann ziehen. Wir wollen mit unserem Antrag die ökologische Dimension der Elbpolitik weiter stärken, ohne die Bedeutung, die die Elbe als Bundeswasserstraße hat, zu mindern. Das ist uns mit unserem Antrag gut gelungen. Arnold Vaatz (CDU/CSU): Die Elbregion ökologisch und wirtschaftlich weiterzuentwickeln, ist gerade vor dem Hintergrund des aktuellen, verheerenden Hochwassers an der Elbe von besonderer Bedeutung. Wir begrüßen daher umso mehr, dass unter der Federführung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, BMVBS, sowie des Bundesministeriums für Umwelt und Reaktorsicherheit, BMU, ein Gesamtkonzept für die Elbe erarbeitet wird. Entscheidend dabei ist, dies in breitem Konsens ge-meinsam mit den betroffenen Bundesländern und unter frühzeitiger Einbeziehung der Kirchen, der Umwelt-verbände, der Wirtschaftsverbände, den Industrie- und Handelskammern sowie Interessengruppen der Bürgerinnen und Bürgern zu tun. Bisher wurde bei der Diskussion um den Schiffsverkehr auf der Elbe häufig ein Gegensatz zwischen umweltpolitischen Interessen auf der einen Seite und wirtschaftlichen Forderungen auf der anderen Seite thematisiert. Das Gesamtkonzept Elbe kann diese vermeintlichen Gegensätze durch einen fairen, ökologisch und ökonomisch sinnvollen Interessenausgleich aufheben. Die unterschiedlichen Nutzungsansprüche an die Elbe fließen in das Gesamtkonzept gleichberechtigt ein. Mit dem vorliegenden Antrag haben wir zudem die Bundesregierung aufgefordert, gemeinsam mit den Bundesländern länderübergreifend einheitliche Maßstäbe für den Hochwasserschutz in das Gesamtkonzept Elbe einzubinden. In diesem Zusammenhang möchte ich auch die wichtige Kooperation mit unseren tschechischen Partnern hervorheben. Denn ohne die Hilfe Tschechiens durch dessen Staustufen und Überschwemmungsflächen hätte das Hochwasser insbesondere für Sachsen noch verheerendere Folgen gehabt. Mit dem Gesamtkonzept Elbe von BMVBS und BMU sollen alle erforderlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung einer umweltverträglichen schifffahrtlichen Nutzung ermöglicht werden. Hierauf möchte ich aus verkehrlicher Sicht besonders eingehen. Wirtschaftlich ist die Anbindung über die Bundeswasserstraße Elbe einschließlich des Elbe-Seitenkanals ein Standortvorteil für die Elbanrainer. Seit der Wiedervereinigung sind erhebliche Mittel in die Modernisierung der Binnenhäfen an der Elbe investiert worden. In der Umgebung der Häfen haben sich Unternehmen angesiedelt, die die Wasseranbindung als Standortvorteil, insbesondere für den Güterverkehr von und zum Hamburger Hafen, nutzen. Für den Hamburger Hafen als wichtigsten deutschen Seehafen ist die Mittel- und Oberelbe eine Option als Transportweg für den Hinterlandverkehr auf Binnenschiffen. Für die Elbestrecke Magdeburg-Hamburg steht mit dem Elbe-Seitenkanal ein paralleler Schifffahrtsweg zur Verfügung, der vor allem für Massengutverkehre und für zweilagigen Containerverkehr geeignet ist. Containerverkehre brauchen aber für ihre Wirtschaftlichkeit auch einen dreilagigen Transport, der wegen der Brückendurchfahrtshöhen auf den Kanälen nicht möglich ist. Vor dem Hintergrund der prognostizierten Wachstumsraten im Containerumschlag im Hamburger Hafen spielt der Hinterlandverkehr auf der Elbe eine zunehmend wichtige Rolle, da die Kapazitäten auf der Schiene annähernd ausgeschöpft sind. Schließlich ist die Binnenschifffahrt, wenn es entsprechende Verlademöglichkeiten gibt, nicht nur deutlich kostengünstiger als der Lkw und die Bahn, sondern auch der umweltfreundlichere Verkehrsträger. Für die Nutzung der Elbe als Bundeswasserstraße zwischen Dresden und Hamburg muss die Fahrrinnentiefe mindestens 1,60 Meter und die Fahrrinnenbreite 50 Meter betragen. Zurzeit kann dies noch nicht an mindestens 345 Tagen im Jahr gewährleistet werden. Zum einen liegt dies an den stark schwankenden und oft niedrigen Wasserständen der Elbe, die die im Containerverkehr üblichen Linienverkehre nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit sicherstellen können, und zum anderen liegt es an der ausbaubedürftigen Infrastruktur für den Binnenschiffsumschlag im Hamburger Hafen. Dies führt im Vergleich zum Seehafen Rotterdam zu verhältnismäßig hohen Umschlagskosten für die Binnenschifffahrt. Weil keine Prognose der Fahrrinnentiefen -einige Wochen im Voraus möglich ist, wird bei der Planung von Logistikketten die Bundeswasserstraße Elbe nur eingeschränkt berücksichtigt. Die Schwachstellen bei den Fahrrinnentiefen an einigen kritischen Elbabschnitten bei Niedrigwasser sind demnach maßgebend dafür, dass eine wirtschaftliche Schiffbarkeit der Elbe oft nicht gegeben ist. Zwei längere Problemstrecken an der Elbe sind ausschlaggebend, um zu einer Verbesserung der Situation mit gleichermaßen ökologischem und verkehrlichem Mehrwert zu kommen: die Erosionsstrecke zwischen Mühlberg und der Saalemündung und die sogenannten Reststrecken zwischen Dömitz und Hitzacker. Weitreichende ökologische Folgen hat die Sohlen-erosion im Streckenabschnitt bei Klöden. Dort hat sie in den letzten 100 Jahren zu einer großen Eintiefung der Elbe geführt, wodurch den Hartholzlaubwäldern in den Elbauen das Schicksal droht, trockenzufallen. An den Reststrecken sind bei früheren Ausbaumaßnahmen die Buhnen in der Elbe entweder kriegsbedingt nicht erbaut oder nicht erneuert worden, sodass dort die Fließgeschwindigkeit geringer wird und die Fahrrinne versandet. Derzeit werden die Fahrrinnentiefen durch ständige Baggerungen gewährleistet, was mit hohen Kosten für die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung und nachteiligen Folgen für die Umwelt verbunden ist. Obwohl die Sanierung der Reststrecken Dömitz/Hitzacker und im Bereich Wittenberg bis Torgau bereits im Bundesverkehrswegeplan 1992 vorgesehen war, wurden die Arbeiten nach dem Hochwasser 2002 durch eine politische Entscheidung der damaligen Bundesregierung eingestellt. Wir wollen deshalb insbesondere mit der Umsetzung eines Sohlenstabilisierungskonzeptes - für das wir mit unserer Initiative im Bereich Klöden ein Pilotprojekt und ein Planfeststellungsverfahren fordern - die Situation nachhaltig verbessern. Dadurch ist es möglich, das Eintiefen der Elbe zu stoppen und das Absinken des Grundwasserspiegels in den wertvollen Auenlandschaften zu verhindern. Eine weitere Maßnahme, mit der wir die Zukunft der Elbe als Bundeswasserstraße und Wirtschaftsstandort sichern wollen, betrifft die Sanierung der sogenannten Reststrecken. Die Umsetzung soll mit einem Planfeststellungsverfahren zu einer naturschutzverträglichen Anpassung dieser Strecken an das übrige Niveau des Flusslaufs erfolgen. Dadurch kann schädliches Baggern reduziert und die Verlässlichkeit für die Binnenschifffahrt gestärkt werden. Wir haben die Bundesregierung aufgefordert, alles dafür zu tun, um bis zum Sommer 2013 die Eckpunkte für das Gesamtkonzept Elbe im Konsens mit den Bundesländern und unter Beteiligung der Akteure und Inte-ressengruppen herzustellen. Auf dieser Basis soll bis Ende 2014 gemeinsam mit den Bundesländern ein Gesamtkonzept und Maßnahmenpaket für die Elbe erarbeitet werden. Dabei ist darauf hinzuwirken, dass alle geplanten Maßnahmen stets einen verkehrlichen und ökologischen Mehrwert haben. Die Bewahrung des Naturzustandes der Elbe und die wirtschaftliche Nutzung der Wasserwege sind keine Gegensätze. Sie müssen vielmehr durch kluge Politik miteinander verknüpft werden. Dies wollen wir unterstützen. Gustav Herzog (SPD): Am Abend werden die Faulen fleißig! - Viel mehr fällt mir zu diesem Vorgang fast nicht ein. Es ist schon ungeheuerlich, was Sie hier veranstalten. Vier Jahre hatten Sie Zeit, Ihre Position zur Elbe zu finden und dann parlamentarisch aufzuarbeiten. Stattdessen haben Sie die vier Jahre verstreichen lassen und wollen jetzt in einer Nacht-und-Nebel-Aktion einen Konflikt abräumen, der seit zehn Jahren entlang des Flusses schwelt. Die Scheitelwelle des historischen Hochwassers ist kaum abgeflossen, und noch während gebrochene Deiche notdürftig geflickt werden, kommen Sie mit einem Antrag zur Elbe! Einen günstigeren Augenblick hätten Sie sich nun wirklich nicht aussuchen können, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition. Ich beglückwünsche Sie zu diesem Weitblick und Ihrer Feinfühligkeit in dieser Situation. Gewiss, auch wir mussten unsere Konflikte im Umgang mit der Elbe austragen, haben aber unsere Position zur Elbe geschärft und sehen die Elbe sowohl als Naturraum als auch als Verkehrsachse, auf die wir kaum werden verzichten können. Dazu haben wir schon 2012 einen Fraktionsbeschluss herbeigeführt und im Vorfeld auf einer gut besuchten öffentliche Flusskonferenz in Magdeburg mit den Menschen vor Ort diskutiert. Warum haben Sie den Antrag auf die lange Bank geschoben? Warum bringen Sie ihn kurz vor Toresschluss als Zusatzpunkt zur sofortigen Abstimmung ein und verhindern dadurch eine parlamentarische Beratung? Weil Sie es still und heimlich durchschieben wollen. Ja keine Aufmerksamkeit und ja keine Öffentlichkeit bei unbequemen Themen, genau das ist Ihre Politik. Nicht mit uns, meine Damen und Herren. Mindestens das Hochwasser und seine Folgen müssen anständig ausgewertet und interpretiert werden. Dann müssen wir einen transparenten Dialog führen und für unseren Kompromiss zwischen den verschiedenen Interessen werben, bevor wir einen Beschluss des Bundestags herbeiführen. Dabei sind unsere Ziele gar nicht so weit auseinander, und ich finde es ausgesprochen schade, dass wir in einer so wichtigen und derart umstrittenen Frage nicht mit ausreichend Zeit beraten können. Mehr Einigkeit hier im Hause würde dem Thema besser zu Gesicht stehen und einem Beschluss dadurch auch mehr Aussagekraft geben. Doch das haben Sie nun wirklich vergeigt. Anders kann ich es nicht nennen. Die Elbe hat in der Tat Besseres verdient! Warum brauchen wir den Schutz des Naturraums Elbe? Weil Fauna und Flora zu Lande und im Wasser einzigartig sind und diese Habitate zum Überleben brauchen, wir Menschen Erholungsräume suchen und ein sanfter Tourismus den Prinzipien der Nachhaltigkeit entspricht. Warum brauchen wir die Elbe als Verkehrsweg? Weil Arbeitsplätze und Prosperität ganzer Wirtschaftsräume an der mittleren und oberen Elbe von Transporten auf dem Fluss abhängen, der Lkw für uns keine Alternative darstellt, die Bahn Engpässe hat und das Binnenschiff seine Stärken sowohl für den Massengut-, als auch Projektladungs- und Containertransport nutzen sollte. Wir wollen die Güter auf nachhaltige Verkehrsträger verlagern, und dafür brauchen wir die Elbe. Wir wollen die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen, doch wir wollen sie entlang ihrer Stärken optimieren, und daher brauchen wir nicht nur die Optionen, sondern auch die Knotenpunkte, um kombinierte Verkehre möglich zu machen. Der Hamburger Hafen stellt hier eine zentrale Schlüsselposition dar. Hier wird intensiv daran gearbeitet, dass das Binnenschiff die Rolle bekommt, die es verdient, und wir müssen dafür sorgen, dass die Güter dann auch abgefahren werden können. Wir müssen Scharnebeck ertüchtigen, den Elbe-Seitenkanal und die Elbe ihren Verhältnissen entsprechend verkehrsfähig machen. Ist das nun ein Widerspruch? Nein, denn wir glauben nicht, dass sich beides gegenseitig ausschließt. Vielmehr halten wir einen Konsens für möglich, der die wirtschaftliche Nutzung des Flusses als Verkehrsträger ermöglicht und die ökologische Funktionsfähigkeit verbessert. Niemand will einen Ausbau oder einen zweiten Rhein, wie man mir einmal unterstellt hat; aber wir brauchen die Elbe in einem Mindestzustand für verkehrliche Zwecke. Dieser darf weder unsere ökologischen Schutzziele für das Flusssystem noch den Hochwasserschutz der Länder konterkarieren. Wir wollen dem Fluss mehr Raum geben, damit er sich beim nächsten Hochwasser besser ausbreiten kann. Hier gibt es jedoch keine Interessenskollision mit der Binnenschifffahrt, ganz im Gegenteil. Wenn die Deiche zurückgelegt werden und der Fluss sich weiter entfalten kann, wird nicht nur das Hochwasser abgeschwächt, die Schiffe können dann auch länger fahren. Wir müssen uns genau anschauen, welche Maßnahmen welche Auswirkungen haben, und ein Verschlechterungsverbot ist durchaus eine ganz löbliche Sache. Wir wollen zudem ein Verbesserungsgebot. Grundsätzlich sollen Eingriffe zur Verbesserung der Schiffbarkeit mit einem ökologischen Mehrwert verbunden werden. Zugleich müssen wir den Fluss auch vor sich selbst schützen. Hochwasser dieser Art wirbeln das Gleichgewicht des Flusses gehörig durcheinander und verschlimmern Missstände, die anthropogene Ursprünge haben. Die Sohlabsenkung im Bereich der Erosionsstrecke wird sich durch die Last und die Geschwindigkeit des Hochwassers mutmaßlich beschleunigt haben. Umso wichtiger ist, dass wir Maßnahmen wie das Pilotprojekt bei Klöden auf die Ergebnisse der Hochwasserauswertung anpassen und dann schleunigst in Kraft setzen, bevor unser Weltkulturerbe darunter leidet, dass wir nichts tun. All das, meine Damen und Herren von der Koalition, setzt voraus, dass wir Menschen haben, die sich vor Ort darum kümmern. Mit Ihren Mehrheiten haben Sie in dieser Legislatur eine beispiellose Odyssee über die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung gebracht, die darin münden soll, dass unter anderem an der Elbe zwei von drei Ämtern und die Direktion Ost geschlossen werden. Wenn wir den von Ihnen beabsichtigten Personalabbau betreiben, dann frage ich Sie, wer beim nächsten Hochwasser bereitstehen soll? Laut Aussagen der Bundesregierung waren bei diesem Hochwasser 2000 Mitarbeiter der WSV im Dauereinsatz, zufälligerweise genau die Anzahl, die Sie abbauen wollen. Wer soll die Wehre bedienen, die Pumpwerke und Sperrtore? Wer hält die Pegelanlagen in Ordnung? Wer unterstützt Bundeswehr und Hilfsdienste von der Wasserseite aus, setzt die Schuten zur Sprengung auf Grund, um gebrochene Deiche zu schützen, und wer holt verkeilte Baumstämme, Glascontainer oder Gartenhäuser aus dem Wasser, damit Brücken und Anlegestellen nicht dem Druck des sich aufstauenden Wassers nachgeben müssen? Und wer kümmert sich um die Aufräumarbeiten in den Fahrrinnen und Uferzonen, wenn Sie hier alle Ämter abgebaut haben? Darauf geben Sie keine Antwort! Am 3. Juni war ich in Dresden und konnte mich persönlich davon überzeugen, welche Arbeit dort geleistet wurde. Neben den Einsätzen am Fluss musste das WSA geräumt und alles vor dem Hochwasser gesichert werden, weil alles von funktionierenden Meldeketten und soliden Informationen abhängt. Ich darf aus einer E-Mail zitieren, die mich einige Tage später von der Elbe erreichte: "... Am nächsten Tag gegen Mittag wurden wir von der Elbe geflutet und waren damit telefonisch und per Internet nicht mehr erreichbar. Es ist uns trotzdem gelungen, bei diesem Extremhochwasser unsere Aufgaben ordentlich zu erfüllen. Wir haben unsere Anlagen, Schiffe und Gebäude gesichert und vor größeren Schäden bewahrt. Vor allem haben wir aber dafür gesorgt, dass unsere wichtigen Pegelanlagen trotz Schäden an einzelnen Pegeln und der Datenübertragung durchgehend funktionierten. Unsere Kollegen haben vor Ort trotz widrigster Umstände (abenteuerlichste Zuwegungen und extreme Wasserstände vor Ort) die Anlagen betreut und repariert. Weiterhin konnten wir im Amtsbereich mit unserem Fachwissen die regionalen Einsatzkräfte mit Rat und Tat unterstützen, ob das nun die Deichverteidigung, die Information über Abfluss- und Wasserstandsentwicklungen oder die Mitwirkung und Koordinierung von speziellen Einsätzen war. Dies lief alles unspektakulär und unauffällig ab und zeigt damit die hohe Professionalität aller Kolleginnen und Kollegen ..." Meine Damen und Herren der Koalition, liebe Kollegin Wilms, auch Sie von den Grünen haben diesem ganzen Unfug zugestimmt. Ich frage Sie: Wer soll all dies tun, wenn Sie diese "Reform" abgeschlossen haben, die diesen Namen nicht verdient? Fangen Sie dann an, von Bonn aus private Unternehmen zu dirigieren, denen Sie die Aufgaben übertragen haben? Das Unternehmen möchte ich sehen, das hierfür Verantwortung übernimmt und tatsächlich mit Sachverstand und vollem Einsatz vor Ort ist. Und die Kosten will ich sehen, die das verlangt, ohne dass es funktionieren würde. Oh nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn Sie uns eine ganze Legislatur mit diesem Unsinn auf Trab gehalten haben: Es hat mit einer falschen Motivation begonnen und ist über die Zeit nicht besser geworden. Daher werden wir in der kommenden Legislatur das Heft des Handelns in die Hand nehmen und die WSV in einem transparenten Verfahren und im Einklang mit den Mitarbeitern so aufstellen, dass sie sich handlungsfähig und zukunftsfest in der Fläche um unsere Wasserstraßen kümmern kann. Torsten Staffeldt (FDP): Dieser Tage erreichen mich viele Nachrichten und Briefe, in denen für die gute Zusammenarbeit in den letzten vier Jahren gedankt wird. Auch ich möchte mich an dieser Stelle bedanken: für manches offene Wort, für konstruktive Diskussionen, für Tröstendes und Menschliches und vor allem für all das, was wir in der christlich-liberalen Koalition im Bereich Schifffahrt - sei es die See- oder die Binnenschifffahrt - für die Bundesrepublik erreicht haben. Denn dies ist die ureigenste und wichtigste Pflicht des Abgeordneten: den Interessen unseres Landes und seiner Bürgerinnen und Bürger zu dienen. Das Urteil darüber, ob und wie ich meinen Teil dazu getan habe, überlasse ich gerne anderen. Ich stehe an diesem letzten Sitzungstag der Legislaturperiode in Demut vor diesem Hohen Hause - und zugleich mit einem zuversichtlichen Blick nach vorn. Der Politik und den Politikern wird nur allzu oft vorgeworfen, sie hätten wenig Substanz. Dass diese Vorwürfe unberechtigt sind, zeigt zum einen der detaillierte, zukunftsweisende Antrag für die Elbregion, den wir heute beraten. Zum anderen können wir mit Fug und Recht sagen: Die zurückliegenden vier Jahre waren vier gute Jahre. Für Deutschland. Für das Maritime Bündnis und die Schifffahrt. Für die Menschen in unserem Land. Denken Sie nur an den Nordostseekanal oder die Schleuse Brunsbüttel. So sollten wir es weiter angehen. Dass wir nur gemeinsam etwas erreichen können, -haben die verheerenden Überschwemmungen der letzten Wochen verdeutlicht. Als Bremer weiß ich: Wer die Kraft des Wassers unterschätzt, verliert. Oft sind es Eingriffe von Menschenhand, die zu solchen Katastrophen führen, wenn nicht - wie wir das in der christlich-liberalen Koalition tun - für die Instandhaltung der Wasserwege Sorge getragen wird. Gleichzeitig bewegt sich Schiffsverkehr immer auch im Spannungsverhältnis zwischen Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz. Um Eindeichungen kommt man nicht umhin, will man unsere Wasserstraßen wirtschaftlich leistungs- und wettbewerbsfähig erhalten. Für die Elbregion setzen wir uns mit Kirchen, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden, Industrie- und Handelskammern und Bürgergruppen ein für ein Gesamtkonzept, das den widerstreitenden Interessen im breiten Spektrum zwischen Ökologie und Ökonomie Rechnung trägt. Mit den Nebenflüssen Havel und Spree ist die Elbe der wichtigste Flusslauf im ostdeutschen Wasserstraßennetz, einer der bedeutendsten Flüsse Deutschlands, touristisch, kulturell, ökologisch und wirtschaftlich. Auf mehr als 400 Flusskilometern ist sie als ältestes deutsches UNESCO-Biosphärenreservat eine Modelllandschaft für nachhaltige Entwicklung. Für den Hamburger Hafen als wichtigstem deutschen Seehafen sind Mittel- und Oberelbe Transportwege für den Hinterlandverkehr auf Binnenschiffen. Derzeit werden gut ein Drittel der in Hamburg umgeschlagenen Güter in die Elbregion transportiert. Da die Kapazitäten auf der Schiene annähernd ausgeschöpft sind sowie vor dem Hintergrund der prognostizierten Wachstumsraten beim Containerumschlag im Hamburger Hafen werden Elbe und Elbe-Seitenkanal -zunehmend eine wichtige Rolle für Massengut- und Containerverkehre spielen müssen. Dass man für den Containerverkehr die Elbe und nicht Straße und Schiene nutzt, hat ökologische Vorteile: weniger Emissionen, weniger Lärm. Auch aus diesem Grund ist Binnenschifffahrt ein zentrales Thema beim Umweltschutz. Baggern oder Buhnen? Da kennt sich nicht jeder aus. Buhnen - das sind durchbrochene, dammartige Bauten. Fast jeder kennt die aufrecht aneinandergereihten -Holzstämme vom Strandspaziergang, die dem Küstenschutz dienen. In der Binnenschifffahrt sind sie ebenso hilfreich. Für jeden, der am Wasser lebt, ist klar: Dem Umweltschutz ist mehr gedient, wenn die Uferstreifen nicht -alljährlich ausgebaggert werden. Denn so zerstört man Biotope. Richtig ist, den Strom durch Buhnen zu lenken. So bleibt auch der Erhaltungsaufwand gering. Um die weitere Diskussion zu befördern und im Sommer 2013 Eckpunkte für das Gesamtkonzept vorlegen und dieses fertigstellen zu können, werden wir einen Beirat aller beteiligten Akteure unter Vorsitz eines unabhängigen Experten einsetzen. Vorbild ist der bereits existierende Runde Tisch. Wer jetzt noch an der Substanz der Arbeit der christlich-liberalen Koalition zweifelt, dem kann man wohl nicht mehr helfen. Mir bleibt noch eines zu sagen: Ich wünsche uns allen einen spannenden Wahlkampfsommer mit heißen Debatten, dazu hoffentlich eine nahegelegene Fluss- oder Meereslandschaft, an der sich rauchende Köpfe und erhitzte Gemüter gegebenenfalls Kühlung verschaffen können. Roland Claus (DIE LINKE): Die Fraktion Die Linke freut sich, dass die Regierungskoalition diesen Vorstoß unternimmt. Es liegt in diesem Antrag ja doch so etwas wie die Einsicht, dass dogmatisierter Föderalismus an den lebensweltlichen Zusammenhängen scheitern muss. Natürlich braucht es ein länderübergreifendes Gesamtkonzept für die Elbregion. Und es braucht dann auch Gremien, die dieses Gesamtkonzept umzusetzen in der Lage sind. Und diese, selbstverständlich, müssen international gestaltet sein, denn die Elbe beginnt ihren Lauf bekanntlich in Tschechien, und zur Elbregion gehören alle Nebenflüsse mit ihrem jeweiligen Einzugsgebiet, also auch - um nur die größten zu nennen - die Moldau, die Mulde, die Saale und die Havel. Leider erfasst der Antrag nicht diese Gesamtdimension, und das ist für uns einer der Gründe dafür, dass wir dem Antrag nicht zustimmen, sondern uns der Stimme enthalten. Ein weiterer Grund besteht darin, dass der Antrag einfach nicht aktuell ist. Zwar ist das Hochwasser von 2013 durchaus erwähnt. Aber an welcher Stelle? Ganz am Ende des Antrags. Hochwasserschutz taucht dort auf als ein Punkt unter vielen anderen. In seinen Kernpunkten behandelt der Antrag die Elbe so, wie sie im Mai 2013 existiert hat. Die Dramatik des Hochwassers der ersten Junihälfte 2013 bleibt ausgespart. Aber da gab es Pegelstände, wie sie noch nie gemessen worden sind, und mit dem Dammbruch bei Fischbeck in Sachsen-Anhalt ist eine Katastrophe geschehen, deren Folgen auch jetzt noch nicht vollständig überschaubar sind. Die Heftigkeit und die enorme Längenausdehnung des Flutscheitels auf 30 bis 40 Kilometer hatten ihre Ursache im Aufeinandertreffen der Flutscheitel von Elbe und Saale. Was für ein Ereignis braucht es denn noch, um deutlich zu machen, dass ein Konzept für die Elbregion selbstverständlich eines für die Saaleregion einschließen muss? Und wie dicht müssen denn die fälschlich "Jahrhunderthochwasser" genannten Ereignisse nach 2002, 2006, 2011 und 2013 noch aufeinanderfolgen, bis ins Bewusstsein dringt, dass Hochwasserschutz nicht als irgendein Teilproblem in einem Gesamtkonzept für eine Flussregion behandelt werden darf, sondern dass er den Kern des Ganzen zu bilden hat? Aber dann freilich nicht nur als eng geführtes Deichbau- oder Spundwanderrichtungsproblem, sondern als Grundfrage des Umgangs mit den Flüssen überhaupt. Es ist doch widersinnig, zuerst über diese und jene betriebswirtschaftlich mehr oder weniger effiziente Nutzung eines Flusses nachzudenken und erst danach die Frage nach dem Hochwasserschutz zu stellen, und zwar widersinnig auch unter ernsthaftem - sprich: volkswirtschaftlichem - ökonomischem Blickwinkel. Wie viel Gewinn müsste denn eine herkömmlich als effizient gepriesene Flussschifffahrt erwirtschaften, damit sie die vielen Milliarden, die bei einem "Weiter so!" im Flussmanagement künftig alle paar Jahre für die Überwindung der Überflutungsschäden erbracht werden müssen, auszugleichen vermag? Müssen solche Feststellungen über die Kostenvorteile der Binnenschifffahrt gegenüber Lkw und Bahn, wie sie im Antrag enthalten sind, nicht einer erneuten Prüfung unterzogen werden, und zwar unter Einrechnung der Milliarden, die uns der bisherige Umgang mit den Flüssen kostet? Und muss damit nicht immer auch wieder die Frage gestellt werden, wie viel von all diesem kontinuierlichen Wachstum des Transportvolumens, mit dem der Antrag ganz selbstverständlich arbeitet, tatsächlich notwendig ist? Ist es nicht hohe Zeit, auch unter diesem Aspekt der tatsächlichen Kosten nicht nur der Transporte selbst, sondern eben auch der Erhaltung und Pflege und Bewahrung der Transportwege neu über regionale Wirtschaftskreisläufe nachzudenken? Die Linke hat im März 2012 einen eigenen Antrag für ein umfassendes Elbkonzept vorgelegt (Drucksache 17/9160), in dem klar gesagt ist: "Die unterschiedlichen Nutzungsansprüche an die Elbe, ihre Nebenflüsse und ihr Einzugsgebiet wie Hochwasserschutz, Schifffahrt, Tourismus, Natur- und Umweltschutz, Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Energiegewinnung, Industrie und Siedlung müssen auf der Basis einer naturnahen Flussentwicklung berücksichtigt werden." Die naturnahe Flussentwicklung als Basis von allem, denn ein naturfernes Flussmanagement führt zur Zerstörung von allem. Die rot-rote Landesregierung in Brandenburg, in der die Linke unter anderem das Umweltministerium führt, hat beim Elbe-Hochwasser 2013 mit der Flutung der für genau diesen Fall vorgehaltenen Havelpolder ein Beispiel dafür geschaffen, was in den nächsten Jahren vor allem getan werden muss: Es müssen große Überflutungsflächen angelegt werden. Dies kann - wie bei den Havelpoldern - hinter dem Deich geschehen. Dann erfolgt die den Fluss entlastende Flutung mittels Schleusen. Oder es geschieht - auch dafür hat Brandenburg am "Bösen Ort" kurz vor Hitzacker ein Beispiel geschaffen - durch die Rückverlegung von Deichen. Damit so etwas Wirklichkeit werden kann, braucht es das Zusammenwirken aller Beteiligten. Bäuerinnen und Bauern, Anwohnerinnen und Anwohner, am Fluss angesiedelte Unternehmen, die Binnenschifffahrt, der Naturschutz, die Forstwirtschaft, sie alle müssen an einem Strang ziehen, und der Fluss macht an Ländergrenzen nicht halt und das Wasser nach einem Deichbruch auch nicht. Die Brandenburger Landesregierung fordert dieser Tage erneut eine nationale Hochwasserkonferenz. 2010 war ein ähnlicher Vorschlag von der Bundesregierung zurückgewiesen worden. Es ist jetzt höchste Zeit für eine solche Konferenz. Von ihr könnten dann auch entscheidende Impulse für ein tatsächlich in die Zukunft weisendes Gesamtkonzept für die Elbregion ausgehen. Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In buchstäblich letzter Minute legen uns CDU/CSU und FDP einen Antrag vor, der uns ein zukunftsweisendes Gesamtkonzept für die Elbregion in Aussicht stellt, eine ökologische und ökonomische Weiterentwicklung. -Dominiert wird dieser Antrag von den Aspekten des Güterverkehrs elbaufwärts von Hamburg und Überlegungen zur Schiffbarkeit der mittleren Elbe. Bei hohem Wasserstand gibt es Probleme für die Durchfahrt unter Brücken, bei niedrigem Wasserstand ist die Schiffbarkeit, vor allem mit Containern, nicht durchgängig möglich. Das müssen Sie doch wissen - seit mindestens zwanzig Jahren! Wie können Sie dann in Ihrem Antrag schreiben, dass - ich zitiere - "Schwachstellen bei den Fahrrinnentiefen an einigen kritischen Elb-abschnitten bei Niedrigwasser" dafür verantwortlich seien, dass es meist keine wirtschaftliche Schiffbarkeit der Elbe gebe? Die von Ihnen in Ihrem eigenen Antrag verwendeten Zahlen machen doch die Situation deutlich: Oberhalb von Geesthacht werden 75 Prozent von 1 Million Tonnen über den Elbe-Seitenkanal transportiert und 25 Prozent über die Elbe. Wozu denn weiter in die Wasserstraße Elbe investieren, wenn der Güterverkehr wegen Hochwassers, Niedrigwassers oder Eisgangs immer wieder unterbrochen werden muss und weder Verlässlichkeit noch Rentabilität herstellbar ist? Erneuern Sie das Schiffshebewerk Scharnebeck und ertüchtigen Sie den Elbe-Seitenkanal, dann sind Zielsetzungen entbehrlich, an der mittleren Elbe eine Fahrrinnentiefe von 1,60 Metern an durchschnittlich 345 Tagen im Jahr sicherstellen zu wollen. Das läuft doch auf regelmäßiges Ausbaggern zur Schwachstellenbeseitigung und auf teilweisen Ausbau hinaus. Sie wollen den Hochwasserschutz in ein Gesamtkonzept Elbe einbeziehen. Ich sage Ihnen, nicht der Hochwasserschutz muss in ein vermeintlich höherrangiges Gesamtkonzept Elbe mit einbezogen werden, sondern wir brauchen ein flussbezogenes Hochwasserschutzkonzept, an dem alle Anrainer-Bundesländer und wie bei der Elbe auch Oberlieger wie die Tschechische Republik beteiligt sind. Sie dokumentieren mit diesem Antrag, dass Sie noch nicht wirklich verstanden haben, welches die Ursachen für die verheerenden und folgenschweren Deichbrüche und Überflutungen in Sachsen-Anhalt waren. Mehr -Wasser fließt schneller elbabwärts - der Hochwasserscheitel war diesmal 40 Kilometer lang - und bricht dort über die Deiche, wo sie niedriger und nicht auf dem -Niveau von zum Beispiel Dresden sind. Gäbe es auch im oberen Bereich Polder und Überflutungsflächen, dann würde der Hochwasserscheitel abgesenkt und die Überflutungsgefahr für die Unterlieger würde gemindert. Es steht doch in völligem Widerspruch zu diesen Erkenntnissen, dass Sie eine durchgängige oder teilweise Vertiefung der mittleren Elbe ins Auge fassen, um die Bedingungen für den Containerverkehr zu verbessern. Sie sprechen in Ihrem Antrag in einem Atemzug von ökologischem und verkehrlichem Nutzen, den Sie erreichen wollen, aber Sie müssen doch auch erkennen, dass ökologischer Vorteil und stärkere verkehrliche Nutzung an der Elbe nicht immer vereinbar sind, sondern im -Widerspruch stehen, wenn man die Flusslandschaft Elbe als Naturjuwel erhalten will. Sie sprechen im Antrag viel von der Elbe als Transportweg und befassen sich mit der Wirtschaftlichkeit des Güterverkehrs. Aber der wirklich zukunftsfähige Wirtschaftsfaktor der Region ist die touristische Nutzung der Natur- und Kulturpotenziale im Elbe-Raum. Schon jetzt hat der Tourismus in der Region zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen, und noch immer gibt es ein großes Entwicklungspotenzial. Im Mittelpunkt der zukünftigen Entwicklung der Elbe-Region muss der Erhalt der einzigartigen Flusslandschaft mit all seinen positiven Funktionen für Natur und Mensch stehen. Das ist zukunftsfähig, und die Politik sollte sich in diesem Zusammenhang auf ein gemeinsames Vorgehen verständigen, um das Potenzial zu nutzen. Wir haben die Bestandteile dieses Konzepts in unserem Antrag 2011 vorgestellt. Sie haben abgelehnt. Ihren Antrag, dem man ansieht, dass er in der letzten Sitzungswoche Hals über Kopf zusammengezimmert worden ist, lehnen wir ab, und wir hoffen darauf, dass wir ab September eine bessere Elbe-Politik gestalten können. Anlage 35 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung gewährleisten (Zusatztagesordnungspunkt 17) Ingo Gädechens (CDU/CSU): Am 3. September 2008 unterschrieben der damalige Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, SPD, und seine dänische Amtskollegin -Carina Christensen den Vertrag zwischen der Bundes-republik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung. In diesem hat sich die Bundesregierung zum Ausbau der Hinterlandanbindung auf deutscher Seite verpflichtet. Dieser Vertrag und die darin festgehaltene Absicht, die Hinterlandanbindung für die Querung zu ertüchtigen, hat zu intensiven und auch emotional geführten Diskussionen bei den Bürgerinnen und Bürgern meines Wahlkreises gesorgt. Nun ist es wie bei jedem Verkehrsprojekt, dass mögliche Veränderungen bei den Menschen vor Ort zunächst für Skepsis, Ängste und Befürchtungen sorgen. Aber - und dies ist mir wichtig - eine Vielzahl von Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen. Vergangene Verkehrsprojekte haben uns deutlich gezeigt, dass es besser ist, frühzeitig auf diese zu reagieren. Das Projekt Feste Fehmarnbeltquerung ist nicht nur für Ostholstein und Nordstormarn, sondern für ganz Schleswig-Holstein, Deutschland und Europa wichtig. Der hier vorliegende Antrag nimmt klar dazu Stellung. Auf der anderen Seite stehen viele berechtigte Forderungen der Anwohner, die ebenfalls ernstgenommen werden müssen. Die Menschen in Ostholstein leben vom Tourismus. Der Ausbau im bestehenden Gleisbett und durch die Ostseebäder hätte gravierende Folgen für die Menschen und die bestehende Infrastruktur. Auch abseits der bekannten Bäderorte wirft das zu erwartende steigende Verkehrsaufkommen Risiken auf, die beim Bau der Hinterlandanbindung beachtet werden müssen. Vor diesem Hintergrund ist der Antrag zu verstehen, der ein starkes Signal aus der Mitte des Parlamentes senden wird: Wir werden die Bürgerinnen und Bürger aus Ostholstein mit ihren Sorgen nicht alleinlassen. In dem Antrag wird die Bundesregierung daher aufgefordert, eine sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung zu gewährleisten. Für die Akzeptanz der Fehmarnbeltquerung und der Schienenhinterlandanbindung ist es von zentraler Bedeutung, möglichst viele unterschiedliche Interessen bei der Planung zu berücksichtigen. Dazu gehört der berechtigte Wunsch nach Lärmschutz, aber auch die Anerkennung der großen Bedeutung der Tourismusregion Ostholstein. Eines der größten Defizite bei der Planung neuer Verkehrsprojekte liegt in der häufig mangelhaften und vielfach unverständlichen Kommunikation, in der sich Projektverantwortliche in Fachtermini flüchten, welche die Bürger nicht mehr verstehen. Insofern begrüße ich, dass der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn, Herr Dr. Rüdiger Grube, vor kurzem die Region besucht hat, um sich ein reales Bild vor Ort zu machen. Dabei waren einmal mehr der Dialog und das Erkennen der Problemlagen besonders wichtig in den Städten und Gemeinden. Er folgt damit dem guten Beispiel, das zwei Jahre zuvor schon Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer abgegeben hat, als er meinen Wahlkreis besuchte und sich für Gespräche mit Bürgermeistern und Bürgern viel Zeit nahm. An dieser Stelle möchte ich den Vertretern der Deutschen Bahn, des Bundesverkehrsministeriums wie auch der Landesplanungsbehörden für die in der Vergangenheit stets vorhandene Dialogbereitschaft danken. Auch in der Region wurden die Hausaufgaben gemacht. Es wurde viel unternommen, um berechtigte Sorgen aufzunehmen und an entsprechende Stellen weiterzuleiten. So hat der Kreis Ostholstein auf Antrag der CDU eine Betroffenheitsanalyse auf den Weg gebracht, um Gefahren, Wege und Perspektiven, die in diesem Verkehrsprojekt liegen, aufzuzeigen. Auch das noch von der CDU-geführten Landesregierung eingeleitete Raumordnungsverfahren zeigt deutlich: Der Wille, die Bürger an dem Projekt zu beteiligen und anzuhören, war von Anbeginn da. Beispielhaft für diese Kommunikation mit den Bürgern steht auch das ebenfalls von der CDU initiierte Dialogforum zur Festen Fehmarnbeltquerung. Wichtig ist, die Kritik und Betroffenheiten aus der Region auch in konkretes Handeln umzusetzen. Die -zuletzt gemachten Ankündigungen vom Chef der -Deutschen Bahn, die sogenannte 2+1-Trassenvariante nachträglich in das laufende Raumordnungsverfahren aufzunehmen, dürfen uns zuversichtlich stimmen - ebenso wie die bereits vergangenes Jahr getätigte Aussage des Bundesverkehrsministers, eine Lösung für die bereits überlastete Sundbrücke finden zu wollen. Unser Antrag setzt hier an und fordert die Bundesregierung auf, die bisherigen Bemühungen weiter fortzusetzen: Die Menschen in der Region brauchen eine akzeptable Trassenvariante, die sie vor unnötigen Belastungen schützt. Die Schienenhinterlandanbindung sollte daher den aktuellsten Lärmschutzanforderungen entsprechen, die sich nach Wegfall des Schienenbonus ergeben. Denkbar sind hier auch Modellprojekte der Deutschen Bahn zur Reduzierung von Schienenverkehrslärm, die auf dieser Strecke verstärkt zum Einsatz kommen könnten. Da die bestehende Sundbrücke bereits heute überlastet und aufgrund von Sturm und Starkwinden oftmals für Wohnwagengespanne und leere Lkws gesperrt ist, ist eine Erweiterung der bisherigen Kapazität dringend erforderlich. Da die Brücke seit 1999 unter Denkmalschutz steht, ist ein Aus- oder Umbau schwierig. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass eine aufgrund von widrigen Wetterverhältnissen häufig gesperrte Brücke keine Zukunftsoption ist. Daher ist es wichtig, zu prüfen, ob eine Tunnelvariante in Betracht gezogen werden könnte. Ich würde mir wünschen, dass die Feste Fehmarnbeltquerung und die dazugehörige Hinterlandanbindung in ein paar Jahren als ein Modell für ein gelungenes Verkehrsprojekt steht. Diese neue Verkehrsader wird allen nützen, wenn wir jetzt darangehen, Risiken zu minimieren und Chancen zu generieren. Daher möchte ich Sie bitten, unseren Antrag zu unterstützen. Gero Storjohann (CDU/CSU): "Wir dürfen uns nicht nur von Kosten und Zeitplan leiten lassen. Wir wären falsch beraten, wenn wir Erfahrungen aus anderen Großprojekten ignorierten." Diese Botschaft verkündete der Chef der Deutschen Bahn, Rüdiger Grube, am 12. Juni 2013 vor betroffenen Bürgermeistern aus der Region Ostholstein in Bezug auf die Ausgestaltung des Ausbaus der Hinterlandanbindung zur festen Querung über den Fehmarnbelt. Er führte weiter aus, dass es beim Ausbau der Hinterlandanbindung Ziel sein muss, die für die Bevölkerung bestmögliche Lösung zu finden und gab bekannt, dass die Bahn einer 2+1-Lösung bei der Schienenhinterlandanbindung nicht mehr im Weg steht. Die 2+1-Trasse wurde schon seit längerer Zeit von Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer favorisiert. Sie würde die Küstenorte Ostholsteins entlasten. Ich freue mich über diese Entwicklung. Dazu hat die Bahn den Weg frei gemacht. Die sogenannte 2+1-Variante wurde in Schleswig-Holstein nachträglich in das laufende Raumordnungsverfahren aufgenommen, das zum 31. Juli 2013 abgeschlossen sein soll. Diese Lösung sieht vor, die bestehende Bahntrasse in den Küstenorten künftig für den Regionalverkehr zu nutzen. Dieser Ansatz sieht weiter vor, eine zweite Trasse weiter landeinwärts nahe der Autobahn 1 zu bauen. Diese soll auf zwei schnellen Gleisen von Personen- und Güterzügen genutzt werden. Die Bahn kam damit den Wünschen der Menschen vor Ort nach. Nun liegt es am Bund, diesen Kurs zu unterstützen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich vertraglich zum Ausbau der Hinterlandanbindung verpflichtet. Unser Antrag zielt darauf ab, das hohe Potenzial der Festen Fehmarnbeltquerung und der dazugehörigen Schienenhinterlandanbindung als Teil des transeuropäischen Schienenverkehrsnetzes der Europäischen Union anzuerkennen, da mit der Querung über den Belt in Europa eine feste Direktverbindung zwischen Skandinavien und Kontinentaleuropa entsteht. Europa wird dadurch räumlich und kulturell weiter zusammenwachsen. Unser Antrag zielt aber auch darauf ab, die große Bedeutung des Tourismussektors in der Region Ostholstein anzuerkennen. In der betroffenen Region ist es in den zurückliegenden Jahren zu erheblicher Unruhe gekommen, weil die Ostseebäder um ihre Attraktivität fürchteten, sollte der Schienenverkehr über die bestehende Trasse laufen. Ich begrüße daher die Entscheidung der Deutschen Bahn, eine 2+1-Lösung zu ermöglichen, ausdrücklich. Die Sorgen der Anwohner nehmen wir dabei ernst. Die Küstenorte können erleichtert sein, wenn die 2+1-Trasse kommt. Anwohner im Landesinneren jedoch haben nun Sorge vor mehr Verkehrslärm. Wir fordern die Bundesregierung daher auf, sich bei den weiteren Planungen der Gestaltung der Schienenhinterlandanbindung für akzeptable Formen sowohl bei der Trassenführung als auch beim Lärmschutz einzusetzen. Ziel muss eine sozial- und raumverträgliche Hinterlandanbindung sein. Der Ausbau der Schienenhinterlandanbindung muss den aktuellen Lärmschutzanforderungen entsprechen. Ferner soll der Wegfall des Schienenbonus nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz auch auf den Bau der Hinterlandanbindung volle Anwendung finden. Dabei ist auch zu prüfen, ob sich die nun entstehende Trasse als Modellprojekt eignet, um weitere technische Innovationen zur Reduzierung von Lärm auf der Schiene voranzutreiben. Der Ausbau der Hinterlandanbindung wirft auch die Frage auf, wie es mit der bestehenden Brücke über den Fehmarnsund zukünftig weitergehen wird. Sie feierte jüngst ihr 50-jähriges Bestehen und wird voraussichtlich eines Tages nicht mehr die erforderliche Belastung tragen können. Die Fehmarnsundbrücke steht seit 1999 unter Denkmalschutz und hat sich zu einem Wahrzeichen für die Insel Fehmarn entwickelt. Sie wird daher nicht abgerissen und einfach neu gebaut werden können. Unser Antrag fordert die Bundesregierung daher auf, zu prüfen, wie eine weitere Querung über den Fehmarnsund eines Tages konkret zu gestalten ist. Soll die bestehende Brücke durch eine neue Brücke ergänzt werden, oder kann ein reibungsloser Verkehr besser mit einem Tunnel gewährleistet werden? Schließlich ist die Fehmarnsundbrücke bei starkem Wind für leere Lastkraftwagen und Wohnwagen gesperrt. Ich bin davon überzeugt, dass die feste Querung über den Fehmarnbelt die gesamte Region Norddeutschland und Skandinavien voranbringen wird. Ich verbinde damit auch die Hoffnung, dass die angrenzenden Regionen im Bereich der Hinterlandanbindung von dieser Entwicklung profitieren. Bettina Hagedorn (SPD): Weit nach Mitternacht am buchstäblich letzten regulären Debattentag des Deutschen Bundestages sollen wir auf ausdrücklichen Wunsch der Regierungsparteien einen Antrag mit dem positiv klingenden Titel "Sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung gewährleisten" leider nicht diskutieren, sondern lediglich unsere Reden zu Protokoll geben. Das ist bedauerlich, weil die Redner darum gar nicht die Reden der Mitdiskutanten kennen und darum auf ihre Argumente auch nicht eingehen können. Das scheint allerdings genau so gewollt zu sein und widerspricht einem ernsthaften Interesse an dem Thema. CDU/CSU und FDP haben diesen Antrag offenbar auch sehr bewusst erst so spät zum Ende der Wahlperiode vorgelegt, dass eine dringend erforderliche Debatte dieses sehr ernsthaften Themas im zuständigen Verkehrs- und Haushaltsausschuss gar nicht mehr vorgenommen werden kann; stattdessen wird über den Antrag jetzt ohne Aussprache abgestimmt. Damit wird deutlich: Es ist leider ein reiner Showantrag, der lediglich Wahlkampfzwecken dienen soll. Damit aber werden CDU/CSU und FDP den Sorgen und Bedenken von Tausenden von Menschen entlang der geplanten Güterverkehrs-trasse in Ostholstein einmal mehr nicht gerecht. Über zehn Bürgerinitiativen von Fehmarn bis Bad Schwartau und viele, die sich unter anderem mit enormem Zeitaufwand ehrenamtlich im Dialogforum in Ostholstein engagieren, hätten wahrlich eine ernsthaftere Befassung mit der Problematik der Auswirkungen der geplanten Hinterlandanbindung verdient. Aber kommen wir zum Antrag selbst. Schwarz-Gelb verfolgt mit dem, was sie uns hier schriftlich vorgelegt haben, eine chronische Vernebelungsstrategie: Der Titel des Antrags klingt gut, er suggeriert, als wollten die Regierungsfraktionen tatsächlich für die Menschen in Ostholstein sicherstellen - sprich: "gewährleisten" -, dass eine "sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung zur Festen Fehmarnbeltquerung", die wirklich die Belange der Menschen vor Ort in den Mittelpunkt stellt, auch tatsächlich gebaut wird. Klingt gut. Dieses ist aber lediglich das Etikett, das auf dem Antrag klebt. Im Antrag selbst steht aber leider etwas ganz anderes; das nennt man gemeinhin Etikettenschwindel. Fakt ist: Im Bundestagswahlkampf will Schwarz-Gelb die Menschen in Ostholstein in der Sicherheit wiegen, es werde angeblich eine sozial- und anwohnerfreundliche Schienentrasse verwirklicht und Schwarz-Gelb sei der aufrechte Anwalt der berechtigten Sorgen aller Menschen entlang der geplanten Güterverkehrstrasse. Aber tatsächlich ist das genaue Gegenteil der Fall! Denn was müssen wir bei Lektüre des Antrags mit dem wichtigsten Teil III, also dem Handlungsauftrag an die Bundesregierung, lesen? Da soll der Bundestag "die Bundesregierung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel" - aha; das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen - zu vier konkreten Punkten mit enormer finanzieller Tragweite auffordern, wohl wissend, dass der Verkehrsetat dramatisch unterfinanziert und bislang überhaupt kein Cent für die Verwirklichung dieser Baumaßnahme im Bundeshaushalt und im Finanzplan verankert ist. Was also bleibt dann von diesem Schaufensterantrag übrig? Leider nichts! Vor allem aber kann man, wenn man diesen milliardenschweren Trassenausbau "sozialverträglich und anwohnerfreundlich" gestalten will und gleichzeitig alles "unter Finanzvorbehalt stellt", eines ganz gewiss nicht, nämlich die vollmundigen Zusagen an die Anwohner tatsächlich "gewährleisten", was nichts anderes heißt als diese Zusagen zu garantieren. Insofern schlummert in diesem Antrag vor allem eines: ein Bruch von Wahlversprechen mit Ansage. Anhand der bisherigen Kostenentwicklung des Mammutprojektes binnen vier Jahren, vollmundiger Versprechen des Verkehrsministers Ramsauer einerseits ohne jegliche Absicherung im Bundeshaushalt andererseits kann sich jeder durchschnittlich begabte Viertklässler an fünf Fingern ausrechnen: Diese Bundesregierung arbeitet unseriös und "veräppelt" die Menschen in Ostholstein mit ihren Versprechungen, die sie gar nicht halten will. Erinnern wir uns gemeinsam an die Fakten: Als der Staatsvertrag zur Festen Fehmarnbeltquerung im Juni 2009 vom Bundestag beschlossen wurde, sollte der Bau der Hinterlandanbindung, vom deutschen Steuerzahler finanziert, 850 Millionen Euro kosten. Grundlage der Kalkulation war eine Eröffnung 2018 für ein elektrifiziertes Gleis, der zweigleisige Ausbau mit Elektrifizierung auf der Bestandstrasse sieben Jahre später, 2025, und als Nadelöhr die unveränderte, heute 50 Jahre alte Sundbrücke. Bereits im April 2009 hatte der Bundesrechnungshof allerdings einen dicken Prüfbericht veröffentlicht, in dem er die Verdoppelung der Gesamtkosten auf 1,7 Milliarden Euro prognostizierte. Übrigens: Ob bei Stuttgart 21 oder der Bahnstrecke Ulm-Wendlingen oder weiteren Großprojekten, der Bundesrechnungshof hatte mit seinen frühzeitigen Warnungen vor Kostenexplosionen bisher leider immer recht. In den vergangenen vier Jahren mutierte die dänische Planung für eine Beltbrücke nicht nur zu einem 19 Kilometer langen Tunnel, auch auf deutscher Seite kam dank vieler Bürgerinitiativen in Ostholstein und Dank der betroffenen Kommunen und des Engagements im Dialogforum Bewegung in die Planung: Seit Januar 2013 ist das Raumordnungsverfahren in Schleswig-Holstein für diverse Trassenvarianten zwischen Bad Schwartau und Großenbrode für die Hinterlandanbindung eröffnet, deren Abweichung von der ursprünglich von Ramsauer gewollten Bestandstrasse mit Sicherheit 300 bis 500 Millionen Euro Mehrkosten verursachen werden. Über 8 300 Einwendungen zum Raumordnungsverfahren aus den Kommunen, von Anwohnern und Verbänden wurden nach Kiel überstellt; aber der aktuelle zur Diskussion gestellte Planungsstand ist längst schon wieder von der Wirklichkeit eingeholt worden: Denn im Dezember 2012 erreichte die Öffentlichkeit über die Medien die Nachricht, dass das aktuelle Tragfähigkeitsgutachten der DB zur Fehmarnsundbrücke ergeben hat, dass die bestehende, unter Denkmalschutz stehende Brücke der prognostizierten Verkehrslast von circa 78 Güterzügen täglich von bis zu 835 Metern Gesamtlänge gar nicht gewachsen ist. Das überrascht, ehrlich gesagt, niemanden in Ostholstein wirklich. Nur der Verkehrsminister Ramsauer war offenbar überrascht. Was heißt das? Der Minister "prüft" Handlungsalternativen bis nach der Bundestagswahl. Als einzig sinnvolle Lösung muss aber ein Sundtunnel kalkuliert werden, mit zusätzlichen Kosten von mindestens 500 Millionen Euro. Womit sich dann die Gesamtkosten, wenn man den Bundesrechnungshof als seriöse und erfahrene Instanz zugrunde legt, jetzt schon auf mindestens 2,5 bis 2,7 Milliarden Euro binnen vier Jahren verdreifacht hätten. Aber was verspricht Verkehrsminister Ramsauer dann Anfang April 2013 nonchalant? Die in der Region als 2+1-Trasse diskutierte Variante mit einem doppelten kompletten Neubaugleis bei Erhalt der Bestandstrasse, womit die 3- bis 4-Milliarden-Euro-Marke sicher erreicht wäre. Nicht nur, dass diese Trasse gar nicht Gegenstand des Raumordnungsverfahrens ist - ebenso wenig übrigens wie die Insel Fehmarn, auf der ein Sundtunnel erhebliche Planungsveränderung notwendig machen würde -, nein, dieser Minister verspricht jedem alles, damit Schwarz-Gelb ohne Blessuren über den Bundestagswahlkampf kommt, allerdings ohne die notwendige Finanzierung für diese Wahlversprechen im Haushalt abzusichern, und das ist ein Skandal! Als SPD-Abgeordnete aus Ostholstein sage ich hier klipp und klar: Wer diese feste Beltquerung im Bund will, der darf keine Billigvariante planen und bauen, die als verlärmte Transittrasse auf dem Rücken der Menschen in Ostholstein geplant wird, die die Lebensqualität in dieser Tourismusregion kaputtmacht und die Existenzgrundlage vieler Menschen und Betriebe gefährdet. Aber der muss dann auch die Finanzierung tatsächlich sicherstellen und nicht, wie der vorliegende Pseudoantrag von Schwarz-Gelb, alles unter einen Finanzierungsvorbehalt stellen. Denn eines wollen wir nicht vergessen: Der gleiche Verkehrsminister Ramsauer hat im April 2013 auf der Maritimen Konferenz in Kiel 1,3 Milliarden Euro binnen zwölf Jahren für die Sanierung des Nord-Ostsee-Kanals versprochen, obwohl er drei Wochen vorher im Bundestag noch das glatte Gegenteil verkündet hatte. Und als Krönung sozusagen versprach Ramsauer dann im Mai 2013, dass die Elbquerung, der Glückstadt-Tunnel, 2014 ausgeschrieben werden soll. Dumm nur, dass die Finanzierung weder für den Nord-Ostsee-Kanal noch für die Elbquerung im Haushalt und Finanzplan enthalten ist. Das alles ist das Gegenteil von seriöser Haushaltspolitik; es ist Wahlkampf pur. Seitdem der Staatsvertrag zur festen Beltquerung im Juni 2009 beschlossen wurde, ist diese schwarz-gelbe Bundesregierung im Übrigen nicht wirklich dadurch aufgefallen, dass sie die Sorgen und Forderungen der Anwohner in Ostholstein sehr ernst nahm. Verkehrsminister Ramsauer fuhr zwar werbewirksam mit dem Zug durch unsere schönen Orte an der Küste, und er redete auch mit allen Bürgermeistern der betroffenen Kommunen, nur konnte er sich leider in Berlin an diese Gespräche nicht mehr zutreffend erinnern und drehte diesen Bürgermeistern später in Berlin öffentlich das Wort im Munde um - eine bittere Lektion. Und jetzt? Es soll sich also "im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel" die Bundesregierung "bei den weiteren Planungen zur Schienenhinterlandanbindung für akzeptable Formen sowohl bei der Trassenführung als auch beim Lärmschutz einsetzen und damit sicherstellen, dass eine sozial- und raumverträgliche Hinterlandanbindung gewährleistet wird". Sie soll prüfen, inwieweit sich die Trasse als "Modellprojekt eignet, um weitere technische Innovationen zur Reduzierung von Lärm und Erschütterung durch Trassen und rollendes Material voranzutreiben". Dabei muss man wissen: Die Deutsche Bahn hat am heutigen Tage um 7.30 Uhr ausführlich ihr Konzept zur Flüsterbremse im Jakob-Kaiser-Haus bis 2020 vorgestellt. Fazit: Von den 180 000 Güterwaggons, die in Deutschland eingesetzt sind, gehören nur 60 000 der Deutschen Bahn, und diese sollen bis 2020 mit Flüsterbremsen ausgestattet werden, wenn sich der Bund auch künftig mit mindestens 100 Millionen Euro jährlich finanziell beteiligt. Und die anderen 120 000 Güterwaggons? Es soll "Anreize" zur "freiwilligen Investitionsentscheidung" dieser Unternehmen geben. Na ja, Schwarz-Gelb weist im Antrag zwar selbst darauf hin, dass die Fehmarnbeltquerung Teil des transeuropäischen Schienenverkehrsnetzes sein soll. Genau genommen soll sie aber Teil einer von drei europäischen Gütervorrangtrassen sein, die konkret von Palermo in Italien bis Malmö in Schweden geht. Mit anderen Worten: Die 835 Meter langen Güterzüge rollen von Italien bis Skandinavien einmal quer durch Europa. Wie viele Güterwaggons der Deutschen Bahn werden da wohl als Konsequenz verkehren? Es ist zwar gut und richtig, dass die Deutsche Bahn jetzt endlich verbindlich ihre 60 000 Güterwaggons bis 2020 umrüsten wird, aber mit ordnungsrechtlichen -Instrumenten wie in der Schweiz können und wollen sich CDU/CSU und FDP im Hinblick auf den Einsatz ausländischer Waggons im deutschen Transitgüterverkehr ausdrücklich nicht anfreunden. Soweit geht der -Enthusiasmus zum Schutz lärmgeplagter Anwohner an Güterverkehrstrassen offenbar doch nicht. Als dritten Punkt fordert Ihr Schaufensterantrag allen Ernstes, dass bestehende Gesetze angewendet werden, die erst Dank des Bundesrates und Dank der rot-grünen Landesregierungen überhaupt in dieser Form beschlossen wurden: den Wegfall des Schienenbonus, der der Bahn bisher erlaubt, 5 Prozent mehr Lärm zu verursachen als ansonsten gesetzlich gilt, und das bereits zum Ende 2014. Interessanterweise hatte die SPD-Bundestagsfraktion im Verkehrsausschuss diese Forderung schon im November 2012 erhoben und war von der CDU/CSU und FDP damals noch abgebügelt worden. Die Regierungsfraktionen beschlossen dann mit ihrer Mehrheit, dass der Schienenbonus erst 2020 entfallen soll. Insofern kann man den jetzigen schwarz-gelben Antrag, dass der Wegfall des Schienenbonus beim Bau der Hinterlandanbindung volle Anwendung findet, getrost mindestens als scheinheilig bezeichnen. Denn wäre das schwarz-gelbe Gesetz in Kraft getreten, hätte er eben keine Anwendung gefunden. Jetzt hingegen hat die Deutsche Bahn übrigens längst zugestanden, dass sie aufgrund der Bundesratsinitiative die Hinterlandanbindung so plant und planen muss, dass es keinen 5-prozentigen Lärmaufschlag geben darf. Der Punkt 4 im Forderungskatalog an die Bundesregierung von CDU/CSU und FDP? Die Bundesregierung soll "prüfen, ob beim Bau einer gegebenenfalls erforderlichen neuen Sundquerung nicht eine Tunnellösung in Betracht gezogen werden könnte". Eine samtweichere Formulierung kann man sich kaum vorstellen, zumal ja auch hier der Finanzierungsvorbehalt im Antrag steht. Diese Prüfung läuft allerdings schon seit einigen Monaten, behauptet jedenfalls das Verkehrsministerium. Jede Prüfung, die nicht eine Tunnellösung im Sund mit einbezieht, wäre in jedem Fall ein Schildbürgerstreich. Der gesunde Menschenverstand sagt jedem Ortskundigen, dass weder ein Ausbau der bestehenden Brücke funktionieren kann noch eine zweite Brücke daneben auch nur ansatzweise akzeptabel wäre. Es muss also auf eine Tunnellösung hinauslaufen. Das Offensichtliche zu fordern, aber sich nicht zur soliden Finanzierung zu bekennen, ist also weder besonders innovativ noch ehrlich gegenüber den Menschen in der Region. Fazit: Es kommt einer Quadratur des Kreises gleich, wenn Schwarz-Gelb eine sozial- und raumverträgliche, lärmarme Trasse im Sinne aller Anwohner samt Untertunnelung des Fehmarnsund fordert und gleichzeitig den Vorbehalt bei bestehender Schuldenbremse im Grundgesetz macht: Das alles soll bezahlbar sein "im Rahmen verfügbarer Haushaltsmittel". Wer's glaubt, wird selig, und im Himmel ist Jahrmarkt. Unser Fazit: Dieser Antrag ist das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt ist, und kann deshalb auf keinen Fall unsere Zustimmung erhalten. Dieser Antrag trägt bereits in sich den Bruch von Wahlversprechen. Er dient allein dazu, um kurz vor der Wahl in Ostholstein auf Wählerfang zu gehen und dann nach der Wahl absehbar schulterzuckend auf die "verfügbaren Haushaltsmittel" und die Schuldenbremse zu verweisen. Das aber ist zutiefst unredlich und schürt die Politikverdrossenheit der Wählerinnen und Wähler. So darf man mit Menschen, die berechtigte existenzielle Sorgen haben, auf keinen Fall umgehen. Auf fast 30 Milliarden Euro lassen sich die Wahlversprechen im Merkel-Wahlprogramm addieren. Finanzierung? Fehlanzeige! Dass nach der Wahl all diese Versprechen stillschweigend ad acta gelegt werden sollen, dafür gibt es einen prominenten CDU-Kronzeugen: den Präsidenten des CDU-Wirtschaftsrats und Mitglied des CDU-Parteivorstands Kurt Lauk, der am 20. Juni 2013 auf einer Pressekonferenz die Realisierbarkeit der CDU-Wahlversprechen wie folgt in entwaffnender Offenheit kommentiert hat: "Wahlversprechen sind das, was die Parteien versprechen, um gewählt zu werden. Es war noch nie der Fall, dass Wahlversprechen eins zu eins in ein Regierungsprogramm übernommen werden. Und das wissen die Wähler aus Erfahrung." Daher sehe er die Wahlversprechen seiner Partei mit einer "gewissen Gelassenheit". Und: "Solange die Haushaltskonsolidierung die Priorität Nummer eins ist, würden sich die anderen Versprechen ‚fügen'." Ich komme zum Schluss: Die Menschen entlang der geplanten Schienentrasse quer durch Ostholstein wissen dank dieser Worte, was sie von der CDU/CSU und der FDP an Engagement gegen einen Trassenausbau als Billigvariante zu erwarten haben: warme Worte und sonst nichts! Torsten Staffeldt (FDP): "Schienenhinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung", auf den ersten Blick ein ziemliches Wortungetüm für ein wichtiges und richtiges Vorhaben. Im Meeresboden soll ein Tunnel, die sogenannte Fehmarnbeltquerung, gebaut werden, um den transeuropäischen Verkehr von und nach Skandinavien zu erleichtern. Für die dichtbefahrene Ostsee bringt das Entlastung vom zunehmenden Verkehrsaufkommen, für Fähr- und Bauunternehmen mehr Planungssicherheit. Mit der Querung wächst Europa auch im Norden zusammen. Reisezeiten werden kürzer. Für Passagiere zwischen Hamburg und Kopenhagen sind es statt viereinhalb nur noch drei Stunden Fahrzeit. Der 160 Kilometer lange Umweg für Güterzüge entfällt. Entstehen wird eine wettbewerbsfähige Großregion mit einer besseren Schienen- und Straßenhinterlandanbindung. Das bedeutet insgesamt mehr Wachstum und Beschäftigung und ist, anders als eine Brücke, eine Variante, die die Umwelt schont und den Schiffsverkehr nicht gefährdet. So wird beispielsweise der Wasseraustausch zwischen der sauerstoffarmen Ostsee, zum Beispiel im Gotlandtief, und der sauerstoffreichen Nordsee nicht beeinträchtigt. Das nutzt der Pflanzen- und Tierwelt. Zusammen mit der festen Querung ist der Aus- und Neubau der Straßen- und Schienenhinterlandanbindung eines der wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekte der Bundesrepublik. Beteiligt sind Deutschland und Dänemark. Auf deutscher Seite geht es um den Ausbau der E 47 zwischen Heiligenhafen-Ost und Puttgarden zu einer vierspurigen Bundesstraße. Vorgesehen ist weiterhin der zweistufige Ausbau der Schienenstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden. Vier Spuren und Bahntrassen, das bedeutet Lärm, und das in einem Gebiet mit dem, was wir in unserem Antrag als "hohe Wertschöpfung im Tourismussektor" beschrieben haben. Strände, Meer, Küste, hier liegen nicht zuletzt die Ostseebäder. Wo Belästigungen unumgänglich sind, soll dies möglichst umwelt- und anwohnerfreundlich geschehen. Die Fehmarnbeltquerung soll den Menschen vor Ort nützen, nicht sie belasten. Um dies zu gewährleisten, sind schon jetzt alle Beteiligten über das "Dialogforum Feste Fehmarnbeltquerung" in die Planungen eingebunden. Hier diskutieren Vertreter der Deutschen Bahn AG, der Bundes- und Landesregierung, regionale Politiker und Mitglieder von Bürgerinitiativen. Im derzeit laufenden Raumordnungsverfahren werden überdies derzeit die Auswirkungen des Projekts unter überörtlichen Gesichtspunkten geprüft. Um Lärmbelästigungen durch die Straßen- und Schienenhinterlandanbindung in Grenzen zu halten, setzen wir uns für vernünftige Formen der Trassenführung und des Lärmschutzes ein. Das ist dann so wie mit unserer Regierungsarbeit in der christlich-liberalen Koalition: Wir haben gezeigt, wie es geht, in den vergangenen vier Jahren und auch in Zukunft. Es waren vier gute Jahre für Deutschland! Herbert Behrens (DIE LINKE): Seit Jahren beraten wir über das Projekt Feste Fehmarnbeltquerung. Immer wieder haben wir dabei Forderungen der Bürgerinnen und Bürger diskutiert, die um ihre Existenz im Tourismus an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste fürchten. Die Koalition tat sich damit hervor, dass sie die Nachteile kleinredete und die Vorteile groß. Heute, am vorletzten Sitzungstag der Wahlperiode, kommen sie mit Ihrem Antrag zur Schienenhinterlandanbindung der Festen Fehmarnbeltquerung um die Ecke und fordern, dass das Ganze sozialverträglich und anwohnerfreundlich gestaltet werden soll. Haben Sie bemerkt, dass in den vergangenen Jahren in dieser Frage nicht eine einzige parlamentarische Initiative von Ihnen kam? Haben Sie etwas gelernt aus den vielen, vielen -Argumenten der Ostholsteiner Bürgerinnen und Bürger? Nein, haben Sie nicht! Der Antrag ist nichts anderes als ein Täuschungsmanöver. Sie wollen lediglich davon ablenken, dass die Koalition nicht bereit ist, die Sorgen und Nöte der Bürgerinnen und Bürger an der Trasse ernst zu nehmen. Seit Jahren protestieren sie gegen das milliardenteure Verkehrsprojekt; denn der donnernde Lärm der Güterzüge, dem sie künftig Tag und Nacht ausgesetzt werden sollen, zerstört in der Tourismusregion die Existenzgrundlage ganz Ostholsteins und ist verkehrspolitisch völlig überflüssig. Es ist das Stuttgart 21 des Nordens! Nach erheblichen Veränderungen der Planungen für die Fehmarnbeltquerung mit einem Tunnel statt einer Brücke, einer Halbierung der Verkehrsprognosen, einer wahren Kostenexplosion, tausendfachen Einwendungen der Betroffenen im Raumordnungsverfahren und großen Bürgerprotesten ist die Zeit reif, dieses Projekt grundlegend zu bewerten. Doch nach wie vor weigert sich die Bundesregierung, dieses Projekt infrage zu stellen. Sie weigert sich, mit Dänemark zu beraten, ob nicht angesichts der Veränderungen die Ausstiegsklausel im Staatsvertrag zur Beltquerung angewendet werden kann, um weiteren Schaden von den Vertragspartnern abzuwenden. Stattdessen nun, in "letzter Sekunde" sozusagen, -legen Sie den Antrag vor, der eine "sozialverträgliche und anwohnerfreundliche Schienenhinterlandanbindung" zum Projekt ankündigt. Leider hält der Titel nicht, was er verspricht! Aber Sie räumen ja auch selbst ein, dass es Ihnen eigentlich darum geht, "die Akzeptanz ... nicht weiter zu gefährden". Wenn die Koalitionsfraktionen ihre eigene Regierung zum Ende der Wahlperiode auffordert, sich unverbindlich für dieses oder jenes einzusetzen, dann ist das absurd. Diese Regierung ist an ihr Ende gekommen. Die Karten werden am 22. September 2013 neu gemischt. Wir hoffen sehr, dass sich nach der Bundestagswahl eine neue Verkehrspolitik durchsetzen lässt, die insbesondere den Interessen der Mehrheit der Bevölkerung verpflichtet ist und nicht den wirtschaftlichen Interessen der großen Baukonzerne untergeordnet ist. Aber ich will noch etwas zum Antrag sagen. Ihre Forderungen darin sind windelweich: Man möge sich "im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel" für eine "akzeptable" Trassenführung und Lärmschutz einsetzen; es soll geprüft oder "gegebenenfalls" "in Betracht gezogen werden". Einzig die Forderung, dass der Ausbau den -aktuellen Lärmschutzanforderungen entsprechen soll, ist verbindlich formuliert. Das allerdings ist bereits gesetzlich geregelt. Noch einmal gefordert werden müsste es eigentlich nicht wirklich. Nachdem es vor zwei Monaten endlich eine Einigung zum Wegfall des Schienenbonus gab, fordern Sie, dass auch für die Hinterlandanbindung die reduzierten Lärmwerte gelten sollen. Auch das ist nicht wirklich neu. Auf die Verlegung des Güterverkehrs an eine Neubautrasse entlang der A 1 und den Erhalt der Bädertrasse für den Nahverkehr, 2+1-Trasse, gehen Sie gar nicht ein. Da ist die Zeit einfach über Ihren Antrag hinweggegangen. Mit Ihrem Antrag erwecken Sie kurz vor der Wahl den Anschein, dass Sie sich für die Belange der Region einsetzen würden, doch erfahren die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, was am Ende für sie besser sein soll, also anwohnerfreundlich und sozialverträglich. In Ihrem Antrag loben Sie die Arbeit des "Dialogforums Feste Fehmarnbelt-Querung" als "moderne Bürgerbeteiligung". Dieses Forum wurde eingerichtet, um den Konflikt zu entschärfen und das Projekt nachträglich zu legitimieren, nicht um ergebnisoffen darüber zu entscheiden. Die Linke fordert, dass die Bürgerinnen und Bürger auch an der Entscheidung beteiligt werden, ob ein solches Großprojekt vor ihrer Haustür entstehen muss oder nicht und nicht nur darüber, wie man die Nachteile durch mehr Verkehr, mehr Lärm und die Folgen für die Tourismuswirtschaft bewältigen kann. Doch dieses Forum, in dem mehrheitlich Projekt-befürworter sitzen, hat letzte Woche einen Workshop zu den Verkehrsprognosen und dem Nutzen-Kosten--Verhältnis dieses Projektes samt Anbindung veranstaltet, zu dem renommierte Verkehrsgutachter berichteten. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Annahmen veraltet und überbewertet waren, sich die Rahmenbedingungen wesentlich verändert hätten. Nehmen Sie das -Dialogforum ernst, ziehen Sie daraus die Konsequenzen und stellen Sie sich einer ergebnisoffenen Neubewertung des Projektes. Wir hatten vor einem Jahr genau das beantragt; doch Sie haben den Antrag abgelehnt, weil Sie Angst davor haben, dass Ihnen das Ergebnis nicht passen könnte. Sie sprechen sich erneut ausdrücklich für den Bau einer Festen Fehmarnbeltquerung aus und verstecken sich hinter dem Staatsvertrag, den die Vorgängerregierung unter dem SPD-Verkehrsminister Tiefensee mit Dänemark ausgehandelt hat, obwohl er eine Verständigungsklausel enthält, bei veränderten Rahmenbedingungen das Projekt neu zu verhandeln. Der Spatenstich zum Projekt liegt noch in weiter Ferne, noch gibt es kein Planungsrecht, noch kann das Projekt gestoppt werden. Natürlich geht es nur gemeinsam mit Dänemark; doch Verträge lassen sich auch ändern, und in einer Demokratie müssen Entscheidungen auch wieder demokratisch verändert werden können. Auch der Gerichtsweg ist noch völlig offen. Die Linke wird weiter alles daransetzen, dass Ihre Betonideologie scheitern wird und dieses unsinnige Verkehrsprojekt nicht gebaut werden kann. Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Um es gleich unmissverständlich vorwegzu-nehmen: Ihr heute hier vorgelegter Antrag zur Festen Fehmarnbeltquerung ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Seit Jahren diskutiert dieses Hohe Haus, für jede und jeden zum Glück gut dokumentiert, über die Sinnhaftigkeit einer festen Querung über den Fehmarnbelt in einer Art und Weise - leider muss man an dieser Stelle noch einmal sagen -, die dem Ansehen des Deutschen Bundestages nur sehr bedingt nutzen dürfte. Mit Ihrem nun vorgelegten Antrag fügen Sie dieser Tragödie eine weitere Episode hinzu. Seit nunmehr mehreren Legislaturperioden machen meine Fraktion und eine engagierte Zivilgesellschaft auf die eklatanten Planungsmängel des gesamten Projekts aufmerksam. Am Ende der 16. Wahlperiode, als die -Unterzeichnung des Staatsvertrags unmittelbar bevorstand, führte der Verkehrsausschuss eine vierstündige Anhörung durch. Im Zuge der Anhörung wurden die massiven ökologischen und ökonomischen Risiken des Projekts von mehreren Sachverständigen eindrucksvoll geschildert. Gegen alle Bedenken und wider besseres Wissen haben die Abgeordneten von CDU/CSU, FDP und auch SPD - bei letzterer Fraktion gab es immerhin wenige rühmliche Ausnahmen - schließlich grünes Licht für die Unterzeichnung des Staatsvertrags gegeben, obwohl dieser zahlreiche unklare juristische Formulierungen enthielt, wichtige Aspekte der Planung überhaupt nicht berücksichtigte, die Finanzierung des Projekts völlig ungeklärt war und auch die ökologischen Risiken aufgrund der Tatsache, dass noch völlig offen war, welche Art von Bauwerk, eine Brücke oder ein Tunnel, überhaupt entstehen wird, nicht ansatzweise absehbar waren. Auf die gravierenden Planungsmängel machen seit mehreren Jahren beständig auch der Bundesrechnungshof und der Rechnungsprüfungsausschuss dieses Hohen Hauses aufmerksam. Sie drängen angesichts eklatanter Versäumnisse im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung auf dringend notwendige Nachbesserungen und fordern die erneute Aufnahme von Verhandlungen zwischen den Vertragspartnern, dem Königreich Dänemark und der Bundesrepublik Deutschland. Bundesrechnungshof und Rechnungsprüfungsausschuss verweisen in ihren Stellungnahmen auf nicht -absehbare Risiken für die öffentlichen Haushalte, die sich aus unklaren juristischen Formulierungen ergeben. Zudem weisen sie seit Jahren auf massive Kostensteigerungen des Projekts und die Tatsache hin, dass zahlreiche zusätzliche Kosten überhaupt noch nicht in die Berechnungen eingeflossen sind. Insgesamt bestehen seit -Jahren massive Zweifel an den dem Projekt zugrunde liegenden Rentabilitätsberechnungen. Bereits vor Inkrafttreten des Staatsvertrags warnte der Bundesrechnungshof in einer Stellungnahme nach § 88 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung, BHO, an den Rechnungsprüfungsausschuss, einen Unterausschuss des Haushaltsausschusses des Bundestages, dass sich die bisher kalkulierten Kosten für den Ausbau der Deutschen Hinterlandanbindung auf 1,7 Milliarden Euro verdoppelt hätten - ohne dass weitere Kosten wie der Ausbau des Knotenpunktes Hamburg oder der Ausbau des Schienenteilstücks von Lübeck bis Puttgarden überhaupt berücksichtigt wurden. Mit Hinweis hierauf hat der Bundesrechnungshof wiederholt die Bundesregierung aufgefordert, aktualisierte Kostenkalkulationen vorzulegen. Genauso wenig wurden bisher die Kosten für eine bei der Realisierung einer Festen Fehmarnbeltquerung zwingend benötigten zweiten Brücke über den Fehmarnsund berücksichtigt. Gleiches gilt für die Kosten für eine immer wieder in Aussicht gestellte Alternativtrasse der Hinterlandanbindung fernab der Ostseebäder sowie nicht erst nach dem Wegfall des "Schienenbonus" dringend benötigte zusätzliche Lärmschutzmaßnahmen. Addiert man alle bislang nicht berücksichtigten Kosten für die öffentlichen Haushalte zusammen, landet man schnell bei einer Summe von 2,5 Milliarden Euro und mehr - wohlgemerkt: allein für die Hinterlandanbindung einer Querung, die aller Wahrscheinlichkeit nach von weit unter 10 000 Autos und unter 100 Zügen am Tag genutzt würde und deren Grundlast damit unter 20 Prozent der üblichen Kapazität einer zweispurigen Schnellstraße mit 26 000 Autos am Tag läge. Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme vom April 2009 folgerichtig bezüglich des Projekts vor "erheblichen Unsicherheiten für künftige Bundeshaushalte" gewarnt. Des Weiteren kritisierte der Bundesrechnungshof zahlreiche unklare juristische Formulierungen des Vertragswerks. So enthalte der Staatsvertrag -Klauseln, welche die Vertragspartner unter nur unpräzise formulierten Voraussetzungen zu Nachverhandlungen - auch über die Kostentragung - verpflichte. Obwohl die Bundesregierung als verantwortliche Vertragspartnerin immer wieder mit Hinweis auf die eklatanten Planungsmängel, die extremen Kostensteigerungen des Projekts und die Neuverhandlungsklausel in § 22 des Staatsvertrags dazu aufgefordert wurde, tatsächlich in Neuverhandlungen mit dem Königreich -Dänemark einzutreten, hat sie diese Verpflichtung bisher ignoriert. Die Bundesregierung - dies will ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - trägt damit die volle politische Verantwortung für dieses mit massiven Risiken verbundene Projekt. Wir haben auch hier im Plenum immer wieder über eben diese eklatanten Planungsmängel gesprochen und die Bundesregierung in den letzten Jahren unzählige Male aufgefordert, endlich eine aktualisierte Rentabilitätsberechnung vorzulegen und zumindest die nötigen Nachbesserungen bezüglich des Staatsvertrags vorzunehmen. Hierzu lagen verschiedene Anträge aller Oppositionsfraktionen vor. Auch meine Fraktion hat hier am 25. April 2012 mit einem entsprechenden, sehr ausführlichen Antrag erneut auf die Problematik aufmerksam gemacht und die schwarz-gelbe Bundesregierung aufgefordert, dies in ihre Abwägungen bezüglich der Bewertung der Sinnhaftigkeit des Projekts einzupreisen. Die Kritikerinnen und Kritiker der Querung verweisen also seit nunmehr mehreren Jahren gebetsmühlenartig immer wieder auf die ganz massiven ökologischen und ökonomischen Probleme und Risiken des Projekts. Die schwarz-gelben Befürworter der Querung haben hierauf bislang nicht einmal ansatzweise reagiert. Sämtliche Warnungen bezüglich des Projektes wurden in den Wind geschlagen, und anstatt gegenüber der eigenen Bundesregierung wichtige Verbesserungen anzumahnen, zieht man es bis heute vor, von einem "Jahrhundertprojekt" zu schwadronieren, das letztendlich schon zu einem guten Abschluss gebracht werde. Nach dem Motto "Augen zu und durch" haben Sie seit Jahren unbeirrt an den bisherigen Planungen festgehalten und sich von den ökonomischen und ökologischen Realitäten gar nicht erst irritieren lassen. So viel ist gewiss: Diese verkehrspolitische Vogelstraußhaltung wird die Menschen in diesem Land im Allgemeinen, als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, und die Menschen auf Fehmarn, in Ostholstein und im Hamburger Rand im Besonderen sehr teuer zu stehen kommen. Sie von CDU/CSU und FDP haben die Bürgerinnen und Bürger der Region mit ihren Sorgen alleingelassen und merken nun, da das Projekt zusehends an die Wand fährt, dass Ihr bisheriger Kurs nicht durchträgt. Dabei rieten Sie in der letzten hierzu in diesem Hohen Haus geführten Debatte noch, man solle einfach "ein bisschen Hoffnung und Fantasie" haben. Die guten Argumente werde man uns im Ausschuss gerne noch einmal vortragen. Allein gehört haben wir Sie nicht. Statt jetzt endlich die zahlreichen Hiobsbotschaften, die uns bislang bezüglich des Projekts erreicht haben, zur Kenntnis zu nehmen und sich intensiv mit den tatsächlichen Kennzahlen des Projekts auseinanderzusetzen, legen Sie nun, in der letzten Sitzungswoche der -Legislaturperiode und gerade noch rechtzeitig vor den Bundestagswahlen, einen lachhaft dünnen Antrag vor, mit dem Sie offenbar im kommenden Wahlkampf durch die schleswig-holsteinischen Landen ziehen und Pro-blemverständnis vortäuschen wollen. Dieser Plan wird nicht aufgehen. Ihr Antrag, das muss man einfach so deutlich sagen, ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Unter anderem berufen Sie sich in ihm auf einen Forderungskatalog, den der Kreistag Ostholstein im Jahr 2007 verabschiedet hat. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Das war vor sechs Jahren! Seitdem ist viel geschehen. Auch dokumentieren Sie mit Ihrem Antrag eindrücklich, dass Sie die aktuellen Entwicklungen am Fehmarnbelt nicht ansatzweise verfolgt haben. So wurde von der Deutschen Bahn längst zugesagt, dass die in Ihrem -Antrag geforderte Alternativtrasse mit in die weitere -Planung aufgenommen wird. Das Placebo, das Sie hier verteilen wollen, hat die Bahn längst selbst als Mittel -erkannt, um den Protest auszubremsen. Ob die Alternativtrasse tatsächlich kommt, ist mehr als fraglich, und das wissen Sie - genauso wie die Deutsche Bahn - auch. In Ihrem Antrag verweisen Sie auf das Raumordnungsverfahren, das im Januar 2013 in Schleswig--Holstein gestartet sei. Von den mehreren Tausend Einwänden, die hierzu eingegangen sind und zu einer weiteren Verzögerung des Projekts geführt haben, schreiben Sie bezeichnenderweise kein Wort. Genauso wenig erwähnen Sie in Ihrem Antrag auch nur mit einer Silbe all die anderen eklatanten Planungsmängel, die in den letzten Jahren offenbar wurden, zum Beispiel den Umstand, dass man, obwohl wir Sie auch hierauf immer wieder hingewiesen hatten, bei den Planungen zur Festen Fehmarnbeltquerung scheinbar übersehen hat, dass es sich bei Fehmarn tatsächlich um eine Insel handelt und am Fehmarnsund ohne eine weitere Brücke ein Nadelöhr entsteht. Nun wollen Sie, so steht es zumindest in Ihrem -Antrag, auch hier noch einen zusätzlichen Tunnel bauen. Woher die Mittel hierfür kommen sollen - mehrere Hundert Millionen Euro -, sagen Sie leider nicht. Genauso wenig sagen Sie etwas zu der weiterhin völlig in den Sternen stehenden Gesamtfinanzierung der deutschen Hinterlandanbindung, zur Finanzierung weiterer Lärmschutzmaßnahmen oder zu der Beseitigung des Knotenpunktes Hamburg. Das alles sind Punkte, die der -Bundesrechnungshof seit Jahren anmahnt. Zu alldem kommt kein Wort von Ihnen. Unter dem Strich bleibt, dass Sie mindestens 2,5 Milliarden Euro im Hinterland des Fehmarnbelts vergraben wollen, für eine Strecke, die mit unter 10 000 Fahrzeugen täglich andernorts nicht einmal den Bau einer -Umgehungsstraße rechtfertigen würde. Auch das von der Deutschen Bahn aktuell prognostizierte Bahnverkehrsaufkommen ist nicht imstande, die Realisierung in irgendeiner Form zu rechtfertigen. Dass die Bahn nach Inkrafttreten des Staatsvertrages plötzlich ihre Erwartungen hinsichtlich der täglichen Züge von 210 auf 96 gesenkt hat, macht Sie nicht stutzig. Seit Jahren mahnen wir Sie mit Blick auf die Fehmarnbeltquerung, den gefährlichen Kurs der völlig unrealistischen "Wünsch-dir-was-Politik" zu verlassen und sich endlich an verkehrspoltischen und ökonomischen Realitäten zu orientieren. Ihr Bundesverkehrsminister scheint langsam zu erkennen, wozu Sie leider noch immer nicht imstande zu sein scheinen. Im Bereich der Verkehrspolitik befanden wir uns viel zu lang auf einem Irrweg. Daher begrüßen wird es, dass Ihr Verkehrsminister gerade in Aussicht gestellt hat, -Gelder, die bislang in Neubauprojekte, darunter zahleiche Prestigeprojekte mit höchst zweifelhaftem -verkehrspolitischem Nutzen, gesteckt wurden, zukünftig in den Erhalt und die Sanierung bestehender Straßen zu investieren. "Die Zeit der Wunschzettel" sei vorbei, stattdessen müsse streng priorisiert werden, so Bundesverkehrsminister Ramsauer im Rahmen der 3. Nationalen Konferenz Güterverkehr und Logistik kürzlich in Nürnberg. Während Ihr Verkehrsminister mit Hinweis auf wegbröckelnde Brücken und einen oftmals miserablen -Zustand der Infrastruktur in unserem Land hoffentlich tatsächlich erkannt hat, wohin ein Festklammern an einer längst überholten Verkehrspolitik führt, halten Sie weiter unbeirrt an dem Paradebeispiel einer unsinnigen und in Zeiten leerer Kassen und eingezogener Schuldenbremsen geradezu fahrlässigen Verkehrspolitik fest. Während Ihr Minister zu Protokoll gibt, dass es mittlerweile an allen Ecken und Ende brenne, halten Sie, obwohl Sie nur zu gut um den Zustand der schleswig--holsteinischen Verkehrswege wissen, auch weiter an einer unsinnigen Festen Fehmarnbeltquerung fest und versuchen nun durch die plumpe Forderung nach einer Alternativtrasse, die Probleme im Wahlkampf kaschieren zu können. Sie übersehen dabei, dass sich die -Kostenproblematik durch Alternativtrassen noch einmal erheblich verschärft und auch eine Alternativtrasse zahlreiche Verlierer produzieren würde, ganz abgesehen von dem rechtlichen Problem, ob Güterzüge überhaupt gezwungen werden können, eine bestimmte öffentliche Strecke nicht zu befahren. Es wäre Ihre Aufgabe als Vertreter der Koalitionsfraktionen, Druck auf die eigene Bundesregierung auszuüben, die bestehenden Planungsmängel endlich zu beseitigen und sich für tatsächliche Verbesserungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger in Ihren Wahlkreisen einzusetzen. Das tun Sie aber nicht. Genauso wenig erkennen Sie, dass die Zeit reif ist, die Sinnhaftigkeit der Querung zumindest einem bis heute nicht stattgefundenen kritischen Abgleich mit Realitäten zu unterziehen. Stattdessen legen Sie hier am Ende der Legislaturperiode noch einen mehr als dürftigen Placeboantrag vor. Sie erdreisten sich tatsächlich nicht, die eigene Bundesregierung sage und schreibe fünf Jahre nach Unterzeichnung des Staatsvertrags aufzufordern, sich bei den weiteren Planungen "für akzeptable Formen sowohl bei der Trassenführung als auch beim Lärmschutz" einzusetzen. Wenn Sie von der schwarz-gelben Koalition glauben, jetzt, im Nachklapp der Entscheidung der Deutschen Bahn, einen solchen Antrag vorlegen und mit diesem tatsächlich durchkommen zu können, haben Sie sich geschnitten. Mit diesem Populismus werden Sie nicht bestehen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Menschen in der Region die Diskussionen über die Feste Fehmarnbeltquerung und deren Planungen sehr genau verfolgen. Sie haben die Reden, die Sie hier in diesem Hohen Haus über Jahre gehalten haben, genau mitgeschnitten. Ihnen ist Ihre in diesen Debatten offen zur Schau gestellte Ignoranz gegenüber sämtlichen vorgebrachten Warnungen und angemahnten Nachbesserungen keineswegs verborgen geblieben. Im Zuge der Debatte, die wir in diesem Haus am 26. April dieses Jahres zur Festen Fehmarnbeltquerung führten, kritisierte der Kollege Gero Storjohann, dass bezüglich der Querung im Parlament "laufend Anträge vorgelegt" werden, was "nicht besonders originell" sei. Ich sag' Ihnen von CDU/CSU und FDP eines - speziell in Richtung meiner Kolleginnen und Kollegen aus Schleswig-Holstein -: Es stimmt; unsere immer und immer wieder durch belastbares Zahlenmaterial untermauerten Anträge waren gewiss nicht "originell". Dafür ist die Thematik auch viel zu ernst. Was ebenso keineswegs originell ist, ist, die Menschen in Schleswig-Holstein für dumm zu verkaufen. Nichts anderes tun Sie durch die Vorlage dieses Antrags. Er wird Ihnen am Ende dieses Fehlprojekts nicht aus der Patsche helfen. Anlage 36 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Deutsche Sprache fördern und sichern (Zusatztagesordnungspunkt 18) Monika Grütters (CDU/CSU): Lassen Sie mich bei unserer Debatte über die deutsche Sprache hier im Deutschen Bundestag mit einem Beispiel beginnen, das mir der damalige Präsident der Akademie der Wissenschaften, Professor Dieter Simon, erzählte: Auf deutschem Boden führten sechs Wissenschaftler ein Expertengespräch über den Philosophen Hegel. Da einer von ihnen Amerikaner war, fand das Gespräch auf Englisch statt, bis ausgerechnet dieser Amerikaner sie unterbrach und auf Deutsch darum bat, man möge doch bitte Deutsch sprechen: "Ich verstehe Hegel nämlich besser auf Deutsch." Dies ist ein Beispiel für ein irregeleitetes Gleichheitsdenken an der falschen Stelle. Wie man an diesem Beispiel sieht, ist Sprache nicht nur Mittel zur Verständigung, sie ist wahre Kunst. Deutschland ist nicht ohne Grund das "Land der Dichter und Denker". Seit dem Mittelalter schon ist die deutsche Sprache eine der bedeutenden europäischen Literatursprachen. Von der Erfindung des Buchdrucks über Luthers Bibelübersetzung aus dem Lateinischen bis in die deutsche Klassik, die weltweit Achtung und Bewunderung für die Zeugnisse der Sprachkunst hervorruft, ist Deutsch über Jahrhunderte in Zentraleuropa die Sprache der Philosophie und Literatur. Das ist auch im globalen Kontext bedeutsam: Weltweit werden zurzeit circa 6 700 Sprachen gesprochen. Ende des Jahrhunderts werden wir nur noch halb so viele Sprachen nachweisen können, so die Gesellschaft für bedrohte Sprachen in Köln und auch die Erwartung der UNESCO. Etwa 125 Millionen Menschen weltweit sprechen die deutsche Sprache als Erst- oder Zweitsprache. Mit einem Anteil von 18 Prozent ist Deutsch die meistgesprochene Muttersprache in der Europäischen Union. Das sind rund 100 Millionen deutsche Muttersprachler. Als erste Fremdsprache steht Deutsch in Europa seit der EU-Osterweiterung hinter Englisch an zweiter Stelle gleichauf mit Französisch. 63 Millionen Europäer, das sind 14 Prozent, lernen Deutsch im Unterricht. Somit spricht EU-weit jeder dritte EU-Bürger, 32 Prozent, Deutsch. In vielen Ländern stellt Deutsch die alleinige oder regionale Amtssprache dar: Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich - Elsass -, Belgien, Luxem-burg, Italien und Liechtenstein. Die deutsche Sprachgemeinschaft ist wirtschaftlich derzeit die drittstärkste der Welt und die wirtschaftlich stärkste in Europa. Dennoch hat Deutsch im täglichen Betrieb der EU und ihrer Kommissionen und in dem Wirken der EU nach außen nicht die gleiche Bedeutung wie Englisch und Französisch. Auch im Inland ist Deutsch ein beliebter Gegenstand kulturpessimistischen Jammerns. Die Klage über den inneren Verfall der deutschen Sprache hat in Deutschland wieder einmal Hochkonjunktur. Die Angst, unsere Muttersprache könnte überfremdet oder verschludert werden, wird regelmäßig von selbsternannten Hütern der Reinheit der deutschen Sprache beklagt: Ob im Internet, auf der Chefetage oder im Hörsaal, so lesen wir, zerstöre "das globalisierte Englisch der Zeitgeist-Schwafler das lebendige Deutsch", so die Zeit am 26. Juli 2007. "Deutsch for sale", titelte dann auch der Spiegel 2006 und klagt, dass wohl nie zuvor "so schlampig gesprochen und geschrieben" worden sei. Vor der Fähigkeit unserer wie anderer Sprachen, Einflüsse des sich immer wandelnden alltäglichen Lebens zu integrieren, ist mir nicht bange. Die Gegenwart ist eher von Sprach- oder Wortinflation geprägt als von Sprach- und Wortverfall. 1880 zählte der Duden noch 27 000 Wörter. 2005 waren es bereits 125 000 Wörter. Jährlich kommen im Durchschnitt 1 000 Wörter hinzu. Deutsch ist eine der wortreichsten Sprachen der Welt. Das ist schön für uns Muttersprachler und schwierig für alle, die es lernen wollen. Sorge bereitet vielmehr die Frage, wie sich die deutsche Sprache in einer entgrenzten Welt behaupten wird. Doch wie steht es nach diesen Erkenntnissen um die Zukunft des Deutschen? Die deutsche Sprache wird nach einem Bericht des British Council - "English Next", British Council 2006 - derzeit noch als vorherrschende regionale Sprache Europas bezeichnet, sie werde aber, so die Voraussage, im Jahr 2050 nicht einmal mehr den Status einer Regional-, also einer Europasprache, haben. Über die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme zu streiten, ist müßig. Allein die Möglichkeit einer solchen Entwicklung fordert zu einer entschlossenen Sprachpolitik heraus. Daher haben wir auch heute diesen Antrag eingebracht. Im Zuge der Globalisierung verstärkt sich der Druck zugunsten weniger Weltsprachen. Selbst die englische Sprache wird sich ihre Rolle als Lingua franca bald mit anderen Sprachen, wie zum Beispiel dem Chinesischen und Hindi, teilen müssen. Das beeinflusst bereits heute im starken Maße das Sprachverhalten unserer wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Eliten. Deren Bereitschaft, das Deutsche zu sprechen und zu schreiben, lässt ja schon im eigenen Lande zu wünschen übrig. Wir Deutschen sprechen beflissen englisch, statt Dolmetscher zu beschäftigen. Allzu leichtfertig verzichten wir darauf, uns wortgewandt und damit gedankenreich in der vertrauten Muttersprache darzustellen. Neben der Philosophie, der Theologie, der Kunstgeschichte ist unter anderem auch die Archäologie eine der Disziplinen, in denen deutsche Wissenschaftler seit Jahrzehnten eine führende Rolle spielen - und mit ihnen natürlich auch ihre/unsere Sprache Deutsch. Aber ohne die englische Sprache kann heute kaum noch ein Wissenschaftler zu Weltruhm aufsteigen. Das darf aber nicht gleich zu einer regelrechten Sprachflucht deutscher Wissenschaftler führen. Denn wenn an deutschen Universitäten Englisch zur ausschließlichen Sprache in Forschung und Lehre würde, verkäme Deutsch zu einer Freizeitsprache, die mangels einer fortgebildeten wissenschaftlichen Terminologie modernen Ansprüchen nicht mehr genügte. Die Wissenschaftler täten sich mit einem Verzicht auf ihre Muttersprache Deutsch auch gar keinen Gefallen. Von der Wortgewandtheit und dem rhetorischen Geschick hängt es ab, ob jemand sich als gleichwertiger Partner in einem Gedankenaustausch behaupten kann. Kurzum: Einsprachigkeit hat in der Wissenschaft wie im übrigen Leben Eintönigkeit und Einfalt zur Folge. Nicht nur die Ideen und Forschungsfragen verarmen. Nach all dem bin ich fest davon überzeugt, dass das europäische Konzept der Mehrsprachigkeit die beste Antwort ist. Fremdsprachenkenntnisse bedeuten einen geistigen Gewinn, und das nicht allein deshalb, weil sie mit anderen, fremden Weltansichten vertraut machen. Mit dem Erlernen einer Fremdsprache verfeinert sich zudem das Verständnis für die Muttersprache. Der Vergleich mit der ersteren verschafft die Möglichkeit, die eigene Sprache zu überdenken. Wie hat es Goethe so treffend gesagt: "Wer fremde Sprachen nicht lernt, kennt seine eigene nicht." Die kurze, gescheiterte Karriere des Deutschen als internationale Wissenschaftssprache sollte uns lehren, dass intellektueller und nationalistischer Hochmut keine tauglichen Triebkräfte für eine erfolgreiche Sprachpolitik sind. Die deutsche Sprache wird sich als eine europa- oder gar weltweite Sprache nur behaupten, wenn wir das Bildungsziel der Mehrsprachigkeit auch zu unserer eigenen Sache in Deutschland machen. Denn nur wenn die deutsche Politik und die Wissenschaft in der Einsicht handeln, dass jede Sprache ein kulturelles Vermächtnis mit sich trägt, wird sie mit der Empathie handeln, die in der Sprachpolitik Erfolg verspricht. Wir selbst sollten ohne Dünkel, aber selbstbewusst für die deutsche Sprache eintreten, das heißt, sie sprechen und schreiben, auf nationaler wie auf internationaler Bühne, wann und wo es sich anbietet. Dass wir dabei den Berufen des Übersetzers und Dolmetschers künftig unsere besondere Aufmerksamkeit zukehren müssen, versteht sich von selbst. Ganz in diesem Sinne wäre nicht nur ein Staatsziel Kultur auch wahrlich mehr als nur ein folgenloser Verfassungsschnörkel. Ich persönlich wäre auch froh, wenn wir uns endlich dazu durchringen könnten, dem Art. 22 unseres Grundgesetzes den Satz hinzuzufügen: "Die Landessprache ist Deutsch." Johannes Singhammer (CDU/CSU): Es ist eine unendliche und aus deutscher Sicht auch beschämende Geschichte: Obwohl Deutsch in der Europäischen Kommission gleichberechtigte Arbeitssprache neben Englisch und Französisch ist und obwohl Catherine Ashton, die Hohe Repräsentantin der EU-Außen- und Sicherheitspolitik, Außenminister Guido Westerwelle seit Jahren die ja selbstverständliche Zusage gemacht hat, Deutsch im Europäischen Auswärtigen Dienst, EAD, angemessen zu berücksichtigen, sprechen die Fakten noch immer eine andere Sprache: Die Homepage des EAD ist nur in eingeschränktem Umfang auf Deutsch verfügbar. Termine, Reden und Erklärungen von Frau Ashton werden auf der deutschen EAD-Seite in englischer Sprache veröffentlicht. Erst auf massiven Druck werden jetzt Stellenausschreibungen in Englisch, Französisch und Deutsch veröffentlicht und neben Englisch- und Französisch- auch formal Deutschkenntnisse gefordert. Was das konkret heißt, formuliert Frau Ashton in einem Schreiben vom 24. April 2013 an mich ganz offen mit den Worten: "... dass wir von den Bewerbern erwarten, dass sie über die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben notwendigen Kenntnisse der im Rahmen der GASP und der Außenbeziehungen verwendeten Sprachen verfügen. Gleichzeitig wird eine Kenntnis anderer EU-Sprachen, natürlich einschließlich der Deutschen, auch als Vorteil betrachtet." Im Klartext: Deutschkenntnisse sind keine EAD-Einstellungsvoraussetzung bis heute. Außenminister Guido Westerwelle teilte mir in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 19. April 2013 mit, dass Deutschland rund 20 Prozent des EAD finanziert, auf der Ebene der EAD-Delegationsleiter aber nur 10 von 136 Posten mit Deutschen besetzt sind, das sind gerade mal 7 Prozent. Wenn wundert es noch, dass Deutsch in der EU untergeht? Es ist freilich nur ein Mosaikstein in der systematischen Diskriminierung, die die deutsche Sprache durch die Mehrzahl der europäischen Organe und Behörden erfahren hat und erfährt. Es hat zahllose Initiativen zur Behebung dieses Missstandes gegeben - von der Anweisung der Bundesregierung an deutsche Beamte, nur auf Deutsch zu verhandeln, über geplatzte Ratstagungen, an denen die Vertreter Deutschlands und Österreichs nicht teilgenommen haben, weil keine deutsche Übersetzung gewährleistet war, bis zu Vorstößen des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und von Vertretern der Zivilgesellschaft. Der Erfolg ist bislang mäßig. Es kann nicht sein, dass wir Parlamentarier regelmäßig Beratungsdokumente nur in englischer Sprache vorliegen haben, die der Deutsche Bundestag dann auf eigene Kosten übersetzen soll. Es kann nicht sein, dass immer wieder Überlegungen aufflammen, in der Brüsseler Generaldirektion Übersetzung in der Deutschabteilung bis zu 22 Stellen zu streichen und dafür den englischen Bereich auszuweiten. Es kann nicht sein, dass das Auswärtige Amt Deutschkurse für den EAD durch das Goethe-Institut mit Sprachaufenthalten in Berlin anbieten muss. Dies alles ist eine eigene Aufgabe der EU. Dabei ist Deutsch für über 100 Millionen Menschen Muttersprache, und damit die größte Sprachgruppe in der Europäischen Union. Deutsch ist Amts- bzw. anerkannte Minderheitensprache in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Belgien, Dänemark, Polen, Italien und Frankreich, und es ist nach Englisch die am zweithäufigsten verbreitete Fremdsprache in Europa. Diese Fakten gilt es selbstbewusst zur Kenntnis zu nehmen. Die Charta der Grundrechte gewährleistet mittlerweile in Art. 41 jedermann das Recht, sich in einer der Sprachen der Verträge an die Organe der Union zu wenden und eine Antwort in derselben Sprache zu erhalten; in der Praxis ist dies jedoch noch nicht angekommen. Doch ist es mit dem Anspruch auf Kommunikation in der eigenen Sprache nicht getan. Auch in den internen Entscheidungsprozessen der EU-Organe bedarf es der gleichberechtigten Berücksichtigung des Deutschen. So werden zum Beispiel Fortschrittsberichte über EU-Beitrittsverhandlungen zunächst nur in Englisch veröffentlicht. Deutsch folgt Wochen später. Da ist dann die öffentliche Diskussion bereits vorbei. Sprache ist Identität, gelebte Kultur und Heimat. Soll die europäische Integration auf Dauer nicht in der Herrschaft einer entrückten Brüsseler EU-Bürokratie münden, dann wird dies nur möglich sein, wenn Deutsch endlich auch tatsächlich im Gebrauch zu einer echten Arbeits- und Umgangssprache der EU wird. Es ist deshalb notwendig, auf allen Ebenen die Umsetzung der rechtlichen Garantien der deutschen Sprache als Arbeitssprache nicht nur einzufordern, sondern dies auch mit allen rechtlichen und politischen Mitteln von der Bundesregierung durchzusetzen, bis hin zur Frage der Zustimmung zu einem EU-Haushalt, in dem der Etat für Übersetzungen zu gering ist. Doch müssen wir auch als Deutsche selbst immer wieder bei internationalen Organisationen die Verwendung der deutschen Sprache aktiv einfordern und dies auch konsequent in Deutschland vorleben. Denn die prekäre Situation des Deutschen ist nicht zuletzt auch unsere eigene Schuld: Jahrzehntelang konnten unsere Partner in Europa beobachten und unsere eigenen Kinder lernen, wie desinteressiert wir an der eigenen deutschen Sprache waren bzw. sind, dass man lieber pseudo-englische Begriffe wie "Handy" erfand und vermeintliche Weltläufigkeit durch das Einstreuen von Angli-zismen zu belegen versuchte, dass selbst von der Bundesregierung finanzierte wissenschaftliche Kongresse wie der "World Health Summit" in Berlin in englischer Sprache abgehalten werden und deutsche Vertreter dort ihre Reden auf Englisch halten, ohne deutsche Übersetzung, dass deutsche Universitäten Prüfungen nur noch auf Englisch abhalten - und ich rede nicht von Sprachprüfungen in Englisch. Solche negativen Beispiele gibt es leider zu viele. Aber es gibt auch eine positive Wende: Bundesverkehrsminister Ramsauer hat bei der Deutschen Bahn ein klares Signal zurück zum Deutschen gestellt: Der Counter ist jetzt wieder der Schalter. Es geht also, wenn man nur will. Daher unsere Forderungen in diesem Antrag, dass die deutsche Bundesregierung eigene Texte, Verlautbarungen, Werbekampagnen und Bürgerkommunikation in verständlicher deutscher Sprache abfassen soll, dass Deutsch durchgängig bei Beschilderungen, Beschriftungen usw. auf allen Ebenen verwendet werden soll, dass in den europäischen Institutionen Deutsch als Arbeitssprache praktiziert wird, auch bei Übersetzungen und Unterlagen, dass deutsche Beamte in den EU-Gremien deutsch sprechen sollen und dass im EAD Deutsch angemessen und wie zugesagt zum Einsatz kommt. Im Wissenschaftsbereich gilt, dass Deutsch die Wissenschaftssprache in Deutschland bleiben muss, dass akademische Lehre zumindest ausgewogen in deutscher Sprache erfolgt, dass professionelle Übersetzung aus dem Deutschen oder ins Deutsche gefördert werden soll, aber auch, dass es über die Goethe-Institute weiter gefördert wird, dass junge Menschen Deutsch als Fremdsprache lernen können. Diese sich in Deutschland verändernde öffentliche Meinung gilt es dann auch in Brüssel zu transportieren und selbstbewusst für die Sprache der Dichter und Denker zu fechten. Dr. h. c. Wolfgang Thierse (SPD): Was die Koalition mit ihrem Antrag "Deutsche Sprache fördern und sichern" anstellt, ist nichts weniger als empörend. Ein wichtiges, ja edles Anliegen, über das ernsthaft und -ausführlich zu sprechen wäre, wird hier am Ende der -Legislaturperiode in allerletzter Minute ins Plenum eingebracht, weit hinten auf die ohnehin ellenlange Tagesordnung gesetzt, direkt zur Abstimmung gestellt und mit Reden zu Protokoll spät nachts verabschiedet. Eine ordentliche Debatte und eine Aussprache in den Ausschüssen sind damit ausgeschlossen. Die Koalition beerdigt damit ihre eigene Initiative in der denkbar teilnahmslosesten Weise - mit einem Begräbnis dritter Klasse. Dieses Vorgehen zeigt, wie wenig ernst die Koalition ihre eigene Initiative nimmt. Das wird der Bedeutung des Themas nicht gerecht. Schon deshalb lehnen wir den Antrag ab. Das Anliegen, mit der deutschen Sprache einen wesentlichen Bestandteil unseres kulturellen Reichtums zu fördern und zu bewahren, halten wir für zu wichtig. Dabei ist über den Inhalt des Antrages Erfreulicheres zu sagen: Es steht viel Richtiges darin. Es ist richtig, den Appell der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" mit der Forderung aufzunehmen, im öffentlichen Raum auf unnötige Anglizismen zu verzichten. Die Ankündigung der Deutschen Bahn in dieser Woche lässt diesbezüglich hoffen. Die Bahn will im Kundenverkehr jene Begriffe abschaffen, die für Reisende ohne Englischkenntnisse schlicht unverständlich bleiben. Für einen Irrtum halte ich dagegen den Ansatz, aus nationalen Gründen auf der Förderung der deutschen Sprache zu beharren. Dies greift viel zu kurz. Der Gebrauch der deutschen Sprache ist nicht deshalb zu verteidigen, weil es die deutsche ist. Er ist zu verteidigen, weil die deutsche Sprache den Reichtum einer ganzen - in ihrer Weise einmaligen - Kultur abbildet. Sie prägt und ist gleichzeitig Ausdruck unserer Kultur des Denkens, des Handelns und Erfindens, des sozialen Umgangs und auch des Politischen. Im Alltag wie in den Wissenschaften ist unsere Kultur an eine spezifische deutsche Begrifflichkeit gebunden, die sich aus gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Diskursen heraus über lange Zeit entwickelt hat. Sie ist nicht starr und auch nicht besser, aber eben anders als etwa entsprechende Traditionen im angelsächsischen, romanischen oder chinesischen Sprachraum. Alle diese kulturellen Traditionen sind erhaltenswert; wir wollen sie in ihrer Vielfalt bewahren, in Europa und in der Welt. Deshalb müssen wir alle auf unsere Sprachen achtgeben. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigen beunruhigende Entwicklungen in der Wissenschaft. Das Verhältnis zur deutschen Sprache scheint bei der wissenschaftlichen Elite unseres Landes oftmals von Lieblosigkeit, wenn nicht Verachtung geprägt zu sein. Oftmals geht diese einher mit einer unreflektierten Anbiederung an das Englische, das dann gleichzeitig als einzige Wissenschaftssprache proklamiert wird. Ein solches Wissenschaftsverständnis halte ich für fatal. Denn darunter wird absehbar die Qualität der wissenschaftlichen Leistungen in Deutschland leiden, und dann wird die deutsche Sprache wirklich provinziell. Es ist ein Fehler zu glauben, dass Internationalität des wissenschaftlichen Denkens Monolingualität heißen muss. Forschen und Erfinden bedarf der Fantasie, bedarf eines großen sprachlichen Reichtums und der Sicherheit im Umgang damit. Nur so kann ein Wissenschaftler eine Erkenntnis in all ihren einzelnen Aspekten ausbreiten und formulieren. Dazu ist nur ein Muttersprachler fähig. Ein deutscher Wissenschaftler kann deshalb noch so gut Englisch sprechen: Die Qualität und Exaktheit des Ausdrucks, derer er im Deutschen fähig ist, wird er im Englischen nicht erreichen. Wenn es um Exzellenz geht, muss dieser Weg deshalb notwendig in die Irre führen. Internationalität in der Wissenschaft kann nur den intensiven Austausch zwischen Sprachen und Kulturen bedeuten. Kulturelle und sprachliche Unterschiede der Forschenden ermöglichen einen Reichtum kognitiver und emotionaler Art, der sich dann auch in der Qualität der Forschung niederschlägt. Die Forderung heißt also Mehrsprachigkeit! In Deutschland sollten wir deshalb dafür sorgen, dass bei Exzellenzwettbewerben, bei Anträgen auf Forschungsförderung, bei allem, was Steuergelder kostet, die deutsche Sprache verwendet wird. Dies ist keine Selbstverständlichkeit mehr, wenn Kongresse in Deutschland, die vorwiegend von deutschen Fachwissenschaftlern besucht werden, in englischer Sprache abgehalten werden. Hier ist das Bundesministerium für Forschung und Wissenschaft aufgefordert, zu handeln. Sprachpolitik in diesem Sinne ist nicht nur zum Wohle einer kleinen Elite und der Sicherung der Qualität in Wissenschaft und Forschung nötig. Vielmehr liegt sie im gesamtgesellschaftlichen Interesse. Es geht auch um das Aufrechterhalten der Verbindung von Wissenschaft und Gesellschaft und damit um die Verteidigung des demokratischen und pluralen Charakters von Wissenschaft. Diese und weitere Aspekte, die eine deutsche Sprachpolitik sinnvoll machen, hätten in den Ausschüssen diskutiert und in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden müssen. Die Koalition versagt sich und dem Parlament eine sinnvolle Debatte. Noch eine vertane Chance! Reiner Deutschmann (FDP): "Jede Sprache ist Trägerin des kulturellen Gedächtnisses". So steht es zu Beginn unseres Antrags "Deutsche Sprache fördern und sichern", den die christlich--liberale Koalition nun zur Beratung und Abstimmung im Deutschen Bundestag vorgelegt hat. In einer vernetzten und globalisierten Welt macht man sich im alltäglichen Leben oft nicht bewusst, welchen Stellenwert die Sprache, insbesondere die eigene Muttersprache, hat. Deutsch ist eine der zehn weltweit am häufigsten gesprochenen Sprachen und besticht durch einen mit 500 000 Wörtern des allgemeinen Sprachgebrauchs sehr reichen Wortschatz. Der deutsche Sprachraum ist die wirtschaftlich stärkste Region in Europa. Da könnte man annehmen, dass auch die deutsche Sprache eine dementsprechend wichtige Rolle in Europa einnehmen würde. Stattdessen fristet Deutsch, obwohl offiziell dritte Amtssprache der Europäischen Union, ein stiefmütterliches Dasein. Stattdessen werden EU-Vorlagen zumeist in englischer oder französischer Sprache verfasst und auch im Entscheidungsprozess vorgelegt. Mit dem heute vorgelegten Antrag geht es nicht darum, Deutsch im Wettbewerb der Sprachen vor dem Englischen oder Französischen zu platzieren und die Rolle der beiden anderen Sprachen zu verkleinern. Wir sind überzeugt vom Prinzip der Mehrsprachigkeit. Ein Europa der 27 hat mehr zu bieten als nur zwei Amtssprachen. Ohne die ohnehin unbestrittene Rolle des Englischen als Weltsprache berühren zu wollen, ist es doch angebracht, dass in einem vielfältigen Europa auch ganz selbstverständlich andere Sprachen zur Kommunikation untereinander genutzt werden, zumal die EU einen hervorragenden Übersetzungsdienst anbietet. Mit unserem Antrag möchten wir die deutschen Akteure auf europäischer Ebene bitten, dafür Sorge zu tragen, dass die Sprachvielfalt auf EU-Arbeitsebene kein Lippenbekenntnis bleibt, sondern gelebte europäische Integration ist. Dazu müssen wir bereit sein, unsere Sprache aktiv auf europäischer Ebene einzubringen, so wie wir uns dies auch von den anderen EU-Mitgliedstaaten wünschen würden. Gleichzeitig kann von unseren Mandatsträgern in Deutschland, Brüssel und Straßburg sowie unseren Beamten und Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltungen nicht per se erwartet werden, dass Entscheidungen immer öfter nur auf Grundlage nichtdeutscher Vorlagen gefällt werden. Es kann bezweifelt werden, dass alle Beteiligten immer verstehen, was in den Vorlagen enthalten ist. Hier ist eine Übersetzung ins Deutsche erforderlich, so die Anfertigung dieser mit vertretbarem Aufwand möglich ist und besonders eilbedürftige Notfallszenarien ausnimmt. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses konnte ich mich schon mehrfach vergewissern, welch hervorragende Arbeit die Goethe-Institute im Ausland leisten. Nicht nur der neue Trainer des FC Bayern München, Pep Guardiola, hat seine Deutschlehrerin über das Goethe-Institut vermittelt bekommen und mit ihrer Hilfe hörbar erfolgreich Deutsch gelernt. Das Goethe-Institut bildet zum Beispiel auch ausländisches Krankenhaus- und Pflegepersonal noch in der Heimat aus, damit dieses bereits bei Antritt der Stelle in Deutschland Deutsch spricht und über das notwenige Fachvokabular verfügt. Das Goethe-Institut ist eine der bekanntesten Kulturmarken Deutschlands, und wir sollten dafür sorgen, dass dies so bleibt und unser Kulturmittler seine Arbeit ersten Ranges weiter so erfolgreich fortführen kann. Auf weitere Aspekte der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik wird mein Kollege Patrick Kurth in seiner Rede eingehen. Ein Punkt ist mir besonders wichtig in unserem Antrag. Die Förderung der deutschen Sprache zielt nicht nur ins Ausland. Deswegen begrüße ich es ausdrücklich, dass in Abstimmung mit den Ländern ein verbindlicher bundesweiter Sprachstandtest eingeführt und bei Bedarf gezielte Sprachprogramme angeboten werden sollen. Dies betrifft natürlich auch insbesondere die Integration von Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen und mit uns hier leben wollen. Die Vermittlung von Sprachkenntnissen ist dabei eine wichtige Aufgabe, die unsere Gesellschaft zu leisten hat. Dazu kommt die Stärkung von Initiativen zur Förderung der Sprachkompetenz von Migrantinnen und Migranten. Wir können es uns auch angesichts des demografischen Wandels in Deutschland nicht leisten, wertvolle und lernwillige Menschen nur aufgrund mangelnder Sprachfähigkeiten für unser gesellschaftliches Leben und unsere Wirtschaftskraft zu verlieren. Nur wer die Sprache beherrscht, hat Zugang zu unserer an Kultur und Bildung reichen Gesellschaft. Ich gehe davon aus, dass der Erhalt und die besondere Förderung der deutschen Sprache ein Herzensanliegen aller Fraktion des Deutschen Bundestages ist, und bitte Sie somit um Zustimmung zu diesem Antrag. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Deutsch ist eine der großen Kultursprachen der Welt. 100 Millionen Menschen sprechen Deutsch als Muttersprache. Es ist die meistgesprochene Sprache in der Europäischen Union und nach Englisch die wichtigste Fremdsprache. Für uns Deutsche ist unsere Sprache nicht nur verbindendes kulturelles Grundelement und historisches Erbe, sondern die gemeinsame Grundlage für unser Leben. "Sie ist das prägende Element der deutschen Identität", wie der Abschlussbericht der Enquete-Kommission "Kultur in Deutschland" (Bundestagsdrucksache 16/7000) resümiert. Damit ist die deutsche Sprache der Schlüssel zu unserem Land und unserer Gesellschaft. Ausreichende Sprachkenntnisse sind ein entscheidender Faktor, wenn es darum geht, in Deutschland zu arbeiten und heimisch zu werden. Dies müssen wir heute, in Zeiten von demografischem Wandel, einer alternden Gesellschaft, von Fachkräftemangel und von internationalem Wettbewerb, besonders berücksichtigen. Angesichts dieses Umfeldes ist Deutschland zunehmend auf qualifizierte Zuwanderung angewiesen - besonders auch aus dem nichtdeutschsprachigen Ausland. Dabei sind wir erfolgreich. Viele junge Menschen zieht es nach Deutschland, weil sie hier gute Perspektiven sehen. Generell erfreut sich Deutschland in der Welt großer Sympathie. Vielerorts blicken die Menschen neugierig auf unser vielfältiges Land. In vielen Teilen der Welt ist zu beobachten, dass auch das Interesse am Deutsch-Lernen wieder zunimmt - insbesondere in Wachstumsregionen wie China, Brasilien und Indien, aber auch in Ost- und Südeuropa. Die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung Deutschlands macht die Kenntnis der deutschen Sprache auch in den neuen Wachstumsregionen der Welt attraktiv; denn Deutsch eröffnet berufliche Chancen und den Zugang zu einer Ausbildung in einem der besten Bildungssysteme der Welt. Es gilt, dieses Interesse weiter zu unterstützen und weltweit das Erlernen der deutschen Sprache zu ermöglichen. Daher war die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik selten so wichtig wie heute. Dafür sind aber die richtigen Schwerpunkte nötig. Die christlich-liberale Koalition hat bei der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik die überfällige Neujustierung umgesetzt - hin zu mehr Sprachförderung. Unter liberaler Führung haben wir die Mittel gerade in diesem Bereich erheblich angehoben. Zahlreiche erfolgreiche Initiativen wurden begonnen. Mit der Initiative "Deutsch - Sprache der Ideen" begeistern wir junge Menschen im Ausland für die deutsche Sprache und öffnen ihnen Türen zur deutschen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur. Große Sprachwerbe-kampagnen fördern die deutsche Sprache in ausgewählten Ländern wie Großbritannien - Think German in 2010/11 -, Polen - Deutsch-Wagen-Tour -, Tschechien - Šprechtíme - und Frankreich - DeutschMobil. Im November 2010 startete die umfangreiche Werbekampagne "Lern' Deutsch!" in Russland und gipfelt nun im deutsch-russischen Sprachenjahr 2013/14. Gemeinsam mit US-amerikanischen Partnern startete das Auswärtige Amt ein Sonderprogramm zur Förderung von Deutsch in den USA. Mehr Schulen, Colleges und Universitäten sollen Deutschunterricht anbieten und mehr Schüler Zugang zur deutschen Sprache erhalten. In Indien wurde Deutsch als Fremdsprache an 1 000 Schulen eingeführt. 1 Million Schüler erhält so Zugang zu unserer Sprache. All diese Programme tragen nicht nur zur Verbreitung von Deutsch bei, sondern vermitteln auch unsere Willkommenskultur in Deutschland. Besonders wichtig für die Deutschförderung im Ausland ist das weltumspannende Netz der Initiative "Schulen: Partner der Zukunft", PASCH. Sie ist die bisher größte Investition im Bereich des Auslandsschulwesens und der Sprachförderung mit jährlich circa 50 bis 55 Millionen Euro seit 2008. Mit PASCH wurde ein weltweites Netzwerk von mittlerweile über 1 500 Schulen aufgebaut, an denen Deutsch unterrichtet wird. Damit trägt die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zur Qualifikation von rund 500 000 Schülerinnen und Schülern rund um den Globus bei, die wir für Deutschland gewinnen wollen. Damit Deutschland langfristig wettbewerbsfähig bleibt, müssen wir uns heute um die klügsten Köpfe bemühen und ihnen eine Möglichkeit geben, in unserem Land Fuß zu fassen. Auch durch die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der schwarz-gelben Koalition -waren wir darin in den letzten Jahren sehr erfolgreich. Nur wenn wir bei unserer Sprachförderung im Ausland nicht nachlassen, werden wir auch in Zukunft ein attraktives Ziel für die Motivierten und Hochqualifizierten aus aller Welt bleiben. Dafür wird sich die FDP-Fraktion einsetzen. Dr. Rosemarie Hein (DIE LINKE): Was hat sich die CDU nur dabei gedacht, einen solchen Antrag, noch dazu in der letzten Sitzungswoche der Wahlperiode, einzubringen? Möglicherweise spekulierte sie darauf, dass er dann ja gar nicht mehr öffentlichkeitswirksam debat-tiert werden kann. Das ist möglicherweise auch das Beste, was diesem Antrag passieren kann, denn er ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Zwar können sich die Autoren darauf berufen, viele ihrer Standpunkte und Faktensammlungen, die die besondere Bedeutung der deutschen Sprache in der Welt belegen sollen, auch im Enquete-Bericht "Kultur in Deutschland" wiederzufinden, doch jene Aussagen, die dort auf Vielfalt und Entwicklung von Sprache als Verständigungsmittel abzielen, werden absichtsvoll ausgeblendet. Im Antrag werden Aussagen zur Sprachbeherrschung als Mittel der Verständigung lustig gemischt mit Aussagen zur Pflege des auf der deutschen Sprache aufbauenden Kulturgutes, wird Sprache plötzlich zum Wirtschaftsfaktor, werden Forderungen aufgemacht, bei -denen man den Eindruck bekommt, das deutsche Reinheitsgebot beim Bierbrauen solle nun auf die deutsche Sprache übertragen werden. Dabei werden Minderheitenrechte ebenso ignoriert wie die Sprachgeschichte von Jahrhunderten. Wäre es nicht so traurig, würde ich meine Rede mit dem Slogan "Vom Muckefuck zur Bluejeans" überschreiben. Beide Worte sind wohl auch im deutschen Sprachraum verständlich, beide sind nichtdeutscher Herkunft. Das Wort "Fenster", habe ich gelernt, ist ebenfalls ein Lehnwort, eben einer anderen Sprache entlehnt. Die deutsche Sprache gehört zur indogermanischen Sprachfamilie wie eben auch die in Indien gesprochenen Sprachen. Mit dem Hochdeutsch eines Walther von der Vogelweide könnten wir uns heute kaum verständigen und auch die wenigsten in Friesisch, Bayrisch oder dem in meiner Region gesprochenen Bördeplatt. Worüber reden wir also? Sprachen sind Produkte gesellschaftlicher Entwicklungen. Sie werden sowohl vom Zusammenleben in einer konkreten Gemeinschaft wie auch vom Austausch mit anderen Kulturen geprägt. Was uns heute fremd erscheint, wird über kürzere oder längere Zeit unsere Sprache prägen. Die netzaffinen "Neuland"-Bewohner können schon länger mit "Hashtags" etwas anfangen. Ich hab das erst vor kurzem gelernt. Auch wenn ich es blöd finde, zu Zeitplänen "timetable" zu -sagen, kann und will ich nicht verhindern, dass andere Lebensgewohnheiten irgendwann auch meine Sprache und Ausdrucksweise prägen. Ich gehe ins Restaurant oder ins Bistro und freue mich, wenn ich in anderen Ländern diesen Hinweis finde, weil ich ansonsten die Sprache dort nicht verstehe. Ich freue mich, wenn ich in Finnland, das übrigens zwei Muttersprachen anerkennt, in einem Kaufhaus in Helsinki bei dem Versuch, mich radebrechend auf Englisch verständlich zu machen, vom Verkaufspersonal freundlich darauf hingewiesen werde, dass man mich auch auf Deutsch versteht. Doch was sollen mir die Aussagen im Antrag, wie viele Menschen auf der Welt deutsch sprechen? Und vor allem: Welches Recht, welche Forderung sollen sich daraus ableiten? Moderne Sprachen sind für mich jene, die sich zur Verständigung in einer internationalen Welt eignen. Da ist Mehrsprachigkeit, die mir leider nicht gegeben ist, eher angesagt als der den Antrag an vielen Stellen prägende Alleinvertretungsanspruch der deutschen Sprache. So etwas führt zur Abkapselung und ist das Gegenteil von weltoffen. Und nein, aus Heinrich Heines "Buch der Lieder" werden wir keine Papiertüten falten, und Wolfram von Eschenbach werden wir genauso achten wie Rabindranath Tagore, Nazim Hikmet und Pablo Neruda, deren Poesie ich nur in deutscher Übersetzung verstehe. Doch ich bin mir nicht sicher, ob sie in ihrer Ursprungssprache nicht viel poetischer klingen. Lassen Sie uns den Schwerpunkt darauf legen, dass alle Menschen, die in unserem Land leben oder leben wollen, über eine gute Grundbildung verfügen und sich mittels Sprache verständigen können. Lassen Sie uns Literatur und Sprache, auch die deutsche, als Kulturgut pflegen, aber lassen Sie uns keine Ansprüche daraus ableiten, die eher unserer Vergangenheit angehören als unserer Zukunft. Claudia Roth (Augsburg) (BÜNDNIS 90/DIE -GRÜNEN): Ich wundere mich sehr, wie die Koalition mit dem Thema deutsche Sprache umgeht. Auf den allerletzten Drücker, in der letzten Sitzungswoche der Legislaturperiode, bringt sie einen Antrag zum Thema ein, der offensichtlich mit heißer Nadel gestrickt wurde und über den auch sofort abgestimmt werden soll - ohne Chance, dass er je den zuständigen Fachausschuss erreicht. Auch eine Plenumsdebatte, in der Argumente ausgetauscht werden könnten, ist nicht vorgesehen. Die Reden gehen zu Protokoll. Dort können die an deutscher Sprache Interessierten dann ja die Standpunkte nachlesen. Nein! Das ist ein wirklich schludrig-wurschtiger Umgang mit dem Thema und wird der Verantwortung des Parlaments und seiner Gremien nicht gerecht. Einmal mehr sehen wir einen Akt aus dem Schauspiel, das Schwarz-Gelb nun schon seit Wochen aufführt und das den Titel trägt: "Abends werden die Faulen fleißig". Gute Fachpolitik haben wir von der Koalition vier Jahre lang nicht gesehen. Jetzt zum Schluss reicht es vollends nur noch für Showanträge, die im tiefen Widerspruch stehen zur von Schwarz-Gelb tatsächlich betriebenen Politik. Im Antrag begegnet uns der Satz: "Deutsch ist mit etwa 500 000 Wörtern des allgemeinen Sprachgebrauchs eine besonders wortreiche Sprache." Gemeint ist hier wohl der gesamte deutsche Wortschatz ohne Fachsprachen, der auf 300 000 bis 500 000 Wörter geschätzt wird. Wenn hinter diesem und manch anderem Satz im Antrag der Versuch stecken sollte, eine Art romantischen Sprachpatriotismus in Politik zu übersetzen, dann dürfte das nicht sehr weit führen. Was die genannte Zahl angeht, da gibt es möglicherweise ein Sprachgenie, das den gesamten deutschen Wortschatz wirklich ausschöpft; der im Antrag genannte "allgemeine Sprachgebrauch" tut dies sicher nicht. Der zentrale Wortschatz der deutschen Standardsprache dürfte bei rund 70 000 Wörtern liegen. In Goethes Werk wurden rund 90 000 aktiv gebrauchte Wörter ermittelt, was im Vergleich zu anderen Autoren sehr viel ist. Der durchschnittliche aktive oder produktive Wortschatz der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger liegt deutlich darunter, Schätzungen zufolge sind es um die 15 000 Wörter, darunter auch einige Tausend Fremdwörter. Der Wortschatz der englischen Sprache wird übrigens auf 600 000 bis 800 000 Wörter geschätzt. Aber solche abstrakte Zahlen sagen wenig. Wo Zahlen für das Anliegen der Sprachförderung tatsächlich wichtig wären, fehlen sie im Antrag, zum Beispiel beim für Bildungschancen so bedeutsamen frühkindlichen Spracherwerb. Dass es hier große Aufgaben gibt, wissen wir. Der Antrag liefert keine verlässliche Datengrundlage, um sie genauer zu definieren. Stattdessen bringt er einiges an Lyrik und Prosa zur Geschichte der deutschen Sprache - der Sprache der "Dichter und Denker". Und er spart auch die Erfindung des Buchdrucks und Luthers Bibelübersetzung nicht aus. Was er geschichtlich dagegen völlig ausspart, ist die absolute Katastrophe, die der deutschen Sprache mit dem Nationalsozialismus widerfahren ist, und zwar nicht nur im Sinne der "Lingua Tertii Imperii", jener Sprachde-formationen im Dritten Reich, die Victor Klemperer -kritisch protokollierte, sondern auch mit Blick auf den Exodus von Künstlerinnen und Künstlern und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Nazideutschland. Dass Deutsch heute keine große Wissenschaftssprache mehr ist, sondern in der internationalen Scientific Community immer mehr ein Randdasein fristet, hat darin wesentliche Gründe. An der Tatsache, dass Deutsch nach dem Krieg in -vielen Ländern als aggressive Sprache des Befehls und Kommandos wahrgenommen wurde, hat sich inzwischen zum Glück einiges geändert. Angesichts solch -erfreulicher Veränderungen sind auftrumpfende Äußerungen wie die von Volker Kauder auf dem Leipziger CDU-Parteitag 2011 - mitten in den Verwerfungen der Euro-Krise -, wonach in Europa jetzt wieder Deutsch gesprochen werde, äußerst kontraproduktiv. Sie schaden dem Anliegen, den offenen und unverkrampften Zugang zur deutschen Sprache zu entwickeln, und werfen uns zurück. Schauen wir uns die Forderungen des Antrags im Detail an. Die erste Forderung erwähnt tatsächlich die kindliche und frühkindliche Sprachförderung. Wir wissen, wie wichtig das ist. Die zentrale Aufgabe an dieser Stelle, der konsequente Ausbau einer qualitativ hochwertigen Infrastruktur der Kinderbetreuung, wird jedoch nicht benannt. Das verwundert wenig bei einer Koalition, die mit ihrer desaströsen Herdprämie genau auf das Gegenteil setzt. Sie verbrennt Geld, das für den Ausbau der Betreuungsinfrastrukturen nötig wäre, und schafft Anreize, damit Kinder aus bildungsfernen Schichten, die frühe Sprachförderung am dringendsten brauchten, zu Hause bleiben und die nötige Förderung nicht erfahren. Die zweite Forderung erwähnt Initiativen zur Förderung der deutschen Sprache im Bereich der Integration von Migrantinnen und Migranten. Auch das ist sehr wichtig - und ebenfalls eine Baustelle, auf der Schwarz-Gelb versagt hat. Wir brauchen keine ständigen Androhungen von Sanktionen, wenn Deutsch- und Integrationskurse abgebrochen werden, sondern eine bessere -finanzielle Ausstattung dieser Kurse und Betreuungsangebote für Kinder während der Kurszeiten, damit auch Mütter problemlos teilnehmen können. In der dritten Forderung wird wieder einmal der Kampf gegen die Anglizismen aufgemacht. Da möchte ich doch auf das Blamagepotenzial hinweisen, das es hier gibt, zum Beispiel wenn Dr. Peter Ramsauer als hochministerieller Sprachpfleger aus "Laptops" "Klapprechner" macht und "Tickets" bei ihm nur noch "Fahrschein" heißen dürfen. So etwas ist doch wirklich ganz kleines Karo und führt uns auf den spießig-sprachpolizeilichen Weg. In der zehnten Forderung taucht ziemlich verschämt das neue Auslandsschulgesetz auf. Ich verstehe schon, dass man dieses schlecht gemachte Gesetz erwähnen musste, weil es zu auffällig wäre, wenn es in einem Antrag zur Förderung der deutschen Sprache überhaupt nicht vorkäme. Aber was die Probleme angeht, die hier zu benennen sind, da geht es doch nicht vorrangig und einzig um das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz. Vordringlich wäre eine klare Forderung nach Rücknahme der in diesen Tagen bekannt gewordenen Kürzungen im Haushaltsentwurf für den Bereich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik! Die Koalition will die Mittel für die Förderung der Auslandsschulen von 244 Millionen Euro im laufenden Haushalt auf 224 Millionen Euro im Haushalt 2014 kürzen - und das, obwohl mit dem Auslandsschulgesetz großspurig angekündigt wurde, die Finanzierung der Auslandsschulen "auf sichere Beine zu stellen". Als einzig sicher erscheint nun, dass den Auslandsschulen kräftig ein Bein gestellt wird - und damit auch der Förderung der deutschen Sprache im Ausland. Besonders leiden werden die kleinen Auslandsschulen mit weniger als zwölf Abschlüssen im Jahr; denn die fallen aus der neuen gesetzlichen Förderung sowieso schon heraus. Und sie werden sehr tief fallen und nur noch eine Restförderung erhalten, wenn ein schrumpfender Etat mit Vorrang an die großen Schulen verteilt wird, die nun den gesetzlichen Anspruch haben. Und es geht nicht nur um Sprachförderung. Viele kleine Schulen befinden sich in den Krisenregionen dieser Welt. Es sind Schulen, die für Demokratie- und Menschenrechtsbildung unendlich wichtig sind und die wir doch besonders unterstützen müssen. Mit dem neuen Auslandsschulgesetz - und den sogleich hinterher geschobenen Kürzungen bei den Auslandsschulen - sehe ich große Gefahren für diese Schulen weit über die Sprachförderung hinaus. Auch die Stipendienmittel des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, DAAD, werden im Haushaltsentwurf der Koalition um 17 Millionen Euro gekürzt, das heißt um 13 Prozent - gegen jede Vernunft. Welche Auswirkungen das auf den Wissenschaftsaustausch und die Förderung von Deutsch als Wissenschaftssprache haben wird, kann man sich an fünf Fingern abzählen. Kleinlich bis knickrig ist die 16. Forderung, die darauf abzielt, in deutschen Parlamenten erst dann über europäische Vorhaben zu entscheiden, wenn eine amtliche Übersetzung in deutscher Sprache vorliegt. Das sollte man doch wirklich nicht so verbissen sehen und stets entlang der Inhalte und Dringlichkeiten entscheiden. Keine Treffer landet man, wenn man im Koalitionsantrag nach erleichterten Visa- und Einreiseregelungen sucht, obwohl erleichterte Einreisemöglichkeiten nach Deutschland doch ein zentrales Anliegen gerade bei der Förderung der deutschen Sprache sein müssten. Kein Wort zur diskriminierenden Regelung, wonach beim Ehegattennachzug aus dem Ausland einige gleicher sind als andere und Ehegatten aus Japan oder den USA beim Nachzug keinen Sprachnachweis brauchen, Ehegatten zum Beispiel aus der Türkei aber schon. Kein Wort zu Visabestimmungen, die Deutschland teilweise abschotten von einer sich rasant globalisierenden Welt. Wenn es zum Beispiel für türkische Künstlerinnen und Künstler viel einfacher ist, nach Moskau als nach Berlin zu reisen, dann sollten wir uns nicht wundern, wenn der Kulturaustausch mit der Türkei hinter dem zurückbleibt, was möglich wäre. Gleiches gilt für den Sprachaustausch. Die Möglichkeit, ohne extreme bürokratische Hürden nach Deutschland reisen zu können, um hier Kultur und Sprache kennenzulernen, wäre dem Anliegen der Sprachförderung unendlich viel dienlicher als der vorliegende folgenlose Koalitionsantrag zum Ende der Legislatur. Insbesondere die Union sollte auch ihr kulturelles "Mono"-Denken dringend überdenken. Dass sie alle paar Jahre wieder ihre deutsche Leit- und Monokultur aus der Mottenkiste holt, um gegen die im Alltag längst etablierte Multikulturalität zu wettern, ist weltoffenen Kulturpolitikern in der Union selbst inzwischen ziemlich peinlich. Zu Recht! Man sollte dann aber auch überzogene Aussagen vermeiden, wonach die deutsche Sprache "Voraussetzung für das Funktionieren unserer Demokratie" ist. Die Schweiz als eine der ältesten existierenden Demokratien lebt mit ihrer Viersprachigkeit doch auch ganz gut. Und die Demokratie in Europa werden wir auf einer noch viel breiteren multilingualen Grundlage gestalten. Nein, ein bisschen weniger Verkrampftheit und ein wenig mehr Lust an der Multilingualität dürfte es schon sein; denn die vielen Sprachen sind doch Heimstatt für einen unermesslichen kulturellen Reichtum, für unterschiedliche Arten, die Dinge zu sehen, für unterschiedliche Weisen, als menschliche Wesen zu existieren. Diese Vielfalt sollten wir schützen und achten und dabei auch unsere Sprache als eine Stimme im bunten Chor der Sprachen schätzen und genießen. Der Koalitionsantrag zur Förderung der deutschen Sprache ist dagegen politisches Potemkin, eine frisch gestrichene Fassade, hinter der eine falsche Betreuungs-, Integrations- und Einreisepolitik versteckt werden soll, und nun auch Kürzungsvorschläge in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, die vor allem auch der Sprachförderung schaden werden. Ich verstehe sehr gut, warum die Koalition einen solchen Antrag ohne Aussprache und Ausschussberatung durchwinken will. Der Pflege der deutschen Sprache erweist sie mit diesem Showantrag jedenfalls einen politischen Bärendienst. Anlage 37 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des Antrags: Kulturgüterschutz stärken - Neuausrichtung des Kulturgüterschutzes in Deutschland jetzt beginnen (Zusatztagesordnungspunkt 19) Dagmar G. Wöhrl (CDU/CSU): Wir beraten heute über den Antrag zur bundesweiten Stärkung des Kulturgüterschutzes, der aufgrund der aktuellen Geschehnisse kaum eine größere Bedeutung haben könnte. Die Hochwasserkatastrophe entlang Elbe, Donau und anderen kleineren Flüssen in den vergangenen Wochen hat uns alle schockiert und tief betroffen gemacht. Noch sind die Wassermassen nicht überall vollständig beseitigt, und bis tatsächlich alle Schäden komplett behoben sein werden, wird es noch viele Jahre dauern. Der Wiederaufbau nach dem schlimmen Hochwasser 2002 war vielerorts gerade erst abgeschlossen, da hatten die Menschen bereits mit dieser neuen Flut zu kämpfen. Viele Tausend Menschen von Süd- bis Norddeutschland stehen nun vor dem Nichts. Wir haben aber in den letzten Wochen auch sehen können, dass die Anstrengungen beim Hochwasserschutz seit 2002 dazu geführt haben, dass mancherorts Schäden gering gehalten werden konnten. Vieles, aber noch lange nicht alles ist im Bereich des Hochwasserschutzes seit 2002 verbessert worden. Auch aufgrund dieser besseren Schutzmaßnahmen sind die Museen, Theater, Konzertsäle, Bibliotheken und Archive beim diesjährigen Hochwasser nicht ganz so stark betroffen gewesen wie noch beim Hochwasser vor elf Jahren. Trotzdem kann man einige traurige Beispiele aufzählen: Das Landestheater Niederbayern in Passau wurde vom Hochwasser zerstört, im Fürstbischöflichen Opernhaus in Passau musste die gesamte Bestuhlung herausgenommen und mussten alle Vorstellungen bis zum Saisonende abgesagt werden. Auch das am Donauufer gelegene Museum Moderner Kunst wurde im Erdgeschoss komplett überflutet, und viele wertvolle Kunstwerke wurden zerstört. Ebenfalls Opfer der Fluten wurde zum Beispiel das vor allem für seine herrliche Architektur bekannte frühklassizistische Sommerpalais in Greiz in Thüringen. Hinzu kommt die Zerstörung von Kunst- und Kulturschätzen durch Feuer und andere Ursachen während der vergangenen Jahre. Wir alle haben noch die Bilder der ausgebrannten Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar im Jahr 2004 vor Augen, und wir alle erinnern uns an den Einsturz des Stadtarchivs im Kölner Süden vor vier Jahren, bei dem 30 wertvolle Regalkilometer in die Tiefe gerissen wurden. Die Kunstwerke und Bauwerke der vergangenen Jahrhunderte sind Zeugnis unserer Geschichte und von einem unermesslichen Wert. Diesen gilt es zu schützen. Wir sollten also den Schutz unserer Kunst- und Kultureinrichtungen ausbauen und stärken. Der vorliegende Antrag gibt uns die Möglichkeit, die bereits bestehenden Zuständigkeiten im Bereich des Katastrophenschutzes bei Kunst- und Kulturgütern zu überprüfen und zu verbessern. Wichtig ist, dass wir die Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen beim Hochwasserschutz künftig noch besser koordinieren, damit wir den Zerstörungen unserer Kunst- und Kulturgüter vorbeugen oder um im Notfall schnell und angemessen reagieren können. Der Schutz von Kulturgut, insbesondere im Katastrophenfall, ist nach wie vor Kernkompetenz unserer Bundesländer, und das ist auch gut so. Dennoch wird es in Zukunft wichtig sein, dass wir eine koordinierende Stelle schaffen, die Informationen und Zuständigkeiten jeglicher Art bündelt und verteilt. Dies reicht von der Forschung über den technischen Einsatz im Notfall bis hin zu Evakuierungsmaßnahmen und Methoden zur Konservierung und Wiederherstellung. Unser Staatsminister für Kultur und Medien, Bernd Neumann, hat bei zahlreichen Katastrophen in den vergangenen Jahren den Schutz von Kulturgütern im Rahmen seiner Möglichkeiten - und darüber hinaus - unterstützt. Beim Einsturz des Kölner Stadtarchivs konnte so zusätzlich 1 Million Euro zur Verfügung gestellt werden, und auch die Konferenz nationaler Kultureinrichtungen, KNK, wird vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien finanziell unterstützt. Die KNK ist ein Zusammenschluss von 23 über die Landesgrenzen hinaus wirkenden Institutionen der neuen Bundesländer. Sie befasst sich bereits seit 2005 mit dem Thema "Sicherheit und Katastrophenschutz für Museen, Archive und Bibliotheken" und hat so 2010 den umfangreichen Sicherheitsleitfaden Kulturgut herausgegeben, der seit letztem Jahr in überarbeiteter Fassung vorliegt. Außerdem gibt es den Rahmenplan für Notfallmaßnahmen in den staatlichen Archiven Bayern. Und schließlich beschäftigen sich das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin, das Fraunhofer-Institut und die Forschungsinstitute in der Leibniz-Gesellschaft mit zahlreichen Aspekten im Bereich des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege. Hier sollte zeitnah eine Überprüfung der Expertise und der Kompetenzen stattfinden, um anschließend nach Möglichkeit das vorhandene Wissen hierzulande zu bündeln und ein professionelles und interdisziplinäres Expertennetzwerk zu schaffen. Wir haben mittlerweile leider, so muss man sagen, einen ausreichenden Erfahrungsschatz zur Bergung und Konservierung von Kulturgütern im Falle von Katastrophen. Diesen gilt es voll zu nutzen. Hier ist es ganz besonders wichtig, bereits in der Lehre und Forschung anzusetzen, um so langfristig einen Expertenpool zu schaffen, der uns in Deutschland die Möglichkeit gibt, im Kulturgutschutz präventiv tätig zu sein und, sofern notwendig, auch relativ rasch, unkompliziert und absolut professionell auf Katastrophen zu reagieren. Wie Sie sehen, hat bei uns der Katastrophenschutz für die uns so wichtigen Schätze in Kunst und Kultur Priorität! Aus kulturpolitischer Sicht hat der Antrag zum Kulturgüterschutz im Katastrophenfall absolute Aktualität. Insbesondere bei national bedeutsamen Kultureinrichtungen sollten wir also in Zukunft über eine Bündelung der Kompetenzen nachdenken. Diese könnte durch einen Verantwortlichen auf Bundesebene übernommen werden, der in Abstimmung mit den Ländern Maßnahmen im Katastrophenfall koordiniert und moderiert. Um die Einführung von Doppelstrukturen zu vermeiden, sollte hier geprüft werden, inwieweit wir diese Kompetenzen bei unserem Staatsminister bündeln können. Hier könnten vorhandene Kompetenzen erweitert und auf bestehenden Strukturen ausgebaut werden. Für die kommenden Jahre sollten wir also prüfen, inwieweit die Zuständigkeiten und Ressourcen hier also erweitert werden können. Bisher vertritt der Kulturstaatsminister bereits die Interessen kulturbewahrender Einrichtungen und ist unter anderem zuständig für den Schutz von Kulturgütern vor Abwanderungen ins Ausland, für den Erhalt des schriftlichen Kulturguts in Archiven und Bibliotheken und unter anderem auch für den Denkmalschutz. Gleichzeitig hat die Bundesregierung nach der diesjährigen Hochwasserkatastrophe das Aufbauhilfegesetz, mit dem 8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen, auf den Weg gebracht. Die Bündelung der Kompetenzen und Zuständigkeiten eines Verantwortlichen für Kulturgutschutz im Katastrophenfall beim Staatsminister erachte ich als angemessen und zielführend. Für die nächste Legislaturperiode sollten wir uns also vornehmen, zeitnah zu prüfen, wie wir die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen können. Wie bereits erwähnt, liegen Forschung und Umsetzung des Schutzes von Kulturgütern im Verantwortungsbereich der Länder. Dennoch haben wir einerseits in immer kürzeren Abständen mit Naturkatastrophen zu kämpfen, die zahlreiche Bundesländer betreffen. Andererseits werden Kunst- und Kultureinrichtungen, die von nationaler Bedeutung sind, immer wieder in Mitleidenschaft gezogen. Ein Verantwortlicher auf Bundesebene könnte dann nicht nur koordinativ tätig werden, sondern auch Wissen und Erfahrung aus dem europäischen Ausland bündeln und hier die Kooperation mit ebenfalls betroffenen Ländern, wie beispielsweise Polen, der Tschechei oder Rumänien, ermöglichen. Unsere Kunst- und Kulturgüter sind ein Schatz von unermesslichem Reichtum, den es mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen und zu schützen gilt. Unser Antrag hat leider aktuell enorm große Bedeutung erlangt und findet deshalb unser aller Unterstützung. Unser Kulturstaatsminister Bernd Neumann hat in den vergangenen acht Jahren bewundernswerte Arbeit für die Bereiche Kultur und Medien in unserem Land geleistet. An dieser Stelle möchte ich mich bei ihm herzlich bedanken. Ebenfalls bedanken möchte ich mich bei den Kollegen aus dem Ausschuss für Kultur und Medien für eine wirklich konstruktive und zielführende Zusammenarbeit seit 2009. Ich schließe diese Rede mit der Hoffnung, dass die Förderung und der Erhalt von künstlerischen und kulturellen Schätzen auch in der neuen Legislaturperiode fortgesetzt und ausgebaut werden wird. Ulla Schmidt (Aachen) (SPD): Es ist schade, dass Sie das Thema des Kulturgüterschutzes im Katastrophenfall erst in letzter Sekunde - am Kulturausschuss vorbei und ohne Debatte - auf die Tagesordnung bringen. Schade, dass wir nicht gemeinsam über Forderungen und Maßnahmen diskutieren konnten. Das Anliegen des Antrags liegt uns am Herzen, viele der Forderungen sind grundsätzlich zu begrüßen. Die SPD will, dass im Katastrophenfall zügig reagiert werden und eine professionelle Restaurierung beschädigten Kulturgutes gewährleistet werden kann. Wir lehnen aber die lapidare Vorgehensweise der Regierungsfraktionen ab, mit der sie dieses Thema gerade eben noch in der letzten Sitzungswoche der Legislaturperiode abhaken. Am Abend wird der Faule fleißig!. Viele der im Antrag geforderten Initiativen wären, wie ich finde, selbstverständliche Aufgaben des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien, wenn man das Kulturgut besser schützen will: zum Beispiel das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung des Kultur-güterschutzes zu schaffen oder die Rolle der Forschungseinrichtungen für den Kulturgüterschutz zu evaluieren oder im Benehmen mit den Ländern und Kommunen zu überprüfen, wie der rechtliche Rahmen angepasst werden kann. Das sind Forderungen, aus denen erst konkretere Planungen und Vorgehensweisen folgen. Sie sind nicht handfest. Schon längst hätte sich die Bundesregierung um all das kümmern können. Dazu muss man nicht erst eine neue Hochwasserkatastrophe oder das Ende der Legislaturperiode abwarten. Dass die Bundesregierung sich nicht kümmert, zeigt auch der Fall Stadtarchiv Köln. Hier haben wir in den Haushaltsberatungen gefordert, dass sich der Bund stärker und deutlicher an der Stiftung zum Wiederaufbau beteiligt. Es hat am Anfang 1 Million Euro gegeben; das war's. Hätte der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien mehr getan, wäre vielleicht auch die Spendenbereitschaft gestiegen. Jetzt zu kommen und alle möglichen Maßnahmen und Strukturen zu fordern, ist wohlfeil, wenn die Bundesregierung mit Ihrer Unterstützung zuvor versäumt hat, ganz konkret zu helfen, liebe Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP. Einige der Forderungen beinhalten ganz neue Strukturen. Ich finde, dass es besonders in diesem Fall notwendig wäre, ein ordnungsgemäßes parlamentarisches Verfahren mit Anhörungen und Gesprächen in den zu-ständigen Ausschüssen zu durchlaufen, um im Ergebnis besser beurteilen zu können, was richtig ist. Damit meine ich zum Beispiel die Forderung, ein zentrales bundesdeutsches Institut für Konservierungs- oder Kulturschutzforschung einzurichten. Oder in Abstimmung mit den Ländern die Einsetzung eines Verantwortlichen auf Bundesebene zu prüfen, der die zur Verbesserung des Kulturgüterschutzes notwendigen Maßnahmen koordiniert und moderiert. Im Grundsatz wirken die Forderungen des Koalitionsantrags nicht unvernünftig. Unsere Fraktion hat beispielsweise die Einrichtung einer Koordinierungsstelle zum Schutz schriftlichen Kulturgutes unterstützt. Über das genaue Was und Wie und die finanziellen Erfordernisse sollte man sich aber doch parlamentarisch austauschen können, um den richtigen Weg zu finden, Katastrophen wie den Brand der Anna-Amalia-Bibliothek 2004, den Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 oder Hochwasserkatastrophen schnellstmöglich und effektiv zu bewältigen, damit nicht noch mehr Schaden angerichtet wird. Dass wir wertvolles nationales Kulturgut nicht verlieren wollen, darüber sind wir uns selbstverständlich einig. Zu dem vorliegenden Antrag wollen wir uns jedoch enthalten, weil wir es für notwendig halten, Forderungen zu neuen Strukturen ordnungsgemäß zu diskutieren und weil wir es für notwendig halten, dass Kulturanträge nicht am Ausschuss vorbei in das Parlament eingebracht werden. Wir würden begrüßen, wenn das Einbringen des Antrags wenigstens bewirkt, dass wir in der nächsten Legislaturperiode zu gemeinsamen Beschlüssen kommen. Reiner Deutschmann (FDP): "Feuer und Wasser sind zwei gute Diener, aber schlimme Herrn". Dieses alte deutsche Sprichwort bringt die Gefahren auf den Punkt, die einer Gesellschaft jederzeit drohen. Katastrophen drohen immer wieder mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Schon lange kehren die sogenannten Jahrhundert-Naturkatastrophen in Form von Fluten oder Stürmen in immer kürzeren Abständen wieder. Dazu kommen die menschgemachten Katastrophen durch technische Defekte oder menschliches Versagen. Mit diesen Katastrophen werden die Menschen immer wieder konfrontiert werden. Das Elbehochwasser 2002 oder das jüngste Hochwasser an Elbe und Donau samt ihrer Nebenflüsse in diesem Jahr haben uns wieder einmal exemplarisch vor Augen geführt, dass sich die Natur nicht zu 100 Prozent zähmen lässt und mit dem Eintritt von Naturkatastrophen fast biblischen Ausmaßes nicht nur alle 100 Jahre zu rechnen ist. Weil das so ist, gibt es eine Reihe von exzellenten Notfallplänen, die dazu führen, dass zum Beispiel Polizei, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und nicht zuletzt die Bundeswehr schnell zur Stelle sind, wenn es darum geht, Menschenleben im Notfall zu retten und in Sicherheit zu bringen. Dafür wollen wir diesen und den vielen anderen helfenden Einrichtungen, aber auch den vielen Freiwilligen herzlich danken. Sind die unmittelbaren Ursachen einer Katastrophe verschwunden, die Flüsse wieder in ihr ursprüngliches Flussbett zurückgekehrt, der Brand gelöscht oder die -Orkanwinde abgeebbt, offenbart sich oftmals das wahre Ausmaß des Desasters. Menschen haben ihre Wohnungen verloren oder müssen diese erst einmal wieder herrichten; die betroffenen Betriebe müssen wieder in Gang gebracht und die Schäden müssen erfasst und beseitigt werden. Für die Kulturpolitik stellen sich durch Katastrophen ganz eigene Fragestellungen. 2002 stand das Dresdner Stadtzentrum mit Zwinger, Frauenkirche und Hauptbahnhof komplett unter Wasser. Kultureinrichtungen ersten Ranges waren von den Fluten betroffen. Diesmal ist Dresden glimpflicher davongekommen, während es Großräume wie Passau, Halle und Magdeburg besonders hart getroffen hat. Die Erfassung der Schäden der diesjährigen "Jahrhundertflut" wird sicherlich noch Wochen dauern. Der Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar im Jahr 2004 hat uns die Wucht und Zerstörungskraft des Feuers deutlich gemacht. Damals fielen dem Feuer allein 50 000 wertvolle Bücher zum Opfer, und es wären sicherlich noch mehr Kulturgüter zu Schaden gekommen, hätten zum Zeitpunkt des Unglücksfalls nicht ein Notfallplan in der Einrichtung und eine enge Kooperation mit der Feuerwehr existiert. Der menschengemachte Einsturz des Kölner Stadtarchivs im Jahr 2009 vernichtete zwei Leben und verschluckte 30 Regalkilometer Archivgut. Zwar konnten circa 90 Prozent der Archivalien geborgen werden, aber in welchem Ausmaß diese restaurierungsfähig sind und wie hoch sich die derzeit auf circa eine Milliarde Euro geschätzten Schadensbeseitigungskosten letzten Endes wirklich belaufen werden, weiß keiner. Nach einer durch die FDP-Bundestagsfraktion im Januar 2013 durchgeführten Expertenanhörung wissen wir, dass der Kulturgüterschutz aber nicht bei der Bewältigung von akuten Katastrophen aufhören darf. Dr. Volker Rodekamp, Präsident des Deutschen Museumsbundes, hat damals auf die dramatische Lage gerade in kleinen und mittleren Häusern hingewiesen, in denen oftmals einfachste Bestimmungen des Brandschutzes nicht eingehalten werden können. Vor diesem Hintergrund hat sich die FDP-Bundestagsfraktion zusammen mit unseren Partnern von der Union entschlossen, etwas für die Stärkung des Kulturgüterschutzes in Deutschland zu tun. Die Expertenanhörung hatte ergeben, dass es derzeit in der Gesellschaft an Bewusstsein für die Bedürfnisse des Kulturgüterschutzes mangelt. Deshalb wollen wir dafür werben. Ganz konkret wurde insbesondere eine koordinierende und moderierende Stelle vermisst, die sich der drängenden Aufgabenstellungen des Kulturgüterschutzes annimmt. Aus der Expertenrunde wurde der Wunsch an uns herangetragen, trotz der generellen Zuständigkeit der Bundesländer für den Kulturgüterschutz vom Bund aus die Initiative zu übernehmen und die Koordinierung beziehungsweise Moderation zwischen den Beteiligten in Bund, Ländern und Kommunen sowie zwischen Politik, Wissenschaft und Einrichtungen zu beginnen. Dies ist Teil unseres Antrages. Es geht uns nicht darum, dass diese vom Bund vorzunehmende Koordinierung und Moderation Kompetenzen wahrnimmt, die den Ländern zugewiesen sind. Der Bund kann im Bereich Kulturgüterschutz nur sehr begrenzt rechtsverbindlich wirken. Dies verhindert das Grundgesetz mit der klaren Kompetenzzuweisung für den Kulturgüterschutz an die Bundesländer. Dennoch wollen wir gerne - quasi beratend und rechtsunverbindlich - diese erste Koordinierung im Benehmen mit den Bundesländern und Kommunen übernehmen. Letztlich wollen wir erreichen, eine signifikante und spürbare Stärkung des Kulturgüterschutzes durch aktive und präventive Maßnahmen in den Einrichtungen sicherzustellen. Dazu gehören beispielsweise die Überprüfung des rechtlichen Rahmens sowie Maßnahmen wie der Entwurf gemeinsamer Not- und Katastrophenfallszenarien und Pläne durch Kultureinrichtungen und Katastrophenschutz. Es geht um die Schaffung eines interdisziplinären Expertennetzwerks für die Lagerung, Bergung, Sicherung und Restaurierung von Kulturgütern. Nicht zuletzt geht es uns um eine bessere Forschungsarbeit im Bereich des Kulturgüterschutzes, und zwar dort, wo dies nötig ist. Es ist das erste Mal, dass mit einer Initiative des Deutschen Bundestages eine signifikante Stärkung des Kulturgüterschutzes unter Einbeziehung aller Ebenen angegangen wird. In vielen Fällen werden wir Neuland betreten oder auf Widerstände treffen. Die Experten aus Bibliotheken, Archiven und Museen sind sich aber unisono einig, dass in der Sache Kulturgüterschutz dringend mehr passieren muss und die Zeit drängt. Ich möchte Sie alle einladen, konstruktiv und an der Sache orientiert an diesem Vorhaben mitzuarbeiten und sich einzubringen. Über den Weg können wir gerne streiten, aber dass wir eine Verbesserung hinbekommen, sollte uns unsere hervorragende deutsche Kulturlandschaft wert sein. Ich bitte sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): "Kulturgüter von landesweiter Bedeutung bedroht", "Wasser als Feind der Kulturschätze" oder "Hochwasser in Mitteldeutschland - Kunst und Kultur in Not" - Überschriften wie diese prägten bis noch vor wenigen Tagen die deutschen Medien. Naturkatastrophen wie die aktuelle Flut sind nicht nur eine Bedrohung für Wohnungen, Privathäuser, -Unternehmen oder Selbstständige, sondern haben noch weitere Dimensionen. Besonders gefährdet ist auch das kulturelle Erbe der betroffenen Region, das sich oftmals über Jahrhunderte angesammelt hat. In schmerzlicher Erinnerung ist dahin gehend das Elbe-Hochwasser von 2002. Unter anderem in Dresden wurden immense Kulturschäden angerichtet, einige davon irreparabel. Die Bilanz der aktuellen Flut fällt nach dem weitgehenden Verschwinden des Wassers zum Glück positiver aus. Zwar wurden entsprechende Schäden dokumentiert, zum Beispiel in Halle-Burg Giebichenstein, Schloss Pillnitz in Sachsen oder im Stadtmuseum in Pirna. Insgesamt fällt die Schadensbilanz aber kürzer aus. "Wir sind gerade noch einmal davongekommen" titelte die FAZ zum glimpflichen Ausgang der Flut für die deutschen Kulturgüter. Zu verdanken ist dies insbesondere der Vorsorge beim Neubau der oft schon 2002 betroffenen Museen, besserer Deiche und besonders ge-ringerer Pegelstände. Beispiel Dresden: Hatten vor elf Jahren in der Semperoper noch die Unterbühne samt technischer Anlagen sowie das Parkett unter Wasser gestanden, reichten die Fluten diesmal nicht einmal an die Barrieren heran. Kaum auszudenken ist aber, was bei höheren Pegelständen passiert wäre. Menschengemachte oder natürliche Katastrophen sind eine ständige Gefahr für unsere Kulturschätze. Nicht nur die genannten Fluten, auch der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar oder der Einsturz des Kölner Stadtarchivs haben uns die Vergänglichkeit unserer oft über Jahrhunderte gesammelten und bewahrten Kunst- und Kulturschätze vor Augen geführt. Zahlreiche Bücher, Dokumente und Kunstwerke wurden unwiederbringlich zerstört. Kultureinrichtungen und Kunstgegenstände sind keine Badezimmerkacheln. Sie müssen geschützt werden. Diese nationalen Katastrophen werfen die Frage auf, wie man sie bereits im Vorfeld besser verhindern und ihnen im Schadensfall bestmöglich begegnen kann, präventiv und reaktiv. Bislang gibt es allenfalls Stückwerk: Die Konferenz nationaler Kultureinrichtungen hat den Sicherheitsleitfaden Kulturgut herausgegeben, der das Sicherheitsmanagement von Kultureinrichtungen un-terstützen soll. In Bayern gibt es einen Notfallplan der bayerischen Bibliotheken. Demgegenüber wird der -Kulturgüterschutz in anderen Ländern wie der Schweiz bundeseinheitlich koordiniert, um überall optimale Standards zu sichern. Dies muss auch das Ziel für Deutschland sein; dafür setzen sich FDP und Union ein. Nachdem das Thema "Katastrophenschutz und Kata-strophenhilfe im Kunst- und Kulturbereich" unter den Vorgängerregierungen stark vernachlässigt wurde, nimmt sich jetzt die schwarz-gelbe Koalition unter liberaler Federführung dieses Themas an. Auch wenn die Zuständigkeit für den Kulturgüterschutz allgemein bei den Ländern liegt, so muss die Initialzündung für die dringend benötigte Initiative zur Stärkung des Kul-tur-güter-schutzes von der Bundesebene ausgehen. Dafür hat sich die FDP stark gemacht. Liberale Kulturpolitik zeichnet sich nämlich nicht nur dadurch aus, dass sie das Entstehen von neuen Werken fördert, sondern auch das bereits Vorhandene schützt. Unsere Maßnahmen sind vielfältig: Wir fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern zu überprüfen, wie der rechtliche Rahmen angepasst werden kann, damit der Kulturgüterschutz gestärkt und damit bessere Schutzmaßnahmen für Not- und Katastrophenfälle ergriffen werden können. Wir halten es außerdem für nötig, die Einsetzung eines Verantwort-lichen auf Bundesebene zu prüfen, der die zur Verbesserung des Kulturgüterschutzes notwendigen Maßnahmen koordiniert. Außerdem fordern wir die Bundesregierung auf, ein stärkeres Problembewusstsein nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch bei den Verantwortlichen in Museen, Ausstellungen usw. herzustellen und ein professionelles interdisziplinäres Expertennetzwerk zu schaffen, das im Not- und Katastrophenfall zum Schutz, zur Bergung und zur Restaurierung von Kulturgütern schnellstmöglich herangezogen werden kann. In kaum einem anderen Land ist die Kulturlandschaft so breit wie in Deutschland. Die Anzahl der bedeutsamen Kulturgüter ist kaum mehr zu überblicken. Als erste Regierungskoalition setzt sich Schwarz-Gelb mit diesem Antrag dafür ein, dass das Bewahrenswerte in Zukunft noch besser bewahrt werden kann. Darauf können wir stolz sein. Dr. Lukrezia Jochimsen (DIE LINKE): Wenn ein Antrag es verdient, gewissermaßen in der letzten Minute dieser Legislaturperiode bedacht zu werden, dann dieser. Kulturgüterschutz in Deutschland zu betreiben, ist eine überfällige Aufgabe. Durch die aktuelle Flutkatastrophe allerdings ist sie jetzt ganz konkret auf der Tagesordnung politischen Handelns, auch und gerade auf nationaler Ebene. Die 500 000 Euro, die die Kulturstiftung des Bundes, wie sie am 25. Juni 2013 -bekannt gab, für den Ausgleich von Schäden im Bereich Kunst und Kultur aufgrund der Flutkatastrophe bereitstellen will, sind in dieser Hinsicht ein erstes Anzeichen, aber natürlich nicht mehr. Dem Antrag ist in allen Punkten zuzustimmen. In der neuen Legislaturperiode sollte schnell mit der Umsetzung begonnen werden, wofür der Antrag sehr detailgenaue Handlungsempfehlungen enthält. Agnes Krumwiede (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schutz vor Hochwasserschäden für Menschen, Tiere und für unsere Infrastruktur sollte nicht nur in den "Nachwehen" von sogenannten Jahrhunderthochwassern auf allen politischen Ebenen ein wichtiges Thema sein. Politik muss vorausschauend handeln, nicht nur reaktiv. Die beste Prävention vor massiven Hochwasserschäden ist ein nachhaltiger ökologischer Hochwasserschutz mit der Schaffung von Überflutungsgebieten und Deichrückverlegung. Technischer Hochwasserschutz bekämpft nur die lokalen Symptome und verlagert das Problem stromabwärts. Das haben die Menschen in diesem Sommer leidvoll erfahren müssen. Was wir dringend brauchen, sind eine Bekämpfung der Ursachen und eine langfristige, nachhaltige und transparente Strategie zum Schutz vor Hochwasser- und anderen Naturkatastrophen. In vielen Regionen unseres Landes brauchen wir mehr Ausgleichsflächen und Maßnahmen zur Flächenentsiegelung sowohl bei bestehenden Gebäuden und Flächen als auch bei Neubauvor-haben. Hier vertreten wir die Auffassung: Ausbau statt Neubau! Durch den ungehemmten Flächenverbrauch und die Versiegelung der Flächen sowie technische Maßnahmen - Kanalisierung, Drainierung, Gräben - werden die Regenmengen immer schneller in die Flüsse geleitet. Dadurch laufen die Hochwasserspitzen immer schneller und höher auf. Auch die industrielle Landwirtschaft hat einen entscheidenden Anteil an der Versiegelung unserer Landschaft. Nachhaltige Klima- und Umweltpolitik und ökologische Landwirtschaft sind nicht nur für Menschen und Tiere unter anderem der beste Schutz vor Hochwasser, sondern bewahren auch unsere Städte, Kunstschätze und Baudenkmäler vor Substanzschäden. Da Regenwolken und Flüsse weder vor Länder- noch vor Bundesgrenzen haltmachen, brauchen wir keinen Föderalismus, sondern ein internationales Konzept zum Hochwasserschutz. Der vorliegende Antrag beinhaltet einige bedenkenswerte Forderungen: Die Einrichtung eines professionellen interdisziplinären Expertennetzwerks beispielsweise, das im Not- und Katastrophenfall zum Schutz, zur Bergung und zur Restaurierung von Kulturgütern schnellstmöglich herangezogen werden kann, sollte unbedingt in Erwägung gezogen werden. In der Summe aber bleiben die vorgeschlagenen Maßnahmen zu unkonkret, die Forderung nach der Einrichtung eines zentralen bundesdeutschen Instituts für Konservierungs- oder Kulturschutzforschung ist lediglich ein Prüfauftrag. Darüber hinaus fehlt eine zentrale Forderung: Auch von Hochwasser betroffene öffentliche Kultureinrichtungen müssen bei der Mittelvergabe aus dem aktuell vom Bund eingerichteten Fluthilfefonds in Höhe von 8 Milliarden Euro ausreichend Berücksichtigung finden. In Thüringen beispielsweise ist aktuell das Sommerpalais in Greiz aufgrund der Hochwasserschäden in seiner Substanz bedroht. Der Schlosspark, der für 900 000 Euro gerade neu gestaltet und erst im Mai der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist, wurde komplett überflutet. Zudem wurden die Stuckarbeiten und Flachreliefs aus dem 18. Jahrhundert am Schloss beschädigt. Wie der Berichterstattung zu entnehmen ist, wird allein hier von einem Schaden von 2,6 Millionen Euro ausgegangen. In ihrer Regierungserklärung hat die Bundeskanzlerin eine "rasche Soforthilfe und einen zügigen Wiederaufbau" versprochen. Das muss auch für vom Hochwasser beschädigte öffentlich geförderte Kulturgüter und Kulturinstitutionen gelten. Im Antrag der Koalition wird zu Recht angemerkt, dass die Schweiz uns im Bereich des Kulturgüterschutzes mehrere Schritte voraus ist. Es stellt sich die Frage, warum die Regierungskoalitionen der letzten acht Jahre nicht längst schon die im Antrag formulierten Maßnahmen umgesetzt haben. Dazu gehört auch, ein Expertenteam zur Bergung von Kulturschätzen einzurichten und in zusätzliche Schulungen zum sachgerechten Umgang mit schützenswerten Kulturgütern beispielsweise für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Technischen Hilfswerks zu investieren. Im Fall einer Hochwasserkatastrophe kann allerdings selbst das beste Expertenteam lediglich die beweglichen Kulturgüter retten. Dies zeigte sich auch 2002, wo die Gebäude den Fluten ausgeliefert waren und Milliardenschäden entstanden sind. Deshalb brauchen wir nicht nur reaktive Maßnahmen, sondern ein Umdenken hin zu mehr Klima-, Umwelt- und Naturschutz. Denn die beste Prävention vor massiven Hochwasserschäden ist ein ökologischer Hochwasserschutz. Trotz unserer hier vorgebrachten Kritik ist es unserem Kollegen Wolfgang Börnsen mit diesem letzten Antrag seiner Zeit als Bundestagsabgeordneten gelungen, wichtige Impulse zu formulieren für einen verbesserten Kulturgüterschutz. Wir wünschen Wolfgang Börnsen alles Gute für seine Zeit nach der aktiven Bundespolitik! Anlage 38 Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung: - Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahrnehmung von Ur-heberrechten und verwandten Schutzrechten (Urheberrechtswahrnehmungsgesetz - -UrhWahrnG) - Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Zugang zu verwaisten Werken erleichtern - Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Antrag: Förderung von Open Access im Wissenschaftsbereich und freier Zugang zu den Resultaten öffentlich geförderter Forschung (Zusatztagesordnungspunkte 20 a und 20 b) Ansgar Heveling (CDU/CSU): Was ursprünglich ein ganzer "Korb" an Maßnahmen zur Modernisierung des Urheberrechts werden sollte - es wäre der "Dritte Korb" gewesen -, ist nun zu einem kleinen Bündel an Regelungen zusammengeschrumpft. Wir als CDU/CSU-Fraktion haben uns stets für eine umfassende Umsetzung des sogenannten Dritten Korbes und einer darin enthaltenen Anpassung des Urheberrechts an die Entwicklungen durch die Digitalisierung starkgemacht. Lassen Sie mich dennoch an dieser Stelle zu dem kommen, was nun mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes erreicht wird. Umsetzung der Richtlinie "Verwaiste Werke": Dies ist zum einen die Umsetzung der EU-Richtlinie über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke in deutsches Recht, die wir mit dem Beschluss des Gesetzentwurfes erreichen. Dabei gehen wir sogar über die Vorgaben der Richtlinie hinaus und regeln zusätzlich zu den verwaisten Werken auch die Nutzung vergriffener Werke. So leisten wir unseren Beitrag zu einer möglichst einheitlichen europäischen Regelung bei der Nutzung von Werken, deren Urheber nicht oder nicht mehr ermittelbar ist, insbesondere in digitaler Form. Damit die in verwaisten oder vergriffenen Werken enthaltenen Daten, Inhalte und Informationen einer möglichst großen Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden können, brauchen wir die neue gesetzliche Regelung. Denn ein freier, aber damit nicht zwangsläufig kostenfreier und ungehinderter Zugang und Austausch von Wissen, Forschungsergebnissen und anderen Informationen ist eine der zentralen Grundlagen unserer Informa-tionsgesellschaft. Wir dürfen nicht riskieren, dass diese Werke aufgrund einer unklaren Rechtssituation nicht öffentlich zugänglich gemacht werden und dass damit bedeutendes kulturelles Erbe verloren gehen könnte. Etablierung und Förderung von Golden Open Access: Mit dem gemeinsamen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen untermauern wir noch einmal die Regelung zum Zweitverwertungsrecht für Autoren wissenschaftlicher Beiträge. Ausdrücklich sprechen wir uns dabei für die Förderung von Open Access und Golden Open Access im Besonderen aus. Open Access sorgt für ein attraktives und breites Angebot wissenschaftlicher Publikationen, die öffentlich zugänglich gemacht werden. Die weiteren Schritte, die für die Förderung von Open Access in Deutschland notwendig sind, benennen wir in unserem Entschließungsantrag klar und deutlich. Es ist daher unser unabdingbares Anliegen, dass diese Schritte nun konsequent aufgenommen und weiterverfolgt werden. Dazu gehört zunächst und vor allem die Förderung von Publikationen mit Golden Open Access, bei dem die Erstveröffentlichung unmittelbar auf digitalem Wege, etwa in einer online erscheinenden Zeitschrift erfolgt. Zudem wollen wir ein Instrument zur Förderung von Golden Open Access, etwa in Form eines Publika-tionsfonds, etablieren. Damit sollen Publikationskosten für Wissenschaftler erstattet werden können, die mit Golden Open Access ihre Beiträge veröffentlichen möchten. Urheberrecht als Lebensgrundlage für die Kreativen: Der Entschließungsantrag verdeutlicht darüber hinaus in unmissverständlicher Weise, dass das Urheberrecht zentrale Lebensgrundlage für die Kreativen und Kulturschaffenden in Deutschland ist. Es sichert die angemessene Vergütung und damit die wirtschaftliche Existenz von Urheberinnen und Urhebern. So erhalten wir kreative Tätigkeit und eine vielfältige Kulturlandschaft in unserem Land. Zentrale Aufgabe für die Politik ist dabei die auch im Entschließungsantrag angesprochene Ausbalancierung der unterschiedlichen Interessenlagen im Urheberrecht. Wir stellen fest, dass das Urheberrecht nicht nur die zentrale Grundlage für Kreativität und Entwicklergeist ist, sondern auch Innovationen in Wissenschaft und Forschung voranbringt. Zwischen den berechtigten Interessen von Urhebern, Rechteverwertern, Verbrauchern, der Wirtschaft und der Wissenschaft muss stets ein angemessener Ausgleich hergestellt werden. Ein Kompromissvorschlag wäre eine annehmbare Alternative für alle Beteiligten gewesen. An dieser Stelle möchte ich dennoch nicht unerwähnt lassen, dass eine Kompromissformulierung im Gesetzestext selbst die Förderung von Golden Open Access bereits jetzt möglich gemacht hätte. Ein solcher Kompromiss hätte durchaus die unterschiedlichen Interessen der Wissenschafts- und Verlegerseite zueinanderbringen können und den Weg, den wir nun mit der Förderung von Open-Access-Veröffentlichungen beschreiten wollen, bereits in rechtssicherer Art und Weise im Gesetz verankert. Tankred Schipanski (CDU/CSU): Das Bundeskabinett hat am 10. April 2013 einen Regierungsentwurf verabschiedet, den wir heute in unveränderter Form im Deutschen Bundestag verabschieden. Das Gesetz stärkt Wissenschaft und Forschung in Deutschland in dreierlei Hinsicht. Erstens schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass sogenannte verwaiste Werke, also Werke, deren Rechteinhaber auch nach sorgfältiger Suche nicht festgestellt werden kann, digitalisiert und online gestellt werden können, sodass sie dem kulturellen Erbe nicht verloren gehen. Dafür ändern wir das Urheberrechtsgesetz und fügen die §§ 61 bis 61 c Urheberrechtsgesetz neu hinzu. Die entsprechende EU-Richtlinie, 2012/28/EU, setzen wir fristgerecht in deutsches Recht um. Dieselbe Richtlinie fordert die nationalen Gesetzgeber zweitens dazu auf, die Nutzung vergriffener Werke im Rahmen von Digitalisierungsvorhaben zu erleichtern. Hierfür ist eine Änderung des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes erforderlich, die wir in den §§ 13 d und 13 e Ur-heberrechtswahrnehmungsgesetz vornehmen. Drittens wird mit diesem Gesetz ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht eingeführt. Davon profitieren Autoren von wissenschaftlichen Beiträgen in Periodika, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Dies geschieht durch eine Neufassung von § 38 Abs. 4 Urheberrechtsgesetz. Meine Damen und Herren, aus Sicht der Wissenschaft kommt diesem Gesetz somit eine ganz besondere Bedeutung zu, da wir erstmals in § 38 Abs. 4 Urheberrechtsgesetz ein sogenanntes Zweitverwertungsrecht bzw. ein Zweitveröffentlichungsrecht gesetzlich verankern. Somit schaffen wir einen fairen Interessenausgleich zwischen Verlagen und Forschern. Beide werden dadurch wieder Partner auf Augenhöhe. Die Änderung wurde nötig, um die Rechte der Forscher zu stärken, die bislang oft gezwungen waren, zur Veröffentlichung in einem renommierten Journal ihre kompletten Autorenrechte an die Verlage zur Verwertung abzutreten. Hernach war es ihnen nicht mehr möglich, allen voran mit Blick auf die digitale Arbeitswelt, über den Grad der Sichtbarkeit ihrer Forschungsergebnisse zu entscheiden. Die Zirkulation von Wissen erhöhen, Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit bereitstellen und den Nutzen der eingesetzten Steuermittel maximieren, von dieser Trias lassen wir uns bei dem vorliegenden Gesetz sowie dem Entschließungsantrag leiten. Wir leisten mit dieser Gesetzesnovelle und dem sie begleitenden Entschließungsantrag einen wichtigen Beitrag zur Förderung von Open Access in Deutschland. Mit beiden Bausteinen entwickeln wir unsere Open-Access-Strategie weiter. Das unabdingbare Zweitveröffentlichungsrecht fördert den sogenannten grünen Weg des Open Access, bei dem Wissenschaftler ihre Publikationen nach der traditionellen Printpublikation zusätzlich noch im Internet zugänglichen machen wollen. Dies ermöglicht das Gesetz nach einer sogenannten Embargofrist von zwölf Monaten. Daneben existiert der sogenannte goldene Weg des Open Access, bei dem die Veröffentlichung von vorneherein und unmittelbar digital erfolgt, zum Beispiel in einem Open-Access-Journal. Hierfür fallen in der Regel Publikationskosten an. Für die christlich-liberale Koalition stehen beide Formen der Open-Access-Veröffentlichung bzw. beide Wege des Open Access gleichberechtigt nebeneinander und ergänzen einander. Mit der Gesetzesnovellierung fördern wir primär den grünen Weg des Open Access. Mit dem Entschließungsantrag wird verdeutlicht, dass auch der goldene Weg des Open Access förderungswürdig ist und die Bundesregierung zu ganz konkreten Maßnahmen auffordert. Dazu gehören die Schaffung eines Publikationsfonds oder die Aufnahme entsprechender Klauseln in die Förderbestimmungen; alles Fördermöglichkeiten für Open-Access-Publikationen. Insgesamt stellen somit die Gesetzesnovelle und der Entschließungsantrag ein rundes Gesamtpaket zur Förderung von Open Access dar. Dies begrüßt auch ausdrücklich die Allianz der Wissenschaftsorganisationen. Gleichwohl bleiben aus Sicht der Wissenschaftsorganisationen Wünsche offen, wie uns die Anhörung zum Gesetzentwurf gezeigt hat. Mit Blick auf die Arbeit der Projektgruppe Bildung und Forschung der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages und dem dort gefundenen fraktionsübergreifenden Arbeitsauftrag bezüglich eines Zweit-veröffentlichungsrechts und der Förderung von Open Access bleibt die Thematik auf der politischen Agenda. Einen großen Schritt in die richtige Richtung gehen wir mit § 38 Abs. 4 Urheberrechtsgesetz bereits am heutigen Tag. Dabei ist durchaus festzuhalten, dass es bereits in Teilen der Verlagswelt Praxis ist, dass Verlage in Verlagsverträgen explizit eine Zweitpublikation nach einer Embargofrist gestatten. Richtigerweise stellte in der Anhörung im Rechtsausschuss am 10. Juni 2013 der Sachverständige Dr. Eric Steinhauer dazu fest: "Das im Regierungsentwurf vorgeschlagene Zweitveröffentlichungsrecht greift für den in § 38 Abs. 4 Urheberrechtsgesetz vorgesehenen Kreis von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern diese Praxis auf und stattet sie mit recht-licher Verbindlichkeit aus. Damit werden Rechtssicherheit und Rechtsklarheit hergestellt. Die Autorinnen und Autoren werden bei der weiteren Nutzung der von ihnen selbst verfassten Werke von urheberrechtlichen Überlegungen weitgehend entlastet." Der Sachverständigenanhörung war die einhellige Botschaft zu entnehmen, dass das Zweitveröffentlichungsrecht die Position der wissenschaftlichen Autorinnen und Autoren stärkt. Gleichzeitig bleibt festzuhalten, dass Verlagspublikationen und Zweitveröffentlichung keine Gegensätze sind, sondern sich ergänzen. So stellte der Sachverständige Dr. Steinhauer zutreffend fest: "Zweitveröffentlichungen können überdies die Verlagspublikationen nicht ersetzen, da es letztlich offen bleibt, ob ein Werk durch die Autorin oder den Autor erneut öffentlich zugänglich gemacht wird. Die Verlagspublikation behält daher auch nach Einführung eines Zweitveröffent-lichungsrechts in Zukunft ihre wichtige Stellung, verbunden freilich mit Verbesserungen für wissenschaft-liche Autoren, ihre Werke im Rahmen einer digital und vernetzt arbeitenden Wissenschaft leicht und unkompliziert zu nutzen." In diesem Sinne bin ich überzeugt, dass wir mit unserem Gesetzentwurf und dem Entschließungsantrag den richtigen Weg beschreiten. Mit diesem Gesamtpaket zur Förderung von Open Access entwickeln wir unsere Open-Access-Strategie weiter. René Röspel (SPD): Mit der heutigen Debatte wird eine Reihe von Anträgen zum Thema "Verwaiste Werke" behandelt. Da es sich bei diesem Teil des -Gesetzgebungsverfahrens um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, ist dieser Teil des vorliegenden Gesetzentwurfes unstreitig. Da sich die Koalitionsfraktionen nach fast vier Jahren Untätigkeit - trotz mehrfacher Aufforderung - auf den letzten Metern doch noch dazu entschieden haben, im Rahmen dieses Gesetzgebungsverfahrens durch eine Novelle des § 38 Urheberrechtsgesetz ein Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Autoren einzuführen, wird mit diesem Gesetzentwurf ein wichtiges Thema für den Wissenschafts- und Forschungs-stand-ort Deutschland auf die Tagesordnung gesetzt. Auch wenn die Aussicht auf ein Zweitverwertungsrecht für die Wissenschaft zunächst vielversprechend klingt, ist das vorliegende Ergebnis mehr als nur eine Enttäuschung bzw. eine Mogelpackung. Denn was hier als unabdingbares Zweitverwertungsrecht für die deutsche Wissenschaft verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein "Zweitverwertungsrecht light", das den Bedürfnissen der Wissenschaft in unserem Land nicht gerecht wird. Als gravierendster Mangel muss an dieser Stelle die faktische Zweiteilung der Wissenschaftslandschaft herausgestellt werden: Die Diskriminierung beim Geltungsbereich des Zweitverwertungsrechts in universitäre und außeruniversitäre Forschung lässt diesen Rechtsanspruch als ein Zweiklassenrecht erscheinen. Die häufig von schwarz-gelb propagierte Einheit von Forschung und Lehre in der deutschen Wissenschaftslandschaft erscheint vor diesem Hintergrund wie eine leere Hülse. Zudem geht eine solche rechtlich diskriminierende Regelung an der Wirklichkeit der Wissenschafts- und Forschungslandschaft vorbei. Universitäre und außeruniversitäre Forschung mögen für Schwarz-Gelb auf dem Papier als getrennte Sphären erscheinen, doch ist im Alltag der Übergang häufig nur schwer abzugrenzen. An dieser Stelle möchte ich als Beispiel die Situation bei der Fraunhofer-Gesellschaft für Forschung anführen: Die Mehrzahl aller bei der Fraunhofer-Gesellschaft angestellten Professoren hat zugleich einen Lehrauftrag an einer Hochschule. In der Alltagspraxis dieses Personenkreises findet aktive Forschungsarbeit sowohl an der Hochschule selbst als auch an den jeweiligen FhG-Instituten statt. Gleiches gilt für die wissenschaftlichen -Publikationen dieser Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Wie stellt sich die Bundesregierung in der Praxis die Abgrenzung einer möglichen Publikation dieses Personenkreises vor? Muss ein an einer Helmholtz-Einrichtung beschäftigter Professor einen Stunden- und Ortsnachweis führen, wenn er von seinem Zweit-verwertungsrecht Gebrauch machen will? In der Begründung des Gesetzentwurfes finden sich keinerlei -Hinweise auf die Möglichkeiten zur praktischen An-wendung im Grenzbereich dieser gesetzlichen Regelung. Für all jene Professorinnen und Professoren, die zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung wechseln, wird diese Änderung des § 38 Urheberrecht keine Erleichterung bringen. Ebenso möchte ich an dieser Stelle die unnötige Einschränkung des Zweitverwertungsrechts auf die Manuskriptversion bemängeln. Wenn es einem wissenschaftlichen Autor untersagt bleibt, formatgleiche Versionen seiner Publikation zur nichtkommerziellen Zweitverwertung freizugeben, dann wirkt sich dies negativ auf die Zitierfähigkeit der Zweitveröffentlichung aus. Dies wird letztlich ein Zitat-Wirrwarr zur Folge haben und somit mittelfristig einen negativen Einfluss auf zweitveröffentlichte Publikation mit sich bringen. Diesen wird in der wissenschaftlichen Community wahrscheinlich der Makel einer Publikation der zweiten Wahl anhaften. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der von der schwarz-gelben Koalition vorgelegte Gesetzentwurf nicht nur von den Oppositionsfraktionen, sondern auch von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, also der Gesamtheit der deutschen Wissenschaft, abgelehnt wird. Dies sollte den Autoren dieses Gesetzentwurfes eigentlich zu denken geben. Dass der Entwurf der Bundesregierung noch solch gravierende Mängel aufweist, ist um so bedauerlicher, wenn man sich vor Augen hält, wie viel Zeit und Fachexpertise aufgewendet wurden, um ein solch mageres Ergebnis abzuliefern. Die Forderung nach der Einführung eines Zweitverwertungsrechts für wissenschaftliche Autorinnen und Autoren gibt es schon seit vielen Jahren: Bereits zu Zeiten der Großen Koalition verabschiedeten die Wissenschaftspolitikerinnen und Wissenschaftspolitiker von SPD und CDU/CSU einen gemeinsamen Entschließungsantrag, der ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht forderte. In einem sogenannten "Dritten Korb" für das Urheberrecht sollten die Belange der Wissenschaft und Forschung im Urheberrecht berücksichtigt werden. Leider war bereits damals der Widerstand der Rechtspolitiker der Unionsfraktionen so groß, dass der Dritte Korb nicht umgesetzt werden konnte. Da sich die SPD-Bundestagsfraktion ihrer Verantwortung bewusst ist und sich für eine moderne Wissenschaftslandschaft einsetzt, hat sie bereits am 16. März 2011 einen Gesetzentwurf zum Zweitverwertungsrecht vorgelegt. Vonseiten der derzeitigen Koalitionsfraktionen war hingegen fast vier Jahre nichts zu hören. Anstatt auf eine tragfähige Einigung mit den Rechtspolitikern der Unionsfraktionen hinzuarbeiten, hat man sich dafür entschieden, die Sache auf die lange Bank zu schieben, mit fatalem Ergebnis. Denn jetzt, kurz vor dem Ende der Legislatur, versucht die Merkel-Regierung die eigene Untätigkeit bzw. die Kapitulation der Wissenschaftspolitiker von CDU, CSU und FDP vor dem antiquierten Rechtsverständnis der eigenen Rechtspolitiker durch einen zahnlosen und praxisfremden Gesetzentwurf zu kaschieren. Auf die Möglichkeit, den Entwurf nachzubessern, wurde verzichtet. Die konstruktiven und sach-dienlichen Hinweise der Sachverständigen in der Anhörung des Rechtsausschusses vom 10. Juni 2013 wurden ebenfalls nicht aufgegriffen. Es ist bedauerlich, dass durch die Untätigkeit der Koalitionsfraktionen in dieser Frage den Forschenden in unserem Land ein modernes Urheberrecht verweigert wurde, welches ihren Bedürfnissen im internationalen Wettbewerb gerecht wird. Das Fehlen praxistauglicher und zeitgemäßer Regelungen im Wissenschaftsurheberrecht beschädigt auf Dauer den Wissenschaftsstandort Deutschland. Das Einzige, was dieses trübe Bild aufhellt, ist die Aussicht, dass es ab Herbst dieses Jahres endlich die Möglichkeit zum Umsteuern ergibt. Stephan Thomae (FDP): Die Digitalisierung unserer Welt schreitet immer weiter voran. Sie eröffnet uns große Möglichkeiten, kulturelle Schöpfungen für die Nachwelt dauerhaft zu erhalten. Gerade im Land der Dichter und Denker ist uns der Erhalt unseres kulturellen Erbes ein sehr wichtiges Anliegen. Daher wollen wir die technischen Möglichkeiten bestmöglich ausnutzen. Bund, Länder und Kommunen errichten zur Zeit die Deutsche Digitale Bibliothek, DDB. Durch sie soll nationales Kulturgut für jedermann online zugänglich gemacht werden. Die DDB ist ein wesentlicher Beitrag zur Förderung der Wissens- und Informationsgesellschaft in Deutschland. Allerdings müssen wir bei diesem Vorhaben die Interessen der Rechteinhaber berücksichtigen. Die FDP bekennt sich zu einem umfassenden Eigentumsschutz, der auch geistiges Eigentum umfasst. Daraus folgt, dass der Rechteinhaber entscheiden können muss, ob und wie sein Werk genutzt werden darf. Ohne sein Einverständnis dürfen Dritte das Werk nicht verwenden. Problematisch wird es dort, wo nicht festgestellt werden kann, wer der Inhaber von Rechten an einem Werk ist oder wie dieser zu erreichen ist. Dann kann er auch nicht nach seinem Einverständnis gefragt werden. Auf europäischer Ebene ist daher die Richtlinie 2012/28/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke erlassen worden. Diese setzen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf um. Darin schaffen wir die Möglichkeit, Werke zu digitalisieren und online zu stellen, damit sie nicht dem kulturellen Erbe verloren gehen. Dieses Recht erhalten öffentlich zugängliche und im Gemeinwohl errichtete Institutionen, insbesondere Bibliotheken, Archive und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten. Voraussetzung hierfür ist, dass die Rechteinhaber dieser Werke auch nach einer sorgfältigen Suche nicht festgestellt oder ausfindig gemacht werden konnten. Wird ein Rechteinhaber erst nach begonnener Nutzung ausfindig gemacht, muss die Nutzung sofort nach Kenntnis davon unterlassen werden. In diesem Fall hat der Rechteinhaber einen Anspruch auf angemessene Vergütung für die bereits erfolgte Nutzung. Etwas anders liegt die Situation bei Werken, deren Rechteinhaber zwar bekannt sind, die aber nicht mehr produziert oder aufgelegt werden. Auch solche Werke können unter engen Voraussetzungen digitalisiert und online gestellt werden, allerdings nur, wenn der Rechteinhaber einem entsprechenden Begehren nicht innerhalb von sechs Wochen widersprochen hat. Rechteinhaber können der Nutzung ihrer Werke auch bereits im Vorfeld widersprechen. Zudem schaffen wir ein Zweitverwertungsrecht für wissenschaftliche Urheber. Einen wissenschaftlichen Beitrag, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen ist, kann der Urheber zu nicht gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich machen. Dieses Recht entsteht jedoch erst nach Ablauf von zwölf Monaten nach der Erstveröffentlichung. Damit verbessern wir den Zugang zu Wissen und Informationen und stärken den Forschungsstandort Deutschland. Durch das Gesetz erleichtern wir den Erhalt unseres kulturellen Erbes. Gleichzeitig erleichtern wir die Verbreitung von Forschungsergebnissen zum Wohle des Forschungsstandortes Deutschland. Die FDP-Bundestagsfraktion wird dem Gesetzentwurf daher zustimmen. Ich bitte auch um Ihre Stimmen für dieses Anliegen. Petra Sitte (DIE LINKE): Nach der Ankündigung eines "Dritten Korbes" der Urheberrechtsreform für Bildung und Wissenschaft im Koalitionsvertrag, nach Anhörungen im Justizministerium, nach vier Jahren Debatte rumpelte und kreißte nun der Koalitionsberg und gebar in den letzten drei Sitzungswochen der Legislatur ein Reförmchen. Und zu diesem muss man der Justizministerin und den wenigen netzaffinen Politikerinnen und Politikern in der Union auch noch gratulieren, denn auch dieses Reförmchen stand immer wieder auf der Kippe. Sie wollen also eine Urheberrechtsschranke, damit sogenannte verwaiste Werke aus Bibliotheken, Archiven und Museen digital zugänglich gemacht werden können. Dieser Vorschlag entspricht weitgehend dem seit 2011 vorliegenden Vorschlag der Linken und der seit 2012 vorliegenden EU-Richtlinie. Kritik haben wir an der aufwendigen Vorschrift für eine Suche nach möglichen Urhebern und Rechteinhabern. Nach Aussage des Sachverständigen Dr. Steinhauer in der Anhörung würde ein solches Verfahren für den geschätzten Bestand verwaister Werke 170 Jahre dauern und ist für eine Massendigitalisierung demnach nicht geeignet. Hier mahnen wir eine Vereinfachung an. Eine computergestützte Standardsuche würde reichen, zumal eventuelle Rechteinhaber jederzeit die Möglichkeit zum Stopp der Werknutzung haben. Die Lösung einer Registrierung für die vergriffenen Werke, die dann zur Digitalisierung lizenziert werden können, finden wir ebenfalls praktikabel. Wir wünschen uns aber eine Ausweitung auch auf jüngere Werke nach 1966. Der Status des vergriffenen Werkes ist für diesen Fall bereits in § 53 Abs. 2 Satz 4 Urheberrechtsgesetz mit "mehr als zwei Jahre nicht lieferbar" definiert. Auch viele Autorinnen und Autoren hätten etwas davon: Sie würden nicht nur wieder gelesen, sondern könnten auch noch Einnahmen generieren. Der zweite Teil des Gesetzentwurfes führt ein Zweitverwertungsrecht für Werke von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein. Meine Fraktion hat dies selbst mehrfach im Bundestag vorgeschlagen, denn durch ein solches Recht bekämen die Autorinnen und Autoren eine größere Verfügungsmacht über ihr eigenes Schaffen. Sie könnten ihre Werke selbst dann online stellen, wenn sie Nutzungsrechte an einen Verlag abgetreten haben. Der Regierungsentwurf hat jedoch zu viele Mängel: So ist die grundständige Forschung an Hochschulen zumindest laut der Begründung nicht einbezogen. Diese Regelung grenzt also mehr als zwei Drittel der wissenschaftlichen Publikationen aus. Davon wären zudem die Geistes- und Sozialwissenschaften besonders betroffen, obwohl bei ihnen eine spezifische Fähigkeit des Anschlusses an die nichtwissenschaftliche Öffentlichkeit gegeben ist. In der Praxis ist eine solche Trennung zudem nicht sauber durchzuhalten, was eine große Rechtsunsicherheit mit sich bringen würde. Man kann den Autorinnen und Autoren an Hochschulen ob der unklaren Ausformulierung nur raten, das Recht selbstbewusst in Anspruch zu nehmen. Wir bemängeln auch eine zu lange und einheitliche Frist, nach der das Recht zur Zweitveröffentlichung greift. Insbesondere für Natur- und Technikwissenschaften sind Publikationen ein Jahr nach Erscheinen nicht mehr relevant. Die Linke setzt sich für eine deutliche Verkürzung auf höchstens sechs Monate ein. Laut Regierungsentwurf darf nur in einer Manuskriptversion, nicht in der im Verlagsprodukt veröffentlichten Version zweitverwertet werden. Wir meinen: Das ist die Einführung eines neuen Leistungsschutzrechtes durch die Hintertür. Um keine "Versionenfriedhöfe" entstehen zu lassen und die allgemeine Zitierfähigkeit zu erhalten, sollte immer die Publikation in der Verlagsversion erlaubt sein. Zudem kollidiert diese Regelung mit dem Absatz 1 des § 38 Urheberrechtsgesetz. Dort steht nämlich nichts von einer Manuskriptversion, was im Umkehrschluss nur bedeuten kann, dass die Verlagsversion nutzbar ist. Die Einschränkung auf zweimal jährlich erscheinende Periodika erscheint uns unnötig und verursacht in der Praxis große Rechtsunsicherheit, da viele dieser Sammlungen unregelmäßig erscheinen. Zudem wollen wir auch Monographien in das Zweitverwertungsrecht aufnehmen, die wiederum für Geistes- und Kulturwissenschaften eine große Rolle spielen. Eine neu eingeführte Schlechterstellung der Autorinnen und Autoren bedeutet die Formulierung, dass Verlage zukünftig automatisch exklusive Onlinerechte an den Publikationen erwerben, wo diese "Vermutungsregel" bisher nur für gedruckte Werke galt. Wir müssen leider sagen: gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Dieses Gesetz ist nicht mal ein Mindeststandard, sondern bestenfalls ein zukünftig weiter zu entwickelnder Einstieg in ein Zweitverwertungsrecht für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Koalition ist den Verlagsinteressen weitestmöglich entgegengekommen, wo doch der freie Austausch von Wissen im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen sollte. Den Kolleginnen und Kollegen der Grünen sind beim Verfassen ihres eigentlich guten Entschließungsantrages wohl die Wahlkampfpferde durchgegangen. Aber einer Entschließung des Parlaments, die Werbefläche für die Anträge einer Fraktion sein soll, können wir leider nicht zustimmen. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Regierungskoalition hatte zu Anfang der Legislatur einen Dritten Korb zur Reform des Urheberrechts angekündigt mit Schrankenregelungen zugunsten von Wissenschaft und Bildung. Dabei sollte es nicht nur um ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Autorinnen und Autoren gehen, sondern auch um wissenschaftsadäquate Regelungen für die Arbeit von Bibliotheken. Heute können wir feststellen: Auch dies hat diese Regierung nicht zustande gebracht. Was uns als einzige Notmaßnahme heute vorliegt, ist eine Regelung zum Zweitveröffentlichungsrecht als Anhängsel zu den Neuregelungen über verwaiste und vergriffene Werke. Aber selbst bei dieser Minimallösung springen Sie zu kurz. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Autoren bleibt nicht nur deutlich hinter dem zurück, was von der Allianz der Deutschen Wissenschaftsorganisationen gefordert wurde; auch im Bundesrat wurde dieser Entwurf zu Recht als unzureichend kritisiert, und ihm wurde ein weiter gehender Antrag entgegengehalten. Der Gesetzentwurf fällt leider auch hinter das zurück, worauf wir uns schon in der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft fraktionsübergreifend und auch mit den Sachverständigen geeinigt hatten. Das finde ich wirklich enttäuschend. Nun kann ich durchaus nachvollziehen, dass die Auseinandersetzung der Wissenschaftspolitiker der Koalition mit ihren Rechtspolitikern alles andere als vergnügungssteuerpflichtig ist. Aber ich hatte doch gehofft, dass Sie wenigstens den größten Blödsinn im Regierungsentwurf repariert kriegen würden. Als Blödsinn kann man getrost eine Begründung bezeichnen, die das unabdingbare Zweitveröffentlichungsrecht auf wissenschaftliche Autoren begrenzen will, die aus ihrer Tätigkeit an einer außeruniversitären Forschungseinrichtung heraus publizieren oder aus der Projektförderung. Das heißt, Autoren, die aus ihrer normalen Hochschulforschung heraus veröffentlichen, werden ausdrücklich diskriminiert. Zweierlei Recht für die öffentlich finanzierte Forschung. Das kann nicht gut gehen. Eine pauschale Embargofrist zwischen Erst- und Zweitveröffentlichung von einem Jahr ist für Aufsätze in Periodika eindeutig zu lang und müsste für diesen Bereich auf sechs Monate reduziert werden, wie dies die Wissenschaftsorganisationen fordern. Auch in der Anhörung wurde deutlich, wie wichtig die Möglichkeit ist, die Zweitveröffentlichung im gleichen Format vorzunehmen wie die Erstveröffentlichung, um die Zitationsfähigkeit und Auffindbarkeit zu erleichtern. Aber aus der Anhörung haben Sie leider keinerlei Lehren gezogen. Die Beschränkung des Zweitveröffentlichungsrechts auf mehrmals im Jahr erscheinende Sammlungen benachteiligt von vornherein einzelne Disziplinen. Ihr Gesetzentwurf kann auch nur als unzureichend bezeichnet werden gemessen an dem, was das BMBF zu seiner Open-Access-Politik in seinem Bericht zur Verwirklichung des europäischen Forschungsraums selbst geschrieben hat. Das passt einfach vorne und hinten nicht zusammen. Damit läuft die Entwicklung in Deutschland zunehmend der hohen Dynamik bei der internationalen Umsetzung von Open-Access-Strategien hinterher. Mit Ihrem Entschließungsantrag reparieren Sie dies keineswegs, sondern versehen den missglückten Regierungsentwurf noch mit höheren parlamentarischen Weihen. Wenn es dort heißt: "Der Bundestag begrüßt die Bemühungen der Bundesregierung", dann sollten wir nicht vergessen, was "bemüht" in einem Zeugnis letztlich aussagt. Ich halte es für falsch, dass Sie, nachdem Sie bei der Unterstützung des "grünen Weges" für Open Access zu kurz gesprungen sind, jetzt in Ihrem Antrag ausschließlich auf das Geschäftsmodell des "goldenen Weges" abstellen. Einen Publikationsfonds für die Übernahme von Publikationsgebühren der Autoren gibt es übrigens längst schon bei der DFG. Hier muss vor allem auf die internationale Verständigung über Obergrenzen für die öffentliche Bezuschussung hingearbeitet werden. Die Empfänger öffentlicher Fördermittel lediglich zum Open-Access-Publizieren "anzuhalten", ist im Vergleich zur Open-Access-Politik der Schweiz, Großbritanniens, der EU, aber auch zum NIH in den USA deutlich zu zaghaft. Die Öffentlichkeit, aber auch die internationale Wissenschaft haben nicht nur ein Interesse, sondern auch ein Recht darauf, dass Publikationen aus der von ihr finanzierten Forschung nicht dauerhaft privatisiert oder sogar der Öffentlichkeit weitgehend entzogen werden. Zumal die Leistungen der wissenschaftlichen Qualitätssicherung bei Publikationen auch von öffentlich finanzierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erbracht werden. Zu den verwaisten und vergriffenen Werken hat meine Kollegin Agnes Krumwiede bereits bei der Einbringung ausführlich Stellung genommen. Was ein wissenschaftsadäquates Urheberrecht angeht, stehen wir leider immer noch ziemlich am Anfang, und es spricht nichts dafür, dass diese Koalition jemals in der Lage sein wird, diese Aufgabe zu stemmen. Anlage 39 Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung der Beschlussempfehlung zu den Anträgen: - Das Menschenrecht auf inklusive Bildung in Deutschland endlich verwirklichen - Gemeinsam lernen - Inklusion in der Bildung endlich umsetzen - Zusammen lernen - Recht auf inklusive Bildung bundesweit umsetzen (Tagesordnungspunkt 40) Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU): In der heutigen Debatte beschäftigen wir uns mit dem Menschenrecht auf inklusive Bildung, dem gemeinsamen Lernen. Ich freue mich über eine Debatte zu diesem wichtigen, uns alle angehenden Thema. In der Zielsetzung sind wir uns einig: Wir wollen Menschen mit Behinderung volle Teilhabe ermöglichen. Deutschland hat die UN-Behindertenrechtskonvention ratifiziert und sich damit dazu verpflichtet, eine umfassende Teilhabe zu fördern und mit Maßnahmen dabei zu unterstützen, alle Lebensbereiche barrierefrei zu gestalten. Im Rahmen seiner Zuständigkeiten trägt der Bund -bereits aktiv zur Umsetzung der UN-Konvention bei. Er unterstützt im Bildungsbereich - und das trifft speziell die Umsetzung des Art. 24 der Konvention - Bund, Länder und Kommunen mit zahlreichen Maßnahmen in der Forschung oder der Innovationsförderung. Denn auch hier muss betont werden, dass die Bildungshoheit bei den Ländern liegt und der Bund daher "nur" unterstützend tätig werden kann. Dies tut der Bund durch drei Dinge: Die Ausgaben für Bildung sind insgesamt enorm angestiegen. Dementsprechend bescheinigt der Nationale Bildungsbericht, dass das Bildungsniveau in Deutschland insgesamt angestiegen ist. Er hat die Dachkampagne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, den Nationalen Aktionsplan, geschaffen. In den vorgelegten Anträgen stellen die Kollegen der Opposition zahlreiche Forderungen an den Bund auf, die zum Teil bereits umgesetzt werden oder nicht ohne Weiteres umgesetzt werden können. Zu nennen ist hier beispielsweise wieder einmal die Forderung nach der Aufhebung des Kooperationsver-botes. Es fällt auf, dass die Opposition dies fordert, aber keine umsetzbaren Vorschläge unterbreitet, außer -solche, die mit einer reinen Verschiebung von Finanzströmen einhergehen, ohne dass jedoch Mitspracherechte der beteiligten Akteure oder Verantwortlichen geregelt werden würden. Seit Jahren diskutieren wir zum Teil sehr kontrovers das Thema der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der Bildung - bisher leider ohne Erfolg, aber wie eben bereits angesprochen, weil es immer wieder zu Blockadehaltungen kommt. Auch zwischen den Ländern kann keine Einigkeit erzielt werden, vor allem aber weil die SPD blockiert und stattdessen diese reine Finanzverschiebung zugunsten der Länder fordert. Dies soll durch eine Änderung des Grundgesetzes, die Schaffung eines neuen Art. 104 c, geschehen. Die Einfügung eines entsprechenden neuen Artikels würde dann die Finanzierungskompetenz des Bundes ausweiten, jedoch nicht seine Mitspracherechte. Es geht der SPD anscheinend wie so oft um eine -Verteilung mit der Gießkanne, ohne dass die Länder Rechenschaft darüber abzulegen hätten, wohin die Gelder genau fließen. Zudem fehlt jegliche Zielvereinbarung mit einer entsprechenden Kontrolle oder Evaluation der ergriffenen Maßnahmen. Diese Vorgehensweise kennen wir unter anderem sowohl beim Kitaausbau als auch bei der Hochschulfinanzierung. Auf die Forderungen seitens des Bundes nach Berichtspflichten reagierten die Länder dementsprechend auch "empfindlich" und versagten ihre Zustimmung für wichtige Vorhaben, die sowohl der Bildung von Kindern und Studierenden zugutekommen sollten. Vor allem in Richtung der SPD bleibt daher zu sagen: Ohne eine gute und vernünftige Lösung für die Kompetenzverteilung und Kooperation kann und wird es daher mit der Union keine Aufhebung des Kooperationsverbotes geben. Und so lange bleiben die Länder vor Ort vorrangig für die Aufgabe Bildung und damit für die Umsetzung des Bildungsaspektes der Inklusion zuständig. Zur Forderung nach einer Qualifizierung des pädagogischen Personals sowie einer Offensive für inklusive Aus- und Weiterbildung möchte ich sagen, dass auch diese zum Teil den Schulbereich betrifft; die Aus- und Fortbildung der Lehrer ist grundsätzlich Sache der Länder. Die Entwicklungen in den einzelnen Ländern zeigen, dass unter anderem aufgrund der regionalen Besonderheiten der Ausbau des gemeinsamen Lernens unterschiedlich intensiv und mit unterschiedlichen Schwerpunkten vorangetrieben wird. So existieren sechs Lehramtstypen, die an insgesamt 120 Einrichtungen ausgebildet werden. Wenigstens hat die Kultusministerkonferenz, KMK, im Dezember des vergangenen Jahres in der Lehrerbildung eine verpflichtende Basiskomponente Inklusion aufgenommen. Der Bund flankiert diese Bestrebungen und wird eine Offensive Lehrerbildung mit 500 Millionen Euro finanzieren, in der Fragen von Didaktik und inklusiver -Bildung zentral sind. Mit dem Programm wird er die Länder und Hochschulen dabei unterstützen, innovative Konzepte für das Lehramtsstudium in Deutschland weiterzuentwickeln und dadurch dessen Qualität zu steigern. Die GWK hat dieses Vorhaben gestärkt und ebenso erst kürzlich die "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" beschlossen. Das sind positive Entwicklungen, die Schlüsselrolle der Lehrerschaft erhält die Bedeutung, die ihr zukommt, der Aspekt des gemeinsamen Lernens wird in den Vordergrund gerückt. Dennoch ist gleichzeitig zu beobachten, dass die Länder Lehrerstellen streichen: In Rheinland-Pfalz streicht die SPD 2 000 Lehrerstellen, in Schleswig-Holstein streicht die Landesregierung 3 000 Lehrerstellen. In Niedersachsen kündigt die Regierung an, die demografische Rendite nicht mehr in Lehrer -umzusetzen. Vielmehr hört man davon, dass durch Rot-Grün 10 000 Stellen dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. In Baden-Württemberg sollen es angeblich bald 12 000 Stellen weniger sein. Auch für die frühkindliche Bildung setzt sich der Bund in seinen Kompetenzbereichen ein. Die Weiterbildungsinitiative Frühpädagogische Fachkräfte, WiFF, des Bundes hat in ihrer 2. Förderphase bis Ende 2014 das Thema Inklusion zum Schwerpunkt gemacht. Derzeit wird ein "Wegweiser Weiterbildung - Kinder mit Behinderungen" erarbeitet. Dieser hat zum Ziel, die Fachkräfte in der Kita zu professionalisieren. Was die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen ganztägigen, gebührenfreien, inklusiven Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte angeht, bleibt zu sagen, dass ein solcher ab dem dritten Lebensjahr seit dem Jahr 2003 besteht. Bis zu 98 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen besuchen mittlerweile eine Kindertagesstätte. Das sind erfreuliche Zahlen und ist ein Erfolg auch der Bundesregierung. Seit Inkrafttreten des Tagesbetreuungsausbaugesetzes im Jahr 2005 ist darüber hinaus die gemeinsame Frühförderung von Kindern ohne und mit Behinderung möglich und wird vielerorts gelebt: Insgesamt werden 76 Prozent der Kinder mit Behinderungen in Regeleinrichtungen betreut. Der Ausbau des Betreuungsangebotes für unter Dreijährige erfolgt weiterhin planmäßig: Zu den 4 Milliarden Euro für den Ausbau investiert der Bund weitere 580,5 Millionen Euro für den Ausbau von zusätzlichen 30 000 Plätzen; insgesamt wird er weitere Betriebskostenzuschüsse bis 2014 von fast 5,4 Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Die durchschnittliche Betreuungsquote liegt bundesweit mittlerweile bei 28 Prozent. Das Angebot für die Betreuung ist in allen Bundesländern dynamisch gestiegen. Der Rechtsanspruch gilt ab 1. August dieses Jahres. Was für die frühkindliche Bildung gilt, gilt in gleichem Maße für Schule und Ausbildung. So wollen wir allen Kindern und insbesondere den bildungsbenachteiligten Kindern einen allgemeinbildenden Schulabschluss ermöglichen. Die aktuellste PISA-Studie bestätigt, dass es in diesem Bereich positive Entwicklungen gibt. Der Anteil der Schüler ohne Abschluss sank von 2006 mit 8 Prozent auf 6,5 Prozent in 2010. Auch für die jungen Auszubildenden hat sich die Situation verbessert; denn mehr Jugendliche erhielten durch den Nationalen Ausbildungspakt einen Ausbildungsvertrag. Die Berufsorientierung hat dabei für uns enorme Bedeutung. Das haben Bund und Länder in der Qualifizierungsinitiative betont. Vor allem das Programm der Bildungsketten ist hier besonders wichtig. Es richtet sich an alle Jugendlichen mit dem Interesse für eine duale Ausbildung, in erster Linie Haupt- und Förderschüler. Der Bund stellt allein bis zum Jahr 2014 rund 362 Millionen Euro für die Bildungsketten bereit. Die Zahlen belegen, dass das Bildungssystem sich gut entwickelt, das Bildungsniveau sowie die Bildungsbeteiligung sind gestiegen. Wir setzen Priorität auf Bildung, und dies zahlt sich aus. Neue Herausforderungen wie -heterogene Lerngruppen oder Inklusion stellen uns dabei immer wieder vor neue Aufgaben, die wir gemeinsam mit den Ländern und Kommunen bewältigen. Die Länder stehen vorrangig in der Pflicht. Wo der Bund jedoch unterstützend unter die Arme greifen kann, wird er dies auch weiterhin tun. Anlage 40 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14230) (Tagesordnungspunkt 13 a) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 571; davon ja: 259 nein: 311 enthalten: 1 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Josip Juratovic Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Michael Kauch Marina Schuster DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Paul Schäfer (Köln) Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann Anlage 41 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14231) (Tagesordnungspunkt 13 a) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 574; davon ja: 259 nein: 312 enthalten: 3 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Michael Kauch Marina Schuster DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann SPD Michael Gerdes Hans-Ulrich Klose Anlage 42 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14232) (Tagesordnungspunkt 13 a) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 573; davon ja: 260 nein: 312 enthalten: 1 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Michael Kauch Marina Schuster DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Sabine Leidig Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann Anlage 43 Endgültiges Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 (Drucksache 17/14233) (Tagesordnungspunkt 13 a) Endgültiges Ergebnis Abgegebene Stimmen: 574; davon ja: 261 nein: 312 enthalten: 1 Ja SPD Ingrid Arndt-Brauer Rainer Arnold Heinz-Joachim Barchmann Doris Barnett Dr. Hans-Peter Bartels Klaus Barthel Sören Bartol Bärbel Bas Dirk Becker Uwe Beckmeyer Lothar Binding (Heidelberg) Gerd Bollmann Willi Brase Bernhard Brinkmann (Hildesheim) Edelgard Bulmahn Marco Bülow Ulla Burchardt Martin Burkert Petra Crone Dr. Peter Danckert Martin Dörmann Elvira Drobinski-Weiß Sebastian Edathy Ingo Egloff Siegmund Ehrmann Dr. h. c. Gernot Erler Petra Ernstberger Karin Evers-Meyer Elke Ferner Gabriele Fograscher Dr. Edgar Franke Dagmar Freitag Michael Gerdes Martin Gerster Iris Gleicke Günter Gloser Ulrike Gottschalck Angelika Graf (Rosenheim) Kerstin Griese Gabriele Groneberg Michael Groß Hans-Joachim Hacker Bettina Hagedorn Klaus Hagemann Michael Hartmann (Wackernheim) Hubertus Heil (Peine) Wolfgang Hellmich Rolf Hempelmann Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Petra Hinz (Essen) Frank Hofmann (Volkach) Dr. Eva Högl Christel Humme Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Ulrich Kelber Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe (Leipzig) Anette Kramme Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange (Backnang) Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel (Berlin) Dr. Matthias Miersch Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Andrea Nahles Dietmar Nietan Manfred Nink Thomas Oppermann Holger Ortel Aydan Özoguz Heinz Paula Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Florian Pronold Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Stefan Rebmann Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth (Esslingen) Michael Roth (Heringen) Marlene Rupprecht (Tuchenbach) Annette Sawade Anton Schaaf Axel Schäfer (Bochum) Bernd Scheelen Marianne Schieder (Schwandorf) Werner Schieder (Weiden) Ulla Schmidt (Aachen) Carsten Schneider (Erfurt) Swen Schulz (Spandau) Ewald Schurer Frank Schwabe Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Rita Schwarzelühr-Sutter Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Dr. Frank-Walter Steinmeier Christoph Strässer Kerstin Tack Dr. h. c. Wolfgang Thierse Franz Thönnes Wolfgang Tiefensee Rüdiger Veit Ute Vogt Dr. Marlies Volkmer Andrea Wicklein Heidemarie Wieczorek-Zeul Dr. Dieter Wiefelspütz Waltraud Wolff (Wolmirstedt) Uta Zapf Manfred Zöllmer Brigitte Zypries FDP Michael Kauch Marina Schuster DIE LINKE Jan van Aken Agnes Alpers Dr. Dietmar Bartsch Karin Binder Matthias W. Birkwald Heidrun Bluhm Steffen Bockhahn Christine Buchholz Eva Bulling-Schröter Dr. Martina Bunge Roland Claus Sevim Dagdelen Heidrun Dittrich Werner Dreibus Dr. Dagmar Enkelmann Klaus Ernst Nicole Gohlke Diana Golze Annette Groth Dr. Gregor Gysi Heike Hänsel Dr. Rosemarie Hein Inge Höger Dr. Barbara Höll Andrej Hunko Ulla Jelpke Dr. Lukrezia Jochimsen Harald Koch Jan Korte Jutta Krellmann Sabine Leidig Ralph Lenkert Stefan Liebich Ulla Lötzer Thomas Lutze Ulrich Maurer Dorothée Menzner Cornelia Möhring Niema Movassat Thomas Nord Jens Petermann Richard Pitterle Yvonne Ploetz Ingrid Remmers Paul Schäfer (Köln) Dr. Ilja Seifert Kathrin Senger-Schäfer Raju Sharma Dr. Petra Sitte Kersten Steinke Sabine Stüber Alexander Süßmair Dr. Kirsten Tackmann Frank Tempel Dr. Axel Troost Alexander Ulrich Johanna Voß Halina Wawzyniak Harald Weinberg BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Kerstin Andreae Marieluise Beck (Bremen) Volker Beck (Köln) Cornelia Behm Birgitt Bender Agnes Brugger Viola von Cramon-Taubadel Ekin Deligöz Katja Dörner Harald Ebner Hans-Josef Fell Dr. Thomas Gambke Kai Gehring Katrin Göring-Eckardt Britta Haßelmann Bettina Herlitzius Priska Hinz (Herborn) Dr. Anton Hofreiter Bärbel Höhn Ingrid Hönlinger Thilo Hoppe Uwe Kekeritz Katja Keul Susanne Kieckbusch Memet Kilic Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Ute Koczy Tom Koenigs Sylvia Kotting-Uhl Oliver Krischer Agnes Krumwiede Stephan Kühn Renate Künast Markus Kurth Undine Kurth (Quedlinburg) Monika Lazar Dr. Tobias Lindner Nicole Maisch Jerzy Montag Kerstin Müller (Köln) Beate Müller-Gemmeke Dr. Konstantin von Notz Omid Nouripour Friedrich Ostendorff Dr. Hermann E. Ott Lisa Paus Brigitte Pothmer Tabea Rößner Krista Sager Elisabeth Scharfenberg Dr. Gerhard Schick Dr. Frithjof Schmidt Ulrich Schneider Dorothea Steiner Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn Hans-Christian Ströbele Dr. Harald Terpe Markus Tressel Jürgen Trittin Daniela Wagner Beate Walter-Rosenheimer Arfst Wagner (Schleswig) Wolfgang Wieland Dr. Valerie Wilms Josef Philip Winkler fraktionsloser Abgeordneter Wolfgang Neškovic Nein CDU/CSU Ilse Aigner Peter Altmaier Peter Aumer Dorothee Bär Thomas Bareiß Norbert Barthle Günter Baumann Ernst-Reinhard Beck (Reutlingen) Manfred Behrens (Börde) Veronika Bellmann Dr. Christoph Bergner Peter Beyer Steffen Bilger Clemens Binninger Peter Bleser Dr. Maria Böhmer Wolfgang Börnsen (Bönstrup) Wolfgang Bosbach Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Cajus Caesar Gitta Connemann Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Dirk Fischer (Hamburg) Klaus-Peter Flosbach Herbert Frankenhauser Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) Michael Frieser Dr. Michael Fuchs Hans-Joachim Fuchtel Alexander Funk Ingo Gädechens Dr. Thomas Gebhart Norbert Geis Alois Gerig Eberhard Gienger Michael Glos Josef Göppel Peter Götz Dr. Wolfgang Götzer Ute Granold Reinhard Grindel Hermann Gröhe Michael Grosse-Brömer Markus Grübel Manfred Grund Monika Grütters Olav Gutting Florian Hahn Dr. Stephan Harbarth Jürgen Hardt Gerda Hasselfeldt Dr. Matthias Heider Helmut Heiderich Mechthild Heil Ursula Heinen-Esser Frank Heinrich Rudolf Henke Michael Hennrich Ansgar Heveling Ernst Hinsken Christian Hirte Robert Hochbaum Karl Holmeier Franz-Josef Holzenkamp Joachim Hörster Anette Hübinger Hubert Hüppe Thomas Jarzombek Dieter Jasper Dr. Franz Josef Jung Andreas Jung (Konstanz) Dr. Egon Jüttner Bartholomäus Kalb Hans-Werner Kammer Alois Karl Bernhard Kaster Siegfried Kauder (Villingen-Schwenningen) Volker Kauder Roderich Kiesewetter Eckart von Klaeden Ewa Klamt Volkmar Klein Jürgen Klimke Axel Knoerig Jens Koeppen Manfred Kolbe Dr. Rolf Koschorrek Hartmut Koschyk Thomas Kossendey Michael Kretschmer Gunther Krichbaum Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Bettina Kudla Dr. Hermann Kues Günter Lach Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) Andreas G. Lämmel Katharina Landgraf Ulrich Lange Dr. Max Lehmer Paul Lehrieder Dr. Ursula von der Leyen Ingbert Liebing Matthias Lietz Dr. Carsten Linnemann Patricia Lips Dr. Jan-Marco Luczak Daniela Ludwig Dr. Michael Luther Karin Maag Dr. Thomas de Maizière Hans-Georg von der Marwitz Andreas Mattfeldt Stephan Mayer (Altötting) Dr. Michael Meister Maria Michalk Dr. h. c. Hans Michelbach Dr. Mathias Middelberg Philipp Mißfelder Dietrich Monstadt Marlene Mortler Dr. Gerd Müller Stefan Müller (Erlangen) Dr. Philipp Murmann Michaela Noll Dr. Georg Nüßlein Franz Obermeier Eduard Oswald Henning Otte Dr. Michael Paul Rita Pawelski Ulrich Petzold Dr. Joachim Pfeiffer Sibylle Pfeiffer Beatrix Philipp Ronald Pofalla Christoph Poland Ruprecht Polenz Eckhard Pols Thomas Rachel Dr. Peter Ramsauer Eckhardt Rehberg Katherina Reiche (Potsdam) Lothar Riebsamen Josef Rief Klaus Riegert Dr. Heinz Riesenhuber Johannes Röring Dr. Norbert Röttgen Dr. Christian Ruck Erwin Rüddel Albert Rupprecht (Weiden) Anita Schäfer (Saalstadt) Dr. Wolfgang Schäuble Dr. Annette Schavan Dr. Andreas Scheuer Karl Schiewerling Norbert Schindler Tankred Schipanski Georg Schirmbeck Christian Schmidt (Fürth) Patrick Schnieder Dr. Andreas Schockenhoff Nadine Schön (St. Wendel) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) Dr. Ole Schröder Bernhard Schulte-Drüggelte Uwe Schummer Armin Schuster (Weil am Rhein) Detlef Seif Johannes Selle Reinhold Sendker Dr. Patrick Sensburg Bernd Siebert Thomas Silberhorn Johannes Singhammer Jens Spahn Carola Stauche Dr. Frank Steffel Erika Steinbach Christian Freiherr von Stetten Dieter Stier Gero Storjohann Stephan Stracke Max Straubinger Karin Strenz Thomas Strobl (Heilbronn) Lena Strothmann Michael Stübgen Dr. Peter Tauber Antje Tillmann Dr. Hans-Peter Uhl Arnold Vaatz Volkmar Vogel (Kleinsaara) Stefanie Vogelsang Andrea Astrid Voßhoff Dr. Johann Wadephul Marco Wanderwitz Kai Wegner Marcus Weinberg (Hamburg) Peter Weiß (Emmendingen) Sabine Weiss (Wesel I) Ingo Wellenreuther Karl-Georg Wellmann Peter Wichtel Annette Widmann-Mauz Klaus-Peter Willsch Elisabeth Winkelmeier-Becker Dagmar G. Wöhrl Dr. Matthias Zimmer Wolfgang Zöller Willi Zylajew FDP Jens Ackermann Christine Aschenberg-Dugnus Florian Bernschneider Sebastian Blumenthal Claudia Bögel Nicole Bracht-Bendt Klaus Breil Angelika Brunkhorst Ernst Burgbacher Marco Buschmann Sylvia Canel Helga Daub Reiner Deutschmann Bijan Djir-Sarai Patrick Döring Gerhard Drexler Mechthild Dyckmans Hans-Werner Ehrenberg Rainer Erdel Jörg van Essen Ulrike Flach Otto Fricke Dr. Edmund Peter Geisen Hans-Michael Goldmann Heinz Golombeck Miriam Gruß Joachim Günther (Plauen) Dr. Christel Happach-Kasan Heinz-Peter Haustein Manuel Höferlin Elke Hoff Birgit Homburger Heiner Kamp Dr. Lutz Knopek Pascal Kober Dr. Heinrich L. Kolb Gudrun Kopp Sebastian Körber Holger Krestel Patrick Kurth (Kyffhäuser) Heinz Lanfermann Sibylle Laurischk Harald Leibrecht Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Lars Lindemann Dr. Martin Lindner (Berlin) Michael Link (Heilbronn) Dr. Erwin Lotter Oliver Luksic Horst Meierhofer Patrick Meinhardt Gabriele Molitor Jan Mücke Petra Müller (Aachen) Burkhardt Müller-Sönksen Dr. Martin Neumann (Lausitz) Dirk Niebel Hans-Joachim Otto (Frankfurt) Cornelia Pieper Gisela Piltz Jörg von Polheim Dr. Christiane Ratjen-Damerau Dr. Birgit Reinemund Hagen Reinhold Dr. Peter Röhlinger Dr. Stefan Ruppert Björn Sänger Frank Schäffler Christoph Schnurr Jimmy Schulz Dr. Erik Schweickert Werner Simmling Judith Skudelny Dr. Hermann Otto Solms Joachim Spatz Torsten Staffeldt Dr. Rainer Stinner Stephan Thomae Manfred Todtenhausen Dr. Florian Toncar Serkan Tören Johannes Vogel (Lüdenscheid) Dr. Daniel Volk Dr. Claudia Winterstein Dr. Volker Wissing Hartfrid Wolff (Rems-Murr) Enthalten CDU/CSU Dr. Stefan Kaufmann Anlagen 1Anlage 2 bis 4 2Anlage 7 3Anlage 4 4Anlagen 8 und 9 5Ergebnis Seite 32013 A 6Ergebnis Seite 32027 A 7Anlage 10 8Ergebnis Seite 32036 C 9Anlagen 11 bis 18 10Ergebnisliste der namentlichen Abstimmung in Anlage 40 11Ergebnisliste der namentlichen Abstimmung in Anlage 41 12Ergebnisliste der namentlichen Abstimmung in Anlage 42 13Ergebnisliste der namentlichen Abstimmung in Anlage 43 14Anlage 20 15Anlage 21 16Anlage 22 17Anlage 23 18Anlage 32 19Anlage 19 20Anlage 24 21Anlage 25 22Anlage 26 23Anlage 27 24Anlage 28 25Anlage 29 26Anlage 30 27Anlage 31 28Redebeitrag des Abg. Marcus Weinberg (Hamburg) in Anlage 39 29Anlage 33 30Anlage 34 31Anlage 35 32Anlage 36 33Anlage 37 34Anlage 38 ______ ------------------------------------------------------------ --------------- ------------------------------------------------------------ II Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 250. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 250. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2013 III Deutscher Bundestag - 15. Wahlperiode - 38. Sitzung - 4. April 2003 4 32502 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 250. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2013 Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 250. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 27. Juni 2013 32503