Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2011
Um die Vereinfachung des deutschen Steuerrechts geht es am Donnerstag, 9. Juni 2011, in einer 45-minütigen Debatte ab 13 Uhr. Grundlage der Debatte ist der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (17/5125, 17/5196), das im Anschluss verabschiedet werden soll. Der Finanzausschuss hat am 8. Juni zahlreiche Änderungen am Regierungsentwurf vorgenommen (17/6105). Bündnis 90/Die Grünen haben einen Entschließungsantrag (17/6122) vorgelegt. Einer der wichtigsten Punkte des Gesetzentwurfs ist die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 920 auf 1.000 Euro pro Jahr. Dadurch müssen in Zukunft weniger Arbeitnehmer den Finanzämtern Einzelnachweise ihrer beruflich bedingten Aufwendungen vorlegen.
Mit einer ganzen Reihe weiterer Maßnahmen soll die Steuerpraxis vereinfacht, vorhersehbarer gestaltet und von unnötiger Bürokratie befreit werden. Die Bundesregierung erhofft sich, dass Steuerzahler und Steuerverwaltung spürbar von Erklärungs- und Prüfungsaufwand entlastet werden.
Erleichterungen sollen sich auch hinsichtlich der steuerlichen Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten ergeben. Bisher wurden diese Aufwendungen, je nachdem ob sie beruflich bedingt oder privat veranlasst waren, steuerlich unterschiedlich behandelt.
"Unter Beibehaltung der bestehenden Höchstbeträge werden zukünftig Aufwendungen anerkannt, ohne dass es wie bisher auf die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen bei den Eltern ankommt", heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs. Durch den Verzicht auf persönliche Anspruchsvoraussetzungen könnten mehr Eltern von dem Steuervorteil profitieren.
Außerdem sollen Steuerpflichtige ihre Steuerklärung in Zukunft nur noch alle zwei Jahre abgeben müssen, aber auch am gewohnten einjährigen Rhythmus festhalten dürfen. Unternehmer müssen nach wie vor ihre Einkünfte jährlich erklären.
Oppositionsfraktionen und Bundesrat zweifeln allerdings an der Vereinfachungswirkung durch die neue Möglichkeit der zweijährigen Abgabe. Der Bundesrat hält sie in seiner Stellungnahme für "kaum durchführbar".
Die Einkünfte- und Bezügegrenze beim Kindergeld und bei Kinderfreibeträgen für volljährige Kinder soll gestrichen werden. Dadurch werde der Erklärungsaufwand für Eltern deutlich vermindert, heißt es zur Begründung. Die bisher notwendige Ermittlung und Erklärung der Einkünfte und Bezüge von Kindern werde damit der Vergangenheit angehören.
Außerdem sollen Kapitaleinkünfte in Zukunft nicht mehr bei der Ermittlung zumutbarer Belastungen bei den "außergewöhnlichen Belastungen" einbezogen werden. Dadurch entfalle die Abfrage von Kapitaleinkünften in den Vordrucken.
Die Anforderungen an elektronische Rechnungen im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer sollen reduziert werden. Dadurch und durch weiteren Bürokratieabbau rechnet die Bundesregierung mit einer Nettoentlastung der Unternehmen von vier Milliarden Euro. Eine weitere Entlastung soll die stärkere Nutzung elektronischer Formulare bringen.
Außerdem will die Regierung mehrere Steuerbefreiungen streichen, die sich aufgrund Zeitlablaufs erledigt haben. Genannt werden unter anderem Entschädigungen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene oder Zinsen aus Schuldbuchforderungen nach dem Allgemeinen Kriegsfolgengesetz.
Der Finanzausschuss hat dem Gesetzentwurf in der Fassung von Änderungsanträgen der Koalitionsfraktionen mit der Mehrheit von Union und FDP am Mittwoch, 8. Juni, angenommen. SPD und Grüne stimmten dagegen, Die Linke enthielt sich. Einen Antrag der SPD, den seit vielen Jahren unveränderten Behindertenpauschbetrag anzuheben, lehnte das Gremium ab.
Die Koalition hatte zahlreiche Änderungen am Entwurf vorgenommen, etwa bei der steuerlichen Veranlagung von Ehegatten. Eine weitere Vereinfachung gibt es bei der Übertragung steuerlicher Freibeträge für Kinder von geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Eltern.
Einen Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der unter anderem das Ziel hat, Ehegatten individuell zu besteuern und nicht mehr nach dem Splittingverfahren, lehnte die Ausschussmehrheit ebenso ab wie einen Antrag der SPD-Fraktion, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Beherbergungsleistungen abzuschaffen und den vollen Mehrwertsteuersatz wieder einzuführen.
Die Unionsfraktion verwies auf die öffentliche Anhörung, in der sich die meisten Sachverständigen besonders zu den Regelungen für Familien positiv geäußert hätten. Eigentlich könne die "Anlage K“ für Kinder in der Einkommensteuererklärung jetzt wegfallen. Auch Unternehmen würden von geringeren Bürokratielasten profitieren.
Die SPD kritisierte, dass der Entwurf weit hinter den Ankündigungen der Koalition zurückbleibe. Es sei eine "traurige Tatsache“, dass CDU/CSU und FDP weiter an der zweijährigen Steuererklärung festhalte.
Dagegen stellte die FDP fest, dass das Steuervereinfachungsgesetz seinen Ansprüchen gerecht werde. Es könne allerdings noch viel mehr getan werde, und daher verstehe die Fraktion dieses Gesetz als ersten Schritt, dem weitere Schritte folgen.
Die Linksfraktion beklagte, dass bei dem Gesetz nicht viel herauskomme. Die Entlastungswirkung durch den höheren Arbeitnehmer-Pauschbetrag betrage allenfalls zwei bis drei Euro im Monat. Auch die Linksfraktion sprach sich für einen höheren Behindertenpauschbetrag aus.
Die Grünen begrüßten Erleichterungen für Unternehmen, denen es ermöglicht werde, Rechnungen in elektronischer Form an die Finanzbehörden zu übermitteln, sodass auf die Papierform verzichtet werden könne. Die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrages bezeichnete ein Sprecher aber als "Placebo“. Die Fraktion hat einen Entschließungsantrag (17/6122) vorgelegt, über den der Bundestag ebenfalls abstimmen wird. (hle)