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„Die Bekämpfung des Antisemitismus ist ein ganz wichtiges Thema – in Deutschland, in Europa aber auch in den anderen Teilen der Welt.“ Mit diesen Worten begann am Montag, 14. März 2016, das Grußwort von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel an die Teilnehmer der „Internationalen Konferenz zur Bekämpfung von Antisemitismus“. Die Kanzlerin konstatierte, dass Antisemitismus „leider auch im heutigen Alltag präsent ist“. Er äußere sich in Vorurteilen, entlade sich in verbalen Attacken und münde oft in Gewalt. „Damit dürfen wir uns niemals abfinden“, machte Merkel deutlich.
Sie zeigte sich erfreut, dass die von der „Interparlamentarischen Koalition zur Bekämpfung von Antisemitismus“ (ICCA) organisierte Konferenz, für die nach London und Ottawa Berlin der dritte Gastgeber ist, das Thema Antisemitismus im Sport in den Vordergrund rücke. Sport, so Merkel, sei wichtig für das gesellschaftliche Zusammenleben, weil er dazu beitragen könne, Vorbehalte ab- und Brücken aufzubauen.
Mit Blick auf die Flüchtlingssituation äußerte die Bundeskanzlerin Verständnis für die unlängst vom Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, geäußerte Sorge, durch den starken Zuzug von Menschen aus Gebieten, wo es israelfeindliche Bilder gebe, könnten diese Bilder nach Deutschland importiert werden und hier zu einem Antisemitismus führen, der das Wertegefüge in eine Richtung brächte, „die wir alle nicht wollen“.
Diese Sorge zu äußern sei völlig legitim, befand Merkel. „Entscheidend ist jedoch, welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen.“ Laut der Kanzlerin bestehen diese darin, dass jedem, der hier lebt, klar sein muss, „dass Antisemitismus und Vorurteile gegenüber anderen Menschen bei uns keinen Platz haben“.
Schon am Vormittag bei der Begrüßung der Konferenzteilnehmer hatte sich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert ähnlich geäußert. Zwar gebe es keinen Kausalzusammenhang zwischen den Flüchtlingsströmen und dem Antisemitismus. „Es gibt aber Verbindungen, bei denen ich uns dringend empfehle, dass wir sie weder übersehen noch voreilige Verknüpfungen herstellen“, sagte er.
Lammert verwies darauf, dass es in der politischen Klasse Deutschlands einen breiten Konsens darüber gebe, dass Flüchtlinge unter Bezug auf das Grundgesetz integriert werden. „Wer nach Deutschland kommt, wandert in das Grundgesetz ein“, sagte er. Die Frage, wie die Deutschen sich das friedliche Zusammenleben der Menschen vorstellen, sei darin geregelt. Dies stehe für niemanden zur Disposition, „auch und gerade nicht für Flüchtlinge“. Wer in Deutschland leben will, so Lammert weiter, müsse das Existenzrecht Israels anerkennen. „Antisemiten können nicht integriert werden“, machte er deutlich.
Der Bundestagspräsident sagte außerdem, es sei ihm bewusst, dass die deutsche Hauptstadt Berlin „nicht irgendein Austragungsort der Konferenz gegen Antisemitismus ist“. Der Zentralratspräsident Schuster habe vor Kurzem in einem Interview gesagt, in Deutschland gebe es mehr als sechs Millionen gute Gründe, gegen Antisemitismus zu kämpfen, sagte Lammert.
Den Konferenzteilnehmern versicherte er: „Wir sind uns dieser Aufgabe bewusst.“ Im Deutschen Bundestag gebe es eine „an die Vollständigkeit heranreichende Zahl an Kollegen, die sich dieser Aufgabe ganz persönlich verbunden fühlen“. Beispielhaft führte der Bundestagspräsident den ehemaligen SPD-Abgeordneten Professor Gert Weisskirchen an, der den Bundestag in dieser Frage über viele Jahre lang national und international vertreten habe, sowie die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, die diese Aufgabe nun fortführe.
Die heutige Situation der Juden in Europa nahm Frans Timmermans, Erster Vizepräsident der Europäischen Kommission, in den Blick. Jüdische Kinder verließen öffentliche Schulen, weil sie sich belästigt fühlen, Lehrer würden sich nicht trauen, über den Holocaust zu unterrichten, Synagogen müssten schwer bewacht werden und Schülern werde geraten, ihre Kippas unter der Baseballkappe zu verdecken, damit sie nicht auf der Straßen angegriffen werden. „Das kann und darf nicht unser Europa sein“, betonte der ehemalige Außenminister der Niederlande.
Timmermans machte zugleich deutlich, dass das Gefühl des Alleinseins und der Angst bei demjenigen, der angegriffen wird, weil er die Kippa trägt, genauso groß ist wie bei derjenigen, die angespuckt wird, weil sie ein Kopftuch trägt. „Sie werden nicht dafür diskriminiert, dass sie etwas tun, sondern dafür, was sie sind“, sagte er. Politiker müssten in solchen Fällen die ersten sein, die die Stimme dagegen erheben, forderte Timmermans. In diesem Zusammenhang äußerte er sein Bedauern, dass das Leugnen des Holocausts derzeit nur in 13 der 28 Mitgliedstaaten der EU unter Strafe gestellt ist. (hau/14.03.2016)