Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 142. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 2. Dezember 2015 Inhalt: Begrüßung einer Delegation des Ausschusses für europäische Angelegenheiten der französischen Nationalversammlung unter Vorsitz von Frau Auroi 13882 B Tagesordnungspunkt 1: Befragung der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS 13875 B Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 13875 C Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13876 C Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 13876 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13877 A Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13877 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13877 D Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 13878 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13878 D Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13879 A Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 13879 B Niema Movassat (DIE LINKE) 13879 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13879 C Katja Keul (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13880 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13880 B Sevim Dağdelen (DIE LINKE) 13880 D Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13881 A Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13881 A Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13881 B Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13881 C Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13881 D Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Bundesregierung: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Drucksache 18/6866 13882 B Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister AA 13882 C Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) 13884 D Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 13887 A Christine Buchholz (DIE LINKE) 13888 D Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin BMVg 13889 B Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13889 C Jürgen Hardt (CDU/CSU) 13891 C Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) 13892 A Niels Annen (SPD) 13893 D Florian Hahn (CDU/CSU) 13895 B Stefan Liebich (DIE LINKE) 13897 A Florian Hahn (CDU/CSU) 13897 B Tagesordnungspunkt 2: Fragestunde Drucksache 18/6845 13897 C Mündliche Frage 8 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Kenntnisse über den Tod des indonesischen Umweltaktivisten Indra Pelani und Unterstützung der indonesischen Regierung bei der Eindämmung von Ur- und Torfwaldbränden Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13897 D Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13898 B Mündliche Frage 9 Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Forderungen des US-amerikanischen Ölkonzerns Occidental Petroleum gegenüber Ecuador aufgrund von Verstößen gegen das bilaterale Investitionsabkommen mit den USA Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13899 A Zusatzfragen Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13899 B Mündliche Frage 19 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Position der Bundesregierung zum Eckpunktepapier zur zweiten Mietrechtsnovelle Antwort Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär BMJV 13900 A Zusatzfragen Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 13900 A Mündliche Frage 20 Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mehrbelastungen für Bund und Länder durch die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus Antwort Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär BMF 13900 C Zusatzfragen Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 13900 D Mündliche Frage 41 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Auswirkungen auf die Arbeitsplätze bei Kaiser‘s Tengelmann im Falle einer Fusion mit Edeka Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13901 D Zusatzfragen Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13902 B Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13902 D Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13903 A Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13903 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13903 D Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13904 B Mündliche Frage 42 Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Interessenten für die Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13904 D Zusatzfragen Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13904 D Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13905 A Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (zur Geschäftsordnung) 13905 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT zu der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 42 auf Drucksache 18/6845 13906 A Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13906 A Dr. Matthias Heider (CDU/CSU) 13907 B Michael Schlecht (DIE LINKE) 13908 B Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD) 13909 B Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU) 13910 B Jutta Krellmann (DIE LINKE) 13911 A Marcus Held (SPD) 13912 A Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) 13912 D Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU) 13913 D Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD) 13914 D Axel Knoerig (CDU/CSU) 13916 B Ingbert Liebing (CDU/CSU) 13917 A Nächste Sitzung 13918 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 13919 A Anlage 2 Mündliche Frage 1 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zustimmung der Bundesregierung zu einem NATO-Beschluss bezüglich einer stärkeren Unterstützung des afghanischen Militärs Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13919 B Anlage 3 Mündliche Frage 2 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Unterbrechung der Handels- und Versorgungswege des „Islamischen Staates“ Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13919 D Anlage 4 Mündliche Frage 3 Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) Unterbindung der Zufuhr von Waffen nach Syrien Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13920 A Anlage 5 Mündliche Frage 4 Heike Hänsel (DIE LINKE) Stellungnahme zu den Vorwürfen einer Beteiligung von Mitgliedstaaten der EU am Kauf von Erdöl aus Schmuggelgeschäften der Terrororganisation Da'isch Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13920 A Anlage 6 Mündliche Frage 5 Heike Hänsel (DIE LINKE) Schmuggelrouten der Terrororganisation Da'isch für Erdölgeschäfte Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13920 C Anlage 7 Mündliche Frage 6 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Bedeutung der Aktivierung der militärischen Beistandsklausel für die Europäische Union Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13920 D Anlage 8 Mündliche Frage 7 Sevim Dağdelen (DIE LINKE) Begründung der Annahme einer allgemeinen Rechtspflicht durch das Auswärtige Amt infolge der Aktivierung der militärischen Beistandsklausel Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13921 A Anlage 9 Mündliche Frage 10 Inge Höger (DIE LINKE) Ergebnis der Intervention bei bestimmten israelischen Stellen zum Schutz und zur Freilassung von mit deutschen Organisationen verbundenen Menschenrechtsverteidigern in den palästinensischen Gebieten Antwort Michael Roth, Staatsminister AA 13921 A Anlage 10 Mündliche Frage 11 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ausschreibungen nach Artikel 36 Absatz 3 des SIS-II-Beschlusses und Eingabe von systematischen Daten über mutmaßliche ausländische terroristische Kämpfer in das SIS II Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13921 C Anlage 11 Mündliche Frage 12 Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen ehrenamtlich Tätige in der Flüchtlingsarbeit wegen des Verdachts der Beihilfe zum Verstoß gegen bestimmte Aufenthaltsbestimmungen seit Juli 2015 Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13922 A Anlage 12 Mündliche Frage 13 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Entscheidungspraxis des BAMF bei Asylanträgen mit geringen Erfolgsaussichten Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13922 B Anlage 13 Mündliche Frage 14 Ulla Jelpke (DIE LINKE) Angaben des BAMF zum Zeitraum zwischen EASY-Registrierung und Asylantragstellung Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13922 D Anlage 14 Mündliche Frage 15 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Etwaiger Einsatz von modifizierten Waffen bei den jüngsten Pariser Terroranschlägen durch Waffenhandel mit deutscher Beteiligung Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13923 B Anlage 15 Mündliche Frage 16 Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Eindämmung des Handels von modifizierten Waffen innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13923 C Anlage 16 Mündliche Frage 17 Andrej Hunko (DIE LINKE) Teilnehmer des im Dezember 2015 in Brüssel startenden Forums der Internetdienstleister Antwort Dr. Günter Krings, Parl. Staatssekretär BMI 13924 A Anlage 17 Mündliche Frage 18 Andrej Hunko (DIE LINKE) Mögliche Überarbeitung bzw. Anpassung der in dem Abkommen über Rechtshilfe mit den USA niedergelegten Verfahren Antwort Christian Lange, Parl. Staatssekretär BMJV 13924 C Anlage 18 Mündliche Frage 21 Inge Höger (DIE LINKE) Auswertung der durch deutsche Tornados über türkischem und syrischem Luftraum gesammelten Daten und Einfluss der Bundeswehr auf die Zielplanung im Zuge des Krieges gegen den IS Antwort Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär BMVg 13924 D Anlage 19 Mündliche Frage 22 Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Abstimmung beim Europäischen Rat über die EU-Frauenquote Antwort Caren Marks, Parl. Staatssekretärin BMFSFJ 13925 A Anlage 20 Mündliche Frage 23 Markus Tressel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Einsatz verbotener Abschalteinrichtungen bei Fahrzeugen mit 3-Liter-Motoren von VW-Marken Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13925 B Anlage 21 Mündliche Frage 24 Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unterstützung bei der Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche von Verbrauchern im Rahmen des VW-Abgasskandals durch das BMJV und das BMVI Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13925 C Anlage 22 Mündliche Frage 25 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Beseitigung der Abweichungen bei den Stickoxid-Werten zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb durch Senkung der Emissionen Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13925 C Anlage 23 Mündliche Frage 26 Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Etwaige Neuermittlung von bestimmten Emissionswerten bei VW-Modellen mit EA-189-Dieselmotoren Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13925 D Anlage 24 Mündliche Frage 27 Sabine Leidig (DIE LINKE) Veröffentlichung des Rückruferlasses des Kraftfahrt-Bundesamtes für VW-Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13926 A Anlage 25 Mündliche Frage 28 Sabine Leidig (DIE LINKE) Information der Halter von VW-Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA 189 Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13926 A Anlage 26 Mündliche Frage 29 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hinweise zur Manipulierbarkeit der für die Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Abgasreinigung vorgesehenen Onboard-Diagnose Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13926 B Anlage 27 Mündliche Frage 30 Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mögliche Verpflichtung von Automobilherstellern zur Offenlegung ihrer Motorensoftware Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13926 B Anlage 28 Mündliche Fragen 31 und 32 Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Bearbeitungsstand des neuen Bundesverkehrswegeplans und Beginn der Öffentlichkeitsbeteiligung Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13926 C Anlage 29 Mündliche Frage 33 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Ergebnisse der ICAO-Verhandlungen der European Air Navigation Planning Group zum Anlagenschutzbereich für VOR- bzw. DVOR-Anlagen Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13926 D Anlage 30 Mündliche Frage 34 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Rechtsgrundlage der Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes zur Neigung von Gleisen beim Umbau des Bahnknotens Stuttgart Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13927 A Anlage 31 Mündliche Frage 35 Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Unternehmerische Verantwortung der Deutschen Bahn AG für die Gründung neuer nicht tarifgebundener Tochtergesellschaften Antwort Norbert Barthle, Parl. Staatssekretär BMVI 13927 B Anlage 32 Mündliche Frage 36 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Fortschritte der zweiten Sitzung der gemeinsamen Arbeitsgruppe des BMUB und der Energieversorgungsunternehmen Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 13927 B Anlage 33 Mündliche Frage 37 Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Abschluss der Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit zur Sumpfsiebproblematik im Atomkraftwerk Gundremmingen Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 13927 D Anlage 34 Mündliche Frage 38 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Entwicklung des Abfallvolumens in den Haushalten im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr Antwort Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin BMUB 13928 A Anlage 35 Mündliche Frage 39 Niema Movassat (DIE LINKE) Anrechnung der Ausgaben für die Flüchtlingshilfe auf den Entwicklungshilfeetat und mögliche Verwendung deutscher Entwicklungsgelder zur Migrationsabwehr und Abschottung Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ 13928 B Anlage 36 Mündliche Frage 40 Niema Movassat (DIE LINKE) Engagement der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft in dem Makeni-Projekt von Addax in Sierra Leone Antwort Hans-Joachim Fuchtel, Parl. Staatssekretär BMZ 13928 C Anlage 37 Mündliche Frage 53 Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Höhe der voraussichtlichen Zahlungen für vermiedene Netzentgelte im Jahr 2015 Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13928 D Anlage 38 Mündliche Frage 54 Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Konsequenzen der Bundesregierung aufgrund der Forderung im aktuellen Energiewende-Monitoringbericht zur Verringerung des Primärenergieverbrauchs Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13929 A Anlage 39 Mündliche Frage 55 Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Maßnahmen der Bundesregierung in Bezug auf die Feststellung der Erhöhung des Energieverbrauchs im aktuellen Energiewende-Monitoringbericht Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13929 C Anlage 40 Mündliche Frage 56 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zugang für nationale Abgeordnete der europäischen Mitgliedstaaten zu den konsolidierten TTIP-Verhandlungstexten Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13929 D Anlage 41 Mündliche Frage 57 Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Zugang für alle Abgeordnete zu den konsolidierten TTIP-Verhandlungstexten Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13930 A Anlage 42 Mündliche Frage 58 Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Anteil der in Deutschland mangelhaft umgesetzten EU-Richtlinien und daraus resultierende Vertragsverletzungsverfahren Antwort Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin BMWi 13930 C 142. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 2. Dezember 2015 Beginn: 12.30 Uhr Präsident Dr. Norbert Lammert: Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich. Ich möchte Ihnen, bevor wir mit unserer Tagesordnung beginnen, mitteilen, dass es eine interfraktionelle Vereinbarung gibt, den Antrag der Bundesregierung auf einen Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf der Drucksache 18/6866 heute als Zusatzpunkt 1 mit einer Debattendauer von 77 Minuten auf die Tagesordnung zu nehmen. Die Fragestunde danach soll auf 90 Minuten begrenzt werden, was auch sicher auskömmlich ist. Auf diesem Wege können wir sicherstellen, dass die für heute Nachmittag vereinbarte gemeinsame Sitzung der Ausschüsse für Verteidigung und Auswärtiges zusammen mit unseren Gästen aus der israelischen Knesset termingerecht stattfinden kann. Darf ich fragen, ob Sie mit diesem Verfahren einverstanden sind? – Das ist offenkundig der Fall. Dann können wir so verfahren. Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 1 auf: Befragung der Bundesregierung Ich weise darauf hin, dass wir mit Blick auf unser Zeitmanagement die Vereinbarung unter allen Fraktionen haben, den Befragungszeitraum auf eine halbe Stunde zu begrenzen, damit wir um 13 Uhr mit der Debatte beginnen können. Das wird inhaltlich mehr oder weniger ineinander übergehen; denn die Bundesregierung hat als Thema ihrer Kabinettssitzung mitgeteilt: Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS. Es besteht die Möglichkeit, nach dem einleitenden Bericht der Bundesministerin der Verteidigung dazu einige Rückfragen zu stellen. Ich mache aber schon jetzt darauf aufmerksam, dass es das angemeldete Interesse gibt, auch nach anderen Punkten zu fragen, sodass wir das zeitlich ein bisschen sortieren müssen. Ich denke aber, das kriegen wir bewältigt. Frau Bundesministerin, Sie haben das Wort. Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne einige einleitende Bemerkungen zu dem Mandat machen, das gestern im Kabinett verabschiedet worden ist. Wir haben dieses Mandat zur Bekämpfung des IS in Syrien und Irak nicht als ersten Schritt verabschiedet, sondern wir sind bereits seit über einem Jahr in der Allianz gegen den Terror im Kampf gegen den IS. Wir haben im Nordirak Verantwortung für die Ausrüstung und die Ausbildung der Peschmerga übernommen. Die Terroranschläge von Paris haben uns aber noch einmal vor Augen geführt, dass wir noch entschlossener gegen den IS vorgehen müssen. Wir haben in diesem Zusammenhang in enger Abstimmung mit unseren französischen Freunden und der Koalition gegen den Terror dieses Mandat mit den Fähigkeiten, auf die ich gleich eingehen werde, beschlossen. Das Ziel dieses Mandates ist sehr klar umrissen. Es geht darum, den IS zu bekämpfen, seine Rückzugsräume zu zerstören und zu unterbinden, dass er weltweit Terror ausüben kann. Dieses Ziel ist auch detailliert in der VN-Resolution 2249 dargelegt, die wenige Tage nach den Terroranschlägen von Paris verabschiedet worden ist. Wir haben dieses Mandat auf einer völkerrechtlich und verfassungsrechtlich tragfähigen Basis verabschiedet. Was werden wir durch dieses Mandat beisteuern? Was umfasst das Mandat? Es sind vor allem fünf Komponenten: Erstens geht es um Schutz. Es geht um den Schutz des Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“, den die Franzosen in die Region schicken werden. Sie haben darum gebeten, dass wir eine Fregatte beisteuern, die in der Lage ist, dem Trägerverband durch ihre Fähigkeiten Schutz zu geben. Zweitens geht es um Aufklärung. Wir können gar nicht genug Aufklärung in Syrien und im Irak haben. Wir haben Fähigkeiten, die weltweit kaum jemand anders hat. Deshalb haben wir angeboten – das ist auch sehr gern angenommen worden –, die deutsch-französische Satellitenkooperation zur Verfügung zu stellen. Das ist eine Kombination, die außergewöhnlich ist: Der französische Satellit ist in der Lage, optisch aufzuklären, und unser Satellit ist in der Lage, radargestützt aufzuklären. Die Kombination der beiden bringt technisch exzellente Bilder über einen weiten Raum, bei Tag und Nacht und bei jeder Wetterlage. Hinzu kommen sechs Recce-Tornados, die wir für die fliegende Aufklärung angeboten haben. Durch sie können Bilder in Echtzeit produziert und sehr stark angepasst werden, je nachdem, was gerade gebraucht wird. Drittens werden wir Tankflugzeuge zur Verfügung stellen. Auch das ist eine sehr knappe Ressource; denn die Tankflugzeuge sind nicht nur in der Lage, unsere eigenen Recce-Tornados in der Luft zu betanken, sondern sie sind auch zertifiziert für die französischen Kampfjets Mirage und Rafale. Viertens werden wir Personal in die Stäbe entsenden. Bei diesem Thema wird häufig nachgefragt: Wie ist die Kommandostruktur? In welche Stäbe wird Personal entsandt? – Wir haben, US-geführt aus Tampa, Florida, das US CENTCOM, das – wie übrigens am Anfang auch im Irak, als wir das Mandat für die Peschmerga auf die Beine gestellt haben – sozusagen den Chapeau darüberlegt. Darunter ist, von Kuwait aus, das Hauptquartier der Allianz gegen den Terror, das multinational besetzt ist. Dieses gliedert sich noch einmal in zwei verschiedene Stränge auf. Der eine Strang, der für die Landstreitkräfte zuständig ist – das betrifft uns hier jetzt nicht –, ist in Bagdad lokalisiert, der andere Strang ist in al-Udeid angesiedelt, wo wir Stabspersonal haben werden. Für den französischen Flugzeugträger sei zum Thema Kommando noch gesagt, dass wir unsere Fregatte dem französischen Kommando unterstellen, da der Flugzeugträgerverband allein unter französischem Kommando bleiben wird. Wir haben in dem Mandat eine Obergrenze von 1 200 Soldatinnen und Soldaten. Sie wissen, dass die Obergrenze immer einen gewissen Puffer in sich birgt, den wir für Kontingentwechsel brauchen, wenn sie nötig sind. Aber grob gesprochen, gliedert es sich folgendermaßen auf: Allein für die Fregatte brauchen wir round about 300 Männer und Frauen. Die tornadogestützte und satellitengestützte Aufklärung bewegt sich, wenn man beides zusammenzählt, in einem Gebinde ungefähr zwischen 400 und 500 – die Zahl ist so hoch, weil darin die gesamte Infrastruktur der Bodenstationen und das Auswertpersonal enthalten sind –, Tankflugzeuge round about 150 Personen, etwa 50 Personen als Stabsoffiziere in den Hauptquartieren und, wie gesagt, ein gewisser Puffer, der notwendig ist. Präsident Dr. Norbert Lammert: Sie denken bitte an die Zeit. Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Ja. – Die fünfte Komponente: Wir werden die Daten der Aufträge ausschließlich dem Kreis zur Verfügung stellen, der an der Luftoperation innerhalb der Allianz gegen den Terror beteiligt ist. Genauso wird die Auswertung nur diesem engen Zirkel zur Verfügung gestellt werden. Das sind die rein technischen Beschreibungen dieses Mandates. Ich stehe gerne für Fragen zur Verfügung. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Die erste Frage stellt Tobias Lindner. Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Ministerin, für Ihre Ausführungen. Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Ministerin, Sie haben eben ausgeführt, dass die Bundesregierung davon ausgeht, dass dieses Mandat auf einer, ich glaube, Ihre Worte waren: tragfähigen verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Grundlage fußt. Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht per Urteil festgestellt, dass ein solcher Einsatz nur im Rahmen und vor allem nach den Regeln eines Systems kollektiver Sicherheit erfolgen darf. Sie haben viele Teilaspekte genannt. Aber meine Frage an Sie ist: Was ist das System der kollektiven Sicherheit, in dem wir tätig werden, und was sind vor allem dessen Regeln? Gibt es überhaupt einen Operationsplan für das Mandat, das die Bundesregierung beabsichtigt hier zur Abstimmung zu bringen? Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Ich erläutere gerne den groben Rahmen. Kollege Steinmeier wird weiter ausführen. Zunächst einmal leitet sich die völkerrechtliche Basis aus dem Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen ab: das Recht auf Selbstverteidigung eines jeden Landes, und zwar nicht nur individuell, sondern auch kollektiv. Dem sind flankierend die entsprechenden VN-Resolutionen zur Seite gestellt, von denen es mehrere gibt. Die jüngste habe ich kurz erwähnt: Resolution 2249. Sie fordert sehr klar dazu auf, alles im Kampf gegen den IS zu tun. Das ist jetzt kein wörtliches Zitat; aber die drei Ziele, die ich eben skizziert habe, werden dort umfänglicher beschrieben. Unabhängig davon gibt es den Artikel 42 (7) EUV, auf den sich Frankreich beruft und der alle Europäer auffordert, einem angegriffenen Mitglied – jetzt zitiere ich – „alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung“ zur Verfügung zu stellen. Das ist der Rahmen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Die nächste Frage geht an Britta Haßelmann. (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Steinmeier wollte noch! – Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister: Darf ich?) – Ja, das können wir gerne einmal machen. Ich mache nur darauf aufmerksam: Wenn wir auf jede Frage zwei Antworten bekommen, dann sind wir nach drei Fragen mit der Redezeit, die wir vereinbart haben, durch. – Herr Steinmeier, bitte. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: In Ergänzung der Ausführungen, die Frau Bundesministerin eben gemacht hat, will ich Ihnen sagen: Es ist nicht nur die Bundesregierung, die fest davon überzeugt ist, dass wir auf einer legitimen völkerrechtlichen Grundlage handeln. Wenn ich es gestern richtig gelesen habe, dann ist es auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages, der zu dem gleichen Ergebnis kommt. Das ist auch nicht erstaunlich. In der ganzen öffentlichen Debatte, soweit ich sie verfolgt habe, wird allein darauf geschaut, ob ein Mandat nach Artikel 42 (7) des Vertrags über die Europäische Union vorliegt, als sei das die einzige völkerrechtliche Legitimation, um die wir uns zu kümmern und zu sorgen hätten. Tatsächlich – das bringt das Mandat ja auch zum Ausdruck – stützen wir unsere Legitimation auf Artikel 51 der UN-Charta, die das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung der angegriffenen Staaten enthält. Wir leisten Unterstützung für diejenigen, die angegriffen sind und sich angegriffen fühlen. Das steht nicht für sich alleine. Wir haben mittlerweile in drei UN-Sicherheitsratsresolutionen der letzten anderthalb Jahre jeweils die klare Feststellung, dass IS den Weltfrieden und die internationale Sicherheit gefährdet. Wenn ich nur einen Satz aus der letzten Resolution, 2249, die ja eine Reaktion – Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister, gucken Sie gelegentlich auch einmal auf die Uhr? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So geht das nicht! Wenn da jeder jedes Mal antwortet, dann ist das eine Farce!) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: – auf die Attentate von Paris war, zitieren darf; dort steht ausdrücklich: … in dem unter der Kontrolle von IS stehenden Gebiet in Syrien ... alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ihre Anstrengungen zu verstärken und zu koordinieren, um terroristische Handlungen zu verhüten und zu unterbinden … Und so weiter. Ich glaube, wir können wirklich darauf verweisen, dass wir eine völkerrechtliche Grundlage haben, so wie das auch alle anderen Staaten für sich in Anspruch nehmen, die in den letzten Tagen ihre Solidarität mit Frankreich erklärt haben. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich erinnere noch einmal an unser Zeitregime, das für die eine wie für die andere Seite des Hauses in gleicher Weise gilt. Im Übrigen nehme ich Ihre freundliche Würdigung des Gutachtens des Wissenschaftlichen Dienstes als Anlass für den Hinweis, dass die Bundesregierung diese Gutachten sicherlich genauso ernst nimmt, wenn sie zu anderen Schlussfolgerungen kommen als die Bundesregierung. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Nun hat Frau Haßelmann das Wort. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Der bisherige Verlauf der heutigen Befragung der Bundesregierung macht das Dilemma deutlich, in dem wir uns befinden. Es gibt jede Menge Fragen und auch Antwortbedarf. Wir haben dafür eine halbe Stunde. Wenn jedes Mal beide Regierungsmitglieder antworten, können vielleicht drei Leute fragen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Machen wir ja nicht. Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Frage richtet sich an die Bundesregierung. Mir ist egal, wer antwortet, Hauptsache, eine Person und konkret. Ich beziehe mich auf Ihre Art der Information des Parlamentes. Wie erklären Sie dem Parlament, dass Sie der Presse, sowohl Tagesschau als auch Spiegel Online und dpa, die Kabinettsvorlage bereits am Montag zugestellt haben – um 10.01 Uhr berichtete bereits die Tagesschau, dass ihr die Kabinettsvorlage vorliegt, am Mittag, um 14.18 Uhr, berichtete Spiegel Online darüber, dpa eine Stunde später; ich verzichte hier darauf, alles wörtlich zu zitieren – und dem Parlament dann erst am Dienstagmorgen die Kabinettsvorlage zugegangen ist? Ich finde, das ist ein unverantwortlicher Vorgang, was das Informationsrecht des Parlaments angeht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Und Sie können sich nicht damit herausreden, dass Sie nicht wissen, woher die Information kommt, bzw. sagen, dass sie sicherlich aus dem Parlament kommt; denn wir hatten diese Vorlage nicht. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das zeigt einfach, dass die Regierung mit vertraulichen Angaben nicht vernünftig umgeht!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Bitte schön. Wer beantwortet diese Frage? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Ich weiß nicht, ob ich Ihnen darauf eine befriedigende Antwort geben kann. Ich kann Ihnen nur sagen: Genauso wenig, wie ich unterstelle, dass das aus den Reihen des Parlaments zugespielt worden ist, (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, kann ja nicht! Wir haben das ja gar nicht gehabt! – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist logisch unmöglich!) genauso wenig sollten Sie unterstellen, dass die Vorlage vonseiten der Regierung irgendeinem Medienorgan untergeschoben worden ist. Ich kann Ihnen jedenfalls mit Sicherheit sagen – – (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben damit ganz offensive Pressearbeit gemacht! Das ist der Punkt!) – Möchten Sie meine Antwort hören? (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja! Ihre offensive Pressearbeit, die möchte ich gerne erklärt bekommen als Parlamentarierin!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Jetzt lassen Sie ihm doch auch einmal die Möglichkeit, zwei Sätze zu sagen. Dann ziehen wir daraus Schlussfolgerungen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, dass wir nichts unternommen haben, um Presseorgane eher als das Parlament zu informieren. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss gelogen sein!) Ich kann Ihnen auch versichern: Das ist nicht mein Stil, wie ich mit dem Parlament, dem Hohen Hause, umgehe. Ich habe ihn nicht geändert in Bezug auf dieses Mandat und werde das auch in Zukunft nicht tun. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Gut. – Ich möchte eine Bemerkung dazu machen. Es ist ja nicht der erste Vorgang, bei dem wir uns wechselseitig darüber beklagen, dass Dokumente, die jedenfalls zu dem Zeitpunkt nicht in die Öffentlichkeit gehören, schon gar nicht zuerst, gleichwohl dort aufschlagen, und zwar im vollen Wortlaut. Dann gibt es die regelmäßigen wechselseitigen Vermutungen darüber, wo denn wohl die undichte Stelle sei. In diesem Fall ist logisch ausgeschlossen, dass es aus dem Bundestag gekommen sein kann. Das ist logisch ausgeschlossen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deswegen nehme ich das als ausdrücklichen Hinweis an die Bundesregierung, sicherzustellen, dass Dokumente, die der Bundestag als Grundlage seiner eigenen Entscheidung benötigt, den Bundestag jedenfalls mindestens so früh wie die Presse erreichen und nicht in umgekehrter Reihenfolge. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Herr Kollege Gehrcke. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Schönen Dank, Herr Präsident, nicht nur für die Gelegenheit, dass ich fragen darf, sondern auch für Ihre Klarstellungen hier. Ich finde es toll, dass wir einen Präsidenten haben, der die Rechte des Parlamentes auch gegenüber der Bundesregierung verteidigt und vertritt. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Zu meiner Frage. Ich rufe mir noch einmal in Erinnerung: Deutschland soll sich, wenn die Bundesregierung sich durchsetzt, an einem Krieg beteiligen, an dem wohl schlimmsten und umfassendsten Kriegseinsatz nach Jugoslawien und Afghanistan. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!) Eine vorangegangene Bundesregierung hatte die Frage, ob sie sich am Krieg im Irak beteiligt, mit Nein beantwortet. Das war vorbildlich. Warum ist diese Bundesregierung nicht bereit, zu sagen: „Wir verhandeln in Wien und machen alles, um zu einer Lösung zu kommen, aber wir setzen nicht auf Militär, und wir sagen Nein zu einem militärischen Einsatz; denn der Krieg im Irak war der Auslöser für die Macht des IS“? – Ich richte die Frage an den Außenminister. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Verehrter Herr Kollege, diese Auseinandersetzung haben wir schon das eine oder andere Mal im Ausschuss miteinander geführt. Ich kann Sie nur bitten, sich die Antworten nicht zu einfach zu machen. Dieser Fall liegt anders als der Fall Irak. Wir hatten im Fall Irak 2003 gute Gründe dafür – und glauben Sie mir: ich war nah genug dran, um das beurteilen zu können –, zu sagen: Der Grund für eine militärische Intervention liegt nicht vor. Ich kann Sie und Ihre Fraktion nur bitten, sich genau zu überlegen – wir werden in der Debatte nachher noch darauf zu sprechen kommen –, ob die einfachen Antworten, die scheinbar konsequenten Antworten wirklich die Antworten sind, die denen helfen, denen Sie helfen wollen. Ich sage Ihnen: Niemand von uns ist so naiv, zu glauben, dass wir uns auf eine militärische Logik beschränken können. Ganz im Gegenteil, Sie hören von mir und auch von der Verteidigungsministerin in allen öffentlichen Äußerungen: Das Ganze ist nur dann verantwortbar, wenn es eingebettet ist in einen politischen Prozess. (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Der ist nicht erkennbar!) Nennen Sie mir einen weltweit, der sich mehr darum bemüht, dass dieser politische Prozess zustande kommt. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Verehrter Herr Kollege Gehrcke, am Ende müssen Sie sich eine Frage beantworten: Wenn der politische Prozess Erfolg haben soll am Ende, dann muss in Syrien etwas übrig bleiben, was noch befriedet werden kann und für das wir eine Zukunft schaffen. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Und das muss man erst zerbomben, oder was?) Deshalb kommt es darauf an, dass wir neben dem politischen Prozess nicht einfach abwarten, sondern die Ausbreitung von ISIS in Syrien beschränken – und das im Interesse einer Zukunft Syriens. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Frage: Frithjof Schmidt. Dr. Frithjof Schmidt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Bundesministerin, können Sie mir sagen, was und welche Maßnahmen die Bundesregierung unter dem folgenden Satz im Mandat versteht: Das umfasst den Einsatz militärischer Gewalt zum Schutz eigener Kräfte, anderer Partner im Kampf gegen IS sowie zur Nothilfe. Verstehen Sie unter „anderen Partnern“ etwa Milizen oder vielleicht auch Verbände der syrischen Armee oder Russland? Oder können Sie das ausschließen? Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Unter „anderen Partnern“ verstehen wir die Partner, die wir in der Koalition gegen den Terror haben. Sie wissen, dass die Koalition gegen den Terror eine weite Koalition ist – über 60 Länder –, dass aber diejenigen, die Luftoperationen fliegen, einen sehr viel engeren Kreis bilden. Dieser enge Kreis ist derjenige, der mit uns in den Luftoperationen ist und damit einerseits in der gesamten Rettungskette und andererseits im Informationsaustausch eingeschlossen ist. Das sind die engen Partner der Luftoperation innerhalb der Koalition gegen den Terror. Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollege Movassat. Niema Movassat (DIE LINKE): Danke schön. – Herr Bundesminister, Sie haben in Ihren Ausführungen unter anderem auf Artikel 51 UN-Charta Bezug genommen, auf das Selbstverteidigungsrecht. Normalerweise wird das Selbstverteidigungsrecht ja so interpretiert, dass man sich gegen einen staatlichen Angriff wehren darf. Nun sind wir uns in diesem Hause, glaube ich, alle einig, dass der IS kein Staat ist, sondern eine Terrorbande. Er nennt sich nur selber „Staat“; aber ich glaube, diese Interpretation will hier keiner übernehmen. Insofern frage ich mich: Interpretiert die Bundesregierung Artikel 51 UN-Charta so, dass man gegen jedweden terroristischen Akt militärische Mittel ergreifen darf? Wird das Selbstverteidigungsrecht so weit interpretiert, dass Terrorismus sozusagen gleichgesetzt wird mit einem staatlichen Angriff? Sind Sie nicht der Auffassung, dass Terrorismus eigentlich ein krimineller Akt ist, der entsprechend polizeilich bekämpft werden müsste? Präsident Dr. Norbert Lammert: Nächste Frage: Kollegin Keul. (Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der muss ja erst einmal antworten!) – Entschuldigung. Ich bitte um Nachsicht, dass mir das wegen der Parallelverhandlungen über die Debattenstruktur entgangen ist. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Die Frage bezog sich einerseits auf die völkerrechtliche Grundlage und andererseits auf die Instrumente, mit denen wir gegen Angriffe wie diese vorgehen, die offensichtlich von fundamentalistischen Terroristen durchgeführt wurden. Ganz eindeutig sage ich zunächst zu der Frage nach Artikel 51 der UN-Charta – Selbstverteidigungsrecht –: Wir sind ja hier nicht in einem Seminar, (Niema Movassat [DIE LINKE]: Aber es geht um die rechtlichen Grundlagen Ihres Einsatzes!) sondern wir sind hier in einem (Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In einem Rechtsstaat!) Parlament, im Deutschen Bundestag. Ich glaube, nach insgesamt acht Anschlägen, die in Frankreich stattgefunden haben, ist dies nicht die Stunde, den Franzosen zu erklären – machen Sie es; ich mache es nicht –, dass sie sich deshalb nicht angegriffen fühlen müssen, (Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Das hat er ja gar nicht gesagt! – Andrej Hunko [DIE LINKE]: Unglaublich!) nach 130 Toten, die allein die sieben Anschläge am 13. November dieses Jahres verursacht haben. (Niema Movassat [DIE LINKE]: Das ist aber keine rechtliche Argumentation!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Minister. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Frankreich hat erklärt, dass das Land sich angegriffen fühlt. Frankreich hat erklärt, dass es das Selbstschutzrecht für sich in Anspruch nimmt. Und wir begründen in dem Mandat, warum wir Frankreich in der Wahrnehmung dieses Rechtes aus Artikel 51 der UN-Charta unterstützen wollen. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Kollegin Keul. Katja Keul (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Außenminister, Sie hatten eben erklärt, Ziel des Einsatzes sei es, den IS in Syrien zurückzudrängen. Jetzt frage ich mit Blick darauf, dass uns tunesische Verteidigungspolitiker bei ihrem Besuch erklärt haben, dass sie sehr gut feststellen können, dass der Rückzugsraum in Libyen, seit die Russen in Syrien bombardieren, noch stärker vom IS genutzt wird: Was ist Ihre Strategie, wenn das Bombardement in Syrien schlichtweg dazu führt, dass sich der IS verstärkt in Libyen niederlässt? Zumal in dem Mandat das Territorium, das Sie einbeziehen, sehr weit formuliert ist. Dort steht: ... in Syrien sowie auf dem Territorialgebiet von Staaten, von denen eine Genehmigung der jeweiligen Regierung vorliegt, sowie im Seegebiet östliches Mittelmeer, Persischer Golf, Rotes Meer und angrenzende Seegebiete. Also noch einmal: Was machen Sie, wenn der IS nach Libyen ausweicht? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Das ist ehrlicherweise kein Prozess, der mit den Luftschlägen entweder der Amerikaner oder der Russen begonnen hat. Vielmehr gibt es diesen Prozess schon seit einiger Zeit. Er steht aus meiner Sicht, nach meiner Analyse gar nicht so sehr im Zusammenhang mit den Luftschlägen, sondern mit der wachsenden Destabilisierung Libyens selbst. Deshalb – da haben Sie recht – wäre es falsch, unsere Außenpolitik nur auf die Stabilisierung Syriens zu beziehen. Wir tun dasselbe mit großer Intensität auch auf Libyen bezogen. Ich habe in einer meiner letzten Reden hier im Deutschen Bundestag darauf hingewiesen, dass wir, seitdem der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen ein ehemaliger deutscher Botschafter ist – er hat in vielen UN-Einsätzen Erfahrung gesammelt; ich und viele andere schätzen ihn aus seiner Tätigkeit im Kongo, und er kann sich auf Wertschätzung innerhalb der gesamten Vereinten Nationen stützen –, im Augenblick sozusagen unter besonderer und herausgehobener Beobachtung hinsichtlich der Unterstützung dieses Prozesses stehen. Sie wissen, dass wir dabei sind, den entscheidenden Stabilisierungsbeitrag in Libyen dadurch zu erreichen, dass wir die miteinander im Streit befindlichen Zentren der Macht zusammenbringen. Das ist in der Vergangenheit trotz heftiger Bemühungen von Bernardino León, dem bisherigen Sondergesandten, nicht gelungen. Martin Kobler unternimmt gerade eine neue Anstrengung. Wir haben gerade heute Morgen in Brüssel darüber geredet, dass wir, wenn es irgendwie geht, noch vor Weihnachten ein ministerielles Zusammentreffen in Rom erreichen wollen. Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Kurz und knapp: Wir erkennen – – Präsident Dr. Norbert Lammert: Nein, kurz und knapp ist es ja schon nicht. Es tut mir ja leid. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Bitte? Präsident Dr. Norbert Lammert: Wir haben eine Minute verabredet. Sie haben jetzt jedes Mal deutlich mehr gebraucht, was ich verstehe. Aber wir haben uns hier gemeinsam ein Zeitregime gesetzt, das wir einhalten müssen. Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Gut. Ich habe Interesse vorausgesetzt. – Danke. (Zurufe von der LINKEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Ja, ich auch. – Frau Dağdelen. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Steinmeier, ich kann Sie beruhigen: Wir haben sehr großes Interesse, vor allem deshalb, weil unsere Fragen, die wir aufgrund unseres parlamentarischen Fragerechts stellen, in den Ausschüssen, beispielsweise heute Morgen, überhaupt nicht beantwortet werden. (Michael Brand [CDU/CSU]: Im Verteidigungsausschuss schon!) Deshalb haben wir als Parlament ein großes Interesse, hier Antworten auf unsere Fragen zu bekommen. Ich würde gerne in diesem Zusammenhang eine Frage stellen. Sie haben ja gesagt: Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag. Die Bundesregierung laviert seit einer Woche und sagt: Einerseits ist es eine politische Willenserklärung, andererseits ergibt sich daraus eine allgemeine Rechtspflicht. Ich möchte gerne wissen: Inwiefern ergibt sich aus dieser politischen Willenserklärung nach Artikel 42 Absatz 7 EU-Vertrag – die Franzosen haben ja diese Klausel aktiviert und um militärischen Beistand gebeten – eine allgemeine Rechtspflicht? Und ist es richtig, – Präsident Dr. Norbert Lammert: Frau Dağdelen. Sevim Dağdelen (DIE LINKE): – wie Ihr Staatssekretär Steinlein bei uns in der Fraktion letzte Woche gesagt hat, dass die Europäische Union damit im Krieg ist, Herr Minister? Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Ich glaube nicht, dass Herr Steinlein das bei Ihnen so gesagt hat. Ich war nicht dabei. Ansonsten – ganz kurz und eindeutig –: Ich habe die völkerrechtliche Legitimation hier erläutert. Wir stützen uns auf Artikel 51 der UN-Charta in Verbindung vor allen Dingen mit Resolution 2249 des UN-Sicherheitsrats. Ergänzend dazu – so steht es auch im Mandat – stützen wir uns auf die Anforderung und Bitte der Franzosen, Unterstützung zu leisten; dem kommen wir nach. Präsident Dr. Norbert Lammert: Ich habe noch zwei Wortmeldungen von den Kollegen Trittin und Ströbele. Sind Sie einverstanden, dass ich die beiden noch aufrufe? – Das ist der Fall. Dann hat der Kollege Trittin das Wort. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Bundesminister, es gibt ein Selbstverteidigungsrecht gegen nichtstaatliche Akteure – unbestritten. Die entscheidende Frage ist: Wie weit reicht es? Wir haben diese Frage damals, nach 9/11, in unserer gemeinsamen Bundesregierung so beantwortet: Beschluss des Sicherheitsrates, Bezugnahme auf Kapitel VII der UN-Charta. Damit sind wir in einen schwierigen Krieg gezogen, dessen Ergebnisse, glaube ich, keinen von uns hier im Hause zufriedenstellen. Jetzt haben wir den Fall, dass eine Sicherheitsratsresolution vorliegt – sie ist unmittelbar davor verfasst worden –, die sich auf diese schwierige Situation bezieht. Sie benennt aber explizit nicht Kapitel VII der UN-Charta. Daraus kann man ja wohl schließen, dass der Sicherheitsrat gerade nicht ermächtigt hat; denn sonst hätte er das hineingeschrieben. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN) Warum haben Sie jetzt plötzlich, anders als vorher, die Rechtsauffassung der damaligen US-Präsidentschaft unter Bush übernommen, dass das Recht und die Souveränität der Staaten – das ist ein wichtiges Völkerrechtsprinzip – hinter dem War on Terror zurückzustehen haben? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Trittin, ich kann Sie ja vermutlich nicht überzeugen, wenn Sie zu der Auffassung gelangt sind, das von uns vorgelegte Mandat nicht zu unterstützen. Aber ich glaube, es ist einfach nicht fair und nicht richtig, wenn Sie behaupten, allein Kapitel-VII-Mandate würden völkerrechtliches Handeln legitimieren. (Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich nicht getan!) Wäre es so, brauchte es Artikel 51 der UN-Charta überhaupt nicht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Jürgen Trittin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich so nicht gesagt!) Präsident Dr. Norbert Lammert: Herr Kollege Ströbele. Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident. – Ich frage die Bundesregierung, Minister Steinmeier und Frau Ministerin von der Leyen: Haben Sie bei Ihrer Entscheidung, ein solches Mandat zu beschließen und hier vorzulegen, die Erfahrungen aus Afghanistan und aus dem Irak berücksichtigt? In Afghanistan wurde der Krieg nach 14 Jahren – nach 14 Jahren – verloren. Im Irak wurde die Erfahrung gemacht, dass dieser Krieg wahrscheinlich eine der zentralen Ursachen für die Entstehung von ISIS bzw. des IS war. Das ist gerade erst vor wenigen Tagen wieder einmal von einem US-General so formuliert worden, der nicht nur den Irakkrieg für falsch angesehen, sondern auch erklärt hat, dass er einer der zentralen Gründe für die Entstehung von ISIS war. Warum machen Sie jetzt den gleichen Fehler und schlagen das gleiche Vorgehen vor, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Rot!) das im Wesentlichen in Bombardierungen besteht, (Florian Hahn [CDU/CSU]: Es blinkt schon eine halbe Stunde!) wobei immer wieder auch zivile Ziele getroffen und Zivilisten verletzt und getötet werden, was dazu führt, dass der Hass in der Bevölkerung und bei Sympathisanten zunimmt, wodurch neue Selbstmordattentäter und Ähnliches hervorgebracht werden? (Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ist aber Ruhe!) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Ströbele, ich bin teilweise durchaus Ihrer Meinung, wenn Sie sagen, dass die damalige militärische Intervention im Irak falsch war. Wie Sie habe auch ich sie damals abgelehnt. Ich bin, wie Sie, auch der Meinung, dass der Mittlere Osten anders aussähe, wäre es damals nicht dazu gekommen. Das damalige Vorgehen hat Dynamiken in Gang gesetzt, die bis heute wirken. Nur – noch einmal –: Ich bin kein Historiker. Ich kann mich nicht hierhinstellen und Vorgänge aus der Vergangenheit bewerten, sondern wir müssen mit der eingetretenen Lage umgehen. (Andrej Hunko [DIE LINKE]: Aber man kann ja lernen!) Da widerspreche ich Ihnen ganz heftig, weil wir uns gerade nicht auf eine militärische Logik beschränken. Vielmehr ist es so, wie ich in vielen Reden, die ich vor diesem Hohen Haus gehalten habe, immer wieder gesagt habe: Niemand glaubt daran, dass der Syrien-Konflikt am Ende militärisch zu lösen ist. Wir setzen auf eine politische Lösung. Aber wir müssen die Chance dafür in der Hand behalten. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Präsident Dr. Norbert Lammert: Vielen Dank. – Nach der getroffenen Vereinbarung sind wir damit am Ende der Befragung der Bundesregierung. Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 1 auf: Beratung des Antrags der Bundesregierung Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015), 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Drucksache 18/6866 Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Verteidigungsausschuss Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf der Ehrentribüne eine Delegation des Ausschusses für europäische Angelegenheiten der französischen Nationalversammlung unter Führung der Ausschussvorsitzenden Madame Auroi begrüßen. (Beifall) Ihnen wie auch dem Herrn Botschafter gilt unser besonderer Gruß. Wir freuen uns, dass Sie gerade an diesem Tag an unseren Beratungen im Deutschen Bundestag Anteil nehmen. – Vielen Dank. (Beifall) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese jetzt folgende Aussprache 77 Minuten vorgesehen. – Das ist offenkundig einvernehmlich. Dann können wir so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister des Auswärtigen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Botschafter Etienne! Liebe Kolleginnen und Kollegen der französischen Nationalversammlung! Es gibt eine Botschaft, die im Internet zirkuliert und schon zigtausend Mal geteilt wurde, nämlich die Worte eines jungen Vaters, der seine Frau bei den Anschlägen von Paris verloren hat. Er schreibt an die Mörder: „Ihr bekommt meinen Hass nicht.“ Er schaut dabei auf seinen Sohn, der gerade 17 Monate alt ist, und schreibt weiter: ... sein ganzes Leben wird dieser kleine Junge euch beleidigen, indem er glücklich und frei ist. Denn nein, auch seinen Hass werdet ihr nicht bekommen. Das sagt dieser Mann in der Stunde größter Trauer, und er hat so recht. Hass wird uns auf der Suche nach den Gründen für die barbarischen Taten der Terroristen von Paris nicht helfen, und Hass darf für uns natürlich auch nicht Ratgeber für die politische Antwort auf IS und islamistischen Terror sein. Darin sind wir uns, ganz unabhängig davon, wie wir zu dem konkreten Mandat und dem Einsatz stehen, hier in diesem Hohen Haus hoffentlich einig. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Der IS-Terror richtet sich gegen die offene Gesellschaft und gegen alle, die frei und ohne staatliche, ideologische und religiöse Bedrängnis leben wollen – ob hier in Europa, im Mittleren Osten, in Paris, in Tunis oder in Beirut. Er richtet sich gegen Christen und Atheisten, gegen Juden und Muslime. Er hat fundamentale und fanatische Ausmaße, und so fundamental und umfassend dieser Terror wirken will, so umfassend und geschlossen müssen wir ihm begegnen. Liebe Kolleginnen und Kollegen aus Paris, der französische Präsident hat Europa um Unterstützung gebeten, und Europa hat fast ausnahmslos Unterstützung versprochen. Die Europäische Union rückt zusammen. In Frankreich wurde ganz Europa getroffen, und deshalb muss Europa gemeinsam mit Frankreich eine Antwort geben. Bei der Suche nach der Antwort bleibt richtig: Am Ende wird es keine militärische Lösung für den syrischen Konflikt geben. Natürlich wissen wir alle, dass der Terrorismus am Ende nicht allein militärisch besiegt werden kann. Deshalb haben alle, die das sagen und vorbringen, recht. Ich füge hinzu: Das ist aber nicht die ganze Antwort, sondern wir müssen auf mehreren Ebenen Antworten geben. An erster Stelle stehen natürlich politische Verhandlungen zur Konfliktlösung. Zweitens brauchen wir eine regionale Stabilisierung, und drittens, ja, sind zurzeit auch noch militärische Mittel notwendig. Wenn wir nicht verhindern, dass sich der IS noch weitere Teile Syriens unter den Nagel reißt, dann wird in Syrien nichts übrig bleiben, was wir befrieden und durch einen politischen Prozess in eine andere, hoffentlich bessere, Zukunft überführen können. Das ist nicht allein meine Erkenntnis oder die der gesamten Bundesregierung, so sehen es auch Amerikaner, Russen und regionale Akteure. Ich füge hinzu: In einem Jahr könnten wir mit all diesen Überlegungen möglicherweise zu spät kommen. In einem Jahr gibt es vielleicht auch für eine Opposition, die in Syrien noch vorhanden und aktiv ist, möglicherweise nichts mehr zu bestellen und auszurichten. Auch davor dürfen wir die Augen nicht verschließen. Deshalb ist ein einfaches und kategorisches Nein zu jeder militärischen Auseinandersetzung mit dem IS trotz der Priorität der politischen Lösung, für die ich nun wirklich eintrete, eben kein Beitrag zur Sicherung Syriens und der Zukunft Syriens. Das muss sich jeder klarmachen, der schon jetzt weiß, dass er dieses Mandat ablehnen wird. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich habe letzte Woche an dieser Stelle gesagt: Die Bundesregierung steht zum Versprechen der Solidarität, das wir Frankreich gegeben haben. – Wir haben unser Angebot – Frau von der Leyen hat es eben gesagt – sorgfältig abgewogen. Wir tun das, was militärisch gebraucht wird. Wir tun das, was wir können, und wir tun das, was wir verantworten können. Die Bundesverteidigungsministerin wird dazu unterrichten: Im vorliegenden Mandat fallen darunter Maßnahmen zum Schutz, zur Aufklärung und zur logistischen Unterstützung der internationalen Koalition gegen IS. Aber in die Strategie gehört eben auch die Aufstockung der wichtigen VN-Mission MINUSMA in Mali und ebenso die Fortsetzung dessen, was Deutschland schon seit dem Sommer 2014 leistet, nämlich Unterstützung durch Ausbildung und Ausrüstung der Peschmerga im Irak. Wenn man es einmal genau betrachtet, sind es in den letzten anderthalb Jahre die Peschmerga im Nordirak gewesen, die den IS am Boden bekämpft und die nicht nur den Vormarsch des IS im Irak gestoppt haben, sondern in den letzten Tagen und Wochen mit Blick auf Sindschar sogar vom IS beherrschtes Territorium befreien und zurückgewinnen konnten. Ich werde mir davon in allernächster Zeit selbst vor Ort ein Bild machen. Der Einsatz, über den wir in dieser Woche entscheiden, ist nicht nur Erfüllung eines Solidaritätsversprechens gegenüber Frankreich. Er ist aus meiner Sicht notwendig. Er ist völkerrechtlich legitimiert. Deutschland unterstützt Frankreich, Irak und andere im Kampf gegen IS auf Grundlage des Rechts der kollektiven Selbstverteidigung, wie es in Artikel 51 der UN-Charta zum Ausdruck gebracht wird. In mittlerweile drei Resolutionen hat der VN-Sicherheitsrat festgestellt, dass IS weltweit eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit ist. In der Resolution 2249, erst drei Wochen alt, hat der Sicherheitsrat nach den Anschlägen von Paris die Staatengemeinschaft aufgerufen, alle notwendigen Maßnahmen gegen diese Bedrohung zu ergreifen. Ebenfalls nach den Anschlägen von Paris hat sich Frankreich als erster Mitgliedstaat der EU auf die Beistandsklausel in Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrages, also des Lissabon-Vertrages, berufen. Deutschlands militärische Beiträge erfolgen, soweit die kollektive Selbstverteidigung zugunsten von Frankreich geleistet wird, zusätzlich auch in Erfüllung dieser EU-Beistandsklausel. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat, wenn ich es richtig sehe, ebenfalls die verfassungs- und völkerrechtliche Legitimität des Auslandseinsatzes der Bundeswehr festgestellt. Das wird hoffentlich zur Klärung der offenen und hier diskutierten Fragen sowie der rechtlichen Aspekte der Debatte beitragen. Meine Damen und Herren, jenseits des Politischen, jenseits der rechtlichen Debatte, gibt es auch diejenigen, die sagen: Wenn wir jetzt in diesem militärischen Kampf mitmachen, ziehen wir dann nicht geradezu den Zorn der Terroristen auf uns in Deutschland? Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Das halte ich am Ende doch für eine perfide Logik. Abschottung, Lichter aus, Rollläden runter, wenn Terroristen durch die Straßen ziehen, und hoffen, dass sie beim Nachbarn landen, wo die Fenster noch hell erleuchtet sind, das kann nicht unsere Logik sein. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich glaube, wenn wir nach dieser Logik handeln würden, dann würde das weder unsere Umgebung noch die Nachbarschaft sicherer machen, sondern das Gegenteil wäre der Fall. Wir würden, wenn wir so handelten und uns so verhielten, freiwillig etwas von dem preisgeben, (Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind das Argumente?) was uns ausmacht und wofür wir eigentlich öffentlich streiten sollten. Das ist jedenfalls meine Auffassung. (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU) Damit komme ich zu dem, was ich für wirklich wichtig und entscheidend halte: Für die Bundesregierung bewegt sich dieses militärische Engagement, über das wir aus Anlass des Mandates, das wir Ihnen vorlegen, reden und debattieren müssen, in einem ganz festen Rahmen. Alles, was wir tun, tun wir eben gerade nicht beschränkt auf eine militärische Logik, sondern eingebettet in einen politischen Prozess. Dafür, dass dieser überhaupt stattfindet, hat – glaube ich – kaum einer mehr gestritten als diese deutsche Bundesregierung. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Ich will sagen: Unser militärisches Engagement, über das wir hier im Verlauf dieser Woche entscheiden werden, ist Teil unserer Politik gegen den IS, aber es ist ganz gewiss nicht Ersatz für Politik. So wollen wir jedenfalls nicht verstanden werden, so will ich nicht verstanden werden. Deshalb: So notwendig die militärische Auseinandersetzung ist, über die wir heute debattieren und vielleicht auch streiten, so sehr bleibe ich dabei, dass wir auf der politischen Ebene weiter beharrlich für eine politische Lösung arbeiten müssen, mit dem Ziel, ein Ende des syrischen Bürgerkriegs zu erreichen. Darum werden wir ganz zuvorderst die in Wien begonnenen diplomatischen Anstrengungen für ein Ende der Kampfhandlungen in Syrien fortsetzen. Es gibt keinen Grund für Optimismus; das wird jeder bestätigen, der den Nahen und Mittleren Osten kennt. Aber nach fünf Jahren Bürgerkrieg, nach 300 000 Toten, nach 12 Millionen Menschen, die in Syrien ihre Heimat verloren haben, haben wir mit dem, was in Wien begonnen hat, zum ersten Mal immerhin so etwas wie einen kleinen Hoffnungsschimmer. Es ist ein Hoffnungsschimmer, der nur darin besteht, dass zum ersten Mal alle internationalen Partner an einem Tisch sitzen. Es sind alle diejenigen, die wir brauchen, um über die Zukunft Syriens zu reden: Russland, die USA und natürlich die Europäer, der Iran, Saudi-Arabien, die Türkei. Es sind Kontrahenten, von denen ich noch vor einigen Wochen nicht geglaubt hätte, dass sie durch dieselbe Tür in denselben Raum gehen und dort gemeinsam an einem Tisch bleiben. Ich sage deshalb: Es gibt zum ersten Mal eine ganz schmale Basis – ich übertreibe nicht – für Common Ground, was das weitere Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft gegenüber Syrien angeht. Alle, die da sitzen, wollen, dass das Krebsgeschwür IS, das im Mittleren Osten alle und nicht nur Syrien bedroht, beseitigt wird. Alle haben Angst davor, dass ein Zerfall Syriens auch die Nachbarstaaten wie den Libanon in den Abgrund reißt. Deshalb gibt es eine wichtige, wenn auch eine noch ganz vorsichtige Verständigung auf die nächsten Schritte, die innerhalb der nächsten 18 Monate, beginnend in der nächsten Woche mit den Gesprächen mit der Opposition, die in Riad stattfinden, gegangen werden sollen. Dann wird es hoffentlich noch vor Weihnachten, vielleicht in der dritten Dezemberwoche, eine erneute Zusammenkunft im Format der Wiener Runde geben, bei der der Versuch gemacht werden soll, nach den Gesprächen mit der Opposition zu ernsthaften Gesprächen über einen Waffenstillstand zwischen den bewaffneten Kräften der Opposition und den bewaffneten Kräften des Regimes – ich betone: nicht nur der Armee – zu kommen. Wenn dieser Schritt gelänge, dann wäre die Chance gegeben, dass wir im Weiteren tatsächlich in Gespräche über die Errichtung einer Übergangsregierung eintreten. Das ist zwar alles noch weit weg, aber umso härter müssen wir dafür arbeiten, dass wir diesem Ziel näher kommen. Was bedeutet das für Assad? Diese Frage ist im Augenblick in allen Zeitungen zu lesen. Die Frage, wie man mit Assad umgeht, hat unterschiedliche Konjunkturen. Vor drei Wochen haben wir in vielen Zeitungen gelesen, dass der eigentliche Fehler sei, dass man nicht mit Assad rede. Wenn man die Zeitungen von gestern und heute aufschlägt, dann hat sich das im Augenblick wieder geändert. Jetzt ist eher der Vorwurf: Ihr macht den Pakt mit dem Teufel, ihr macht euch mit Assad gemein. Ich sage für die Bundesregierung: Niemand in der Bundesregierung vergisst die furchtbaren, die grausamen Verbrechen, für die Assad Verantwortung trägt. Das, was wir tun, hat mit militärischer Kooperation mit Assad nichts zu tun. Richtig ist aber auch: Solange sich die syrischen Bürgerkriegsparteien nur untereinander bekriegen und abnutzen, ist nur einer der Gewinner, und das ist IS. Daran hat auf Dauer niemand ein Interesse, jedenfalls niemand derjenigen, die in Wien mit uns an einem Tisch sitzen. Das Regime kann jetzt zeigen, ob es wirklich bereit ist, gegen IS-Terroristen zu kämpfen, oder ob es weiter Fassbomben oder Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung einsetzen will. Die Entscheidung liegt nicht bei uns. Sie liegt nicht einmal bei der syrischen Opposition. Sie liegt bei Assad selbst. Das sind Dinge, auf die es ankommt, meine Damen und Herren. Der politische Prozess steht für uns im Vordergrund. Das militärische Handeln wird in diesen politischen Prozess eingebettet sein und bleiben. Deshalb werbe ich für die Unterstützung unseres Antrags zu dem Mandat, den wir Ihnen vorgelegt haben, und ich werbe mit dem Versprechen, dass wir unsere ganze Kraft der am Ende notwendigen politischen Lösung widmen werden. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Präsident Dr. Norbert Lammert: Das Wort erhält nun der Kollege Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke. (Beifall bei der LINKEN) Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Botschafter! Liebe französischen Kolleginnen und Kollegen! Die Befragung der Bundesregierung und auch die Rede des Außenministers haben viel erklärt. Aber eines bleibt: Deutschland wird Kriegspartei. Wenn am Freitag im Deutschen Bundestag eine Mehrheit zustande kommen sollte, werden deutsche Soldaten in ein neues militärisches Abenteuer geschickt. Die Linke wird diesen Auslandseinsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS geschlossen ablehnen. (Beifall bei der LINKEN) Lieber Frank-Walter Steinmeier, eines darf ich einfordern: Diejenigen, die Ja sagen, machen sich mit Sicherheit Gedanken. Aber diejenigen, die Nein sagen, mit Sicherheit auch. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Aber die falschen!) Es kann doch nicht sein, dass das eine ein einfaches Nein und das andere ein überlegtes Ja ist. Das ist nicht die Logik. (Beifall bei der LINKEN) Im Übrigen gibt es auch bei den Sozialdemokraten einige, die Nein sagen. (Dr. Rolf Mützenich [SPD]: Eben! Das ist der Unterschied!) Diese Position ist keineswegs ausgeschlossen. Ja, Sie haben recht: Der Terror sollte uns alle treffen. Das waren Anschläge gegen die Zivilisation, gegen die offene Gesellschaft, gegen die Werte der Aufklärung Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Das ist unbestritten. Die Linke ist solidarisch mit allen Kräften der Zivilisation, und sie ist solidarisch mit dem französischen Volk. Das ist völlig unbestritten. Aber Freundschaft kann auch bedeuten, wie wir alle wissen, dass man Nein sagt, dass man widerspricht, wenn man glaubt, dass eine falsche Entscheidung getroffen wird. Alle Erfahrungen bestätigen: Terror lässt sich nicht mit Krieg besiegen. Terror lässt sich nicht mit Bomben besiegen, meine Damen und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Es ist eben daran erinnert worden: Der IS selbst ist ein Produkt des Krieges. Der US-Krieg gegen den Irak hat zumindest einen Beitrag zum Erstarken des IS geleistet. Ich will auch daran erinnern, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder aus gutem Grund Nein gesagt hat. Das war eine der vernünftigen Entscheidungen der damaligen Legislaturperiode. Auch daran kann erinnert werden. Wir können aber mit dieser Entscheidung, wenn wir uns jetzt beteiligen, in eine Spirale von Gewalt und Vergeltung kommen. Das ist die Gefahr. Ja, Herr Steinmeier: Hass ist keine Antwort. Das ist doch völlig klar. Wir begrüßen es im Übrigen, wenn dieser schmale Grat, den Sie in Wien gefunden haben, weiter führt. Das ist richtig. Aber jede Bombe, die auf Rakka fällt, und jede Bombe, die auf andere Städte fällt, treibt dem „Islamischen Staat“ neue Kämpfer zu. Das ist die Wahrheit. Es wird auch die Grundlage für neue Attentate gelegt. Das ist die Wahrheit. Wir wissen doch alle, dass dort Wahnsinnige am Werk sind. Das ist unbestritten; darin sind wir uns in diesem Haus doch einig. Das sind Menschen, die Jesiden und Christen enthaupten, und sie enthaupten andere, die aus ihrer Sicht Ungläubige sind. Sie vergewaltigen Frauen und junge Mädchen, betreiben Sklavenhandel und zerstören jahrtausendealte Kulturgüter. Das alles ist wahr. Sie terrorisieren und morden inzwischen weltweit. Ja, denen muss das Handwerk gelegt werden. Aber Bomben sind die falsche Antwort. Kann es sein, dass wir deren Logik bedienen? Bedienen wir damit vielleicht die Logik des IS? (Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) Die Logik des IS ist doch ganz einfach: Es handelt sich um einen Kreuzzug des Westens gegen alle Muslime. – Dieser Logik dürfen wir nicht folgen. Wir agieren gemeinsam gegen die Barbarei und nicht gegen Muslime. (Beifall bei der LINKEN) Lassen Sie mich zum Mandat selbst etwas sagen. Was ist eigentlich das Ziel dieses Einsatzes? Ich habe gehört, dass es die Zerstörung des IS ist. Einverstanden! Aber nach allen Darlegungen und allem, was ich gehört habe, gibt es keine Strategie, noch nicht einmal eine militärische. Wer agiert dort wie? Ich kenne nicht einen militärisch Verantwortlichen, der sagt, mit Luftschlägen sei das Problem zu lösen. (Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister: Das sagt auch niemand!) Aber Sie entscheiden sich für Luftschläge. Das kann doch nur der falsche Weg sein. Was soll denn damit erreicht werden? (Beifall bei der LINKEN) Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass aktuell die Kurden die Einzigen sind, die entschlossen gegen den IS kämpfen und auch Erfolge vorzuweisen haben. Da müssen Sie mir eines erklären: Der US-Verteidigungsminister Carter hat die Türkei aufgefordert, gegen den IS zu kämpfen und nicht Bomben auf Kurden zu werfen. Die Kurden unterstützen wir doch. Es ist doch völlig absurd, dass wir die Kurden unterstützen, während die Türkei gegen die Kurden agiert. Erklären Sie mir noch etwas. Wenn die Tornados dort Bilder machen, die dann natürlich auch den NATO-Verbündeten zur Verfügung gestellt werden: Können Sie eigentlich garantieren, dass die Türkei diese Bilder nicht gegen die Kurdinnen und Kurden nutzt? (Florian Hahn [CDU/CSU]: Ja!) Können Sie das eigentlich garantieren? Das können Sie eben nicht. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Doch!) Die Türkei hat über viele Jahre eine extrem problematische Rolle als Transitland des Terrorismus eingenommen. Jetzt, wo es eine Erpressungssituation wegen der Flüchtlinge gibt, wird die Türkei auf einmal unterstützt. Das darf so nicht sein. Hier muss Klarheit herrschen. Hier darf es keine unterschiedlichen Maßstäbe für die Türkei geben. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wenn man in ein solches Kriegsabenteuer geht, muss zu Beginn die Frage beantwortet werden: Wie kommen wir da wieder heraus? (Beifall bei der LINKEN) Es ist doch allgemeiner Kenntnisstand, dass zu Beginn eines solchen Einsatzes über eine Exitstrategie geredet werden muss. Wie sieht denn das Konzept für danach aus? Der Deutsche BundeswehrVerband sagt, der Einsatz dauere mindestens zehn Jahre. Hier im Parlament entscheiden wir darüber innerhalb von zehn Stunden, aber das sei dahingestellt. Es fehlt jedenfalls eine wirkliche Perspektive für Syrien. Wie soll diese aussehen? Es fehlt eine Perspektive für den Irak. Es fehlt eine Perspektive für die Kurdinnen und Kurden. Wenn der BND nun sogar sagt, dass Saudi-Arabien ein gefährlicher Partner ist, dann ist das, was dort betrieben wird, völlig absurd. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Der IS ist heute die stärkste und reichste Terrororganisation. Auch das ist nicht vom Himmel gefallen. Er finanziert sich weiterhin aus privaten Geldspenden aus der Golfregion. Der Ölhandel floriert noch immer. Der Handel mit geraubten und antiken Kulturgütern blüht weiterhin. Was geschieht denn nun, um Waffen- und Munitionslieferungen in diese Region zu verhindern? Was passiert denn, damit der Zustrom von Kämpfern, der gerade wieder größer geworden ist, beendet wird? Jede Nacht kommen Kämpfer über die türkische Grenze; das wissen die Dienste. Dieser Zustand muss doch beendet werden. Wir müssen Druck auf die Türkei ausüben und dafür sorgen, dass die Grenze geschlossen wird. Da können wir doch nicht einfach zusehen. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer sorgt denn praktisch dafür, dass Konten des IS und seiner Sponsoren ausfindig gemacht und dann gesperrt werden? Das wäre eine Aufgabe, die wir erledigen sollten. Eine Anmerkung sei mir noch gestattet, die mir wirklich wichtig ist. Viele Staaten stellen nun für die Bombardements Millionen zur Verfügung. Aber in den Flüchtlingslagern mangelt es an Nahrungsmitteln. Ich habe unlängst einen Bericht über ein Lager im Irak gesehen. Der UNHCR beklagt, dass dieses Lager kurz vor einem Choleraausbruch steht. Ich glaube, alle hier im Raum wissen, was das bedeutet. Es wird Tausende Tote geben, wenn das geschieht. Es ist doch unfassbar, dass die zivilisierte Welt das zulässt. Da muss doch sofort Geld in die Hand genommen werden. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Ein solcher Ausbruch führt nicht nur zu Tod und Leid, sondern verstärkt auch den Zulauf des IS. Hier sind nicht nur wir, sondern auch viele andere gefragt. Dafür muss möglichst schnell Geld zur Verfügung gestellt werden. Zum Rechtlichen wurden schon umfangreiche Ausführungen gemacht. Der Kollege Lindner hat darauf hingewiesen. Jürgen Trittin hat das sehr vernünftig dargelegt. Sie wollten doch ein UN-Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta. Das ist doch Ihr Wille gewesen. Wenigstens dieser Logik muss man doch folgen. Aber es gibt diesen Beschluss nicht. Dafür muss es doch Gründe geben. Vielleicht gibt es Gründe dafür, dass es ihn nicht gibt. Wenn das so ist, dann sind mindestens Nachfragen gestattet. Wir werden das von Fachleuten – auch ich bin kein Fachmann – prüfen lassen und werden sehen, wie wir zu diesem Mandat stehen. Es scheint mir zumindest auf sehr wackligen Füßen zu stehen. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Eine Frage sei mir noch gestattet: Was haben Sie eigentlich aus den anderen Bundeswehreinsätzen gelernt? (Zuruf von der LINKEN: Nichts!) Ich will an die Debatte von damals – ich war schon dabei – erinnern, als es um den Afghanistan-Einsatz ging. Es wurde heftig debattiert. Fakt ist – das müssen wir heute doch gemeinsam konstatieren –: Zehntausende zivile Opfer, über 50 tote Bundeswehrsoldaten, und der Terror hat weiterhin in Afghanistan eine Adresse. Die Taliban sind auf dem Vormarsch. Alle gesteckten Ziele sind nicht erreicht worden. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!) Da sollten wir gemeinsam sehr nachdenklich werden. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Denken Sie an die vielen Schulen, die geschaffen worden sind, und daran, dass Mädchen in die Schule gehen können!) Sie sollten aus diesem Einsatz lernen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU) – Wissen Sie, ich kann die Aufregung ein bisschen verstehen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist überhaupt keine Aufregung! Wir wollen nur Ihre fehlerhafte Rede korrigieren!) Aber das Thema ist viel zu ernst; denn wir alle gemeinsam gehen nicht dorthin, sondern wir schicken Soldatinnen und Soldaten dorthin. Da ist ein etwas höheres Maß an Seriosität gefragt. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Gerade von Ihnen! Haha!) Ich will damit schließen, dass die entsetzlichen Attentate von Paris weltweit junge Menschen auf die Straßen gebracht haben, die mehr Offenheit und mehr Demokratie gefordert haben. Sie wollen eine zivilisierte Antwort auf den Terror. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) Aber wir beraten heute über den Einsatz der Bundeswehr. Wir sagen Nein zu diesem Mandat, wir sagen Nein zum Krieg gegen den Terror. Herzlichen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Dietmar Bartsch. – Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Tag, liebe Gäste! Bienvenue chers collègues! Nächste Rednerin in der Debatte ist die Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Chers amis français! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bartsch, Sie haben das eben als ein Abenteuer bezeichnet, in das wir die Soldatinnen und Soldaten schicken. (Zuruf von der CDU/CSU: Unmöglich!) Ich empfinde das als unmöglich. Das ist bitterer Ernst. Das ist kein Abenteuer. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Diese Bundesregierung treibt Hasardeurspiele auf Kosten der Menschen!) Sie haben zu Recht die grauenvollen Taten geschildert, die der IS anrichtet. Sie haben zu Recht geschildert, wie die Jesiden abgeschlachtet worden sind, wie Frauen und Kinder auf den Basaren jeden Freitag in dem vom IS eroberten Gebiet verkauft werden. Sie haben nicht erwähnt – aber auch das gehört dazu – die Massengräber, die jetzt in Sindschar gefunden worden sind: 120 Tote in dem sechsten Massengrab, vorwiegend ältere Frauen, weil der IS sie nicht mehr gebrauchen konnte. Wenn ich mir diese Gedankenwelt vor Augen führe und Sie dann sagen – zu Recht –, man müsse diesen Barbaren das Handwerk legen, dann erwarte ich auch, dass Sie sagen, wie. Dazu haben Sie kein einziges Wort gesagt, kein einziges Wort. Sie werden mit dem IS nicht einfach nur verhandeln können. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der LINKEN: Flinten-Uschi!) Es gibt noch einen weiteren Punkt, der mich wirklich ärgert. Wenn Sie hier sagen – zu Recht –, dass es eine perfide Propaganda des IS ist, das als Kreuzzug gegen alle Muslime zu bezeichnen, und uns dann gleichzeitig sagen, wir müssten aufpassen, dass wir diese nicht auch noch nähren, dann gehen Sie doch genau dieser Propaganda auf den Leim. Sie überhöhen sie doch, Sie tragen sie doch ins Land hinein. Wir kuschen davor nicht. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Ministerin. Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Meine Damen und Herren, dieses Mandat zu erteilen, fällt uns nicht leicht. Es ist eine schwere Entscheidung. Wir werden einen langen Atem brauchen, und es ist ein gefährlicher Einsatz. Wir tun das auch in Solidarität mit unseren französischen Freunden, weiß Gott, aber nicht nur; es ist auch in unserem eigenen Interesse. Paris hat uns doch gezeigt, dass wir längst im Fadenkreuz des IS stehen; machen wir uns da doch nichts vor. Es sind die Kreuzfahrernationen, die bei den Anschlägen während des deutsch-französischen Fußballspiels angesprochen gewesen sind. Die Aussage des IS war doch eindeutig: Ihr sollt euch nirgends mehr sicher fühlen, weder in den Fußballstadien noch in den Cafés, in den Theatern, den Museen, am Strand, in Flugzeugen oder Zügen. Aber, meine Damen und Herren, das ist auch eine klare Ansage und Antwort darauf: Wir lassen uns nicht einschüchtern! Wir lassen uns unsere freie Art, zu leben, nicht nehmen! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Ich erinnere mich noch sehr gut, welche Debatten wir im vergangenen Jahr an dieser Stelle hier geführt haben mit Blick auf das Irakmandat: Kann es richtig sein, von der Regel abzuweichen, Waffen in Konfliktgebiete zu entsenden? Was für einen Nutzen hat die Ausbildung der Peschmerga? Sind sie überhaupt in der Lage, den IS zu bekämpfen? Das waren und sind alles berechtigte Fragen; gar kein Zweifel. Wir haben uns damals entschlossen, diesen Schritt zu gehen, den uns viele übrigens nicht zugetraut haben. Ich höre heute fast niemanden mehr, der noch am Sinn der Unterstützung der Peschmerga zweifelt. Sie haben ihr Gebiet zurückerobert. Sie haben den IS gestoppt. Sie haben Millionen Flüchtlingen Zuflucht gegeben: 1,5 Millionen Flüchtlinge leben im Gebiet der Kurden, die selbst dort nur 5 Millionen sind. Sie haben dem IS – ja, auch dank der MILAN – empfindliche Verluste zugefügt. Die Peschmerga haben sich als die wirksamsten Bodentruppen herausgestellt. Heute ist klar, dass Deutschland zu Recht von Beginn an die Koalitionen gegen den Terror unterstützt hat, und zwar nicht nur militärisch, sondern auch politisch. Es war eine richtige Entscheidung. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]) Deshalb gilt es, heute zu handeln. Ich bin dem Außenminister dankbar, dass er den politischen Prozess, der von vorneherein auch im Irak da war, ausführlich geschildert hat. Von vorneherein war das Bestreben – es ist bisher erfolgreich gewesen –, diesen fragilen Irak in seiner Einheit zusammenzuhalten. Sunniten, Schiiten, Kurden – von vorneherein hat Deutschland die Stabilisierungsbemühungen, wenn Gebiete zurückerobert worden sind, unterstützt. Tikrit ist wieder erobert worden. Deutschland ist dort gewesen und hat den Wiederaufbau, die Versöhnungsarbeit nach dem militärischen Einsatz unterstützt. Meine Damen und Herren, man kann nicht behaupten, dass das hier nur eine militärische Aktivität sei. Diese Aktivität ist eingebettet in einen sinnvollen politischen Prozess, und dafür stehen wir mit ganzer Kraft. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Auch dieser zusätzliche Beitrag ist sinnvoll. Es eilt. Wir müssen eine entschlossene Antwort auf das, was in Paris geschehen ist, geben. Unsere Fähigkeiten werden dringend gebraucht. Man kann gar nicht genügend Aufklärung in diesem Gebiet leisten. Wir haben ja einen doppelten Auftrag: Ja, er ist einerseits die Bekämpfung des IS; das muss man auch so klar aussprechen, mit aller Konsequenz. Aber es gilt genauso, am Boden Zivilisten zu schützen, die, die auf unserer Seite kämpfen, zu schützen. Das heißt, man muss stündlich, minütlich eine genaue Kenntnis über das, was am Boden in einem unübersichtlichen Gebiet geschieht, haben. Deshalb sind die Fähigkeiten der Satellitentechnik und der Recce-Tornados sinnvoll und richtig. Auch die Fregatte ist ein starkes Zeichen der Solidarität an unsere französischen Freundinnen und Freunde. Die vielen Fragen, die gestellt werden, sind legitim – das will ich ganz deutlich in den Raum stellen –; aber ich glaube, wir sind an einem Punkt, an dem wir uns sagen müssen: Nicht nur durch Handeln kann man sich schuldig machen, sondern auch durch Nichthandeln kann man schwere Fehler begehen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wer will denn das?) Legitim ist auch die Frage: Kann die Bundeswehr, kann Deutschland diesen Kampf aufnehmen? Übernehmen wir uns nicht an einer hochkomplexen, gefährlichen Aufgabe, an der schon weit größere Länder zu scheitern drohten? Auch viele andere Länder nehmen dies auf sich. Sie sind bereits zu Lande, zu Wasser, aus der Luft gegen den IS vorgegangen, und sie leisten damit einen Beitrag zum Gelingen des Ganzen. Das ist ein weltweiter Kampf gegen den IS und dessen Phänomene. Die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Italien, Dänemark, Frankreich – keines der genannten Länder hat es sich leicht gemacht. Ja, es ist schwer, ja, es braucht Courage – von uns allen hier im Hohen Hause, aber auch von den Soldatinnen und Soldaten, die wir in diesen Einsatz schicken werden. Meine Damen und Herren, ich glaube, das Hohe Haus ist gemeinsam der Meinung: Es hat unseren hohen Respekt und unsere Anerkennung, wie die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz für uns diese Leistung meistern. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Viele der genannten Länder haben diese Risiken und Anstrengungen schon seit geraumer Zeit auf sich genommen. Deutschland ist fest verankert in seinen Bündnissen. Es ist ein verlässlicher Partner. Zuverlässig zeigen wir Solidarität. So wie wir Solidarität einfordern, so müssen wir sie auch leisten, auch in schwierigen Zeiten, auch militärisch. Wegen der Behauptung, es gäbe kein Ziel, wiederhole ich hier, was ich schon in der Befragung der Bundesregierung gesagt habe: Unser Ziel nennt die Resolution 2249 sehr klar, nämlich den IS bekämpfen – mit allen Mitteln. Dazu gehört das Militärische. Dazu gehört aber vor allem der politische Prozess. Dazu gehört der wirtschaftliche Prozess, nämlich die Finanzströme trockenzulegen; das hat der Gipfel von Antalya mit sich gebracht. Es geht darum, dem IS die Rückzugsräume zu zerstören. Es geht darum, zu verhindern, dass er von Syrien und Irak aus weiterhin auch terroristische Operationen weltweit steuern kann. Aber es geht noch um mehr. Es geht darum, den politischen Einigungsprozess, den Versöhnungsprozess in Syrien und Irak vorzubereiten – für die Zeit nach IS, wenn wir IS erfolgreich bekämpft haben; denn die Menschen, die dort vor dem IS gelebt haben, haben in der grauenhaften Zeit der letzten Jahre tiefe Narben erlitten, weil zwischen Ethnien, die bis dahin friedlich zusammengelebt haben, Verletzung, Enttäuschung, Verrat stattgefunden haben. Wir werden auch die Versöhnungsarbeit mit begleiten. Nachdem wir den militärischen Kampf geschlagen haben werden, kommt eigentlich die echte Bewährungsprobe auf uns zu: wie es in Syrien und Irak weitergeht. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Nachher ist es zu spät!) Unser Ziel ist, daran zu arbeiten, dass wir – dazu ist die Welt aufgefordert – den IS bekämpfen: nicht nur militärisch – aber auch –, sondern dies auch politisch, humanitär und wirtschaftlich flankieren, indem wir seine Öleinnahmen und andere Finanzquellen versiegen lassen. Die Gedankenwelt des IS ist teuflisch; ich glaube, darüber besteht gar kein Zweifel in diesem Hohen Haus. Wir müssen ihn bekämpfen, und wir wollen ihn bekämpfen. Dazu soll dieses Mandat einen Baustein nur, aber einen wichtigen Baustein liefern, und dafür bitten wir um Ihre Zustimmung. Danke schön. (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Frau Dr. von der Leyen. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Christine Buchholz. Christine Buchholz (DIE LINKE): Vielen Dank. – Frau von der Leyen, es gehört zur Demagogie von Kriegsreden, (Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE] – Widerspruch bei der CDU/CSU) denjenigen, die den Krieg ablehnen, zu unterstellen, sie hätten keine Antworten. Wenn Sie Herrn Bartsch zugehört hätten, wüssten Sie: Natürlich – das ist ganz klar – gibt es Antworten im Kampf gegen den IS. (Beifall bei der LINKEN – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Welche denn? Welche hat er gegeben? Keine einzige! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Welche denn?) Schauen wir, was die US-Regierung gesagt hat, ein Jahr nachdem sie die Bombardierung von IS-Stellungen in Syrien und Irak begonnen hat. Sie hat gesagt: Es wurden IS-Kämpfer getötet, aber die Gesamtzahl ist gleich geblieben. – Das heißt, durch die Bombardierung wurde der IS nicht geschwächt, sondern er wurde letztendlich politisch gestärkt. (Zuruf von der CDU/CSU: Ist das die Antwort?) Zugleich hat das zu massiven Vertreibungen und Flucht sowie zu zivilen Opfern geführt. Darüber müssen wir hier auch reden. Ich frage mich, ob Sie, wenn Sie die Bilder für die Bomben liefern wollen, die in den nächsten Wochen und Monaten auf Syrien, auf Rakka, auf andere Städte geworfen werden, nicht tatsächlich einen Beitrag dazu leisten, dass der IS Unterstützung erhält, sowohl in Syrien und im Irak als auch von denen, die ihm in Europa zugehören, oder ob das tatsächlich ein Beitrag zum Frieden ist. Wir sind der Auffassung: Mit Krieg, mit Bomben kann man keinen Terror bekämpfen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, wir haben es gehört! – Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Aber kein Rezept angeboten! Wo ist Ihr Rezept?) Ich möchte, dass Sie sich hier dazu auch einmal positionieren und uns nicht pauschal unterstellen, wir hätten keine Antworten. Die haben wir. Sie haben die falschen. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Ministerin, Sie haben jetzt die Möglichkeit, zu antworten. (Zuruf: Aufstehen!) – Ja, sie bleibt selbstverständlich während der Antwort stehen. (Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist doch egal!) Dr. Ursula von der Leyen, Bundesministerin der Verteidigung: Frau Buchholz, habe ich eben meinen Ohren getraut, dass Sie tatsächlich insinuieren, die Flüchtlingsströme aus Syrien und dem Irak kämen wegen des Kampfes gegen den IS, den wir gemeinsam leisten? Ich höre wohl nicht richtig! (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Hat sie nicht gesagt!) Die Flüchtlinge fliehen vor dem IS. Die Flüchtlinge sind vor dem Bürgerkrieg geflohen, der in Syrien stattfindet, nicht davor, dass wir gegen den IS kämpfen. (Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Selektive Wahrnehmung!) Zweiter Punkt. Sie haben uns eben versucht, zu zeigen, wie man den IS stoppen kann. Ich habe aber nichts dazu gehört, was dieses Massakrieren der Menschen, das uns der IS vorführt, stoppen könnte. Würden Sie das, was Sie eben als Strategie geäußert haben, tatsächlich den Jesiden ins Gesicht sagen: So hätte man den versuchten Massenmord an den Jesiden stoppen können? – Dann wären die Jesiden aber weiß Gott aufgeschmissen gewesen. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das war die PKK, die die rausgeholt hat, nicht Sie! Ein Glück, dass die das gemacht hat!) Ich glaube, es ist richtig, gelegentlich zu handeln, auch wenn es schwerfällt. (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Die nächste Rednerin in der Debatte ist Katrin Göring-Eckardt für Bündnis 90/Die Grünen. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Krieg in Syrien tobt seit fast fünf Jahren. Man könnte viel sagen über versäumte Chancen, über die Breite und Unschärfe roter Linien, über das Versagen der Staatengemeinschaft, über Nichtwahrnehmen, Nichthandeln, über Schutzverantwortung und andere Versäumnisse. Schlicht: Man könnte viel darüber sagen, warum wir genauso lange nicht richtig hingeschaut haben, als kaum Flüchtlinge aus Syrien bei uns ankamen. Syrien ist eine Chiffre geworden für eine Vielzahl von Dilemmata. Es ist eine Chiffre geworden für die Abwesenheit von einfachen Antworten, für die Abwesenheit von einfachen Wahrheiten. Ich stehe hier nicht mit der Attitüde derjenigen, die alles besser wissen oder schon immer gewusst haben. Aber was ich von Ihnen verlange, ist die Wahrheit über die Situation und Klarheit über die Linie, Frau von der Leyen. Schon der Zickzackkurs in Bezug auf die Beteiligung der Regierungstruppen von Assad ist doch alles andere als eine echte Vertrauensgrundlage. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Wenn man sagt, dass es nicht einfach ist, Antworten zu geben, Herr Steinmeier, dann ist es wirklich bodenlos, uns vorzuwerfen, unsere Motivation sei ein möglicher Anschlag in Deutschland. Nein, wir reden gerade über Verantwortung, und das wissen Sie ganz genau. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Mit den Anschlägen in Ankara, in Bagdad, in Beirut, in Tunis und in Paris haben wir die grauenvolle Gewissheit, dass die mörderische Ideologie des IS, von Da'isch, ihren Weg über seinen unmittelbaren Herrschaftsbereich hinaus nach Europa gefunden hat. Sie ist nicht mit Schlauchbooten und überfüllten Zügen zu uns gekommen, wie die Menschen, die vor der grauenvollen Ideologie und den fürchterlichen Auswirkungen geflohen sind. Nein, sie ist durch Websites, durch Videos in die Köpfe derer gekommen, die hier mit Maschinengewehren und Sprengstoffgürteln gegen unsere europäischen Werte kämpfen wollen. Radikale Auslegungen des Islam wie der Wahhabismus verbreiten sich weltweit mithilfe von Sponsoren aus Saudi-Arabien und Katar, die zwar gute Wirtschaftsbeziehungen zu Europa pflegen – das muss sich Herr Gabriel anhören –, aber mit ihren Gewinnen genau das ideologische und materielle Fundament für diesen unsinnigen Terror liefern, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Sascha Raabe [SPD]) Syrien ist, genau wie der Irak, zu einem Ort geworden, in dem das machtpolitische Vakuum von diesem Terrornetzwerk gefüllt worden ist – ein Terrornetzwerk, das beide Teile seines selbst gewählten Namens in grausamer Weise pervertiert, nämlich Islam und Staat. Beides ist es nicht, und beides wird auf diese Art und Weise pervertiert. Meine Damen und Herren, nach den brutalen Terroranschlägen haben unsere Partner in Paris unsere Solidarität verdient. Der Anschlag galt uns und unseren gemeinsamen Werten. Es ist alles andere als leicht, hier zu stehen und einem Mandat nicht zustimmen zu können, von dem behauptet wird, es sei die Ausfüllung dieser Solidarität. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ISIS muss militärisch bekämpft werden; da sind wir mit Ihnen einig. Wir sind uns wahrscheinlich auch einig, wenn wir sagen: Besiegt werden kann er nur politisch und ökonomisch. Militärisch? Ja. Aber wie und von wem und mit welcher Strategie? Darauf haben Sie noch immer keine Antwort gegeben. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Auf die erste Frage haben Sie eine schlechte Antwort gegeben. Ihre schlechte Antwort lautete, es gäbe Angriffe aus der Luft und unsere Verbündeten wären Putin und der Massenmörder Assad, die wir irgendwie, aber in jedem Fall einbinden wollten. Das sind aber zwei Verbündete, deren Feind mitnichten zuerst ISIS, sondern die syrische Opposition ist. Kommt Ihnen das nicht völlig schräg vor? (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Ergebnis wird doch sein, dass Assad gestärkt wird. Sie meinen, man müsse endlich mit ihm reden. Aber was passiert denn bitte schön seit vielen Jahren? Was tut denn Staffan de Mistura? Das Ergebnis dieser Gespräche ist zu sehen. Stabilität jedenfalls ist es nicht. Wem genau hilft denn diese Partnerschaft? Herr Bartsch, dies geht an Ihre Adresse: Davon zu reden, dass der Westen gegen die Muslime kämpft, und die Rolle Putins und Russlands dabei vollkommen auszublenden, ist weder ehrlich noch hat das irgendetwas mit einer echten Strategie zu tun. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Während andere schon am Wochenende mit einem einfachen Nein oder einem bedingungslosen Ja entschieden haben, haben wir das vorliegende Mandat sehr bewusst ausgiebig geprüft und debattiert. Ich kann nur sagen: Sie haben uns nicht überzeugt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Niels Annen [SPD]: Sie uns auch nicht!) Die Zweifel an der völkerrechtlichen Grundlage bleiben. Vor allem aber können Sie die zentralen Fragen über diesen Einsatz nicht beantworten: Unter welchen Bedingungen wird der Einsatz denn wieder beendet? Wie soll ISIS wirklich verdrängt werden? Wer schließt das Vakuum am Boden, nachdem ISIS aus diesen Gebieten verjagt worden ist? Wer genau sind eigentlich unsere Partner am Boden, und wie stabilisieren und unterstützen wir sie? Welche Ziele verfolgen Sie konkret mit diesem Einsatz? Sie sprechen von einer Allianz von 64 Staaten; Sie haben das bei der Befragung der Bundesregierung eben noch einmal gesagt. Was Sie nicht sagen, ist, dass diese Akteure völlig unterschiedliche Ziele verfolgen. Herr Erdogan behauptet, ISIS zu bekämpfen, bekämpft aber die Kurden, die ihrerseits den IS bekämpfen. Wladimir Putin bekämpft zuallererst die Freie Syrische Armee rund um den Stützpunkt Latakia und hält seine schützende Hand über den Schlächter Assad. Russland hat in diesem Krieg bereits Fakten geschaffen. Es stellt die Luftwaffenbasis für Assads Bodentruppen und hat an der Grenze zur Türkei faktisch eine Flugverbotszone errichtet. Wie wollen Sie bitte sicherstellen, dass die von den deutschen Tornados gewonnenen Informationen nicht über Putin dann auch bei Assad landen? Darauf gibt es bis heute keine Antwort. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Frage lautet: Mit wem, für wen und mit welchem Ziel? Sie sagen, Sie hätten eine Koalition der Willigen. Nur: Der Wille in dieser Koalition ist sehr unterschiedlich. Das Rumeiern in puncto Kooperation mit Assad oder seinen Truppen bedient doch die Rekrutierungspropaganda von ISIS. Damit werden die Sunniten in die Arme von ISIS getrieben. Das können wir nicht wollen. Das können wir alle nicht wollen, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das gilt übrigens auch für die Linken. Frau Wagenknecht hat am Wochenende erst einmal reflexartig Nein gesagt, dann aber, dass die Zusammenarbeit mit Russland und Assad begrüßt werden müsse. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Richtig!) Wer Assad für das kleinere Übel hält, muss die Frage beantworten, wie er es denn mit den beschlossenen und nicht umgesetzten UN-Resolutionen hält, die ein Ende des Abwurfs von Fassbomben und die Einrichtung von humanitären Zugängen fordern. Diese Frage wird in diesen Tagen überhaupt nicht gestellt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wer von Realpolitik reden will, der muss auch realistisch sein. Glauben Sie denn im Ernst, ein Flüchtling kehrt in ein Syrien zurück, in dem Assad und seine Schergen eine Rolle spielen? Es bleibt dabei: Wer ISIS und die Islamisten wirklich demoralisieren will, der muss ihrer Ideologie den Boden entziehen. Dort, wo sie verbreiten, wie schrecklich und abgründig das Leben im Westen ist, dort, wo sie behaupten, dass Menschen, die Muslime sind, hier schlecht behandelt werden, setzen wir hier eine Kultur von Willkommen und Integration entgegen. Nein, das ist nicht radikalpazifistisch, das ist auch nicht die andere Wange, die man hinhält, das ist der härteste Kurs gegen ISIS, den wir fahren können, meine Damen und Herren. Wenn Sie sich anschauen, was die im Internet verbreiten, dann sehen Sie, dass genau diese Position gestützt wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) Wir müssen fragen, was dieses aktionistische militärische Eingreifen zu diesem Zeitpunkt für den in Wien aufgestellten Fahrplan der Friedensgespräche bedeutet. Wenn Sie schon nicht mehr über türkische und russische Innenpolitik reden wollen, dann bitte ich Sie, doch wenigstens klarzumachen, wie deutlich wir die Umsetzung von Minsk II in der Ukraine weiterhin einfordern, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrter Herr Außenminister, zum Schluss: In unserer Fraktionssitzung am Donnerstag haben Sie uns über die Pläne der Bundesregierung informiert. Sie haben zwei Fragen genannt, anhand derer wir heute über dieses uns nun vorliegende Mandat entscheiden sollen. Sie haben die Fragen gestellt: Können wir das leisten? Halten wir es für verantwortbar? Die erste Frage ist vermutlich mit Ja zu beantworten. Die entsprechenden Fähigkeiten sind vorhanden; hoffentlich auch die Ersatzteile. Es ist die zweite Frage, die bei unserer Entscheidung viel schwerer wiegt: Halten wir es für verantwortbar? Selbst wer die rechtlichen Bedenken beiseiteschieben wollte – das wollen wir nicht – oder die Rechtsgrundlage für tragfähig halten mag – das sagen Sie –, kommt nicht umhin, festzustellen, dass es mehr Fragen als Antworten gibt. Niemand will den Feinden der Freiheit und den Angriffen auf unsere Werte und unser Leben tatenlos zusehen. Aber Handeln ohne Perspektive, ohne Idee über das Danach, mit Deals zulasten Dritter und zulasten derer, die in Syrien unter ISIS leben und leiden, aber vor allem unter Assad, nein, das ist nicht verantwortlich, das ist zuerst einmal hilflos. Für die Solidarität mit Frankreich gilt auch: Es braucht eine langfristige Strategie. In diese können Einsätze eingebunden sein, auch militärische Einsätze, aber mit Partnern, mit denen man es verantworten kann. Sie machen einen Einsatz, der kopflos ist, der planlos ist. Am Ende besteht die Gefahr, dass er das Gegenteil dessen bewirkt, was er bewirken soll. Deswegen bitte ich Sie sehr darum, sich zu überlegen, ob dieser Einsatz wirklich das Ziel verfolgt, ISIS zu bekämpfen, oder ob er kontraproduktiv ist, meine Damen und Herren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sabine Leidig [DIE LINKE]) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Katrin Göring-Eckardt. – Der nächste Redner: Jürgen Hardt für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Jürgen Hardt (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da ich die Hoffnung nicht ganz aufgegeben habe, dass bei den Grünen der eine oder andere noch mit sich ringt, möchte ich ganz konkret auf Sie, liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt, antworten. Die Frage, die Sie zu Anfang und zum Ende Ihrer Rede gestellt haben, nämlich, mit wem wir mit diesem Mandat gegen den IS kämpfen, ist ganz klar zu beantworten: mit unseren Freunden aus Frankreich, mit den französischen Streitkräften. Der französische Präsident hat uns um Hilfe und Unterstützung gebeten. Deshalb stehen wir Frankreich zur Seite, sowohl im Mittelmeer, wo der Flugzeugträger unterwegs ist, als auch durch Luftbetankung und durch Zurverfügungstellung von Aufklärungsdaten. Deswegen ist diese Frage meines Erachtens doch recht einfach zu beantworten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dann möchte ich noch einen Gedanken mit Ihnen teilen. Die Grünen stellen die völkerrechtliche Grundlage für diesen Einsatz infrage. Wesentliches Element dieser völkerrechtlichen Grundlage ist unserer Meinung nach die UN-Resolution 2249. Sie ist am 20. November im Wesentlichen dadurch zustande gekommen, dass der französische Staatspräsident mit großem Verhandlungs- und Vermittlungsgeschick dafür gesorgt hat, dass diese Resolution von allen fünf Vetomächten des Sicherheitsrates mitgetragen wird. Wenn Sie sagen, dies ist keine ausreichende Grundlage für unsere von Frankreich geforderte Unterstützung, sagen Sie auch, dass der französische Staatspräsident es nicht vermocht hat, die notwendige Unterstützung bei den Vereinten Nationen zu bekommen. Das kann man machen. Das muss man aber insbesondere dann nicht machen, wenn es eine genügend solide Rechtsgrundlage gibt. Es gibt Rechtsauffassungen, nicht zuletzt die des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, die besagen, dass diese Rechtsgrundlage eindeutig ist. Ich würde Sie wirklich bitten, auch im Zeichen der Solidarität, diese filibusterartig vorgetragene, beckmesserische, seminarmäßig differenzierte Betrachtung der Rechtsfrage hintanzustellen. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Dann möchte ich, liebe Frau Kollegin Göring-Eckardt, auch die Frage nach den Daten beantworten. Wir haben das vorhin im Auswärtigen Ausschuss ausführlich diskutiert. Wir entscheiden darüber, was mit unseren Daten geschieht. Wir geben keine Streams der Daten an das entsprechende Hauptquartier der Streitkräfte weiter, sondern wir entscheiden über die Nutzung. Deswegen können wir auch ausschließen, dass diese Daten in russische Hände gelangen. Wir können damit auch ausschließen, dass sie über russische Kanäle an Assad weitergehen. Diese Sorge würde ich Ihnen gerne an dieser Stelle nehmen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Und die Türkei? Die Türkei ist auch interessant!) – Auch die Türkei wird verantwortungsvoll mit diesen Daten umgehen. (Lachen bei Abgeordneten der LINKEN – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie doch nicht im Ernst! Das ist doch absurd, wirklich absurd!) – Selbstverständlich wird unser NATO-Partner Türkei verantwortungsvoll mit diesen Daten umgehen. Wir werden natürlich keine Daten übermitteln, die im Kampf gegen den IS nicht benötigt werden. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Herrn Gehrcke? Jürgen Hardt (CDU/CSU): Herr Gehrcke, bitte schön. Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE): Herzlichen Dank, Herr Kollege. Danke, Frau Präsidentin. – Ich will mich nur vergewissern, ob ich das richtig gehört habe – ob ich es richtig verstanden habe, ist dann eine andere Frage. Sie haben gesagt, die Türkei werde mit den Daten verantwortungsvoll umgehen. Das kann man im Protokoll nachlesen. Das heißt aber, dass die Türkei die Daten, die von den deutschen Recce-Tornados erhoben werden, erhält. (Florian Hahn [CDU/CSU]: Nein!) Wie sie dann damit umgeht, ist eine ganz andere Frage. Im Auswärtigen Ausschuss ist betont worden, die Türkei bekomme diese Daten nicht. (Florian Hahn [CDU/CSU]: So ist es!) Ich bitte Sie, mir zu sagen: Habe ich Sie falsch verstanden? Jürgen Hardt (CDU/CSU): Lieber Herr Kollege Gehrcke, ich habe gerade in den letzten Sätzen meiner Ausführungen gesagt, dass wir darüber bestimmen, welche Daten weitergegeben werden, und dass wir nur Daten weitergeben, die im Kampf gegen den IS notwendig sind. Insofern gibt es nicht das Problem, das Sie vielleicht vermuten, nämlich dass eine andere Nation mit diesen Daten Schindluder treiben könnte. Das können wir mit hinreichender Sicherheit ausschließen. Diese Frage ist meines Erachtens ausreichend und befriedigend beantwortet. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Das Mandat ist angemessen und effektiv. Wir haben mit unseren Tornados Aufklärungsmöglichkeiten, die so in der NATO relativ einzigartig sind. Deswegen sind sie auch erforderlich, damit man den Kampf gegen den IS sorgfältig führen kann. Wir haben bereits im Afghanistan-Einsatz bewiesen, dass diese Daten ausgesprochen sinnvoll sind und wir damit entsprechend einen Beitrag leisten können. Wir haben mit unseren Luftbetankungskapazitäten Fähigkeiten, die innerhalb der Europäischen Union und der NATO ebenfalls nicht alle Nationen haben. Wir haben das Verfahren bereits mit den Franzosen mit Blick auf den Mali-Einsatz geübt. Auch die Luftbetankung ist also ein wesentlicher, substanzieller Beitrag. Der Schutz des französischen Flugzeugträgers „Charles de Gaulle“ durch eine Fregatte der Deutschen Marine – vermutlich wird es die Fregatte „Augsburg“ sein – ist angesichts dessen, dass Flugzeugträger immer im Verbund operieren, zum Schutz der entsprechenden Einheiten, ebenfalls ein wichtiger Beitrag zur Entlastung unserer Partner. Die Fregatte „Augsburg“ hat bereits bei der Vernichtung der syrischen Chemiewaffen ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Warum machen wir diesen Einsatz jetzt? Weil es drei konkrete Gründe gibt, die in den letzten Wochen im Kampf gegen den IS neu hinzugekommen sind: erstens die Bitte Frankreichs, Frankreich im Kampf gegen den IS zu unterstützen, zweitens die UN-Resolution 2249, mit der alle UN-Mitgliedstaaten ganz klar aufgefordert werden, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den IS zu bekämpfen und drittens der auf der Wiener Konferenz vereinbarte Friedensprozess für Syrien. Durch die Gespräche unter gemeinsamer Leitung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Russischen Föderation, vertreten durch die beiden Außenminister Kerry und Lawrow, und unter Einbeziehung des Iran und Saudi-Arabiens ist ein Prozess in Gang gekommen, den wir noch vor wenigen Wochen nicht für möglich gehalten hätten. Dieser Prozess mündet nun unter Führung Saudi-Arabiens in eine ganz konkrete Konferenz mit den Kräften der syrischen Opposition. Ich erwarte, dass er in eine Friedenskonferenz münden wird. Der syrische Friedensprozess darf jedoch nicht dadurch gefährdet werden, dass sich der IS in Syrien immer weiter ausbreitet und die Kräfte, die sich in Syrien gegenüberstehen, auch von dieser Seite in Bedrängnis geraten. Die Beteiligung Deutschlands an diesem Einsatz ist eine ganz wesentliche Voraussetzung dafür, dass der in Wien angestoßene Friedensprozess für Syrien zu einem guten Erfolg geführt werden kann. Das ist ein wichtiges Ziel des Einsatzes. Ich mache mir keine Illusionen, dass wir durch die Unterstützung von Luftschlägen den IS zerstören können. Ich glaube aber, dass sie ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des IS ist, damit sich die beiden Optionen, die wir haben – Bekämpfung des IS durch die Peschmerga und Befriedung Syriens –, in den nächsten beiden Monaten positiv entfalten können. Die Bekämpfung des IS durch die Peschmerga erfolgt in, wie ich finde, sehr beeindruckender Art und Weise mit deutscher Unterstützung. Die Ministerin hat darauf hingewiesen, dass es wahrscheinlich eine unserer klügsten Entscheidungen in diesem Bereich war, über unseren Schatten zu springen und das Mandat für die Unterstützung der Kurden im Norden des Irak einzuleiten. Wir sollten den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Ich erwarte, dass wir in den nächsten Wochen über eine entsprechende Verlängerung und Ausweitung des Mandats reden werden. Die Eindämmung des IS auf syrischem Boden zu befördern, das ist eine der ganz zentralen Voraussetzungen für den syrischen Friedensprozess. Wenn es uns nicht gelingt, Frieden in Syrien herzustellen, dann werden wir auch keinen erfolgreichen Kampf gegen den IS führen können. Denn der IS wird dann im Zweifel nach Syrien ausweichen können. Meiner Fraktion und mir ist ganz wichtig, dass der militärische Einsatz, sowohl die Unterstützung der Peschmerga im Norden des Irak als auch das neue Anti-IS-Mandat, nur eine Komponente unseres Bemühens sein kann. Die zivile Dimension wird umso wichtiger. Die zivile Dimension wird durch den Militäreinsatz allerdings auch befördert. Ich habe bereits über den Wiener Prozess und über die Notwendigkeit, dass der IS niedergehalten wird, gesprochen. Ich möchte auch dafür werben, dass wir weitere Anstrengungen unternehmen, dafür zu sorgen, dass in Bagdad eine inklusive Regierung ans Ruder kommt, dass wir in Bagdad eine Stabilisierung des Staates hinbekommen, sodass die unterschiedlichen religiösen Gruppen an der Regierungsmacht und an den Früchten der politischen Arbeit teilhaben können. Der Außenminister reist in Kürze nach Bagdad, wenn ich das richtig gesehen habe. Ich vermute, das wird an oberster Stelle der Tagesordnung stehen. Wir müssen uns darüber hinaus den anderen Partnern in der Region zuwenden. Wir sollten noch stärker, als wir das bisher tun, darauf achten, die Partner um Syrien herum, also Jordanien, Libanon, natürlich auch die Türkei und den Irak sowie die Staaten im Norden Afrikas, die durch IS oder IS-ähnliche Bestrebungen bedroht sind, zu stabilisieren und zu unterstützen. Ich finde, es ist eine enorme und beachtliche Leistung, dass Jordanien und Libanon, aber natürlich auch die Türkei derart viele Flüchtlinge bei sich aufnehmen und ihnen Obdach geben. Wir sollten diese Staaten in ihrem Bemühen unterstützen. Wir sollten sie ermutigen, diesen Weg weiterzugehen. Wir sollten dafür sorgen, dass insbesondere Jordanien, dem als Freund Israels in der Region eine besondere Bedeutung zukommt, stabilisiert wird. Insgesamt sollten wir mit Blick auf das, was wir erreichen wollen, zu einer Politik aufbrechen, die sich stärker als bisher dem Thema Nachhaltigkeit zuwendet. Ich hoffe, dass es uns in Libyen gelingen wird, eines Tages mit einer Regierung über den Aufbau des Landes und über die Weiterentwicklung zu sprechen. Ich hoffe, dass wir die stabilisierenden Prozesse, die derzeit in den anderen Staaten Nordafrikas stattfinden, aktiv unterstützen können. Ich glaube, dass wir über die Anstrengung, die wir im Bundeshaushalt 2016 unternommen haben, hinaus im Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und im Bereich der humanitären Hilfe zusätzliche Finanzmittel einsetzen sollten, wenn wir das als sinnvoll ansehen. Außerdem glaube ich, dass die Arbeit für uns im Deutschen Bundestag und für alle diejenigen, die an den Friedensprozessen interessiert sind, dann in eine neue Phase eintritt, wenn wir mit unseren diplomatischen Bemühungen Erfolg haben; denn falls es ein Friedensmandat für Syrien gibt, falls es einen Friedensschluss gibt, werden natürlich folgende Fragen gestellt werden: Wer garantiert diesen Frieden? Wer unterstützt diesen Frieden? Wer hilft beim Wiederaufbau dieses Landes? Wer hilft der neu geschaffenen Regierung, das Land vernünftig und auf der Grundlage von Menschenrechten zu regieren? – Da wird Deutschland nicht an der Seite stehen, sondern sich sicherlich entsprechend seiner wirtschaftlichen und politischen Bedeutung einbringen. Ich kann nur dafür werben, dieses Mandat zu unterstützen. Ich tue es aus vollem Herzen, weil ich davon überzeugt bin, dass es ein angemessener und effizienter Beitrag ist. Ich wünsche den Soldatinnen und Soldaten, die in diesen Tagen vor Weihnachten damit konfrontiert sind, sich auf diesen Einsatz vorbereiten zu müssen, dass sie gut in diesen Einsatz gehen und vor allem gesund und wohlbehalten aus dem Einsatz zurückkommen. Ich wünsche alles erdenkliche Soldatenglück. In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Jürgen Hardt. – Nächster Redner in der Debatte: Niels Annen für die SPD. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Niels Annen (SPD): Vielen Dank, liebe Frau Präsidentin. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne etwas zu der politischen Ausgangslage sagen, in der diese Debatte hier heute stattfindet, insbesondere weil wir unsere französischen Gäste auf der Tribüne begrüßen dürfen. Lassen Sie mich, bevor ich zu Syrien komme, feststellen, dass sich die Europäische Union, unser europäisches Einigungsprojekt, in einer tiefen, in einer schweren, ja, möglicherweise sogar in einer existenziellen Krise befindet. Schauen wir uns einmal um: Es gibt in unserem eigenen Land, aber auch in Frankreich und anderen wichtigen europäischen Ländern inzwischen Parteien, die im Kern antieuropäisch sind; in einigen Ländern sind sie sogar in der Regierung, in anderen hat sich die Regierung, wie in Dänemark, von ihnen abhängig gemacht. (Beifall der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Wir erleben eine neue polnische Regierung, die sich sehr unsolidarisch, auch zur Flüchtlingsfrage, zu Wort gemeldet hat. Wir erleben in Ungarn eine rechtspopulistische Regierung und sogar in Skandinavien. Deswegen möchte ich auf eines hinweisen: Natürlich sind all die Fragen, die hier formuliert worden sind, vom Kollegen Bartsch und anderen Rednerinnen und Rednern, legitime Fragen. Sie haben auch in unserer Fraktion eine Rolle gespielt. Ja, wir haben zwei Stunden darüber diskutiert, auch über rechtliche Fragen und die Frage der politischen Einschätzung. Es ist gar kein Geheimnis, dass es auch in unserer Fraktion vermutlich die eine oder andere Neinstimme geben wird. Das ist Teil der Debatte in einer lebendigen Demokratie. Ich finde, das ist gut so, und darauf können wir auch stolz sein. Nur, meine Damen und Herren, wir müssen doch unsere eigenen Prinzipien ernst nehmen. Wir müssen doch unsere eigenen Reden, die wir sonntags halten, auf den Prüfstand stellen, wenn es darauf ankommt. Was sind die grundlegenden Prinzipien der europäischen Politik, die von allen Regierungen dieses Landes in den letzten Jahrzehnten beachtet worden sind? Die europäische Integration; dass Deutschland seinen Weg niemals alleine gehen soll; dass wir uns nicht isolieren dürfen. Deswegen will ich hier einmal diese Frage stellen: Wie hätte man denn auf eine Bitte um Unterstützung unseres wichtigsten Bündnispartners in Europa in einer solchen Situation reagieren können? Wenn wir da Nein gesagt hätten, was wäre die Reaktion gewesen? Ich finde im Übrigen, dass wir schnell entscheiden, ohne parlamentarische Rechte zu beschränken, ist auch eine politische Antwort: Wir stehen zu dieser Solidarität, nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Jetzt will ich etwas zu der Diskussion über unsere Syrien-Politik sagen: Ich wundere mich manchmal ein wenig. Wir befinden uns im fünften Jahr dieses Krieges. Der Außenminister hat es gesagt: Es gibt um die 300 000 Tote und Millionen von Vertriebenen. Das Land ist zerstört. Die Infrastruktur dieses Landes, aber auch das, was an Zivilisation über Jahrtausende in dieser Region entwickelt und aufgebaut worden ist, gerade auch in Syrien, ist in weiten Teilen zerstört. Das Vertrauen ist zerstört. Das ist lange nicht mehr nur ein syrischer Bürgerkrieg. So schlimm der auch wäre, dafür gäbe es möglicherweise eine einfachere Lösung. Es ist ein regionaler Krieg. Deswegen ist es doch absurd, bei der Debatte über ein begrenztes Mandat der Bundeswehr für einen Einsatz in Syrien so zu tun, als hätte hier irgendjemand von der Großen Koalition oder den Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung, die hier gesprochen haben, behauptet, wir würden Ihnen mit diesem Mandat sozusagen die Blaupause für die Lösung eines Konfliktes, der jetzt ins fünfte Jahr geht, vorlegen. Lassen Sie uns offen über die Probleme, die Konfliktlagen, ja, auch die Tragik in diesem Krieg sprechen und auch über die Begrenztheit der Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen. Niemand hat behauptet, dass es hier ein Gesamtkonzept gibt; denn wir arbeiten an diesem Gesamtkonzept, Frau Göring-Eckardt. (Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hinterher?) Deswegen können wir es hier natürlich noch nicht vorlegen. Was macht denn der Außenminister seit Monaten vor und hinter den Kulissen? (Zurufe von der LINKEN) Er arbeitet daran, dass die regionalen Akteure, die sich hier – zum Teil auch unsere eigenen Verbündeten; wir haben ja auch über die Türkei geredet – in einer Art und Weise verhalten, wie es sich nicht gehört, wenn man den UN-Prinzipien nachkommen will, an einen Tisch kommen. Das ist doch die einzige Lösung, die uns für dieses Problem, für diesen Krieg zur Verfügung steht. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Ich bitte sehr darum, hier nicht so zu tun, als wäre das Mandat, das dem Deutschen Bundestag jetzt vorliegt, quasi der Einstieg Deutschlands in die Diskussion über die Lösung des Syrien-Problems. Das ist doch absurd. Unsere Politik basiert auf drei Säulen, und zwar nicht erst seit den furchtbaren Anschlägen in Paris. Wir haben mit dem Haushalt, den wir gerade verabschiedet haben, die humanitäre Hilfe aufgestockt, um den Menschen in der Region zu helfen, nicht nur aus humanitären Gründen, sondern auch, weil es eine eminente politische Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Nachbarländer nicht von dem Krieg in Syrien weiter in Mitleidenschaft gezogen werden, (Beifall bei Abgeordneten der SPD) dass sie nicht weiter destabilisiert werden, was ja ein Kriegsziel des sogenannten „Islamischen Staates“ ist, um seinen Machtbereich auszuweiten. Das tun wir. Wir unterstützen ganz konkret die Akteure in der Region, im Irak, die in der Lage sind – das haben sie bewiesen –, sich gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ zu stellen, und zwar auch in einer militärischen Auseinandersetzung. Deswegen hat der Deutsche Bundestag beschlossen und unterstützt, dass wir den Kurden Waffen liefern. Herr Bartsch, eine Frage, glaube ich, müssen Sie sich selber stellen: Luftschläge – niemand in diesem Hause unterstützt militärische Mittel leichtfertig. Ich kenne niemanden. (Zuruf von der LINKEN: Da bin ich mir nicht sicher!) Gerade aus Ihrer Fraktion haben wir hier in der Diskussion über Syrien immer wieder – ich will auch sagen: durchaus zu Recht – gehört, dass es die syrischen Kurden sind, die sich dem IS entgegenstellen. Wir alle waren froh darüber, dass Kobane befreit worden ist, dass es jetzt Fortschritte in Sindschar und in vielen anderen Gebieten gibt. Glauben Sie denn, dass die YPG-Peschmerga in Syrien diese Erfolge hätten vorweisen können, (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Niemals!) ohne dass sie ihre militärischen Operationen mit den Amerikanern, mit der Anti-IS-Koalition abgestimmt hätten, die mit Luftschlägen dafür gesorgt hat, dass diese Erfolge möglich gewesen sind? (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Lassen Sie uns unsere eigenen Möglichkeiten richtig einschätzen. Dieses Mandat wird nicht den Krieg in Syrien beenden. Wir brauchen die Ausdauer, die Energie und – ich sage das einmal so – auch die Frustrationsresistenz, die unser Außenminister hier an den Tag gelegt hat. Deswegen bleibt der Wiener Prozess im Mittelpunkt der deutschen Politik; denn nur darum kann es gehen. Wer den Eindruck vermittelt, dass wir uns von diesem Krieg abwenden könnten, dass wir sagen könnten, dass wir uns damit nicht beschäftigen, dass wir uns nicht einmischen, den möchte ich nur einmal daran erinnern, dass wir wahrscheinlich in jedem unserer Wahlkreise im Moment die Folgen dieses Krieges merken. Dazu müssen wir nur mit den Menschen reden, die zu uns fliehen vor diesem Krieg, vor den Fassbomben von Assad und vor den Verwerfungen und Verheerungen dieses Krieges. Bei allem Verständnis für viele kritische Fragen, die wir alle miteinander haben und auch formuliert haben: Lassen Sie uns dieses Mandat unterstützen. Es ist der richtige Weg in der Solidarität mit Frankreich, aber auch in der Solidarität mit den Menschen in Syrien. Denn das sind diejenigen, die am meisten leiden. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Niels Annen. – Der letzte Redner in dieser Debatte: Florian Hahn für die CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Florian Hahn (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Bartsch, Sie haben ja versucht, mit übertriebener Seriosität (Lachen bei der LINKEN – Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ich bin so! Ich bin einfach so!) ein Stück weit Ihre dogmatische Ablehnung militärischer Einsätze und vor allem auch Ihre Ratlosigkeit, wie der IS ohne Militär zu bekämpfen ist, zu kaschieren. (Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das vor allem! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das hat man doch gemerkt! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wie denn? Mit Bomben?) Kurz danach rief ein Vertreter Ihrer Fraktion bei der Rede der Ministerin „Flinten-Uschi!“ ins Plenum, und Frau Buchholz sprach von Kriegsreden. Ich kann Ihnen nur sagen: Das zeigt den wahren Charakter Ihrer Fraktion. Mit Seriosität hat das nichts zu tun. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Seriosität und Linke, das geht eigentlich gar nicht!) Mit viel Brimborium, mit Nebelkerzen will die Opposition von einigen schlichten Wahrheiten, über die es an sich keinen Streit geben sollte, ablenken. Ich möchte diese Punkte in Erinnerung rufen: Erstens. Einer unserer engsten Freunde ist in Not. Er bittet uns um Beistand. Wir wollen diesen Beistand leisten. Es müssten schon erhebliche, schwerwiegende Zweifel da sein, die rechtfertigen, diesen erbetenen Beistand zu verweigern. Ich vermute vielmehr, dass einige krampfhaft nach Scheinargumenten suchen, um irgendwie aus dieser Verantwortung herauszukommen und vor allem innerparteilichen Diskussionen aus dem Weg zu gehen. Das ist so nicht in Ordnung. Morgens färben Sie noch Ihre Facebook-Profile in den Farben der Trikolore und schwören den französischen Freunden grenzenlose Solidarität, und abends gehen Sie dann zufrieden ins Bett, weil Sie gegen den militärischen Einsatz Deutschlands gestimmt haben. Das ist unglaubwürdig, meine Damen und Herren. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Die Franzosen wissen: Freiheit und Gleichheit sind wichtig. Aber es muss auch die Brüderlichkeit, die Fraternité, hinzukommen. Man kann Solidarität nicht nur von anderen einfordern, sondern man muss sie auch selbst leisten. Eine zweite einfache Wahrheit: Der IS ist eine mörderische Terrorbande, die Europa angreift. Wir bekämpfen ihn in vielfältiger Weise, auch militärisch. Der Sicherheitsrat hat mehrfach einhellig festgestellt, dass der IS eine Gefahr für den internationalen Frieden ist und bekämpft werden muss. Wir sind schon seit langem Teil der Allianz gegen den „Islamischen Staat“. Mit unseren Waffenlieferungen und der Ausbildungshilfe für die Peschmerga leisten wir einen der effektivsten Beiträge im Kampf gegen den IS. Mit unserem Beistand haben wir dem IS bereits schwer geschadet. Die Kurden haben ihm empfindliche Schläge beibringen können. Diese Taktik war richtig und effektiv. Wir geben sie nicht auf, sondern führen sie fort. Zusätzlich ergänzen wir unser Engagement um einige Komponenten, um die uns unsere Freunde konkret gebeten haben. Warum sollten wir dadurch mehr zum Ziel des IS werden, als wir es ohnehin schon sind? Die Terrorgefahr in Deutschland steigt dadurch nicht. Wir sind bereits im Fadenkreuz; das ist doch die Wahrheit, die ausgesprochen werden muss. (Dr. Sahra Wagenknecht [DIE LINKE]: Was zu beweisen wäre! – Gegenruf des Bundesministers Dr. Frank-Walter Steinmeier: Wie bitte? „Was zu beweisen wäre“?) Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass der IS auch militärisch bekämpft werden muss. Natürlich müssen wir gegen den Terror auch hier in Deutschland und in Europa vorgehen. Natürlich müssen wir unsere Grenzen besser schützen, die Polizei stärken, den Informationsaustausch unserer Dienste verbessern, die Propaganda zum Schweigen bringen und in Prävention investieren, um Radikalisierungen zu verhindern; das alles ist völlig unstrittig. Trotzdem hat ein Kommentator zu Recht gesagt: Wenn wir einen Kraken bekämpfen wollen, dürfen wir nicht immer nur auf die Arme zielen. Wir müssen auch den Kopf des Ganzen ins Visier nehmen. – Dabei helfen wir mit unseren vernünftigen militärischen Beiträgen. Wir helfen dort, wo die Ressourcen knapp sind. Natürlich sind wir durch die Luftbetankung und die Aufklärung an den Bombenangriffen gegen den IS beteiligt; hier müssen wir uns nichts vormachen. Aber das ist auch richtig so. Man kann sogar sagen: Die Bombardierungen finden ohnehin – mit oder ohne uns – statt. Nur, „ohne uns“ bedeutet dann auch: mit unsichererer Zielführung. Unser Beitrag hilft aber, durch präzise Lagebilder auch zivile Opfer zu vermeiden. Die dritte einfache Wahrheit: Das Völkerrecht ermöglicht solche Notwehr und Nothilfe. Sie aber mäkeln am Mandat herum und sagen, einige Völkerrechtler hätten Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Einsatzes; Sie wollen das prüfen lassen. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Ja!) Ich kann nur sagen: Ja, natürlich haben einige Professoren Zweifel; das ist meistens so im Bereich des Rechts. Sie werden kaum eine Frage finden, in der sich alle einig sind. Das Mandat ruht aber auf einer soliden rechtlichen Grundlage. In Abwandlung eines amerikanischen Ausspruches kann man sagen: Das Völkerrecht ist kein Suicide Pact. Es erwartet von uns nicht, dass wir uns und unsere Freunde sehenden Auges von Terroristen abschlachten lassen, weil uns leider noch nicht die ideale Kapitel-VII-Resolution vorliegt. Artikel 51 der UN-Charta sagt vielmehr klar: Wir dürfen uns wehren, und wir dürfen unseren Freunden auch zur Hilfe eilen. Schließlich – abschließend – gibt es eine Gesamtstrategie für Syrien und die Region. Sie ist jedem mit ein wenig gesundem Menschenverstand klar, und sie wird von uns und allen maßgeblichen Mächten mit Einfluss in der Region mit Nachdruck verfolgt, zum Beispiel bei den Wiener Gesprächen. (Abg. Stefan Liebich [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kollege. Florian Hahn (CDU/CSU): Das kann er im Anschluss machen, bitte. – Unser Hauptziel ist es, das entsetzliche Morden in Syrien so schnell wie möglich zu beenden. Die Wiener Gespräche aller wichtigen Akteure sind ein Zeichen der Hoffnung und verdienen jegliche Unterstützung. Wir müssen dieses Momentum, das es hier gibt, entsprechend nutzen. Ein Waffenstillstand und Gespräche mit den nichtterroristischen Oppositionsgruppen über die Bildung einer Übergangsregierung sind vorrangige Zwischenziele. Dann können wir die langfristigen Ziele in Angriff nehmen, wie den Wiederaufbau des Landes und den Versöhnungsprozess. Die Verhandlungen in Wien ersetzen aber doch nicht den Kampf gegen den „Islamischen Staat“. Zu einer Gesamtstrategie gehört, dass wir parallel Anstrengungen unternehmen. Wir müssen die Verhandlungen in Wien mit einem energischen Vorgehen gegen den IS begleiten. Sonst bleibt am Ende nichts, um die Gesamtstrategie umzusetzen. Wollen Sie warten, bis der IS in Damaskus sitzt und von den Golanhöhen seinen Traum vom Sturm auf Israel in die Tat umsetzt? Wir setzen uns mit dem Mandat realistische Ziele. Wir erwarten nicht, den Terrorismus ein für alle Mal ausrotten zu können, aber wir wollen die weitere Ausbreitung des IS in Syrien und im Irak verhindern und das Kalifat weiter zurückdrängen. Strukturen der Terrormiliz sollen zerschlagen und Rückzugsräume zerstört werden. Das haben 64 Staaten der Allianz begriffen, und das haben alle Mitglieder des Weltsicherheitsrats als Ziel formuliert. Nur Sie wollen offensichtlich nicht begreifen. Letztlich lässt sich Ihre Kritik so zusammenfassen: Das Mandat ist Ihnen noch nicht schön genug formuliert, und Sie würden gerne noch ein paar Wochen weiterdiskutieren. – Ich frage mich, ob Sie ernsthaft erwarten, dass der Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ warten soll, bis die Grünen ausreichend diskutiert und getagt haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen unsere französischen Freunde bei der Bekämpfung der barbarischen Verbrecher des IS unterstützen. Wir tun das mit sinnvollen Fähigkeiten. Unsere Soldaten werden keinen unkalkulierbaren Risiken ausgesetzt. Das Mandat ist sauber vorbereitet und stützt sich auf eine ausreichende völkerrechtliche Grundlage. (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Lesen Sie sie mal vor!) Allein militärisch lässt sich der IS nicht endgültig bekämpfen. Dazu braucht es auch einen erfolgreichen Friedensprozess in Syrien. Daran arbeiten wir intensiv. Ohne einen militärischen Einsatz kann sich der IS weiter ausbreiten und manifestieren und sein menschenverachtendes Morden und Versklaven fortsetzen. Das dürfen wir nicht zulassen. Wir sind ein verlässlicher Bündnispartner und Freund. Wir wollen keinen deutschen Sonderweg und keine Isolation. „Nous sommes Charlie“! „Nous sommes Paris“! Wahre Freunde erkennt man in der Not. Deshalb müssen wir uns in Syrien mit unserer Bundeswehr engagieren. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Kollege Hahn. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Stefan Liebich. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Mit welcher Begründung? – Volker Kauder [CDU/CSU]: Nur weil eine Frage nicht zugelassen wird, geht das nicht!) – Herr Straubinger, ich habe das Recht, am Ende einer Rede zu entscheiden, (Volker Kauder [CDU/CSU]: Sehr richtig!) ob jemand, der sich zu einer Kurzintervention gemeldet hat, das Wort bekommt oder nicht, und dieses Recht nehme ich jetzt in Anspruch. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN) Deswegen hat der Kollege Liebich jetzt diese Möglichkeit, und selbstverständlich hat der Kollege Hahn das Recht, darauf zu antworten, wenn er möchte. – Herr Liebich, Sie haben das Wort. Stefan Liebich (DIE LINKE): Ich danke Ihnen recht herzlich, Frau Präsidentin. – Herr Hahn, an Ihrer Rede hat mich vieles entsetzt, und wir sind uns in vielem politisch uneinig. Einen Punkt finde ich aber ganz besonders schlimm, nämlich, wie achtlos Sie hier mit dem Völkerrecht umgegangen sind. Es kann doch nicht sein, dass Sie sagen: Es ist egal, ob es einen Kapitel-VII-Beschluss des UN-Sicherheitsrats gibt oder nicht. – Es gibt nach dem Völkerrecht nur zwei Voraussetzungen für fremde Mächte, unter denen sie in einem Land militärisch agieren dürfen, nämlich, wenn sie dazu eingeladen werden – es gibt hier aber keine Zustimmung der syrischen Regierung, egal wie wir sie finden – oder wenn es einen entsprechenden Kapitel-VII-Beschluss gibt. Den gibt es auch nicht, und zwar aus gutem Grund; darüber ist diskutiert worden. Wir finden keinen Verweis auf Kapitel VII der UN-Charta. Jetzt zu sagen: „Ja, aber das liest sich so ähnlich“, ist doch Wahnsinn. Wenn Sie jetzt sagen: „Das ist eigentlich egal“, wissen Sie, was Sie dann tun? Damit schwächen Sie sich und uns für jeden anderen Fall. Können Sie sich noch erinnern, was los war, als sich Russland nicht an das Völkerrecht gehalten hat? Da wurde plötzlich von Ihrer Seite und von vielen anderen gesagt: Das geht doch nicht! Das Völkerrecht, das Völkerrecht! (Volker Kauder [CDU/CSU]: So ein Unsinn!) Sie werden das nächste Mal solche Argumente nicht mehr vortragen können, wenn Sie heute das Völkerrecht so achtlos beiseitelegen. Das finde ich eine ganz fatale Entscheidung. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Hahn, bitte. – Es macht nichts, wenn Sie während der Beantwortung stehen bleiben. Florian Hahn (CDU/CSU): Herr Kollege Liebich, ich habe nicht gesagt, dass mir das Völkerrecht egal ist. Ich habe auch nicht gesagt, dass wir keine völkerrechtlichen Regeln mehr beachten sollen. Ich glaube, der Bundesaußenminister hat die völkerrechtliche Ableitung für dieses Mandat sauber vorgetragen. Ich teile seine Einschätzung, dass dies absolut valide ist. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir nicht warten können, bis wir sozusagen die Eindeutigkeit einer Resolution bekommen, um gegen den IS vorzugehen, sondern wir müssen die Regeln, die wir nutzen können, auch nutzen, um jetzt gegen den „Islamischen Staat“ zu kämpfen. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank. – Liebe Kollegen, damit schließe ich die Aussprache. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 18/6866 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist die Überweisung so beschlossen. Ich möchte die Kolleginnen und Kollegen, die nicht an der Fragestunde teilnehmen wollen, bitten, den Raum zügig zu verlassen. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf: Fragestunde Drucksache 18/6845 Ich möchte daran erinnern, dass für die heutige Fragestunde 90 Minuten vorgesehen sind. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts. Für die Beantwortung ist Staatsminister Michael Roth anwesend. Ist er so weit? – Er ist so weit. Er steht sogar schon. Frage 1 des Kollegen Christian Ströbele soll schriftlich beantwortet werden. Auch die Fragen 2 und 3 des Kollegen Wolfgang Gehrcke werden schriftlich beantwortet, ebenso die Fragen 4 und 5 der Kollegin Heike Hänsel sowie die Fragen 6 und 7 der Kollegin Sevim Dağdelen. Wir kommen zur Frage 8 des Kollegen Uwe Kekeritz: Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über den Tod des indonesischen Umweltaktivisten Indra Pelani, der am 22. Februar 2015 getötet wurde (www.globalwitness.org/en-gb/campaigns/environmental-activists/climate-change-conference-paris/), und wie unterstützt die Bundesregierung die indonesische Regierung bei der Eindämmung der Brände von Ur- und Torfwäldern? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ihre Frage, Herr Kollege Kekeritz, besteht eigentlich aus zwei Fragen. Deswegen möchte ich sie gerne hintereinander zu beantworten versuchen. Den ersten Teil Ihrer Frage beantworte ich wie folgt: Im Prozess zum Tod des indonesischen Umweltaktivisten Indra Pelani wurden am 6. Oktober dieses Jahres fünf Angeklagte wegen Totschlags in erster Instanz zu Freiheitsstrafen zwischen 8 und 14 Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte Freiheitsstrafen zwischen 15 und 18 Jahren gefordert. Das von der Verteidigung angestrengte Berufungsverfahren dauert noch an. Ich kann Ihnen also dazu noch keine weiteren Informationen geben. Bei den Verurteilten handelt es sich um inzwischen aus dem Arbeitsverhältnis entlassene Sicherheitsangestellte des Forstunternehmens PT Wira Karya Sakti, einer Tochtergesellschaft des Unternehmens Asia Pulp & Paper. Laut indonesischen Presseberichten waren Indra Pelani und einer seiner Begleiter am 27. Februar dieses Jahres in der Nähe einer Plantage des Unternehmens in einen Streit mit den Sicherheitsangestellten geraten. Anschließend sollen diese Sicherheitsangestellten den Aktivisten zu Tode geprügelt haben. Nun komme ich zum zweiten Teil Ihrer Frage. Im Zeitraum 2010 bis 2015 hat die Bundesregierung bislang 80 Millionen Euro als Zuschuss für Waldschutz in Indonesien zur Verfügung gestellt. Wirksames Waldmanagement und eine integrierte Landnutzungsplanung sind Voraussetzungen für vorausschauende Forstfeuerprävention. Sie wissen vermutlich genauso gut wie ich, worauf die deutsche Entwicklungszusammenarbeit besonderen Wert legt: Zum einen fördern wir die Zertifizierung für verantwortungsvolle Waldwirtschaft, zum anderen helfen wir bei der Verwaltung von wichtigen Wassereinzugsgebieten, in denen der Wald zur Stabilisierung der Böden unerlässlich ist. Wir unterstützen die Etablierung dezentraler Waldbewirtschaftungsstrukturen nach dem Vorbild der deutschen Forstämter. Wir unterstützen eine Landnutzungsplanung, die auf die traditionellen Landnutzungsrechte Rücksicht nimmt, und wir fördern im Übrigen Agroforstwirtschaft, zum Beispiel beim Kakao, den Ökotourismus und die eigenständige nachhaltige Bewirtschaftung von Gemeindewäldern. Konkrete Maßnahmen zur Prävention und Brandbekämpfung in Indonesien waren Gegenstand der deutsch-indonesischen Regierungsverhandlungen in diesem Jahr. Sie fanden ja erst im November statt. Vereinbart wurde, dass die Bundesregierung Indonesien bei der Einrichtung einer neuen Einheit zur Forstfeuerprävention und -bekämpfung und der Entwicklung und Umsetzung eines entsprechenden Maßnahmenplans unterstützen wird. Vizepräsidentin Claudia Roth: Liebe Kolleginnen und Kollegen, darf ich Sie noch einmal auf die Zeitregeln hinweisen: Für die erste Antwort zwei Minuten, dann eine Minute. – Jetzt hat Herr Kekeritz die Möglichkeit einer Nachfrage für eine Minute – maximal. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke schön, Herr Staatsminister. – Damit die Leute wissen, worum es geht: Es geht ganz speziell um die Frage der Palmölwirtschaft in Indonesien, aber es geht natürlich auch weiter darum, inwieweit die Palmölplantagen in Mittel- und Südamerika, aber auch in Afrika ausgedehnt werden. Diese Palmölwirtschaft wird eine ökologische Katastrophe, auf die wir zugehen, nur noch verstärken. Daher hat es mich sehr gefreut, dass der Herr Landwirtschaftsminister Schmidt gesagt hat, er wird das Thema Palmöl und Palmölproduktion bei der UN-Klimakonferenz in Paris auf die Tagesordnung setzen lassen. Jetzt läuft die Konferenz. Wissen Sie zufällig, was Herr Minister Schmidt oder diese Bundesregierung unternommen haben, damit diese Thematik dort auch tatsächlich breit diskutiert wird? Vizepräsidentin Claudia Roth: Michael Roth, bitte. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Abgeordneter Kekeritz, ich freue mich mindestens genauso wie Sie über die Aussagen unseres Bundeslandwirtschaftsministers. Wenn er das so gesagt hat, bin ich mir ziemlich sicher, dass wir das auch entsprechend unterstützen. Ich darf dies in aller Offenheit sagen: Ich habe durch Ihre Frage eine Menge gelernt. Ich wusste zum Beispiel nicht, dass Indonesien zu den größten CO2-Emittenten gehört. Insofern ist es notwendig, dass wir Indonesien konkret dabei unterstützen, die entsprechenden Emissionen deutlich zu verringern. Entsprechende Forderungen Indonesiens liegen uns vor. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Freude ist ganz auf meiner Seite. Jetzt warten wir aber erst einmal ab, ob Herr Schmidt das Thema tatsächlich auf die Agenda bringt. Wir werden sehen, was darüber gesprochen wird. Sie haben es angesprochen: Indonesien ist ein enormer CO2-Emittent. In diesem Jahr hat sich herausgestellt, dass durch die Waldbrände 1,7 Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt worden sind. Das hat natürlich auch etwas mit der Degeneration der Böden und der Wälder usw. zu tun, die in einem direkten Zusammenhang mit Palmöl steht. Wir können hier relativ wenig machen, es sei denn, wir entschließen uns, tatsächlich verbindliche Standards für Palmölprodukte einzuführen. Ist die Bundesregierung jetzt bereit, auf europäischer und auf nationaler Ebene dazu beizutragen, dass verbindliche Standards im Bereich der Palmölwirtschaft eingeführt werden? Denn bisher sind hier nur sehr schwache Siegel vorhanden, mit denen bei weitem nicht die ökologischen Anforderungen erfüllt werden können, die man an die Produktion von Palmöl stellen müsste? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Ich kann Ihnen zumindest versichern, dass die Bundesregierung nicht nur mit Ihnen einig darüber ist, dass das ein großes Problem ist, sondern auch, dass wir eine Veränderung zum Positiven unterstützen. Ich bin gerne bereit, Sie in Abstimmung mit dem Bundeslandwirtschaftsminister darüber zu informieren, wie es beim Palmöl weitergeht. Ich kann Ihnen darüber hinaus noch ein paar Informationen zur Verfügung stellen, die etwas mit der Umsetzung des Verbots von Forstfeuern zu tun haben. Wir brauchen ein entsprechendes Forstmoratorium – das muss verstetigt werden –, und wir brauchen ein Verbot der Bewirtschaftung und Trockenlegung von Torfmoorflächen sowie die Fertigstellung und Veröffentlichung einer einheitlichen Basiskarte als Grundlage für nachhaltige Landnutzungsplanung. Es war meinem Haus wichtig, Ihnen auch das mitzuteilen. Denn mir wurde erklärt, dass vor allem der Brand der Torfmoorflächen – die bis zu 6 Metern in die Erde hineinreichen – maßgeblich zu diesen hohen Emissionen beiträgt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Michael Roth. Dann kommen wir jetzt zu Frage 9 des Kollegen Kekeritz: Inwiefern hält die Bundesregierung die Forderung des US-amerikanischen Ölkonzerns Occidental Petroleum (Oxy) über 1,1 Milliarden Dollar gegenüber Ecuador, die das Unternehmen wegen Verstößen gegen das bilaterale Investitionsabkommen mit den USA vor dem Schiedsgericht der Weltbank einklagen will, für berechtigt, und welche Schlüsse zieht die Bundesregierung daraus in Bezug auf die Schiedsgerichtsbarkeit in den bilateralen Investitionsabkommen der Bundesregierung mit sogenannten Entwicklungsländern? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Frau Präsidentin, jetzt bin ich schneller. Das versichere ich Ihnen. Die Entschädigung eines US-amerikanischen Unternehmens für eine Verstaatlichung durch den ecuadorianischen Staat ist Angelegenheit der bilateralen Beziehungen zwischen Ecuador und den Vereinigten Staaten von Amerika. Ich kann seitens der Bundesregierung sagen, dass uns keine eigenen Erkenntnisse über die Höhe und die Begründung der von Occidental Petroleum erhobenen Forderungen vorliegen. Die Bundesregierung kann deshalb auch keine Einschätzung darüber geben, ob die Höhe der von Ihnen genannten Forderung berechtigt ist. Seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Jahr 2009 sind neue Investitionsförderungs- und Investitionsschutzverträge nicht mehr Kompetenz der Mitgliedstaaten und damit auch nicht der Bundesregierung, sondern sie obliegen der Europäischen Union. Das heißt, dass sich die Frage der Schiedsgerichtsbarkeit in bilateralen Investitionsschutzverträgen derzeit nicht mehr stellt. Es ist eine EU-Kompetenz. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben recht: Es ist eine EU-Kompetenz. Nichtsdestotrotz ist es diese Bundesregierung, die diese Verträge – TTIP und CETA nur als Beispiele genannt – verteidigt. Inwieweit sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, die bestehenden bilateralen Verträge – die Bundesrepublik Deutschland hat über 120 solcher Verträge, die meisten davon mit Schiedsgerichtsklauseln – zu kündigen bzw. in dieser Frage zu verändern? Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Die Position der Bundesregierung dazu ist, dass die bereits bestehenden Investitionsschutzabkommen vertragsgetreu behandelt werden, einschließlich der etwa enthaltenen Klauseln bezüglich einer Schiedsgerichtsbarkeit. Ansonsten haben Sie auf die derzeit laufenden Verhandlungen hingewiesen. Sie wissen auch, dass wir gerade die Schiedsgerichtsklauseln sehr sorgfältig prüfen und auch unseren Einfluss auf die Verhandlungen der EU-Kommission geltend machen. Unsere Position dazu ist Ihnen bekannt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Botschaft höre ich wohl, doch fehlt mir das Vertrauen. – Ich habe noch eine andere Frage zum Thema ISDS-Mechanismus in bilateralen Verträgen. Wahrscheinlich haben Sie die Zahl jetzt nicht parat, aber vielleicht können Sie es mir nachliefern. Mir wäre daran gelegen, zu erfahren, wie oft in den bilateralen Verträgen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vertragspartnern, also in Altverträgen, tatsächlich dieses Verfahren angewendet worden ist. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt: Herr Kollege Kekeritz, Sie sind geradezu ein Weissager oder Vorherseher. Ich kann Ihnen die konkrete Zahl nicht nennen. Ich bedaure das. Ich hoffe, dass wir trotzdem gute Kollegen bleiben. Ich hätte Ihnen sonst noch viele andere Antworten geben können, auf die ich mich exzellent vorbereitet habe, aber leider nicht auf diese Frage. Ich kann Ihnen aber versichern: Sie bekommen alsbald Nachricht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen herzlichen Dank, Michael Roth. Wir freuen uns auf die Antworten. Die Frage 10 der Kollegin Inge Höger wird schriftlich beantwortet. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Die Fragen 11 und 12 des Kollegen Volker Beck, die Fragen 13 und 14 der Kollegin Ulla Jelpke, die Fragen 15 und 16 des Kollegen Dr. Konstantin von Notz und die Frage 17 des Kollegen Andrej Hunko werden schriftlich beantwortet. Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Die Frage 18 des Kollegen Andrej Hunko wird ebenfalls schriftlich beantwortet. Ich rufe die Frage 19 des Kollegen Christian Kühn auf: Ist das in der 48. Kalenderwoche des Jahres 2015 beschlossene Eckpunktepapier zur zweiten Mietrechtsnovelle die Position der gesamten Bundesregierung, und wenn nicht, wo liegen die Unterschiede innerhalb der Bundesregierung? Ich begrüße den Parlamentarischen Staatssekretär Ulrich Kelber, der zur Beantwortung der Fragen zur Verfügung steht. Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Kollege Kühn, ich kann Ihnen Ihre Frage wie folgt beantworten: Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat in der vergangenen Woche unter Berücksichtigung der Vorgaben des Koalitionsvertrags und der Diskussion der Sachverständigengruppen, die im Ministerium im letzten Jahr getagt haben, einen ersten Vorschlag zur weiteren Reform des Mietrechts in der 18. Legislaturperiode vorgelegt. Das dient jetzt als Grundlage für weitere Diskussionen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Herr Kühn. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Staatssekretär. – Wann gedenken Sie, diese Diskussion abzuschließen? Denn viele Mieterinnen und Mieter in Deutschland warten auf die zweite Mietrechtsnovelle. Es geht insbesondere um die Modernisierungsumlage. Beispiel Berlin: Viele Mieterinnen und Mieter werden aus ihren Wohnungen heraussaniert und verlieren bezahlbaren Wohnraum. Gerade in einer Stadt wie Berlin ist dieses Thema in der Mietrechtsdebatte omnipräsent. Hier ist Zeit im Verzug. Meine Frage lautet nun: Wann gedenkt die Bundesregierung, hier zu einem Kabinettsbeschluss zu kommen, damit wir endlich im Parlament in dieser wichtigen Frage – Sie haben im Koalitionsvertrag zu Recht eine Vereinbarung dazu aufgenommen – das Gesetzgebungsverfahren beginnen können? Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Herr Kollege Kühn, wir haben als Deutscher Bundestag bereits im Jahr 2015 ein erstes Paket verabschiedet, das insbesondere die Mietpreisbremse und das Bestellerprinzip beinhaltet. Das ist ein großer Fortschritt für Mieterinnen und Mieter. Wir haben zusammen mit den Arbeitsgruppen versucht, eine exzellente Fachgrundlage für den zweiten Teil dieses Pakets zu legen, insbesondere wenn es um den Mietspiegel und die Modernisierung der tatsächlichen Wohnfläche geht; auch das ist im Koalitionsvertrag angesprochen worden. Auf Grundlage eines Erstentwurfs finden weitere Debatten statt, und zwar unter Beteiligung der Fachöffentlichkeit. Wir streben einen Referentenentwurf im ersten Quartal 2016 an. Vizepräsidentin Claudia Roth: Chris Kühn. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe noch eine Nachfrage. Nach meinem Kenntnisstand ist nun § 5 Wirtschaftsstrafgesetz dort nicht enthalten, obwohl wir über alle Fraktionsgrenzen hinweg es für sinnvoll erachtet haben, dass dieser Paragraf in das Mietrecht übernommen werden sollte. Warum enthält das Eckpunktepapier diesen Paragrafen nicht? Ulrich Kelber, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz: Im Rahmen des ersten Mietrechtspakets, Herr Kollege Kühn, hat Ihre Fraktion, glaube ich, beantragt, diesen Paragrafen im Vergleich zur bisherigen Rechtsform zu verschärfen. Das ist damals von einer Mehrheit des Deutschen Bundestages abgelehnt worden. Deswegen haben wir nun nicht erneut eine Debatte über diesen Beschluss des Deutschen Bundestages angestrengt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Kollege Kelber. – Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Ich begrüße Dr. Michael Meister dafür. Es geht weiter mit der Frage 20 des Kollegen Christian Kühn: Mit welchen Mehrbelastungen für Bund und Länder rechnet das Bundesministerium der Finanzen in Bezug auf den Vorschlag des Bundesministers der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, den Wohnungsbau steuerlich fördern zu wollen? Herr Meister, bitte. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kühn, der Bundesminister der Finanzen plant begrenzte Steueranreize für die Förderung des Wohnungsneubaus in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten. Die finanziellen Auswirkungen können gegenwärtig noch nicht ermittelt werden, weil sich die konkrete Ausgestaltung der Maßnahme derzeit sowohl innerhalb der Bundesregierung als auch mit den Ländern in der Abstimmung befindet. Vizepräsidentin Claudia Roth: Chris Kühn, bitte. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genauso wie bei der zweiten Mietrechtsnovelle streitet sich die Koalition erneut und ist noch zu keinem Ergebnis gekommen. Wann planen Sie denn, einen Vorschlag zu machen, hinter dem die ganze Bundesregierung steht, und dann mit diesem auf die Länder zuzugehen? Denn die Länder müssen dem auch zustimmen. Wir wollen bei der steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus weiterkommen, den wir dringend brauchen angesichts fehlender Sozialwohnungen in Deutschland, steigender Mieten in den Städten und angesichts der Tatsache, dass wir den Menschen endlich Wohnraum auf den Wohnungsmärkten anbieten müssen. Daher lautet meine Frage: Wann plant die Bundesregierung denn, einen Referentenentwurf vorzulegen und ihn in das Gesetzgebungsverfahren zu bringen, damit wir auch bei der steuerlichen Förderung weiterkommen? Haben Sie einen Zeitplan? Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Herr Kollege Kühn, mir ist bisher entgangen, dass sich die Bundesregierung an dieser Stelle streitet. Ich habe Ihnen eben vorgetragen, dass die Ressorts einen Vorschlag erarbeiten werden, aus dem hervorgeht, wie wir das Problem der Wohnraumbereitstellung insbesondere vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Flüchtlingsbewegungen in Deutschland auf angespannten Wohnungsmärkten lösen wollen. Ich kann da keinen Streit erkennen. Wir befinden uns in guten Gesprächen mit den zuständigen Ressorts der Bundesregierung; wir sind in Gesprächen mit den Ländern. Sobald diese Gespräche zu einem Ergebnis geführt haben, legt die Bundesregierung einen Entwurf vor. Es steht selbstverständlich den Fraktionen des Bundestages frei, hier selbst die Initiative zu ergreifen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Vielen Dank, Herr Dr. Meister. – Dann kommen wir zu den weiteren Fragen. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe eine weitere Frage!) – Nein. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei Nachfragen!) – Das war die zweite. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war die erste!) – Entschuldigung. – Eine zweite Frage. (Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sei dir vergeben, Claudia!) – Du kannst dich bei Herrn Dr. Meister bedanken. – Danke schön. Christian Kühn (Tübingen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Vorschlag des Finanzministers ist in Teilen sehr konkret. Ich frage: Gibt es Studien oder Erkenntnisse, wie Sie zu diesem Vorschlag und zu diesen ersten Eckpunkten – so nenne ich sie jetzt einmal –, die der Finanzminister vorgelegt hat, gelangt sind? Auf der Grundlage welcher Studien oder Gutachten ist denn diese Einschätzung entstanden? Man hätte auch ganz andere Instrumente ins Feld führen können. Ich nenne als Beispiel ein Wiederbeleben der Wohnungsgemeinnützigkeit, den § 7 k EStG oder anderes. Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen: Wir haben zunächst einmal die Verabredung der Führung der drei Koalitionsparteien, die besagt, dass wir zur Lösung dieses Problems auch steuerliche Maßnahmen in Erwägung ziehen sollen. Vor diesem Hintergrund haben wir uns überlegt, dass wir sehr unterschiedliche Wohnungsmärkte in Deutschland haben. Deshalb ist die Grundüberlegung bei uns: Wir schauen, wo die Wohnungsmärkte in unserem Land tatsächlich angespannt sind. Die zweite Überlegung ist: Wir gehen von einer temporären Herausforderung aus. Deshalb wollen wir versuchen, eine temporäre Antwort im Bereich der Steuer zu geben. Wie die genaue Ausgestaltung aussieht, an welcher Stelle des Steuerrechts angesetzt wird und wie die genauen Fördertatbestände aussehen, wird sich im Dialog mit den Ressorts und den Ländern ergeben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Entschuldigen Sie bitte, dass ich gerade etwas unaufmerksam war. Danke Herr Dr. Meister, dass Sie geholfen haben. Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung. Die Frage 21 der Abgeordneten Inge Höger wird schriftlich beantwortet. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Frage 22 des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele wird schriftlich beantwortet. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur. Die Frage 23 des Abgeordneten Markus Tressel, die Frage 24 der Abgeordneten Renate Künast, die Fragen 25 und 26 der Abgeordneten Lisa Paus, die Fragen 27 und 28 der Abgeordneten Sabine Leidig, die Fragen 29 und 30 des Abgeordneten Stephan Kühn, die Fragen 31 und 32 der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms, die Frage 33 des Abgeordneten Oliver Krischer und die Fragen 34 und 35 des Abgeordneten Matthias Gastel werden schriftlich beantwortet. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Die Fragen 36 und 37 der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl und die Frage 38 der Abgeordneten Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet. Geschäftsbereich des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die Fragen 39 und 40 des Abgeordneten Niema Movassat werden schriftlich beantwortet. Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie. Ich begrüße recht herzlich Brigitte Zypries, die die Fragen beantworten wird. Ich rufe die Frage 41 der Kollegin Kerstin Andreae auf: Welche Erkenntnisse bzw. Schätzungen hat die Bundesregierung darüber, wie viele Arbeitsplätze bei der Kaiser‘s Tengelmann GmbH durch eine Fusion mit der Edeka Zentrale AG & Co. KG voraussichtlich verloren gehen würden, und welche Szenarien hat Edeka nach Kenntnis der Bundesregierung für den Stellenabbau entwickelt? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Präsidentin! Wir haben mehrere Fragen zu diesem Komplex. Die Frage stellt sich, ob wir diese nicht zusammen beantworten, weil die Schwierigkeit darin besteht, dass wir immer dieselbe Antwort geben werden. Vielleicht kann man das Verfahren etwas vereinfachen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kommt auf die Antwort an!) – Na gut. Wir fangen an, und dann sehen wir, wie es weitergeht. Vizepräsidentin Claudia Roth: Wir liegen gut in der Zeit. Deswegen fangen wir jetzt mit der Frage 41 an. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Die Frage bezieht sich auf das Erlaubnisverfahren, das Kartellverfahren, das im Moment läuft. Wir haben heute Morgen im Ausschuss schon darüber diskutiert. Es geht um eine Ministererlaubnis im Rahmen dieses Kartellverfahrens; die Ministererlaubnis ist dabei vorgesehen. Das Bundeskartellrecht schreibt die Entscheidung ausdrücklich dem Bundeswirtschaftsminister zu. Uns liegt ein Antrag der Unternehmen Edeka und Kaiser’s Tengelmann vor. Der Bundeswirtschaftsminister als zuständige Instanz prüft im Moment, welche Entscheidung er treffen will. Dazu gab es eine Anhörung am 16. November im Hause. Diese Anhörung wird ausgewertet, und dann wird eine Entscheidung ergehen. Wir haben das heute Morgen schon ausführlich im Ausschuss erörtert. Es handelt sich um ein zivilrechtliches Verfahren, und im Rahmen von zivilrechtlichen Verfahren darf man keine weiteren Auskünfte geben. Deswegen ist das leider hier nicht zu vertiefen. Vizepräsidentin Claudia Roth: Dann hat Frau Andreae jetzt die erste Nachfrage. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Ich bin gar nicht auf die juristischen Einschätzungen, die Sie gerade gegeben haben, aus. Vielmehr möchte ich Sie bitten, auf meine Frage einzugehen, die ja auf Ihre Abwägungen abzielte. Sie wissen: Im Kartellverfahren und bei der jetzigen Prüfung vor einer Ministererlaubnis werden gemeinwohlorientierte Interessen angeführt. Das betrifft natürlich vor allem die Arbeitsplätze. In diesem Rahmen haben wir die Frage gestellt: Welche Einschätzung haben Sie, wie sich diese Fusion, wenn die Ministererlaubnis erteilt wird, auf die Arbeitsplätze auswirkt? Gefragt habe ich nicht nach der Entscheidung, sondern nur nach Ihrer Einschätzung im Hinblick auf die Arbeitsplätze. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Abgeordnete, ich kann verstehen, dass Sie gern Genaueres über solche Überlegungen von der Bundesregierung erfahren möchten. Aber noch einmal: Es handelt sich um ein Verfahren, das den zivilprozessualen Vorschriften angenähert ist. Kein Richter eines Gerichts wird Ihnen vorher sagen, welche Erwägungen er bei seiner Entscheidung zugrunde legt. Denn dann macht er genau das, was er nicht darf: Er macht seine Entscheidung vorab öffentlich und legt dar, was Sache ist. Sie kennen den bekannten Spruch: Das Gericht spricht durch sein Urteil. Anders ist auch das hier nicht zu sehen. Deswegen kann ich Ihnen dazu jetzt keine weiteren Auskünfte geben. Vizepräsidentin Claudia Roth: Frau Andreae, Ihre zweite Zusatzfrage. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann muss ich als Nichtjuristin jetzt einmal nachfragen. Sie haben gesagt, der Minister Gabriel fungiere in diesem Verfahren analog einem Richter in einem Zivilverfahren und dürfe keine Auskunft geben. Jetzt frage ich Sie: Auf welcher Grundlage fußt „Der Minister fungiert wie ein Richter“? Wo ist die Grundlage, die dies belegt? Wie ist dies eigentlich mit der verfassungsrechtlich geregelten Gewaltenteilung zwischen Judikative und Exekutive vereinbar? Ich frage das, weil ich an dieser Stelle wirklich anfange, verärgert zu sein. Sie verweigern jede Antwort auf die Frage nach Einschätzungen, politischen Einschätzungen, und berufen sich auf etwas, was Sie uns auch im Ausschuss nicht erklären konnten, was nämlich die Grundlage Ihrer Einschätzung ist, dass er gar nichts sagen dürfte. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Na ja, Frau Andreae, das ist doch bei allen Verfahren so, die wir haben. Das gilt für Verwaltungsverfahren genauso. Ich meine, die Rechtsgrundlage ist § 42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen; darin ist die Ministererlaubnis geregelt. Das Verfahren ist ja auch ein justiziables Verfahren. Gegen den Entscheid des Ministers kann dann ein Rechtsmittel eingelegt werden, und die Verfahrensbeteiligten können sich insofern dagegen wehren. Also, das ist schon so ausgestaltet. Insofern tut es mir leid, dass ich Ihnen da nicht mehr sagen kann. Vizepräsidentin Claudia Roth: Eine Zusatzfrage des Kollegen Kekeritz. Uwe Kekeritz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich melde mich als Entwicklungspolitiker. Ich beschäftige mich schon ganz viele Jahre mit Marktmacht, Konzentration hier in der Bundesrepublik oder auch in anderen Ländern und den Auswirkungen der Marktmacht auf die Produktionsbedingungen in Entwicklungsländern, zum Beispiel auf die Kaffeeplantagen oder auf die Orangenplantagen. Haben Sie bei Ihren Überlegungen über die potenzielle Fusion auch diesen Blickwinkel? Schauen Sie nach Afrika? Schauen Sie nach Süd- und Mittelamerika, um festzustellen, welche Auswirkungen die gesteigerte Marktmacht eines Konzerns hier auf die Arbeitsbedingungen dort hat? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Kekeritz, am 16. November 2015 hat im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine große, mehrstündige Anhörung stattgefunden, zu der alle möglichen Beteiligten eingeladen waren, ihre Stellungnahmen abzugeben. Ich selber war nicht zugegen; aber ich gehe davon aus, dass solche Erörterungen dort geführt wurden. Der Bundesminister wird die Erörterungen, die da stattgefunden haben, in seine Entscheidung sicherlich einbeziehen. Er war ja auch fast die ganze Zeit dabei. Wie das dann aber konkret aussieht, kann ich Ihnen nicht sagen; denn ich bin nicht er. Vizepräsidentin Claudia Roth: Kollegin Katharina Dröge. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Zypries. – Ich muss darauf zurückkommen, dass Sie ja argumentieren, Sie könnten unsere Fragen zur Sache – es geht nicht um die Frage, ob Sie die Ministererlaubnis erteilen oder nicht – nicht beantworten, weil Herr Gabriel quasi wie ein Richter im Verfahren fungiert und damit denselben Prozessvorschriften wie ein Richter unterliegt. Ich habe mir § 42 des GWB für diese Debatte mitgebracht, weil Sie das schon im Ausschuss so vorgetragen haben. Da steht an keiner Stelle, dass Herr Gabriel quasi wie ein Richter fungiert oder dem Parlament, der Opposition auf Fragen zur Sache keine Antwort geben kann. Da steht nur, dass er im Einzelfall die Ministererlaubnis erteilen kann. Punkt! Deshalb noch einmal konkret die Frage an Sie: Wo sind die juristischen Argumente, auf die Sie sich stützen, wenn Sie sagen, dass Sie der Opposition keine Antworten auf Fragen zur Sache geben können? Sie sind als Regierung verpflichtet, uns Fragen zur Sache zu beantworten. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Dröge, das ist genau der Unterschied, auf den ich schon heute Morgen im Ausschuss abgestellt habe. Es ist ein Unterschied, ob Sie als Parlament die Regierung fragen (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir ja gemacht!) und die Regierung in ihrer politischen Verantwortung antwortet oder ob es, wie hier, um die Frage eines Verfahrens im Wege des Kartellrechts geht, in dem der Minister eine Ministererlaubnis gemäß § 42 erteilen kann und somit in das dem Zivilprozess entsprechende Verfahren des Kartellrechts eingebunden ist. Das ist genau der Unterschied. Der Minister ist hier nicht in seiner politischen Verantwortung angesprochen, sondern in seiner Verantwortung als Entscheider im kartellrechtlichen Verfahren, und da kann er zum Verfahren keine Auskunft geben. Wenn er die Entscheidung getroffen hat und diese Entscheidung veröffentlicht ist, dann ist es sowohl möglich, dass die Beteiligten dagegen Rechtsmittel einlegen, als auch möglich, dass Parlamentarier sich dazu äußern und diese Entscheidung bewerten. Aber vorher – da bitte ich sehr um Nachsicht – ist es nicht möglich, dass man diese verschiedenen Elemente breit diskutiert. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo steht denn das?) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat sich der Kollege Janecek zu einer Frage gemeldet. Bitte schön. Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank. – Frau Staatssekretärin, in meinem Wahlkreis München-West/Mitte läge die Marktkonzentration bei einer Fusion von Edeka und Tengelmann bei 90 bis 95 Prozent. Das hat auch der Chef der Monopolkommission in einem Interview in diesem Jahr bestätigt. Halten Sie es für zielführend, dass es zu solchen Konzentrationen kommt, und welche Effekte könnte das haben, was Arbeitsplätze und Standortschließungen angeht? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Herr Janecek, was ich für zielführend halte, ist hier, ehrlich gesagt, nicht gefragt. Die Bundesregierung ist in einem förmlichen Verfahren. Dieses förmliche Verfahren führen wir durch. Im Rahmen dieses förmlichen Verfahrens geben wir Ihnen keine Auskunft über die unterschiedlichen Kriterien. Aus der Entscheidung wird sich ergeben, was da zugrunde gelegt wurde, was wie bewertet wurde. Dass solche Aussagen natürlich Gegenstand der Beratungen sind, das versteht sich von selbst. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat sich die Kollegin Nicole Maisch gemeldet. Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Nun können oder wollen Sie sich nicht zur Sache äußern. Andere Mitglieder der Bundesregierung, namentlich im Agrarausschuss, haben sich sehr kritisch zu dieser Fusion geäußert. Vonseiten des Agrarministeriums, vonseiten des Parlamentarischen Staatssekretärs Bleser wurden vor einiger Zeit im Ausschuss durchaus Bedenken hinsichtlich einer weiteren Konzentration auf dem Lebensmitteleinzelhandelsmarkt geäußert. Deshalb frage ich Sie, ob Sie uns sagen können, wie es jenseits des von Ihnen für nicht sprachfähig erklärten Wirtschaftsministers die Bundesregierung bewertet, dass eine weitere Konzentration negative Folgen für die Verbraucherinnen und Verbraucher auf dem Lebensmittelmarkt haben könnte. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Maisch, wir reden hier nicht über die Frage, was die Bundesregierung zu bestimmten entwicklungspolitischen, verbraucherpolitischen, landwirtschaftlichen oder auch sozialpolitischen Fragen denkt, (Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das muss doch das Entscheidende sein! – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sie aber doch gefragt!) sondern es geht hier nur um die Frage des Kartellverfahrens. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! – Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Hier geht es nicht um das Kartellverfahren! – Gegenruf von der SPD: Worum denn?) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Jetzt hat aber erst noch die Frau Staatssekretärin Gelegenheit, zu antworten. – Bitte schön. (Marcus Held [SPD]: Welche Position haben die Grünen?) Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Weder kann ich jetzt beurteilen, was der Kollege Bleser im Agrarausschuss gesagt hat, noch spielt das für die Entscheidung des Wirtschaftsministeriums eine Rolle. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke. – Jetzt hat sich die Kollegin Müller-Gemmeke noch gemeldet. – Bitte schön. Beate Müller-Gemmeke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, ich habe das Gefühl, hier werden überhaupt keine Antworten gegeben auf unsere Fragen nach Auswirkungen, nach Befürchtungen und nach Überlegungen, die aus unserer Sicht schon wichtig sind. Ich frage jetzt noch einmal nach einer politischen Einschätzung. Sie kennen bestimmt die Kritik von Verdi und auch vom Betriebsrat Region München, die am 16. November bei der öffentlichen Anhörung zur Ministererlaubnis geäußert wurde. Beide haben davor gewarnt, dass Edeka auch die neuen Filialen, falls Edeka die Filialen von Kaiser’s Tengelmann bekommen würde, an sogenannte selbstständige Kaufleute übertragen werde. Die selbstständigen Kaufleute bei Edeka haben zu 90 Prozent keine Tarifbindung und keine Betriebsräte. Von daher hätte ich schon gerne eine Einschätzung von Ihnen, ob nicht zu befürchten ist, dass dies nach einer solchen Übernahme erneut droht. Dass dies dann zulasten der Beschäftigten ginge, ist wohl klar. Von daher hätte ich gerne eine Einschätzung, wie Sie diese Befürchtung von Verdi und dem Betriebsrat bewerten. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Frau Staatssekretärin. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Es ist richtig, dass das Spektrum der Beigeladenen für die Sitzung am 16. November ausgesprochen groß war. Gerade die Arbeitnehmerseite war sehr prominent vertreten. Es war der Gesamtbetriebsrat von Kaiser’s Tengelmann da. Es war der Gesamtbetriebsrat von Birkenhof da, der Gesamtbetriebsrat München und Oberbayern und von dem Lager Nieder-Olm. Zudem waren, wie Sie eben sagten, die Gewerkschaften Verdi und NGG vertreten. Sie haben die Positionen, die sie für richtig halten, deutlich gemacht. Der Minister wird in seiner Eigenschaft als zu entscheidende Figur in diesem Kartellverfahren alle diese Punkte abwägen und mit einbeziehen. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt aber wieder keine politische Einschätzung!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Es gibt keine Nachfrage. – Danke schön. Jetzt kommen wir zu Frage 42 der Kollegin Kerstin Andreae: Welche alternativen Interessenten für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann in Gänze oder in Teilen – neben Edeka – wurden im Rahmen der Kausalitätsprüfung berücksichtigt (bitte begründen), und mit welchen Zusicherungen für die Übernahme von Arbeitnehmern von Kaiser’s Tengelmann sind diese verbunden? Frau Staatssekretärin. Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Frau Präsidentin! Liebe Frau Andreae, es bleibt dabei, dass die Überlegungen, die im Rahmen der Kartellrechtsentscheidung anzustellen sind, hier nicht verhandelt werden können. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Nachfrage? – Bitte schön. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Staatssekretärin, ich möchte Sie bitten, zu abstrahieren und nicht über die Fusion von Kaiser’s Tengelmann und Edeka zu sprechen. Ich frage Sie: Was sind Ihrer Ansicht nach gesamtwirtschaftliche Erwägungen, die es rechtfertigen, eine Entscheidung des Kartellamts zu überstimmen? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Das kann man so allgemein und generell gar nicht sagen. Das sind Entscheidungen, die man in jedem Einzelfall zu prüfen und zu bewerten hat. Das muss man dann auch entsprechend tun. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann habe ich noch eine Rückfrage. Ich glaube, man kann sie allgemein beantworten; ich möchte Sie aber im Hinblick auf das Thema Machtkonzentration ansprechen. Glauben Sie – ganz allgemein –, dass wir schon jetzt im Lebensmittelbereich eine Machtkonzentration haben – vier Große teilen sich den Markt – und dass wir gerade im Hinblick auf einen potenziellen Marktführer darauf achten sollten, dass es nicht eine weitere Stärkung seiner Marktführerposition gibt? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Ganz allgemein kann man das, glaube ich, nicht beantworten. Vielmehr muss man immer sehr konkret auf die Frage eingehen: Wie ist die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Zusammenhang, und wie ist die Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Das ist ein wichtiges Thema, gerade für Sozialdemokraten, wie Sie wissen. Man muss sich das in allen Einzelheiten angucken und bewerten. Deshalb kann ich ganz allgemein hier keine Auskünfte dazu geben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Die Kollegin Dröge hat sich gemeldet. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Ach! Macht ein Ende!) Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben jetzt zu Fragen in der Sache keine Antwort bekommen. Meine Kollegen haben Fragen unter anderem an das Landwirtschaftsministerium und an das Arbeitsministerium gestellt, die alle Ihnen zugeordnet worden sind. Nun sitzt aber Herr Gabriel als Person dort und entscheidet über die Ministererlaubnis. Ich glaube nicht, dass das ganze Kabinett am Ende gemeinsam beraten wird, ob Herr Gabriel die Ministererlaubnis erteilt. Das heißt, die Unfähigkeit, auf unsere Fragen zu antworten, müsste sich auf Herrn Gabriel und damit dann auch auf Sie als Vertreterin des Bundeswirtschaftsministeriums beschränken. Wir können dann aber doch in der Sache Fragen an das Landwirtschaftsministerium stellen, da es nicht in dieses prozessuale Verfahren eingebunden ist, genauso wie wir an das Arbeitsministerium Fragen stellen können müssten. Es wäre doch ganz gut, wenn wir die Fragen dann auch stellen könnten. Sie haben sie aber alle Ihnen zugeordnet. Damit erscheint es uns so, als wollten Sie die Fragen nicht beantworten, weil Sie dazu in der Sache keine Auskunft geben wollen. Deswegen möchte ich fragen: Warum haben Sie die Fragen alle Ihrem Haus zugeordnet? Brigitte Zypries, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: Liebe Frau Dröge, wie die Fragen innerhalb der Bundesregierung verteilt werden, geschieht ja nicht willkürlich – danach, ob man Fragen beantworten will oder nicht –, sondern richtet sich nach der Zuständigkeit. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben ja das BMELV gefragt!) Da das Bundeswirtschaftsministerium in Person des Bundeswirtschaftsministers dafür zuständig ist, dieses Kartellverfahren durchzuführen, hat uns das Bundeskanzleramt, wenn ich es richtig sehe, all diese Fragen zugeordnet und gesagt: Das gehört alles zu diesem Komplex. Wir wollen das nicht in irgendeiner Art und Weise aufspalten und dadurch Gefahr laufen, dass Themen, die in anderer Rolle durch den Bundeswirtschaftsminister zu entscheiden sind, hier politisch verhandelt werden. – Das machte die Entscheidung des Bundeswirtschaftsministers hinterher natürlich sehr leicht angreifbar. Das will man nicht. Das ist ja der tiefere Sinn dieser Veranstaltung. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Jetzt hat sich die Kollegin Steffi Lemke zur Geschäftsordnung gemeldet. (Manfred Grund [CDU/CSU]: Völlig überraschend!) Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ob das jetzt überraschend ist oder nicht, Herr Kollege, ist, glaube ich, nicht entscheidend. – Entscheidend ist die Frage, ob die Bundesregierung aus Unvermögen oder aus Unwillen heraus nicht in der Lage ist, die Fragen des Parlamentes zu beantworten. Wir sind jedenfalls nicht damit einverstanden, dass ein so gravierender Prozess, der Auswirkungen auf Arbeitsplätze, auf Wirtschaftsbeziehungen und natürlich auch auf Verbraucherinteressen hat, dem öffentlichen Diskurs und dem Diskurs des Parlaments entzogen wird, indem Sie, wie gesagt, aus Unwillen oder aus Unvermögen heraus die Fragen unsererseits nicht beantworten. Deshalb beantrage ich hiermit namens meiner Fraktion nach § 106 unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Die hätte sie anmelden können, diese Schnarchfraktion! – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Gegenruf der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte? Geht’s noch? – Gegenruf des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU]: Noch geht’s!) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das muss ich jetzt zurückweisen. Man hat das Recht, Geschäftsordnungsanträge zu stellen. – Ich sehe niemanden, der dagegenredet. Dann nehme ich zur Kenntnis, dass die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Antwort der Bundesregierung auf Frage 42 eine Aktuelle Stunde verlangt hat. Das entspricht Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b unserer Regelungen für die Aktuelle Stunde. Ich hätte jetzt gerne von Bündnis 90/Die Grünen gewusst: Binden wir die Fragen 43 bis 51, die sich alle auf dieses Thema beziehen, in die Aktuelle Stunde ein? – Gut. Dann können wir darauf verzichten, dass diese Fragen hier noch beantwortet werden. Ich fahre in der Fragestunde fort. Wir kommen zu Frage 52. Herr Behrens ist nicht da. Dann entfällt die Beantwortung. Es wird verfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen. Die Frage 53 des Kollegen Krischer, die Fragen 54 und 55 der Kollegin Dr. Julia Verlinden, die Fragen 56 und 57 der Kollegin Britta Haßelmann sowie die Frage 58 der Kollegin Bärbel Höhn werden schriftlich beantwortet. Damit sind wir am Ende der Fragestunde angelangt. Ich bitte jetzt einmal die Geschäftsführer zu mir. Wir müssen die Rednerliste erstellen. Dafür unterbreche ich die Sitzung bis 15.30 Uhr. Ich bitte Sie aber, hierzubleiben, damit wir möglichst zügig weitermachen können. (Unterbrechung von 15.14 bis 15.30 Uhr) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung wird fortgesetzt. Ich bitte Sie jetzt alle, Ihre Plätze wieder einzunehmen. Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf: Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemäß Anlage 5 Nummer 1 Buchstabe b GO-BT zu der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 42 auf Drucksache 18/6845 Das Wort hat die Kollegin Kerstin Andreae. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wäre schön, wenn die Bundesregierung jetzt da wäre. (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Wieso? Der Staatssekretär ist doch da! – Gegenruf der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber doch nicht der Zuständige!) – Da ist die zuständige Staatssekretärin. – Wir haben ja schon darüber gesprochen, dass unsere Fragen nicht nur ungenügend, sondern überhaupt nicht beantwortet wurden. (Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Die werden auch in dieser Aktuellen Stunde nicht beantwortet!) Es ist doch so: Seit sieben Monaten läuft ein Verfahren. Vor sieben Monaten hat Edeka die Ministererlaubnis beantragt. Im Ministerium wird über Gemeinwohlgründe diskutiert. Im Übrigen ist es richtig, dass sehr genau hingeschaut wird. Der Fall ist schwierig. 16 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind betroffen. Deswegen ist eine sorgfältige Prüfung notwendig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt ist es aber so, dass sich das Bundeskartellamt klar gegen den Erwerb der rund 450 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen durch Edeka ausgesprochen hat. Das ist der Grund, warum jetzt die Prüfung der Ministererlaubnis im Raum steht. Ende April 2015 wurde sie beantragt. Nach GWB sollte – das haben wir heute schon einmal gehört – nach ungefähr vier Monaten eine Entscheidung fallen. Am 16. November 2015 fand eine Anhörung im Ministerium statt. Staatssekretärin Zypries hat heute im Ausschuss gesagt, dass diese Anhörung eigentlich keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gebracht habe und die Entscheidung des Ministers weiterhin ausstehe. Der Minister prüft also, ob Gemeinwohlgründe es rechtfertigen, die Entscheidung des Bundeskartellamts zu überstimmen. Ich frage Sie, welche Gemeinwohlgründe das sein können. Wir haben nicht nur eine Entscheidung der Kartellbehörde. Auch die Monopolkommission hat gesagt: Die Konzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel ist sehr groß, und sie ist rasant gestiegen. Vier Unternehmen haben Marktanteile von 85 Prozent. Edeka ist mit rund 27 Prozent der Marktführer und würde bei einer Zustimmung zu dieser Fusion, bei Erteilung einer Ministererlaubnis weitere Marktmacht bekommen. Ich frage Sie als Wirtschafts- und Wettbewerbspolitiker, denen dieses Thema wichtig sein muss: Sind Sie der Meinung, dass eine weitere Konzentration im Lebensmittelmarkt richtig wäre? Wir sagen: Nein, das wäre nicht richtig. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es gibt aber ein ordentliches Verfahren!) Damit sind wir nicht alleine. Der Bauernverband spricht sich gegen diese Fusion aus, (Max Straubinger [CDU/CSU]: Den haben Sie doch noch nie gelobt! Das ist ja ganz was Neues!) weil er die Sorge hat, dass die Konzentration im Einzelhandel faire Vermarktungsbedingungen untergräbt. Sie alle kennen die Debatte, die wir diesen Sommer, aber auch letzten Sommer über die Milchpreise und die Situation der Milcherzeuger geführt haben. Das sind doch Themen, die wir ernst nehmen und berücksichtigen müssen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Auch die mittelständischen Hersteller von Nahrungs- und Genussmitteln und Haushaltswaren sowie die Privatbrauereien und die Verbraucherschützer sind dagegen. Warum sind die Verbraucherschützer dagegen? Sie sagen: Der Wettbewerb würde dadurch untergraben, und das wiederum würde der Vielfalt und den Standorten schaden. Ein funktionierender, fairer Wettbewerb ist wichtig für faire Preise und ein vielfältiges Angebot. Natürlich ist der Erhalt der Arbeitsplätze wichtig, ganz wichtig sogar. Aber auch Verdi spricht sich gegen diese Fusion aus. Auch das sollten wir berücksichtigen. Ja, es ist wichtig, dass wir die Arbeitsplätze schützen und erhalten. Es ist aber auch wichtig, dass wir auf die Stimmen der Zivilgesellschaft hören: Verdi, Bauernverband, Verbraucherzentrale und wir Grünen sprechen uns gegen diese Fusion aus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Jetzt sagen Sie: Na ja, einmal ganz langsam, es ist ein Verfahren. Deswegen können wir gar nichts dazu sagen. Irgendwann fällt die Ministererlaubnis oder nicht, und dann können wir sagen, warum sie so gefallen ist oder warum nicht. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir nennen das Rechtsstaat!) Ich frage Sie als Parlamentarier und als Parlamentarierinnen: Finden Sie es richtig, dass wir bei einer derartigen politischen Debatte, die die Bevölkerung bewegt, die die 16 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bewegt, die uns alle bewegen muss – ich habe die Phalanx der Leute, der Verbände, die sich hier positionieren, genannt –, (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Aufgabe der Exekutive! Eindeutig!) an keiner Stelle die Möglichkeit haben, die Argumente auszutauschen und dieses gesamtwirtschaftliche Interesse hier einmal abzuwägen? (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Machen Sie doch gerade! Ist doch alles gut!) Es ist doch notwendig, dass das Ministerium und der Minister hört, was wir als gewählte Parlamentarier zu dieser Frage sagen, wie wir uns hier positionieren. Sie als Wettbewerbspolitiker haben eine Meinung zur Marktkonzentration. Sie als Landwirtschaftspolitiker wissen, dass der Druck auf Erzeuger ein großes Problem ist. Ich sage Ihnen: Wenn wir einen Beweis gebraucht haben, dass die Ministererlaubnis in dieser Form reformiert werden muss, dann haben wir diesen Beweis heute bekommen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN) Es kann nicht sein, dass Sie sich auf Verfahrensvorgänge zurückziehen und der politische Diskurs ausbleibt. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir sagen ganz klar: Prüfung alternativer Fortführungskonzepte – ja. Gute Arbeitsplätze – ja. Aber diese heiß gelaufene Konzentrationsspirale im Handel ist ein Problem. Hier möchte ich eine Aussage von Ihnen. Daher haben wir diese Aktuelle Stunde beantragt. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist Dr. Matthias Heider. (Beifall bei der CDU/CSU) Dr. Matthias Heider (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Warum eine Aktuelle Stunde zum Ministererlaubnisverfahren Edeka und Kaiser’s Tengelmann?“, das ist hier die Frage. Damit sind wir auch gleich beim Kern des Problems Ihrer Aktuellen Stunde. Das Thema ist leider inhaltlich wenig geeignet, zum jetzigen Zeitpunkt hier darüber zu debattieren. Aber ich verstehe: Alle Marktteilnehmer sitzen da im Moment auf heißen Kohlen. Das Bundeswirtschaftsministerium ist bei einer Ministererlaubnis verfahrenstechnisch nicht in der Lage, Auskunft über das laufende Verfahren zu geben; denn es ist als Kartellbehörde tätig und muss sich bis zur Entscheidung zurückhalten. Davon abgesehen, dass diese Aktuelle Stunde natürlich auch keine Brechstange der Opposition ist, um an Neuigkeiten zu kommen, möchte ich kurz etwas zum Inhalt des Verfahrens sagen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wunderbar! Endlich mal einer!) Worum geht es eigentlich im Wesentlichen? Bei dem Übernahmevorhaben von Edeka gibt es aus wettbewerblicher Sicht zwei Blickwinkel. Die einen argumentieren mit geringen Marktanteilen von Kaiser’s Tengelmann und halten deswegen eine Übernahme für nicht wettbewerbsgefährdend. Die anderen betrachten die Verteilung der 451 Kaiser’s-Tengelmann-Filialen in Deutschland als schwierig und prophezeien erhebliche Wettbewerbsverzerrungen. Ich tendiere zur zweiten Ansicht. Die Kaiser’s-Tengelmann-Märkte konzentrieren sich auf einige wenige Gebiete in Nordrhein-Westfalen, in Berlin und in Bayern. Hier wird es nach Ansicht des Bundeskartellamtes zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen kommen. Die Auswahl- und Ausweichmöglichkeiten für die Verbraucher wären nach einem solchen Schritt stark eingeschränkt. Es könnte – das ist wahrscheinlich – zu Preiserhöhungen kommen. Auch im Bereich des Einkaufs würde ein bedeutsamer unabhängiger Abnehmer für die Hersteller von Markenartikeln nicht mehr zur Verfügung stehen. Ordnungspolitisch halte ich daher die Untersagung durch das Bundeskartellamt für völlig richtig. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Voraussetzungen für eine Ministererlaubnis sind andere. Hier wird geprüft, ob Wettbewerbsbeschränkungen von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen werden oder ob der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Aber auch diese Voraussetzungen sehe ich – jedenfalls nach unserem Kenntnisstand – im Moment nicht als eindeutig erfüllt an. Kaiser’s Tengelmann behauptet, dass durch die Versagung einer Ministererlaubnis ein Verlust von 8 000 Arbeitsplätzen bevorstehe. Ich denke nicht, dass es dazu kommen wird. Wir haben im Moment nur 2,6 Millionen Arbeitslose. Das ist der geringste Stand seit 25 Jahren. Genügend Wettbewerber im Lebensmitteleinzelhandel stehen in den Startlöchern, um diese Arbeitsplätze zu erhalten. Auch für den Fall eines Zusammenschlusses ist aus meiner Sicht eine Arbeitsplatzgarantie nicht gesichert. Kaiser‘s Tengelmann hat zwar mit den Betriebsräten in den Regionen Nordrhein und Berlin eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung geschlossen, und Edeka betont in der Öffentlichkeit, dass es eine vertragliche Absicherung für die Mitarbeiter durch eine Ergänzung im Unternehmenskaufvertrag gebe. Doch ob all diese Vereinbarungen tatsächlich rechtlich bindend sind und ob irgendwann nicht mehr Arbeitnehmer in einer Transfergesellschaft landen und in den normalen Arbeitsmarkt integriert werden müssen, das ist fraglich. Meine Damen und Herren, zum Schluss: Ich glaube, die Sache ist entscheidungsreif. Der Bundeswirtschaftsminister muss zu einer Entscheidung kommen. Frau Parlamentarische Staatssekretärin, Sie haben heute Morgen im Wirtschaftsausschuss berichtet, dass in der Anhörung der Beteiligten am 16. November dieses Jahres im Wesentlichen nichts Neues zur Sachlage herausgekommen ist. Der Prozess dauert jetzt schon länger als die allermeisten Ministererlaubnisverfahren. Eine Ministererlaubnis – das wissen wir alle – verschiebt den Rahmen des geltenden Kartellrechts, erweitert ihn um gemeinwohlbedingte Voraussetzungen. Deshalb, finde ich, ist der Monopolkommission, die zu diesem aktuellen Verfahren gesagt hat, dass eine Ministererlaubnis in diesem Fall nicht erteilt werden soll, an dieser Stelle zuzustimmen. Ich glaube, meine Damen und Herren, die Märkte brauchen jetzt ein eindeutiges Signal, damit nicht noch länger auf die Entscheidung gewartet werden muss, und ich glaube, es muss ein wettbewerbliches Signal sein. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächstes hat der Kollege Michael Schlecht, Fraktion Die Linke, das Wort. (Beifall bei der LINKEN) Michael Schlecht (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zu Ihrer letzten Bemerkung kann man nur zynisch sagen: Die Märkte warten wieder einmal auf ein Schlachtopfer von 16 000 Beschäftigten. – Denn darum geht es im Kern. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Eine schlechte Bemerkung!) Noch eine Vorbemerkung. Ich habe in den letzten zehn Tagen mit relativ vielen Akteuren in diesem Umfeld diskutiert; ich habe mit Betriebsräten geredet, ich habe mit Hauptamtlichen geredet. Ich will eine Klarstellung treffen: Es ist nicht so, wie eben von Frau Andreae dargestellt, dass sich Verdi eindeutig gegen diese Fusion ausspricht. Die Spitzenfunktionärin, die dafür zuständig ist, hat eine eher abwägende Haltung. Ich selbst habe heute Morgen lange mit ihr telefoniert und darüber gesprochen. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Andere sagen da aber etwas anderes!) Es gibt auch andere Sekretäre und andere Betriebsräte, die eine differenzierte Sicht auf dieses Thema haben. – Das nur als Vorbemerkung. Einen Punkt muss man, um das einordnen zu können, sehen: dass Tengelmann und die 16 000 Beschäftigten Opfer eines gnadenlosen Konkurrenzkampfes im Einzelhandelsbereich sind. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von Edeka!) – Die anderen kommen noch hinzu; ich rede jetzt aber erst einmal über die Tengelmänner. – Dieser gnadenlose Konkurrenzkampf hat zentral etwas damit zu tun, dass wir im deutschen Einzelhandel seit 15 Jahren eine desaströse Lohnentwicklung und eine desaströse Entwicklung bei den Transfereinkommen haben, kurzum: dass die Binnennachfrage – politisch gewollt –, ausgehend von der Agenda 2000, erheblich zusammengeschnürt ist. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass Tengelmann seit zehn Jahren defizitär ist. Nach meinen Informationen wurden mittlerweile 500 Millionen Euro zugeschossen, um das Unternehmen zu erhalten, und jedes Jahr werden weitere 50 Millionen Euro zugeschossen. Wir haben die Situation, dass sich ein Unternehmen in einem gnadenlosen Konkurrenzkampf befindet und dadurch auch die Beschäftigten an den Rand gedrängt werden. Das wissen auch die Betroffenen im Betrieb, und das weiß vor allen Dingen auch der Betriebsrat. Jetzt stehen wir im Grunde genommen vor folgender Situation: Wenn es nicht zur Fusion kommt, dann finden auch keine – manch einer träumt noch davon – weiter gehenden Verhandlungen statt. Wenn es nicht zu der Fusion kommt, dann wird es aller Voraussicht nach zur Liquidierung dieses Unternehmens kommen. Das würde bedeuten, dass die 16 000 Beschäftigten oder zumindest die allermeisten von ihnen schlagartig zur Disposition stünden oder nur noch ein kleiner Teil verwendet würde. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Woher wissen Sie das? Das ist die Glaskugel von Herrn Schlecht! – Marcus Held [SPD]: Quatsch!) Die Mehrheit der Betriebsräte, der betrieblichen Interessenvertretung präferiert deshalb die Fusion mit Edeka, nicht weil sie sie toll finden, sondern weil sie sagen, dass sie dann bessere Möglichkeiten und mehr Zeit haben, um den Abbau- und Umstrukturierungsprozess, um den man in Anbetracht der sehr dramatischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aus ihrer Sicht überhaupt nicht herumkommt, zu organisieren. Es gibt natürlich Probleme, zum Beispiel mit der Tarifbindung. Diese gibt es perspektivisch natürlich auch deshalb, weil die Tarifbindung von gesetzlicher Seite nicht gerade positiv begleitet wird. Es wäre für den Einzelhandel zum Beispiel von herausragender Bedeutung, dass die Regelungen zur Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen deutlich verbessert werden. Eine Forderung, die der DGB hat und die wir, die Linke, haben, ist zum Beispiel, dass die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen auch gegen den Willen eines Unternehmerverbandes erzwungen werden kann. Das wäre ein ganz wichtiger Punkt, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) weil dadurch auch die tarifvertraglichen Standards für die Beschäftigten, die dann zu Edeka gehören, deutlich besser als durch die – Sie haben das ja richtigerweise referiert – geschlossenen Betriebsvereinbarungen abgesichert werden würden. Diese Betriebsvereinbarungen bieten aber zumindest über vier Jahre einen Schutz. Ich finde, das ist ein gewichtiger Punkt. Deswegen will ich Ihnen deutlich sagen: Aus meinen Diskussionen in den letzten zehn Tagen – vor allen Dingen aus den Diskussionen mit meiner alten Kollegenschaft; ich komme ja von Verdi und kenne dort viele Kolleginnen und Kollegen, auch Betriebsräte – habe ich den Eindruck, dass diese Fusion der am wenigstens schlechte Weg für die 16 000 Beschäftigten ist. Das ist zwar kein guter Weg, aber der andere Weg, nämlich die Liquidierung, die Zerschlagung und die Vernichtung von 16 000 Arbeitsplätzen, wäre der weitaus dramatischere. (Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt doch andere Angebote!) Das Ganze kann man nur verhindern, indem man gesellschaftlich wieder zu anderen Bedingungen kommt und die Binnennachfrage in Deutschland stärkt, um auf die Krise und die notleidende Situation im Einzelhandel entsprechend zu reagieren und den absolut brutalen Konkurrenzkampf auszuhebeln. Das ist der entscheidende Weg. Wenn man das nicht macht, dann muss man in der Tat solche Notfalldiskussionen darüber führen, was der am wenigsten schlechte Weg ist. Das ist leider so. Danke schön. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Dr. Hans-Joachim Schabedoth. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Hans-Joachim Schabedoth (SPD): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Teil dieser Debatte erinnert an die Dramatik einer Seifenoper. Sie kennen das: Der reiche Bräutigam steht mit der geneigten Braut vor dem Altar, und von hinten ruft es nach vorne: Nein, ihr dürft nicht heiraten, es gibt noch viel schönere Ehepartner. Außerdem bestehen Zweifel, dass ihr gut zu euren Kindern sein werdet. Ich respektiere den Eifer, Wirtschaftsminister Gabriel anzuhalten, die Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka in ähnlicher Weise last minute zu verbieten. Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission haben das ja schon getan. So weit, so einfach. Ist es aber wirklich so einfach? Zunächst sollten wir uns bewusst sein: Die Ministererlaubnis heißt so, weil der Minister und nicht das Parlament der Erlaubnisgeber oder -verweigerer ist. Gleichwohl sind wir Parlamentarier nicht daran gehindert, ihm unsere eigenen Erwägungen vorzutragen. Das tun wir heute. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, vielen Dank!) Wer ihm diesbezüglich einen Rat geben will, kann das also tun. Dass sich Ratschläge auch widersprechen können, hat schon die Sonderanhörung gezeigt. Am Ende muss er also doch wieder allein entscheiden, ob und wieso er sich über das Votum des Bundeskartellamtes hinwegsetzen will oder nicht. Kritiker schwarz-gelber Regierungsarbeit behaupten, es sei deren Markenzeichen gewesen, unbequemen Entscheidungen auszuweichen, sie zu verzögern und gar das Fähnlein nach dem Wind wahltaktischer Kalküle zu richten. Das mag viele Jahre klappen, aber nicht auf ewig. Wer Kanzlerin bleiben will oder Kanzler werden möchte, muss also auch entscheiden – mit allen Schwierigkeiten, die das gerade in diesen Tagen mit sich bringt. Ich habe den Eindruck, dass wir einen Wirtschaftsminister haben, der sich vor Entscheidungen nicht drückt. Das gilt auch im hier diskutierten Fall. Politik machen heißt, Entscheidungen zu treffen und sie auch wertbezogen zu begründen. Was sind die Werte, die dafür maßgeblich sind? Zuallererst stellen sich einige Fragen: Was stiftet den größten gesellschaftlichen Nutzen? Was ist am besten für die 16 000 noch unter relativ guten tariflichen Bedingungen arbeitenden Beschäftigten bei Kaiser’s Tengelmann? Und was nützt es den Kunden und den Lieferanten? Solche Fragen waren für den Mann an der Spitze von Tengelmann ganz offensichtlich nicht so spielentscheidend; wohl sind sie es aber für den Wirtschaftsminister. In der Seifenoper wird die Braut das letzte Wort haben. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister ist die Braut?) In unserem Fall geht es aber nicht um die Entscheidung des Herzens, sondern um soziale und ökonomische Vernunft. Wir alle wollen gute Qualität zu angemessenen Preisen. Deshalb hat es einen hohen Wert, wenn in allen Regionen möglichst viele Anbieter im Wettbewerb stehen und Erzeuger und Lieferanten nicht vor Abnehmermonopolisten kapitulieren müssen. Dem Kaiser’s-Tengelmann-Eigner ist das egal. Er beharrt auf seiner Eigentümerallmacht und will sich nur mit der Goldmarie verheiraten. Mit der vielleicht doch hübscheren Pechmarie hat er gar nicht ernsthaft verhandelt. (Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister Gabriel ist die Braut oder die Goldmarie? – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich bin ausgestiegen aus der Geschichte!) Auch regional differenzierte Marktstrukturen haben bei seiner Verkaufsstrategie keine Rolle gespielt. Dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch der Allgemeinheit zu dienen hat, steht bekanntermaßen in Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das ist keine fixe Idee aus Nordkorea. Gibt der Verkäufer seine bockige Ignoranz gegenüber kartellrechtlichen Bedenken nicht auf, dann wird er riskieren, dass der Wirtschaftsminister nicht anders entscheidet als die Kartellwächter. Deshalb empfehle ich nicht nur dem Wirtschaftsminister, bei seiner Entscheidung unsere Debatte zu berücksichtigen. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist schön!) Auch der Verkäufer sollte seine gesellschaftliche Verpflichtung anerkennen. Alle potenziellen Käufer wiederum sollten wissen: Es geht nicht um ein Verdienen durch Arrondieren, sondern um ein Maximieren des Kundennutzens. Auch damit ließ sich früher gut Geld verdienen. Um im Bild zu bleiben: Die Braut hat die Wahl. Erstens. Sie muss sich nicht an den einen binden. Sie kann auch prüfen, ob es nicht doch andere gibt, die besser zu ihr passen. Zweitens. Sie wird die Verantwortung für ihre bisherigen Kinder, also alle Tengelmann- und Kaiser‘s-Beschäftigten, nicht so einfach loswerden. Drittens. Ein Pastor wird die Trauung umso lieber vollziehen, wenn keine Zweifel bleiben, ob auf der Ehe ein Segen ruht. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön. – Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der Kollege Dr. Andreas Lenz. (Beifall bei der CDU/CSU – Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So, Herr Lenz, jetzt müssen Sie auf die Geschichte erwidern! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Braut oder Bräutigam?) Dr. Andreas Lenz (CDU/CSU): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir führen heute eine Debatte über etwas, was wir hier im Parlament gar nicht zu entscheiden haben, nach dem Motto: Schön, dass wir darüber gesprochen haben. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na, na!) Im vorliegenden Fall ist der Minister Kartellrechtsbehörde im Sinne des Gesetzes. Er entscheidet über eine etwaige Ministererlaubnis. Deswegen heißt sie auch so. Wie sich hier die Grünen als Ordnungspolitiker erfinden, finde ich bemerkenswert, fast etwas rührend. Eigentlich fallen Sie sonst eher als Verbotspartei auf. (Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich denke, mit Wettbewerb und Marktwirtschaft kann man Sie eigentlich nicht in Verbindung bringen. Dass Sie außerdem an der Seite des Bauernverbandes stehen, ist mir auch neu. Aber in dieser Debatte können wir eben immer wieder neue Erkenntnisse gewinnen. (Beifall bei der CDU/CSU) Das Bundeskartellamt hat am 1. April 2015 den Erwerb der 451 Kaiser‘s-Tengelmann-Filialen durch Edeka untersagt; aus meiner Sicht aus gutem Grund. Der Lebensmittelmarkt in Deutschland ist hoch konzentriert. Die großen Vier, Edeka, Rewe, Lidl und Aldi, vereinen im Lebensmitteleinzelhandel 85 Prozent Marktanteil auf sich. Edeka hat dabei eine doppelt so hohe Standortdichte wie der nächste Konkurrent. Außerdem hat Edeka mit rund 27 Prozent den bei weitem höchsten Marktanteil. So weit nichts Neues. Eine Übernahme der Kaiser’s Gruppe würde dazu führen, dass sich zukünftig Preiserhöhungsspielräume ergeben könnten, auch wenn man das jetzt noch nicht beobachten kann. Momentan werden niedrige Preise im Lebensmitteleinzelhandel häufig zulasten der Produzenten umgesetzt. Wenige Nachfrager drücken durch ihre Marktmacht die Preise der Erzeuger von Lebensmitteln. Das geht vor allem zulasten der heimischen Landwirtschaft. Diese Tendenz würde durch die Übernahme eines Wettbewerbers weiter verstärkt werden. Häufig wird argumentiert, dass nur durch eine Übernahme durch Edeka die Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann zu retten seien. Das sehe ich nicht so. Entscheidend, ob ein Standort weitergeführt wird, ist vor allem seine Attraktivität. Auch deshalb ist der Fall Kaiser’s Tengelmann nicht mit dem Fall Schlecker zu vergleichen. Hier waren die Filialen häufig auch in ländlichen Gegenden verteilt. Die Filialen von Kaiser’s Tengelmann konzentrieren sich auf attraktive Standorte im Großraum Berlin, in NRW sowie in München und Oberbayern. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass allein in München durch eine Übernahme von Tengelmann eine Marktkonzentration teilweise von bis zu 95 Prozent auftreten würde. Die Monopolkommission hat am 3. August in einem Sondergutachten festgestellt, dass etwaige Gemeinwohlvorteile die Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufwiegen würden. Dies würde auch für eine Ministererlaubnis mit Auflagen gelten. Auch aus diesem Grund ist es nicht ganz verständlich, warum Kaiser’s Tengelmann dem Anschein nach andere Angebote nicht oder nur unzureichend geprüft hat. Walter Eucken stellte einst verärgert fest: Überall kann man erkennen, dass die Monopolfreunde vordringen. – Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen wurde 1957 von Ludwig Erhard ja genau aus dem Grund geschaffen, den Wettbewerb zu fördern, letztlich zum Wohle aller. Man sieht auch aus der Geschichte: Wo kein Wettbewerb stattfindet, ist letztlich die Vielfalt des Warenangebots sehr eingeschränkt. Edeka wirbt mit dem Slogan „Wir lieben Lebensmittel“. Das überzeugt. Wir sollten nach dem Motto handeln: Wir lieben Ordnungspolitik, wir lieben Marktwirtschaft, letztlich zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger. Das überzeugt mich. (Beifall bei der CDU/CSU) Wie gesagt, es entscheidet der Minister nach § 42 GWB. Der Minister war bei der mündlichen Anhörung anwesend und kennt die Faktenlage. Es ist gerade Advent, die Zeit der Ankunft. Vielleicht ist es auch die Zeit der Entscheidungsfindung. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die Fraktion Die Linke spricht jetzt Jutta Krellmann. (Beifall bei der LINKEN) Jutta Krellmann (DIE LINKE): Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren auf der Tribüne! Wir reden gerade über 16 000 Beschäftigte hier in Deutschland, die bei Tengelmann noch arbeiten. Diese Kolleginnen und Kollegen bangen jetzt schon seit Monaten um ihre Arbeitsplätze und wissen nicht, was in Zukunft mit ihnen passiert. Als Gewerkschaftssekretärin habe ich unheimlich viele solcher Konflikte in den Betrieben erlebt. Ich habe erlebt, wie viele Tränen da geflossen sind. Ich habe erlebt, was das für die Leute bedeutet hat; denn wenn wir von 16 000 Menschen reden, dann reden wir auch von 16 000 Existenzen, um die es in diesem Fall gerade geht. (Beifall bei der LINKEN) Es sind in der Regel nicht die Beschäftigten, die solche Situationen verursacht haben und die dafür gesorgt haben, dass das Kind kurz davor ist, in den Brunnen zu fallen. Das sind aber diejenigen, die am Ende immer unter den Konsequenzen zu leiden haben. Das passiert mit den Beschäftigten. Im Grunde kann es den Betroffenen und auch mir als Gewerkschaftssekretärin scheißegal sein, wie am Ende dieser Auseinandersetzung der Eigner des Betriebes heißt und wem er am Ende gehört. Entscheidend ist, was mit den Existenzen passiert, was mit den Arbeitsplätzen passiert und wo die Menschen arbeiten. Im Grunde ist es egal, wie der Eigner am Ende heißt. Wichtig ist, was am Ende in der Packung drin ist. Entscheidend wird sein, unter welchen Bedingungen es für diese Beschäftigten weitergehen wird. Wenn man die Branche betrachtet, stellt man fest, dass der Einzelhandel im Grunde eine der größten Branchen ist, die wir hier in Deutschland haben. Dort arbeiten circa 2,7 Millionen Beschäftigte, und das sind überwiegend Frauen. Über 50 Prozent der Beschäftigten sind Frauen, und das gilt natürlich auch für Kaiser’s Tengelmann. Diese Frauen arbeiten überwiegend in Teilzeit, oftmals in Minijobs. Es gibt einen massiven Verdrängungswettbewerb in den Einkaufsstraßen und Einkaufszentren. Im Grunde stellt sich schon lange die Frage, was mit den Arbeitsplätzen im Einzelhandel passiert. Die Tarifbedingungen sind unglaublich stark ausgehöhlt worden. Es gibt viele Arbeitgeber – an der Spitze die Firma Edeka –, die dafür sorgen, dass die Betriebe aus den Arbeitgeberverbänden ausgegliedert werden. Damit werden die Tarifverträge ad absurdum geführt. Die Tarifbindung in den Bereichen ist mittlerweile sehr schlecht, und das ausgerechnet in einer Branche, mit der wir alle immer wieder zu tun haben, wenn wir einkaufen gehen. Weil wir wissen, dass die tariflichen Bedingungen in diesem Bereich nicht passen, muss das, finde ich, ganz besonders intensiv diskutiert werden. Denn diese Situation hat auch etwas damit zu tun, dass Firmen in Schwierigkeiten geraten und am Ende die Arbeitsplätze infrage stehen. Prozentual gesehen ist die Tarifbindung der Beschäftigten im Westen mittlerweile auf 42 Prozent und im Osten auf 33 Prozent gesunken. Was die Betriebe angeht, sind im Westen 70 Prozent der Betriebe ohne Tarifbindung. Im Osten sind es 77 Prozent. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Edeka hat nur 10 Prozent!) – Edeka ist auch das Beispiel dafür. Edeka selbst ist im Arbeitgeberverband und zahlt den Flächentarif. Aber alle ausgegliederten Betriebe sind nicht mehr im Arbeitgeberverband. Das sind Probleme in der Branche. Von daher bin ich der Auffassung, dass man, wenn man darüber diskutiert, auf jeden Fall mit diskutieren muss, welche Anforderungen wir im Falle einer Zusage, dass Edeka Tengelmann übernehmen kann, stellen. Ich will den Werbespruch von Edeka aufgreifen: „Wir lieben Lebensmittel“. Die Arbeitnehmerrechte liebt Edeka nicht. Da müsste eine ganze Menge passieren, damit Edeka zu einem guten Betrieb wird. (Beifall bei der LINKEN – Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: So ein Quatsch! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidigung der Mitarbeiter bei Edeka!) – Nennen Sie das ruhig Quatsch. Wir können gerne darüber diskutieren. Das würde ich gerne mit Ihnen machen. (Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Dazu habe ich keine Lust! Mit Ihnen nicht! – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Sind Sie dafür oder dagegen?) Die Forderung, die ich als Mitglied der Fraktion Die Linke habe, ist: Die Entscheidung darf im Interesse der Beschäftigten nicht an der Gewerkschaft Verdi, den Betriebsräten und den Beschäftigten vorbeigehen. (Max Straubinger [CDU/CSU]: Gewerkschaftsinteressen! Nicht die Beschäftigten! Die Gewerkschaft!) Und sie muss unter der Maßgabe erfolgen: Wir reden über Flächentarifverträge und Mitbestimmung in den Betrieben. (Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Das ist Ministererlaubnis! Keine Gewerkschaftserlaubnis!) Wenn das erledigt ist, dann ist, finde ich, ein wichtiger Schritt im Interesse der Beschäftigten bei der Firma Tengelmann getan. Vielen Dank. (Beifall bei der LINKEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Danke schön. – Als Nächstes hat Marcus Held, SPD-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der SPD) Marcus Held (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr überrascht darüber, dass wir uns heute Nachmittag im Plenum Schlagwörter und Werbestrategien von Mitbewerbern im Einzelhandel um die Ohren werfen. Wir sind im Deutschen Bundestag, und ich denke, wir haben nicht zu bewerten, welches Unternehmen mit welchen Schlagwörtern und Marktstrategien am Markt ist. Wir haben vielmehr ein formelles Verfahren – darauf möchte ich auch Sie, Frau Dröge und Frau Andreae, noch einmal hinweisen –, das seit fast einem Jahr läuft. In dieses Verfahren haben wir uns politisch im Grunde überhaupt nicht einzumischen. Denn wie hat das Verfahren begonnen, meine Damen und Herren? Am 1. April hat das Bundeskartellamt die Übernahme von Filialen von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka untersagt. Das Bundeskartellamt hat dies damals auch sehr dezidiert begründet, weil dies nach seiner Einschätzung zu erheblichen Verschlechterungen der Wettbewerbsbedingungen auf zahlreichen ohnehin schon stark konzentrierten regionalen Märkten im Großraum Berlin, München und Oberbayern sowie in Nordrhein-Westfalen geführt hätte. Wir diskutieren in diesem Hause und in den Ausschüssen gegenwärtig auch über das Vergaberecht und das Wettbewerbsrecht. Insofern ist, glaube ich, zunächst diese Entscheidung des Bundeskartellamtes zu akzeptieren, insbesondere deshalb, weil das Bundeskartellamt sehr selten zu solchen Einschätzungen auf dem Markt kommt. Was ist nach einer solchen Entscheidung zu tun? § 42 des GWB tritt in Kraft. Hier kann der Antragsteller dafür sorgen, dass eine entsprechende Ministererlaubnis gegeben wird. Der Minister kann sich mit seiner Entscheidung über die Entscheidung des Bundeskartellamts stellen. In diesem Fall wurde eine entsprechende Erlaubnis beantragt. Dies wurde mit dem Bericht der Monopolkommission am 3. August veröffentlicht. Die Monopolkommission hat in ihrem Gutachten ganz klar gesagt, dass die Gemeinwohlvorteile die Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufwiegen und dass auch fraglich ist, dass das Argument der Arbeitsplatzsicherheit – darauf möchte ich besonders hinweisen – so klar zugunsten von Edeka spricht. Die Länder und die Betriebsräte der betroffenen Standorte haben unterschiedliche Stellungnahmen abgegeben. Insofern kann man weder auf Arbeitgeberseite noch auf Gewerkschaftsseite von einer geschlossenen Front sprechen. Je nachdem, wie stark jemand betroffen ist, ist die Stellungnahme ausgefallen. Herr Schlecht, Sie haben in Ihrer Rede gesagt, dass es, wenn die Ministererlaubnis nicht gegeben wird, zu einer Zerschlagung von Kaiser’s Tengelmann kommen wird. Wie Sie zu einer solchen Einschätzung kommen, ist mir allerdings schleierhaft. Die Monopolkommission spricht davon, dass es, wenn die Ministererlaubnis nicht gegeben würde, dezentrale Vergaben in Teilpaketen geben könnte. Ich persönlich bin mir ganz sicher: Der Eigentümer von Kaiser’s Tengelmann wird dafür sorgen, dass es nicht zu einer Liquidierung kommt. Er wird sicherlich einen guten Preis für sein Unternehmen auf dem Markt erzielen wollen. Wenn das in Teilpaketen möglich ist, warum nicht? Wichtig für uns, die SPD, ist, dass die 16 000 Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann erhalten bleiben und dass sie in Zukunft in einem Verbund sogar stärker ausgebaut werden. Sie haben in diesem Zusammenhang von einem brutalen Konkurrenzkampf gesprochen. Dieser Kampf auf dem Markt bedeutet aber auch, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie insbesondere Menschen mit geringem Einkommen in Deutschland zu günstigen Preisen Lebensmittel erwerben können; das sollten Sie nicht verschweigen. Als Vorsitzender einer regionalen Tafel weiß ich, dass diese Möglichkeit vielen Menschen leider nicht eröffnet ist. Aus diesem Grunde muss auch die Kehrseite angesprochen werden. Wie geht es weiter? Egal wie der Minister entscheidet – das muss in der Debatte noch einmal gesagt werden –, Frau Staatssekretärin Zypries, er kann es nur falsch machen. Entweder gibt er die Ministererlaubnis – dann werden die Mitbewerber klagen –, oder er gibt sie nicht – dann geht das Spiel von vorne los. Noch einmal eine Klarstellung an dieser Stelle: Politisch haben wir keine Entscheidung zu treffen, egal wie viele Aktuelle Stunden Sie dazu noch beantragen werden. Das ist zwar hochinteressant für die Kunden und alle anderen, weil es um Arbeitsplätze geht. Wir werden sehen, wie es in den nächsten Wochen und Monaten weitergeht. Vielleicht wird uns der entsprechende Erlass unter den Weihnachtsbaum gelegt. Dann werden wir sehen. Ich bin jedenfalls sicher, dass wir uns noch einige Monate, wenn nicht sogar Jahre mit diesem Thema zu befassen haben. Herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Katharina Dröge, Bündnis 90/Die Grünen. Katharina Dröge (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! § 42 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen regelt zwar vieles nicht, was in der Debatte erwähnt wurde, wohl aber folgende zwei Sachverhalte: Der Minister darf dann eine Ministererlaubnis für eine Fusion erteilen, die bereits durch das Bundeskartellamt versagt wurde, wenn es entweder gesamtwirtschaftliche Vorteile gibt, die eine solche Fusion begründen, oder es ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gibt. Aus diesem überragenden Interesse der Allgemeinheit lässt sich ableiten, dass es sich um keine Hinterzimmerentscheidung, sondern um eine hochgradige politische Entscheidung handelt, die der Minister, der kein Richter, sondern ein politischer Beamter ist, treffen muss und über die wir diskutieren müssen. Das darf die Bundesregierung nicht einfach wegwischen, wie sie es in der Fragestunde getan hat. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Was haben Sie gemacht, Frau Zypries? Frau Zypries, wir haben Sie nicht danach gefragt, was Herr Gabriel tun wird, ob er die Ministererlaubnis erteilen wird oder ob er sie versagen möchte. Wir haben Sie zur Sache gefragt. Sie haben jede einzelne Frage dadurch weggewischt, dass Sie gesagt haben, Herr Gabriel prüfe die Ministererlaubnis. Sie haben noch nicht einmal auf die Frage antworten können, was denn grundsätzlich Allgemeinwohlgründe sein könnten, um eine Ministererlaubnis auszusprechen. Wenn die Bundesregierung noch nicht einmal über die Grundsätzlichkeit mit dem Parlament sprechen kann, obwohl das Gesetz regelt, dass diese Gründe diejenigen sind, die Herr Gabriel berücksichtigen muss, dann frage ich mich wirklich, ob Sie uns einfach nur für dumm verkaufen oder ob Sie sich der Debatte nicht stellen wollen. Ich glaube, Sie wollen sich der Debatte nicht stellen, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) weil Sie ganz genau wissen, dass die Gründe, die dafür sprächen, eine Ministererlaubnis auszusprechen, äußerst schlechte Gründe sind. Denn was wäre das Ergebnis, wenn diese Ministererlaubnis ausgesprochen würde? Noch mehr Marktmacht für Edeka, noch weniger Wettbewerb im Supermarktbereich, noch weniger Auswahl für die Verbraucher, noch mehr Druck auf die Erzeuger. Dann kommt das ganz wichtige Argument der Arbeitsplätze. Durch die Übernahme durch Edeka würde es im Bereich der Beschäftigten, die vorher bei Tengelmann gearbeitet haben, zu einem Verlust der Tarifbindung kommen. Es kommt zu einer Auflösung von Mitbestimmungsstrukturen. Schauen wir uns einmal an, was Edeka jetzt schon macht, nämlich das System der selbstständigen Kaufleute und die Löhne, die Edeka zahlt. Es ist genau das: Edeka umgeht die ordentlichen tariflichen Strukturen, die Wettbewerber wie beispielsweise Rewe immer noch haben. Deswegen haben auch die Vertreterinnen von Verdi in der Anhörung gesagt, dass sie sich gegen eine Ministererlaubnis aussprechen. Wir waren da. Verdi hat das ganz klar gesagt. Schauen Sie sich das Verhalten von Herrn Gabriel in dieser Anhörung an und wie er mit der Vertreterin von Verdi umgegangen ist. Er ist alles andere als das, was ich mir unter einem neutralen Richter vorstelle. Wenn ich in einem Gerichtsverfahren von einem Richter so angegangen worden wäre, wie Herr Gabriel die Verdi-Vertreterin angegangen hat, dann Halleluja. So stelle ich mir Gerichte in Deutschland nicht vor. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir haben jetzt viel über die Situation der Beschäftigten bei Tengelmann und darüber gesprochen, ob sie zu Edeka kommen. Wir haben noch nicht über die Beschäftigten der Wettbewerber gesprochen; denn wenn Edeka, das jetzt schon Marktführer im Bereich der Supermärkte ist, seine Marktmacht noch weiter ausbaut, dann hat das natürlich auch Beschäftigungseffekte auf die Wettbewerber und die Zulieferer. Deshalb ist es relevant, dass wir hier im Bundestag miteinander darüber reden und wir die Bundesregierung und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fragen, welche Beschäftigungseffekte sie erwarten, wenn man die Konzentration im Lebensmittelbereich erhöht. Diese grundsätzliche Aussage hätten Sie als Bundesregierung schon treffen können, und die hätten Sie als Bundesregierung treffen müssen. Wir diskutieren heute darüber, weil wir verhindern wollen, dass Herr Gabriel am 23. Dezember eben schnell einmal eine Entscheidung trifft, die er dann hoffentlich in der Weihnachtspause versenkt, wenn alle Journalisten in Urlaub sind und wir vor dem Weihnachtsbaum sitzen und nicht mitbekommen, dass Herr Gabriel Herrn Haub ein Weihnachtsgeschenk gemacht hat. Wenn man sich anschaut, wie Herr Haub agiert, dann stellt man fest, dass das nicht fürsorglich gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist eine Unterstellung!) Herr Haub versucht mit der Brechstange, einen Verkauf an Edeka durchzusetzen. Er hat die Angebote von Rewe und anderen Wettbewerbern einfach völlig ignoriert. (Marcus Held [SPD]: Das ist doch seine Sache! Er ist der Eigentümer!) Ich glaube, Herr Haub hat einfach einmal die Probe aufs Exempel gemacht, ob er die Regeln des Bundeskartellamts und der Monopolkommission außer Kraft setzen kann. Er möchte die Kraftprobe und zeigen, wie einflussreich er ist. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Einmal durchatmen!) Wenn Herr Gabriel diese Fusion genehmigt, dann ist das eine Lobbyentscheidung und nichts anderes. Das ist weder gut für den Wettbewerb noch gut für die Beschäftigten, die Verbraucherinnen und Verbraucher oder die Erzeuger. Deswegen kann ich nur an Sie appellieren: Versagen Sie diese Genehmigung! (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Als Nächstes hat die Kollegin Dr. Kristina Schröder, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass es bei einem Zusammenschluss von Kaiser’s Tengelmann und Edeka zu erheblichen Wettbewerbsbeschränkungen käme, und zwar sowohl aus Sicht der Verbraucher als auch aus Sicht der Lieferanten, darüber sind sich das Bundeskartellamt und die Monopolkommission einig. Aus Sicht der Verbraucher lässt sich das gut am Beispiel von Berlin illustrieren. In Berlin wie in ganz Deutschland teilen sich den Markt der Vollsortimenter im Grunde drei Unternehmen: Rewe, Kaiser’s und Edeka. In Berlin ist es so, dass Edeka einen Anteil von 25 bis 30 Prozent hat, aber auch Kaiser’s sehr stark ist und in einigen Bezirken einen Anteil von 20 bis 30 Prozent hat. Sie müssen diese Prozentzahlen nur zusammenzählen, damit Ihnen klar wird, was der Zusammenschluss zumindest in einigen Ballungszentren wie Berlin, wie Düsseldorf, wie München bedeuten würde. Was würde er aus Sicht der Lieferanten bedeuten? Da stellt die Monopolkommission mit bestechender Logik fest: Der Wegfall von Kaiser’s Tengelmann als Ausweichalternative wäre zumindest eine Verschlechterung für diejenigen Lieferanten, für die Kaiser’s Tengelmann eine Ausweichalternative ist. Hinzu kämen die Lieferanten, die bisher nur an Kaiser’s Tengelmann geliefert haben, bei Edeka aber nicht gelistet sind. Ob die bei Edeka unterkommen können – wahrscheinlich nur zu erheblich schlechteren Bedingungen –, das ist fraglich. Deswegen war auch das Votum des Bundeskartellamtes ganz eindeutig. Jetzt haben die betroffenen Unternehmen Edeka und Kaiser’s einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt. Im Zentrum steht das Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen. Aber auch hier ist die Monopolkommission skeptisch. Sie erwartet zumindest mittel- bis langfristig eher einen erheblichen Arbeitsplatzabbau, allein schon deswegen, weil es bei solchen Zusammenschlüssen ja auch Rationalisierungseffekte geben soll, die dann erfahrungsgemäß eher zu einem Abbau von Arbeitsplätzen führen. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die Gesamtbetrachtung der Argumente sollte uns skeptisch machen. Kaiser’s Tengelmann ist hoch defizitär. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als Sanierungsfall. Der Zusammenschluss soll ermöglichen, dass alle Arbeitsplätze erhalten bleiben oder zumindest Alternativarbeitsplätze angeboten werden. Und: Die Lieferanten sollen keine nennenswerten Nachteile haben. Also auch hier würde es für das neue Unternehmen keine Möglichkeit geben, Kosten zu senken. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da stellt sich doch schon die Frage, warum Edeka für so ein Gesamtpaket 250 Millionen Euro auf den Tisch legen soll. Bei der Anhörung im Bundeswirtschaftsministerium Mitte November gab es erhebliche Zweifel an der Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung; denn die Frage ist, ob die Dinge, die dort geregelt werden sollen, auch wirklich dort geregelt werden können, und zwar wirksam. Die Vertreterin von Verdi hat entsprechend betont, dass das Übergangsszenario keinerlei Gewähr für den Erhalt bestehender Arbeitsplätze oder auch bestehender Arbeitsbedingungen bietet. Sie bedürfen einer tarifvertraglichen Absicherung. Es gibt eine weitere Frage, die ich mir stelle. Der Erhalt von Arbeitsplätzen ist ein hohes Gut. Aber ist er wirklich nur durch den beabsichtigten Zusammenschluss realisierbar? Ich finde, durch die Argumentation von Kaiser’s zieht sich so eine seltsame Alternativlosigkeit. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wo ist der Begriff bloß her?) Rewe beteuert, man habe ja Interesse, aber man habe nie eine Chance gehabt. Auch die Gesamtlösung mit mehreren Erwerbern scheint mir nicht wirklich vorbehaltlos diskutiert worden zu sein. Daher frage ich mich schon, ob die Voraussetzung für eine Ministererlaubnis – dass nämlich nur so eine Arbeitsplatzsicherung möglich ist – auch wirklich gegeben ist. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Damit, meine Damen und Herren, sind wir bei der Ministererlaubnis. 21 Anträge auf eine Ministererlaubnis gab es in der Geschichte der Bundesrepublik. In den meisten Fällen war das Votum der Monopolkommission abschlägig. Die Unternehmen haben daraufhin den Antrag zurückgezogen, oder der Minister hat sich an das Votum der Monopolkommission gehalten und die Erlaubnis nicht erteilt. Es gab nur vier Fälle, in denen sich die Monopolkommission gegen den Zusammenschluss ausgesprochen hat und der Minister dennoch die Erlaubnis erteilt hat, dann aber in drei Fällen mit Auflage. In nur einem einzigen Fall in der Geschichte der Bundesrepublik hat sich der Minister wirklich komplett gegen das Votum der Monopolkommission gestellt und die Erlaubnis dennoch erteilt; das war 1974. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der behutsame Umgang mit der Ministererlaubnis zeigt, dass die bisherigen Minister das Kartellrecht und auch die Expertise der Monopolkommission sehr ernst genommen, sehr respektiert haben. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Sie müssten jetzt zum Schluss kommen. Dr. Kristina Schröder (Wiesbaden) (CDU/CSU): Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Für eine Ministererlaubnis, gar eine uneingeschränkte, gegen das Votum der Monopolkommission müssten daher sehr gewichtige und auch empirisch nachvollziehbare Gründe vorliegen, die gar nicht erst den Verdacht aufkommen lassen, Popularitätserwägungen hätten hier eine Rolle gespielt. Ich bin mir sicher, dass unser Minister sich der Bedeutung dieser Entscheidung bewusst ist. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt die Kollegin Waltraud Wolff das Wort. (Beifall bei der SPD) Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich frage mich die ganze Zeit, was die Grünen eigentlich bewogen hat, heute zu diesem Thema eine Aktuelle Stunde zu beantragen. (Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die Regierung unsere Fragen nicht beantwortet hat!) Ein Grund ist: Die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben das Parlament, was Sie sonst am Mittwoch um diese Uhrzeit nicht erleben würden. Aber jetzt zum Ernst der Lage. Wir reden über eine Marktangelegenheit. Wir reden darüber, dass Bundeskartellamt und Monopolkommission die Aufsicht führen. Wir reden darüber – das wissen wir; das haben wir schon beredet –: Alle haben abgelehnt. Wir reden darüber, dass der Bundesminister für Wirtschaft nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 42, die Möglichkeit einer Ministererlaubnis hat. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist doch schön, wenn wir mal darüber reden!) – Ja, das tun wir doch. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen beantragen wir es!) Sie haben es beantragt. Das sind die Fakten, und der wichtigste Fakt, meine Damen und Herren, ist, dass wir als Parlament darüber philosophieren können, in epischer Breite, aber nichts, gar nichts zu entscheiden haben. (Beifall bei der SPD – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Minister hört es hoffentlich!) Meine Damen und Herren, ich lebe in einer Kleinstadt, die heißt Wolmirstedt. Wir haben 11 000 Einwohner, und es gibt acht große Supermärkte. Für den neunten ist eine Anfrage gestellt. – Das ist bloß ein Beispiel. – Was heißt das? In ganz Deutschland wächst die Quadratmeterzahl an Einkaufsfläche pro Kopf stetig, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel. Daneben sinken aber die Mitarbeiterzahlen. Wer zieht den Kürzeren dabei? Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. (Michael Schlecht [DIE LINKE]: Genau!) Wir erleben ungebrochen Lohn- und Preisdumping. Am Problem der ganzen Branche und am Verdrängungswettbewerb ändert sich nichts. Auch eine Ministererlaubnis ändert daran nichts. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Es gab am 16. November die mündliche Verhandlung. Der Verkauf von Tengelmann an Edeka zeigt einmal mehr, dass dieser Preiskampf zu einer weltweit einmaligen Marktkonzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel geführt hat. Und: Der Preiskampf wird nicht nur an der Supermarktkasse geführt, sondern er wird auch bei den Erzeugern geführt – wir haben es gehört: das geht bis hin zu den Erzeugern auch in den Entwicklungsländern –, (Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar!) und er wird auch auf dem Lohnzettel der Beschäftigten im In- und Ausland geführt. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen ist Wettbewerb wichtig!) Aber, meine Damen und Herren, wie schwierig die Entscheidung ist, zeigt die Tatsache, dass weder die Gewerkschaften noch die Betriebsräte zu einer einhelligen Meinung kommen. Was uns allen hier wichtig ist – das habe ich überall gehört –, ist der Erhalt der Arbeitsplätze. Der hat natürlich auch einen großen gesellschaftlichen Nutzen; wir reden hier von 16 000 Mitarbeitern. Allesamt haben Angst um ihren Job, und sie erwarten natürlich die Sicherheit, dass ihre Arbeitsplätze erhalten werden, wenigstens für einen gewissen Zeitraum. Das ist auch das Ziel des Gesamtbetriebsrats, wie er in der Anhörung gesagt hat. Die Sorge um die Arbeitsplätze ist in jedem Fall berechtigt, egal ob es zum Verkauf kommt oder nicht. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Auch bei einer Gesamtübernahme würden Arbeitsplätze vakant werden, weil Verwaltungen zusammengelegt würden, weil es in der Zukunft nicht mehr so viele Läger geben würde usw. Von daher ist das schon eine wichtige Frage, und es wird nicht dabei bleiben. Nicht alles bleibt so, wie es ist. Frau Andreae, Ihre Frage nach der Marktbeherrschung am Anfang der Debatte, Ihre Frage danach, ob wir eine weitere Konzentration wollen, stellt sich doch gar nicht mehr. Der Lebensmitteleinzelhandel ist aufgeteilt, und ob der Anteil von Edeka um 0,6 Prozent wächst oder nicht, ist doch völlig egal. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat doch Frau Schröder gerade deutlich gesagt: Da gibt es Unterschiede!) Wir müssen für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an einer ganz anderen Stelle den Stier bei den Hörnern packen. Im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, § 42 Absatz 2, steht, dass die Ministererlaubnis an Bedingungen geknüpft werden kann. Wenn es zu einem Ja käme, hätte ich drei Vorschläge: Erstens. Edeka sollte dazu bewegt werden, sich zu einem festen Übernahmezeitraum zu verpflichten. Ich werfe einfach einmal drei Jahre in den Raum. Das gäbe Sicherheit. Zweitens. Wir brauchen einen Flächentarifvertrag. Die Tarifflucht muss ein Ende haben. (Beifall bei der SPD) Diese Ministererlaubnis gäbe uns wirklich die Chance, hier einen vernünftigen Schritt weiterzukommen. Mein dritter Vorschlag ist: Edeka sollte sich verpflichten, eine vernünftige Mitbestimmungsstruktur einzurichten. Wir kennen das von der Telekom und von der Bahn. Ich habe K+S bei mir. Dort gibt es Mitbestimmung bis ins Letzte, vom Konzernbetriebsrat bis zum kleinsten Glied. Auch die Kolleginnen und Kollegen, die bei Einzelhändlern der großen Ketten arbeiten, hätten dann eine Chance, mitzubestimmen. Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Das ist ein wunderbares Schlusswort gewesen, Frau Wolff. Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Ja. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Antwort, was den Beschäftigten hilft, sind Ordnung auf dem Arbeitsmarkt, der Mindestlohn, den wir eingeführt haben, und die Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeit und Werkverträgen. Ich gehe davon aus, Frau Präsidentin, dass der Bundeswirtschaftsminister die Ratschläge, die ich ihm mit auf den Weg gebe, sowieso schon selbst im Kopf hat und bedacht hat. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Sonst nimmt die Frau Staatssekretärin das Mikro in die Hand. – Jetzt hat erst einmal der Kollege Axel Knoerig, CDU/CSU-Fraktion, das Wort. (Beifall bei der CDU/CSU) Axel Knoerig (CDU/CSU): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Bundeskartellamt hat Edeka untersagt, 451 Filialen von Kaiser’s Tengelmann zu übernehmen. Deshalb haben die beiden Lebensmittelkonzerne einen Antrag auf Ministererlaubnis gestellt. Derzeit prüft das Wirtschaftsministerium die Möglichkeit einer Fusion. Wir wissen sehr wohl, dass das ein Spagat juristischer und politischer Art ist. Entscheidend sind die Aspekte des Wettbewerbsrechts und des Gemeinwohls, und die müssen entsprechend gewichtet werden. Edeka ist Marktführer im Einzelhandel. Die Zahlen sind genannt worden: Edeka hat einen Anteil von 37 Prozent, deutlich vor Rewe. Im vergangenen Jahr erzielte Edeka einen Umsatz von über 47 Milliarden Euro. Zu Edeka gehören 11 500 Märkte und über 336 000 Mitarbeiter in Deutschland. Tengelmann hat lediglich einen Umsatz von knapp über 2 Milliarden Euro erwirtschaftet – das ist eine große Diskrepanz: 47 zu 2 Milliarden Euro – und hat einen Marktanteil von 0,5 Prozent. Von der geplanten Übernahme sind 16 000 Arbeitsplätze betroffen. Edeka hat zugesagt, sehr viele von diesen Arbeitsplätzen zu sichern. Die Gewerkschaften haben gesagt, dass womöglich ein Verlust von 4 000 bis 8 000 Stellen zustande kommt, und haben deswegen keine Übernahmeempfehlung ausgesprochen. Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist ein wichtiges Argument zur Abwägung. Wir sollten dabei auch Beschäftigungseffekte berücksichtigen, die durch einen Verkauf an andere Interessenten möglich sein könnten. Bei einem Verkauf an Rewe oder Norma beispielsweise wäre es kartellrechtlich leichter, dies umzusetzen, weil hier weniger Marktmacht vorhanden ist. Auch das ist eine Entscheidungsvariante. Es ist sehr wohl auch die regionale Konzentration im Hintergrund zu sehen, wenn 4 000 Tengelmann-Märkte in den Metropolregionen wie München, Berlin und Düsseldorf dann einen Marktanteil erreichen, der allein bei Tengelmann bis zu 30 Prozent in den großen Städten beträgt. Dann würde eine Fusion mit Edeka sicherlich Wettbewerbsbedingungen verändern. Gerade vor dem Hintergrund, dass ich aus dem ländlichen Raum komme, möchte ich betonen, dass wir vor allen Dingen auch Versorgungsstrukturen im Einzelhandel erhalten möchten. Marktstrukturen, die auf dem Land wegbrechen, sind kaum wiederherzustellen. Dies hat das Beispiel Schlecker gezeigt. Ein wesentliches Kriterium ist, dass die Entscheidungsfindung heute sehr stark durch das Internet bedingt ist. Im Onlinehandel wird der Warenkorb am Bildschirm gefüllt und nicht mehr im Geschäft vor Ort. Ein Beispiel aus meinem ländlich strukturierten Wahlkreis Diepholz-Nienburg: Dort hat in einem Dorf ein Feinschmeckerrestaurant eröffnet, das französische Küche anbietet. Die Lebensmittel werden von dem Jungunternehmer Detert online bestellt und täglich aus Paris geliefert. Das zeigt: Die Konkurrenz im Einzelhandel ist nicht länger lokal oder regional, sondern vielmehr international. Wir müssen deshalb unser analoges Kartellrecht dem digitalen Wandel anpassen. Dazu ist gerade § 18 Absatz 3 und 4 GWB zu ändern. Vor diesem Hintergrund empfehle ich uns als Vertreter der sozialen Marktwirtschaft: Vertrauen wir auf den Markt. Im Internetzeitalter ist selbst bei großen Konzernen keine dauerhafte Marktführerschaft sicher. Selbst eine starke Stellung im Einzelhandel ist bestreitbar und somit weit weniger gefährlich. Insofern sind beide Varianten möglich: der Verkauf von Anteilen an kleinere Konzerne wie Rewe oder Norma oder die Fusion mit Edeka, die der Minister ruhigen Gewissens erteilen kann. Er dient damit dem Wettbewerb, insbesondere in einem europäischen Kontext – ich denke hier an E-Commerce, den Onlinehandel –, sowie dem Sozialen durch Arbeitsplatzsicherung. Eins, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nicht passieren: dass Tengelmann pleitegeht und damit alle Arbeits- und Mietverträge verloren gehen. Deswegen ist ein geordneter Übergang mit anderen Firmen immer besser, was bei Schlecker, wie vorhin ausgeführt wurde, nicht möglich gewesen ist. Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Ingbert Liebing, CDU/CSU-Fraktion. (Beifall bei der CDU/CSU) Ingbert Liebing (CDU/CSU): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf mich als letzten Redner in dieser Debatte kommt es nun zu, ein Fazit zu ziehen. Schön, wenn man das letzte Wort in einer Debatte hat. Die Debatte hat gezeigt, dass wir über ein komplexes Thema sprechen, aber mit Sicherheit nicht über eine politische Entscheidung. Der Minister ist mit seiner Ministerentscheidung an Recht und Gesetz gebunden. Wir können darüber diskutieren, aber es ist keine politische Entscheidung; es entzieht sich von daher unserer Entscheidung. Insofern ist es leicht, darüber zu reden und zu diskutieren, weil man am Ende nicht die Verantwortung für die Entscheidung zu tragen hat. Diese Entscheidung trägt der Minister, für die er sich öffentlich, auch gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch uns gegenüber, zu rechtfertigen hat. (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nur fünf Minuten! Nicht so viel Zeit verplempern!) Insofern finden darüber auch Debatten statt. Es kann aber keine politische Entscheidung, erst recht keine politische Willkürentscheidung in dieser Frage geben, (Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!) weder in die eine Richtung: „Ich tue etwas für meine Edeka-Märkte und rede für sie“, noch in die andere Richtung: „Ich will das nicht; diese Marktkonzentration passt mir nicht“. Vielmehr geht es um klare Kriterien. Aus meiner Sicht geht es – das hat auch die Debatte gezeigt – um zwei Leitplanken. Die eine Leitplanke ist die sachliche Erwägung, die die Kartellbehörde und die Monopolkommission vorgenommen haben. Das ist schlichtweg eine Tatsache, über die wir gar nicht mehr streiten müssen. Eine Fusion würde zu einer weiteren Marktkonzentration führen. Wenn Kartellbehörde und Monopolkommission zu dem Ergebnis kommen, dass diese weitere Marktkonzentration nicht verträglich ist, dann ist auch das ein Faktum, das sich einer politischen Bewertung entzieht. Das ist die eine feststehende Leitplanke, an der ein Minister nicht vorbeikommt. Die Auswirkungen auf den Wettbewerb – schon heute haben wir eine hohe Konzentration im Markt –, die Auswirkungen auf die Einkaufspreise, die Auswirkungen auf die Produzenten – die Landwirtschaft ist in dieser Debatte schon genannt worden –: Das alles sind Fakten, die die Kartellbehörde und die Monopolkommission in ihre Stellungnahmen bereits einbezogen haben. Insofern ist dies ein Faktum, das feststeht. Nur weil es dieses Faktum – die Ablehnung durch die Kartellbehörde und die Stellungnahme der Monopolkommission – gibt, kommt es überhaupt zu diesem Verfahren der Ministerentscheidung. Der Minister entscheidet ja nicht über alles, sondern nur dann, wenn wir diese Tatsachen schon vorliegen haben. Das ist eine wesentliche Grundlage. Aber es gibt auch eine zweite Leitplanke, und das ist die Abwägung dieser feststehenden Fakten mit Gründen des Allgemeinwohls. Kann es andere Gründe des Allgemeinwohls geben – darüber haben wir rauf und runter trefflich gestritten –, die den Minister zu einer anderen Entscheidung führen als Kartellbehörde und Monopolkommission? Es ist deutlich geworden – das ist auch meine persönliche Erwartungshaltung –, dass es schon sehr schwer wiegende Argumente des Allgemeinwohls sein müssen, wenn man sich über die Fakten, die die Kartellbehörde und die Monopolkommission festgestellt haben, hinwegsetzen will. Im Mittelpunkt steht dabei die Betrachtung der Arbeitsplätze. Aber auch das hat die Debatte gezeigt: dass dieses Thema – Erhalt von Arbeitsplätzen – kein leichtes Thema ist, dass es keine eindeutige Antwort auf die Frage gibt: Bei welcher Lösung werden mehr Arbeitsplätze gesichert oder gefährdet – bei der Fusion oder bei der Verweigerung der Fusion? Um eine Antwort zu finden, müssen wir eine Gesamtbetrachtung anstellen, also nicht nur auf die Arbeitsplätze bei Tengelmann schauen, sondern auch die Folgewirkungen auf den Markt, auf die Wettbewerber, auf die Produzenten mit einbeziehen. Auch das wird der Minister in seiner Gesamtabwägung tun müssen. Denn es geht um eine Störung des Marktgefüges; das ist die Feststellung der Kartellbehörde und der Monopolkommission. Insofern ist es keine leichte Abwägung, die der Minister – nicht wir – treffen darf und muss. Wir können trefflich darüber streiten, aber der Minister muss die Abwägung treffen; bei ihm liegt die Verantwortung. Die Hürde für eine Zustimmung liegt sehr hoch. Kollegin Schröder hat sehr deutlich herausgearbeitet, wie verantwortungsvoll mit diesem Instrument in der Vergangenheit umgegangen wurde. Zum Abschluss kann ich jedenfalls für mich persönlich und für meine Fraktion feststellen: Es ist nicht selbstverständlich, dass wir als Unionsabgeordnete hohes Zutrauen zu Herrn Gabriel als SPD-Vorsitzenden haben; (Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Was? – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warum das denn?) aber wir haben höchstes Zutrauen zu ihm als unserem Minister für Wirtschaft und Energie, (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sehr gut! – Marcus Held [SPD]: Das haben wir nicht anders erwartet!) dass er in dieser Sachfrage klug abwägen wird und in diesem Rahmen hoffentlich auch eine entsprechend kluge Entscheidung treffen wird. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU) Vizepräsidentin Ulla Schmidt: Vielen Dank. – Kollege Liebing hat schon darauf hingewiesen, dass er der letzte Redner in der Aktuellen Stunde war. Wir sind nicht nur hier am Ende angelangt, sondern auch am Schluss unserer heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen, Donnerstag, den 3. Dezember 2015, 9 Uhr, ein. Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen Resttag. (Schluss: 16.36 Uhr) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bareiß, Thomas CDU/CSU 02.12.2015 De Ridder, Dr. Daniela SPD 02.12.2015 Freitag, Dagmar SPD 02.12.2015 Gabriel, Sigmar SPD 02.12.2015 Gleicke, Iris SPD 02.12.2015 Grindel, Reinhard CDU/CSU 02.12.2015 Gunkel, Wolfgang SPD 02.12.2015 Jantz, Christina SPD 02.12.2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 02.12.2015 Lach, Günter CDU/CSU 02.12.2015 Lagosky, Uwe CDU/CSU 02.12.2015 Lamers, Dr. Karl A. CDU/CSU 02.12.2015 Lezius, Antje CDU/CSU 02.12.2015 Mortler, Marlene CDU/CSU 02.12.2015 Nahles, Andrea SPD 02.12.2015 Nouripour, Omid BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 02.12.2015 Pronold, Florian SPD 02.12.2015 Schmitt, Ronja CDU/CSU 02.12.2015 Schnieder, Patrick CDU/CSU 02.12.2015 Spinrath, Norbert SPD 02.12.2015 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 02.12.2015 Wicklein, Andrea SPD 02.12.2015 Anlage 2 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 1): Hat die Bundesregierung einem NATO-Beschluss (Berliner Morgenpost vom 23. November 2015, „Geheimbericht”) zu stärkerer Unterstützung des afghanischen Militärs zugestimmt, wonach durch die Ausweitung des NATO-Mandats Resolute Support unter anderem NATO-Ausbilder wieder direkter in dortigen Krisenregionen eingesetzt werden und diese Truppen ins Gefecht begleiten sollen, in dem die Ausbilder bei Beschuss durch NATO-Luftangriffe geschützt werden sollen, und wird die Bundesregierung diesem Vorhaben auch auf dem NATO-Außenminister-Treffen am 1. und 2. Dezember 2015 in Brüssel zustimmen mit der Folge, dass dadurch nach meiner Auffassung auch Bundeswehrsoldaten vor allem als Ausbilder bzw. Berater afghanischer Truppen erhöhter Gefahr ausgesetzt würden, künftig in Kampfhandlungen verwickelt, verletzt oder getötet zu werden? Die NATO hat keinen Beschluss gefasst – weder geheim noch öffentlich –, Ausbilder der Mission Resolute Support verstärkt afghanische Truppen ins Gefecht begleiten zu lassen. Die Ausbildung und Beratung der afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte erfolgt auf Ebene der Armeekorpsführung und der vergleichbaren Polizeizonen. Nur bei Spezialkräften ist Ausbildung und Beratung auf taktischer Ebene nach NATO-Beschlusslage grundsätzlich möglich. Für den Einsatz deutscher Truppen ist das Mandat des Bundestags maßgeblich. Darin ist eine Begleitung der taktischen Ebene nicht vorgesehen. Dies gilt sowohl für das laufende Jahr, als auch für den Entwurf für das nächste Jahr, den wir diese Woche beraten werden. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 2): Kann die Bundesregierung den Stand ihrer Bemühungen darstellen, die Handels- und Versorgungswege des „Islamischen Staates“ (IS) zu unterbrechen und insbesondere den illegalen Ölhandel aus dem Gebiet des IS zu unterbinden? Die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung als zentrales Element im Kampf gegen den internationalen Terrorismus kann nur durch enge regionale und internationale Zusammenarbeit erfolgreich sein. Um die Handels- und Versorgungswege des IS/Da'isch zu unterbrechen und insbesondere den illegalen Ölhandel aus dem Gebiet des IS zu unterbinden, engagiert sich Deutschland deshalb aktiv in den zuständigen internationalen Gremien, wie der Financial Action Task Force, der EU sowie in den G20 und den G7 und durch Umsetzung der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Auch als Mitglied der Anti-IS/Da'isch-Koalition beteiligt sich Deutschland aktiv an der Arbeitsgruppe der Koalition gegen Terrorismusfinanzierung. An dieser Arbeitsgruppe sind auch Staaten aus der Region beteiligt, auf deren Zusammenarbeit es besonders ankommt. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage des Abgeordneten Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 3): Kann die Bundesregierung den Stand ihrer Bemühungen darstellen, die Zufuhr an Waffen nach Syrien und insbesondere an den IS zu unterbinden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass weiterhin Waffenexporte aus Deutschland in die Region stattfinden und genehmigt werden? Syrien unterliegt einem nationalen Embargo für Rüstungsgüter. Der sogenannte „Islamische Staat“ erhielt nach Einschätzung der Bundesregierung vor allem Waffen durch die Eroberung von Rüstungsdepots der irakischen Regierung und des syrischen Regimes im letzten Jahr, hierzu in geringem Maße über den Schwarzmarkt. Dass der „Islamische Staat“ in Einzelfällen Waffen gegnerischer Kämpfer erbeutet, ist nicht zu verhindern. Die Bundesregierung verfolgt eine zurückhaltende, verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik. Wir haben keine Hinweise dafür, dass in die Region gelieferte Rüstungsgüter unter Verstoß gegen Endverbleibserklärungen an in Syrien kämpfende Gruppen geliefert wurden. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 4): Wie äußert sich die Bundesregierung zu Vorwürfen, denen zufolge auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union Erdöl aus den Schmuggelgeschäften der Terrororganisation Da'isch („Islamischer Staat“) kaufen und/oder bei diesen Geschäften helfen, wie dies die EU-Botschafterin im Irak, Jana Hybaskova, bereits im September 2014 vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments erklärt hatte, und was will die Bundesregierung im Rahmen der EU dagegen unternehmen? Die Mitgliedstaaten der EU kaufen kein Öl bei IS/Da'isch oder handeln damit. Behauptungen der EU-Botschafterin im Irak, Jana Hybaskova, vor dem Auswärtigen Ausschuss des Europäischen Parlaments, dass auch Mitgliedstaaten der Europäischen Union Erdöl aus den Schmuggelgeschäften der Terrororganisation IS/Da'isch kaufen und/oder bei diesen Geschäften helfen, werden von der Bundesregierung nicht kommentiert oder bewertet. Weder die EU noch einzelne Mitgliedstaaten haben diese Behauptungen kommentiert, da es sich um persönliche Äußerungen handelte, die nicht belegt worden sind. Zur Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung engagiert sich Deutschland aktiv in den zuständigen internationalen Gremien, neben der EU in der Financial Action Task Force, durch Umsetzung der einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in G7 und G20 sowie als Mitglied der Anti-IS/Da'isch-Koalition. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Heike Hänsel (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 5): Über welche Schmuggelrouten werden die Erdölgeschäfte der Terrororganisation Da'isch („Islamischer Staat“) nach Kenntnissen der Bundesregierung getätigt? Der Bundesregierung liegen zu konkreten Schmuggelrouten des IS/Da'isch bezüglich Erdöl oder -gas keine gesicherten Erkenntnisse vor. Es ist jedoch bekannt, dass der IS das Öl und Gas üblicherweise an Mittelsmänner verkauft, die dieses wiederum sowohl an das Regime in Syrien, sonstige Nachbarstaaten sowie andere verfeindete Rebellengruppen weiterveräußern. Bei den Mittelsmännern handelt es sich in der Regel um Mitglieder der Organisierten Kriminalität, die von großen einflussreichen kriminellen Netzwerken gesteuert werden und die weitgehend autonom vom IS und ausschließlich profitorientiert agieren. Darüber hinaus soll das Öl teilweise über kurdische Zwischenhändler zusammen mit Öl aus den kurdischen Autonomiegebieten aus etablierten Schmuggelkanälen nach Iran und in geringer Menge in die Türkei und nach Jordanien verbracht worden sein. Der Umfang dieser Aktivitäten dürfte allerdings stark abgenommen haben, da die Ölproduktion in IS-kontrollierten Gebieten durch Geländeverluste des IS und die zuletzt intensivierten Luftangriffe gegen den IS stark gesunken ist. Der weit überwiegende Teil der IS-Ölproduktion dürfte mittlerweile für die Versorgung in den vom IS kontrollierten Gebieten verbraucht werden. Für den illegalen Handel dürfte nur noch ein kleiner Teil des geförderten Öls zur Verfügung stehen. Anlage 7 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 6): Sieht die Bundesregierung die Europäische Union nach der Aktivierung der militärischen Beistandsklausel im Krieg? Artikel 42 Absatz 7 des Vertrags über die Europäische Union sieht ausdrücklich vor, dass im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats die anderen Mitgliedstaaten ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, schulden. Dabei handelt es sich um jedwede Art der Hilfe, nicht nur um militärische Unterstützung. Anlage 8 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 7): Wie begründet es die Bundesregierung, dass das Auswärtige Amt infolge der Aktivierung der militärischen Beistandsklausel von einer „allgemeinen Rechtspflicht“ ausgeht und gleichzeitig behauptet, es handele sich lediglich um eine „politische Willenserklärung“ (Bericht der Bundesregierung über die außenpolitischen Konsequenzen aus den Ereignissen vom 13. November 2015 in Paris im Auswärtigen Ausschuss sowie im Europaausschuss des Deutschen Bundestages)? Gemäß Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags schulden die anderen Mitgliedstaaten im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, ihm alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung, im Einklang mit Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen, zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich hierbei um eine Beistandspflicht aus dem EU-Vertrag. Es gibt jedoch einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Inhalts des zu leistenden Beistands. Unser Beistand ist ein deutliches politisches Signal: Wir unterstützen Frankreich in seinem Kampf gegen den Terror, einen Terror, der gegen uns alle gerichtet ist. Anlage 9 Antwort des Staatsministers Michael Roth auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 10): Mit welchem Ergebnis hat die Bundesregierung bei welchen israelischen Stellen zum Schutz und zu der Freilassung der mit deutschen Organisationen verbundenen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in den palästinensischen Gebieten interveniert, von denen einer nach mir vorliegenden Informationen im Auftrag des Ökumenischen Begleitdienstes EAPPI in Hebron eingesetzt war und wegen konkreter Bedrohungen durch israelische Siedler zu seinem Schutze abgezogen worden ist und zwei weitere Opfer von gewaltsamen und überfallartigen Verhaftungen durch den israelischen Geheimdienst bzw. das Militär geworden sind – konkret der Mitarbeiter der gewaltfreien ZFD-Partnerorganisation YAS, Mohammed Zoghour, am 28. Oktober 2015 und außerdem der Mitarbeiter der gewaltfreien ZFD-Partnerorganisation PSCC Nablus, Wa’el al-Faqeeh, am 25. Oktober 2015 durch das israelische Militär? Das Auswärtige Amt und das Vertretungsbüro Ramallah haben regelmäßigen Kontakt mit dem Ökumenischen Begleitdienst EAPPI. In diesem konkreten Fall wurden in Hebron Aushänge gefunden, die einen EAPPI-Mitarbeiter im Bild zeigen und eine indirekte, aber unmissverständliche Gewaltandrohung enthalten. Dies ist eine neue Form der Bedrohung durch radikale Siedler, die die Bundesregierung sehr ernst nimmt. Nach Bekanntwerden dieser Aushänge haben das Verbindungsbüro in Ramallah und die Botschaft Tel Aviv sofort mit den israelischen Behörden Kontakt aufgenommen. Das Auswärtige Amt hat die israelische Botschaft kontaktiert, und wir haben um Schutz des Betroffenen sowie um Unterstützung bei der Strafverfolgung der Täter gebeten. Die Aushänge sind nach Kenntnis des Auswärtigen Amtes kurze Zeit nach Bekanntwerden wieder entfernt worden. EAPPI entschied sich, den Mitarbeiter an einem anderen Ort der Westbank einzusetzen. Der Fall der beiden palästinensischen Mitarbeiter der Partnerorganisationen des Zentralen Friedensdienstes (ZfD) YAS und PSCC Nablus wird vom Verbindungsbüro in Ramallah aufmerksam verfolgt. Herr Zoghour befindet sich nach Kenntnis der Bundesregierung wieder auf freiem Fuß. Nach Bekanntwerden der Verhaftungen wurden die europäischen Partner informiert. Die Bundesregierung wird die Verfahren weiter beobachten. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 11): In wie vielen Fällen haben nach Kenntnis der Bundesregierung deutsche Behörden seit Anfang des Jahres 2015 eine Ausschreibung nach Artikel 36 Absatz 3 des SIS-II-Beschlusses (SIS: Schengener Informationssystem) veranlasst, und welche Maßnahmen wird die Bundesregierung treffen, um sicherzustellen, dass die deutschen Behörden „systematisch Daten über mutmaßliche ausländische terroristische Kämpfer in das SIS II – insbesondere nach Artikel 36 Absatz 3 – eingeben (und) Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen in Bezug auf die Nutzung des SIS durchführen” (Schlussfolgerungen des Rates der Europäischen Union vom 20. November 2015)? Die Gesamtzahl der veranlassten Ausschreibungen wird nicht erhoben. Abgefragt werden kann lediglich der Bestand. Die vom Bundeskriminalamt (SIRENE Deutschland) ausgewerteten Ausschreibungszahlen im SIS II gemäß Artikel 36 Absatz 3 SIS-II-Ratsbeschluss belaufen sich auf: – Stand 1. Januar 2015: 845 Ausschreibungen; – Stand 27. November 2015: 1 265 Ausschreibungen. Nicht enthalten in den Zahlen sind Ausschreibungen, – welche hinter einer höherwertigeren, deutschen SIS-Ausschreibung zurückstehen (zum Beispiel: verdeckte Registrierung hinter Festnahme); – die im Laufe des Jahres eingeleitet wurden, inzwischen durch Fristablauf oder aus anderen Gründen gelöscht wurden. Die in den Ratsschlussfolgerungen geforderten Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen werden durchgeführt. Die Bedarfsträger werden anlassbezogen über die zuständigen Gremien über Veränderungen und Neuerungen informiert. Darüber hinaus erfolgen Schulungsmaßnahmen bei den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden. Zudem finden annähernd arbeitstäglich telefonische Beratungen der zuständigen in- und ausländischen Polizeibehörden sowie der Nachrichtendienste in diesem Kontext statt. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 12): In wie vielen Fällen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung seit Juli 2015 Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Beihilfe zum Verstoß gegen Meldepflichten (§§ 85 Nummer 1, 50 Absatz 6 des Asylgesetzes – AsylG –, § 27 des Strafgesetzbuches – StGB), der Beihilfe zum Verstoß gegen räumliche Beschränkungen (§§ 85 Nummer 2, 56, 59 b Absatz 1 AsylG, § 27 StGB), der Beihilfe zum Verstoß gegen Wohnsitzauflagen (§§ 85 Nummer 3, 60 Absatz 2 Satz 1 AsylG, § 27 StGB) und der Beihilfe zum illegalen Aufenthalt (§§ 95 Absatz 1 Nummer 3, 14 Absatz 1 Nummern 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG –, § 27 StGB) gegen Menschen eingeleitet, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagieren, und was wird die Bundesregierung unternehmen, um die Kriminalisierung von Ehrenamtlichen in der Flüchtlingsarbeit in der gegenwärtigen Situation und auf Dauer zu verhindern? Die Anzahl der Ermittlungsverfahren ist der Bundesregierung nicht bekannt. In der Polizeilichen Kriminalstatistik werden die einzelnen strafbaren Handlungen nach § 85 des Asylgesetzes in einem Summenschlüssel – Nummer 725520 – erfasst. Ebenso werden strafbare Handlungen nach § 95 des Aufenthaltsgesetzes in einem Summenschlüssel – Nummer 725100 – erfasst. Eine weitergehende Differenzierung, wie sie der Fragesteller vornimmt, erfolgt bei der Erfassung in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht. Auch in der Staatsanwaltschaftsstatistik werden die mit der Frage erbetenen Daten nicht erfasst. Die genannten Vorschriften dienen der Sicherung der staatlichen Steuerungsmöglichkeit im Bereich Migration. Der besonderen Situation ehrenamtlicher Helfer kann durch die Justizbehörden im Rahmen des Opportunitätsprinzips hinreichend Rechnung getragen werden. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 13): Was ist der Grund dafür, dass Asylanträge mit geringen Erfolgsaussichten nicht bereits im Rahmen der geltenden Gesetze innerhalb einer Wochenfrist durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge entschieden werden (bitte so konkret wie möglich ausführen; vergleiche hinsichtlich sich anschließender Gerichtsverfahren auch § 36 Asylgesetz), und wie ist nach Kenntnis der Bundesregierung die gegenwärtige Praxis in den „Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen“ für Asylsuchende insbesondere aus den Westbalkanländern in Bayern (Manching und Ingolstadt; bitte genau ausführen, wie viel Personal welcher Behörden dort eingesetzt wird, wie viele Personen dort leben, wie viele Verfahren in welcher Zeitdauer abgeschlossen werden, welche Probleme und Umsetzungsschwierigkeiten es gibt usw.)? Die Gründe für derzeit noch längere Verfahrensdauern liegen hauptsächlich in folgenden Ursachen: – Die Personalressourcen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind noch im Aufbau. Die Stellen werden voraussichtlich im Laufe des Jahres 2016 besetzt werden. – Die Bettenkapazitäten in den Aufnahmeeinrichtungen der Länder sind ebenfalls im Aufbau, so dass es derzeit noch nicht gewährleistet werden kann, dass alle Asylantragsteller aus den sicheren Herkunftsstaaten gemäß § 47 Abs. 1a AsylG bis zur Entscheidung des BAMF in der Aufnahmeeinrichtung bleiben. – Die in § 47 Absatz 1a Asylgesetzes (AsylG) verankerte Verpflichtung eines Asylsuchenden, in der für ihn zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, zielt auf eine Beschleunigung des Asylverfahrens. Sie soll gewährleisten, dass der Asylsuchende für die zuständigen Behörden und Gerichte jederzeit erreichbar ist. Dies ist gerade in Zeiten erheblich angestiegener Asylbewerberzahlen und des damit verbundenen organisatorischen und verfahrensmäßigen Aufwands unverzichtbar. Derzeit verzeichnen sowohl die Asylantrags- als auch die EASY-Statistik im Hinblick auf Antragsteller und Asylsuchende aus sicheren Herkunftsstaaten einen signifikanten Rückgang. Anlage 13 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 14): Wieso können fachkundige Bedienstete des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einerseits keine ungefähren Angaben zum Zeitraum zwischen EASY-Registrierung und Asylantragstellung machen (vergleiche Antwort der Bundesregierung zu Frage 4 e und g auf Bundestagsdrucksache 18/6860), obwohl sie andererseits mit dem Hinweis darauf, die Wartezeiten auf die Entgegennahme eines Asylantrags beim BAMF betrügen derzeit ein Jahr, derzeit überhaupt keine Asylanträge mehr entgegennehmen (dpa vom 6. November 2015, „Amt überlastet – Asylanträge nur eingeschränkt möglich“, bitte angeben, inwieweit der Bericht zutrifft), und wie lange sind derzeit die Wartezeiten für Termine für eine Asylantragstellung (bitte nach Bundesländern und, soweit praxisrelevant, auch nach wichtigsten Herkunftsländern differenziert angeben)? Wie in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage 18/6353 der Fraktion DIE LINKE. dargelegt, werden im EASY-System keine personenbezogenen Daten erfasst. Es kann daher keine direkte Verbindung hergestellt werden zwischen einer EASY-Registrierung und der beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) später erfolgten Antragstellung. Die Wartezeit von der Erstregistrierung durch die Länder bis zur Asylantragstellung beim BAMF wird statistisch nicht erfasst. Statistische Auswertungen zur Frage, welcher Zeitraum durchschnittlich zwischen einer Registrierung in EASY und einer Antragstellung beim BAMF vergeht, sind daher weder im Gesamtdurchschnitt noch nach Ländern oder Herkunftsländern möglich. In der Praxis stellt sich folgendes Bild dar: In der Vergangenheit betrug der Zeitraum zwischen EASY-Registrierung und Antragstellung beim BAMF maximal wenige Wochen. Die sehr hohen Zugangszahlen der letzten Monate haben dazu geführt, dass Antragsteller in einzelnen Außenstellen bedauerlicherweise mehrere Monate auf einen Termin zur Asylantragstellung warten müssen. Es ist Ziel des BAMF, dass alle Antragsteller wieder sehr zeitnah nach ihrer Registrierung einen Termin zur Antragstellung erhalten. Die bereits erfolgte und noch weiter geplante personelle Aufstockung und die Maßnahmen zur effizienteren Gestaltung des Asylverfahrens werden hier Verbesserung schaffen und die Zeiten bis zur Antragstellung 2016 maßgeblich verkürzen. Selbstverständlich nimmt jede Dienststelle des BAMF auch weiterhin so viele Asylanträge wie möglich entgegen. Anderslautende Berichterstattung trifft nicht zu. Die Zahl der gestellten Asylanträge kann der Geschäftsstatistik des BAMF entnommen werden: August: 36 422; September: 43 071; Oktober: 54 877. Die Zahl der entgegengenommenen Anträge ist jeden Monat kontinuierlich und deutlich gewachsen. Die durchschnittliche Verfahrensdauer eines Asylverfahrens beträgt derzeit circa 5,2 Monate (Stand: 30. November 2015). Anlage 14 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 15): Welche Hinweise liegen der Bundesregierung dazu vor, dass bei den jüngsten Pariser Terroranschlägen eventuell auch modifizierte Waffen (Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow) zum Einsatz gekommen sein könnten, die offenbar über einen deutschen Händler gehandelt wurden? An den Tatorten in Paris wurden mehrere vollautomatische Waffen durch die französische Polizei sichergestellt. Ob diese Schusswaffen in irgendeiner Form modifiziert waren, ist der Bundesregierung nicht bekannt. Die bei den Terroranschlägen verwendeten Modelle sowie Seriennummern der Waffen wurden von den französischen Behörden dem Bundeskriminalamt übermittelt. Zu den Waffen liegen dem Bundeskriminalamt keine Erkenntnisse vor. Der in den Medien aufgegriffene Sachverhalt bezüglich eines Waffenhändlers aus Deutschland wird auf mögliche Bezüge zu den Anschlägen in Paris hin geprüft. Bislang liegen keine Erkenntnisse vor, die auf eine Verbindung zwischen den in Paris genutzten Waffen und dem genannten Waffenhändler aus Deutschland hindeuten. Anlage 15 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 16): Gibt es bereits Überlegungen aufseiten der Bundesregierung, welche Konsequenzen man hieraus gegebenenfalls ziehen muss, und wie man den Handel – auch mit derart umgebauten – Waffen innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union schnellstmöglich effektiv eindämmen will? Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich der Fragesteller mit seiner ersten Teilfrage inhaltlich auf Frage 34 („Welche Hinweise liegen der Bundesregierung dazu vor, das bei den jüngsten Pariser Terroranschlägen eventuell auch modifizierte Waffen [Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow] zum Einsatz gekommen sein könnten, die offenbar über einen deutschen Händler gehandelt wurden?“) und damit ganz grundsätzlich auf die Bekämpfung des illegalen Waffenhandels und der Waffenkriminalität bezieht. Die Bundesregierung hat schon seit längerem die Gefahren im Blick, die sich aus dem illegalen Handel mit Feuerwaffen ergeben. In einem Europa der offenen Grenzen ist es für die Bewertung der Gefahrenlage und die daraus zu ziehenden Konsequenzen letztlich zweitrangig, ob tatsächlich eine Verbindung zu einem in Deutschland ansässigen Händler hergestellt werden kann, oder ob Waffen über einen anderen EU-Mitgliedstaat nach Frankreich gelangt sein sollen. Die Bundesregierung wird vielmehr weiterhin zusammen mit ihren europäischen Partnern den Kampf gegen Feuerwaffenkriminalität und illegalen Waffenhandel fortsetzen. So wurde durch den Rat der Europäischen Union bereits 2010 der EU-Politikzyklus zur Bekämpfung der Organisierten und schweren internationalen Kriminalität eingerichtet. Im Rahmen des EU-Politikzyklus wurde eine begrenzte Anzahl von regionalen und europaweiten Prioritäten ermittelt. Deutschland beteiligt sich seit diesem Jahr aktiv an der Priorität „Feuerwaffen“. Daneben wirkt Deutschland auch an anderen Gremien zur Bekämpfung der Waffenkriminalität (zum Beispiel „European Firearms Experts“ oder „Expert Advisory Group“ im Rahmen der Task Force Firearms) aktiv mit. Auch auf operativer Ebene steht Deutschland insoweit in engem Austausch mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie mit Europol. Soweit es die zweite Teilfrage anbelangt, ist nur der legale Handel mit Waffen einer unmittelbaren Regulierung durch den Gesetzgeber zugänglich. In Deutschland ist der Handel mit Schusswaffen bereits streng und umfassend reguliert. Um Missbrauchsrisiken zu begegnen, die sich aus abweichenden Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben, sind auf europäischer Ebene Rechtsänderungen erfolgt bzw. geplant: Die EU-Kommission hat am 18. November eine Durchführungsverordnung betreffend die Deaktivierung von Schusswaffen verabschiedet. Diese sieht europaeinheitliche Maßnahmen zur Bearbeitung von Schusswaffen vor, deren Schussfähigkeit dauerhaft und unumkehrbar aufgehoben werden soll. Im Rahmen einer geplanten Änderung der EU-Feuerwaffenrichtlinie sollen gemäß dem Regelungsentwurf der EU-Kommission zudem einheitliche technische Standards zum Beispiel für Schreckschusswaffen geprüft werden, die deren Umbau in „scharfe“ Schusswaffen verhindern. Zudem soll der Handel über das Internet für Privatpersonen beschränkt werden. Die Bundesregierung prüft diese Vorschläge derzeit und wird sich auf europäischer Ebene für Änderungen einsetzen, von denen ein echter Sicherheitsmehrwert zu erwarten ist. Der Ausbau der Waffenregister wird ausdrücklich begrüßt.  Mit der Einbindung von Herstellung und Handel könnte der Lebensweg der (legalen) Waffen  lückenlos abgebildet werden. Eine Vernetzung der Register könnte in der Zukunft die erforderliche Standardisierung befördern und den Informationsaustausch zwischen den Polizeien, aber auch im Bereich des Exportes und des Zolls wesentlich erleichtern. Anlage 16 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Günter Krings auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 17): Welche behördlichen und privaten Teilnehmenden (insbesondere aus Deutschland) des am 3. Dezember 2015 in Brüssel startenden Forums der Internetdienstleister, in dem sich die EU-Innenministerinnen und -Innenminister mit Internetanbietern und eigentlich auch der „Zivilgesellschaft“ koordinieren wollten (COM(2015) 185 final vom 28. April 2015) und das eine möglichst schnelle Beseitigung unliebsamer Internetinhalte ermöglichen soll, sind der Bundesregierung bekannt, und welche aktive oder reaktive Haltung vertreten an dem Forum am 3. Dezember 2015 teilnehmende Vertreter der Bundesregierung hinsichtlich der Frage, welche technischen oder sonstigen Zusammenarbeitsformen zu „Bedenken der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf neue Verschlüsselungstechniken“ diskutiert oder umgesetzt werden müssten, was laut der Europäischen Kommission weiterhin auf der Tagesordnung dieses ersten offiziellen Treffens des Forums der lnternetdienstleister steht („European Agenda on Security – State of Play“, 17. November 2015)? Die Europäische Kommission hat den Bundesminister des Innern für den 3. Dezember 2015 zu einem Abendessen auf hochrangiger Ebene eingeladen. Dabei soll das Forum der Internetdienstleister offiziell gestartet werden. Der Bundesminister des Innern wird aufgrund paralleler Verpflichtungen an diesem Termin nicht teilnehmen können. Er wird sich vertreten lassen. Soweit der Bundesregierung bekannt, werden an dem Abendessen neben Vertretern der Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission, des Europäischen Rats und Europol auch Mitarbeiter der Unternehmen Google, Facebook, Twitter, Microsoft, und ask.fm teilnehmen. Die Bundesregierung hat das vom Fragesteller angesprochene Fact Sheet der Kommission „European Agenda on Security – State of Play“ vom 17. November 2015 sowie frühere Verlautbarungen der Kommission zum Thema zur Kenntnis genommen. Dennoch sollen – ausweislich der Einladung für den 3. Dezember 2015 – die vom Fragesteller genannten Bedenken der Strafverfolgungsbehörden in Bezug auf neue Verschlüsselungstechniken nicht Gegenstand der Gespräche im Rahmen des Abendessens sein. Anlage 17 Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Lange auf die Frage des Abgeordneten Andrej Hunko (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 18): Welche Haltung vertritt die Bundesregierung zu der Frage, inwiefern die in dem Abkommen über Rechtshilfe mit den USA niedergelegten Verfahren überarbeitet oder angepasst werden müssten, etwa um den gegenseitigen elektronischen Datentransfer zu beschleunigen, untereinander Strafregister- und Bankkontodaten auszutauschen oder die Zusammenarbeit von Internetanbietern mit europäischen Polizei- und Geheimdienstbehörden zu verbessern, und mit welcher Haltung haben Bundesbehörden in diesem Jahr an internationalen Treffen teilgenommen, bei denen die Frage eines direkten Zugangs von europäischen Strafverfolgungsbehörden auf Daten bei Internetanbietern in den USA (Metadaten oder Inhaltsdaten) diskutiert wurde (bitte die einzelnen Treffen benennen)? Die Bundesregierung hat im Rahmen der Überprüfung des Abkommens vom 25. Juni 2003 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Rechtshilfe zusätzlich zu den von der Kommission vorgeschlagenen Diskussionspunkten vorgeschlagen, sich mit der Bedeutung der Safe-Harbour-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für den Rechtshilfeverkehr mit den USA sowie der Erörterung von Möglichkeiten zur Reduzierung der von den USA geforderten Sachverhaltsdarstellung zu beschäftigen. Das Abkommen verhält sich ausschließlich zur justiziellen Rechtshilfe und regelt nicht die Zusammenarbeit mit Polizei- oder Geheimdienstbehörden. Bundesbehörden haben nach bisherigen Erkenntnissen nicht an multilateralen Treffen im Jahr 2015 teilgenommen, bei denen die Thematik des unmittelbaren Zugangs von europäischen Strafverfolgungsbehörden zu Daten bei Internetanbietern in den USA diskutiert wurde. Aufgrund der Kürze der zur Beantwortung zur Verfügung stehenden Zeit kann eine abschließende Antwort hierzu nicht gegeben werden. Anlage 18 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ralf Brauksiepe auf die Frage der Abgeordneten Inge Höger (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 21): Wer wertet die durch die deutschen Tornados über türkischem und syrischem Luftraum gesammelten Daten aus, und welchen Einfluss hat die Bundeswehr auf die Zielplanung im Zuge des Krieges gegen den IS in der Region? Ein möglicher deutscher militärischer Beitrag zum Kampf der internationalen Allianz gegen den sogenannten ,,Islamischen Staat“ (IS) steht unter dem Vorbehalt der konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestages. Bislang finden daher weder Aufklärungsflüge statt, noch werden Aufklärungsergebnisse an Partner der internationalen Allianz gegen den IS weitergeleitet. Deutschland ist daher bislang auch nicht in den für die Auswertung und die Zielauswahl verantwortlichen Stäben und Hauptquartieren vertreten. Der Beschlussantrag der Bundesregierung zur Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS sieht keine Aufklärungsflüge über der Türkei vor. Zur Vorbereitung einer möglichen militärischen Beteiligung der Bundeswehr finden derzeit Gespräche und Erkundungsreisen statt, die sich auch mit konkreten Fragen der Einbettung eines deutschen Beitrags beschäftigen. In diesem Rahmen wird die Bundesregierung auch auf einen dem deutschen militärischen Anteil entsprechenden Einfluss in den Hauptquartieren und Stäben Wert legen, um den mandatskonformen Umgang mit den gesammelten und ausgewerteten Daten im Einklang mit den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts sicherzustellen. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, erfolgen die entsprechenden Aufklärungsflüge durch die deutschen Streitkräfte, die auch die Erstauswertung der gesammelten Daten vornehmen. Anschließend erfolgt die Weitergabe der ausgewerteten Daten an die Internationale Allianz gegen den IS. Dabei wird Deutschland den mandatskonformen Einsatz des deutschen Beitrags im Einklang mit den Grundsätzen des humanitären Völkerrechts überwachen. Anlage 19 Antwort der Parl. Staatssekretärin Caren Marks auf die Frage des Abgeordneten Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 22): Wie wird die Bundesregierung beim Europäischen Rat am 7. Dezember 2015 über die vorgeschlagene EU-Frauenquote (40 Prozent) abstimmen, nachdem sie die Zustimmungsforderung der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Manuela Schwesig (vergleiche Süddeutsche Zeitung vom 24. November 2015) abgewogen hat gegen die (laut SZ, am angegebenen Ort) bisher angekündigte Regierungsposition bloßer Enthaltung (mit der bekannten oder gar gewollten Folge, dass dieser EU-Vorschlag die nötige Mehrheit verfehlt) wegen ihres formalen Einwands, derlei müsse mangels EU-Zuständigkeit national geregelt werden, und wann wird die Bundesregierung – falls sie nicht zustimmt – dem Deutschen Bundestag dann noch in dieser Wahlperiode einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher die bisherige deutsche Frauenquote (30 Prozent) auf den von der gesamten Europäischen Kommission für angemessen erachteten Standard (40 Prozent) anhebt? Die Bundesregierung befindet sich noch in der Abstimmung, wie sie sich zu diesem Tagesordnungspunkt beim Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ am 7. Dezember 2015 verhalten wird. Anlage 20 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Markus Tressel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 23): Setzen die Audi AG oder andere VW-Marken nach bisheriger Kenntnis der Bundesregierung auch in Deutschland bei Fahrzeugen mit 3-Liter-Motoren verbotene Abschalteinrichtungen wie in den USA ein (vergleiche tinyurl.com/pyf7md6), und plant die Bundesregierung, auch Autos mit 3-Liter-Motoren im Rahmen der eingesetzten Untersuchungskommission nachzukontrollieren? Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Anlage 21 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 24): Welche Maßnahmen haben das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur konkret ergriffen, um Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Geltendmachung aller ihnen möglicherweise im Rahmen des VW-Abgasskandals zustehenden zivilrechtlichen Ansprüche zu unterstützen, und welche Ansprüche (konkret bezogen auf die Art der Mängel und der unterschiedlichen Motoren) kommen nach Kenntnis der Bundesregierung infrage? Die Bundesregierung hat die Prüfung des Sachverhalts und der notwendigen Maßnahmen noch nicht abgeschlossen. Anlage 22 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 25): Wird nach Kenntnissen der Bundesregierung die von der Volkswagen AG (VW) angekündigte Beseitigung der Abweichungen bei den Stickoxid-Werten zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb (siehe Auszug aus der Pressemitteilung von VW vom 22. September 2015: „Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen.“) durch die nun von VW dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) vorgestellten und vom KBA bestätigten „Maßnahmen“ (siehe Pressemitteilung von Volkswagen vom 25. November 2015) erreicht, indem die Emissionen im realen Fahrbetrieb gesenkt werden? Nein. Anlage 23 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Lisa Paus (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 26): Bezieht sich die vom KBA angeordnete Neuermittlung von Schadstoffemissions-, Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Emissionswerten bei „allen betroffenen Modellen“ (siehe Pressemitteilung des KBA vom 10. November 2015) auch auf diejenigen Modelle mit EA-189-Dieselmotoren? Nein. Die voraussichtlich betroffenen Fahrzeug-Typen verfügen über keine EA-189-Motoren. Anlage 24 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Sabine Leidig (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 27): Wann und wie (zum Beispiel im Internet, mit oder ohne geschwärzte Passagen) wird der Rückruferlass des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) vom 15. Oktober 2015 veröffentlicht, der die rund 2,4 Millionen Fahrzeuge aus dem VW-Konzern mit dem Dieselmotor EA 189 betrifft, und warum ist dies bisher noch nicht geschehen? Das Kraftfahrt-Bundesamt stellt grundsätzlich keine Verwaltungsakte ins Internet. Anlage 25 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage der Abgeordneten Sabine Leidig (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 28): Warum ist dieser Rückruf auf der Internetseite des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) für die betroffenen Modelle noch nicht zu finden, und auf welchen Wegen (über den VW-Konzern oder auch über das KBA bzw. eine andere Behörde) werden die Halter informiert? Die Datenbank des Kraftfahrt-Bundesamtes wird mit Start einer Rückrufaktion aktualisiert. Dies wird auch in diesem Fall erfolgen. Der VW-Konzern wird die betroffenen Halter informieren. Anlage 26 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 29): Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus den Hinweisen (zum Beispiel Wirtschaftswoche vom 13. November 2015), dass die Onboard-Diagnose (OBD), welche die Funktionsfähigkeit der Abgasreinigung überprüft, manipulierbar ist? Die Bundesregierung sieht es als erforderlich an, dass der ordnungsgemäße Zustand des Abgasverhaltens über die Lebensdauer von Kraftfahrzeugen sichergestellt ist. Vor diesem Hintergrund prüft die Bundesregierung fortlaufend die mögliche Weiterentwicklung der AU-Bestimmungen. Anlage 27 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Stephan Kühn (Dresden) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 30): Plant die Bundesregierung, Automobilhersteller zu verpflichten, ihre Motorensoftware insbesondere bei der Typgenehmigung offenzulegen? Eine Offenlegung der Motorensoftware durch den Automobilhersteller ist im Rahmen der Typgenehmigung gegenüber dem Technischen Dienst oder der Typgenehmigungsbehörde auf begründete Nachfrage bereits heute möglich. Anlage 28 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Fragen der Abgeordneten Dr. Valerie Wilms (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Fragen 31 und 32): Wie ist der aktuelle Bearbeitungsstand des neuen Bundesverkehrswegeplans, und aus welchen Gründen kommt es gegebenenfalls zu Verzögerungen bei der Vorstellung des Entwurfs? Inwiefern wird der Entwurf des neuen Bundesverkehrswegeplans, wie im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur des Deutschen Bundestages mehrfach angekündigt, im Dezember 2015 zunächst den Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorgestellt, und wann soll die Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß den Vorgaben der Strategischen Umweltprüfung beginnen? Die Fragen 31 und 32 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. Die Bundesregierung hat sich mit den Koalitionsfraktionen darüber verständigt, den Entwurf des Bundesverkehrswegeplans inklusive der strategischen Umweltprüfung den Abgeordneten vorzustellen. Die Strategische Umweltprüfung ist noch nicht abgeschlossen. Anschließend wird auch die Öffentlichkeitsbeteiligung beginnen. Anlage 29 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 33): Welches Ergebnis haben die ICAO-Verhandlungen (ICAO: International Civil Aviation Organization) der European Air Navigation Planning Group (EANPG) vom 23. bis 26. November 2015 hinsichtlich des Anlagenschutzbereiches (Prüfradius) für VOR- und/oder DVOR-Anlagen (DVOR: Doppler-UKW-Drehfunkfeuer), gebracht (siehe auch Antwort der Bundesregierung vom 24. November 2015 zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf Bundestagsdrucksache 18/6850), und geht daraus die Empfehlung hervor, die Anlagenschutzbereiche (Prüfradien) um VOR- und/oder DVOR-Anlagen auf 10 km herabzusetzen? Die European Air Navigation Planning Group hat die Veröffentlichung des geänderten ICAO EUR DOC 015 beschlossen. Aus dem neuen ICAO EUR DOC 015 geht hervor, dass der Anlagenschutzbereich um ein Doppler-UKW-Drehfunkfeuer (DVOR) generell auf ein Gebiet mit einem Radius von 10 Kilometern um die Anlage verringert wird, wobei der Anlagenschutzbereich unter anderem in Abhängigkeit der Vorbelastung der Anlage verändert werden kann. Der Anlagenschutzbereich um ein konventionelles UKW-Drehfunkfeuer (VOR) ist von der Änderung des ICAO EUR DOC 015 nicht betroffen. Anlage 30 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 34): War für die Entscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes im Planfeststellungsbeschluss für den Umbau des Bahnknotens Stuttgart, Planfeststellungsabschnitt 1.1, vom 28. Januar 2005, die Neigung von Gleisen abweichend von 2,5 von Tausend (vergleiche § 7 Absatz 2 der Eisenbahn-Bau- und Vertriebsordnung, EBO) zu genehmigen (Seiten 372 f. des Beschlusses), Rechtsgrundlage § 2 Absatz 2, § 7 Absatz 2 oder § 3 EBO, oder aufgrund welcher Norm bzw. sonstiger Vorschriften muss die Vorhabenträgerin bei Längsneigungen die „notwendigen Vorkehrungen zur Gewährleistung der gleichen Sicherheit” einhalten bzw. darstellen (siehe Seite 373 des Planfeststellungsbeschlusses)? Rechtsgrundlage für die Entscheidung, das Vorhaben mit der von der Vorhabenträgerin beantragten Gleisneigung planfestzustellen, ist grundsätzlich § 18 Absatz 1 Allgemeines Eisenbahngesetz (a. F.). Im Übrigen bezieht sich der Planfeststellungsbeschluss in der Begründung zu diesem Aspekt ausdrücklich auf § 7 Absatz 2 Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO). Dabei handelt es sich um eine Soll-Vorschrift; das heißt, abweichende Planungen sind in begründeten Einzelfällen möglich. Die DB Netz AG hat die hierfür notwendigen Vorkehrungen in ihren Antragsunterlagen dargestellt, wie dem Planfeststellungsbeschluss (ab Seite 372) entnommen werden kann. Anlage 31 Antwort des Parl. Staatssekretärs Norbert Barthle auf die Frage des Abgeordneten Matthias Gastel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 35): Weshalb rechnet die Bundesregierung die mögliche Gründung neuer, nicht tarifgebundener Tochtergesellschaften des Bundesunternehmens Deutsche Bahn AG der unternehmerischen Verantwortung des Konzernvorstands (siehe Antwort der Bundesregierung auf meine schriftliche Frage auf Bundestagsdrucksache 18/6760) und damit dem operativen Geschäft zu, und wo zieht die Bundesregierung als Vertreter des Eigentümers die Grenze einerseits zwischen dem operativen Geschäft, das alleine vom Konzernvorstand verantwortet wird, und andererseits der strategischen Ausrichtung des Konzerns, für die auch der Bund als Eigentümer des Bahnkonzerns eine Mitverantwortung trägt? Die Gründung von Tochtergesellschaften unterliegt der Unternehmensstrategie, die nach § 76 Absatz 1 Aktiengesetz (AktG) vom Vorstand eigenverantwortlich festgelegt wird. Anlage 32 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 36): Welche Fortschritte wurden in der laut Antwort der Bundesregierung auf meine mündliche Frage 11 in der Fragestunde vom 11. November 2015 (vergleiche Plenarprotokoll 18/135, Anlage 4) für November 2015 terminierten zweiten Sitzung der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und der Energieversorgungsunternehmen (EVU) erzielt, insbesondere hinsichtlich der von den EVU ins Auge gefassten Zwischenlagerstandorte (bitte möglichst mit Angabe von Datum und Teilnehmern der Sitzung), und wie lautet nach derzeitigem Stand das weitere Arbeitsprogramm dieser Arbeitsgruppe (bitte mit Angabe von deren Kalenderdatum)? Thema der Sitzung der gemeinsamen Arbeitsgruppe des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und von Vertretern der vier Energieversorgungsunternehmen (EVU) am 16. November 2015 waren genehmigungsrechtliche und technische Fragestellungen im Zusammenhang mit der im Gesamtkonzept zur Rückführung von verglasten radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufarbeitung unter Nummer II.4 genannten Primärdeckelwechselstation. Zu den im Gesamtkonzept genannten Zwischenlagerstandorten wurden seitens der Energieversorgungsunternehmen in den bisherigen Sitzungen dieser Arbeitsgruppe keine möglichen Alternativen angesprochen. Ein weiterer Sitzungstermin der gemeinsamen Arbeitsgruppe wurde noch nicht vereinbart. An der Sitzung am 16. November 2015 haben je ein Vertreter der Energieversorgungsunternehmen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall sowie aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit der zuständige Unterabteilungsleiter sowie der zuständige Referatsleiter teilgenommen. Anlage 33 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 37): Ist die in der Antwort der Bundesregierung vom 8. September 2015 auf meine schriftliche Frage 81 auf Bundestagsdrucksache 18/5977 genannte Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) zur Sumpfsiebproblematik im Atomkraftwerk Gundremmingen mittlerweile schon abgeschlossen (gegebenenfalls bitte mit Angabe des Kalenderdatums), und falls ja, ist sie seitens des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) schon ausgewertet und abgenommen? Die „Stellungnahme zum Rückfluss zu den GRS-Weiterleitungsnachrichten 14/92, 14A/92, 14B/92 und 14C/92 bezüglich des Kernkraftwerks Gundremmingen II“ zur Sumpfsiebthematik wurde von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) am 30. Oktober 2015 an das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit übermittelt. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat seine Bewertung dieser Stellungnahme der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit noch nicht abgeschlossen. Anlage 34 Antwort der Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 38): Wie hat sich nach Kenntnis der Bundesregierung das Abfallvolumen in den Haushalten im Jahr 2014 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr entwickelt (absolut und pro Einwohner), und welchen Verwertungsarten wurde der Haushaltsmüll in den jeweiligen Jahren zugeführt (bitte in Prozent am Gesamtaufkommen angeben)? Angaben über das Abfallaufkommen im Jahr 2014 liegen der Bundesregierung noch nicht vor. Die Statistik der Abfallentsorgung für das Jahr 2013 erfolgte durch das Statistische Bundesamt am 7. Oktober 2015. Endgültige statistische Daten für das Jahr 2014 dürften demnach voraussichtlich Mitte des Jahres 2016 vorliegen. Erste vorläufige Angaben für das Jahr 2014 werden zu Beginn des Jahres 2016 erwartet. Das Statistische Bundesamt weist aus, dass im Jahr 2013 das Aufkommen an Haushaltsabfällen 36,6 Mio. Tonnen betragen hat; dies entspricht einem Aufkommen von 453 kg je Einwohner. Im Jahr 2013 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in der Abfallbilanz rund 65 Prozent der „Haushaltstypischen Siedlungsabfälle“ einer stofflichen Verwertung zugeführt und entsprechend als „Recyclingquote“ ausgewiesen. 22 Prozent der „Haushaltstypischen Siedlungsabfälle“ wurden einer energetischen Verwertung zugeführt. Anlage 35 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 39): Inwiefern gibt es vonseiten der Bundesregierung Überlegungen, Ausgaben für die Flüchtlingshilfe auf den Entwicklungsetat anrechnen zu lassen, was von Experten der Europäischen Kommission mit großer Skepsis gesehen wird (www.evangelisch.de/Inhalte/128781/24-11-2015/eu-kommission-fluechtlings-und-entwicklungshilfe-nicht-vermischen), und kann die Bundesregierung ausschließen, dass deutsche Entwicklungsgelder jetzt und zukünftig zur Migrationsabwehr und Abschottung zweckentfremdet werden, wie es laut der entwicklungspolitischen Dachorganisation CONCORD beispielsweise von Malta und Spanien praktiziert wird (www.concordeurope.org/publications/item/480-aidwatch-report-looking-to-the-future-don-t-forget-the-past-aid-beyond-2015)? Die Bundesregierung meldet bereits teilweise Ausgaben für Flüchtlinge im Inland als öffentliche Entwicklungshilfe. Die in dem zitierten Artikel geäußerte Sorge, dass dadurch weniger Geld in Entwicklungsländer fließen könne, ist mit Blick auf Deutschland nicht berechtigt. Die Bundesregierung plant nicht, Entwicklungsgelder für die Zwecke der „Migrationsabwehr und Abschottung“ zu verwenden. Anlage 36 Antwort des Parl. Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel auf die Frage des Abgeordneten Niema Movassat (DIE LINKE) (Drucksache 18/6845, Frage 40): Kann die Bundesregierung die mir von der Nichtregierungsorganisation Green Scenery zugetragene Information, dass die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) ihr Engagement in dem Makeni-Projekt von Addax in Sierra Leone beendet, bestätigen, und inwiefern bleibt die Bundesregierung unter diesen Umständen sowie der generellen Unsicherheit bezüglich der Fortführung des Makeni-Projekts bei ihrer Einschätzung, dass sie und die DEG „von den positiven entwicklungspolitischen Effekten des Engagements mit ADDAX in Sierra Leone überzeugt“ sind (siehe Antwort zu Frage 15 der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke, Bundestagsdrucksache 18/6025)? Die in der Mündlichen Frage getroffenen Äußerungen über mögliche Veränderungen des DEG-Engagements im Makeni-Projekt sind spekulativer Natur, weshalb die Bundesregierung hierzu keine Stellung bezieht. Als Entwicklungsfinanzierer ist die DEG an das Bankgeheimnis gebunden und verweist auf die durch das Unternehmen regelmäßig über dessen Website öffentlich gemachten Informationen zum Stand des Projekts. Der Antwort der Bundesregierung auf Frage 15 der genannten Kleinen Anfrage ist nichts hinzuzufügen. Darin wird dargestellt, dass die Bundesregierung gemeinsam mit der DEG von den positiven Effekten des Engagements mit Addax überzeugt ist und dass die DEG über umfassende Monitoring- und Beurteilungsmechanismen verfügt, um den Stand des Engagements einzuschätzen und bei gegebenem Anlass Konsequenzen zu ziehen. Dabei werden alle verfügbaren Quellen der Meinungsbildung einbezogen, inklusive Medien und NRO. Insbesondere wird Kritik am DEG-Engagement eingehend auf Anpassungsbedarf geprüft. Anlage 37 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage des Abgeordneten Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 53): Hat die Bundesregierung Kenntnis über die Höhe der voraussichtlichen Zahlungen für das Jahr 2015 für vermiedene Netzentgelte, und wenn ja, wie hoch waren diese (bitte aufschlüsseln nach der Gesamthöhe nur für EEG-Anlagen, nur für KWK-Anlagen und übrige Nichterneuerbare-Stromerzeugungsanlagen)? Ausweislich des kürzlich veröffentlichten Monitoringberichts 2015 von der Bundesnetzagentur und dem Bundeskartellamt werden für die Netzbetreiber in der Zuständigkeit der Bundesnetzagentur inklusive der Netzbetreiber aus der Organleihe für 2015 vermiedene Netzentgelte in Höhe von 1 547 Millionen Euro erwartet. Der Bundesregierung liegen keine erhobenen Daten der voraussichtlichen vermiedenen Netzentgelte 2015 für Deutschland insgesamt vor. Sie verfügt nur über geschätzte Angaben, die die Bundesnetzagentur auf Basis der in ihre Zuständigkeit fallenden Netzbetreiber hochgerechnet hat. Danach schätzt die Bundesnetzagentur die Höhe der vermiedenen Netzentgelte für Gesamtdeutschland in 2015 auf insgesamt etwa 1 820 Millionen Euro. Davon entfallen grob geschätzt etwa 721 Millionen Euro auf KWK-Anlagen und etwa 406 Millionen Euro auf sonstige dezentrale Erzeugungsanlagen. Der auf EEGAnlagen entfallende Anteil wird mit 693 Millionen Euro angenommen. Anlage 38 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 54): Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Forderung der Expertenkommission in deren Stellungnahme zum aktuellen Energiewende-Monitoringbericht der Bundesregierung, dass „erhebliche zusätzliche Anstrengungen“ erforderlich seien, um die angestrebte Verringerung des Primärenergieverbrauchs zu erreichen, „zumal gerade in den vergangenen vier Jahren der Zielpfad erkennbar verfehlt wurde“ (www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/M-O/monitoringbericht-energie-der-zukunft-stellungnahme-2014,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, Seite Z-3), und mit welchen konkreten zusätzlichen Maßnahmen will die Bundesregierung den Primärenergieverbrauch verringern? Die Beobachtung der Entwicklung des Primärenergieverbrauchs ist fester Bestandteil des Monitoring-Prozesses „Energie der Zukunft“. Unbestritten ist, dass weiterhin konsequent Anstrengungen zur Steigerung der Energieeffizienz geleistet werden müssen. Deswegen hat die Bundesregierung bereits umfangreiche Impulse gesetzt. Mit dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz (NAPE) wurden im Dezember 2014 zahlreiche Sofortmaßnahmen und weiterführende Arbeitsprozesse beschlossen. Eine Vielzahl dieser Maßnahmen hat die Bundesregierung bereits umgesetzt. Hierzu zählen zum Beispiel die Weiterentwicklung, Verstetigung und Aufstockung des CO₂-Gebäudesanierungsprogrammes, die Fortentwicklung des Marktanreizprogramms für erneuerbare Energien im Wärmemarkt und die Energieauditpflicht für Nicht-KMU. Eine Reihe weiterer Maßnahmen des NAPE werden im ersten Halbjahr 2016 wirksam, wie zum Beispiel das Nationale Heizungslabel. In der ersten Jahreshälfte 2016 soll zudem die erste Ausschreibung im Rahmen des wettbewerblichen Ausschreibungsmodells für Energieeffizienz erfolgen. Ergänzt werden die NAPE-Maßnahmen durch ein weiteres Effizienz-Paket auf Grundlage der Beschlüsse des Koalitionsausschusses vom 1. Juli 2015 zu Eckpunkten für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende. Bis 2020 sollen 5,5 Mio. t CO2 durch zusätzliche Effizienzmaßnahmen im Gebäudebereich, in den Kommunen, in der Industrie sowie der Deutschen Bahn erbracht werden. Diese bereits geleisteten Impulse benötigen Zeit zur Entfaltung. Die Wirkungen all dieser Maßnahmen wird die Bundesregierung mit dem jährlichen Monitoring beobachten. Gleichzeitig werden die weiterführenden Arbeitsprozesse – wie etwa die am 18. November im Kabinett verabschiedete Energieeffizienzstrategie Gebäude – dazu genutzt, das Instrumentarium zur Steigerung der Energieeffizienz weiterzuentwickeln. Anlage 39 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 55): Mit welchen Maßnahmen reagiert die Bundesregierung auf die Feststellung der Expertenkommission in ihrer Stellungnahme zum aktuellen Energiewende-Monitoringbericht der Bundesregierung, dass die Erhöhung des Energieverbrauchs im Verkehr im Jahr 2014 „einen weiteren Rückschritt in Bezug auf das Ziel des Energiekonzepts“ darstellt (am angegebenen Ort), und wie will die Bundesregierung insbesondere vor dem Hintergrund der Falschinformationen bei Pkw-Verbrauchswerten beim Verkauf von Neuwagen die notwendige Energieeinsparung im Verkehrssektor sicherstellen? Im Verkehr ist der Endenergieverbrauch im Jahr 2014 rund 1,7 Prozent höher als im Jahr 2005. Um die angestrebte Verringerung des Endenergieverbrauchs im Zeitraum 2005 bis 2020 um 10 Prozent zu erreichen, sind weitere Maßnahmen im Dezember 2014 mit dem „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“ und dem „Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz“ beschlossen worden. Deren zukünftige Wirkungen sind bei der Zielerreichung im Rahmen des Monitoring-Berichts „Energie der Zukunft“ noch nicht berücksichtigt. Des Weiteren wird die Weiterentwicklung der Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie vorangetrieben. Anlage 40 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 56): Welche genaue Einigung zwischen der Europäischen Kommission und den USA (bitte Akteure und Zeitpunkt nennen) wurde nach Kenntnis der Bundesregierung auf der Basis welcher Dokumente bezüglich der Frage des Zugangs zu konsolidierten Texten der TTIP-Verhandlungen in Leseräumen für nationale Abgeordnete der europäischen Mitgliedstaaten erzielt? Nach Information der Bundesregierung aus der Demarche des deutschen Botschafters beim US-Handelsbeauftragten vom 12. November 2015 wurde zwischen EU-Kommission und den USA eine grundsätzliche Einigung darüber erzielt, dass – wie von der Bundesregierung mehrfach nachdrücklich gefordert – Leseräume in den EU-Mitgliedstaaten eingerichtet werden können, in denen auch nationale Parlamentarier Zugang zu konsolidierten Texten erhalten sollen. Die genauen Modalitäten werden derzeit noch zwischen der EU-Kommission und den USA diskutiert und müssen zudem noch EU-intern abgestimmt werden. Anlage 41 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 57): Welche konkreten Schritte plant die Bundesregierung, um zügig einen „unkomplizierten Zugang für alle Abgeordneten“ (Antwort auf meine Schriftliche Frage, Drucksache 18/6846) zu den konsolidierten TTIP-Verhandlungstexten zu ermöglichen? Die Bundesregierung steht zu den Modalitäten für den Leseraum in Deutschland mit der Europäischen Kommission und der EU-Ratspräsidentschaft in Kontakt. Ziel der Bundesregierung ist es, den Leseraum in Deutschland möglichst im Deutschen Bundestag selbst einzurichten, damit dort der Zugang für Abgeordnete unter Wahrung der erforderlichen Vertraulichkeit der Dokumente stattfinden kann. Anlage 42 Antwort der Parl. Staatssekretärin Brigitte Zypries auf die Frage der Abgeordneten Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 18/6845, Frage 58): Wie viel Prozent der geltenden Richtlinien sind in der Bundesrepublik Deutschland so mangelhaft umgesetzt, dass die Europäische Kommission bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet hat (bitte nach Ressorts aufschlüsseln)? Gegen die Bundesrepublik Deutschland sind derzeit nach Auswertung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie 41 Vertragsverletzungsverfahren (VVV) wegen Nichtmitteilung/Nichtumsetzung von Richtlinien bzw. Falschumsetzung oder unvollständiger Umsetzung von Richtlinien durch den Bund und/oder die Länder anhängig. Die Verfahren teilen sich auf die Ressorts wie folgt auf: Ressort VVV wegen Nichtumsetzung bzw. Nichtmitteilung der RL-Umsetzung VVV wegen Falschumsetzung oder unvollständiger RL-Umsetzung VVV gesamt der Vorrubriken BMVI 6 4 10 BMUB 6 3 9 BMI 5 2 7 BMWi 4 1 5 BMJV 2 1 3 BMAS 2 2 BMF 2 2 4 BMG 1 1 Bundesregierung gesamt 28 13 41 Die Europäische Kommission veröffentlicht keine Gesamtzahl der geltenden Richtlinien und konnte auch auf Nachfrage keine Zahl übermitteln. Eine Gegenüberstellung von Vertragsverletzungsverfahren zur Gesamtzahl bestehender Richtlinien ist daher nicht möglich. II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 142. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 2. Dezember 2015 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 142. Sitzung, Berlin, Mittwoch, den 2. Dezember 2015 V Plenarprotokoll 18/142