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Debatte
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Wortlaut der Reden

Stephan Hilsberg, SPD Dr. Karl-Heinz Hornhues, CDU/CSU >>

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann es nicht leugnen! Bonn hat 40 Fieber, und es gibt nur noch die eine Diskussion. Im Grunde genommen stehen wir vor der Trennscheide einer historischen Entscheidung oder historischen Fehlentscheidung. Die Entscheidung, die wir fällen, scheint dem Zufall überlassen.

Ich aber bin parteilich, und ich bin Berliner. Und auf alle jene bezogen, die sich eine endgültige Entscheidung an dem heutigen Tage wünschen, muß ich sagen, daß ich das nicht ändern kann. Denn wenn es heute zu einer Entscheidung gegen Berlin kommt, so ist die Enttäuschung riesengroß. Die kann man nicht wegdiskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Bonn stand jahrzehntelang für Vertrauen und Glaubwürdigkeit einer neuen, gefestigten, selbstbestimmten und deutschen Demokratie. Es ist ihr nämlich gelungen, das Trauma der Vergangenheit zu bewältigen und wieder Ansehen und einen gewissen Stolz zu erlangen, trotz Handicap des geteilten Deutschland, mit dem man eben leben mußte. Jahrzehntelang wurde von hier aus der Anspruch postuliert, für alle Deutschen zu sprechen, extrem formuliert in der Hallstein-Doktrin. Man war sich des Verlustes der Einheit bewußt und machte dennoch reale Politik ohne Sentimentalitäten. Oder etwa nicht?

Sollen die ganzen Beteuerungen beispielsweise für Berlin als Hauptstadt eines dereinst wiedervereinigten Vaterlandes nur sentimentale Reminiszenzen an alte Zeiten gewesen sein, Waffe im kalten Krieg der eigentlichen Bewährungsprobe?

Von diesem Land, von diesem Pult aus, an dem ich nun selber stehe, sind viele Signale in die DDR gesendet worden. Nicht nur mich hat diese Demokratie im Durchhalten bestärkt, hat Hoffnung gespendet, auch wenn man sich nur als Zaungast gefühlt hat. Man wirft uns manchmal vor, die wir aus dem Osten kommen, daß wir ein idealistisches Verhältnis zur Demokratie hätten. Da ist gewiß was dran. Ich bekenne mich auch dazu, und ich weiß, wie wichtig es ist für eine Demokratie, daß da Menschen sind, die eine hohe, eine überhöhte Meinung von der Demokratie selber haben. Ich bekenne mich auch dazu, in demokratischer, humanistischer und deutscher Tradition zu stehen. Wir stehen auf den Schultern unserer Vorgänger, wie unsere Nachfolger auf unseren stehen werden. Da darf man nicht Werte fahrlässig aufs Spiel setzen, einfach aus Pragmatismus, aus einer Position der Stärke heraus, wenn auch aus tiefer Besorgnis für die sozialen Probleme. Aber trotz allem: Woran soll man letztlich Politiker messen, wenn nicht an Glaubwürdigkeit? Das ist keine Bagatelle, das ist Substanz der Demokratie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU,

der FDP sowie des Abg. Dr. Dietmar Keller [PDS/Linke

Liste])

Wie Johannes Rau sage auch ich: Zieht der Bundestag nicht nach Berlin, so ist das kein Todesurteil für meine Region. Die neuen Länder werden damit zurechtkommen, weil sie damit zurechtkommen müssen. Sie sind bis jetzt mit noch viel schlimmeren Dingen zurechtgekommen. Das wird auch noch so bleiben. Aber die Wunde in Berlin wird noch lange, lange spürbar sein. Was, bitte, meine Damen und Herren, soll die Rolle Berlins denn dann sein: ein vergessenes Herz eines undankbaren Landes?

40 Jahre hat es eine eigenständige, zugegebenermaßen erfolgreiche Entwicklung der Bundesrepublik gegeben. 40 Jahre waren aber auch Deutsche in DDR und Bundesrepublik geteilt. Die Menschen aus der DDR können nichts dafür, daß sie in den Meinungsbildungsprozeß nicht einbezogen waren, daß sie nicht eingreifen durften. Sonst gäbe es die Diskussion heute auch nicht. Wollen Sie der 40jährigen Ohnmacht noch eines draufgeben, obwohl zugegebenermaßen die neuen Länder der schwächere Teil der Bundesrepublik sind?

Ich bitte Sie, geben Sie sich einen Stoß; denn Berlin hat ungeheuer viel anzubieten. Die Teilung hat Berlin eher interessanter gemacht. Hier schlägt der Puls der Zeit, auch einer europäischen Zeit. Hier vollzieht sich die Vereinigung mit ihren ganzen Begleiterscheinungen. Berlin, das ist die Stadt der Jugend, und sie zieht ungeheuer viele Leute an. Berlin ist eine internationale Stadt. Hier werden die meisten Sprachen gesprochen. Berlin ist eine tolerante Stadt. Es ist ein Schmelztiegel. Das war es immer, ist es zur Zeit und wird es bleiben. In Berlin melden sich die Menschen zu Wort.

Unser Bundestag, meine Damen und Herren, ist in Berlin näher bei den Menschen. Wo anders gehörte der Bundestag hin als in seine eigene Hauptstadt!

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU, der FDP, der PDS/Linke Liste und des Bündnisses 90/

GRÜNE)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster hat der Abgeordnete Karl-Heinz Hornhues das Wort.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_079
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