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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. Ulrich Böhme (Unna), SPD Klaus Brähning, CDU/CSU >>

Berlin symbolisiert nicht nur 70 Jahre deutschen Nationalstaat, über 40 Jahre politische Trennung, sondern auch die Bürger- und Freiheitsbewegung in der früheren DDR, die zur neuen staatlichen Einheit unseres Volkes geführt hat. Berlin ist die Hauptstadt und repräsentiert das nun vereinte Deutschland. Um dies zu verdeutlichen, sollen der Amtssitz des Bundespräsidenten und der Bundesrat nach Berlin verlegt werden.

Ich freue mich, daß die Brücke zwischen unseren Nachbarn in Ost und West nun endlich geschlagen ist. Sie ruht zum einen auf Berlin, das nahe an Osteuropa liegt, zum anderen auf dem im Westen liegenden Bonn. Auf Grund ihrer geographischen Lage und ihrer politischen Funktion sind deshalb beide Städte von großer Bedeutung für den Erhalt einer europäischen Friedensordnung, und deshalb müssen beide Städte für Deutschland und Europa partnerschaftlich zusammenarbeiten.

Parlament und Regierung müssen in Bonn bleiben. Effektive politische Arbeit ist meiner Meinung nach nur möglich, wenn beide in ständigem Dialog stehen, wenn Probleme und Fragen ad hoc beraten werden können, wenn räumliche Nähe besteht. Selbst modernste Medien können dies nicht ersetzen. Eine Trennung zwischen beiden Gremien halte ich deshalb für politisch unsinnig, ja sogar für demokratiefeindlich!

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein föderalistischer Staat, der mehrere Metropolen braucht. Die Konzentration auf eine Stadt würde diese Struktur zerstören. Wohin politischer Zentralismus führt, ist an Frankreich und Großbritannien zu beobachten. Die Vielfalt regionaler Metropolen mit eigenständigem Gewicht, eigenem Gesicht und die im internationalen Vergleich ausgewogene regionale Wirtschaftsstruktur in den alten Ländern der Bundesrepublik wären durch die Verlagerung von Parlament und Regierung nach Berlin gefährdet.

Der Argumentation, die Entwicklung der neuen Bundesländer würde durch eine Verlegung des Parlaments- und Regierungssitzes nach Berlin gefördert, kann ich nicht folgen. Ich befürchte, daß Berlin, wäre es nicht nur wirtschaftliches und kulturelles, sondern auch politisches und administratives Machtzentrum, die Entwicklung anderer bedeutender Städte gerade auch in den neuen Bundesländern behindern würde. Nachdem diese Städte über 40 Jahre unter einem undemokratischen Zentralismus gelebt hatten, würden sie erneut durch zentralistische Tendenzen beeinträchtigt. Der Parlaments- und Regierungssitz Bonn neben der Hauptstadt Berlin steht jedoch für die Weiterentwicklung der föderalen Ordnung in Deutschland und in einem künftigen Europa der Regionen.

Seit ich mich in jungen Jahren mit Politik zu beschäftigen begann, war für mich Bonn das Symbol für das neue Deutschland, von dem nie wieder ein Krieg ausgehen darf. Diese Stadt war und ist für mich sowohl nach innen als auch nach außen Symbol für einen friedlichen, demokratischen, wirtschaftlichen und sozialen Bundesstaat. Bonn steht für die Westintegration, für das geeinte Europa, für die Aussöhnung mit dem Osten, für den demokratischen, sozialen und liberalen Verfassungsstaat. Aus zahlreichen

Gesprächen mit Schulklassen und Vertretern der jüngeren Generation wurde mir deutlich, welche Integrationskraft Bonn besitzt. Das Bild einer übermächtigen Hauptstadt, welche die Assoziation mit dem Nationalstaat und Nationalstolz vergangener Jahrhunderte herbeiführen könnte, paßt nicht mehr in das Weltbild nach 1945.

Bonn hat sich als Sitz von Parlament und Regierung bewährt. Die hervorragende Infrastruktur fördert effektive, reibungslose Arbeitsabläufe, die Überschaubarkeit ist gewährleistet. Dies ist in einer Metropole wie Berlin, der größten Stadt unseres Landes, die durch hohe Verkehrsdichte, Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung -- um nur einige Probleme zu nennen -- belastet ist, nicht genauso gut gewährleistet.

Nicht aus mangelnder Solidarität mit den neuen Bundesländern entscheide ich mich für Bonn als Sitz von Parlament und Regierung. Gerade weil ich für eine möglichst rasche Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern eintrete, müssen von Bonn aus die entscheidenden politischen Maßnahmen ausgehen. Wir brauchen jetzt eine stabile und funktionierende Parlaments- und Regierungsarbeit, also kein störendes Hin und Her zwischen den beiden Städten. Ein »Wanderzirkus« wäre der Lösung der großen und schwierigen Probleme nur abträglich.

Mit der Entscheidung für Bonn als Sitz von Parlament und Bundesregierung haben wir den Vorteil, daß keine umzugsbedingten Kosten entstehen. Die hohen Summen, die ein Umzug nach Berlin verschlingen würde, sollen meiner Meinung nach lieber in den Ausbau der neuen Bundesländer und besonders auch Berlins einfließen. Ich halte es für ein Unding, eine Stadt wie Bonn zu verlassen, wo die benötigten Bauten bereits weitgehend vorhanden sind, wo sich viele bereits im Bau befinden oder bereits konkrete Planungen getroffen wurden.

Die Strukturprobleme in den alten Bundesländern werden nicht dadurch gelöst, daß man für räumliche Nähe sorgt und dadurch in Bonn und Umgebung eine Strukturkrise schafft. Berlin muß finanzielle Unterstützung erhalten, um seinen Hauptstadtfunktionen gerecht werden zu können, und die fünf neuen Bundesländer sollen sowohl Finanzhilfen erhalten als

auch bei der Erstellung von neuen Bundeseinrichtungen vorrangig berücksichtigt werden.

Die Entscheidung für Bonn als den Sitz von Parlament und Regierung muß hier und heute getroffen werden. Und ich stimme für Bonn!

Klaus Brähning, CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_111
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