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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Dr. Margret Funke-Schmitt-Rink, FDP Jörg Ganschow, FDP >>

Diese Regierungssitzdebatte wird als Negativbeispiel für politische Streitkultur in die Annalen des Jahres 1 nach der Einheit eingehen. Bonn wie Berlin haben es nicht verdient, so mit Dreck -- sprich: Vorurteilen -- beworfen zu werden.

Machen wir doch damit Schluß, Berlin die Verantwortung für unselige Kapitel der deutschen Geschichte anzulasten. Berlin als preußische Hauptstadt des Militarismus, Reichshauptstadt der Nazis und ehemaligen Sitz des Unrechtsregimes der SED sehen zu wollen ist eine unzulässige Verkürzung der Geschichte. Im Gegenteil: Seit 1945 gilt Berlin als »Insel der Freiheit« in der »stürmischen Brandung« des Kalten Krieges. Sind denn die Reden zum 17. Juni von 1953 bis 1989 vergessen?

Es ist ebenso einseitig, Bonn mit »Rechnungshofarchitektur« und »Kantinenmentalität« gleichzusetzen, Bonn vorzuwerfen, es habe dem politischen Zentrum Unterkunft, aber kein Image verschafft. Bonn wie Berlin sind hervorragend -- wenn auch unterschiedliche -- Symbole für die einzigartige deutsche Geschichte.

Aber weil eben diese deutsche Geschichte von 1933 bis 1991 unvergleichbar ist mit der anderer Völker, können wir unsere Probleme nicht so lösen wie z. B. die Niederlande oder Australien.

Es geht hier und heute um die Identität Deutschlands. Wir hier müssen eine Entscheidung für alle Deutschen treffen. Das Ziel heißt: Zusammenwachsen von zwei heterogenen deutschen Teilen zu einem einheitlichen Gesamtdeutschland. Für mich kann diese Aufgabe nur mit Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz erfüllt werden. Berlin ist die Nahtstelle zwischen Ost und West. Wie in einem Brennglas werden hier die Probleme schonungslos deutlich -- und zwar für viele Jahre. Diese Probleme müssen schnell gelöst werden. Deshalb muß die Entscheidung jetzt gefällt werden.

Die Konsens-/Kompromißmodelle, mit denen man uns behelligt, sowie der Ruf nach einem Plebiszit haben die gleiche Qualität: Flucht aus der Verantwortung, die zu übernehmen wir vom deutschen Volk am 2. Dezember 1990 gewählt wurden.

Ein wie auch immer geartetes Kompromißmodell vernebelt den grundlegenden Sachverhalt, daß auch in einem Bundesstaat nur eine Stadt die politische Zentrale sein kann, und die Folge einer Trennung von Bundesregierung und Bundestag würde eine Dominanz der Exekutive gegenüber dem Parlament sein. Leisten wir bitte nicht einer weiteren Selbstentleibung des Parlaments Vorschub.

Ein Stück Glaubwürdigkeit hat die Politik durch die Debatte, wie sie bisher geführt wurde, schon verloren: Mit der Hauptstadtlüge wird der Graben des Mißtrauens zwischen Ost und West noch größer werden. Die Menschen in den neuen Ländern sehen sich dann erst recht auf der Verliererseite und vom Westen vereinnahmt. Sie haben Angst, nur als Anhängsel der bisherigen Bundesrepublik bewertet zu werden.

Wird das Zusammenwachsen wirklich gelingen, wenn wir Westdeutschen verlangen, daß die ehemaligen DDR-Bürgerinnen und -Bürger ihr Leben dramatisch ändern, wir aber auf Besitzstandsdenken beharren? Nur eine Verlagerung der wichtigsten Verfassungsorgane nach Berlin wird die Rede vom »Anschluß« unhaltbar machen. Eine Entscheidung für Berlin ist eine Investition des Vertrauens in die Entwicklung der neuen Länder.

Die Wahl Berlins wird auch unter europäischen Aspekten ein Signal sein. Der bisherige »West-Akzent« wird auf europäischer Ebene durch den »Ost-Akzent« ergänzt. Erkennen wir die heutige Identität Berlins an als moderne europäische Metropole in einem geeinten Deutschland, das nach der Vereinigung Europas strebt. Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz wäre ein wichtiger und wirksamer Transmissionsriemen, ein idealer Vermittler zwischen West- und Ost-Europa.

Jörg Ganschow, FDP >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_124
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