Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Lisa Peters, FDP | Angelika Pfeiffer, CDU/CSU >> |
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Bonn oder Berlin? Berlin oder Bonn? Berlin und Bonn? So hat sich die Frage in den letzten Tagen, Wochen und Monaten gestellt! Es gab nur ein Thema -- jedenfalls hier in Bonn. Wir wurden bedrängt, uns wurde mehr oder weniger deutlich gesagt, daß der Bundestag nur in Bonn verbleiben kann. Eine große Frage, die wichtigste Frage in dieser Wahlperiode wurde sehr einfach abgehandelt. Es ging um die zukünftige Wirtschaftskraft von Bonn, um die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Deutschen Bundestages, seiner Institutionen. Für mich ist diese Fragestellung zu einfach! Hier ist tiefer zu entscheiden, langfristiger, für das nächste Jahrhundert. Meine Entscheidung für Berlin vollzieht das nach, was Jahrzehnte gewollt war. Ich habe fünfzig Jahre Geschichte erlebt, miterlebt -- in dieser Zeit gelebt, gearbeitet, aufgebaut. Jeder Abgeordnete hier im Deutschen Bundestag hat seine eigenen Erfahrungen, eine eigene Betroffenheit. Der Kollege, die Kollegin sollten es respektieren! Meine Kindheit war von einem gnadenlosen Krieg geprägt. Über vier Jahre verbrachten wir -- kurz vor Hamburg wohnend -- fast jede Nacht bei Fliegeralarm im Luftschutzkeller. Wir hatten Angst auf unserem Schulweg, Tiefflieger beschossen uns. Dann, ab 1944, die langen Trecks der Vertriebenen aus Ost- und Westpreußen, Schlesien, Pommern. Menschen mit wenig Hab und Gut auf ihrem Wagen. Elend, Krankheit, Hunger und Tod prägte diese letzte Zeit des Krieges besonders. Eine Erlösung kam mit dem 21. April 1945 -- ich war 12 Jahre alt --, englische Soldaten besetzten unser Dorf. Für mich hat in diesen Tagen das Wort Freiheit, frei reden und denken zu können, eine große Bedeutung bekommen. Dann der Aufbau, die Währungsreform, die Gründung der Bundesrepublik mit dem freien Zugang zu Westberlin. Dazu der Osten Europas, der sich immer mehr einengte, absetzte, sich in eine Richtung ohne Freiheit entwickelte, Menschen knechtete. Aber Berlin war für uns alle da, standhaft, tapfer, mutig, mit Bewohnern, die vieles erduldeten, für unsere Freiheit stritten. Der 17. Juni 1953, dann die Blockade, die Versorgung aus der Luft, das Aushalten der Berliner. Jeder, der es miterlebt hat, vergißt diese Monate nicht. Dabei war auch unsere Angst groß, würde es zu einem 3. Weltkrieg kommen, würden die Berliner und unsere Verbündeten es durchhalten? Die Berliner blieben stark und zuversichtlich, sie haben uns hier geholfen, unsere Freiheit erstritten und dadurch bewahrt. Es spitzte sich weiter zu, viele Menschen verließen die DDR, der Bau der Mauer war die Folge. Auch diese Mauer hielten die Berliner aus, es gab viele Tote und Verletzte, die Mauer trennte, war nicht überwindbar. Berlin aber lebte und arbeitete, schaffte etwas, brachte das, was eigentlich »Freiheit« bedeutet, »rüber«. Überall in der Welt war es »unsere Stadt«, unsere Hauptstadt. Über 40 Jahre hat man keine andere Stellungnahme/Meinung gehört! Die Stadt Bonn und die Bonner haben viel zum Aufbau der Bundesrepublik beigetragen. Es ist unverkennbar, der Bundestag und seine Gremien können hier gut arbeiten, dafür sind wir dankbar, auch ich bedanke mich. Finanzielle Erwägungen spielen in diesem Fall für mich nicht die erste Rolle, außerdem kann heute keiner die Kosten ermitteln -- so oder so nicht! Aber der Weg zur Einheit unseres Volkes wurde uns von unseren Mitbürgern und Mitbürgerinnen im Osten vorgezeichnet. Ich habe an diese Einheit geglaubt, dafür gearbeitet. Viele Besuche in den Jahren zwischen 1978 und 1989 galten unseren Freunden in der DDR. Gespräche, Diskussionen, miteinander reden und fühlen, aufeinander zugehen, alles war wichtig, wichtig für die Menschen im Osten. Wer öfter in der alten DDR war, spürte die Veränderung. Daß es so schnell kommen würde, hat niemand ahnen und vermuten können. Der Sommer 1989 zeigte es jedoch an, mutig demonstrierten unsere Freunde in der damaligen DDR. Unvergeßlich sind für uns alle die ersten Bilder vom Abend des 9. November 1989, die Trabbis und Wartburgs am 10. November -- das Brandenburger Tor zu Silvester 1990! Dann ging alles sehr schnell, die Bundesregierung, die freigewählte Volkskammer, der Bundestag, alle haben wahnsinnig schnell gearbeitet, die Gunst der Stunde erkannt! Wir haben den Vertrag »über die Herstellung der Einheit Deutschlands«, den Einigungsvertrag! Der 12. Deutsche Bundestag ist frei gewählt. Wir müssen und wollen heute entscheiden. Dabei ist es selbstverständlich, daß es nur eine Verlagerung von Bonn nach Berlin geben kann, die sozial verträglich ist, die die Belange der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen berücksichtigt. Ich stimme für Berlin, für den Antrag, der von Willy Brandt, Wolfgang Schäuble und Hermann Otto Solms unterschrieben ist! Über 40 Jahre erlebte Geschichte sagen aus, daß Berlin die Hauptstadt sein muß, daß auch das Parlament und die Regierung dort ihren Sitz haben müssen. Berliner haben unsere Freiheit durch Beharrlichkeit erstritten. Dafür danke ich. |
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Angelika Pfeiffer, CDU/CSU >> |