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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Otto Reschke, SPD Helmut Rode (Wietzen), CDU/CSU >>

Ich stimme für Bonn als Sitz von Bundestag und Regierung. Berlin soll als Hauptstadt Amtssitz des Bundespräsidenten, Tagungsort der Bundesversammlung und Sitz des Bundesrates werden.

Erstens. Zunächst glaube ich, daß wir 40 Jahre sehr gut mit Bonn als Parlaments- und Regierungssitz zurechtgekommen sind. Bonn steht für ein anderes Deutschland als jenes, das 1945 bezwungen wurde. Es ist schon längst kein Provisorium mehr. Seit Jahrzehnten ist es Sinnbild für ein friedliches, freiheitliches, demokratisches, föderales und wohlständiges Deutschland, das auf Freundschaft mit den europäischen Partnern und denen in der Welt hin angelegt ist und mit dem Ziel einer Einigung Europas eng verbunden ist. In einem Europa ohne Grenzen, aber mit einem Riesenaufwand eine neue große nationalstaatliche Hauptstadt auszubauen widerspricht allen Erfahrungen und Entwicklungen im 20. Jahrhundert. Die mit Bonn verbundene deutsche Politik hat weltweit ihre hohe Anerkennung gefunden. Was spricht eigentlich dagegen, hier weiter Kontinuität zu wahren und Bonn in seiner erfolgreichen Rolle zu belassen, statt in das Gebäude des alten preußischen Reichstags umzuziehen?

Zweitens. Die Entscheidung für Bonn bricht kein Versprechen. Auch die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze mit einer großen Mehrheit des Deutschen Bundestages ist wegen der deutschen und europäischen Geschichte richtig. Der Einigungsvertrag ist nach Art. 23 des Grundgesetzes zustandegekommen. Er legt neben der Bestimmung Berlins als Hauptstadt ausdrücklich fest, daß das jeweilige Parlament (Bundesversammlung, Bundesrat und Bundestag) über seinen Sitz entscheidet. Deshalb ist jetzt nach Beitritt gemäß Art. 23 das Parlament frei von jeder Verpflichtung.

Drittens. Ich bin nicht der Auffassung, daß die »Verantwortung vor der Geschichte« einen Wechsel von Parlament und Regierung nach Berlin gebietet. Die historische Verantwortung der Deutschen macht vielmehr einen besonnenen Umgang mit der Symbolkraft der alten Reichshauptstadt nötig. Durch das Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats wurde am 25. Februar 1947 beschlossen: »Der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden werden hiermit aufgelöst.« Bonn hat als Sinnbild des Föderalismus hervorragende Arbeit geleistet und kann das auch weiter tun. Es stünde der Bundesrepublik Deutschland gut an, nicht nur beiden Städten eine Chance zu geben, sondern unsere Verfassungsorgane und die Obersten Bundesbehörden in mehreren Bundesländern vertreten zu halten. Karlsruhe, München, Frankfurt, Kassel, Nürnberg, Braunschweig, Hannover, Bremen, Hamburg und Flensburg und andere Städte sind Beispiele und Vorbilder für Anstrengungen und Aufgaben, die wir in Solidarität gegenüber den Regionen in den neuen Bundesländern angehen sollten. Bonn und Berlin sollten dabei Vorbildlichkeit in praktischer Solidarität ausüben.

Viertens. Eine Trennung von Parlament und Regierung halte ich nicht für sinnvoll, weil das möglicherweise zu einer Verselbständigung der Regierung führt und die parlamentarische Kontrolle schwächt. Auch ein teuer hin- und herreisendes Parlament wäre weder dem Steuerzahler noch den Beteiligten zuzumuten.

Fünftens. Ein Umzug des Parlaments und der Ministerien und auch die Folgen für die Betroffenen sind weder finanzpolitisch zu verantworten noch sozialpolitisch vertretbar. Den von den Einheitskosten gebeutelten Bundesbürgern kann man nicht auch noch die Kosten eines fragwürdigen Umzugs nach Berlin zumuten. Der finanzielle Aspekt darf vor dem Hintergrund zukünftiger Entwicklungen in Deutschland nicht außer acht gelassen werden. Ich halte es für falsch, auf dem Altar der Erfüllung einer politisch-historischen Symbolik den Pragmatismus finanzpolitischer Solidität und Verantwortung zu opfern. Auch wäre es viel eher eine Zeichen der Solidarität mit den Menschen in den neuen Bundesländern, nicht zig Milliarden Mark in den Umzug, in neue Parlaments- und Regierungsbauten u. a. zu stecken, sondern statt dessen mehr Geld für den Aufbau der bitter notwendigen Infrastruktur im Osten Deutschlands zur Verfügung zu stellen. Nicht zuletzt ist für mich die Entscheidung, Parlament und Regierung in Bonn zu lassen, eine strukturpolitische Entscheidung für NRW.

Helmut Rode (Wietzen), CDU/CSU >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_178
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