Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Hans Wallow, SPD | Dr. Konstanze Wegner, SPD >> |
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Die manchmal bizarre Diskussion um Geschichte, Föderalismus, Praktikabilität, Kosten und natürlich auch die Konkurrenz zweier Symbole ist nicht zuletzt wohl auch deshalb in Mißkredit geraten, weil sie von den Menschen weggeführt hat. So wichtig die übergeordneten Gesichtspunkte auch sein mögen, die sozialen Folgen der heutigen Entscheidung dürfen nicht vernachlässigt werden. Die Kommunalpolitiker wissen: Jede dörfliche Umgehungsstraße erhält durch ein geordnetes nachprüfbares Verwaltungsverfahren größere Aufmerksamkeit, als der mögliche Umzug der Staatsorgane in eine andere Stadt bisher erhalten hat. Bei der Umgehungsstraße ist es heute selbstverständlich, daß auf Brutplätze von Rebhühnern oder Feuchtgebiete Rücksicht genommen wird. Haben die Menschen hier in der Bonner Region, im Norden von Rheinland-Pfalz und auch in Berlin in bezug auf den Verdrängungswettbewerb nicht mindestens das gleiche moralische Anrecht, auf ihren Wohnungen und Arbeitsplätzen zu bestehen? Es gibt auch eine in 40 Jahren gewachsene Verpflichtung gegenüber den Tausenden von Arbeitnehmern in den kleinen und mittleren Betrieben in und rund um Bonn, deren Existenz, anders als die der Beamten im höheren Dienst, von dieser Entscheidung abhängt. Was wird mit ihnen? Darauf hat bis heute noch niemand eine klare Antwort geben können. Es hat noch keine Entscheidung von derart großer Tragweite gegeben, die im Hinblick auf ihre soziale Verträglichkeit derart schlecht vorbereitet wurde. Mit Symbolen und Geschichte darf man das nicht zukleistern. Deshalb auch im Zweifel: für Bonn. Wir müssen heute mit dieser Entscheidung die Frage vor der Öffentlichkeit beantworten, auf welche Vergangenheit wir unsere Zukunft aufbauen wollen. Mein leider zu früh verstorbener Landesvorsitzender Hugo Brandt hat dazu gesagt: Wir können uns unsere Geschichte nicht aussuchen, aber die Traditionen, die wir pflegen wollen. So habe ich Verständnis für emotionale Bindungen insbesondere der älteren Generation an Berlin. Die Mehrheit der Bonn-Befürworter weiß, daß sich vieles, was Deutschland in seiner Größe und seinen Niederlagen symbolisiert, in Berlin wiederfindet. Deshalb ist die Stadt auch ohne Diskussion wieder zur Hauptstadt geworden. Berlin mit preußischem Militarismus, Nazi-Barbarei und der kommunistischen Erziehungsdiktatur gleichzusetzen ist genauso falsch, wie Bonn als Ausdruck deutscher Provinzialität abzutun. Bonn als verschlafene Idylle? -- Die größten Massendemonstrationen unserer Geschichte fanden hier statt -- friedlich. Auch das ist ein Stück unspektakulärer, gelungener deutscher Geschichte. Bonn aber steht -- wie keine andere Stadt -- für eine neue Qualität unserer Geschichte, für ein demokratisch erarbeitetes Selbstverständnis, für das Vertrauen in die Zukunft Europas und den Mut zum Neuen, für den Verzicht auf staatlichen Stärkekult in Verbindung mit dem Geist der Mäßigung in der Politik. Damit steht Bonn auch für Werte, für die viele Menschen in der ehemaligen DDR gekämpft haben. Meine Entscheidung für Bonn als Parlaments- und Regierungssitz ist historisch begründet und zugleich in die Zukunft gerichtet. Für mich verbindet sich mit diesem Regierungs- und Parlamentssitz ein Identitätsangebot der neuen Bundesrepublik hin zu einem bereits erarbeiteten, manchmal mühsam erstrittenen demokratischen Selbstverständnis. Es geht um die Frage, von welchen Vorstellungen vom Staat, von staatlicher Repräsentation und sogar von welcher Rolle in der Welt sich jeder einzelne von uns leiten läßt. Trotzdem, ich käme nie auf den Gedanken, zu sagen: Nur von Bonn aus könnte die Republik regiert werden. Dennoch: Es ist die Summe der Argumente, die für diese Stadt spricht. Für mich ist das Wichtigste: Diese Zeit der jüngsten Geschichte steht nach der Nazi-Diktatur und der kommunistischen Oligarchie für ein positives Deutschland-Bild. Diese Zeit hat unserem Land erst einen wirklichen Wert gegeben. |
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Dr. Konstanze Wegner, SPD >> |