Der Bevölkerung
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Willy Brandt würde gesagt haben: Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner? Sein Werk fragt uns: Wie weit fassen wir den Begriff des Bürgers? Das halte ich für eine ganz spannende Debatte. Nehmen wir das transatlantische "ius soli" auf oder nicht? Welche Rechte und Pflichten haben Menschen nicht deutscher Nationalität, die mit uns leben? Seit dem Vertrag von Amsterdam gibt es zusätzlich zur nationalen Staatsbürgerschaft die Unionsbürgerschaft. Wollen wir denn länger leugnen, dass wir in einem Land leben, in dem es eine wachsende Zahl von Menschen gibt, die nicht Deutsche sind? Mit diesen wollen wir gemeinsam leben. Genau das, genau dieses Erinnerungsmoment ständig für uns wach zu halten, das will uns der Künstler sagen und zeigen. Deswegen muss sein Kunstwerk hier seinen Platz haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)

Die Spannungen - Herr Kollege Lammert, so würde ich es bezeichnen - zwischen der Giebelinschrift und dem Kunstwerk von Hans Haacke machen nichts anderes deutlich, als dass es in unserer Gesellschaft eine wachsende Pluralität bzw. Vielfarbigkeit gibt. Ohne Pluralität ist Modernität nicht zu gewinnen. Ohne Toleranz wird es nie Solidarität geben. Dazu aber, zu jener Toleranz - entschuldigen Sie, dass ich das so sage -, gehört der Dialog zwischen Kunst und Politik. Wer Kunst darauf reduziert, dass sie anschmiegsam und dekorativ sein soll und nicht kritisch sein darf, der hat einen Kunstbegriff, der nicht zu unserer Gegenwart und zu unserer Auseinandersetzung gehört.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS - Dr. Norbert Lammert [CDU/CSU]: Wer hat denn diesen Kunstbegriff?)

Der Streit über Ästhetik - das kann doch gar nicht anders sein - wird immer offen bleiben. Politisch aber dürfen wir diesen Streit um die Freiheit der Kunst nicht verlieren. Wir dürfen nicht unsere Liberalität verlieren. Abgeordnete können durch Kunst auch herausgefordert werden. Sie müssen ein Ja dazu sagen, dass Kunst in unseren Räumen Platz haben kann.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wir müssen gar nichts!)

Die kritischen Künstler dürfen wir nicht verlieren. Beklagen wir nicht häufig die Distanz von Intellektuellen gegenüber der Politik? Wie ernst nehmen wir denn unseren eigenen Aufruf zum Mittun? Wir brauchen die kritischen Künstler, damit unsere Gesellschaft ständig wach und lebendig bleibt. Zu diesen Künstlern gehört auch Hans Haacke.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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