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Dezember 05/1998
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Neues Gesundheits-Gesetz bei Experten heftig umstritten

(ge) Das Ziel der Bundesregierung, die Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung wieder zu stärken und die Beitragssätze stabil zu halten, ist am 25. November bei einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses vor allem von den Vertretern der Krankenkassen, der Behindertenverbände und der Gewerkschaften begrüßt worden. Ablehnend äußerten sich hingegen Apotheker- und Pharmaverbände, die Ärzteschaft und der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Die Experten betonten jedoch einmütig, der von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegte Gesetzentwurf zur Stärkung der Solidarität in der Gesetzlichen Krankenversicherung (14/24) sei lediglich als Vorschaltgesetz zu betrachten, um kurzfristig das System zu stabilisieren. Langfristig müsse gemeinsam mit allen Betroffenen an einer durchgreifenden Reform des Gesundheitswesens gearbeitet werden.
Zweifel meldeten die Experten an der Gegenfinanzierung der Gesetzesinitiative an. Ein wesentlicher Faktor sei dabei, inwieweit und ab wann eine neue gesetzliche Regelung für die 620-DM-Jobs eintreten werde. "Das Gesetz steht und fällt mit dem 620-DM-Gesetz, das Geld in die Kassen bringen soll", so der Verband der Angestelltenkrankenkassen (VDAK/AEV). Prof. Dr. Eckhard Knappe von der Universität Trier erklärte in diesem Zusammenhang, es sei zwar notwendig, über die kurzfristige Finanzierung nachzudenken, langfristig sei es aber wichtig, mehr Wirtschaftlichkeit in das Gesamtsystem hineinzubekommen.

Heilmittel einbeziehen

Von den Kassenvertretern und den Gewerkschaften positiv bewertet wurde die geplante Neuregelung, chronisch Kranke von der Arzneimittelzuzahlung zu befreien oder diese zu mindern. Problematisch sei dabei aber, so die Sachverständigen, daß dies einen hohen Verwaltungsaufwand bedeute, um die chronischen Krankheiten zu dokumentieren. Einige Experten, so die Vertreter der Deutschen Rheuma Liga, der Physiotherapeuten und der Logopäden, bemängelten, daß die Heilmittelzuzahlung bislang nicht in die Härtefallregelung einbezogen worden sei. Auf erhebliche Kritik stieß bei der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände und der Vertreter der Pharmaindustrie vor allem die geplante Absenkung der Festbeträge für Arzneimittel sowie die Budgetierung. Beide Seiten betonten, die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Gegenfinanzierung belaste den Arzneimittelmarkt in einer Weise, die nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch die Arzneimittelversorgung in hohem Maß gefährde.
Die Apothekervertreter appellierten in ihrer Stellungnahme deshalb an den Gesetzgeber, sich für ein Niveau der Budgetierung im Arzneimittelbereich einzusetzen, "das eine angemessene Arzneimittelversorgung der Patienten gewährleistet, Rationierungen vermeidet und Arbeits- und Ausbildungsplätze nicht gefährdet". Die Sprecher der Pharmaindustrie legten dar, der Entwurf belaste den Arzneimittelbereich übermäßig und damit den Sektor, der in den vergangenen Jahren die größten Einsparerfolge gehabt hätte. Der Entwurf ignoriere die wirtschaftlichen Auswirkungen der geplanten Einschränkungen der Arzneimittelausgaben.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung lehnte die Wiedereinführung sektoraler Ausgabenbudgets als "untaugliches Mittel der Ausgabensteuerung" ab. Die beabsichtigten positiven Effekte auf den allgemeinen Arbeitsmarkt würden erkauft mit einer Gefährdung von Arbeitsplätzen im Gesundheitswesen. Im übrigen führe sie dazu, daß wegen der erwarteten negativen Grundlohnentwicklung in den neuen Bundesländern die dortigen Vertragsärzte erneut schwer belastet würden.

Beiträge stabilisieren

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betonte, er unterstütze ausdrücklich die geplante Neuregelung, daß sich zur Sicherung der Beitragssatzstabilität die Ausgaben der GKV nur in dem Maße verändern dürfen, wie sich auch die beitragspflichtigen Einnahmen verändern. Die gewählte Form der sektoralen Ausgabenbegrenzung sei aber nur die "zweitbeste Lösung". Sie realisiere zwar die anvisierten finanziellen Entlastungen, stünde aber allen "aus humanitären wie strukturellen, qualitativen wie ökonomischen Gründen notwendigen Verzahnungen der unterschiedlichen Versorgungsbereiche entgegen". Aus sozial- und gesundheitspolitischen Gründen begrüßte der DGB in seiner Stellungnahme unter anderem die Aussetzung des "Krankenhausnotopfers", die Wiedereinführung des Zahnersatzes für nach 1978 Geborene und die Rücknahme von Elementen der privaten Versicherungswirtschaft. Vor allem letzteres stärke das Solidarprinzip und verbessere die durch Kostenerstattung beschädigte Steuerung im Gesundheitswesen.

Krankenhäuser schonen

Mit dem Gesetzentwurf nicht anfreunden konnte sich hingegen die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA). Es reiche nicht aus, die Beitragssätze stabil zu halten, notwendig sei deren Reduzierung. Ein durchschnittlicher Beitragssatz zur GKV von 12 Prozent (mit einem Arbeitgeberanteil von maximal 6 Prozent) reiche zur Finanzierung der "medizinisch notwendigen Leistungen" aus. Die BDA regte deshalb an, auf das jetzige Gesetz zu verzichten und statt dessen eine "wirkliche Strukturreform" der GKV anzugehen, bei der insbesondere die Förderung des Wettbewerbes und der Wirtschaftlichkeit bei der Leistungserbringung im Vordergrund stehen müsse.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund votierte für eine "flächendeckende Versorgung" der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen. Verschlechterungen der finanziellen Rahmenbedingungen würden abgelehnt. Der Krankenhausbereich habe seinen Beitrag zur Ausgabenbegrenzung im Gesundheitswesen geleistet. Es sei notwendig, die Krankenhäuser von der im Vorschaltgesetz vorgesehenen Ausgabenbegrenzung auszunehmen. Auch beim Verband der Deutschen Ärzte - Hartmannbund - stieß der Regierungsentwurf auf wenig Gegenliebe. In seiner Stellungnahme erklärte der Verband, er lehne die Globalhaftung aller Vertragsärzte auf der Basis von Arzneimittelbudgets ab.
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9805/9805020
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