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Dezember 06/1998
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Bleiben wir die Bundesrepublik!

Essay von Helmut Herles
H. Herles
Was aus der Bundesrepublik Deutschland nach dem Umzug des Bundestages von Bonn nach Berlin wird, steht noch nicht fest. Wir setzen auf das Prinzip Hoffnung und wollen bis zum Beweis des Gegenteils lieber dem Bundespräsidenten Roman Herzog, dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl oder dem bayerischen Ministerpräsidenten glauben, daß dies kein Weg in eine "andere Republik", kein "Zug in den Zentralismus" wird, wie der Bayer Edmund Stoiber gesagt hat. Auch wer den Arbeitssitz des Bundes mit der Bundeshauptstadt Berlin lieber in Bonn gelassen hätte, weil man nicht reparieren sollte, was nicht kaputt ist, wünscht mit Berlin eine weitere politische Entwicklung, wie sie seit 1949 von Bonn aus möglich war. Bonn steht für eine demokratische deutsche Erfolgsgeschichte, alles in allem.
Die Schwierigkeiten fangen nun schon damit an, daß kaum jemand von Berlin als Bundeshauptstadt spricht, sondern es zunehmend "Hauptstadt-Hauptstadt" tönt ? wie einst in der DDR. Der "Bund" verabschiedet sich aus unserer Sprache, damit auch aus unserem Bewußtsein? Von der Bundesmarine bis zur Bundesrepublik, die zunehmend nur noch "Republik" genannt wird. Daher ist zu hoffen, daß mit der Ankunft des Bundestages in Berlin künftig auf den dortigen Straßenwegweisern der Begriff Bundestag den Reichstag ablösen wird, hoffentlich auch in den Köpfen der Politiker. Die Entscheidungen und Sitzungen werden die des Bundestages sein.
Noch ärgerlicher ist das Gerede von der Bundesrepublik Deutschland als Bonner oder als Berliner Republik. Jeder, der unserem Staat solche Etiketten aufklebt, spricht im Grunde von seinem baldigen Verschwinden, so wie die "Weimarer Republik" vergangen ist. Wann soll die "Berliner Republik" zu Ende sein? Kein Franzose käme auf die Idee, seine "Republique Française" oder sein "France" "Pariser Republik" zu nennen, kein Brite sein "United Kingdom" etwa "Londoner Königtum".
Wir waren bisher in Bonn mit Koalition und Opposition, mit allen Verfassungsorganen, mit unseren Bundeskanzlern, allein um diese als Beispiel für die gesamte Politik der Bundesrepublik zu nennen, keine Bonner Republik. Die Kanzler Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl ? sie bestimmten die politischen Richtlinien für die Bundesrepublik Deutschland mit einem stabilen Bundestag. West-, Ost-, Europa-, Entwicklungs- und Friedenspolitik vor der deutschen Vereinigung, dabei waren sie keineswegs "Trittbrettfahrer der Weltgeschichte" oder saßen auf der "Zuschauertribüne", wie manche Propheten einer anderen Republik behaupten. Nein, die Bundesrepublik hat seit 1949 Großes geleistet. Dennoch wollen wir Bonner keine Bonner Republik, aber auch mit Gerhard Schröder keine Berliner Republik. Wir wollen die Bundesrepublik Deutschland sein und bleiben. Richtige Politik beginnt mit den richtigen Begriffen.
Wenn ein Bonner dies schreibt, glauben manche, weghören zu müssen. Deshalb ist es erfreulich, wenn nun auch aus Berlin von einer "anderen Republik" und vor dem "Umgang mit großen, falschen Worten"
gewarnt wird. Dieter J. Opitz schrieb in der Berliner Morgenpost gegen jene "Berliner Republik": "Wer einen neuen Namen für diesen Staat durchzusetzen versucht, will ? wenn ihm nicht einfach der Reiz des Neuen die Feder führt ? einen anderen. Dabei ist entweder ein unbestimmtes Sehnen nach nationaler Größe vergangener Zeiten im Spiel, oder die Hoffnung, etwas DDR-Tradition einzuschmuggeln. Beides ist gleichermaßen unbekömmlich." So ist es.
Dem Bundestag als Forum der politischen Sprache und Kultur unserer Nation kommt deshalb gerade in Berlin die große Aufgabe zu, über unsere Politik und ihre Herausforderungen mit den Begriffen des Grundgesetzes der Bundesrepublik zu sprechen und sich deren Umwidmung zu widersetzen. Das ist keine Rede gegen Offenheit für notwendige Veränderungen. Im Gegenteil. Aber sie müssen von unserem gesicherten Fundament aus geschehen. Den Bundestagsabgeordneten ist zu wünschen, daß sie in Berlin endlich verwirklichen, was sie in Bonn und ihren Wahlkreisen schon bisher tun konnten, wenn sie es wollten: "Dem Volk aufs Maul schauen", mit ihm zu leben, ohne ihm nach dem Munde zu reden. Wirkliche Volksvertreter sollten sich nicht zwischen Spreebogen und Brandenburger Tor in einer neuen politischen Insel einmauern.
Zum Schlu
Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1998/bp9806/9806004
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