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März 02/1999
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PLENUM BEFASST SICH MIT PKK­AUSSCHREITUNGEN

Schily: Regierung wird gewalttätige Aktionen nicht einfach hinnehmen

(in) Angesichts der mit "äußerster Brutalität ausgeführten gewalttätigen Aktionen fanatischer Anhänger der kurdischen Arbeiterpartei PKK in den letzten Tagen" appelliert die Bundesregierung, so Innenminister Otto Schily am 23. Februar im Parlament, an alle in Deutschland lebenden Kurden, ihren Konflikt nicht in Deutschland auszutragen.

Wie alle rund zwei Millionen türkischen Staatsbürger, die in Deutschland lebten, seien auch die mehreren hunderttausend Kurden unter ihnen willkommene Gäste und Mitbürger, die sich der Fürsorge Deutschlands sicher sein können. Aber auch hier gelte, was in jedem Land der Erde zu den Grundregeln der Gastfreundschaft gehöre: Wer sie in Anspruch nehme, habe Recht und Ordnung des Gastlandes zu respektieren. Gesetzesverletzungen und Gewalt in der Bundesrepublik, gleichgültig, von welcher Seite und wie auch immer motiviert, wird die Regierung nicht hinnehmen. Wer das Gastrecht in Deutschland mißbrauche und straffällig werde, müsse mit der vollen Härte des Gesetzes, mit einem Strafverfahren sowie mit Ausweisung und Abschiebung rechnen. Dabei werde allerdings in jedem Einzelfall geprüft, ob dem Betroffenen nach der Abschiebung Todesstrafe, Folter oder sonstige rechtsstaatswidrige Behandlung drohe. Deutschland sei und bleibe ein Rechtsstaat. Im übrigen seien die aktuellen Ereignisse ein Beleg dafür, daß die Entscheidung der Bundesregierung im vergangenen Jahr, die Auslieferung Öcalans nach Deutschland nicht zu verlangen, richtig war.

Straftäter ausweisen

Erwin Marschewski (CDU/CSU) forderte demgegenüber mit Nachdruck, wer das Gastrecht Deutschlands mißbrauche, der müsse raus, "und zwar schnell". Wenn jemand zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr verurteilt werde, wenn er Landfriedensbruch begehe und die Rechts­ und Sachlage eindeutig sei, müsse er zwingend ausgewiesen werden. Außerdem müsse über eine Ausweisung für den Fall nachgedacht werden, wenn jemand Mitglied in einer verbotenen Organisation sei. Man sei hier "nicht in einem Streichelzoo". Es handele sich bei den Betroffenen um Gewalttäter und, was die Anführer betreffe, um Menschen, die Totschlag oder Mord begingen, die Anschläge verübten und die gewaltsam erpreßten, um an Spendengelder zu kommen. Bei konkreter Gefahr von Folter und Todesstrafe sei zwar keine Abschiebung möglich. Dies sei richtig und Bestandteil des Ausländerrechts. Die Türkei habe aber zugesichert, daß ein Rechtsanwalt nach freier Wahl die Betroffenen jederzeit besuchen könne und es für die Betreffenden jederzeit möglich sei, einen Arzt zu konsultieren. Diese Zusicherungen seien von der türkischen Regierung bisher eingehalten worden. Dabei seien hier sicherlich noch beträchtliche Verbesserungen, ein völkerrechtlicher Vertrag oder eine ähnliche Abmachung, vonnöten. Deutschland müsse Zusicherungen bekommen, die so eindeutig ausgestaltet seien, daß jeder Zweifel ausgeräumt werde, die Türkei könne sich nicht an die Vereinbarungen halten. Sie müßten "gerichtsfest" sein.

Auch Guido Westerwelle von den Liberalen sprach sich dafür aus, die Täter "dingfest" zu machen, in beschleunigten Verfahren vor Gericht zu stellen und anschließend auszuweisen. Wenn in Gesprächen mit der Türkei eine den Menschenrechten entsprechende Behandlung sichergestellt werde, so Westerwelle weiter, sollten die Täter auch abgeschoben werden können. Wer in Deutschland kriminell werde, könne nicht darauf hoffen, einer Ausweisung oder Abschiebung zu entgehen.

Außenpolitik hat versagt

Die Gewalt, die im In­ und Ausland von der PKK ausging, werde auch von den Bündnisgrünen in aller Schärfe und jeder Deutlichkeit verurteilt, betonte der Abgeordnete Cem Özdemir. Nun aber verharrten die Parlamentarier in innenpolitischen Stellungskriegen, anstatt sich um die Ursachenbekämpfung zu kümmern. Diese könne, so Özdemir, nur in der Türkei stattfinden. Dort müsse das Problem mit zivilen und rechtsstaatlichen Mitteln gelöst werden, damit wieder Ruhe auf Deutschlands Straßen und in Europa einkehre. Somit habe nicht die deutsche Innenpolitik versagt, sondern die europäische Außenpolitik, welche es gegenwärtig noch gar nicht gebe. Eine mit den USA abgestimmte europäische Außenpolitik, die eine klare Position zur Türkei beziehe, werde aber dringend gebraucht. Sie müsse klar festlegen, wie man sich die Lösung der Probleme in und mit der Türkei vorstelle.

Petra Pau von der PDS stellte fest, wer Gewaltfreiheit wolle, müsse endlich Politik gegen jede Form von Gewalt machen. Da reiche der Appell an die Kurden, verbunden mit der Drohung, Gesetze zu verschärfen, nicht aus.

Kurden überwiegend friedlich

Vor dem Innenausschuß wies Innenminister Otto Schily am 3. März ausdrücklich darauf hin, bei den Ausschreitungen im Februar habe es sich nicht, wie oftmals in der Presse berichtet, um "Kurdenkrawalle", sondern um Gewalttaten von Anhängern der Kurdischen Arbeiterpartei PKK gehandelt. Man müsse strikt zwischen den Parteianhängern und der überwiegenden Anzahl von Kurden trennen, die friedlich in Deutschland lebten. Eine Verallgemeinerung, wie sie in vielen Artikeln vorgenommen worden sei, sei daher unzulässig.

Trotzdem müsse gewalttätigen Aktionen radikaler Gruppen entschieden und "mit der Härte des Gesetzes" entgegengewirkt werden. Dies bedeute, so Schily, es müßten alle juristischen Mittel genutzt werden, welche der Rechtsstaat Deutschland zur Verfügung stelle. Zudem werde das Innenministerium Gespräche mit friedlichen kurdischen Gruppen führen und eine Zusammenarbeit aufbauen. Ziel sei es, diese Menschen in die Lage zu versetzen, aktiv zur Deeskalation der Situation beizutragen.

Außerdem wies der Minister darauf hin, ungeachtet der Tatsache, daß es anscheinend zu einer Beruhigung der Lage gekommen sei, dürfe noch keine Entwarnung gegeben werden. Mit dem Verfahren gegen Öcalan in der Türkei könne es erneut zu einer Zuspitzung der Gewalt kommen, insbesondere dann, wenn dieser zum Tode verurteilt werde. Daher sei auch weiterhin höchste Wachsamkeit geboten.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9902/9902053
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