PLENARDEBATTE ZUR STEUERREFORM
Auswirkungen auf den Mittelstand werden kontrovers beurteilt
(fi) Das Steuersenkungsgesetz wird einen wichtigen Beitrag zum Aufschwung und damit zum Abbau der Arbeitslosigkeit leisten. Diese Prognose wagte Joachim Poß (SPD) am 18. Mai anlässlich der zweiten und dritten Lesung des Steuersenkungsgesetzes (14/2683, 14/3074,14/3366) im Bundestag. Poß bezeichnete das Gesetz als Höhepunkt der bisherigen steuerpolitischen Reformvorhaben der Bundesregierung und der sie tragenden parlamentarischen Mehrheit (siehe auch Seiten 18 und 19).
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Nach den Worten des SPD-Politikers werden die Steuerzahler von 1998 bis 2005 um rund 75 Milliarden DM entlastet. Davon entfielen auf Private rund 55 Milliarden DM und auf den Mittelstand rund 20 Milliarden DM. Vom Entlastungsvolumen in Höhe von rund 45 Milliarden DM profitiere der Mittelstand mit rund 14 Milliarden DM.
Poß wies darauf hin, dass rund zwei Drittel der deutschen Personenunternehmen keine Gewerbesteuer zahlten, ihr Gewinn also unter der Freibetragsgrenze von 48.000 DM liege. Die nicht gewerbesteuerpflichtigen Unternehmen könnten also nur durch eine Senkung im unteren Bereich der Einkommensteuer entlastet werden. Dies sei vor allem für ostdeutsche Unternehmen günstig.
Gewerbesteuer bleibt erhalten
Die Gewerbesteuer bleibe als Hauptfinanzierungsquelle der Kommunen erhalten, sei aber kein Kostenfaktor mehr für die Betriebe. Die Investitionsfähigkeit der Kommunen zu erhalten sei für wichtig für Handwerk und mittelständische Unternehmen. Den Vorwurf, das Gesetz benachteilige den Mittelstand, wies Poß zurück.
Nach den Worten von Peter Rauen (CDU/CSU) ist die "größte Steuerreform aller Zeiten" der "untaugliche Versuch", die Steuerzahler zu täuschen. Bei den Berechnungen werde unterschlagen, dass bis 2005, der letzten Stufe des Reformpakets, die Inflation, die Löhne und Gehälter und die Grenz- und Durchschnittssteuerbelastung der Arbeitnehmer und der Unternehmer gestiegen sein werden.
Im Einkommensteuertarif 2005 werde der Spitzensteuersatz bei einem zu versteuernden Einkommen von 98.000 DM erreicht. Ein großer Teil der deutschen Facharbeiter in der Steuerklasse I komme dann in die Nähe des Spitzensteuersatzes, sagte Rauen.
Es gehe nicht, so Rauen weiter, beim Verkauf von Kapitalbeteiligungen die Steuerbelastung von 100 Prozent auf null zurückzufahren und gleichzeitig Personengesellschaften, die genauso umstrukturieren müssten, mit einem Freibetrag von 100.000 DM abzuspeisen. Die Reform sei für Personengesellschaften, für mittelständische Unternehmer und Freiberufler diskriminierend.
Seriosität und Fairness
Rezzo Schlauch (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, durch das Gesetz werde finanzielle Nachhaltigkeit und Seriosität mit sozialer Fairness und ökologischer Erneuerung verbunden. Allen Unkenrufen zum Trotz, so Schlauch, seien die Privathaushalte und der Mittelstand die Hauptbegünstigten der Reform. Die Senkung der Steuersätze und die Anrechnung der Gewerbesteuer würden die Situation kleiner und mittlerer Unternehmen spürbar verbessern. Ein Großteil dieser Unternehmen liege unter dem Durchschnittssteuersatz von 25 Prozent. Erst ab einem Gewinn von 200.000 DM bei Ledigen (400.000 bei Verheirateten) könne eine Personengesellschaft höher besteuert werden als eine Körperschaft, so Schlauch.
Belastung der Leistungsträger
Nach Auffassung von Carl-Ludwig Thiele (F.D.P.) schafft die Koalition mit dieser Steuerreform eine zusätzliche Belastung der Leistungsträger. Die Einkommensgrenze für das Erreichen des Spitzensteuersatzes bis zum Jahre 2005 werde um 20.000 DM reduziert. Große Kapitalgesellschaften würden gegenüber kleinen und mittelständischen Betrieben und gegenüber Arbeitnehmern bevorzugt. Die F.D.P. lehne schlechtere Abschreibungsbedingungen ab. Thiele plädierte im Übrigen für die Abschaffung der Gewerbesteuer.
Durch die Senkung der Körperschaftsteuer und durch den Verzicht auf die Gewinnbesteuerung bei der Veräußerung von Anteilseigentum an Kapitalgesellschaften werden die Großen nach Meinung von Gregor Gysi (PDS) extrem begünstigt. Für kleine und mittelständische Unternehmen, für Selbstständige und Freiberufler geschehe nichts Vergleichbares, so der PDS-Abgeordnete. Es handele sich um eine Steuerreform, die den Osten nicht voranbringe.