Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 2000 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt 12/2000 >
Dezember 12/2000
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

streitgespräch

Gleichgeschlechtliche Partnerschaften

Gleiche Rechte für Homosexuelle?

Im Gespräch: Volker Beck (B'90/Die Grünen) ...
Im Gespräch: Volker Beck (B'90/Die Grünen) ...

Die vom Bundestag verabschiedete rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften erhitzt die Gemüter. Für die einen ist sie ein historischer Wendepunkt, für die anderen eine verfassungswidrige Kopie der Ehe. Über die vielen Facetten der nun legitimierten neuen Lebenspartnerschaften führte Blickpunkt Bundestag ein Streitgespräch mit dem innen- und rechtspolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, und der Vorsitzenden der Jungen Gruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ursula Heinen.

Blickpunkt Bundestag: Verträgt das neue Gesetz über "Eingetragene Lebensgemeinschaften" die hohen emotionalen, wenn auch konträren Einschätzungen?

Beck: Für Deutschland stellt es einen großen Wendepunkt dar, wenn jetzt andere Rechtsformen als Ehe und Verlöbnis zur Kenntnis genommen werden. Deshalb verstehe ich die Emotionen schon. Hinzu kommt, dass wir uns erst 1969 von der Strafbarkeit der einvernehmlichen Homosexualität unter Erwachsenen verabschiedet haben. Der gesellschaftliche und rechtliche Wandel ist immens.

Sehen Sie das auch so, Frau Heinen?

Heinen: Ja, es ist richtig, dass sich die Gesellschaft in den letzten Jahren erheblich gewandelt hat, toleranter und offener gegenüber Homosexualität geworden ist. Dennoch halte ich von dem Gesetz überhaupt nichts. Denn es ist in seiner gesamten Anlage so ausgerichtet, dass es de facto eine Gleichstellung mit Ehe und Familie bedeutet. Ehe und Familie sind aber die kleinste Einheit, auf die unsere Gesellschaft aufbaut, und deshalb stehen sie unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes. Deshalb ist es falsch, andere Partnerschaftsmodelle der Ehe gleichzustellen.

Gibt es Übereinstimmung zwischen Ihnen, dass aus der bisherigen Diskriminierung homosexueller Paare Handlungs- und Reformbedarf entstanden ist?

Heinen: Richtig. Wir in der Union sehen durchaus Verbesserungsmöglichkeiten in einigen Bereichen wie etwa beim Mietrecht oder Zeugnisverweigerungsrecht ...

Beck: ... dem Ausländerrecht, dem Steuerrecht, dem Erbrecht ...

Heinen: ... gerade dort nicht. Denn es ist nicht so, dass homosexuelle Paare in allen Lebensbereichen so diskriminiert sind, dass wir dieses umfassende Gleichstellungsgesetz brauchen.

Beck: Da bin ich absolut anderer Meinung. Es geht doch um eine viel grundsätzlichere Frage. Und die heißt: Traut man homosexuellen Partnerschaften eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zu? Auch im rechtlichen Sinne. Wir haben dies mit dem neuen Gesetz bejaht. Diese Verantwortungsgemeinschaft bedeutet im Familienrecht gegenseitige Unterhaltsverpflichtung, das heißt, in guten und schlechten Tagen zueinander zu stehen. Der Schwächere muss sich rechtlich abgesichert auf die Zusagen des Partners verlassen können, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Wir haben mit dem Gesetz nicht einfach Ehe kopiert, sondern nur die Rechtsfolgen der Unterhaltsverpflichtung auch auf gleichgeschlechtliche Paare übertragen. Das geht übrigens, wie etwa beim Steuerrecht, mal zugunsten, aber auch, wie bei der Sozialhilfe, beim Wohngeld und der Arbeitslosenhilfe, mal zulasten der Paare. Der Staat spart Geld, weil die Partner für- einander einzustehen haben.

Warum, Frau Heinen, ist die Union so strikt gegen eine Gleichbehandlung homosexueller mit heterosexuellen Paaren?

Heinen: Wir haben nichts gegen die gesellschaftliche Anerkennung homosexueller Paare. Wir sind aber strikt gegen die gesetzliche Gleichbehandlung dieser Partnerschaften mit der Ehe. Das Grundgesetz stellt die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates, weil es bei der Ehe vor allem um das Aufwachsen der Kinder in der Familie geht. Und das ist immer noch der Regelfall.

Beck: Sie hängen doch alten Mythen nach: In der Realität ist es doch längst nicht mehr so, dass hier die Ehe ist, die immer zur Familie führt, und dort das kinderlose homosexuelle Paar. Es gibt immer mehr Lebensgemeinschaften von Lesben und Schwulen, in denen Kinder leben. Warum dürfen die nicht auf den Schutz und die Fürsorge des Staates bauen? Wohl aber das kinderlose Ehepaar. Das ist doch absurd! Übrigens hat der Grundgesetzgeber festgelegt, dass die Ehe um ihrer selbst willen zu schützen ist. Sonst wären ja auch Ehen nicht geschützt, in denen Kinder nicht erwünscht oder zu bekommen sind. Diesen Schutz der Partnerschaft fordern auch homosexuelle Paare zu Recht für sich ein.

Warum, Herr Beck, wollen die Grünen die absolute Gleichstellung?

Beck: Weil für uns nicht einsehbar ist, warum man Partnerschaften von Homosexuellen rechtlich schlechter stellen soll als andere. Wer die gleichen Pflichten übernimmt wie Eheleute, muss auch Anspruch auf die gleichen Rechte haben. Dabei geht es nur zum Teil um materielle Konsequenzen. Es geht vor allem um die Werte: Dass man Verantwortung übernimmt und füreinander einsteht und nicht einfach davon- läuft und quitt ist, wenn's nicht mehr so viel Spaß macht. Insofern ist die eingetragene Partnerschaft nicht nur wichtig für Lesben und Schwule, sondern auch ein bedeutsames gesellschaftspolitisches Signal.

... mit Ursula Heinen (CDU/CSU).
... mit Ursula Heinen (CDU/CSU).

Lassen Sie uns ein paar Punkte durchgehen. Es gibt Streit darüber, vor welcher Behörde – Standesamt oder ein anderes Amt – "Homo-Ehen" geschlossen werden dürfen. Warum ist das so wichtig?

Heinen: Weil gerade das Standesamt das Symbol für Eheschließungen und damit für die absolute Gleichstellung mit der Ehe wäre. Und gerade das lehnen wir ja ab. Warum genügt es nicht, zum Notar zu gehen und einen privatrechtlichen Vertrag abzuschließen?

Beck: Weil das nur Kosmetik und ohne rechtliche Konsequenzen für die Betroffenen wäre. Ein Notar ist nicht der Staat. Das Standesamt ist nun einmal die zuständige Behörde für Personenstandsfragen, die zu prüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine eingetragene Partnerschaft gegeben sind.

Die Union wehrt sich besonders vehement gegen eine Gleichstellung homosexueller Paare im Steuer- und Versorgungsrecht. Ist das nicht die logische Konsequenz aus der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Paare?

Heinen: Nein. Die steuerliche Förderung ist ein wesentlicher Ausdruck für den besonderen Stellenwert der Ehe; die Gleichstellung auf diesem Gebiet würde die Ehe im Grunde abwerten.

Beck: Was wollen Sie denn eigentlich? Darüber müssten Sie als Volkspartei einmal nachdenken. Sogar das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber schon 1993 aufgegeben, Benachteiligungen in der privaten Lebensführung von Homosexuellen zu beseitigen. Mit einfach "Nein sagen" kommen Sie doch nicht weiter.

Das Gesetz wurde in einen Hauptteil und in einen versorgungsrechtlichen Teil aufgespaltet. Der zweite Teil wird im Bundesrat blockiert. Ist das Gesetz ohne die materiellen Konsequenzen nicht nur ein hübscher, aber letztlich wirkungsloser Torso? Es wird schon jetzt von einer "Ehe light" gesprochen ...

Beck: Nein, überhaupt nicht. Wir gehen einen Riesenschritt nach vorne. Denn mit der Einführung der eingetragenen Lebensgemeinschaft ändern wir über 60 andere Gesetze und lösen damit ganz viele Rechtsprobleme von Familiennachzug für binationale Paare bis zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Wird die Union gegen das Gesetz vor das Bundesverfassungsgericht ziehen?

Heinen: Ich könnte es mir vorstellen.

Beck: Ich sehe dem gelassen entgegen, bedauere aber die Verhärtung in der CDU, die ja anfangs durchaus offen einer neuen Gesetzgebung gegenüberstand. Jetzt aber führen Teile der Union einen Kulturkampf gegen die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare.

Herr Beck, werden jetzt viele Lesben und Schwule ihre Beziehung legitimieren oder hat das Gesetz überwiegend Symbolkraft?

Beck: Das wird ein Prozess sein, bei dem man sich seine neuen rechtlichen Möglichkeiten erst kulturell aneignen muss. Es kostet ja auch ein bisschen Mut, sich öffentlich und unwiderrufbar zu einer eingetragenen Partnerschaft zu bekennen. Aber ich bin sicher, dass im Laufe der Zeit viele Menschen davon Gebrauch machen werden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2000/bp0012/0012076
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion