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Februar 02/2001
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Der Vermittlungsausschuss

Terrain für Strippenzieher und Moderatoren

Er gilt als Unikat unter den Parlamentsausschüssen. Für die einen ist es die "letzte Instanz", für die anderen eine "Dunkelkammer". "Nebenregierung", "Überparlament", "Konsensmaschine", "Kungelkreis" – kaum ein anderes Gremium aus dem Inventar des Grundgesetzes hat die Fantasie professioneller Beobachter so angeregt wie der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat.

Was ist so besonders an diesem Bindeglied zwischen dem Bundesorgan Bundestag und dem Bundesorgan Bundesrat? Da ist zuerst seine Zusammensetzung. Die 32 Mitglieder gehören je zur Hälfte den beiden Häusern an. Die 16 vom Bundestag entsandten Abgeordneten werden im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen gewählt. Hinzu kommt je ein Vertreter aller 16 Landesregierungen. Im Vorsitz wechseln sich alle drei Monate ein Mitglied des Bundestages und ein Mitglied des Bundesrates ab. Gegenwärtig sind das der Kölner CDU-Bundestagsabgeordnete Dr. Heribert Blens und der Hamburger Bürgermeister Ortwin Runde (SPD).

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Im Plenarsaal des Bundesrates: Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses, v.l.n.r.: Abg. Wilhelm Schmidt (Salzgitter), Abg. Kerstin Müller (Köln), Abg. Franz Thönnes, Abg. Sabine Kaspereit, Abg. Jörg van Essen, Abg. Regina Schmidt-Zadel, Abg. Ludwig Stiegler, Abg. Günter Nooke, Abg. Gerda Hasselfeldt, Abg. Hans Peter Schmitz (Baesweiler), Abg. Eckart von Klaeden, Abg. Hans-Peter Repnik, Abg. Dr. Norbert Wieczorek, Abg. Joachim Poß, Staatsminister im Bundeskanzleramt Martin Bury, Abg. Dr. Heribert Blens (Vorsitzender).

Gerade Blens ist ein alter Hase im schwierigen Vermittlungsgeschäft. Seit 1990 leitet er die Sitzungen, und inzwischen liegen rund 190 Verfahren hinter ihm. Es mache ihm "Spaß, etwas in Gang zu bringen, wenn nichts mehr geht", sagt der frühere Verwaltungsrichter und ehrenamtliche Bürgermeister. Öffentliches Getöse ist ihm fremd, er sieht sich eher als "parlamentarischer Abrüstungsbeauftragter".

Ganz im Sinne der Väter und Mütter des Grundgesetzes. So hatte Carlo Schmid (SPD) 1949 im Parlamentarischen Rat für die Einrichtung eines Vermittlungsausschusses plädiert, um "frontale Zusammenstöße" des Bundesrates mit dem Bundestag zu vermeiden, dem Scheitern und dem Verzögern entgegenzuwirken. In Aktion tritt der Ausschuss, wenn ein vom Bundestag verabschiedetes Gesetz in der Länderkammer auf Widerstand stößt. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich Vermittlungsverfahren immer dann häufen, wenn es unterschiedlich gefärbte Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat gibt.

Das war zu Zeiten der sozial-liberalen Koalition nicht anders als in der Ära Helmut Kohls oder auch jetzt wieder, da Rot-Grün im Bund regiert. 96 Mal wurde der Vermittlungsausschuss zwischen 1972 und 1976 angerufen, 85 Mal von 1990 bis 1994. Nur in der Legislaturperiode 1983 bis 1987 war die Schlichtungskammer bloß sechs Mal gefragt – damals dominierte die Union in Bundestag und Bundesrat. Angerufen wird der Vermittlungsausschuss bei Einspruchsgesetzen vom Bundesrat, bei Zustimmungsgesetzen können dies auch der Bundestag und die Bundesregierung veranlassen. Bei Einspruchsgesetzen kann der Bundestag das Votum des Bundesrates mit absoluter Mehrheit ("Kanzlermehrheit") überstimmen, bei Zustimmungsgesetzen hat der Bundesrat ein echtes Vetorecht.

In den vertraulichen Sitzungen des Vermittlungsausschusses geht es gelegentlich zu wie in Tarifverhandlungen von Arbeitgebern und Gewerkschaften. Spötter reden auch von "orientalischem Teppichhandel". Feilschen gehört zum Ritual. Die Streitparteien gehen mit oft weit auseinander liegenden Forderungen hinein, schließen die Türen hinter sich und kommen mit einem Kompromiss wieder heraus. Über den Gang der Beratungen wird Stillschweigen bewahrt. Die Sitzungsprotokolle unterliegen für die laufende und die folgende Wahlperiode einem Veröffentlichungsverbot. Das erleichtert die Suche nach einem gemeinsamen Nenner. Streithammel oder Ideologen, Profilsüchtige oder Plaudertaschen sind hier ungeeignet – dies ist das Terrain für Strippenzieher und Moderatoren, die bereit sind, auch mal auf kritische Distanz zur eigenen Position zu gehen.

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Im Plenarsaal des Bundesrates: Die Mitglieder des Vermittlungsausschusses, v.l.n.r.: Präsident des Senats Erster Bürgermeister Ortwin Runde (Vorsitzender), Minister Peer Steinbrück, Staatsminister Reinhold Bocklet, Minister Dr. Andreas Birkmann, Staatsminister Gernot Mittler, Ministerpräsident Manfred Stolpe, Minister Dr. Gottfried Timm, Staatsminister Stanislaw Tillich, Minister Peter Jacoby, Staatsminister Dr. Christean Wagner, Staatsrat Erik Bettermann, Ministerin Karin Schubert, Minister Claus Möller, Minister Heinrich Aller, Minister Gerhard Stratthaus, Senator Dr. Eckart Werthebach, Ministerialdirektor Dr. Christian Dästner (Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses).

Natürlich tagt das bisweilen als "dritte Kammer" beschriebene Kollegium nicht im luftleeren Raum, sondern in ständiger Rückkoppelung mit den Fraktionen und Regierungen. Einzelne Verfahren ziehen sich über Wochen und Monate hin, weil komplizierte Abstimmungen innerhalb der beiden Lager notwendig sind. In den Nebenzimmern warten ganze Heerscharen kundiger Mitarbeiter oder erfahrener Beamter, die Gesetzestexte im Detail ausarbeiten oder Zahlenkolonnen überprüfen müssen.

Nachtschichten sind keine Seltenheit. Fast zur Legende wurde die Fürsorge der früheren baden-württembergischen Bundesratsministerin Annemarie Griesinger (CDU), die gestressten Ausschussmitgliedern und fleißigen Helfern Kaffee, Wein und Laugenbrezeln kredenzen ließ, während ein Ministerpräsident aus Norddeutschland zu früher Morgenstunde erschöpft zu Protokoll gab: "Wir sind alle im Zustand totaler Übermüdung." Der vormalige Vorsitzende Hermann Höcherl (CSU) soll in solchen Momenten den weiteren Klärungsprozess durch Einzelgespräche auf dem Sofa seines Bundeshausbüros befördert haben.

Steueränderungsgesetz, Strafvollzug, BAFöG, Rindfleischetikettierung, Entfernungspauschale, Kampfhundeverbot, Internet-Käufe, Fixerstuben, Gesundheitsreform – die Liste der Themen, die in den letzten Jahren erst durch den Einsatz des Vermittlungsausschusses die parlamentarischen Hürden nahmen, ist lang. Ein "Verfahren der Ultima Ratio" nennt es der Verfassungsrechtler und CDU-Bundestagsabgeordnete Rupert Scholz.

Gleichwohl haben die 32 Handlungsbevollmächtigten ihrer Fraktionen und Regierungen nicht das letzte Wort. Der Ausschuss macht nur Vorschläge, über die Bundestag und Bundesrat danach formal abzustimmen haben. "Unecht" heißt daher eine im Vermittlungsverfahren zustande gekommene Mehrheitsentscheidung, die absehbar keine Chance hat, anschließend von beiden Häusern akzeptiert zu werden. Nur "echte" Kompromisse haben Aussicht, am Ende auch Gesetz zu werden. Gunther Hartwig

Internet

Weitere Informationen über die Arbeit des Vermittlungsausschusses unter:

www.bundesrat.de

dort unter der Rubrik "Wissenswertes"

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0102/0102070
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