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Mai 05/2001
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Forum

Karlsruher Urteil zur Pflegeversicherung: Die Familien sollen entlastet werden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Beitragsgerechtigkeit in der Pflegeversicherung vom 3. April bewegt Politik und Wissenschaft. Denn die obersten Richter haben sich nicht nur zu den Beiträgen zur Pflegeversicherung geäußert, sondern erwarten auch, dass "die Bedeutung der Entscheidung auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen ist".

Richter des Bundesverfassungsgerichtes

Worum geht es? Der Beschwerdeführer, ein Familienvater von zehn Kindern, hatte sich dagegengewandt, dass Betreuung und Erziehung von Kindern bei der Bemessung des Beitrags zur sozialen Pflegeversicherung nicht berücksichtigt werden. Das Gericht stellte daraufhin fest, es sei mit dem Grundgesetzartikel 3, Abs. 1 unvereinbar, dass Versicherte mit Kindern gleich hohe Pflegebeiträge entrichten müssen wie Kinderlose. Völlige Beitragsfreiheit allerdings müsse der Staat Familien mit Kindern nicht gewähren. Die Begründung: Auf Grund des Umlagesystems (die jeweils erwerbstätige Bevölkerung finanziert über ihre Beiträge die Leistungen für die aktuell Pflegebedürftigen) profitieren die Kinderlosen von der Erziehungsleistung der Eltern. Denn beide sind darauf angewiesen, dass genug Kinder nachwachsen. Zwar finanzieren auch Kinderlose mit ihren Beiträgen zum Beispiel die Abdeckung des Pflegerisikos für beitragsfrei versicherte Ehegatten und Kinder mit, argumentieren die Richter. Aber: "Insgesamt wird der Vorteil, den Kinderlose durch das Aufziehen der nächsten Generation erlangen, durch die Umlage für die Familienversicherten nicht aufgezehrt."

Pflegepersonal hilft einer alten Frau

Der Gesetzgeber darf nach Meinung der Verfassungsrichter die Benachteiligung von Eltern bei der Beitragsgestaltung nur vernachlässigen, solange eine "deutliche Mehrheit" der Versicherten Kinder bekommt und betreut. Dann wäre das System im Großen und Ganzen im Gleichgewicht. Aber das war nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts schon 1994 bei Einführung der Pflegepflichtversicherung nicht mehr der Fall. Denn schon damals sei dem Gesetzgeber bekannt gewesen, dass die Zahl der Kinderlosen "drastisch ansteigt".

Diese Entwicklung sorgt dafür, dass weniger Beitragszahler die Pflege der älteren Generation finanzieren und die Kosten der Kindererziehung tragen müssen. Das Gericht stellt deshalb fest: "Ein gleicher Versicherungsbeitrag führt damit zu erkennbarem Ungleichgewicht zwischen dem Gesamtbeitrag der Eltern (Kindererziehung und Geldbeitrag) und dem Geldbeitrag der Kinderlosen. Die hieraus resultierende Benachteiligung von Eltern ist im Beitragsrecht auszugleichen."

Dabei wird dem Gesetzgeber freigestellt, wie er die erforderliche "relative Entlastung" der kindererziehenden Beitragszahler gestaltet. Die Richter betonen aber, die Entlastung müsse "den Eltern während der Zeit zugute kommen, in der sie Kinder betreuen und erziehen". Der Ausgleich könne nicht durch unterschiedliche Leistungen im Falle der Pflegebedürftigkeit erfolgen. Es sei geboten, bereits die Unterhaltspflicht gegenüber einem Kind zu berücksichtigen.

kinderreiche Familie

Kurz gefasst sagt das Urteil also: Die Beitragsfreiheit für Kinder und nicht erwerbstätige Ehepartner reicht in der Pflegeversicherung nicht aus, um die finanziellen Nachteile gegenüber kinderlosen Versicherten auszugleichen. Deshalb müssen Mitglieder mit Kindern geringere Beiträge zahlen – und das ab dem ersten Kind. Das gilt umso mehr, als die Pflegeversicherung wegen des Umlageverfahrens auf eine ausreichende Zahl neugeborener Kinder angewiesen ist.

Es gibt zahlreiche Wege zur Umsetzung des Urteils. Der einfachste wäre, die Beiträge für Versicherte mit Kindern zu senken und für kinderlose Versicherte anzuheben. Der Gesetzgeber könnte aber auch Familien mit Kindern Zulagen zur Pflegeversicherung zahlen oder sie steuerlich entlasten (wie zum Beispiel bei der privaten Altersvorsorge).

Denkbar wäre auch eine Erhöhung des Kindergeldes zur Beitragsermäßigung.

Bei der Pflegeversicherung wird der Gesetzgeber wegen des Karlsruher Urteils um eine derartige Lösung nicht herumkommen.

Vater, Mutter, Kind

Offen ist jedoch, ob der Gesetzgeber auch bei den anderen Sozialversicherungen – vor allem bei der Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung – entsprechend handeln muss. Die Verfassungsrichter verlangen, diese Frage zu prüfen.

Denn auch die anderen Zweige der Sozialversicherung funktionieren im Prinzip wie die Pflegeversicherung: Sie haben ein Umlagesystem, das durch die niedrige Geburtenrate finanziell gefährdet wird, und sie machen keine Beitragsunterschiede zwischen Eltern und Kinderlosen.

Oma und Enkelin

 

1. Die Rentenversicherung

Hier sehen manche Experten direkte Auswirkungen des Pflegeurteils. Der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR), die Bundesregierung und der Sozialbeirat der Bundesregierung verneinen dagegen einen Handlungsbedarf bei den Rentenbeiträgen. Es wird darauf verwiesen, dass es bereits hohe Erziehungsleistungen in der Rente gibt – übrigens auch auf Grund eines Verfassungsgerichtsurteils. Das hatte 1992 ausdrücklich den möglichen Ausbau der rentensteigernden Kindererziehungszeiten als einen Weg genannt. Das ist seitdem in mehreren Stufen – zuletzt mit der gerade beschlossenen Rentenreform – passiert.

Inzwischen steigt nach VDR-Berechnungen im Idealfall die Rente für die Erziehung eines Kindes um knapp 350 Mark. Um eine solche Rentensteigerung auf anderem Wege zu erreichen, müsste man über 73.000 Mark an Beiträgen entrichten. Für jedes weitere Kind steigt die Rente um bis zu 300 Mark. Das entspricht einer Beitragszahlung pro Kind von 62.000 Mark. Mit dieser "Ersparnis" während des Erwerbslebens bei den Rentenbeiträgen sei dem Urteil genüge getan, meinen Regierung, VDR und manche Experten.

Allerdings hat das Verfassungsgericht bei der Pflege einen Ausgleich zu Gunsten der Familien mit Kindern nur bei den Leistungen für die Pflegebedürftigen ausgeschlossen. Die Richter betonten, die Entlastung müsse bereits bei der Beitragszahlung erfolgen. Ob die rentensteigernden Kindererziehungszeiten dem gerecht werden, ist eine entscheidende Frage, die geklärt werden muss. Dabei wird man auch berücksichtigen müssen, dass die Rentenzahlungen – anders als die Pflegeleistungen – abhängig von der Höhe der entrichteten Beiträge sind. Hier gibt es also einen entscheidenden Unterschied, der eine Übertragung des Pflegeurteils erschwert.

Ein weiterer Unterschied zur Pflegeversicherung könnte allerdings doch für Handlungsbedarf sprechen: Anders als in der Pflegeversicherung gibt es bei der Rentenversicherung keine kostenlose Mitversicherung der Kinder und erwerbsloser Ehepartner. Das würde auch keinen Sinn machen. Aber durch die kostenlose Mitversicherung von Kindern und Ehepartnern in der Pflegeversicherung sind natürlich Familien mit Kindern schon erheblich begünstigt. Da das nach dem Urteil in der Pflege aber noch nicht ausreicht, muss sorgfältig abgewogen werden, ob die Kindererziehungsleistungen bereits den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entsprechen, Familien in den Sozialversicherungen zu entlasten.

 

2. Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Die GKV funktioniert wie die Pflegeversicherung. Vom System her gibt es praktisch keine Unterschiede: Kinder und erwerbslose Ehefrauen sind kostenlos mitversichert, auch die Krankenversicherung basiert auf dem Umlageverfahren und ist somit abhängig von der nachwachsenden Generation. Die Leistungen sind nicht beitragsbezogen, sondern für alle gleich.

Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Pflegebedürftigkeit und damit Pflegeleistungen fallen bei Kindern selten an und treffen auch nur einen geringeren Teil der kostenlos mitversicherten Ehepartner. Dagegen nimmt die überwiegende Mehrheit der kostenlos mitversicherten Familienmitglieder regelmäßig die Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch. Diese Ausgaben und die Mindereinnahmen bei den Beiträgen durch die kostenlose Mitversicherung belaufen sich nach neuesten Gutachten auf rund 60 Milliarden Mark – ein knappes Viertel der gesamten GKV-Ausgaben. Und davon profitieren die Familien bereits während des Erwerbslebens und der Zeiten der Kindererziehung.

 

3. Arbeitslosenversicherung

Die Arbeitslosenversicherung ist dagegen eher mit der Rente vergleichbar: Die im Umlagesystem finanzierten Leistungen (z.B. Arbeitslosengeld) sind einkommensabhängig. Eine kostenlose Mitversicherung gibt es nicht. Sie ist auch nicht notwendig für Kinder und Nur-Hausfrauen. Die Arbeitslosenversicherung hat aber im Gegensatz zur Pflege-, Kranken- und Rentenversicherung nur geringe kindbezogene Leistungen. Trotzdem wird sie in der aktuellen Diskussion um die Auswirkungen des Verfassungsgerichtsurteils auf die Pflege kaum erwähnt.

 

Gerechtes Reformpaket

Christel Humme, SPD.
Christel Humme, SPD
christel.humme@bundestag.de

Die jüngste Karlsruher Entscheidung enthält, wie schon das Urteil des Gerichts zum Familienleistungsausgleich von 1998, den Auftrag an die Koalition, die materielle Situation von Familien zu verbessern. Zugleich dokumentieren beide Entscheidungen damit die Versäumnisse der Familienpolitik der Vorgängerregierung. Das aktuelle Urteil bedarf einer intensiven Prüfung und Beurteilung. Ich plädiere daher dafür, vor Abschluss dieser Prüfungen keine voreiligen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Verbesserung der materiellen Situation von Familien ist ein besonderes Anliegen meiner Fraktion. Seit Regierungsübernahme haben wir zur Familienpolitik ein gerechtes Reformpaket geschnürt und zahlreiche Initiativen durchgesetzt, die die materielle Situation von Familien verbessern. So wurde das Kindergeld bereits zweimal erhöht. Eine weitere Erhöhung auf dann 300 Mark steht zum 1. Januar 2002 an. Bei Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahr 1998 lag es noch bei 220 Mark. Das ist eine Erhöhung von rund 36 Prozent innerhalb von nur drei Jahren.

Daneben brachte der zum 1. Januar 2000 neu eingeführte Betreuungsfreibetrag von 3.024 Mark weitere Entlastungen für Familien. Wir planen weiterhin, die kindbezogenen Steuerfreibeträge ab Anfang 2002 auf insgesamt über 11.000 Mark anzuheben. Darüber hinaus haben Familien finanzielle Entlastungen erfahren durch die Reformierungen des Wohngeldes, des Erziehungsgeldes und der Ausbildungsförderung. Das alles sind sinnvolle familienunterstützende Initiativen, die den Aspekt der Finanzierbarkeit mit Rücksicht auf zukünftige Generationen nicht ausblenden. Vor allem auch durch die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der Ausbildungssituation von Jugendlichen haben wir entscheidend zur Stärkung der wirtschaftlichen Situation von Familien beigetragen.

 

Kinderzuschlag für Rentenbeiträge

Maria Böhmer, CDU.
Maria Böhmer, CDU
maria.boehmer@bundestag.de

Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat in seiner Entscheidung die Erziehung von Kindern als echte Beitragsleistungen für die Pflegeversicherung anerkannt und angemahnt, die Auswirkungen des Urteils auch auf andere Sozialsysteme zu prüfen. Kaum war das Urteil verkündet, hatte die Regierung die Prüfung schon abgeschlossen. Ergebnis: kein Änderungsbedarf. Dabei gibt es zwischen der Pflege- und der Rentenversicherung auffällige Parallelen: Beide dienen der Absicherung von Altersrisiken, und beide sind umlagefinanziert. Die Entlastung während der Erziehungszeit muss auch in der Rente verwirklicht werden. Die Regierung will davon allerdings nichts wissen:

• Die Rentenreform bleibt im Ganzen familienfeindlich: Eine rentenrechtliche Besserstellung von Erziehenden wird nur in Abhängigkeit von Einkommen, Alter der Kinder und Erwerbsstatus gewährt. Der Kinderzuschlag bei der Witwenrente gleicht gerade einmal die Kürzung von 60 auf 55 Prozent aus. Die Familienförderung bei der privaten Zusatzversicherung ist mit zunächst 7,60 Mark eine Peinlichkeit.

• Im monatelangen Eiertanz ums Kindergeld sollen jetzt steuerliche Erleichterungen für Familien gekürzt werden, um die Erhöhung von 30 Mark zu finanzieren. Rechnet man diese Kürzungen gegen, bleiben unterm Strich 21 Mark.

Durch das BVG sieht sich die Union in ihrer Familienoffensive bestätigt. Neben der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Erziehungskompetenz will die Union die Finanzkraft mit einem Familiengeld von 1.200 Mark bis zum dritten, und von 600 Mark bis zum 18. Lebensjahr stärken. Ein Kinderzuschuss zu den Rentenbeiträgen für Mütter bzw. Väter wäre eine klare Weichenstellung für mehr Familiengerechtigkeit. Das Nein der Bundesregierung ist keine Antwort auf die BVG-Entscheidung.

 

Wir müssen kinderfreundlicher werden

Irmingard Schewe-Gerigk, B'90/Die Grünen.
Irmingard Schewe-Gerigk, B'90/Die Grünen
irmingard.schewe-gerigk@bundestag.de

Rot-Grün hat mit seiner kinderfreundlichen Politik schon einiges erreicht. Das Karlsruher Urteil zeigt jedoch, dass wir noch deutlichere Schritte gehen müssen. Zu groß war die Bürde, die uns bei Regierungsantritt hinterlassen wurde.

Nach der neuen Rechtssprechung ist es Familien nicht zuzumuten, gleiche Beiträge zur Sozialversicherung zu bezahlen wie kinderlose Ehepaare. Damit hat das Verfassungsgericht die Richtung festgelegt: Deutschland muss kinderfreundlicher werden. Die Gesamtbelastungen von Familien und insbesondere von Alleinerziehenden sind zu verringern. Bereits mit der Steuer- und Rentenreform haben wir dazu wesentliche Schritte getan. Die Erziehungsleistungen in den Rentenanwartschaften wie auch bei der Hinterbliebenenrente werden aufgewertet. Bei der Förderung privater Vorsorge erhalten Eltern zusätzlich eine Zulage. Das muss weiter ausgebaut werden.

Die Realisierung des Wunsches nach Kindern muss erleichtert werden. Voraussetzungen dafür sind bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit der neuen "Elternzeit" wird Eltern erstmals ein Rechtsanspruch auf Reduzierung ihrer Arbeitszeit gewährt. Das Erziehungsgeld ist weiter in Richtung Existenzsicherung zu entwickeln. Weitere Maßnahmen sind:

• Erhöhung des Kindergeldes auf 300 Mark ab dem Jahr 2002;

• die Nichtanrechenbarkeit einer Kindergelderhöhung für Sozialhilfeberechtigte auch über das Jahr 2002 hinaus;

• eine Kindergrundsicherung, um Kinderarmut abzubauen;

• Ausbau der bedarfsgerechten Kinderbetreuung einschließlich eines flächendeckenden Angebotes an Ganztagsschulen;

• Absetzbarkeit erwerbsbedingter Betreuungskosten bis zu 3.000 Mark pro Kind und Jahr.

Zur Realisierung ist eine Umwidmung des Ehegattensplittings hin zu einem auf Kinder bezogenen Familiensplitting vorstellbar.

 

Revolutionäre Auswirkungen

Irmgard Schwaetzer, F.D.P.
Irmgard Schwaetzer, F.D.P.
irmgard.schwaetzer@bundestag.de

Die F.D.P. begrüßt das Urteil als wichtiges Signal für eine familienfreundliche Gesellschaft. Es wird festgelegt, dass in Alterssicherungssystemen, in denen die aktive Generation für die Vorgängergeneration eintritt, Kindererziehung als eigenständiger Beitrag gewertet wird. Der Gesetzgeber muss diese Vorgabe nun bis 2004 umsetzen. Doch wie? Eine einfache Umschichtung der Beiträge von Kinderlosen auf Eltern führt zum Beispiel zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Arbeitsmarkt dadurch, dass Arbeitnehmer mit Kindern "preiswerter" sind als Kinderlose. Insofern muss eins klar sein: der Arbeitgeberanteil muss, für alle gleich, der hälftige Satz des Beitrags bleiben.

Möglich ist aber zum Beispiel eine Freibetragsregelung in der Pflegeversicherung, die sich an der Kinderzahl orientiert. Eine solche Regelung führt zu der vom Verfassungsgericht verfügten Entlastung während der Zeit der Kindererziehung.

Die Auswirkung dieses Urteils auf andere Zweige der Sozialversicherung ist zu prüfen. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind Kinder zwar beitragsfrei mitversichert, dennoch werden mehr als 50 Prozent der Ausgaben für alte Menschen aufgewendet. Hier ist noch eine gründliche Prüfung notwendig, ob ebenfalls gestaffelte Freibeträge bei der Berechnung des Beitragssatzes in Frage kommen.

Bei der Rentenversicherung werden für jedes Kind heute aus Steuermitteln Beiträge für drei Jahre nach dem Durchschnittsverdienst eines Arbeitnehmers bezahlt. Die Rente, die aus Kindererziehungszeiten entsteht, wird also durch Beiträge, die die Familie zum Zeitpunkt der Zahlung nicht belasten, gedeckt. Ein Ausbau der Beitragszahlung für jedes Kind wäre wünschenswert.

Das Urteil wird revolutionäre Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme haben. Die F.D.P. hat deshalb die Regierung zur Einsetzung einer Expertenkommission aufgefordert.

 

Kindererziehung ist ein Beitrag

Heidi Knake-Werner, PDS.
Heidi Knake-Werner, PDS
heidi.knake-werner@bundestag.de

Wir wurden durch das Urteil in unserer Auffassung gestärkt, dass auch die jüngste Rentenreform den Kriterien des Urteils nicht genügt. Schon bei den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zu den "Trümmerfrauen" 1992 und zur Besteuerung des Existenzminimums 1990 und 1998 wurden die Grundlinien der Steuer- und Beitragspolitik wegen der familienpolitischen Verteilungsungerechtigkeit kritisiert. Wohl unter dem Eindruck, dass die Mehrheiten des Bundestages nur widerwillig den familienpolitischen Grundsätzen nachkommen, wurden die Vorgaben an den Gesetzgeber zusehends konkretisiert. Wenn Politik ihre gesellschaftspolitischen Gestaltungsspielräume wahren will, müssen als erste Konsequenz aus dem jetzigen Urteil die Auswirkungen auf die anderen Sozialversicherungen bedacht werden. Kindererziehung ist eine "generative Beitragsleistung" zu den umlagefinanzierten kollektiven Sozialversicherungssystemen. Auch die kapitalfinanzierten Systeme der privaten Altersvorsorge sind auf eine nachwachsende Generation angewiesen. Der Ausgleich soll zwischen Eltern und Kinderlosen innerhalb einer Generation erfolgen. Dazu gehören aber auch die Beamten, Selbstständigen, politischen Mandatsträger und diejenigen, die von Miet- und Zinseinkommen leben und nicht nur die versicherungspflichtig Beschäftigten.

Zudem soll der Ausgleich durch unterschiedliche Beiträge erfolgen. Für die Krankenversicherung stellt sich die Frage, ob hier die Leistungen für mitversicherte Elternteile und Kinder bereits als höherer Ausgleich zu werten sind. In der Rentenversicherung gibt es bereits einen die Kindererziehung berücksichtigenden differenzierten "Leistungskatalog". Kindererziehung ist hier aber nicht ausreichend berücksichtigt. Auch die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern muss berücksichtigt werden.

 

 

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0105/0105081
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