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10/2001
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Forum

Forum: Konjunktur

Wie kommt der Motor wieder in Schwung?

Seit dem 11. September wird in der Weltwirtschaft neu gerechnet. Doch der konjunkturelle Abwärtstrend hatte bereits vor den verheerenden Terroranschlägen in New York und Washington deutlich an Fahrt gewonnen – gerade auch in Deutschland. Die führenden Wirtschaftsinstitute revidierten ihre Prognose vom Frühjahr in den Folgemonaten fast im Zwei-Wochen-Rhythmus. Die Schwächephase in den USA zog die deutsche Wirtschaft über die Jahresmitte stärker in Mitleidenschaft als erwartet. Jetzt ist die Kernfrage für Forscher, Verbände und Politiker: Was ist nötig, um den Wirtschaftsmotor wieder in Fahrt zu bringen?

Arbeitsamt

Für die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in der Bundesrepublik steht eines fest: "Im Herbst 2001 befindet sich die deutsche Wirtschaft am Rande einer Rezession." Als Gründe für die Talfahrt der Konjunktur führen sie in ihrem gemeinsamen Herbstgutachten an, dass sich das weltwirtschaftliche Umfeld stärker und länger abgekühlt habe als im Frühjahr angenommen. Eines der Hauptprobleme für ein stabiles Wachstum in Deutschland ist seit langem die mangelnde Nachfrage. Immerhin hatte der Einzelhandel nach jahrelanger Durststrecke in diesem Jahr auf ein leichtes Plus gehofft. Der nötige Spielraum, so schien es zu Jahresbeginn, war durch die Entlastungen im Rahmen der Steuerreform gegeben. In der Folge stieg zunächst der private Konsum, allerdings sparten die Bürger auch einen Teil ihrer gestiegenen Netto-Einkommen.

Inzwischen steht aber fest: Die Minus-Serie im Handel setzt sich fort. Die Gründe dafür: Im ersten Halbjahr kam es zu einem Preisanstieg, vor allem wegen des Ölpreises und steigender Nahrungsmittel-Kosten als Folge von BSE-Krise sowie Maul- und Klauenseuche. Mittlerweile haben die unsichere Wirtschaftslage und die Sorge um den Arbeitsplatz der Kauflust einen weiteren Dämpfer verpasst. Deshalb bleibt weiter abzuwarten, inwieweit im kommenden Jahr eine Besserung der wirtschaftlichen Lage eintritt.

Die Hoffnung auf weiteres Wirtschaftswachstum beruhte hier zu Lande vor allem auf den Entwicklungen in den USA. Dort waren aber Produktion und Kapazitätsauslastung im ersten Halbjahr 2001 zurückgegangen. Direkt nach den Terroranschlägen kam es zu Produktionsausfällen. Die Zwangspause für die Wall Street legte den US-Finanzmarkt lahm. Der Flugverkehr wurde vorübergehend ausgesetzt und damit wurden auch Transporte unterbunden. Einfuhren wurden zeitweilig aus Sicherheitsgründen eingeschränkt. Dies trifft vor allem Export-Branchen. Von steigenden Ausfuhren in diesem Jahr profitierten längst nicht mehr alle Hersteller. Während die Auslandsverkäufe deutscher Investitionsgüter (also zum Beispiel von Industrieanlagen) stagnierten, machten die deutschen Autohersteller vor allem im Ausland noch einmal glänzende Geschäfte.

Grafik: Berg- und Talfahrt der Konjunktur

Die Politik sieht sich derzeit Forderungen von verschiedenen Seiten ausgesetzt. Die Wirtschaftsverbände – Arbeitgeber, Industrie, Mittelstand und Handwerk – verlangen staatliche Konjunkturprogramme und zumindest ein Vorziehen der für 2003 geplanten Steuerentlastungen um ein Jahr. Hinzu kommt die Forderung nach weiterer Deregulierung. Verbunden sind solche "Wunschlisten" mit dem Hinweis darauf, dass auch in dieser schwierigen Phase Wirtschaftswachstum möglich ist, und zwar nicht nur in kleinen Ländern. So steigt beispielsweise in Großbritannien die gesamtwirtschaftliche Leistung, das Bruttoinlandsprodukt, in diesem Jahr voraussichtlich um mehr als zwei Prozent. Das ist immerhin fast dreimal so viel wie in Deutschland.

Die Gewerkschaften lehnen dagegen nationale Konjunkturprogramme ab und warnen vor bloßen Mitnahmeeffekten. Sie verlangen stattdessen, dass bei Bund, Länder und Gemeinden Investitionen, die für die nächsten Jahre geplant sind, vorgezogen werden. Die dafür notwendigen Mittel sollen nach Ansicht des DGB sowie der Einzelgewerkschaften Verdi und IG Metall über zusätzliche Steuern – Wiedereinführung der Vermögensteuer, Börsenumsatzsteuer und höhere Spekulationssteuer – hereinkommen. Auch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer, wie sie von einzelnen Ländern gefordert wird, findet die Unterstützung der Gewerkschafter. Die stellvertretende Verdi-Chefin Margret Mönig-Raane rechnet mit Einnahmen von bis zu 50 Milliarden Mark (25,6 Milliarden Euro). Allerdings brachte die Vermögensteuer in ihrem letzten vollen Jahr 1996 gerade einmal neun Milliarden Mark (4,6 Milliarden Euro) in die Staatskasse.

Die Bundesregierung hat nationale Konjunkturprogramme bislang konsequent abgelehnt. Einerseits fehlt der finanzielle Spielraum. In diesem und im nächsten Jahr müssen Bund, Länder und Gemeinden mit 32 Milliarden Mark weniger Steuern auskommen, als sie noch im Mai kalkuliert hatten. Andererseits bemängeln Kanzler, Finanz- und Wirtschaftsminister die mangelnde Durchschlagskraft von Konjunkturprogrammen. Als Beleg verweisen sie einhellig auf Japan. Die dortige Regierung hat über Jahre vergeblich versucht, die Rezession durch Konjunkturspritzen zu bekämpfen. Daran konnte selbst die Rekordsumme von mehr als 200 Milliarden Mark nichts ändern, die ab 1995 vor allem durch Zinsvergünstigungen für kleine Unternehmen die japanische Wirtschaft ankurbeln sollte. Für andere Staaten ist die massive Finanzhilfe keine ordnungspolitische Glaubensfrage: Die US-Regierung diskutierte nach dem 11. September nicht mehr darüber, ob wirtschafts- und finanzpolitisch gegengesteuert werden soll, sondern nur noch, wie dies am besten passiert. Die US-Zentralbank "Fed" hat in kurzen Schritten die Zinsen gesenkt, um die Investitionsbereitschaft der Unternehmen anzukurbeln. Der Kongress hat auf Anforderung von Präsident George W. Bush 55 Milliarden US-Dollar Soforthilfe bereitgestellt – für Aufräumungsarbeiten, Katastrophenhilfe, Wiederaufbau, Unterstützungszahlungen. Auch für das nächste Jahr sind mehrere Konjunkturspritzen bis zu einem Volumen von 75 Milliarden US-Dollar vorgesehen. Vorgeschlagen sind unter anderem Lohnsteuerrückzahlungen für Geringverdiener. Allerdings können die Amerikaner dabei – im Gegensatz zu den Europäern – aus Haushaltsüberschüssen schöpfen.

Auch die Franzosen greifen in die Staatskasse, um den Konjunkturmotor wieder ans Laufen zu bringen, wenn auch in bescheidenerem Umfang. Premierminister Lionel Jospin und sein Finanzminister Laurent Fabius setzen auf gezielte Anreize. So sollen die Steuergutschriften für Geringverdiener, die so genannten Beschäftigungsprämien, früher ausgezahlt werden als geplant.

Diese Zuschüsse werden von französischen Ökonomen neben der niedrigen Inflationsrate von 1,5 Prozent als Hauptgrund dafür angesehen, dass die Franzosen trotz der neuen Unsicherheiten und steigender Arbeitslosigkeit im September sogar mehr Geld ausgegeben haben als im Monat zuvor. Im dritten Quartal 2001 stieg der Verbrauchsgüterkonsum in Frankreich um 2,1 Prozent. Offenbar wird ein Teil der Lohnzuschüsse auch in den Geschäften und Restaurants ausgeben. Um auch den Unternehmen einen psychologischen Anreiz zu geben, plant die Regierung in Paris nun auch noch, im nächsten Jahr die Gewinnbesteuerung und die Gewerbesteuer zu senken.

Die Bundesregierung lehnt hingegen bislang weitere Entlastungen für Bürger und Unternehmen ab. Sie plant im Gegenzug sogar, die Tabak- und Versicherungssteuer zu erhöhen, um mit den Mehreinnahmen die zusätzlichen Ausgaben für Bundeswehr und innere Sicherheit bezahlen zu können.

Pizzaproduktion: Die Nachfrage nach Gütern bleibt in Deutschland schwach.

Pizzaproduktion: Die Nachfrage nach Gütern bleibt in Deutschland schwach.

Mittlerweile hat auch die Europäische Zentralbank reagiert. Zwar besteht Präsident Wim Duisenberg auf der Unabhängigkeit der Bank. Sie kann im Euro-Raum nicht reflexhaft auf Schwächephasen in Deutschland, Frankreich oder Italien reagieren, wenn andere Staaten wie Irland, Luxemburg oder Spanien deutlich höhere Wachstumsraten haben. Doch nach der jüngsten Zinssenkung Anfang November liegt der wichtigste europäische Leitzins, der Hauptrefinanzierungssatz, mit 3,25 Prozent um 1,5 Prozentpunkte niedriger als Anfang 2001.

Tragischer Nebeneffekt der schwachen Konjunktur sind weitere Entlassungen. Die Arbeitslosigkeit steigt wieder an und wird nach Prognosen der Wirtschaftsinstitute im Winter die Vier-Millionen-Marke übersteigen. Dies führt nicht nur zu höheren Ausgaben des Staates und innerhalb der Sozialsysteme. Zugleich gehen die verfügbaren Einkommen zurück, die Inlandsnachfrage leidet – ein Teufelskreis.

Christoph Schmitz

Konjunkturimpulse im Etat

Joachim Poß, SPD

Joachim Poß, SPD joachim.poss@bundestag.de

Manchen Vorschlägen zur Konjunkturbelebung fehlt es leider an Realitätssinn. So blenden Forderungen nach weiteren Steuersenkungen aus, dass damit erhebliche Steuermindereinnahmen für den Bundeshaushalt, aber auch für die Haushalte von Ländern und Gemeinden verbunden sind. Nach den Ergebnissen der jüngsten Steuerschätzung (Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden allein im Jahr 2002 in Höhe von 20 Milliarden Mark gegenüber der Steuerschätzung vom Mai) ist die finanzielle Lage noch enger geworden. Das wird daran deutlich, dass die ersten Bundesländer ankündigen, in Konsequenz der Steuerschätzung zu einer erhöhten Schuldenaufnahme gezwungen zu sein.

Zudem machen sich viele falsche Vorstellungen über die Wirksamkeit von weiteren Steuer- und Abgabensenkungen: Die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung ist derzeit so groß, dass zusätzliche Entlastungen womöglich nicht konjunkturfördernd verausgabt, sondern auf die hohe Kante gelegt werden. In der Diskussion um Konjunkturprogramme wird zudem kaum wahrgenommen, dass im Bundesetat 2002 bereits jetzt vielfältige Konjunkturimpulse enthalten sind. Dazu gehören die bisherigen, auch 2002 fortwirkenden Steuerentlastungen und die Erhöhung des Kindergeldes zum 1.1.2002. Das fortgeführte Zukunftsinvestitionsprogramm und das Programm "Stadtumbau Ost" werden ebenfalls nicht zu unterschätzende konjunkturelle Impulse geben.

Trotzdem bleibt noch genug zu tun: So ist der Abfluss der eingestellten Investitionsmittel weiter zu verbessern und – wo möglich – zu beschleunigen. Unabhängig von konjunkturellen Erwägungen ist klar: Nach wie vor bestehen auf allen Ebenen erhebliche Infrastrukurprobleme, die Schritt für Schritt abgebaut werden müssen.

Mut zur Wahrheit

Peter Rauen, CDU/CSU

Peter Rauen, CDU/CSU peter.rauen@bundestag.de

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Abschwung. Die Wachstumsprognose für 2001 musste von 2,75 auf 0,7 Prozent, die für 2002 von 2,25 auf 1,3 Prozent zurückgenommen werden. Die deutschen Wachstumsraten gehören seit Jahren zu den niedrigsten im Euro-Raum.

Infolge dieser Entwicklung sinken die Steuereinnahmen. Die Finanzplanung des Bundesfinanzministers ist Makulatur. Am Arbeitsmarkt haben sich die demographischen und statistischen Effekte verbraucht, die das Bild in der Vergangenheit geschönt haben. Die Arbeitslosenzahlen steigen seit August 2001 auch absolut im Jahresvergleich wieder, saisonbereinigt ist dies bereits seit Januar 2001 der Fall.

Forderungen, diesem Trend entgegenzuwirken, weist die Bundesregierung zurück. Was Wirtschaft und Arbeitnehmer aber dringend brauchen, ist eine grundlegende Verbesserung der politisch gesetzten Rahmenbedingungen. Denn die aktuelle Entwicklung ist nicht die Folge weltwirtschaftlicher Widrigkeiten. Die Ursachen hierfür sind struktureller Art: Die Steuer- und Abgabenbelastung ist viel zu hoch. Unser Arbeitsmarkt ist verkrustet und überreglementiert.

Konkrete Vorschläge zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes hat die CDU/CSU-Fraktion in einem Zehn-Punkte-Programm vorgelegt. Die meisten kosten kein Geld, sondern nur den Mut zur Wahrheit und politischen Führungswillen. Das Vorziehen der nächsten Steuerreformstufen auf das Jahr 2002 würde allenfalls kurzfristig zu Einnahmeeinbußen führen, gleichzeitig aber das Wirtschaftswachstum erheblich ankurbeln. Eine Entlastung der Arbeitnehmer würde es den Gewerkschaften zudem erleichtern, auf dem Pfad tarifpolitischer Vernunft zu bleiben.

Kein Aktionismus

Werner Schulz, Bündnis '90/Die Grünen

Werner Schulz, Bündnis '90/Die Grünen werner.schulz@bundestag.de

Auch wenn sich die Weltwirtschaft in einer schwierigen Lage befindet und in Deutschland der erwartete Aufschwung zunächst ausgeblieben ist, gilt es, einen kühlen Kopf zu bewahren.

Führende Wirtschaftsforschungsinstitute gehen von einer konjunkturellen Belebung im Frühjahr 2002 aus. Im Jahresverlauf werde das Wachstum kräftig anziehen und im Jahresdurchschnitt bei deutlich über einem Prozent liegen. Ab Mitte des Jahres wird auch die Zahl der Arbeitsplätze wieder ansteigen.

Die Koalition wird an ihrem Entlastungskurs bei Steuern und Abgaben und an der Haushaltskonsolidierung festhalten. Wir treten dafür ein, notwendige Strukturreformen auch weiterhin zügig umzusetzen. Es geht um Stetigkeit, nicht um Aktionismus! Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist auch in der Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verankern. Wir haben damit deutliche Erfolge erzielt. Mit der Steuerreform haben wir BürgerInnen und Unternehmen in diesem Jahr um 45 Mrd. Mark entlastet. Zusätzlich unterstützen eine Reihe von Maßnahmen die wirtschaftliche Lage ab Januar 2002:

Wir sind zuversichtlich, dass wir die Nettokreditaufnahme 2002 um rund zwei Milliarden Mark senken können. Und wir werden mit weiteren Maßnahmen den Aufschwung unterstützen. Vorstellbar ist eine weitere Reform beim Ladenschluss, etwa längere Öffnungszeiten in den städtischen Zentren. Damit kann die Verbrauchernachfrage stabilisiert und angeregt werden.

Blitzprogramm nötig

Rainer Brüderle, FDP

Rainer Brüderle, FDP rainer.bruederle@bundestag.de

Die Konjunkturprobleme sind hausgemacht. Jetzt rächt sich die Untätigkeit der Bundesregierung. Erst hat sie die absehbare Entwicklung schöngeredet, dann gesundgebetet, jetzt wird sie verdrängt. Schlimmer noch: Als einzige Regierung reagiert Grün-Rot mit Steuererhöhungen auf die weltwirtschaftlichen Umwälzungen.

Die Regierung muss ihre Lethargie endlich aufgeben. Ein Blitzprogramm muss das Konsumentenvertrauen und das Investitionsklima verbessern. Nur so wird aus der Wachstumsschwäche keine Wachstumskatastrophe. Sie muss beide Senkungsstufen der Steuerreform auf 2002 vorziehen (Entlastungsvolumen ca. 52 Mrd. Mark). Das verbessert die Kaufkraft und stärkt die Investitionskraft beim Mittelstand als klassischem Konjunkturstabilisator. Damit die Maßnahme zeitnah wirkt, sollten die Bürger über Steuerschecks möglichst bald einen Abschlag auf die Steuersenkung erhalten.

Zudem muss es im Jahr 2002 eine Ökosteuer-Pause geben (Entlastungsvolumen rund sechs Mrd. Mark). Sie wirkt dem doppelten Kaufkraftentzug entgegen, den die Bürger über Steuerbelastung und Inflation zu tragen haben. Schließlich ist der Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung zum 1.1.2002 um einen Prozentpunkt zu senken (Entlastungsvolumen rund 13 Milliarden Mark). Das reduziert die Lohnnebenkosten und erhöht somit die Beschäftigungschancen. Zur Gegenfinanzierung muss der Finanzminister ein Sparpaket II auf den Weg bringen, um glaubwürdig den Haushalt mit der Konjunktur atmen zu lassen. Die Regierung sollte mit dem Verweis der Steuer- und Abgabensenkungen mäßigend auf die Tarifpartner einwirken. Eine unvernünftige Lohnrunde wäre Gift für Konjunktur und Beschäftigung. Bleiben Grün-Rot bei ihrer Politik der "ruhigen Hand", schmiert die Konjunktur weiter ab.

Investitionen in Infrastruktur

Christa Luft, PDS

Christa Luft, PDS christa.luft@bundestag.de

Die nahende Bundestagswahl wird den Kanzler "mit der ruhigen Hand" zum Handeln zwingen. Seinen Finanzminister wird er auf dem sturen Kurs zum raschen Abbau der Neuverschuldung bremsen müssen. Ein schuldenfinanziertes Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform, wie von Union und FDP gefordert, garantiert allerdings keinen Konjunkturanschub. Warum sollen rund 13,5 Milliarden Mark Entlastung in 2002 bewirken, was 23 Milliarden in 2001 und mittelfristig 47,8 Milliarden jährlich nicht vermögen? Gutverdienenden würden weitere Ersparnisse zugute kommen, die sie nicht zum Konsum inländischer Waren und Leistungen einsetzten, sondern für lukrative Geldanlagen. Durchschnittsverdiener werden jeden gesparten Pfennig für die private Altersvorsorge zurücklegen.

Wenn neue Schuldenaufnahme, dann nur zur Finanzierung von Investitionen. Die PDS wiederholt ihre Forderung nach einer kommunalen Investitionspauschale für strukturschwache Regionen und nach sofortiger Aufstockung des Stadtumbauprogramms Ost durch Vorgriff auf für später veranschlagte Mittel. Allen neoliberalen "Strohfeuer"-Argumenten zum Trotz sind Infrastrukturinvestitionen immer noch der wirksamste Hebel, um gleichzeitig die Wirtschaftsstruktur, Beschäftigung und Einnahmen zu verbessern. Auch Bildungsinvestitionen sind für künftiges Wachstum besonders wichtig.

Die Maastricht-Kriterien sind in Deutschland erfüllt. Damit gibt es Spielraum für die Kreditfinanzierung eines nationalen Konjunkturprogramms. Zusätzliche finanzielle Mittel könnten zudem durch progressive Maßnahmen der Steuergerechtigkeit (Wiedererhebung der Vermögensteuer, Reform der Erbschaftsteuer, Rücknahme der Steuerfreiheit für Gewinne von Kapitalgesellschaften aus Beteiligungsveräußerungen) bereitgestellt werden.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0110/0110012a
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