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Statement Jugendschutz
18.03.02 Klaus Haupt,
FDP-Fraktion
Die Lebenswelten junger Menschen und Familien sind seit einigen
Jahren besonders starken Veränderungen unterworfen.
Jugendliche und sogar schon Kinder zeigen heute inmitten immer
größer werdender gesellschaftlicher Anforderungen ein
wachsendes Maß an individueller Entscheidungskompetenz und
Verantwortung bei der Gestaltung von Privat-, Schul- und
Berufsleben. Wir können nicht zur Beteiligung an
Jugendparlamenten und anderen politischen
Entscheidungsmöglichkeiten aufrufen, wem wir nicht zutrauen,
für sich selbst Verantwortung zu übernehmen und
beispielsweise den Konflikt Disko oder Schule
verantwortungsbewußt auszutragen. Aus liberaler Sicht ist es
unverzichtbar, junge Menschen ernst zu nehmen. Wir müssen
jungen Menschen die Chance geben, in ihre Verantwortung für
sich und andere hineinzuwachsen.
Das muß auch Auswirkungen auf die Regelung des Jugendschutzes
haben. Die momentane gesetzliche Regelung des Jugendschutzes stammt
aus dem Jahre 1985 und ist dringend reformbedürftig.
Der gesetzliche Jugendschutz muß der heutigen
Lebenswirklichkeit besser gerecht werden. Ein neues
Jugendschutzgesetz muß möglichst einfach, nachvollziehbar
und sein Vollzug durchsetzbar und kontrollierbar sein. Dabei ist
klar, daß eine gesetzliche Regelung nie vollständig vor
den Risiken, denen die Heranwachsenden in unserer Gesellschaft
begegnen, schützen kann. Wir müssen die Jugendlichen
ertüchtigen, diesen Herausforderungen gerecht zu werden.
Eigenverantwortung und Selbständigkeit müssen die Ziele
für Jugendpolitik und Jugendschutz sein.
An den kürzlich bekannt gewordenen Überlegungen der
Jugendministerin ist zu begrüßen, daß die Alters-
und Zeitgrenzen für Kino-, Gaststätten- und Diskobesuche
der Realität angenähert werden. Allerdings ist zu fragen,
ob diese Regelungen nicht zu vereinheitlichen und zu vereinfachen
sind. Wir schlagen vor: Disko, Gaststätte und Kino sollen
Jugendlichen ab 14 generell auch unbegleitet bis 23 Uhr
offenstehen. Eine Bindung an irgendwelchen Verzehr, wie die
Ministerin das weiterhin für den Gaststätten-, nicht aber
den Diskobesuch vorschreiben will, halte ich für wenig
nachvollziehbar und de facto auch nicht kontrollier- und damit
durchsetzbar.
In Diskotheken sollen 14 bis 16jährige nur eingelassen werden
dürfen, wenn in der Veranstaltung generell kein Alkohol
ausgeschenkt wird. Gerade Diskotheken sind Orte für den
Kontakt junger Menschen mit Suchtmitteln aller Art. Dem muß
vorgebeugt werden. In Diskotheken ist der Alkoholausschank bei
Liberalisierung der Altersgrenzen aber nicht für den
Betreiber, und schon gar nicht durch staatliche Instanzen
realistisch kontrollierbar. Deshalb scheint uns dies nur durch eine
nachvollziehbare Einlaßregelung machbar.
Wir sind strikt gegen die Aufweichung der Altersgrenzen für
Alkohol- und Tabakkonsum. Richtig ist es, beides einheitlich und
restriktiv zu regeln und tatsächlich auch den Verkauf von
Tabakwaren an Jugendliche unter 16 zu verbieten - nicht nur das
Rauchen in der Öffentlichkeit. Dem Vorschlag der Ministerin,
mit speziellen Kennkarten den Automatenverkauf weiter zu gestatten,
stehen wir sehr skeptisch gegenüber. Ein Mißbrauch
solcher Kennkarten ist zu naheliegend und ihre Verwendung und
Verbreitung nicht kontrollierbar, schafft möglicherweise einen
unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand.
Für Kino- Gaststätten- und Diskobesuche von unter
14jährigen soll die Begleitung eines Erziehungsberechtigten
erforderlich sein. Ins Kino sollen Kinder zwischen sechs und 14
aber auch allein bis 21 Uhr gehen dürfen. In diesem
Zusammenhang fordern wir eine Neuregelung des FSK-Systems. Dieses
muß die Altersgruppen der unter 12jährigen stärker
differenzieren, beispielsweise 6 - 10 - 14 - 18. Außerdem
sollen Kinder, die von ihren Eltern begleitet werden, auch Filme
sehen dürfen, die erst für die nächste Altersstufe
freigegeben sind, weil sie das Gesehene im Gespräch mit ihren
Eltern verarbeiten können. Gleichzeitig eröffnet eine
solche Liberalisierung der Familie zusätzlichen Raum für
gemeinsame Unternehmungen und Erlebnisse und stärkt die
Erziehungsverantwortung der Eltern.
Die Idee, einen "Erziehungsbeauftragten" ins neue
Jugendschutzgesetz einzuführen, sehen wir kritisch. Dieser
"Erwachsene, der im Auftrag der Eltern Erziehungsaufgaben
wahrnimmt", soll ausreichen, um sämtliche
Altersbeschränkungen fallen zu lassen. Wer kann
überprüfen, daß ein Erwachsener solche
Erziehungsaufgaben wahrnimmt? In der Praxis wird jeder betroffene
Jugendliche einen über 18jährigen Kumpan als solchen
Erziehungsvertreter benennen und die Nacht durchmachen.
Andererseits kann man die Eltern für eine solche
Erziehungsbeauftragung kaum zum Notar schicken.
Über 16 soll es keine Alters- und Zeitbegrenzungen geben. Es
macht aus liberaler Sicht wenig Sinn, den Diskobesuch für
über 16jährige ohne Zeitbegrenzung zu erlauben, aber den
Besuch einer langen Kinonacht oder einer Gaststätte nicht. Der
Wegfall der gesetzlichen Zeitbegrenzungen entbindet die
Erziehungsberechtigten und vor allem die Jugendlichen selbst nicht
von ihrer Verantwortung für Schule und Ausbildung. Die neuen
Alters- und Zeitgrenzen verändern auch nicht die Beziehungen
zwischen Eltern und ihren Kindern: Sie stellen keinen Anspruch der
Jugendlichen dar, sondern die rechtlichen Grenzen, bis zu denen die
Eltern mit ihrer immer noch notwendigen Erlaubnis maximal gehen
dürfen.
Die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen muß besser
kontrollierbar werden. Dazu ist eine klare, übersichtliche und
vernetzte Struktur mit klaren Zuständigkeitsregelungen
für Jugendamt, Ordnungsamt, Gewerbeaufsicht und Polizei zu
schaffen, um Kompetenzüberschneidungen abzubauen und die
Effizienz zu steigern.
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