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2003
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Bericht über die Plenardebatte

Hallo Plenum

Heiße Debatte, politische Posen und Ausgehtipps vom Bundestagspräsidenten

Wirkliche parlamentarische Arbeit findet in den Ausschüssen statt, im Plenum werden die Meinungen öffentlichkeitswirksam präsentiert. Das ist auch im Jungendparlament nicht anders. Offensichtlich, wie sehr die Probe-Parlamentarier ihre Inszenierung genossen. Da wurde gekonnt posiert, ein Bein kokett vorangestellt, die Arme in souveräner Haltung aufs Pult gestützt, präzise gestikulierende Hände pointierten die inhaltlichen Aussagen und schlugen auch schon mal vor Empörung aufs Pult. Neben der Lust am Präsentieren und am rhetorischen Spiel, zeigten sich auch fundierte politische Fachkenntnisse.

Plenardebatte

Vorstellung der Ergebnisse aus den Arbeitskreisen

Der Platz hinter dem Rednerpult war heiß begehrt. Von Nervosität spürte man erstaunlich wenig. Im Gegenteil: Das Amt eines Parlamentariers erfordert vollen Körpereinsatz. In der Debatte um Einwanderung springt Clara Hermann aus Berlin wutentbrannt aus ihrem Sessel, rennt schnaubend auf das Rednerpult zu, stemmt eine Hand in die Hüfte und knallt mit der anderen ihr Skript aufs Pult. Die zur Abstimmung gestellte Resolution über Einwanderung bringt sie in Rage: "Einen Satz habe ich nicht gefunden in eurem Papier: 'Das Boot ist voll'. Das habt ihr euch wohl nicht getraut reinzuschreiben!" Zum Schluss lädt sie noch alle Teilnehmer ein, mit ihr nach Kreuzberg zu kommen, weil hier die Integration funktioniere. Außerdem könne man mit den Türken dort sehr gut feiern. "In Kreuzberg", sagt sie, "gibt es das beste Nachtleben von Berlin." Bundestagspräsident Thierse weiß es besser: "Ich bin ja aus Berlin und ich dachte bislang immer, da wo ich wohne [im Prenzlauer Berg; Anm. d. Red.] haben wir das beste Nachtleben."

Zufall oder nicht - wie im "echten" Parlament bildeten sich schnell politische Blöcke in der bekannten Sitzaufteilung der Fraktionen. Und genauso wie im "echten" Parlament fiel auch hier die Konsensfindung nicht immer leicht. Die Resolution des Arbeitskreises 3 "Nachhaltige Entwicklung - Handlungskonzepte für das 21. Jahrhundert" konnte partout keine Mehrheit finden. Die Handzeichen wirkten ausgeglichen: Im Plenum breitet sich Gelächter aus. Die meisten wissen, was jetzt eigentlich kommen müsste. Langsam werden Sprechchöre laut, die nach einem "Hammelsprung" verlangen- dem Abstimmverfahren, bei dem die Abgeordneten geschlossen den Saal verlassen müssen, um anschließend durch Türen mit der Aufschrift "ja", "nein" und "Enthaltung" wieder einzutreten. Auch der amtierende Präsident Norbert Lammert schmunzelt: "Mal ehrlich, es ist wirklich ganz schwer abzuzählen." Heiterkeit füllt den Saal. "Obwohl ich die Freude an dem Verfahren durchaus nachempfinden kann, da kriegen wir ein Zeitproblem." Dennoch lässt er über das ungewöhnliche Verfahren noch einmal das Plenum abstimmen. Doch es wie verhext: Wieder wirkt die Meinung ausgewogen. Lammert jedoch macht nach Absprache mit seinen Schriftführern eine knappe Mehrheit gegen den Hammelsprung aus.

Neben Streitgesprächen über Sozialstaat, Wehrpflicht und Familienpolitik wird auch das Thema Bildung kontrovers diskutiert. Die Forderung nach mehr"Disziplin und Ordnung an deutschen Schulen" erntet Hohn und Spott: Dann werde wohl bald die "Todesstrafe für Schuleschwänzer" eingeführt. Im Kreuzfeuer der Kritik steht das dreigliedrige Schulsystem. Das sei völlig überholt, meint ein anderer Teilnehmer und ergänzt: "aber Schuleschwänzen ist keine Alternative." Lammert fasst zusammen: "Vielleicht kann man einvernehmlich festhalten, dass Schuleschwänzen kein eigenständiger Bildungsgang ist."

Mit der fortschreitenden Debatte wächst auch der Eifer der Teilnehmer. Manche verlassen ihren Platz und stürmen das Rednerpult, einer wagt sich tollkühn zum Präsidium vor, er versucht den Präsidenten von der bereits abgelehnten Resolution zu überzeugen. Lammert ist amüsiert: "Jetzt passiert ein weiteres parlamentarisches Kuriosum: Der Präsident wird in eine Debatte verwickelt." Er weist darauf hin, dass die Entscheidungen des amtierenden Präsidenten akzeptiert werden müssen und tröstet die aufgebrachten Teilnehmer: "Mehrheiten entscheiden nicht über die Richtigkeit, sondern nur über die vorläufige Gültigkeit von Gesetzesentwürfen."

Auch Bundestagspräsident Thierse hat zum Schluss noch einmal aufmunternde Wort für die jungen Abgeordneten parat und verrät das Erfolgsgeheimnis eines erfolgreichen Parlaments: "Demokratie braucht die Leidenschaft des langen Atems."

ger/kn

Quelle: http://www.bundestag.de/dialog/JuP_2003/JuPITER/programm/plenardebatte
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