Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Architektur und Kunst > Bundeshauptstadt Berlin > Berlin-Debatte, Übersicht >
Debatte
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

Wortlaut der Reden

Dr. Dagmar Enkelmann, PDS/Linke Liste Dr. Oscar Schneider (Nürnberg), CDU/CSU >>

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Einst kam ein Mann zu einem Weisen und beklagte sich über einen Nachbarn. Der Weise sprach: »Du hast recht.« Kurze Zeit nach dem Gehen kam der Nachbar und legte seine Meinung dar. Da sprach der Weise: »Du hast recht.« Darauf sagte die Frau des Weisen: »Mann, du kannst doch nicht beiden recht geben.« Darauf der Weise: »Da hast du auch wieder recht.«

(Dr. Wolfgang Weng [Gerlingen] [FDP]: Ganz schön

weise!)

In ähnlicher Situation scheinen sich die Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu befinden.

(Zuruf von der SPD: Sie haben recht! -- Heiterkeit --

Dr. Dionys Jobst [CDU/CSU]: Einige sind weise!)

-- Danke.

Bei allen stapeln sich Briefe, Gutachten, Stellungnahmen, Drohungen und Bitten, inzwischen auch CDs und Videos, alles mit dem Ziel, jeweils eine Meinung zu unterstützen. An jedem Argument ist auch etwas dran. Jeder hat irgendwie recht. Mehr noch: Von der Entscheidung über den Sitz von Regierung und Parlament sind auf jeden Fall Menschen betroffen. Ich glaube aber nicht, daß ein wie eingangs geschildertes Beiden-Bewerbern-recht-Geben dem Anliegen gerecht wird. Eine eindeutige Entscheidung tut not. Zwei Hauptstädte oder zwei halbe, das ist letztlich für alle unbefriedigend.

Die Teilung der Funktionen, um keinem weh zu tun, könnte auch zu einem Zuschlag für Göttingen führen, da es geographisch, so gesehen, ziemlich in der Mitte liegt. Auch die kürzlich vorgeschlagene Variante, Bonn einfach in Berlin umzubenennen, löst das Problem nicht.

Obwohl mir die Entscheidung schwerfällt, spreche ich mich eindeutig für Berlin aus.

Erstens. Viele Jahre wurde Berlin diese Funktion versprochen, wurden Millionen auch unter diesem Gesichtspunkt ausgegeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bei der SED nicht!)

Bonn wurde immer als Provisorium angesehen. Das aber ist für mich nicht das Entscheidende; denn hier ist in den letzten Monaten viel versprochen und nicht gehalten worden. Das wäre also nichts Neues.

Wichtiger aber ist mir zweitens: So angenehm die Arbeit in Bonn dank fleißiger Menschen der Bundestags- und der Stadtverwaltung auch sein mag, ich wünsche uns, daß Parlament und Regierung näher an die Probleme in Deutschland herankommen. Die größten Probleme gibt es aber in den neuen Bundesländern. Vielleicht hilft das, gegebene Versprechen etwas länger im Gedächtnis zu behalten.

Ich möchte hier auch an eine Aussage von Herrn Kohl erinnern, der in der »Welt« 1982 formulierte:

Meine These, daß die zwei Quadratkilometer um Bundeshaus und Kanzleramt nicht typisch sind für die Bundesrepublik Deutschland, hat sich für mich eindeutig bestätigt.

Hier stimme ich ausnahmsweise -- ich betone: ausnahmsweise -- mit Herrn Kohl überein.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Meinen Sie Bundeskanzler Kohl?)

-- Ja, natürlich.

Bonn ist nicht typisch für diese neue Bundesrepublik, die heute aus

16 Ländern besteht und 16 Millionen neue Einwohner hat. Berlin ist viel eher typisch für die Probleme dieser neuen Republik.

Drittens. Berlin als Kultur-, Wirtschafts-, Wissenschafts- und Politikmetropole wird maßgeblich das Umland der Stadt beeinflussen. Sie werden mir als Abgeordneter des Landes Brandenburg sicher nicht verübeln, daß ich auch unter diesem Aspekt entscheide. Ich erwarte wichtige Impulse für wirtschaftsstrukturelle Veränderungen aus dieser Entscheidung und damit möglichst viele neue Arbeitsplätze in einer Region, in der solche gegenwärtig in starkem Maße abgebaut werden.

Viertens. Nicht zuletzt ist eine Entscheidung für Berlin ein deutliches Zeichen dafür, daß wir es mit dem Zusammenwachsen Ost- und Westeuropas und mit der Gestaltung eines einheitlichen Europa ohne neue Mauern wirtschaftlicher Gegensätzlichkeiten ernst meinen.

Um es dem anfangs zitierten Weisen etwas nachzumachen, möchte ich meinen Ausführungen hinzufügen, daß eine Entscheidung für Berlin unbedingt mit einem Programm für Bonn einhergehen muß. Das Schicksal, das Millionen von ehemaligen DDR-Bürgern tragen müssen, nämlich den Zusammenbruch von Strukturen, Abwicklung, Massenarbeitslosigkeit

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Die Last der SED, Frau Kollegin!)

und Stagnation, sollte den Menschen in der Region Bonn erspart bleiben.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS/Linke Liste)

Vizepräsidentin Renate Schmidt: Das Wort hat der Kollege Dr. Oscar Schneider.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_035
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion