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Debatte
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Wortlaut der Reden

Ortwin Lowack, fraktionslos Reinhard Freiherr von Schorlemer, CDU/CSU >>

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Berlin verbindet mich sehr viel. Mütterlicherseits kam meine Familie schon mit den ersten Hugenotten

strömen aus dem südlichen Frankreich, um in dem damals liberalen und religionstoleranten Berlin und Preußen zu leben. Ich habe an der Freien Universität Berlin studiert, war Vorsitzender des Internationalen Studentenverbandes, habe Chruschtschow und Kennedy in Berlin erlebt. Ein gewisser Diepgen wurde damals gerade als Konventsprecher abgewählt, weil ihm vorgeworfen wurde, er habe seine Mitgliedschaft in einer schlagenden Verbindung nicht eingestanden. Meiner Meinung nach, lieber Herr Diepgen, hätten Sie ruhig Konventsprecher bleiben können.

(Lachen bei der SPD)

Berlin ist, Berlin wird eine der ganz großen Metropolen Europas, aber auch weltweit. Berlin wird eine besondere Attraktivität für Ost- und Südosteuropa entwickeln. Es wird schon in wenigen Jahren ca. 8 bis 10 Millionen Einwohner haben. Der Bundespräsident gehört ebenso dorthin wie große Institutionen von internationalem Rang. Wir werden noch sehr viel Platz in Berlin brauchen.

Aber Berlin ist kein moderner Parlaments- und Regierungssitz.

(Beifall des Abg. Rudolf Bindig [SPD] -- Anke Fuchs [Köln] [SPD]: Sehr gut!)

Metropolen -- das zeigen alle Zeichen der Zeit -- stehen gegen Föderalismus und Regionalismus, die für die Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland und ihre unnachahmlichen Erfolge in der Nachkriegszeit so wichtig waren. Auch Leipzig beklagt sich heute, aber nicht über Bonn, sondern über Berlin und die Sogwirkung, die bereits heute von Berlin ausgeht.

Berlins Geschichte ist belastet. Glanzvolle preußische Hauptstadt war die eine Seite. Gleichwohl residierte schon Friedrich II. von Preußen, der Große, lieber in Potsdam, weil ihm das Getriebe und Geschiebe in Berlin auf den Wecker ging.

Als deutsche Hauptstadt trägt Berlin viele Hypotheken unserer Geschichte: Stalin ließ seine Flagge auf dem Reichstag hissen. Berliner Kleingeist sorgte dafür, daß die Fundamente für die Kuppel des Reichstages herausgerissen wurden und das Gebäude damit zu einem Torso mit einer völlig unübersichtlichen inneren Ordnung -- oder vielleicht besser: Unordnung -- verkümmerte. Das Zentrum und der Osten Berlins waren zugleich als Zentrum der kommunistischen Herrschaft in Deutschland Symbol für viereinhalb Jahrzehnte eines unsäglichen Leids für viele Millionen Menschen.

Bonn steht für Übersichtlichkeit -- auch wenn wir vom morgendlichen Berufsverkehr nicht besonders angetan sind --, für einen modernen Staat, für das föderalistische Prinzip, für Dezentralisierung der politischen Entscheidungsprozesse und damit auch für eine breite Verteilung der Macht.

Karl der Große -- er ist heute schon einmal erwähnt worden --, dessen Frankenreich gedanklich am Anfang der neuen, für Europa so wichtigen deutsch-französischen Zusammenarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg stand, hat nicht unweit von Bonn residiert. Vielleicht war seine Idee, überall in seinem Reich Pfalzen zu errichten und Regierungsgewalt von dort aus auszuüben, schon eine Vorform des modernen europäischen Föderalismus.

Um erfolgreich parlamentarisch arbeiten und regieren zu können, brauchen wir kein zweites Moskau, Tokio, Paris, London oder ähnliches als Parlaments- oder Regierungssitz. Wir gehören zum Westen, zum Europa der freiheitlichen Werte und Traditionen.

Ich sage deshalb ja zu Berlin als europäischer und als Weltmetropole, und ich sage ja zu Bonn für eine konstruktive, gut funktionierende parlamentarische Arbeit und Regierung. Ich sage ja zum modernen, erfolgreichen Deutschland, wenn ich mich heute für Bonn entscheide, und setze voraus, daß ich mich damit auch für Berlin, für Deutschland -- für das ich Mitverantwortung trage -- und für eine europäische Lösung entscheide.

Kollege Dr. Vogel, Sie haben vorhin von der »Rückkehr des Parlaments nach Berlin« gesprochen. Ich frage Sie: Welches Parlament haben Sie damit gemeint:

(Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Dieses hier!)

das bis 1918,

(Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Nein!)

das von 1920 bis 1934

(Dr. Hans-Jochen Vogel [SPD]: Nein, das von 1991!)

oder vielleicht sogar die Volkskammer in Ost-Berlin?

Lassen Sie mich mit einem Satz schließen, der mich sehr überzeugt hat. Er stammt von einem großen Freund der Deutschen, dem Deutschlandkorrespondenten des »Figaro«. Picaper hat das so formuliert:

Deutschland soll als Modell für die Europäische Union bundesstaatlich bleiben. Bonn steht für 40 Jahre solidarischer Außenpolitik. Bescheidenheit ist eine Zier, wenn man wirklich stark ist.

Danke schön.

(Beifall des Abg. Peter Harald Rauen [CDU/CSU])

Vizepräsident Hans Klein: Herr Abgeordneter Reinhard Freiherr von Schorlemer, Sie haben das Wort.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_039
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