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Debatte
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Wortlaut der Reden

Christian Schmidt (Fürth), CDU/CSU Stephan Hilsberg, SPD >>

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Entscheidung, die nach meiner Ansicht objektiv zu früh kommt und angesichts unserer vielen anderweitigen Probleme durchaus noch einige Zeit hätte reifen sollen, wird weit in die Zukunft hineinreichen. Die beiden Städte stehen jeweils für einen Teil der deutschen Geschichte. Der Teil, für den Bonn steht, ist im Vergleich zu anderen Perioden der deutschen Vergangenheit stabil, kontinuierlich und alles in allem sehr erfolgreich verlaufen.

Auch die Berliner Zeit hatte neben den bekannten Tiefen, die man der Stadt nicht anlasten darf, beachtliche Höhen zu sehen bekommen. Ich erinnere nur an den schwierigen und letztendlich an Extremismus gescheiterten Versuch, die Monarchie in ein demokratisches Staatswesen umzuwandeln. Nach dem totalen Niedergang Deutschlands wurde Berlin zum Symbol der Freiheit und Einheit Deutschlands. Wir alle, Deutsche in den alten und neuen Bundesländern und speziell in Berlin, sind dieser Stadt zu Dank verpflichtet. Dieser Dank wird auch vielfältig einzulösen sein.

Die heute zu treffende politische Entscheidung wird aber, wie gesagt, auch in die Zukunft reichen. Dabei gilt es, ganz nüchtern in der Abwägung zwischen beiden Möglichkeiten zu bedenken, welche Zukunftsperspektiven wir in der Bundesrepublik Deutschland unterstreichen wollen. Hierzu gehören -- für meine Generation besonders stark ausgeprägt -- die Bereitschaft und der Wille, das Bonner Grundgesetz und die Bonner Demokratie gemeinsam mit den Deutschen, denen damals mitzuwirken versagt war, fortzusetzen. Aus dem Provisorium Bundesrepublik von damals war aber auch schon vor der Wiedervereinigung ein etablierter Staat geworden. Durch die Zusammenfügung der beiden Teile Deutschlands wird das um so mehr bekräftigt. Aus dem Provisorium Bonn ist in den mehr als 40 Jahren ein Symbol deutscher demokratischer Tradition entstanden, über das man nicht einfach hinweggehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit dem Gedankenexperiment, das Willy Brandt in bezug auf Vichy und Paris angestellt hat, ein anderes gegenüberstellen. Hätten die Väter und Mütter der Weimarer Verfassung, nachdem sie 1919 aus Berlin nach Weimar ausgewichen waren, wegen der Händel längere Jahre nicht in diese Stadt zurückkehren können, wäre dann nicht auch die Frage aufgetaucht, ob die Nationalversammlung und später der Reichstag in Weimar hätten bleiben sollen? Und -- das sei erlaubt zu fragen -- hätte das ruhigere Weimarer Klima in den 20er Jahren

der politischen Stabilität dieser krisengeschüttelten Demokratie nicht vielleicht einen größeren Tribut gezollt als das aufgeregte Berlin, das ständig am Brodeln war?

Die Königsidee des 20. Jahrhunderts, wie Konrad Adenauer die Aufgabe der europäischen Einigung bezeichnet hat, wird gegenwärtig neu gedacht, nicht mehr als westeuropäische, sondern als gesamteuropäische Konstruktion. Aus dieser Perspektive hat Berlin eine wichtige Drehscheibenfunktion für gesamteuropäische Institutionen. Allerdings ist eine dezentrale Organisation der obersten Bundesbehörden einschließlich der Bundesgerichte -- ich schließe mich hier dem Kollegen Professor Scholz ausdrücklich an -- der richtige Weg, um unsere wirtschaftliche, soziale und kulturelle Vielfalt zu dokumentieren. Diesbezüglich tritt für mich auch das Kostenargument in den Hintergrund. Wichtig ist die Idee und wie es uns am besten gelingt, deutsche Interessen in Europa und europäische Interessen in der Welt zur Geltung zu bringen und sowohl Geschichte als auch Zukunft zu berücksichtigen. Eine in die Zukunft gerichtete Entscheidung darf deswegen gerade nicht, wie Professor Bosl formuliert, auf die Symbolik Bonns und auch nicht auf die Symbolik Berlins verzichten.

Meine Entscheidung gilt deswegen dafür, in Bonn weiterhin den Regierungssitz zu behalten. Der historischen und zukünftigen Bedeutung Berlins ist Rechnung getragen, wenn der Bundestag seinen Sitz in Berlin nimmt. Ich halte den Geißlerschen Vorschlag -- --

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem Bündnis 90/GRÜNE)

-- Es wird für uns nicht der bequemste sein. Aber ich meine, daß wir uns nicht nur an Bequemlichkeiten orientieren dürfen, sondern daß wir, wenn wir für das Volk und für uns selbst zu entscheiden haben, auch diese Aspekte berücksichtigen müssen.

Ich halte den Geißlerschen Vorschlag wohl noch nicht als abschließend gedacht, weil er sich noch in der Praxis bewähren muß. Bei aller Abwägung und Notwendigkeit zur praktischen Überprüfung bin ich aber bereit, diesem Kompromiß zuzustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Findet dieser Antrag keine Mehrheit, dann wird aus meinem föderalen Verständnis heraus und aus der Zukunftsorientierung der deutschen Bundesrepublik nach Bonner Muster wohl die Bundesstaatslösung, ein Verbleiben beider Organe in Bonn, meine Stimme erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

Präsidentin Dr. Rita Süssmuth: Als nächster spricht der Abgeordnete Stephan Hilsberg.

Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_078
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