Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Dr. Gisela Babel, FDP | Dr. Wolf Bauer, CDU/CSU >> |
---|---|
Liberale haben einen Glaubensgrundsatz: die Meinung Andersdenkender zu achten. Noch nie ist mir aber diese Handlungsmaxime so schwergefallen wie heute. Daß eine andere Stadt als Berlin Sitz unseres Parlaments sein könnte, ist mir -- auch nach den vielen Plädoyers für Bonn in dieser Debatte -- nach wie vor unbegreiflich. Als nach den Montagsdemonstrationen in Leipzig, nach Durchbrechen der Mauer in der Nacht des 9. November 1989 in Berlin, nach den fieberhaft einsetzenden Bemühungen unserer Politiker -- an der Spitze Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher -- um die deutsche Einheit, als hier und dort die ersten Stimmen aus Kreisen Bonner Familien oder des Personalrats laut wurden, wie schlimm es sei, daß nun Bonn seine Funktion als Parlaments- und Regierungssitz verliere, habe ich dies nicht ernst genommen. Ich hielt es für den Ausdruck von Veränderungsangst und Kleingeisterei. Die Gefahr für die Stadt Berlin habe ich erst allmählich begriffen, als täglich die Schar derer wuchs, die für Bonn eintraten, Kostenvoranschläge auf den Tisch legten, Horrormeldungen verbreiteten, die den Föderalismus bemühten, ohne die Länder zu fragen. Denen mit Respekt zu begegnen kostet mich Mühe. Auf dem Reißbrett liegt die Karte des vereinigten Deutschland. Mit dem Stift zeichnen wir heute den Ort ein, wo Sitz des deutschen Parlaments, wo Kern und Herz der Demokratie sein sollen. Hier wird gesagt, Bonn stehe für 40 Jahre beispiellosen Friedens, Jahre, in denen sich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gefestigt haben und ein beispielloser Wohlstand erreicht werden konnte. Wohl wahr, aber vergessen wir nicht: Unser Volk war geteilt, Deutsche lebten in zwei Welten. Dort setzte sich die Diktatur fest, in anderer Farbe, es gab weder Freiheit noch Wohlstand, man zahlte Reparationen. Diese Lasten trugen einseitig die Bürger dieses Willkürstaates. Ihnen ist heute zu danken, nicht nur für die unblutige Revolution, sondern im Grunde für die deutsche Einheit. Sie haben ihren Teil beigetragen, bewunderungswürdig, unter Gefährdung ihres Lebens. Nun ist es an uns, unseren Beitrag zu leisten. Er besteht nicht nur darin, daß wir Finanzen lockermachen, besteht nicht nur in Geld. Unser Part besteht darin, daß wir Berlin zum Sitz des deutschen Parlaments erklären. Uns muß weniger die Frage umtreiben: Was kostet der Umzug nach Berlin? -- die Antwort ist: viel Geld, gewiß --, sondern: Was kostet die Entscheidung gegen Berlin? Sie kostet wesentlich mehr. Wir würden damit unsere Glaubwürdigkeit verspielen und gegen die Verantwortung für alle Deutsche handeln. Die Entscheidung gegen Berlin ist die bequemere, gerade weil es in Bonn bescheiden und freundlich zugeht. Die Entscheidung für Berlin ist schwerer zu treffen. Aber sie allein ist meiner Überzeugung nach richtig. Sie setzt das richtige Signal: Berlin, deutsche Hauptstadt, Sitz von Parlament und Regierung. |
|
Dr. Wolf Bauer, CDU/CSU >> |