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Debatte
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Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden

Jörg Ganschow, FDP Norbert Gansel, SPD >>

Als Abgeordneter aus Brandenburg fiel es mir in den letzten Monaten oft schwer, an den anstehenden großen Aufgaben in Ostdeutschland hinreichend zu arbeiten; denn vieles wurde von dieser unseligen Diskussion überschattet, und dies nur deshalb, weil man bei der Ausarbeitung des Einigungsvertrags in Art. 2 die Frage über Parlament- und Regierungssitz und die Entscheidung darüber offenließ, nicht damit rechnete, was einige, durchaus charmante Bonner Politiker so alles in Frage stellen können, was vorher unmißverständlich klar schien.

Auch das Ausland reagiert mit Unverständnis. Insbesondere Amerikaner, Franzosen und Briten haben bei jeder Gelegenheit zu dem gestanden, was sie gesagt haben, sonst hätte ein Teil Berlins niemals vierzig Jahre in Freiheit existieren können.

Die Betrachtung mußte immer auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit Deutschlands mit einer ungeteilten Hauptstadt Berlin erfolgen. Wir sollten darüber nachdenken, ob wir in Zukunft nicht auch eindeutige Aussagen zu bestimmten Entscheidungen beziehen, und wir sollten nicht, wie man meinen könnte, bei jeder heiklen Frage in eine Selbstzerfleischungsmentalität verfallen.

Vorrangig in den alten Bundesländern wurde in den vierzig Jahren auch viel geredet und bekundet: Man kann sogar in vielen Städten plastisch Anteil nehmen; denn man findet einen Kilometerstein mit dem Berliner Bären, so auch in Bonn.

Was mich in der letzten Zeit jedoch verwundert: Dieses Symbol soll den Bürgern wahrscheinlich nicht nur die Entfernung der jeweiligen Stadt kundbringen. Sollte mit diesem Wahrzeichen nicht vielmehr auch die Erinnerung an Blockade, Teilung und Mauerbau und die fehlende Freiheit auch meiner Generation, Herr Bury, wachgehalten werden? Es ist hoffentlich unstrittig, daß die Berliner und 16 Millionen Menschen in der ehemaligen DDR in der Vergangenheit unter dieser Geschichte leiden mußten.

Sollen diese Menschen jetzt weiterhin für diese Geschichte büßen? Man kann, wenn wir uns heute nicht für Berlin aussprechen, davon ausgehen, daß diese dann staatlich verordnete Ignorierung der legitimen Ansprüche einer Stadt auf unabsehbare Zeit eine neue, nicht kalkulierbare Dimension schafft, die direkte Auswirkungen auf den einzelnen Bürger vor Ort haben wird, und dies nicht nur in Berlin und seinem engeren Umland, sondern in allen neuen Bundesländern. Warum wohl, glauben Sie, haben sich alle Landtage in Ostdeutschland für Berlin entschieden? Doch wohl bestimmt nicht, weil sie Nachteile für ihre Länder wünschen!

Berlin ist auch nicht wie von den Bonn-Befürwortern des öfteren zu hören war, eine Monster- und Megastadt mit Straßenkriminalität, Wohnungsnot und Verkehrschaos, sondern diese Stadt mit ihren vielen Menschen zeigt eindrucksvoll in ihrer neuen Gesamtheit alle Schwierigkeiten und Chancen eines ehemals geteilten Landes, was einer bedarfsorientierten, volksnahen und zukunftsweisenden Politik vor Ort, in Berlin, sicher dienlich wäre und damit als Katalysator für ganz Ostdeutschland wirken könnte. Berlin braucht nicht länger die mittlerweile unglaubwürdigen Mitleidsbekundungen einiger, sondern kann jetzt endlich, nach Vollzug der Einheit, das ihr von diesem Hause so oft ausgesprochene und protokollierte Recht als Hauptstadt mit Regierung und Parlament einfordern und dann zukünftige Pflichten wahrnehmen.

Es wird Zeit, daß wir endlich Gemeinsamkeit, aber insbesondere auch Glaubwürdigkeit demonstrieren und Nägel mit Köpfen machen, also Berlin, auch im Hinblick auf ein geeintes Europa, seine Rechte und Pflichten durch die Verlegung von Regierung und Parlament unwiderruflich zukommen lassen.

Dies ist heute keine Entscheidung für oder gegen eine Stadt oder Region, es soll eine Entscheidung für Deutschland sein; denn dieses Deutschland ist mehr als eine größer gewordene Republik.

Norbert Gansel, SPD >>
Quelle: http://www.bundestag.de/bau_kunst/berlin/debatte/bdr_125
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