Wortlaut der Reden, die zu Protokoll gegeben wurden
Renate Rennebach, SPD | Otto Reschke, SPD >> |
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Ich bin eine waschechte Berlinerin. Mir wird hier vielfach unterstellt, daß ich genau deshalb für Berlin als Sitz von Regierung und Parlament sein müsse. Das ist völlig daneben, Kolleginnen und Kollegen! Ich war 13, als die Mauer gebaut wurde, und habe vorher und nachher den Kampf der Berlinerinnen und Berliner um ihre Stadt mitbekommen. Wer wie ich in dieser Stadt lebt, hat auch ihr Hineinwachsen in ein Symbol für die Freiheit der westlichen Welt erlebt und erfahren. Aber Berlin war und ist nicht nur Symbol, sondern eine Stadt, die mit Herz und Schnauze ihrer Einwohner die Teilung und alle Widrigkeiten, die damit zusammenhingen, gemeistert hat. Wo auch immer wir in Berlin hinkamen, stießen wir auf Mauer und Stacheldraht. Trotzdem haben wir, die wir Insulaner genannt wurden, den Mut nie verloren. Geholfen haben uns sicher die vielen Bekenntnisse von bundesdeutschen Politikern und die Sympathien aus dem Ausland für Berlin, das nach dem Bekunden aller die Hauptstadt eines vereinigten Deutschlands sein sollte. Mit Recht! Denn in keiner Stadt war die Teilung unseres Landes als Folge der grausamen Herrschaft der Nazis so sehr spürbar. Die Berlinerinnen und Berliner ließen sich nicht unterkriegen. Ihr erhobener Kopf und ihr Stolz wurden aber leider oft mit Berliner Großschnauze verwechselt. Viele hunderttausend Menschen kamen täglich zu uns mit Bussen, kletterten aufs Treppchen an der Mauer, staunten hinüber, genossen unser Open-end-Nachtleben und haben oft nicht gemerkt, daß es in Berlin auch lebendige Menschen »wie du und ich« gibt, die leben und arbeiten wollen, Menschen mit Sorgen und Nöten, die sich in nichts von denen der übrigen Republik unterscheiden. Nun ist aus zwei Teilen Berlins einer geworden. Die Menschen, besonders die älteren, haben geglaubt, was die Politiker ihnen erzählt haben. Auf einmal ist aber alles ganz anders. Plötzlich kann moderne Zukunft nur von hier aus, von Bonn aus, gestaltet werden. Aber ich frage Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, was ist eine Zukunft wert, die von Politikern gestaltet wird, die vergessen haben, was ihnen gestern noch heilig war? Vergeßlichkeit ist in der Politik eine weit verbreitete Krankheit; sie heißt heute Black-out. Ich würde die Krankheit gerne verschwinden sehen. In diesem Sinne bitte ich Sie um Glaubwürdigkeit in der Politik. Lassen Sie uns die Einheit unseres Landes nicht unvollendet erscheinen. Stimmen Sie mit mir für Berlin! |
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Otto Reschke, SPD >> |