Wissenschaftliche Begleitung der Betriebsphase der mit
Rapsölmethylester (RME) befeuerten
Energieversorgungsanlage
des Deutschen Bundestages in Berlin
Im neuen Deutschen Bundestag im ehemaligen Reichstagsgebäude in Berlin (Abb. 1) - im April offiziell dem Parlament übergeben - wurde ein sehr innovatives und umweltfreundliches Energiever-sorgungskonzept realisiert. Wärme, Kälte und Strom wird hier auf der Basis von mit Biodiesel (RME) befeuerten Motor-Heizkraftwerk-Anlagen (MHKW) bereitgestellt. Außerdem sind - für einen möglichst energieeffizienten Betrieb - im oberflächennahen Erdreich angelegte Wärme- und Kältespeicher in das System integriert.
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Abb. 1: Das Reichstagsgebäude in Berlin (Quelle: Bundesbaugesellschaft Berlin mbH) |
Das Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung (IER) hat in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Luftreinhaltung der Universität Stuttgart (ALS) - vertreten durch das Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen (IVD) und das Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde (IKP) - und dem Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart sowie mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) die Aufgabe übernommen, die ersten Betriebsjahre dieses Energieversorgungssystems wissenschaftlich zu begleiten und bezüglich technischer, ökologischer und ökonomischer Kriterien auszuwerten.
Die Energieversorgungsanlage des Deutschen Bundestages in Berlin
Das Berliner Reichstagsgebäude als Sitz des Deutschen Bundestages und der Bundesregierung sowie weitere, derzeit im Bau befindliche Parlamentsbauten im Spreebogen werden zukünftig im Energieverbund - dem sogenannten Technik-Verbund Parlamentsbauten - mit Strom, Wärme und Kälte versorgt.
Herzstück des Technik-Verbundes Parlamentsbauten sind zwei Motor-Heizkraftwerk-Anlagen (MHKW), die mit Rapsölmethylester (RME, Biodiesel) befeuert und in Verbindung mit einem Wärme- und einem Kälte-Erdspeicher betrieben werden sollen. Insgesamt werden Deckungsgrade der MHKW-Anlage am Gesamtenergiebedarf von mehr als 80 % angestrebt. Die MHKW-Anlage wird im Endausbau eine elektrische Gesamtleistung von 3 200 kW aufweisen und an zwei Standorten (Reichstagsgebäude und Paul-Löbe-Haus) mit jeweils vier Modulen gleicher Leistung installiert werden. Die für den Reichstag vorgesehenen MHKW-Module wurden bereits im Herbst 1998 installiert. Sie bestehen im wesentlichen aus stationären Dieselmotoren, die für den Betrieb mit RME zugelassen wurden. Die Abgasreinigung wird durch Rußfilter und SCR-Katalysatoren mit nachgeschalteten Oxidations-Katalysatoren realisiert.
Die MHKW-Module werden stromgeführt betrieben. Der nicht durch die MHKW-Anlage deckbare Strombedarf wird durch das Netz der BEWAG gedeckt, das zugleich als Ausfallreserve dient.
Da die Wärmeerzeugung prozeßbedingt fest an die Stromproduktion gekoppelt ist, kann - bezüglich der Deckung des aktuellen Wärmebedarfs - ein Wärmeüberschuß bzw. ein -defizit vorliegen. Zur Zwischenspeicherung überschüssig anfallender Wärme ist deshalb ein Aquifer-(d. h. Grundwasser-)Speicher in ca. 300 m Tiefe vorhanden, in den die Wärme bei einer Temperatur von maximal 70 °C zwischengespeichert und - im Bedarfsfalle - mit Temperaturen zwischen 65 und 20 °C zurück gewonnen werden kann. Läßt die Temperatur der eingespeicherten Wärme eine direkte Nutzung für Heizungszwecke nicht zu, wird sie mit Hilfe von drei auf Wärmepumpenbetrieb umschaltbaren Absorptionskältemaschinen (d. h. unter Einsatz von Wärme) auf ein höheres, für Heizungszwecke nutzbares Temperaturniveau gebracht. Zusätzlich ist die Anlage mit Spitzenheizkesseln für einen RME-/Heizöl- oder Erdgasbetrieb ausgestattet, die ein ggf. immer noch gegebenes Wärmedefizit abdecken können und als Ausfallreserve (back-up-System) dienen.
Der Grundlastkältebedarf kann zum einen mit Absorptionskältemaschinen gedeckt werden; im Reichstagsgebäude wurde hierzu bereits eine derartige Anlage mit einer Kälteleistung von 850 kW installiert. Zum anderen wird zukünftig eine weitere Kälteerzeugungsanlage zum Einsatz kommen, die auf der Basis direkter Verdunstungskühlung (Direct Evaporating Cooling, DEC) arbeitet und für deren Betrieb ebenfalls Wärme benötigt wird. Zur Deckung des Spitzenkältebedarfs werden zusätzlich Kompressionskältemaschinen installiert. Um den Betrieb dieser Erzeugungsaggregate zudem vom Kältebedarf zu entkoppeln und damit einen möglichst energieeffizienten Betrieb zu ermöglichen, wird Kälte bei Temperaturen zwischen 5 und 10 °C in einer grundwasserführenden bodennahen Erdschicht in etwa 30 bis 60 Metern Tiefe während des Winters gespeichert, die dann im Sommer für die Gebäudekühlung in der Grundlast verwendet werden kann.
Hintergrund und Ziele der wissenschaftlichen Begleitung
Die Energieversorgungsanlage im neuen Deutschen Bundestag weist damit eine Vielzahl innovativer Aspekte auf; dies gilt insbesondere hinsichtlich der Tatsache, daß erstmals RME in einer Anlage dieser Leistungsklasse und Komplexität eingesetzt werden soll. Deshalb ist es sinnvoll, den Anlagenbetrieb hinsichtlich betriebstechnischer, ökologischer und ökonomischer Kriterien wissenschaftlich zu begleiten und die Erfahrungen, die insbesondere mit dem Betrieb der RME-befeuerten Anlagen gemacht werden, zu dokumentieren und auszuwerten. Deshalb werden vom IER und der ALS innerhalb eines 2-jährigen Monitoringzeitraums im wesentlichen folgende Aspekte untersucht (Abb. 2):
Die betriebstechnischen Auswirkungen des RME-Einsatzes werden durch die Erfassung, Analyse, Klassifizierung und Bewertung des Betriebsverhaltens und der technischen Zuverlässigkeit der Anlage und ihrer Komponenten analysiert; u. a. werden Verschleiß-messungen an einem Motor der MHKW-Anlage im Reichstagsgebäude durchgeführt.
Die Umwelteffekte von RME- im Vergleich zum Dieseleinsatz werden anhand einer Vielzahl unterschiedlicher Abgaskomponenten, die vor Ort im Rahmen mehrere Meßkampagnen gemessen werden, teilweise unter Berücksichtigung der vor- und ggf. nachgelagerten Ketten erhoben. Zusätz-lich werden die Auswirkungen des RME-Einsatzes auf die Energiebilanz der Anlage und ihrer Komponenten (Energieflüsse, Nutzungsgrade, Verlustquellen) durch die Erfassung, Bilanzierung und vergleichende Bewertung der energetischen Daten der Anlage und ihrer Komponenten erfaßt.
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Die ökonomischen Vor- und Nachteile des Einsatzes von RME im Vergleich zu fossilen Brennstoffen in MHKW-Anlagen einerseits und im Vergleich zu einer alternativen Bereitstellung von Wärme bzw. Kälte und elektrischer Energie andererseits werden durch die Erfassung, Aufbereitung und Bewertung der Kosten der Anlage im allgemeinen und des RME-Einsatzes im speziellen analysiert. Damit ist es möglich, wissenschaftlich fundierte Aussagen zu den Möglichkeiten und Grenzen des Einsatzes von RME für derartige stationäre Anlagen zur Wärme- und Kälte- sowie Strombereitstellung zu erarbeiten. Auch können die gewonnenen Erkenntnisse den Betriebsergebnissen alternativer Brennstoffe und konkurrierender Anlagen gegenübergestellt und Schlußfolgerungen und Empfehlungen für die Konzeption sowie für Bau und Betrieb ähnlicher stationärer Anlagen abgeleitet werden.
Interessierte
Anfragen und Anregungen richten Sie bitte an:
Dipl.-Ing. Andreas Heinz, Tel.: 0711/78061-76, e-mail:
heinz@ier.uni-stuttgart.de