Es gibt nicht nur eine Anmaßung der Politik gegenüber
der Kunst, die nicht toleriert werden darf; es gibt gelegentlich
auch eine Anmaßung ausgewiesener wie selbsternannter
Kunstsachverständiger gegenüber der Öffentlichkeit,
mit der autoritären Gebärde von Hohepriestern das eigene
ästhetische Urteil für das einzig mögliche zu
halten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie der Abg. Dr. Antje
Vollmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Die anstehende Entscheidung des Bundestages über ein ebenso
diskussionswürdiges wie diskussionsbedürftiges
künstlerisches Projekt in seinem Hause ist ein Anwendungsfall
nicht nur für die Freiheit der Kunst, sondern auch für
die Souveränität dieses Parlaments. Sie hat nicht nur
etwas mit der gelegentlich strapazierten Würde des Hohen
Hauses zu tun, sondern auch und vor allem mit der Würde der
Menschen, die wir in diesem Hause zu vertreten haben und die wir
nicht als "Volk" und "Bevölkerung" gegeneinander in Stellung
bringen lassen dürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)
Ich habe heute in der Post die Zuschrift eines mir unbekannten
Lehrers und Historikers gefunden, die wohl auch an den Herrn
Bundestagspräsidenten gegangen ist. Er schreibt mir:
Die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte kann nicht
so geschehen ..., dass die deutsche Volksvertretung sich in ihrem
eigenen Haus mit eigener Zustimmung lächerlich machen
lässt ... Wir haben Anlass, diese Besorgnis ernst zu nehmen,
und wir haben die Möglichkeit, sie mit unserem Votum
gegenstandslos zu machen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der Abg. Hanna Wolf
(München) [SPD])
Vizepräsidentin Petra Bläss: Es spricht jetzt der Kollege
Gert Weisskirchen, SPD-Fraktion.
Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD): Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hier werden nicht
die Widmungen "Dem Deutschen Volke" und "Der Bevölkerung" als
Feindbegriffe einander gegenübergestellt, sondern beide
Begriffe werden zueinander gestellt, um miteinander einen Dialog zu
führen
(Lachen bei der CDU/CSU)
über die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir
künftig leben? Das will uns der Künstler sagen.
(Beifall bei der SPD und der PDS sowie bei Abgeordneten des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
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