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Mai 04/1999
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ERSTE SITZUNG IM UMGESTALTETEN REICHSTAGSGEBÄUDE

Thierse: Berlin steht für Freiheit, Demokratie und europäische Politik

Schlüsselübergabe des Reichtages an W. Thierse
Der Hausherr nimmt den Schlüssel in Empfang: Bundestagspräsident Thierse vor der Eröffnung des umgestalteten Reichstagsgebäudes in Berlin, umgeben von Bundespräsident Herzog, Bundeskanzler Schröder und Altbundeskanzler Kohl. Rechts neben Schröder der Architekt Sir Norman Foster.

(bn) "Berlin ist von nun an die politische Metropole Deutschlands; das umgebaute Reichstagsgebäude ist ab heute Sitz des Deutschen Bundestages." Mit diesen Worten umriß Bundestagspräsident Wolfgang Thierse am 19. April die Bedeutung der ersten Sitzung des Bundestages nach dem Umbau des Parlamentsgebäudes in der Hauptstadt. Berlin werde für Freiheit und Demokratie, für eine europäische Politik stehen.

Auch nach diesem Umzug werde die Bundesrepublik der föderale, rechtsstaatliche und soziale Bundesstaat sein, der sich in Bonn über Jahrzehnte hinweg bewährt habe, sagte Thierse. Er bezeichnete es als eines der "hartnäckigsten und dümmsten Vorurteile", daß das Reichstagsgebäude als Symbol für den nationalsozialistischen Ungeist stehe. Hitler habe in dem Gebäude nie als Parlamentarier gesprochen. Nach dem Krieg und erst recht nach dem Bau der Mauer habe das Reichstagsgebäude "wie ein Mahnmal" fast Wand an Wand mit dieser "gewaltsamen innerdeutschen Grenze" gestanden.

Der Umzug des Parlaments von Bonn nach Berlin symbolisiert für den Präsidenten etwas "erfreulich Zivilisatorisches" in der deutschen Geschichte. Dieses neue Moment verweise auf Traditionen, die in den letzten 50 Jahren erst wirklich die deutsche politische Kultur hätten prägen können. An diesen Traditionen, nämlich dem Antifaschismus und einem unaufgeregten, bescheidenen Verhältnis zur Nation, dem Streben nach sozialem Ausgleich, der guten Nachbarschaft und dem Interessenausgleich mit den anderen Völkern und Staaten, der europäischen Zusammenarbeit und Integration sowie der Fortentwicklung der Europäischen Union, müsse man festhalten, so Thierse.

Alle Debatten, die auf Schlußstriche unter die deutsche Geschichte dieses Jahrhunderts zielten, würden an diesem Ort ad absurdum geführt: "Dieser Ort ist Geschichte, er läßt keinen Austritt aus ihr, er läßt keinen Schlußstrich zu!" In diesem Zusammenhang dankte der Bundestagspräsident dem früheren Bundeskanzler Helmut Kohl, der 1983 gesagt habe, es bleibe als Mahnung festzuhalten, daß die Republik jeden Tag neu erworben werden müsse, "weil die politische Kultur der Freiheit sich nicht von selbst versteht".

Zuvor hatte der Bundestagspräsident um 11.23 Uhr einen symbolischen, 50 Zentimeter langen Schlüssel aus den Händen Fosters entgegengenommen. Der Architekt verdeutlichte, er habe bei der Ausschreibung zunächst bezweifelt, ob er als Ausländer für ein so bedeutsames Gebäude die Verantwortung übertragen bekommen würde. Im nachhinein könne er feststellen, daß der Prozeß von Anfang bis Ende von Tatkraft, Fairneß und Offenheit aller Beteiligten geprägt gewesen sei.

Der Vorsitzende der Baukommission des Bundestages, Dietmar Kansy, sagte, die Verantwortlichen hätten sich bemüht, nicht luxuriös, sondern würdig und angemessen für ein Verfassungsorgan zu bauen. Der Bundestag habe nicht nur ein Quartier gesucht, sondern mitgestalten wollen. Dies sei gelungen, ohne den Kostenrahmen zu überschreiten.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/1999/bp9904/9904017
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