tagesläufe
Mit dem Fahrrad in den neuen Arbeitstag
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09.30 Uhr: Büro Mauerstraße 36. |
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Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in seinem
Büro. |
Ein ganz normaler Tag im Leben des
SPD-Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher – ein Tag nach der
Arbeit im Wahlkreis und vor der Sitzung im Bundestag.
Der Abgeordnete Beucher reißt die Tür auf. "Zu
dritt?", fragt er. "Da sind Sie also. Rein mit Ihnen." Er
trägt Jeans, ein dunkelblaues Jackett, ein hellblaues Hemd,
Krawatte. "Nun ist das Büro aber wirklich voll." Er räumt
Papier und Akten von den Stühlen, schafft Sitzplätze
für vier, macht das Fenster auf, atmet kurz durch und sagt:
"Klein hier, da braucht man immer frische Luft. Ich sowieso." Das
"sowieso" wird noch seine Erklärung finden. Spätestens
bei der Geschichte mit den tausend Dienstkilometern auf dem
Fahrrad.
Jetzt ist es 9.30 Uhr, Dienstag, Sitzungswoche nach einem
Wochenende im Wahlkreis. 9.30 Uhr – da hat der Tag schon
Flügel gekriegt. Denn wenn man es recht besieht, begann er
für den Abgeordneten Friedhelm Julius Beucher, SPD, Jahrgang
46, aufgewachsen in Bergneustadt im Bergischen Land, heute noch
dort lebend, um null Uhr in der Nacht, unterbrochen von ein paar
Stunden Schlaf. Zu Bergneustadt gehört auch ein "sowieso". Am
Abend dieses Tages wird man das Gefühl haben, man sei schon
einmal da gewesen, wo der Abgeordnete Beucher seinen Wahlkreis hat.
Was man liebt, lässt sich gut beschreiben.
Um null Uhr an diesem Dienstag saß der Abgeordnete Beucher
noch am Schreibtisch in seinem Büro, einem ziemlich kleinen
Mikrokosmos, einem Provisorium, voll gepackt mit Arbeit und einem
Loch in der linken weißen Wand. Da hat er mal versucht, ein
Bild aufzuhängen, und musste feststellen, dass dies hier ein
ganz besonders fester Beton ist. Die dafür ungeeigneten Bohrer
liegen noch da. Irgendwann muss das erledigt werden.
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Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der
Arbeitsgruppe Sport. |
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12.00 Uhr: Arbeitsgruppe Sport. |
Um 0.30 Uhr hatte Friedhelm Julius Beucher sein Büro
verlassen und war in seine Berliner Wohnung gefahren, um ein paar
Stunden zu schlafen. Um sieben Uhr morgens setzte er sich zu Hause
auf den Hometrainer, dachte nach und trat in die Pedale.
Orangensaft, Bananen, Äpfel waren das Frühstück,
dann stieg er auf ein richtiges Fahrrad und fuhr zum Büro
Struck – Unter den Linden. Dort beredete er, was zu bereden
war, radelte zur Mauerstraße 36, wo sein Büro ist, und
machte da weiter, wo er um 0.30 Uhr in der Nacht aufgehört
hatte.
Der nun vor ihm liegende Tag ist ordentlich auf einem
DIN-A4-Blatt festgehalten – ein Ende des Tages nicht.
"Zuerst", sagt der Abgeordnete, "reden wir ein bisschen.
Dafür muss Zeit sein. Eigentlich aber wäre ich jetzt in
der SPD-Arbeitsgruppe Umwelt. Ich bin im Umweltausschuss des
Bundestages. Sie sind also eine kleine Abweichung vom Tagesplan."
Zwei Telefonate zwischendurch, vier kurze Absprachen mit
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und dann wieder Geschichten.
Friedhelm Julius Beucher hat Spaß am
Geschichtenerzählen. Sie sind sein Transportmittel, um etwas
über sich, seine Ansprüche an parlamentarische Arbeit und
seine Vorstellungen von Wahlkreisarbeit zu vermitteln. Ein
Holzflugzeug im Regal beispielsweise repräsentiert eine kleine
Kette von Ereignissen und Überzeugungen. "Ich bin noch
Stadtrat in Bergneustadt – obwohl das mit dem Umzug nach
Berlin nicht mehr so einfach zu machen ist. Wir haben dort vor
vielen Jahren einen Verein gegründet, um arbeitslose
Jugendliche zu unterstützen. Ich bin nämlich ein
Vertreter der Omnibus-Pädagogik, müssen Sie wissen.
Jugendliche, denen es schlecht geht, muss man da abholen, wo sie
stehen. Also dieses Holzflugzeug da haben Jugendliche gemacht. Ist
doch toll, nicht?"
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13.03 Uhr: Arbeitsgruppe
Untersuchungsausschuss. |
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Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der
Arbeitsgruppe Untersuchungsausschuss. |
Und so kommt er auf Schule, auf Sport, auf
Nachwuchsförderung, auf Vereinssport, auf die Erhöhung
der Sportpauschale für Übungsleiter und die Änderung
des Stiftungsrechts zugunsten des Sports – politische
Ergebnisse, an denen er als Vorsitzender des Sportausschusses
mitgearbeitet hat. Er kommt auf Behindertensport, die Paralympics,
seine Bewunderung für die Leistungen, die da erbracht werden,
seinen Ärger über die immer noch geringe Akzeptanz dieser
Leistung. "Aber dieses Jahr, dafür habe ich mitgekämpft,
gibt es erstmals täglich eine Stunde Paralympics im Fernsehen.
Da sind wir das erste Land der Welt."
Jetzt muss er los, der Abgeordnete Beucher, Geschichten her und
hin. 12 Uhr Arbeitsgruppe Sport, Unter den Linden 50. Laufen, nicht
Fahrrad fahren, den Gästen zuliebe. Anderthalb Stunden Zeit
für eine Menge Tagesordnungspunkte. Zuerst Terminabsprache,
dann der Beginn einer Diskussion über Sport und
Rechtsradikalismus, der Beschluss, sich damit ganz schnell
ausführlicher zu befassen. Nächstes Thema:
Anti-Doping-Gesetz. Man will eine wichtige Gesetzgebung auf den Weg
bringen. Anstehende Aufgaben werden besprochen, deren Vorbereitung
wird beraten. Friedhelm Julius Beucher notiert, hört zu,
diskutiert, schlägt vor – wie alle anderen in der
kleinen Arbeitsgruppe auch. Man kommt gut voran. Parallel hat
bereits die Arbeitsgruppe Parteispenden-Untersuchungsausschuss in
der Friedrichstraße 83 mit der Beratung begonnen.
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Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der
Fraktionssitzung. |
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15.14 Uhr: Fraktionssitzung. |
Da muss der Abgeordnete Beucher hin, er ist Mitglied im
Untersuchungsausschuss des Bundestages. Trotzdem noch schnell ein
kurzer Abstecher ins Büro, Papiere holen, schnelle Absprachen
treffen, rüber zur Arbeitsgruppe. Die tagt bis 14 Uhr,
berät über die Vernehmung weiterer Zeugen. Da blutet das
Herz des Abgeordneten ein wenig, denn um 13.30 wäre er gern
zur Beratung der Parlamentarischen Linken der SPD-Fraktion
gegangen. Klappt nicht, geht nicht, denn um 15 Uhr beginnt im
Reichstagsgebäude die Fraktionssitzung. Die wird drei Stunden
dauern. Das braucht es, um die kommenden drei Sitzungstage
ordentlich vorzubereiten, über das Thema "NPD-Verbot" und
über die Ökosteuer zu diskutieren.
Friedhelm Julius Beucher gibt am Rande der Fraktionssitzung, wie
viele seiner Kolleginnen und Kollegen auch, ein Interview. Er wird
zum vieles beherrschenden Thema Daum contra Hoeneß
befragt.
Er klärt in und am Rande der Fraktionssitzung eine Menge
Fragen, die auf seinem Zettel stehen und nicht auf die lange Bank
geschoben werden können. Er trifft Absprachen, telefoniert
zwischendurch mit seinen Büros in Berlin und im Wahlkreis,
trinkt schnell einen Kaffee, nimmt sich ein paar Minuten Zeit, um
die Geschichte mit den Fahrradkilometern zu erzählen: Damals
in Bonn, wo er viel mehr Fahrrad fahren konnte als hier im lauten
und hektischen Berlin. Den 1000. Dienstkilometer hat er dann mit
Leuten aus dem Wahlkreis gefeiert. War ein schönes Spektakel
für einen guten Zweck.
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18.07 Uhr: Landesvertretung Bremen, SPD-Landesgruppe
NRW. |
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Der SPD-Abgeordnete Friedhelm Julius Beucher in der
Landesvertretung Bremen. |
"Lustvoll muss man arbeiten", sagt er und ist schon wieder weg.
Und hat noch ein Problem mit diesem Tag oder besser mit dem Abend.
Auf dem Abendticket stehen eine Menge Programmpunkte. Die
SPD-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen trifft sich in der
Landesvertretung Bremen mit dem NRW-Arbeits- und Sozialminister
Harald Schartau. Da muss Friedhelm Julius Beucher auf jeden Fall
hin. Fast zur gleichen Zeit beginnt ein Parlamentarischer Abend der
IG Metall. Da wäre er gern dabei. Er ist zudem eingeladen zum
2. Berliner Salon am Gendarmenmarkt, Thema "Sportnation Deutschland
– Wer zieht die Fäden?". Das interessierte ihn brennend.
Er ist eingeladen zum Parlamentarischen Abend
Mecklenburg-Vorpommern. Ebenso wichtig. Und: Er ist eingeladen von
einer seiner Mitarbeiterinnen, die bald zurück nach Bonn gehen
wird. Sie hat Karten fürs Kabarett gekauft und hofft, dass ihr
Chef mitkommen kann. Wäre doch schön – mal zusammen
mit Freunden ins Kabarett zu gehen. "Mensch", sagt der Abgeordnete
Beucher, "was mach ich denn jetzt. Das wär' doch wirklich
wichtig, mit ins Kabarett zu gehen."
Am Ende entscheidet er so: Er schafft noch die SPD-Landesgruppe
Nordrhein-Westfalen, geht danach mit ins Kabarett und landet
spät am Abend wieder da, wo er den Tag begonnen hat: im
Büro. Dort warten drei Akten vom Sportausschuss auf ihn, eine
prall gefüllte Unterschriftenmappe und eine CD-ROM, die er
sich unbedingt ansehen will. Es ist fast halb zwölf, als er
sich an diese Arbeit macht, und wenn er sich aufs Fahrrad setzt, um
nach Hause zu fahren, hat ein neuer Tag begonnen.
Der Abgeordnete Beucher ist müde. Wen wundert das.
Kathrin Gerlof