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Wachsende Bedeutung der Parlamentarier
Von Lord Robertson of Port EllenWährend meiner über zwanzigjährigen Zeit als Parlamentsmitglied habe ich den Eindruck gewonnen, dass sich die Öffentlichkeit leicht eine falsche Vorstellung von der Rolle und dem Einfluss eines Parlamentariers macht. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Sicherheit und Verteidigung. Ich arbeite nun bereits das zweite Jahr als NATO-Generalsekretär und bin persönlich absolut davon überzeugt, dass Parlamente und Parlamentarier eine ganz entscheidende Rolle spielen bei der Erstellung von Programmen zur Festigung der nationalen und der Bündnissicherheit, bei der transparenten Gestaltung der Sicherheitspolitik und bei der Öffentlichkeitsarbeit in kritischen außenpolitischen Situationen.
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Das NATO-Emblem. |
Während des letzten Jahrzehnts ist die Bedeutung der parlamentarischen Arbeit immer offensichtlicher geworden. In Zeiten des Kalten Krieges waren die Gründe für vereinte Verteidigungsbemühungen zwar nicht immer unumstritten, aber doch relativ klar umrissen und weitestgehend akzeptiert. In der heutigen Zeit eines eher unbeständigen Sicherheitsumfelds sind diese Aufgaben wesentlich weniger konkret und weniger vorhersehbar. Die zu treffenden politischen Entscheidungen sind dementsprechend komplexer und der Öffentlichkeit schwieriger zu erklären. Gleichzeitig sind die Menschen dank der allgegenwärtigen Medien und der revolutionierten Informationstechnologie ständig über die Entwicklungen auf der ganzen Welt informiert und fordern die Regierungen schnell auf, "irgendetwas zu tun".
Die Kosovo-Krise im letzten Jahr hat deutlich gezeigt, wie wichtig eine direkte Einbeziehung von Parlamentariern in den kritischen Sicherheitsdialog zwischen den Regierungen und der Öffentlichkeit ist. In Deutschland wie auch in zahlreichen anderen NATO-Mitgliedsländern hat das direkte Eingreifen des Bündnisses in die Krise zu heftigen politischen und öffentlichen Debatten geführt. Dies kam keineswegs überraschend, war dies doch (nach Bosnien-Herzegowina) erst das zweite Mal seit seinem 50-jährigen Bestehen, dass das Bündnis den Einsatz von Streitkräften beschließen musste. Dass die NATO jedoch ihre Kosovo-Aktion zu Ende bringen konnte, war in nicht unerheblichem Maße dank der von den Parlamentariern in allen Mitgliedsländern erzielten Unterstützung durch die Öffentlichkeit möglich. Die Rolle der Parlamentarier bei der Herbeiführung öffentlicher Unterstützung für die im Kosovo durch das Bündnis eingerichteten friedenssichernden Mechanismen bleibt weiterhin von grundlegender Bedeutung.
Im Kosovo und zuvor bereits in Bosnien und Herzegowina hat die NATO gezeigt, dass sie im Bedarfsfall zu effizienten Krisenbewältigungsmaßnahmen bereit und in der Lage ist. Vorbeugen ist jedoch besser als heilen. Aus diesem Grund hat das Bündnis beschlossen, die Streitkräfte neu zu strukturieren und zu stärken, um diesen neuen Anforderungen gerecht werden zu können. Auch hierbei spielen Parlamentarier wieder eine ganz entscheidende Rolle. Ihre Aufgabe ist es, die Grundlagen für eine notwendige Verteidigungsreform in den Mitgliedsländern zu schaffen und die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit kontinuierlicher Verteidigungsanstrengungen zu überzeugen. Der Einfluss und die Beteiligung des Gesetzgebers ist zwar von Land zu Land unterschiedlich, überall stimmen jedoch Parlamente über die Verteidigungs- und außenpolitischen Ausgaben ab. Auf diese Weise haben die Parlamentarier der NATO-Mitgliedsländer Einfluss auf die Mittel, die dem Bündnis direkt oder indirekt zur Verfügung gestellt werden.
Während der letzten zehn Jahre war es Aufgabe des Bündnisses, partnerschaftliche Beziehungen und eine gute Zusammenarbeit über den gesamten europäischen Kontinent zu pflegen und die Entstehung von Konflikten zu vermeiden.
Der Euro-Atlantische Partnerschaftsrat (EAPR) hat sich zum wichtigsten Forum für politische Beratung und Zusammenarbeit zwischen der NATO und ihren Partnern entwickelt. Darüber hinaus hat die NATO mit der Initiative Partnerschaft für den Frieden ein Programm zur bilateralen Zusammenarbeit gestartet, das die teilnehmenden Staaten bei der Umstrukturierung ihrer Streitkräfte unterstützt, damit diese ihren Platz in einer demokratischen Gesellschaft finden und an den von der NATO durchgeführten friedenssichernden Maßnahmen beteiligt werden können. Darüber hinaus hat das Bündnis mit der 1997 unterzeichneten NATO-Russland-Grundakte und der NATO-Ukraine-Charta besondere partnerschaftliche Beziehungen zu Russland und der Ukraine aufgebaut. Sie tragen der einzigartigen Rolle und dem Gewicht, das diesen beiden Ländern hinsichtlich der Sicherheit in Europa zukommt, Rechnung. Weil Sicherheit und Stabilität im Mittelmeerraum die Sicherheit in Europa beeinflussen, führt die NATO schließlich auch Gespräche mit sieben Mittelmeerländern zur Verbesserung von Transparenz und Stärkung des Vertrauens zwischen diesen Ländern und der NATO.
Obwohl diese Partnerschaften in erster Linie auf einer Zusammenarbeit auf Regierungs- und militärischer Ebene beruhen, spielen die Parlamentarier jedoch bei der Unterstützung dieser Zusammenarbeit eine wesentliche Rolle. Sie liefern die erforderlichen Mittel für die Durchführung partnerschaftlicher Aktivitäten und – noch direkter – für bilaterale Initiativen ihrer Regierungen zur Organisation solcher Aktivitäten. Parlamentarier von Partnerländern haben dank ihrer Haushaltszuständigkeiten ähnlichen Einfluss auf den finanziellen Beitrag und die tatsächliche Beteiligung ihrer Regierungen an solchen Partnerschaftsaktivitäten.
Abgesehen von dem unmittelbaren Einfluss auf die Haushaltsführung können die Parlamentarier der NATO und ihrer Partnerländer die NATO-Partnerschaften auch noch auf andere Weise pflegen: durch ihre tägliche parlamentarische Arbeit, durch ihre Kontakte zu Parlamentariern anderer Länder sowie in Interviews, Reden und Zeitungsartikeln. Eine weitere, ganz offensichtliche Form der Unterstützung ist die aktive Teilnahme an Partnerschaftsaktivitäten.
Die Parlamentarier der NATO-Länder haben darüber hinaus wesentlichen Einfluss auf das, was viele Partnerländer als Höhepunkt ihrer NATO-Partnerschaft ansehen – die tatsächliche NATO-Mitgliedschaft. In der jüngsten Vergangenheit waren sechzehn Parlamente im Rahmen der NATO-Erweiterung aufgefordert, offizielle Protokolle zu ratifizieren. Dies führte schließlich zum Beitritt der Tschechischen Republik, Ungarns und Polens zum Bündnis. Seit die Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaaten beschlossen haben, dass die Tür zu einer NATO-Mitgliedschaft offen bleibt, müssen neunzehn Parlamente im Bedarfsfall über den Beitritt weiterer Mitgliedsländer entscheiden.
In den vergangenen Jahren hat die Parlamentarische Versammlung der NATO (PV NATO) bei der Pflege der beschriebenen Partnerschaften eine immer wichtigere Rolle eingenommen. Die Präsidenten dieser Versammlung haben an den letzten zwei NATO-Gipfeltreffen teilgenommen, und Mitglieder und Mitarbeiter der PV NATO sind an Arbeiten im Rahmen der EAPR beteiligt. Darüber hinaus arbeiten Vertreter der PV NATO aktiv an Kontakten zu den Parlamenten von Russland, der Ukraine und den Mittelmeerländern mit.
Die Parlamentarische Versammlung der NATO wird ihre nächste Jahrestagung gemeinsam mit dem Bundestag und dem Bundesrat vom 17. bis 21. November in Berlin abhalten. Sie hätte hierzu keinen besseren Veranstaltungsort wählen können. Mit dem Fall der Berliner Mauer vor genau elf Jahren wurde die Stadt, die vier Jahrzehnte lang der Beweis für den Erfolg der Bündnispolitik und transatlantischen Zusammenarbeit war, zum lebendigen Symbol einer neuen Ära von Partnerschaft und Zusammenarbeit. Ich freue mich darauf, an dieser Veranstaltung teilzunehmen und mit den dort versammelten Parlamentariern die Weiterentwicklung der NATO-Partnerschaften und andere wichtige Bündnisthemen zu diskutieren.
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George Robertson. |
George Robertson, seit dem 14. Oktober 1999 Generalsekretär der NATO, ist 1946 in Port Ellen, Isle of Islay, Großbritannien, geboren. Im August 1999 erhielt er den Titel Lord Robertson of Port Ellen. Nach einem Wirtschaftsstudium an der Universität von Dundee war er von 1978 bis 1999 Abgeordneter des Unterhauses und übernahm in der Zeit der Labour-Opposition wichtige Funktionen u.a. als Sprecher für Europa-Angelegenheiten. In der Zeit von 1993 bis 1997 war George Robertson im Schattenkabinett für Schottland zuständig. Nach den Parlamentswahlen von 1997 bis zu seinem Amtsantritt als NATO-Generalsekretär war er britischer Verteidigungsminister. George Robertson, 1991 ausgezeichnet mit dem Großkreuz des Bundesverdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, ist Ehren-Vizepräsident der British/German Association.