BUNDESTAG THEMATISIERTE DIE TRANSATLANTISCHEN BEZIEHUNGEN
Pläne der USA für eine "Nationale Raketenabwehr" prägten Debatte
(aw) Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) hat am 15. März im Bundestag unterstrichen, die USA hätten ihre Entscheidung über die endgültige Konzeption einer so genannten Nationalen Raketenabwehr (National Missile Defense, NMD) noch nicht getroffen. Sobald diese Entscheidung vorliege, würden die Partner im NATO-Bündnis konsultiert. Deutschland habe als Nichtnuklearmacht zu beachten, dass in diesem Kontext das internationale Rüstungskontrollregime gestärkt werde und ein "kooperatives Klima" zwischen den USA und Russland herrsche.
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Joschka Fischer
Es müsse im Übrigen verhindert werden, dass NMD zu einem internationalen Rüstungswettlauf führe, erklärte der Minister im Rahmen einer transatlantischen Debatte im Parlament. Als deutsche Interessen benannte Fischer ferner das Bemühen um eine verstärkte Nichtverbreitungspolitik, eine mögliche technologische Kooperation mit den USA, intensive Abstimmungen in Europa und im Bündnis sowie den Einsatz für einen chinesisch-amerikanischen Dialog.
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Volkmar Schultz
Für die SPD-Fraktion äußerte Volkmar Schultz, in der Frage der Raketenabwehr gebe es nicht die Alternativen für Gefolgschaft oder Verweigerung. Die Europäer hätten mit Gefährdungen und Bedrohungen ihre eigenen Erfahrungen, aber auch eigene Interessen, die es gelte, in den transatlantischen Dialog einzubringen.
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Volker Rühe
Auch der Sozialdemokrat unterstrich in diesem Zusammenhang, in Amerika gebe es noch keine fertigen Antworten zu Bedeutung und Konsequenzen von NMD. Deswegen sei es unverständlich, wenn die CDU/CSU-Fraktion von der Bundesregierung bereits jetzt eine frühe Festlegung verlange. Schultz warnte im Übrigen davor, die transatlantische Bündnisdiskussion auf das Thema Raketenabwehr zu verengen. Dies wäre fatal. Die transatlantischen Beziehungen seien für Europa zu wichtig, "als dass wir sie für kurzatmige innenpolitische Hahnenkämpfe missbrauchen dürften".
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Rita Grießhaber
Volker Rühe erwiderte für die CDU/CSU-Fraktion, die europäische Integration dürfe nicht dazu führen, "dass wir ein nebulöses Niemandsland der internationalen Politik betreten oder dass sich Europa als Gegenmacht zu Amerika versteht". Im Gegenteil, die europäische militärische Handlungsfähigkeit müsse die USA in diesem Jahrhundert in Europa binden. Doppelstrukturen oder eine Ausgrenzung der Vereinigten Staaten seien deshalb fehl am Platz, so Rühe weiter.
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Wolfgang Gerhardt
Der Unionspolitiker bezeichnete NMD als "neuen Mix aus Abschreckung und Verteidigung". Dies bedeute eine Chance, durch Raketenabwehr einen gewissen Schutz zu schaffen und zugleich die Zahl der Offensivwaffen deutlich zu reduzieren. Seine Fraktion halte es deshalb für richtig, diese Chance im Grundsatz zu ergreifen.
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Wolfgang Gehrcke
Rühe kritisierte in diesem Kontext ein "unprofessionelles Stimmengewirr" in der Regierungskoalition. Der Auswärtige Ausschuss hat bereits am 14. März mit den Stimmen aller anderen Fraktionen einen Antrag der CDU/CSU (14/3378) zum Thema Raketenabwehr zurückgewiesen.
Rita Grießhaber (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, es gelte bei den amerikanischen Freunden dafür zu werben, dass Europa nach dem Wegfall der Bedrohung im Kalten Krieg zwar ein Stück weit unabhängiger von den USA geworden sei, dies aber eben nicht im Sinne einer Abkoppelung, sondern im Sinne einer Übernahme von mehr Verantwortung. Die Bindungen zwischen Europa und Nordamerika seien im Übrigen tiefer und fester als dies oft wahrgenommen werde, so die Abgeordnete.
Als Redner für die F.D.P.-Fraktion wunderte sich Wolfgang Gerhardt, dass auf die Ideen und strategischen Anstöße im Zusammenhang mit NMD nur zurückhaltend reagiert werde. Der Bundeskanzler habe zunächst kritisch reagiert, sich dann aber offener geäußert und von Technologie-Sharing gesprochen. Dies sei zwar richtig, dennoch dürfe man nicht so "naiv" sein zu glauben, man könne den Amerikanern abgewöhnen, eigene Entscheidungen zu treffen. Die eigentliche Aufgabe sei, so der Liberale weiter, ein europäisches Interesse zu definieren und das Vorhaben kritisch zu bewerten, falls Washington keine Rücksicht auf die europäischen Positionen nehme. Einen Entschließungsantrag der Freien Demokraten (14/5570) lehnte der Bundestag mit großer Mehrheit ab.
Für die PDS-Fraktion erklärte Wolfgang Gehrcke, seiner Ansicht nach strebten die USA nach Weltherrschaft. Dies müsse abgelehnt und zurückgewiesen werden. NMD zerstöre die bestehenden Rüstungskontrollverträge und verschärfe Differenzen zu Russland und vor allem zu China. Die Bundesregierung gefährde, wenn sie Ja oder "Jein" zu den neuen US-Raketenplänen sage, europäische und deutsche Sicherheit, so der PDS-Abgeordnete.