Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > Blickpunkt Bundestag > Blickpunkt Bundestag - Jahresübersicht 2001 > Deutscher Bundestag - Blickpunkt 03/2001 >
März 03/2001
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

ANHÖRUNG DES FINANZAUSSCHUSSES

"Schiedsgericht könnte die Überschuldung entschärfen"

(fi) Nur die Schaffung einer internationalen Finanzgerichtsbarkeit ist nach Meinung des Wiener Professors Kunibert Raffer geeignet, das Problem der Überschuldung in Entwicklungsländern auf Dauer zu entschärfen. Dies unterstrich Raffer am 14. März in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zur Entwicklung der internationalen Finanzmärkte.

Der Forderung Raffers schloss sich der ecuadorianische Wissenschaftler Professor Alberto Acosta Espinosa an. Er wies darauf hin, dass die Schuldnerländer nicht allein für ihre Verschuldung verantwortlich gemacht werden könnten. Das Problem der Entwicklungsländer sei nicht die bloße Schuldenlast, sondern das Überangebot an Krediten, das die Länder Südamerikas an den Tropf der westlichen Industrieländer gelegt habe.

Acosta erinnerte daran, dass von 1982 bis 1990 Kredite in Höhe von 238 Milliarden US-Dollar von den USA nach Lateinamerika geflossen seien. Dies sei etwa das Dreifache der nach dem Zweiten Weltkrieg an Europa geleisteten Zahlungen aus dem Marshall-Plan. Verheerende Auswirkungen hätten diese Kapitalströme in dem Moment verursacht, so Acosta, als die Zinsforderungen der westlichen Kreditgeber unvorhersehbar und rapide angestiegen seien. Die Zinssteigerungen der Gläubiger führte Acosta auf die von der Reagan-Regierung in den USA betriebene restriktive Wirtschaftspolitik zurück.

Der Generalsekretär der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel, Andrew Crockett, hielt entgegen der Ansichten Raffers und Acostas die bestehenden Institutionen – vor allem die Bretton-Woods-Instrumente Internationaler Währungsfonds (IWF) und Weltbank sowie die Welthandelsorganisation (WTO) – für geeignet, um Finanzkrisen in den Griff zu bekommen.

"Tobin-Steuer indiskutabel"

Zwar befürwortete auch Crockett eine dauerhafte Stabilisierung des im vergangenen Jahrzehnt von Asien- und Russlandkrise geschüttelten internationalen Finanzmarktes. Die von anderen Sachverständigen angeregten Kapitalverkehrskontrollen oder die Einführung einer "Tobin-Steuer" auf Devisentransfers betrachtete er jedoch als indiskutabel. Das Baseler "Financial Stability Forum", dem Crockett vorsitzt, sei darum bemüht, mehr Transparenz bei der Kreditvergabe herzustellen. Auch die deutsche Bundesregierung unterstütze die Bemühungen des Baseler Forums, einheitliche Regelungen für Mindestanforderungen an Kreditnehmer zu treffen. Nach diesen Vorstellungen wäre die Kreditvergabe unabhängig von Laufzeit oder Größe der Unternehmung und würde sich mehr am marktwirtschaftlichen Ideal orientieren, dass derjenige die besten Konditionen erhält, der mit der größten Wahrscheinlichkeit in der Lage ist, seine Schulden zurückzuzahlen. Auf die von Acosta geforderte Abschaffung des "Pariser Clubs", in dem bisher die westlichen Hauptgläubiger und ihre Schuldner aufeinandertrafen, zu Gunsten eines Schiedsgerichts reagierte Crockett nicht.

Mit Kapitalflut überfordert

Der Würzburger Professor Peter Bofinger lenkte die Diskussion auf die kritische Bewertung des derzeit von vielen Ländern praktizierten "managed floating" in der Devisenpolitik, das eine Mischung aus flexiblen und stabilen Wechselkursen darstelle. Bofinger sprach sich dafür aus, dass IWF und Weltbank den Einsatz von Devisenpolitik und gleichzeitig flankierender zinspolitischer Maßnahmen im Auge behalten sollten. Eine präzise Abstimmung von Geld- und Zinspolitik hielt er für notwendig, um langfristige Stabilität zu garantieren.

Hohe Zinsen und günstige Wechselkurse hätten in der Vergangenheit den Run auf Investitionen in Entwicklungs- und Schwellenländern bewirkt. Mit der Kapitalflut seien die Länder überfordert gewesen, was letztlich zu den Finanzkrisen geführt habe. Besser als Kapitalzugangssperren sei jedoch die kurzfristige Unvorhersehbarkeit von Wechselkursen, die von den Zentralbanken gesteuert werden, dazu geeignet, schädliche Spekulation zu verhindern. Eine langfristige stabile Entwicklung der realen Wechselkurse müsse jedoch angestrebt werden, sagte Bofinger.

Quelle: http://www.bundestag.de/bp/2001/bp0103/0103059a
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion