DEBATTE ZUM RECHTSEXTREMISMUS
Zentrale Herausforderung für die demokratische Bürgergesellschaft
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Sebastian Edathy. | ||||||||||
(in) Der Rechtsextremismus in Deutschland ist nach Ansicht der SPD-Fraktion kein Randphänomen, sondern eine zentrale Herausforderung für die Demokratie. Angriffe auf Obdachlose und Ausländer seien "Angriffe auf die Bürgergesellschaft als Ganzes". Dies erklärte Sebastian Edathy (SPD) am 30. März für seine Fraktion bei der Bundestagsdebatte gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt.
Edathy wies darauf hin, dass die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Straftaten im Laufe des vergangenen Jahres "enorm" gestiegen sei. 1999 seien 10.000 Fälle registriert worden; im Jahr 2000 seien es 16.000 gewesen. Dabei sei die Zahl der erfassten Gewalttaten mit 746 auf 998 Fälle angewachsen. Ein Drittel der NPD-Mitglieder sei zwischen 16 und 25 Jahre alt. "Mindestens ebenso wichtig wie die Bekämpfung rechtsextremistischer Erscheinungsformen ist die Vorbeugung", sagte er.
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Wolfgang
Schäuble. |
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Wolfgang Schäuble (CDU/CSU) machte deutlich, dass die Fraktionen sich über das Ziel der Bekämpfung von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit einig seien. "Aber es gehört zu einer Demokratie dazu, dass man über den Weg, wie die gemeinsamen Ziele erreicht werden können, unterschiedlicher Meinung sein kann", betonte er mit Blick auf einen eigenen Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Es sei geradezu ein Merkmal des Extremismus, dass er andere Meinungen nicht akzeptieren wolle, dass er seine Meinung und das was er für richtig halte, zur allein- und ewig gültigen Meinung machen wolle und dass er deshalb die Freiheit und die Pluralität des demokratischen Meinungsaustausches beseitigen wolle. Gemeinsamkeit bedeute nicht, dass alle in jeder Frage einer Meinung sein müssten. Schäuble warnte davor, Rechtsextremen zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. "Verachtung ist wichtiger als ein Übermaß an medialer Aufmerksamkeit", sagte er.
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Annelie
Buntenbach. |
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Annelie Buntenbach (Bündnis 90/Die Grünen) erklärte, es sei "leider ein Faktum", dass es in Deutschland immer noch Gebiete gebe, in denen sich Menschen mit dunkler Hautfarbe, Flüchtlinge, Obdachlose, Homosexuelle und andere wegen der akuten Bedrohung durch rechtsextreme Gewalt nicht frei bewegen könnten. Eine Demokratie, die sich ernst nehme, müsse sich daran messen lassen, ob sie den Mindeststandard der Bewegungsfreiheit für alle sicherstellen könne. Weiter forderte sie eine umfassende Integrationspolitik. Dazu gehöre auch ein sensibler sprachlicher Umgang mit Minderheiten und Themen der Asyl- und Migrationspolitik. Es komme nicht allein darauf an, repressiv gegen Rechtsextreme vorzugehen, sondern auch darauf, die demokratische Gesellschaft zu stärken und Zivilcourage zu fördern.
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Wolfgang Gerhardt. | ||||||||||
Der Fraktionsvorsitzende der F.D.P., Wolfgang Gerhardt, appellierte an die Eltern, die Erziehung zur Demokratie zur "Chefsache" zu machen. In die Bildungspolitik in einer Demokratie müsse die notwendige Erziehung zur Demokratie und zum verantwortungsbewussten Umgang mit der Freiheit sowie die Wertevermittlung einziehen. Gerhardt kritisierte in diesem Zusammenhang die Koalitionsfraktionen, die bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr einen Antrag der F.D.P. -Fraktion abgelehnt hätten, 300 Millionen DM für Maßnahmen der politischen Bildung, Sozialarbeit und Jugendarbeit bereitzustellen. "Mir fehlt dafür das Verständnis", sagte er.
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Roland Claus. | ||||||||||
"Es gibt eine schleichende Akzeptanz des rechten Geistes in diesem Lande", sagte Roland Claus (PDS). Ihn würden mehr als die in den Medien berichteten Ereignisse und Vorfälle immer Ereignisse betreffen, die nicht in den Zeitungen stehen würden. Rechter Geist habe inzwischen seinen Einzug in die Alltagskultur gehalten. Der Bekämpfung müsse sich mit "aller Konsequenz" gestellt werden, so der Fraktionsvorsitzende.
Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) forderte nachträglich eine Verstärkung der Prävention im Kampf gegen den Rechtsextremismus. Notwendig sei mehr Engagement, Bildung und Erziehung. Für den Anstieg des Rechtsextremismus um 60 Prozent machte er auch die verstärkte Wachsamkeit der Bürger und das konsequentere Vorgehen der Justiz verantwortlich.
Grundlage der Debatte war ein Antrag der Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen, F.D.P. und PDS "Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt" (14/5456), der angenommen wurde. Abgelehnt wurde der Antrag der Fraktion der CDU/CSU "Nachhaltige Bekämpfung von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit" (14/4067), in dem unter anderem eine Verschärfung des Versammlungsrechtes vorgeschlagen wurde. Drei Anträge (14/3516, 14/3106,14/4145) wurden für erledigt erklärt.