ÖFFENTLICHE ANHÖRUNG ZUM THEMA "ANONYME GEBURTEN"
Vorschläge zur Hilfe bei ungewollten Schwangerschaften umstritten
(in) Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Änderung des Personenstandsgesetzes (14/4425) bringt keine wesentlichen Änderungen und ermöglicht der Mutter nicht, ihre Anonymität bei einer ungewollten Schwangerschaft zu wahren. Dies erklärte Professor Reinhard Hepting von der Universität Mainz am 30. Mai in der Anhörung des Innenausschusses, des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Daher sei der Entwurf eine wenig attraktive Alternative zum Schwangerschaftsabbruch, so Hepting.
Die CDU/CSU hatte in ihrer Initiative dargelegt, nach gegenwärtigem Recht müsse die Geburt eines Kindes binnen einer Woche angezeigt werden. Dazu seien grundsätzlich auch Schwangeren-Beratungsstellen verpflichtet, was eine effektive Beratung oft behindere. Die Mütter würden deshalb mit ihren Fragen und Problemen diese Stellen nicht aufsuchen.
Darüber hinaus führe Scham, Angst, aber auch Unkenntnis der Mütter über bestehende Handlungsmöglichkeiten häufig dazu, dass Neugeborene ausgesetzt oder getötet würden.
Die Fraktion tritt deshalb dafür ein, bei Fällen, in denen die Mutter von einer staatlich anerkannten Schwangeren-Beratungsstelle betreut wird, die Anzeigefrist einer Geburt auf zehn Wochen zu verlängern.
Dies gebe Müttern in Konfliktsituationen die Gelegenheit, sich qualifiziert beraten zu lassen, zunächst aber anonym zu bleiben. Die Beratungsstellen hätten wiederum Zeit, auf die Lösung der Konflikte der Mutter hinzuwirken und heimliche Geburten zu verhindern.
Wenig attraktive Lösung
Für Professor Christine Swientek von der Universität Hannover bleibt im Entwurf offen, wem gegenüber die Anonymität bestehen soll. Adoptierte Kinder hätten ein garantiertes Recht und das subjektive Bedürfnis, ihre Herkunft zu kennen.
Dem widersprach Maria Geiss-Wittmann vom Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF) in Amberg. Geiss-Wittmann zufolge ist ein Grundrecht auf "seelische Entfaltung" des Kindes wichtig, aber das Recht der Mutter auf Überleben höherrangig.
Der Schutz des Lebens werde durch das Angebot der anonymen Geburt verwirklicht, betonte sie. Diese sollte nicht von einer Fachberatung abhängig sein, wie im Entwurf gefordert. Es sollte eher als Angebot denn als Pflicht für werdende Mütter verstanden werden.
Mehr Anonymität gefordert
Für Jürgen Moysich vom Sterni Park Hamburg ist die Pflichtberatung ein "schwer überwindbares Hindernis". Die Frauen brauchten Anonymität bei der Beratung "vor, während und nach der Geburt des Kindes". Nur dann könnten anonyme Geburt und die Einrichtung von Babyklappen, bei denen Mütter ihre Säuglinge abgeben können und das Kind umgehend versorgt wird, sinnvollen Schutz für Mütter und Kinder bieten.
Magdalena Weiß, Präsidentin des Bundes Deutscher Hebammen, betont, es bedürfe sowohl einer begleiteten anonymen Geburt als auch der Einrichtung Babyklappe.
Die Babyklappe allein gewährleiste weder eine kompetente Versorgung der Mutter noch des Neugeborenen, so die Verbandspräsidentin. Einen Missbrauch durch Kinderhandel hielt sie für ausgeschlossen, da das Kind legal zur Adoption freigegeben werde.
Nach dem Urteil von Ines Kurek-Bender vom Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien fehlt es an Möglichkeiten für Mütter, sich mit einer ungewollten Schwangerschaft auseinander zu setzen. Sie fordert im Sinne der Adoptierten so viel Offenheit wie möglich und "so wenig Inkognito wie nötig".
Für eine Regelung der anonymen Geburt im deutschen Rechtssystem setzt sich Maria Elisabeth Thoma vom SKF/Dortmund ein. Es müsse ein Verfahren zur Sicherung erlangbarer Informationen über die Herkunft des Kindes geschaffen werden, wie es in Frankreich und anderen Ländern der Fall sei.
SPD und Bündnis 90/Die Grünen stellten die verfassungsrechtliche Abwägung zwischen dem Recht auf Leben und dem Recht auf Kenntnis der eigenen Herkunft in den Mittelpunkt der Diskussion.
Danach müsse die Anonymität der Frauen gewahrt und dürfe eine Rechtfertigung nicht verlangt werden. Eine freiwillige, niedrigschwellige Beratung wäre vonnöten. Auch das Handeln der Mediziner müsse rechtlich geregelt werden.
Für die CDU/CSU sind das lebende und gesunde Kind und das Wohl der Mutter vorrangig. Trotzdem sollte die anonyme Geburt die letzte Möglichkeit sein. Allerdings seien differenzierte freiwillige Angaben der Mutter notwendig, um dem Recht adoptierter Kinder zu entsprechen.
Erfahrung "Betroffener" fehlt
Die F.D.P. sah in dem dargestellten Verfahren eine Gefahr des Kinderhandels und verlangte von den Sachverständigen Lösungsansätze. Die Verlängerung der Meldefrist nach der Geburt, wie in der Initiative vorgeschlagen, genüge nicht als rechtliche Regelung des Sachverhalts.
Die PDS bemängelte die Abwesenheit von betroffenen Müttern bei der Anhörung, die aus ihrer Erfahrung hätten berichten können. Sie forderte Vorschläge, wie diese Frauen künftig entkriminalisiert werden könnten.