ANHÖRUNG DES FINANZAUSSCHUSSES
Deutsches System des Abzugs der Vorsteuer nicht mehr unumstritten
(fi) Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft hat das deutsche System des Vorsteuerabzugs in Frage gestellt. In seiner Stellungnahme zu einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum Entwurf der Bundesregierung für ein Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz (14/6883) schlug der Verband am 10. Oktober vor, die Umsatzsteuer nur bei der Abgabe von Waren und Dienstleistungen an Endverbraucher zu erheben. Damit würden sich die Probleme des Vorsteuerabzugs und die daraus resultierende Schädigung von Fiskus und Unternehmen erledigen.
In der Gesetzesbegründung heißt es, in Deutschland und in anderen EU-Staaten würden zunehmend Fälle von Umsatzsteuerbetrag in Form so genannter Karussellgeschäfte aufgedeckt. Die "ersparte" Umsatzsteuer werde zur Verbilligung der im "Karussell" weitergelieferten, meist hochwertigen Waren verwendet, wobei die Täter europaweit agierten. Dabei handele es sich um eine Form des organisierten Verbrechens, so die Regierung. Alle bisher aufgedeckten betrügerischen Aktivitäten, die sich häufig in Größenordnungen von mehrstelligen Millionenbeträgen bewegten, ließen erhebliche Steuerausfälle befürchten.
Sicherheitsleistung verlangt
Um dem entgegenzuwirken, solle das Finanzamt künftig mit Zustimmung des Steuerpflichtigen die Auszahlung von Vorsteuer-Erstattungsbeträgen von Sicherheitsleistungen abhängig machen können, wenn unklar ist, ob die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug überhaupt vorliegen. Nach der Neuregelung würde der Erstattungsbetrag ausbezahlt und der Unternehmer mit den Kosten einer Bankbürgschaft belastet. Bei nicht abgeführter Vorsteuer hätte das Finanzamt künftig die Möglichkeit, Unternehmer, die vom Karussellgeschäft wussten oder davon hätten wissen müssen, für die nicht abgeführte Umsatzsteuer haftbar zu machen.
Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft hält eine einheitliche Steuernummernsystematik und ein zentrales Namensregister für wirkungsvoll, aber nur mittelfristig machbar. Bis dahin sollte eine rasche Zugriffs- und Auskunftsmöglichkeit über das Bundesamt für Finanzen organisiert werden. Hilfreich wäre auch eine Verpflichtung aller Unternehmer, auf ihren Rechnungen ihr zuständiges Finanzamt und die Steuernummer auszuweisen, heißt es in der Stellungnahme. Der Bundesrechnungshof ist der Auffassung, dass das Regierungsvorhaben nur bestimmte Teilbereiche regelt. Auch seien Anwendungsprobleme in der Finanzverwaltung zu erwarten.
Der Bund Deutscher Finanzrichter hält das vorgesehene Betretungsrecht für bedenklich, wonach die Finanzämter jederzeit während der Geschäfts- und Arbeitszeiten Grundstücke und Räume von Gewerbetreibenden und Freiberuflern auch ohne deren Einverständnis betreten können, um eine gleichmäßige Umsatzbesteuerung sicherzustellen.
Staatlichen Anspruch sichern
Der Deutsche Steuerberaterverband meint, die Gefahr des Umsatzsteuerbetruges durch die Karussellgeschäfte dürfe nicht zu Beschränkungen im Umsatzsteuerrecht für alle Unternehmer führen. Dagegen hält der Deutsche Gewerkschaftsbund einen Haftungstatbestand für Fälle des Umsatzsteuerbetrugs für erforderlich, um den Anspruch des Staates auf Sicherung seiner Steuerbasis durchzusetzen. So könne verhindert werden, dass steuerehrliche Unternehmen dauerhaft durch kriminelle Wettbewerbsverfälschungen geschädigt werden.
Die Bundesregierung will eine Systemänderung bei der Umsatzsteuer-erhebung in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erörtern, wie aus ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates (14/7085) hervorgeht. Ein erster Bericht solle im Mai 2002 vorliegen. Für die Länderkammer wird der Umsatzsteuerbetrug durch das jetzige System begünstigt. Wegen der kriminellen Aktivitäten, die allein in Deutschland zu Steuerausfällen von rund 20 Milliarden DM jährlich führten, werde dieses Gesetz nicht ausreichen, um die Steuereinnahmen zu sichern.
Der Bundesrat hält es deshalb für erforderlich, Veränderungen des heutigen "Allphasen-Netto-Mehrwertsteuersystems" zu erwägen, um die Umsatzsteuer weniger missbrauchsanfällig zu machen. So könnte etwa die Umsatzsteuer bei Lieferungen zwischen Unternehmen erhoben werden, was den Vorsteuerabzug entbehrlich machen würde.
Missbrauch befürchtet
Dem Vorschlag des Bundesrates, neu gegründeten Unternehmen zu erlauben, bereits vor Ende des zweiten Kalenderjahres nach Aufnahme eines Gewerbes vom monatlichen zum vierteljährlichen Anmeldungszeitraum überzugehen, stimmt die Regierung nicht zu. Jeder Versuch, im Einzelfall Erleichterungen zu schaffen, bedeute, dass diese von Unternehmern rechtsmissbräuchlich ausgenutzt werden könnten. Keine Zustimmung auf Regierungsseite findet ferner die Empfehlung, die Unternehmer zu verpflichten, in der Rechnung Steuernummer und zuständiges Finanzamt anzugeben. Dies würde laut Bundesrat die Überprüfung von Lieferketten erleichtern und zur Betrugsbekämpfung beitragen. Die Regierung hält es jedoch für unvereinbar mit EU-Recht, bei Fehlen dieser Angaben den Vorsteuerabzug auszuschließen.