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Oliver W. Schwarzmann
Am Gelde hängt doch alles
Konten, Skonten und Zahlungen
Es geht eigentlich immer um das liebe Geld, und dennoch: Wir
wissen relativ wenig über das, was den Staat, die Unternehmen
und unsere Köpfe regiert. Über Geld spricht man nicht,
heißt es, man hat es und überlässt es lieber der
schweigsamen Intimität von Bankkonten. Doch Aufklärung
tut not, dazu bekennt sich Helmut Creutz geradezu leidenschaftlich
und macht in plausiblen Argumenten erstaunliche
Fehleinschätzungen zu diesem Thema aus. Einige Kostproben:
Irrtum 1: "Alles, was man als Geld bezeichnet, ist auch Geld" -
nach Creutz ist es vielmehr ein politisches Instrument, denn das
Tauschmedium ist auch Wertaufbewahrungsmittel, was es als
Investition zum Schlüssel und bei Entzug zum Riegel für
Märkte macht. Wer heute Geld aufbewahrt, verwandelt
physikalisches Kapital in einen Anspruch auf Rückzahlung: Geld
bekommt eine virtuelle Dimension und erweitert damit seinen
Einsatz- und Wirkungskreis.
Irrtum 2: "Bargeld spielt doch kaum eine Rolle" - für
Creutz ist der reale Geldschein in der Hand des Zahlenden weiterhin
bedeutend, denn trotz aller "großen Umsätze auf den
Girokonten ist für die Konjunktur letztlich entscheidend, dass
jemand am Ende der Kette Nachfrage hält". Dies geschehe, so
Creutz, meistens immer noch mit Bargeld.
Oder Irrtum 4: "Geld ist nur ein neutraler Vermittler, ein
Zahlungs- und Schmiermittel der Wirtschaft" - Creutz beweist, dass
Geld alles andere als neutral ist, sondern ein "höchst
fragwürdiger Wertmaßstab", denn es ist ein Joker für
den, der es hat: "Diese Jokereigenschaft des Geldes macht die
Reichen automatisch reicher und zwingt alle anderen, wenn sie nicht
im gleichen Umfang ärmer werden wollen, zu einer dauernden
Steigerung ihrer Leistungen." Denn die Geldvermögen wachsen im
gleichen Ausmaß wie die Schulden; die daraus steigenden
Belastungen müssen über höhere Schulden oder
permanentes Wachstum kompensiert werden. Letzteres führt in
einer ressourcen-begrenzten Welt konsequent in die Krise.
Oder Irrtum 7: "Zinsen muss nur derjenige zahlen, der Schulden
macht" - Creutz verdeutlicht, dass jeder ein Zinszahler ist, denn
egal, wer Schuldner ist, ob Unternehmen oder Staat, er wird die
Zinsen inklusive Kapitalkosten in seine Preise, Gebühren und
Steuern einbeziehen. Letztlich sind es die privaten Haushalte, die
auf diesen umgelegten Zinskosten sitzen bleiben, denn sie haben
keine Möglichkeiten sie an Dritte weiterzugeben. Da die
Entwicklung der Geldvermögen und Schulden die des
Sozialproduktes bei weitem übersteigen, steckt in allen
Preisen, Gebühren und Steuern ein wachsender Zinsanteil.
Psychologische Effekte
Oder Irrtum 9: "Bei Börsencrashs wird Geld vernichtet" -
Creutz beweist anderes und zeigt, welche psychologischen Effekte
virtuelles Geld auslöst: in Boomphasen fühlen sich
Unternehmen und Aktionäre reicher und geben mehr Geld aus, bei
Börsencrashs passiert genau das Gegenteil: Geld wird durch
Konsum- und Investitionsstopp entzogen, das Wachstum geht
zurück, vernichtet werden letztlich Arbeitsplätze.
Der Irrtumsband von Creutz geht in dieser Dramatik weiter. Sein
immer wieder auftauchendes Credo ist das des überlegenen
Geldwertes gegenüber allen anderen Wirtschafts- und
Tauschgütern, und seine dabei immer wieder durchscheinende
Erkenntnis ist: "In unserem vom Kapital dominierten
Wirtschaftssystem können wir nur mit einem ständigen
Wachstum jene Einkommensverluste ausgleichen, die durch das
Überwachstum der Geldvermögensansprüche sonst bei
den Arbeitseinkommen entstehen."
Nur wenn die Wirtschaft im gleichen Ausmaß wächst wie
Schulden und Geldvermögen inklusive ihrer Verzinsung, kann der
soziale Status eines Landes gewährleistet sein. Die wachsenden
Geldvermögen und Verschuldungen erhöhen jedoch nicht nur
die zinsbedingten Einkommensumschichtungen, sondern sie
erhöhen den zitierten Wachstumszwang, - ein Effekt, der
weltweit zu beobachten ist.
Creutz nimmt auch die Globalisierung ins Visier, die
selbstredend vom Kapital gesteuert ist. Reiche suchen sich neue
Renditemärkte, kapitalstarke Unternehmen schließen sich
zu internationalen Megakonzernen zusammen, die zunehmend autonome
Volkswirtschaften bilden werden. Was der Geldkosmos also braucht,
sind willige Schuldner, denn sie ernähren das Kapital, selbst
wenn sie selbst dabei verhungern.
Was wir aber wirklich benötigen, so Creutz, ist eine Reform
des Geldsystems, die über eine "Liquiditätsabgabe auf
Geld" dessen verstetigten Umlauf ermöglicht, der den
Geldkreislauf stabil macht und damit die Negativwirkungen des
heutigen, instabilen und spekulativen Kapitals nach und nach
auflöst.
Es wird uns allen täglich bewusster, wie sehr die
Finanzmärkte unser Leben beherrschen. Trotzdem und bei aller
Sympathie für die Argumentation des Autors ist die Annahme, es
käme zu einer Geldreform, vermutlich ein Irrtum. Oliver W.
Schwarzmann
Helmut Creutz
Die 29 Irrtümer rund ums Geld.
Signum Wirtschaftsverlag, Stuttgart 2004;
303 S., 22,90 Euro
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