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Hartmut Hausmann
Enteignung war unrechtmäßig
EuGh entscheidet für DDR-Bauern
Die nach der deutschen Wiedervereinigung erfolgte Enteignung von
ehemaligen DDR-Landwirten ohne Entschädigung war ein
Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.
Damit entsprach der Europäische Gerichtshof für
Menschenrechte am 22. Januar in Straßburg der Beschwerde von
fünf Betroffenen, die eine Verletzung des Grundrechts auf
Schutz des Eigentums beklagt hatten. Dabei handelt es sich um
Ländereien, die sie im Zuge der von der DDR
durchgeführten Bodenreform als so genannte Neubauern erhalten
oder später geerbt hatten. Sie mussten ihren Besitz nach dem
Abwicklungsgesetz von 1992 zur Bodenreform ohne eine
Ausgleichszahlung an die neuen Bundesländer abtreten, wenn sie
nicht vor dem 15. März 1990 selbst noch in der Land-, Forst-
oder Nahrungsmittelwirtschaft tätig waren. Von dieser
Bestimmung waren bis zu 70.000 Erben von Neubauern betroffen.
Unter dem Vorsitz des Portugiesen Ireneu Cabral Barreto
maßen die sieben Richter aus Albanien, Deutschland (Georg
Ress), Irland, Litauen, Mazedonien und der Schweiz der
früheren rechtlichen Stellung der Landbesitzer in dem
überwiegend in Form von Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaften (LPG) organisierten DDR-Agrarsektor
keine größere Bedeutung bei. Wichtig für das Urteil
war vielmehr, dass ihnen die frei gewählte DDR-Volkskammer das
Land durch das Modrow-Gesetz vom März 1990 als vollwertiges
Eigentum zugesprochen hatte. Diese Eigentumsregelung war im
Einigungsvertrag im Herbst des selben Jahres ausdrücklich
bestätigt worden.
Auch wenn dieses Urteil enorme finanzielle Auswirkungen haben
kann, weil nun mit einer Flut von Klagen und Entschädigungen
in Milliardenhöhe gerechnet werden muss, ging es in erster
Linie um die politische Frage, ob Deutschland ein durch die frei
gewählte Volkskammer der DDR gesetztes und durch die
Bundesrepublik ausdrücklich akzeptiertes Recht
nachträglich ändern durfte. Diese Befugnis, ein aus
seiner Sicht ungerechtes Gesetz korrigieren zu dürfen,
billigten die Richter dem Deutschen Bundestag ausdrücklich zu.
Angesichts des hohen Schutzes, der dem Grundrecht auf Eigentum
zugebilligt wird, hätte aber auch nach dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit eine angemessene
Entschädigung gezahlt werden müssen. Damit schloss sich
der Straßburger Gerichtshof einem Urteil des
Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1998 an, in dem die Vererbbarkeit
der "Bodenreformgrundstücke" anerkannt worden war und wies den
Spruch des Bundesverfassungsgerichts zurück, in dem die
Enteignungsgesetzgebung 2000 gebilligt wurde. Zur Begründung
erklärten die Richter, dass sich Deutschland durch die
schnelle Wiedervereinigung zwar in einer gewissen Ausnahmesituation
befunden habe, dass der Gesetzgeber aber dennoch für einen
fairen Ausgleich zwischen öffentlichem Interesse und dem
individuellen Grundrechtschutz hätte sorgen müssen.
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