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Barbara Schweizerhof
Letzte Klappe in Karlsruhe
Klage gegen das Filmförderungsgesetz macht
viele Betrachter ratlos
Eigentlich steht es nicht schlecht um den
deutschen Film. Im vergangenen Jahr wurde zum ersten Mal seit
Volker Schlöndorffs "Die Blechtrommel" im Jahre 1979 wieder
eine deutsche Produktion mit dem Oscar für den besten
ausländischen Film ausgezeichnet: Caroline Links "Nirgendwo in
Afrika". Wolfgang Beckers "Good Bye Lenin" eroberte zusätzlich
zu einer Vielzahl an Statuetten beim europäischen Filmpreis
eine Nominierung für den Golden Globe und - fast noch
wichtiger - entwickelte sich nicht nur in Deutschland mit satten
6,5 Millionen Zuschauern, sondern auch in Frankreich und
Großbritannien zum Publikumserfolg.
Das hat es lange nicht gegeben - der "Schuh
des Manitu" konnte 2002 zwar ein noch höheres Einspielergebnis
verbuchen, blieb aber verständlicherweise ohne jedes
internationale Echo. Sönke Wortmanns "Wunder von Bern" dagegen
bekam den Publikumspreis im schweizerischen Locarno zuerkannt und
ist mit 3,5 Millionen Zuschauern bereits der zweite deutsche
Kassen-Hit 2003. Dazu noch findet sich ein deutscher Kurzfilm unter
den Oscar-Nominierungen.
Das sind Meldungen, wie sie die
Staatsministerin für Kultur, Christina Weiss (parteilos),
ihrer Ende vergangenen Jahres verabschiedeten Novelle zur
Filmförderung gerne voranstellt. Seit dem 1. Januar 2004 in
Kraft, sollen die darin getroffenen Neuregelungen die Erfolgsspur
des deutschen Films im In- und Ausland weiter ausbauen. Erreichen
will man dies unter anderem durch eine Erhöhung der
Fördergelder. Da das Filmfördergesetz ein "Gesetz zur
Selbsthilfe" ist, werden diese Beträge im Wesentlichen nicht
aus dem allgemeinen Steuertopf genommen, sondern durch eine
"Filmabgabe" gewonnen, die Kinobetreiber, Videoverleiher und
Fernsehsender zu leisten haben.
Die Abgaben für die zuerst Genannten
sind im Gesetz vertraglich festgeschrieben. Von den Fernsehsendern
wird erwartet, dass sie einen entsprechenden Betrag auf
freiwilliger Basis einzahlen. Die in der Novelle vorgesehene
Erhöhung der Filmabgabe scheint auf den ersten Blick
vergleichsweise gering - im Durchschnitt drei Cent pro Kinokarte.
Für die Kinobetreiber ist trotzdem ein Maß
überschritten; der Hauptverband deutscher Filmtheater (HDF)
hat gegen das Gesetz Verfassungsklage eingereicht.
Dieser Schritt rief in den vergangenen Wochen
sehr viel Unverständnis und Kopfschütteln hervor - von
Seiten der anderen Filmwirtschafts-Verbände und der Ministerin
selbst. Man wirft den Kinobetreibern vor, durch ihre Klage mehr
Schaden anzurichten, als selbst durch einen Erfolg für ihre
Seite in Karlsruhe wieder gut zu machen wäre. Wertvolle Zeit,
die die deutsche Filmproduktion gerade in dieser Situation nutzen
müsste, würde nun durch Hinauszögerung von Zahlungen
verschwendet. Manche sehen bereits das gesamte Gebäude der
Filmförderung in Deutschland in Gefahr.
Seit über 40 Jahren gibt es in
Deutschland keine eigene, selbstständige Filmindustrie mehr.
Mit Hilfe des Filmförderungsgesetzes wird fast ebenso lange
versucht, die verschiedenen Interessengruppen der Filmwirtschaft an
einen Tisch zu bringen, um den deutschen Film trotz alledem am
Leben zu erhalten. Nicht nur, weil man ihn als wertvolles
nationales Kulturgut ansieht, sondern auch, weil er ein
Wirtschaftsgut ist, das Arbeitsplätze bringt. Von
erfolgreichen deutschen Filmen können alle profitieren: sowohl
die unmittelbar an der Produktion Beteiligten als auch die
"Verwerter", also die Kinobesitzer und Fernsehanstalten, denn
attraktive heimische Produkte beleben das Interesse am Film im
allgemeinen. Oder anders ausgedrückt: Dank deutscher
Kassenschlager finden noch mehr Menschen den Weg ins Kino und
schalten später den Fernseher ein.
Das galt zumindest bisher. Nun aber hat sich
2003 ein Trend verstärkt, der sich bereits im Jahr zuvor
ankündigte: Erstmals seit dem kontinuierlichen Anstieg in den
90er-Jahren gehen die absoluten Zahlen der Kino-besucher wieder
zurück, und das trotz der eingangs erwähnten deutschen
Erfolgsfilme. Zwar macht man hauptsächlich den Ausnahme-Sommer
und die mangelnde Qualität der amerikanischen Blockbuster
dafür verantwortlich. Aber es zeichnet sich auch der Einfluss
von Faktoren ab, die sich weniger schnell wieder ändern
können und den Kinobetreibern deshalb nachhaltig Kopfschmerzen
bereiten: Die explosive Ausweitung des DVD-Marktes und die Zunahme
der Raubkopierer.
Die Klage des HDF - im übrigen auch im
eigenen Verband nicht unumstritten - ist also auch vor dem
Hintergrund der angespannten Lage der Kinotheater zu sehen. Der
Ausbau der Multiplexe hat zwar zur Steigerung der Besucherzahlen in
den 90er-Jahren wesentlich beigetragen, zugleich allerdings einen
hohen Innovations- und Investitionsdruck ausgelöst, der viele
alteingesessene Kinos die Existenz kostete und einen harten
Preiskampf nach sich zieht, in dem sich die Multiplexe nun
gegenseitig zu unterbieten versuchen. Die drei Cent pro Kinokarte,
die als Abgabe jetzt mehr geleistet werden sollen, addieren sich
bei den größeren Betreibern zu einer mehrstelligen Summe,
die in diesen Zeiten empfindlich zu Buche schlagen kann.
Trotzdem richtet sich die Klage nicht gegen
die Höhe der Abgabe - die im übrigen im Vergleich mit
Frankreich, dessen Filmförderung aufgrund von Menge und
Qualität der Produktion als leuchtendes Beispiel in Europa
gilt, bei durchschnittlich 2,5 gegenüber dortigen 11 Prozent
vergleichbar gering ausfällt. Nein, die Kinobetreiber
fühlen sich gegenüber den Fernsehsendern ungerecht
behandelt. Zum einen, weil letztere ihren Anteil, wie gesagt, auf
freiwilliger Basis aushandeln. Zum anderen, weil sie seit Jahren
insgesamt weniger einzahlen als die Kinobetreiber. Und zum dritten,
weil sie über mehr Möglichkeiten verfügen, Teile der
Abgaben in Sachleistungen wie Werbezeit und Ähnlichem
abzugelten.
Doch auch die Fernsehsender sind, wie man
weiß, in der Krise. Was sich schon längst auch ganz
unmittelbar auf die Filmwirtschaft niederschlägt; die
Produktionsfirmen klagen allerorts über Auftragsflaute. Ein
Blick ins TV-Programm scheint überdies anzukündigen, dass
das Interesse der Sender an Kinofilmen nachgelassen hat; anders als
noch vor ein paar Jahren sind zur Primetime heute vor allem
Showformate programmiert; die sind nicht nur billiger, sondern vor
allem flexibler in der Produktion, lassen sie sich doch bei Erfolg
genauso schnell verlängern oder vervielfältigen wie bei
eventuellem Misserfolg absetzen. Im ganzen ergibt sich also ein
vertrautes Bild: die krisengeschüttelten Branchen wollen
jeweils haben, dass der andere mehr bezahlt.
Der Streit um die Filmabgabe hat eine andere
Diskussion ganz in den Hintergrund treten lassen: Wie ist das neue
Filmförderungsgesetz zu bewerten im Hinblick auf seine
eigentliche Aufgabe, den Ausgleich zwischen Kunst und Kommerz,
zwischen Kulturförderung und Wirtschaftssubvention? Noch in
den 70er-Jahren war es der HDF, der das Filmförderungsgesetz
dafür kritisierte, in der Mehrheit Produkte zu fördern,
die die Zuschauer regelrecht zur Flucht aus dem Kino verleiteten.
Tatsächlich scheint sich der Gesetzgeber 20 Jahre später
diese Kritik wirklich zu Herzen genommen zu haben.
Unübersehbar ist die Tendenz in der Novelle des FFG,
fürderhin die Erfolgreichen fördern zu wollen - und
weniger die Experimentierfreudigen oder Eigensinnigen.
Schlöndorffs Oscar war damals ein krönender Triumph
für den deutschen Autorenfilm; unter den heutigen
Förderbedingungen wäre der nicht mehr lebensfähig.
Ob sich die "deutsche Komödie" mit "Good bye Lenin" wirklich
ein vergleichbares internationales Renommee erwerben
kann?
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