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Volker Koop
Stillstand durch Wahlmarathon?
Keine Chance für deutsche "mid term
election"
Deutschlands Spitzenpolitiker werden in diesem Jahr viel reisen
und auf Tausenden von Wahlveranstaltungen reden müssen, denn
2004 ist ein "Super-Wahljahr". Beginnend mit den vorgezogenen
Neuwahlen zur Hamburger Bürgerschaft Ende Februar geht es
Schlag auf Schlag: Landtagswahlen, Kommunalwahlen und
schließlich noch die Wahlen zum Europäischen
Parlament.
Viele fürchten, angesichts eines solchen Marathons werde
die Bundespolitik auf der Strecke bleiben. Denn als Ende des
vergangenen Jahres die Verabschiedung von dringenden Reformen unter
anderem im Gesundheitswesen anstand, rieten Politiker und
Beobachter zur Eile. Begründung: das Zeitfenster, in dem diese
wichtigen, aber teilweise unpopulären Beschlüsse
möglich seien, sei eng und werde sich im Jahr 2004 rasch
wieder schließen. Die Befürchtung, mit Rücksicht auf
Wahlen und Wähler werde es zu einem bundespolitischen
Stillstand kommen, hat jetzt die Diskussion darüber neu
entfacht, ob unterschiedliche Wahltermine nicht zusammengelegt
werden sollten.
Anhänger findet diese Vorstellung unter den im Bundestag
vertretenen Parteien jedoch nur in geringem Maße. So
befürchtet der innen- und rechtspolitische Sprecher der
CSU-Landesgruppe, Wolfgang Zeitlmann, eine Zusammenlegung von
Wahlterminen für Bundes- und Landtagswahlen schade der
föderalen Struktur des Landes. Schon jetzt sei es schwierig
genug für die Landespolitiker, sich von bundespolitischen
Themen und Trends abzukoppeln. Wenn Bundestagswahlen gleichzeitig
mit Landtagswahlen stattfänden, wäre eine Unterscheidung
praktisch ausge- schlossen. Eine Konzentrierung von Terminen
für Landtagswahlen auf ein bis zwei Termine pro
Legislaturperiode des Bundestages würde die Landtagswahlen
ausschließlich zu Testwahlen für die Bundestagswahlen
degradieren.
Eine Verbesserung der aktuellen Situation kann nach Zeitlmann
vielmehr über die Entflechtung der Zuständigkeiten
zwischen Landes- und Bundesgesetzgebung erfolgen: "Wenn klar zu
unterscheiden ist, ob die politische Verantwortung im Bund oder
beim Land liegt, wird auch die Bedeutung der einzelnen
Landtagswahlen für die Bundespolitik abnehmen." Das Beispiel
der vergangenen Wahl in Bremen habe gezeigt, dass es auch jetzt
schon möglich sei, sich von Trends auf Bundesebene abzusetzen.
Diese Möglichkeit werde durch eine klare Abgrenzung der
Verantwortungsbereiche weiter verbessert. In diesem Zusammenhang
erinnert der CSU-Parlamentarier an die Rolle der Medien: "Die
Politik braucht für eine bessere Abgrenzung der
Verantwortungsbereiche die Unterstützung der Medien. Ohne eine
bessere Vermittlung dieser Abgrenzung wird sich nichts ändern.
Wenn die Medien über Landtagswahlen und sogar über
Kommunalwahlen nur bezogen auf deren bundespolitische Bedeutung
berichten, muss man sich über ein entsprechendes Wahlverhalten
der Bürger und über fehlende Entscheidungsfreude der
Politiker vor solchen Wahlen nicht wundern."
Einen "gewissen Charme" sieht Volker Beck in der Idee,
sämtliche Wahltermine an einem oder zwei Tagen zu
bündeln, denn: "Wir erleben es ja immer wieder, dass wichtige
politische Entscheidungsprozesse im Hinblick auf bevorstehende
Wahlen ins Stocken geraten." Reformen mit unangenehmen Seiten
für die Bürgerinnen und Bürger, so der
rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen, würden, weil man das Votum der Wähler
fürchte, erst nach dem Wahltermin angepackt. Aber Beck sagt
klipp und klar: "Eine Zusammenlegung aller Wahltermine
einschließlich der Bundestagswahl auf einen Tag halte ich
für falsch. Denn die Wählerinnen und Wähler sollen
die Parteien allein nach ihrer Leistung auf der jeweiligen Ebene
betrachten. Bei einer Konzentration aller Wahlen an einem Termin
würde meines Erachtens die Gefahr bestehen, dass der
Bundestagswahlkampf letztlich alles dominiert und auch das
Stimmverhalten auf der kommunalen oder der Landesebene
unverhältnismäßig beeinflusst. Im Vordergrund
stünden dann vor allem bundespolitische Themen,
kommunalpolitische oder landesspezifische würden hinten runter
fallen."
Wünschenswert wäre nach Ansicht des
Grünen-Abgeordneten eher eine Bündelung sämtlicher
Landtagswahlen und Kommunalwahlen an jeweils einem Tag. Doch bei
aller Sympathie für diesen Vorschlag würde die
Realität hier wahrscheinlich bald einen Strich durch die
Rechnung machen, "denn wie man jetzt in Hamburg erleben durfte,
schafft nicht jede gewählte Regierung die volle
Legislaturperiode, mit der Folge, dass dann vorgezogene Neuwahlen
erforderlich werden. Früher oder später hätte man
also wieder viele verschiedene Wahltermine".
Unmissverständlich lehnt der SPD-Abgeordnete Volker
Kröning alle Gedankenspielereien um eine Zusammenlegung von
Wahlterminen ab und begründet dies so: "Ich fürchte
keinen Stillstand, weil der Problem- und Lösungsdruck in
unserem Land noch immer groß ist. Das dämmert den
Parteien. In der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur
Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung bin ich
mitverantwortlich für einen Erfolg dieser Reform, und nach dem
Start und der ersten Phase bin ich auch optimistisch. Für eine
Zusammenlegung von Wahltermine bin ich nicht, weil ich die
Erfahrung gemacht habe, dass die Bürgerinnen und Bürger
genau die Ebenen zu unterscheiden vermögen - ebenso wie die
inhaltlichen und Personenangebote, die ihnen die Parteien
machen."
Die Zusammenlegung von Wahlterminen hält der
CDU-Abgeordnete Laurenz Meyer auf den ersten Blick für eine
bestechende Idee: "Eine Art deutsche 'mid term election' zur
Halbzeit der Bundestags-Wahlperiode, dadurch nur noch zweimal
innerhalb von vier Jahren Wahlkampf - das würde unser Land von
der vermeintlichen Dauer-Lähmung befreien, die der permanente
Wahlkampf im einen oder anderen Bundesland angeblich auslöst,
so sagen die Befürworter." Doch im Endeffekt wäre nach
Meyers Überzeugung die Zusammenlegung von Landtagswahlen
nichts anderes als eine Verkürzung der Legislaturperiode des
Bundestages: Politik würde nicht mehr mit dem Horizont von
vier, sondern nur noch von zwei Jahren gemacht.
Darüber hinaus wäre es kaum das richtige Signal,
Landtagswahlen mit der Bedeutung einer zweiten Bundestagswahl
"aufzuladen": Ergebnisse der Landespolitik hätten dann nicht
mehr die ihnen zustehende Bedeutung bei den Wahlentscheidungen,
landespolitische Themen würden weiter ins Abseits
gedrängt als heute schon. Kommunalwahlen würden ebenfalls
einen Testwahlcharakter bekommen, was angesichts der Bedeutung
kommunaler Themen vollends unangebracht wäre. Der
CDU-Parlamentarier tritt deshalb für die Beibehaltung des
jetzigen Systems ein: "Die Bekämpfung von Stillstand und
Lähmung in der Politik hängt nicht von Wahlterminen ab,
sondern einzig vom Willen der Handelnden."
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