|
|
Josef-Thomas Göller
John-John: Das Dream Team der Demokraten
Die Zustimmung unter den Demokraten für
John Kerry wächst stetig
John Kerry, der 60-jährige Senator aus
Massachusetts "takes it all". Vergangenen Dienstag holte er sich in
den Vorwahlen der Demokraten die überwältigende Mehrheit
in den beiden Südstaaten Virginia und Tennessee und zwang
damit den einstigen NATO-General und Mitbewerber Wesley Clark zur
Aufgabe. Kerry ist offenbar in der Lage, seinen im Norden und
Mittelwesten der USA begonnenen Höhenflug auch im
konservativen Süden des Landes fortzusetzen.
Bemerkenswert dabei ist, dass Kerry eine
signifikant hohe Zustimmung von afro-amerikanischen Wählern
erfahren hat, der klassischen Wählergruppe der Demokraten, die
sich indes bisher mit keinem der Kandidaten eindeutig
identifizieren konnten. Der einzige schwarze Kandidat, Reverend Al
Sharpton, scheiterte kläglich.
Wichtig für die Demokraten ist auch,
dass der sympathische Mitbewerber Senator John Edwards, der
kürzlich South Carolina gewann und in den übrigen Staaten
stets gut plaziert hinter Kerry abschnitt, wiederum jeweils auf den
zweiten Platz kam.
Mit diesen beiden Johns zeichnet sich ab,
dass die oppositionellen Demokraten offensichtlich schneller als
erwartet ihr Dream Team für die Präsidentenwahl am 2.
November 2004 gefunden haben: den jeweiligen Kandidaten für
den Präsidenten und seinen Vize-Präsidenten.
Ein Aufatmen geht durch die Reihen der seit
dreieinhalb Jahren hilflos und verwirrt erscheinenden Demokraten.
Fast möchte man meinen, das Aufatmen geht durchs ganze Land.
Jeder Politologe weiß, eine Regierung ist nur so gut, wie die
Opposition. Genau dies empfindet auch der Bürger von der
Straße ohne Politikkenntnis. Seit dem zweifelhaften Wahlsieg
von Präsident Bush im Januar 2001 wirkte die Partei der
Demokraten wie gelähmt. Sie hat den knappen Wahlverlust von Al
Gore, der unter ungeklärten Umständen zustande kam, nie
richtig verkraftet. Neun Monate später gab es dann am 11.
September den Terror-Angriff auf Amerika. Selbst die Ex-First Lady
und Senatorin für New York, Hillary Clinton, scharte sich
damals angesichts der terroristischen Kriegserklärung hinter
den ungeliebten Präsidenten, ebenso Senator Joseph Lieberman,
der eigentlich mit Al Gore ins Weiße Haus einziehen wollte.
Und auch John Kerry stimmte im Senat einer "Carte Blanche" für
die militärischen Feldzüge des Präsidenten in
Afghanistan und im Irak zu. Die Opposition war angesichts der
weltpolitischen Entwicklungen sichtlich ratlos und hat George Bush
schalten und walten lassen.
Die Militarisierung der amerikanischen
Außenpolitik unter Präsident Bush ist damit auch den
Demokraten anzulasten. Denn für die Beseitigung der Taliban
und des Diktators Saddam Hussein bedurfte es auch in Amerika der
Zustimmung einer Zwei-Drittel-Mehrheit in beiden Häusern des
Parlaments, und die Republikaner sind dort jeweils nur mit einer
knappen Mehrheit vertreten.
Die kopflose Mutlosigkeit der Demokraten
scheint nun jedoch passé zu sein. Seit dem Beginn der
Vorwahlen, also des Auswahlwettbewerbs unter ursprünglich elf
demokratischen Kandidaten, ist die Opposition aufgewacht, auch
getrieben aus den eigenen Reihen. Es war Howard Dean, der
Ex-Gouverneur von Vermont - einem der liberalsten Bundesstaaten der
USA - der dem linken Spektrum der Demokraten eine laute Stimme gab.
Es war Dean, der als erster Politiker scharf die Politik des
Präsidenten angriff, damit aber gleichzeitig auch das eigene
schläfrige Parteiestablishment. Bis zum Beginn des
Auswahlwettbewerbs unter den Demokraten schaffte Dean es sogar,
sich in der amerikanischen Öffentlichkeit als "Frontrunner"
der demokratischen Kandidaten zu präsentieren. Damit hatte er
den übrigen Kandidaten ordentlich eingeheizt - zu deren
Vorteil und zu seinem Nachteil. Denn Howard Dean offenbarte
während der vergangenen neun Monate auch beträchtliche
Charakterschwächen, salopp formuliert: er hatte Aussetzer.
Nicht nur widersprach er sich manchmal geradezu stündlich. Er
verschreckte vor allem die Afro-Amerikaner sowie die
bürgerlichen Wähler der Demokraten mit seiner
demagogischen "Raserei", seiner unkontrollierten "Wut" gegen den
Präsidenten und dem ebenso unfassbaren wie
unglaubwürdigen Anbiedern an die konservative weiße
Wählerschicht in den Südstaaten. Obwohl die Entscheidung
um den endgültigen Herausforderer Präsident Bushs noch
nicht gefallen ist, kann jetzt schon der Abgesang auf Dean
angestimmt werden: sein Beispiel zeigt nachhaltig: "Wut" als
Wahlkampfprogramm ist keine ausreichende Strategie.
Dennoch bleibt Howard Dean eine
ernstzunehmende Imponderabilie im weiteren Wahlkampf. Denn er
verfügt dank millionenfacher Spenden hauptsächlich aus
den linksintellektuellen Kreisen der Vereinigten Staaten über
ein ausreichendes Budget, um notfalls als unabhängiger Dritter
am 2. November anzutreten. Damit würde er für jedweden
demokratischen Präsidentschaftskandidaten die gleiche Gefahr
heraufbeschwören, wie es im Jahr 2000 der
Präsidentschaftskandidat der amerikanischen Grünen, Ralph
Nader, tat. Der konnte damals rund 4,5 Prozent der Stimmen auf sich
ziehen und verdarb damit dem Demokraten Al Gore einen eigentlich
leichten Wahlsieg über Bush. Noch ist nicht klar, ob Nader
auch diesmal wieder antritt. Nur: Sollte Dean sich zu dem Schritt
des unabhängigen Kandiaten entschließen - und zuzutrauen
wäre ihm das, da er mindestens genauso "wütend" auf die
Parteifunktionäre der Demokraten ist wie auf Präsident
Bush - dann wird es auch im Januar 2005 keinen demokratischen
Präsidenten geben.
Die amerikanische Opposition kann sich jedoch
keine Stimmenzersplitterung erlauben. Die Umfrageergebnisse
prognostizieren wiederum ein knappes Wahlergebnis - aber nur, wenn
lediglich zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Andernfalls
würde Präsident Bush mit Leichtigkeit die Wahlen
gewinnen.
Viele demokratischen Wähler machen sich
jedoch nicht nur darüber Sorgen, sondern sie sind auch
verärgert über das komplizierte und langwierige
Auswahlverfahren um einen endgültigen
Präsidentschaftskandidaten. "Das lenkt fast ein halbes Jahr
lang von der eigentlichen politischen Auseinandersetzung mit dem
Herrn im Weißen Haus ab", klagt symptomatisch die
60-jährige Lehrerin Jane Cumings, die sich als "lebenslange
Demokratin" bezeichnet.
Von Wahl zu Wahl wird der amerikanischen
Öffentlichkeit bewusster, dass das gesamte Wahlsystem der USA
eigentlich nicht mehr zeitgemäß sein ist.
Schließlich stammt es aus der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts und basiert seitdem auf Wahlmännergremien. Was
damals aufgrund der großen Entfernungen Sinn gemacht hat,
wirkt im Zeitalter der Elektronik nur noch schwerfällig. Das
beginnt schon damit, dass es noch nicht einmal ein einheitliches
System bei den Vorwahlen gibt. In 13 der 50 Staaten zum Beispiel
wird der so genannte "Caucus" angewandt. Wörtlich
übersetzt ist das eine Volkszählung, gemeint ist damit in
Wirklichkeit aber ein Landesparteitag. In Iowa etwa, wo die
Vorwahlen begannen, ist ein solcher Landesparteitag vorgeschrieben.
Dort stimmen die Delegierten über die Kandidaten ab. In Iowa
konnte John Kerry also die Mehrheit des Landesparteitags der
Demokraten auf sich vereinigen. Dies birgt indes die
Unwägbarkeit in sich, dass bei der späteren
Präsidentenwahl im gleichen Bundesstaat noch lange nicht
sicher ist, ob die Mehrheit der demokratischen Basis-Wähler
auch für den Kandadidaten John Kerry stimmen
würde.
Die weit häufigere Form der
Kandidatenauswahl ist dann die "Primary", also eine echte Wahl mit
Stimmenabgabe in einem Wahllokal, zu der indes nur die als
"Demokraten" registrierten Wähler ihre Stimme abgeben
können. Dieses System hat die entscheidende Schwäche,
dass es suggeriert, ein Kandidat sei in der Lage, einen Bundesstaat
für sich zu gewinnen, zum Beispiel jetzt angesichts von John
Kerrys Sieg in Virginia. Bei der späteren Präsidentenwahl
aber kann es durchaus passieren, dass der Republikaner George W.
Bush im konservativen Südstaat Virginia eine
überwältigende Mehrheit der Gesamtwähler für
seine Partei einfährt. Denn Kerrys "Wahlsieg" in den Vorwahlen
in Virginia ist nur anhand der eingetragenen Demokraten berechnet
worden.
So geht es in den Vorwahlen also
zunächst nur darum, möglichst viele Partei-Delegierte zu
gewinnen. Ihr Stimmenanteil berechnet sich wiederum nach der
Bevölkerungsdichte eines jeweiligen Bundesstaates. Diese
Delegierten, insgesamt werden es mehr als 4.000 sein, wollen sich
dann vom 26. bis 29. Juli 2004 in Boston auf dem Parteitag der
Demokraten versammeln und den Präsidentschaftskandidaten
wählen. Dabei sind alle Entsandten verpflichtet, ihre Stimmen
jenem Kandidaten zu geben, in dessen Namen sie entsandt
wurden.
Obwohl damit im Vorfeld dank akribischer
Auszählung der Anzahl der Delegierten, die jeder Kandidat
für sich in der Vorwahl gewinnen konnte, klar sein sollte, wer
der eigentliche Sieger ist, kann es Überraschungen geben. Denn
- noch nicht kompliziert genug - gibt es zudem 802
"Superdelegierte", bestehend aus den demokratischen Senatoren,
Abgeordneten im Repräsentantenhaus, den demokratischen
Gouverneuren aus den Ländern sowie bestimmten Vertretern des
Parteiapparates, was der Endrechnung eine gewisse Unsicherheit
verleiht.
Theoretisch läge in der dadurch
entstehenden Situation die Chance eines Außenseiters.
Angenommen, John Kerry würde die Mehrheit der Delegierten aus
den Ländern gewinnen, aber Hillary Clinton tauchte
plötzlich als "Dea ex machina" in Boston auf, dann
könnten jene Superdelegierten gemeinsam mit den
Delegiertenstimmen der Gegner Kerrys der Ex-Präsidentengattin
zur überraschenden Kandidatur verhelfen.
Damit ist in der gegenwärtigen Situation
allerdings nicht zu rechnen. Der hochdekorierte Vietnamveteran John
Kerry und sein möglicher Runningmate, aus dem Süden, John
Edwards, beglücken mit ihren Vorwahlerfolgen die demokratische
Partei und die Wähler dermaßen, dass nur noch ein letzter
Schritt fehlt, um beide zum endgültigen Dream Team zu
küren. Und das könnte der zweite so genannte "Super
Tuesday" sein. Zum zweiten Mal wird nämlich an einem Dienstag,
dem 2. März, in mehreren Bundesstaaten gleichzeitig
abgestimmt. Am 2. März entscheiden die demokratischen
Wähler in den bevölkerungsreichsten "Super Staaten"
Kalifornien und New York sowie einer weitern Reihe kleinerer
Staaten darüber, welcher Kandidat ihre Zustimmung findet.
Gewinnt Kerry auch diesen "Super Tuesday", ist die Vorwahl
endgültig entschieden. Zwar laufen in den verbleibenden
Bundesstaaten die Primaries noch bis zum 8. Juni, aber
erfahrungsgemäß steht Anfang März der Kandidat der
Opposition fest. Es sieht deshalb ziemlich gut aus für die
John-Johns.
Zurück zur Übersicht
|