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Rolf Helfert
Idee ohne Wurzeln
Der Liberalismus in Polen
Das liberale westliche Wirtschaftsmodell verhieß nach 1989
"eine neue Gesellschaft, die es so rasch wie möglich zu
errichten" galt. Der anfängliche Optimismus, dass in Polen
eine starke liberale Partei entstehen könnte, verblasste
rasch. Jerzy Szaki, geboren 1929, "Ideenhistoriker" und
Sozialwissenschaftler, untersucht die junge Pflanze des
Liberalismus in Polen.
1989 schätzten viele Polen die liberale Ökonomie als
"natürliche" Alternative zum verkarsteten "Realsozialismus".
Doch das ersehnte "Wirtschaftswunder" fand nicht statt; der
kapitalistische "Liberalismus" schlug keine Wurzeln. Auch
Demokraten fürchten das "Risiko des marktwirtschaftlichen
Kampfes ums Dasein", und attraktive bürgerliche Programme
existie-ren nicht. Sogar der polnische Mittelstand meide die
"Freiheitsunion" des Leszek Balcerowicz.
Andere polnische Parteien vertreten kaum liberale
Grundsätze. Kritiker der Liberalen werfen ihnen Nachahmung des
Kapitalismus vor, Missachtung polni-scher Traditionen, soziale
Ungleichheit, Abbau des Wohlfahrtsstaates, Vernachlässigung
der Demokratie. Der Liberalismus enthülle sich in Polen als
"reine Idee", künstlich geschöpft aus westlichen
Schriften, hastig und dogmatisch konstruiert. Heute stünden
die Liberalen am Rand der polnischen Gesellschaft.
Ostmitteleuropa konnte feudale Strukturen lange Zeit nicht
abstreifen. Die "goldene Freiheit" des polnischen Kleinadels, der
Schlachta, einer sozial privilegierten Kaste, die das Land
ruinierte, förderte keineswegs liberales Denken. Nicht
individuelle Freiheit und wirtschaftliche Modernität vertrat
der polnische Adel, sondern er zementierte "archaischen
Kollektivismus" und ökonomische Rückständigkeit.
Insofern Liberalismus und Kapitalismus einander bedingen, sei
festzustellen, dass kapitalistische Verhältnisse in Polen
marginal blieben. Während der Teilungsepoche fanden liberale
Doktrinen wenig Aufmerksamkeit. Am Ende dieses Buches steht nur
Ratlosigkeit. Jedoch muss es nicht schaden, dass Polen neoliberale
Maximen der eigenen Tradition anpasst. Rolf Helfert
Jerzy Szaki
Der Liberalismus nach dem Ende des Kommunismus.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 2003, 389 S., 34,90 Euro
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