|
|
Barbara Minderjahn
Höchster Berg - eine Müllhalde
Malta und die Umweltnormen
Der Strand zwischen Salina Bay und Ghallis Rocks im Nordosten
von Malta gehörte früher zu den schönsten
Plätzen der Mittelmeerinsel. Doch mittlerweile verschandelt
eine riesige Müllkippe Umwelt und Landschaft. Sie liegt nur
einige 100 Meter entfernt, auf der anderen Seite der
Küstenstraße. Bauschutt, Industrieabfall und
Hausmüll - sogar Reste von Tierkadavern und medizinische
Abfälle wollen Umweltschützer bei Stichproben dort schon
gefunden haben. Der Präsident der Denkmal- und
Umweltschutzgruppe Din l-Art Helwa Martin Scicluna sagt: "Berichte
zeigen, dass die Deponie im höchsten Maße giftig und
umweltgefährdend ist. Der Müllberg liegt direkt am Meer,
und die Regierung selbst hat diese Küstenregion für
Schwimmer gesperrt". Der Betreiber, der maltesische Staat, hat die
Deponie nicht abgedichtet. Das heißt, die Schadstoffe
können ungehindert ins Meer und ins Grundwasser gelangen. Die
Umweltbelastung wird nicht regelmäßig kontrolliert.
Jahrelang wussten die Malteser nichts davon. Doch mittlerweile
berichten die Zeitungen täglich über das gravierende
Problem. Dennoch machen sich die Einwohner des kleinen Inselstaates
weniger Sorgen über das Gift als vielmehr über das
katastrophale Aussehen der Deponie. Mount Maghtab, wie die
Bevölkerung ihre Kippe nennt, ist nämlich der
höchste Berg Maltas, eine zweifelhafte Erhebung aus qualmenden
und stinkenden Müllresten. Der stellvertretende Leiter der
maltesischen Handelskammer Kevin Borg sagt: "Wir denken, dass die
Deponie allzu nah bei den Touristenattraktionen liegt und sie
beeinträchtigt. Wir üben daher Druck auf die Regierung
aus, einen anderen Ort dafür zu finden oder ein besseres
Abfallmanagement einzuführen".
Beide Vorschläge sind jedoch nicht so einfach umzusetzen,
wie es den Experten scheint. Malta, nur ein Viertel so groß
wie die deutsche Hauptstadt Berlin, ist das am dichtesten
besiedelte Land Europas. Schon jetzt gibt es keine abgeschiedenen
Plätze mehr, wo der Abfall ungestört vor sich hin faulen
könnte. Der Bauboom frisst die noch verbliebenen
Grundstücke auf. Feriensiedlungen, Apartmenthäuser und
Hotels - wöchentlich kommt irgendwo auf der beliebten
Ferieninsel ein neues Gebäude hinzu. Kevin Borg: "Malta ist so
klein. Egal, wo man den Müll hinschüttet. Er ist immer im
Weg". Das Beste wäre also, erst gar keinen Müll entstehen
zu lassen, zum Beispiel indem man so viele Wertstoffe wie
möglich wiederverwertet. Die Städte haben vor einigen
Jahren versucht, ein solches Recyclingsystem einzuführen. Die
verschiedenfarbigen Wertstoffmülltonnen stehen bis heute an
der einen oder anderen Ecke. Aber das Projekt ist am Desinteresse
der Bevölkerung gescheitert. Die Verantwortlichen haben es
versäumt, Mülltrennung zur Pflicht zu machen. Irgendwann,
wenn Malta demnächst die Umweltstandards der EU umsetzen muss,
wird sich das vermutlich ändern. Doch heute arbeitet Green
Skip Services, das erste maltesische Recyclingunternehmen, fast nur
noch mit Unternehmen und Hotels zusammen. Eine der beiden
Gründerinnen Mary Gaerty erklärt warum: "Viele
Unternehmen versuchen gerade, die internationalen
Qualitätsnormen wie zum Beispiel die ISO 14.000
einzuführen. Das bedeutet, sie müssen gewisse
Umweltstandards einhalten".
Viele maltesische Unternehmen sind Ableger oder Zulieferer von
Unternehmen aus England, Deutschland oder anderen
"alt-europäischen" Staaten. Wenn diese nach den gängigen
Umwelt- oder Managment-Normen zertifiziert sind, müssen sich
auch die Tochter- oder Partnerunternehmen nach diesen Vorschriften
richten. Das heißt, ein Teil der maltesischen Firmen richten
sich auch jetzt schon nach den in der EU üblichen
Qualitäts- und Umweltvorgaben, obwohl sie es laut maltesischem
Gesetz noch gar nicht müssten. Und dann kommt noch ein
finanzieller Aspekt hinzu. Mary Gaerty erklärt: "Sobald die
Firmen Abfall trennen, merken sie, wie viel Müll sie
produzieren, und denken darüber nach, wie sie dieses Material
einsparen können. Wirtschaftlich macht das Sinn. Viele
Unternehmen haben ihre Produktionsweise verändert und
produzieren jetzt weniger Abfall. Langfristig haben Firmen von der
Abfalltrennung profitiert".
Tüten auf die Straße
Im privaten Bereich fehlen diese finanziellen Anreize, um Abfall
zu vermeiden. Die Müllabfuhr kostet nichts. Die Bürger
stellen ihre Tüten auf die Strasse - um den Rest kümmert
sich die Stadt. Warum sollen sich die Menschen die Mühe
machen, Plastik, Glas oder Papier getrennt in Container zu
werfen?
Eine andere Alternative, um Mensch und Umwelt zu schonen,
wäre eine Müllverbrennungsanlage. Moderne Technik
könnte die entstehenden Abgase aus der Luft filtern. Die
gewonnene Energie könnte weiter genutzt werden. Doch Mary
Geatery glaubt: "Die Bevölkerung ist gegen eine
Müllverbrennungsanlage. Es ist eine lange Geschichte.
Greenpeace war vor einiger Zeit hier und hat eine öffentliche
Kampagne gegen eine Müllverbrennungsanlage geführt. Die
Greenpeaceleute lassen da nicht mit sich reden und hören sich
auch keine Gegenargumente an, aber sie haben auch keine bessere
Lösung".
Doch eine zügige Lösung muss her. Die Europäische
Union hat Malta im Zuge der Beitrittsverhandlungen energisch dazu
aufgefordert, die alte Müllkippe zu schließen. Die
Regierung will nun in einem überschaubaren Zeitraum eine neue,
nach modernen Standards bewirtschaftete Deponie errichten. In der
Zwischenzeit, bis diese endgültig in Betrieb gehen kann,
wollen die Behörden die Abfallmassen in mehrere stillgelegte
Steinbrüche kippen. Diese befinden sich dummerweise in der
Nähe von vielbesuchten historischen und von der Unesco zu
Denkmälern erklärten Sehenswürdigkeiten. Und dass
derart verschämt abgeladener Müll zwar optisch entsorgt,
aber dennoch kein Teil der Gegenwartskultur ist, der zu den antiken
Ruinen dieser wunderschönen Insel passt, dürfte selbst
bei den dafür zuständigen Fachleuten unbestritten sein.
Barbara Minderjahn
Zurück zur
Übersicht
|