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Hartmut Hausmann
Die Türkei nicht aus Monitoring
entlassen
Bericht kurzfristig abgesetzt
Zum Auftakt ihrer Frühjahrssitzungswoche
hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats am 26. April in
Straßburg die geplante Entlassung der Türkei aus dem
Monitoring-Verfahren von der Tagesordnung abgesetzt. Begründet
wurde dieser Schritt mit der Bestätigung der langjährigen
Haftstrafen gegen Leyla Zana und drei weitere frühere
Parlamentarier durch den Staatssicherheitsgerichtshof in Ankara.
Die Abgeordneten hatten sich als Parlamentarier gegen die
Unterdrückung der kurdischen Minderheit eingesetzt.
Der Fall musste auf Druck des Europarats neu
verhandelt werden, weil der Menschenrechtsgerichtshof des
Europarats in Straßburg das Verfahren 2001 als unfair und
somit rechtsstaatlich nicht akzeptabel eingestuft hatte. Der jetzt
abgesetzte Monitoringbericht, mit dem überprüft wurde, ob
die Türkei ihre demokratischen und rechtsstaatlichen
Verpflichtungen als Mitgliedstaat des Europarats einhält, kam
zu einer positiven Beurteilung, weil die Türkei in den letzten
zwei Jahren mehr Reformen erfolgreich durchgesetzt hat als im
Jahrzehnt davor. Hervorgehoben werden insbesondere die Abschaffung
der Todesstrafe, die Aufhebung vieler Beschränkungen der
Meinungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit sowie bestimmte
kulturelle Rechte, die türkischen Bürgern kurdischer
Abstammung gewährt wurden.
Das Monitoring-Verfahren zur besonderen
Überwachung der Türkei sollte deshalb beendet werden. In
einem daran anschließenden "Post-Monitoring-Dialog" sollte
stattdessen auf der Basis einer Liste zwölf offener Punkte auf
weitere Fortschritte in noch nicht befriedigenden Bereichen
hingewirkt werden. Dazu zählt die Anerkennung nationaler
Minderheiten, Änderungen des Wahlgesetzes, weitere
Bemühungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, Kampf
gegen Korruption sowie das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus
Gewissensgründen oder auf alternativen Zivildienst.
Eine so lange Liste für einen
Post-Monitoring-Dialog ist äußerst ungewöhnlich, da
normalerweise ein Monitoring-Verfahren nur beendet wird, wenn nicht
mehr als drei noch nicht zufriedenstellend gelöste Bereich
bestehen bleiben. Der Europarat aber war angesichts der großen
türkischen Reformbereitschaft in den letzten zwei Jahren
bereit, einen Vertrauensvorschuss zu gewähren, weil die
Entlassung aus dem Verfahren für die türkische Regierung
besondere Priorität hat.
Im Dezember dieses Jahres wollen die Staats-
und Regierungschefs der Europäischen Union die Entscheidung
fällen, ob die Verhandlungen mit Ankara über die Aufnahme
der Türkei in die EU eröffnet werden sollen, was einer
Vorentscheidung für den Beitritt des Landes gleichkäme.
Für diesen Beschluss bereitet die EU-Kommission in
Brüssel zurzeit einen ausführlichen Empfehlungsbericht
vor. Dieser kann aber nicht positiv ausfallen, solange die
Türkei von dem 45 Staaten umfassenden Europarat nicht das
Gütesiegel einer befriedigenden Demokratie und eines
funktionierenden Rechtsstaates unter Achtung der Menschenrechte
erhält.
Nach den jüngsten Gerichtsurteilen war
dieser Schritt nun nicht mehr gangbar, und die Debatte wurde
zunächst auf Juni vertagt. Da es aber die Möglichkeit
gebe, gegen dieses Urteil in Berufung zu gehen, bestehe noch
Hoffnung, dass das Kassationsgericht der Türkei das Urteil
für nichtig erkläre, darauf verwies der deutsche
Abgeordnete Rudolf Bindig (SPD) vom Rechtsausschuss. Doch solange
es das Staatssicherheitsgericht gibt, ist die Gefahr derartiger
Urteile auch in Zukunft nicht gebannt.
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